Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 2. Mai 1956 die Abrechnung Ober die Rentenzahlungen und Ober die Beitragszahlungen far die Rentnerkrankenversicherung in der Invalidenversicherung und in der Angestelltenversicherung far das Kalenderjahr 1953 Übersandt. Die Abrechnung liegt im Archiv zur Kenntnisnahme auf.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich bekanntgeben: In der letzten Fragestunde sind die Fragen des Abgeordneten Dr. von Buchka und des Abgeordneten Maier ({0}) zurückgestellt worden, da sowohl der Herr Außenminister als sein Staatssekretär nicht anwesend sein konnten. Nach interfraktioneller
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Vereinbarung sollen beide Fragen jetzt vor Eintritt in die Tagesordnung aufgerufen werden. Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts steht zur Beantwortung bereit.
Ich unterstelle Ihr Einverständnis und rufe die Frage des Abgeordneten Dr. von Buchka -- Frage 11 - betreffend Zielabwürfe der US-Luftwaffe im Gebiet des Großen Knechtsands auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß am 5. April 1956 bei Zielabwürfen der US-Luftwaffe, die dem Großen Kneditsand galten, eine Übungsbombe zwischen den Nordseebädern Duhnen und Sahlenburg in der Nähe eines Seehospitals, also weit vom Ziele ab und durchaus in bewohnter Gegend, niedergegangen und explodiert ist?
Was hat die Bundesregierung daraufhin veranlaßt, und was gedenkt sie weiterhin in die Wege zu leiten, um künftighin Leben und Eigentum der Menschen zwischen der Elb- und Wesermündung vor derartigen bedauerlichen Vorkommnissen zu bewahren? Läßt sich durch eine erneute Vertragsrevision das Gebiet des Großen Knechtsandes als Zielfläche gänzlich ausschalten?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten folgendermaßen beantworten. Der Bundesregierung ist bekannt, daß am 5. April bei Zielabwürfen der Luftwaffe der Vereinigten Staaten im Zielgebiet A des Großen Knechtsands eine Übungsbombe in der Gegend von Sahlenburg niedergegangen ist. Die Übungsbombe hat glücklicherweise keinen Schaden angerichtet, weil sie bei einem Gewicht von 200 Pfund nur einen Rauchsprengsatz von 5 kg hatte und zudem ins Wattengebiet fiel. Es blieb deshalb auch ohne ernste Folgen, daß die Einschlagstelle nur 1 km von dem Tuberkulose-Krankenhaus Nordheimstiftung und etwa 200 m von dem Sahlenburger Strandweg entfernt lag.
Nach Bekanntwerden des Vorfalls ist die Bundesregierung sofort bei der britischen und bei der amerikanischen Botschaft vorstellig geworden und hat unter Hinweis auf die verständliche Beunruhigung der Bevölkerung, insbesondere der Patienten der Nordheimstiftung, gebeten, den Fall gründlich zu untersuchen und das Ergebnis mitzuteilen. Beide diplomatischen Vertretungen haben eine genaue Prüfung und die Abstellung der möglichen Fehlerquellen zugesagt.
Das Hauptquartier der 12. amerikanischen Luftflotte hat mitgeteilt, daß unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls eine Kommission von Offizieren eine eingehende Untersuchung mit dem Ziel eingeleitet habe, alle Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, damit Flugzeuge ihre Bomben auch nicht zufällig über besiedeltem Gebiet auslösen können. Nach den bisherigen Feststellungen hat wahrscheinlich der Auslösemechanismus der Abwurfvorrichtung versagt, so daß die Bombe sich um 18 Sekunden zu spät auslöste und nicht im eigentlichen Zielgebiet, sondern etwa 2700 m davon entfernt im Watt niederging.
Die beiden diplomatischen Vertretungen haben ferner mitgeteilt, daß die zuständigen Kommandobehörden der beiden Luftwaffen auf Grund des Vorfalls ihre nachgeordneten Stellen angewiesen haben, von sofort ab die sogenannten Blindabwürfe, d. h. Abwürfe aus großer Höhe, zu unterlassen.
Ich habe jedoch darüber hinaus beide Botschaften gebeten, vorläufig die Einstellung aller Zielabwürfe anzuregen, also auch solcher aus niedriger Höhe und bei klarer Sicht. Hierzu liegt dankenswerterweise bereits die Zusage vor. Vor Abschluß der bereits eingeleiteten Untersuchung und der Abstellung aller denkbaren Fehlerquellen sowie einer neuen deutsch-britisch-amerikanischen Verständigung hierüber ist eine Wiederaufnahme der Übungszielabwürfe nicht zu erwarten.
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. von Buchka!
Ist die Bundesregierung bereit, sich bei den meines Wissens im nächsten Jahre fälligen neuen Vertragsverhandlungen mit allem Nachdruck dafür einzusetzen, daß die Zielgebiete zwischen Elbe- und Wesermündung künftighin gänzlich in Fortfall kommen?
Darüber ist sich die Bundesregierung noch nicht schlüssig geworden.
Danke sehr!
Ich rufe auf die Frage 23 des Abgeordneten Maier ({0}) betreffend Koppelung des Problems des Rheinseitenkanals mit der Behandlung der Frage des Baues des Moselkanals:
Hat die Bundesregierung das Problem des Rheinseitenkanals mit der Behandlung der Frage des Baues des Moselkanals gekoppelt?
Hat die Bundesregierung bei diesen Verhandlungen erreicht, daß die Bauarbeiten an der Baustufe „Vogelgrün" gestoppt worden sind?
Das Wort hat wieder der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Herr Präsident! Ich darf auf die Frage des Herrn Abgeordneten folgendes antworten.
Den ersten Teil der Frage kann ich bejahen. Dieser erste Teil lautet: ob die Bundesregierung das Problem des Rheinseitenkanals mit der Behandlung der Frage des Baues des Moselkanals gekoppelt habe. Die Bundesregierung stützt ihre Beschwerden gegen den Rheinseitenkanal in seiner jetzigen Form auf allgemeine völkerrechtliche Grundsätze, denen zufolge Arbeiten an einem Grenzfluß nicht bei Verletzung lebenswichtiger Interessen des anderen Grenzanliegers vorgenommen werden dürfen. Sie erkennt keine Verpflichtung an, für die französische Anerkennung ihrer These eine Gegenleistung zu machen. Darüber hinaus ist bereits auf der Pariser Konferenz vom Oktober 1954 von deutscher Seite erklärt worden, daß, wenn es zur Moselkanalisierung kommen sollte, die Bundesregierung darin einen weiteren Grund für die französische Regierung erblicken werde, auf die deutschen Wünsche hinsichtlich der Verhinderung von Schäden für die Landwirtschaft beim Bau des Rheinseitenkanals sowie des Zugangs der deutschen Ufergebiete zum Rheinschiffahrtsweg einzugehen. Die Bundesregierung hat diesen Standpunkt in zahlreichen deutsch-französischen Gesprächen zum Ausdruck gebracht.
Auf den zweiten Teil der Frage: „Hat die Bundesregierung bei diesen Verhandlungen erreicht, daß die Bauarbeiten an der Baustufe ,Vogelgrün gestoppt worden sind?", antworte ich folgendes. Die Bundesregierung hat bereits vor Aufnahme der eigentlichen Bauarbeiten an der Staustufe Vogelgrün, und zwar am 15. Juli des vergangenen Jah({0})
res, der französischen Regierung gegenüber formell der Erwartung Ausdruck gegeben, daß hinsichtlich des Rheinseitenkanals keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, die der Erfüllung unserer Wünsche, die der französischen Regierung übermittelt worden sind, im Bezug auf den Rheinseitenkanal entgegenstehen. Die französische Regierung hat uns zugesichert, daß sie keine vollendeten Tatsachen schaffen wird, die geeignet sind, die von deutscher Seite befürchteten Schäden zu verursachen und die Durchführung von Vereinbarungen zu gefährden. Nach Baubeginn hat die Bundesregierung sowohl durch die Botschaft in Paris als auch in den Verhandlungen der deutsch-französischen Kommission zum Studium des Kraftausbaus des Oberrheins die französische Regierung an ihre früheren Zusagen, zuletzt noch einmal am 12. April dieses Jahres, erinnert und vorsorglich erklärt, daß sie die jetzt in Vogelgrün vorgenommenen Bauarbeiten keinesfalls als Argument für eine weitere Durchführung des Baues nach den alten Plänen gegen sich gelten lassen werde. Die französische Regierung hat sich bisher nicht bereit gefunden, die Bauarbeiten an der Staustufe Vogelgrün des Rheinseitenkanals einzustellen, weil nach ihrer Ansicht die von uns befürchteten Schäden nicht eintreten würden.
Gegenüber dieser unbefriedigenden Stellungnahme der französischen Regierung ist die Bundesregierung weiterhin nachdrücklich bemüht, zu einer unseren Wünschen gerecht werdenden Lösung der Frage Vogelgrün zu kommen. Sie ist der Auffassung, daß das große Opfer, das ein deutsches Eingehen auf den französischen Wunsch der Moselkanalisierung bedeuten würde, von ihr nur erwartet werden kann, wenn die Frage des Rheinseitenkanals im Sinne der deutschen Wünsche geregelt wird. Diese Wünsche umfassen die technische Umgestaltund und Ergänzung der Baupläne, um die von uns befürchteten Schäden zu verhüten und um die Wasserkraft am Oberrhein gemeinsam auszunutzen, eine Regelung, wie sie internationalem Brauch und insbesondere dem Geist der deutschfranzösischen Zusammenarbeit entsprechen würde.
Eine Zusatzfrage!
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Maier ({0}) !
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die französische Industrie bereits Anstalten macht, am Rheinseitenkanal Industriesiedlungen zu errichten, und daß solche Pläne von der französischen Regierung subventioniert werden?
Das ist der Bundesregierung nicht bekannt. Diese Tatsache vermag aber an der Haltung der Bundesregierung in der Frage, wie ich sie skizziert habe, nichts zu ändern.
Eine zweite Frage bitte!
Zu einer zweiten Zusatzfrage der Abgeordnete Maier ({0})!
Ist die Bundesregierung mit eigenen Bauplänen für die Kraftwerke am Oberrhein zwischen Breisach und Kehl in Verhandlungen mit den Partnern auf der französischen Seite getreten?
Die Bundesregierung hat eigene Ersatzvorschläge für die Lösung des Problems des Rheinseitenkanals gemacht, von denen ich sagen kann, daß sie bei den französischen Experten auf Verständnis gestoßen sind.
Ich danke Ihnen.
Damit kommen wir zu Punkt 2 der gemeinsamen Tagesordnung der gestrigen und heutigen Sitzung:
a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Agrarpolitik der Bundesregierung ({0});
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend Maßnahmen nach dem Grünen Bericht ({1}).
Ich schlage Ihnen vor, daß zuerst die Große Anfrage der SPD begründet und vom Herrn Minister beantwortet wird, daß dann der Abgeordnete Dr. Horlacher seinen Antrag begründet und die Aussprache zu a und b verbunden wird. - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Kriedemann.
Kriedemann ({2}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat der Bundesregierung auf der Drucksache 2014 einige Fragen vorgelegt, die so eindeutig sind, daß ich mich zu ihrer Begründung auf einige Bernerkungen beschränken kann, zumal wir heute leider wegen der unglücklichen Plazierung dieses Punktes in der Tagesordnung einige Beschränkungen über uns ergehen lassen müssen.
Wir sind bei der Vorlegung dieser Fragen von der Überzeugung ausgegangen, daß eine ganze Reihe von Diskussionen, von Auseinandersetzungen, von Kritiken zu Fragen der Agrarpolitik, zu Fragen der Ernährungswirtschaft, insbesondere zu Fragen der Lebensmittelpreise darunter leidet, daß nicht in ausreichendem Maße bekannt ist, welchen Kurs die Bundesregierung steuern will. Es gibt darüber zwar allgemeine Formulierungen; es gibt darüber aber auch leider sehr auseinanderlaufende Äußerungen von den verschiedenen Mitgliedern der Bundesregierung, mindestens was die Auswirkungen auf eine Agrarpolitik angeht. Es hat zu allen Zeiten Enttäuschungen z. B. auf der Seite der Erzeuger darüber gegeben, daß die Einrichtungen der Marktordnung nicht zügig und ausreichend genug eingegriffen haben, und es hat nicht weniger, sondern eher mehr Enttäuschungen auf seiten der Verbraucher darüber gegeben, daß in bestimmten Situationen, etwa wenn der ,Preis nach oben weglief, nicht entsprechend zu ihren Gunsten eingegriffen wurde.
Ich glaube, daß diese Unzufriedenheit und diese Überraschungen und die damit verbundenen Auseinandersetzungen im wesentlichen darauf zurückzuführen sind, daß nicht genügend eindeutig bekannt war, was die Bundesregierung eigentlich will. Diese, ich möchte einmal sagen: Mißverständnisse sind um so bedauerlicher, als wir im Bereich der Agrarpolitik und der Ernährungswirtschaft in der Marktordnung und in ihren Einrichtungen die Voraussetzungen dafür haben, daß hier sehr planmäßig verfahren werden kann und auch planmäßig
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und sorgsam verfahren werden soll; denn wir haben ja die Marktordnung und ihre Einrichtungen in der Überzeugung geschaffen, daß wir die Entwicklung auf diesem Gebiet - Erzeugung und Ernährung - sich nicht selbst oder Einflüssen von draußen her überlassen können. Gerade aber weil es diese Steuerungseinrichtungen gibt und weil aus ihrem Funktionieren oder Nichtfunktionieren oder aus dem, was der eine oder andere gelegentlich für Funktionieren oder Nichtfunktionieren hält, dann der Eindruck entsteht, als würden diese Einrichtungen nicht oder nur sehr einseitig gehandhabt, sind wir der Meinung, daß es unbedingt erforderlich ist, in jeder nur möglichen Eindeutigkeit vor allem Volke offenzulegen, was die Bundesregierung im einzelnen beabsichtigt. Da der Erzeuger bei seinen Überlegungen weitgehend davon ausgehen sollte, sich auf diesen von der Bundesregierung, die dafür verantwortlich ist, eingeschlagenen Kurs einzustellen, und da auch der Verbraucher einen Anspruch darauf hat, rechtzeitig unterrichtet zu sein, damit er die sich aus dieser beabsichtigten Politik ergebenden Konsequenzen rechtzeitig in seine eigenen Überlegungen einbeziehen oder zum Anlaß bestimmter Maßnahmen machen kann, und da es schließlich auch andere Wirtschaftskreise gibt, die in ihrer wirtschaftlichen Betätigung sehr weitgehend von dem abhängen, was die Bundesregierung z. B. in der Form, der Gestaltung und dem Umfang ihrer Einfuhrpolitik beabsichtigt, ist es, glaube ich, notwendig, daß jeder weiß, was hier gespielt werden soll, wenn ich es einmal so populär ausdrücken darf.
Schließlich sollte auch noch bedacht werden, daß wir in dem breiten Felde der Veredlungswirtschaft, die sowohl für die Ernährung als auch für die landwirtschaftliche Erzeugung sehr viel bedeutungsvoller ist als etwa die Getreidewirtschaft im engeren Sinne, längst nicht das straffe System haben, wie es sich z. B. in den Getreidepreisen darstellt. Dabei - ich habe es schon gesagt, ich will es nur noch einmal deutlich unterstreichen - spielen die Preise für Veredlungserzeugnisse auch für die Landwirtschaft eine ungleich viel größere Rolle, als es die Preise für das Getreide tun. Wir haben uns seinerzeit die Gründe deutlich vor Augen gehalten, die dazu geführt haben, nicht etwa auch für Schweine oder für Butter mit festen Von-bisPreisen zu arbeiten, wie das beim Getreide der Fall und dort auch möglich ist. Das bedeutet aber doch keineswegs, daß man hier sozusagen von Fall zu Fall entscheiden muß, daß man hier nicht feste Vorstellungen haben kann. Unserer Überzeugung nach hat die Regierung auch feste Vorstellungen, und es gibt einzelne Fälle - ich denke an den Rinderpreis -, wo wir sogar wissen, daß sie feste Vorstellungen hat, und im einzelnen auch wissen, welche feste Vorstellungen sie über die Preise für Lebendrinder hat. Es kommt uns nur darauf an, daß das hier einmal in aller Offenheit und mit dem dazugehörigen Mut dargestellt wird. Das ist schließlich die Voraussetzung nicht nur dafür, daß man sich dann nach allen Seiten hin darauf einrichten kann, sondern auch die Voraussetzung dafür, daß man sich mit dieser beabsichtigten Agrarpolitik rechtzeitig und sachlich kritisch auseinandersetzen kann. Die Diskussion leidet bisher darunter, daß immer erst hinterher, wenn alles schon passiert ist, darüber geredet werden kann. Wir möchten das also, wie gesagt, rechtzeitig haben.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu Einwänden machen, die vermutlich auf diese Fragen hier vorgetragen werden können und die vielleicht lauten: Darf man denn so etwas überhaupt sagen? Würde man damit nicht etwa der Spekulation Tür und Tor öffnen, oder würde man da nicht Probleme heraufbeschwören, die sozusagen Mengenprobleme sind, mit denen man nachher gar nicht mehr fertig werden kann? Muß die Regierung hier nicht ihre wirklichen Absichten so ein bißchen im Dunkeln halten? Nun gut! Wir kennen auch die Leute, die zu alledem, was die Regierung sagt, sagen würden: Das ist zuwenig, wenn es sich um die Erzeugerpreise handelt. Aber ich glaube, vor diesen Leuten sollten wir die Segel nicht streichen. Wir haben sie vor ihnen nicht gestrichen, als es z. B. um die Berechnung des Handikaps ging, dem die Landwirtschaft - denken Sie an das Wort „Parität" - ausgesetzt ist, und haben uns dort auf Maßnahmen in einem Umfang geeinigt, von dem gewisse Leute, die immer alles besser wissen wollen und die glauben machen wollen, daß sie es besser wissen, wenn sie mehr fordern, uns damals gesagt haben, das sei natürlich alles viel zuwenig. Auf diese Art der Kritik sollte man also keine Rücksicht nehmen. Im Gegenteil, man sollte solchen Leuten jede nur mögliche Gelegenheit geben, sich vor allem Volk dadurch zu blamieren, daß sie eben mit Forderungen herauskommen, denen der Stempel der reinen Agitation - und für diese Leute besteht ja die ganze Politik nur aus der Agitation und keineswegs aus sachlichen Überlegungen - so an der Stirn steht, daß darüber gar nicht geredet zu werden braucht.
Ich glaube - und mit mir glauben das meine Freunde -, daß die Marktordnung in weiten Bereichen, insbesondere im Bereich der Veredlungswirtschaft, geradezu ihren Sinn verlieren würde, wenn man sich außerstande erklärte, auch hier nicht nur in allgemeinen Formulierungen, sondern sehr viel eindeutiger, als das bisher geschieht, die Marschrichtung aufzuzeigen, die der Bundesregierung vorschwebt. Zur Vermeidung von Mißverständnissen will ich ausdrücklich sagen, daß wir nicht auf einen bestimmten fixierten Preis hinwollen; aber eine Preisidee kann und müßte mitgeteilt werden, schon weil ja ohne eine solche Preisidee gar nicht vorzustellen ist, wie die Einfuhr- und Vorratsstellen etwa ihre Aufgabe erfüllen sollten, da ohne das Vorhandensein einer solchen Preisidee bei der Bundesregierung auch gar nicht vorzustellen ist, wie sie denn ihre Versorgungspläne, ihre Einfuhrdispositionen und andere den Markt regulierende und in das Marktgeschehen eingreifende Maßnahmen sonst treffen wollte. Bei aller Kritik, die wir gegenüber dieser Bundesregierung haben, zu der wir in Opposition stehen, gehen wir doch nicht so weit, zu glauben oder zu unterstellen, sie verließe sich wirklich nur auf den glücklichen Einfall, der ihr von Tag zu Tag, von Fall zu Fall käme.
Zum Schluß möchte ich sagen, daß eine eindeutige Antwort hier auch geeignet wäre, Illusionen noch weiter abzubauen, als das schon in der Debatte um den Grünen Bericht geschehen ist, die Illusionen nämlich, die darauf hinauslaufen, der Bundesregierung, wenn vielleicht nicht vor dem Forum dieses Hauses, so doch über andere Wege, eine Politik der Preissteigerungen nahezubringen. An Hand einer klaren Darstellung der Absichten wäre es sehr leicht möglich, die Auswirkungen von preispolitischen Maßnahmen nach beiden Seiten hin rechtzeitig und gründlich genug zu untersuchen. Meine Freunde und ich, wir versprechen uns von
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solchen rechtzeitigen Untersuchungen außerordentlich viel. Lassen Sie mich ein Beispiel dafür anführen.
Wir haben vor einiger Zeit gesehen, daß der Milchpreis um 3 Pf erhöht worden ist, und niemand wird bestreiten, daß das mindestens für einen Teil der Bevölkerung eine sehr fühlbare und sehr peinliche Angelegenheit war. Von den Auswirkungen, von den Fernwirkungen will ich dabei gar nicht reden. Wenn man zu Ostern schon in dem Organ eines der großen Landwirtschaftsverbände lesen konnte, daß diese Preissteigerung bekanntermaßen unten nicht ankomme und daß man deshalb über eine neue Preissteigerung reden müsse, dann ist das einer der Punkte, die ich als Illusionen bezeichnen möchte und von denen ich wünschte, daß sie durch eine klare Linie so schnell und so weitgehend wie möglich aus der Diskussion ausgeschaltet würden.
Deswegen hoffen wir auf eine eindeutige Antwort, über deren Schwierigkeiten wir uns dabei völlig im klaren sind. Aber selbst wenn wir durch die nachdrückliche Bitte um eine eindeutige Antwort vielleicht nicht so sehr den Bundesernährungsminister als die Bundesregierung wegen der Offenlegung der Konsequenzen, die mit der Agrarpolitik, ganz egal, wie man sie betreibt, verbunden sind, in einige Verlegenheit bringen sollten, wenn wir sie zu Anstrengungen zwingen sollten, die man vielleicht bisher ein bißchen mehr verteilt hat, vielleicht verteilt hat in der Hoffnung: manches löst sich dann im Zuge der Entwicklung, so glauben wir doch, daß eine solche Anstrengung der sachlichen Auseinandersetzung in diesem Bereich der Agrarpolitik und der Ernährungspolitik nur dienlich ist und sehr bald ihre Früchte tragen würde. In der Beziehung haben wir gegenüber den möglicherweise durch diese Anfrage heraufbeschworenen Unbequemlichkeiten ein sehr gutes Gewissen. - Ich danke Ihnen.
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Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anknüpfend an die Große Anfrage und an die grundsätzlichen Ausführungen, die der Herr Vorredner gemacht hat, möchte ich folgendes sagen. Natürlich bestehen gerade bei der Gestaltung der Preise, insbesondere soweit wir nicht auf Festpreise oder Vonbis-Preise zurückgreifen können, gewisse Unklarheiten. Aber diese Unklarheiten werden so lange bestehen, wie keine ausreichenden Handhaben dafür da sind, Preisvorstellungen wirklich einwandfrei zu realisieren. Wir wissen genau, wie wichtig es ist, z. B. die von Ihnen angeschnittenen Preise der Veredelungsprodukte entsprechend den gestiegenen Erzeugungskosten zu gestalten. Aber diese Realisierung der Preisvorstellungen ist einmal abhängig von der Frage der Kaufkraft - ob die Verbraucherschaft imstande ist, die erzeugten Mengen zu entsprechenden Preisen abzunehmen - und zweitens auch von der von Jahr zu Jahr wachsenden Produktionskraft der Bauern.
Wir haben z. B. bei der Butter folgendes erlebt. Es ist kein Zweifel, daß in den beiden letzten Jahren die Kaufkraft der Verbraucher beachtlich gestiegen ist, und man hätte danach annehmen sollen, daß die Preiskurve der Butter nach oben gehen würde. Als wir im Jahre 1954 hier im Hause miteinander über diese Dinge sprachen, lagen die Dinge sehr eindeutig. Wir haben im Jahre 1954 für Butter nur einen durchschnittlichen Molkereiabgabepreis pro Kilo von 5,64 DM gehabt. Unsere Preisvorstellungen lagen höher. Aber die innerdeutsche Produktion war so stark, daß es auch bei starker Steigerung der Kaufkraft den Hausfrauen nicht möglich war, diese Vorstellungen zu realisieren. Die Einfuhr hat damals gegenüber der Erzeugung kaum eine Rolle gespielt. Also von seiten der Einfuhr sind diese Einbrüche nicht gekommen. Deshalb wäre genau das, was der Herr Vorredner sagte, gefährlich gewesen, nämlich Preisvorstellungen zu nennen, indem man sagte: Bei den gestiegenen Unkosten, bei den gestiegenen Löhnen müßte man bei der Butter, pro Kilogramm gerechnet, im laufenden Jahre eine Preiserhöhung von mindestens 10, oder 20 Pf/kg durchsetzen. Was das für den einzelnen Erzeuger bedeutet, wissen Sie ja wahrscheinlich auch. Denn wenn wir die Preisvorstellung, den Molkereiabgabepreis pro Kilo um 20 Pf zu erhöhen, verwirklichen sollten, so würde das für den Erzeuger beim Werkmilchpreis nicht einmal 1 Pf ausmachen. Das wäre also eine sehr bescheidene Erhöhung. Es ist damals im Jahre 1954 nicht gelungen, und es ist mir sehr zweifelhaft, ob es, wenn wir ein gutes Erzeugungsjahr auf dem Gebiet der Milchanlieferung haben, in diesem Jahre gelingen würde. Denn im Jahre 1955, als der durchschnittliche Molkereiabgabepreis auf 6,03 DM pro kg stand, haben wir eine völlige Stagnierung des Butterverbrauchs gehabt. Wir haben, pro Kopf gerechnet, nicht mehr verbraucht als im Jahre 1954. Dabei ist die Kaufkraft der Verbraucher zweifellos erheblich gestiegen.
Es kommt hinzu, daß gerade bei der Butter der gefährliche Punkt eintreten kann, in dem sich die Spekulation einschaltet. Die Spekulation kann gegenspekulieren oder kann mitspekulieren und kann sich auf diese Weise ganz erhebliche Gewinne verschaffen.
Natürlich wäre es besser, wenn man in der Öffentlichkeit sagen könnte, die Preise entwickeln sich so und so, weil damit eine gewisse Unruhe aus der Bevölkerung verschwinden würde, und wir würden es uns wahrscheinlich auch ersparen können, daß draußen in den Schlagzeilen der Blätter Überschriften etwa in dem Sinne erscheinen: „Lübke hungert die Märkte aus".
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Wie sich das abspielt, darf ich Ihnen einmal in kurzen Beispielen auseinandersetzen. Wir haben jeweils im Frühjahr bei den Rinderpreisen ansteigende Tendenz bis in den Sommer und vom August an stark sinkende Tendenz wegen des Wendeabtriebs. Wir haben nun versucht, die Rinderpreise einigermaßen stabil zu halten, indem wir auf die Beschickung der Märkte Einfluß nahmen. Da das nicht ausreicht, haben wir aus den Märkten Ware herausgenommen oder auch Fleisch hineingeschleust, wenn die gegenteilige Entwicklung im Gange war. Wir haben in den letzten beiden Jahren 8000 bzw. 18 000 Rinder aus dem Markt genommen. Wie wenig das ist, werden Sie daran sehen, daß wir allein 120 000 bzw. 150 000 Rinder
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innerhalb eines halben Jahres eingeführt haben, abgesehen von den Mengen an Fleisch, die nebenher noch hereinkamen. Dieser geringe Prozentsatz hat schon ausgereicht, eine gewisse Stabilisierung zu erzielen. Das kann man nur erreichen, wenn man über die Abwicklung und den Ablauf der Märkte zuverlässig orientiert ist und wenn man weiß, daß die Kaufkraft der Verbraucher im Steigen ist und das Fleisch von jungen Rindern besonders beliebt ist. Alle diese Komponenten müssen aber in einer ziemlichen Klarheit vorliegen, wenn man diese Preisvorstellungen verwirklichen will. Ich möchte es jedenfalls ungern auf mich nehmen, entweder von den Lieferanten erschlagen oder von den Verbrauchern gesteinigt zu werden.
Nehmen Sie einmal den Winter 1953/54! Damals wollte man auch verhindern, daß der Butterpreis im Einzelhandel über 8 DM ging. Das lag gar nicht im Sinne meines Vorgängers. Er hat aber damals die Importmengen gar nicht so rasch nach Deutschland hereinbekommen, um diesen Preis entsprechend niedrig halten zu können.
Wir sehen jetzt z. B. bei Schweinefleisch eine Unterversorgung für den zweiten Teil des Jahres vor uns. Wir haben zur Zeit noch eine Überversorgung und einen solchen Druck auf die Märkte, daß unsere Einfuhr- und Vorratsstellen noch jeden Tag kaufen, um die Ausgleichsmöglichkeiten für Herbst und Winter zu verbessern. Aber es ist trotzdem nicht sicher, daß es uns gelingen wird, soviel Schweinefleisch und Rindfleisch heranzuschaffen, daß wir den Fehlbedarf decken können. Dabei sind bei Rindern seit Ende vorigen Jahres und jetzt auch bei Schweinen die Grenzen zu allen Ländern offen. Wir haben rechtzeitig angefangen, uns auf diese Entwicklung einzustellen, und trotzdem bin ich zu vorsichtig - ich sage das ganz offen -, hier bestimmte Preisvorstellungen zu nennen.
Wenn die Fragesteller, wenn besonders Herr Kriedemann soeben auf die Wichtigkeit der Preisgestaltung bei den Veredelungserzeugnissen hingewiesen hat, dann brauche ich nur daran zu erinnern, daß im letzten Jahr, also 1954/55, ohne Einrechnung des Eigenverbrauchs allein die Verkaufserlöse bei den Veredelungsprodukten, also Milch, Fleisch, Eiern, 9,7 Milliarden DM gegen 4,1 Milliarden DM bei den pflanzlichen Erzeugnissen betrugen.
Die allgemeinen Vorstellungen, innerhalb deren sich die Maßnahmen bewegen und von denen sie regiert werden, die also die Einfuhr- und Vorratsstellen beeinflussen sollen, sind folgende.
Ich darf noch vorausschicken: Eine große Zahl von nicht orientierten Verbrauchern und Erzeugern sind der Meinung, daß der Bundesernährungsminister die Preise einfach diktiere oder daß Festpreise vorhanden seien, die vom Bundesernährungsminister nur aus Mangel an Sorgfalt nicht gehalten würden. Nun, meine Damen und Herren, um das einmal ganz klarzustellen: Es gibt nach der Marktordnung für uns gesetzlich gebundene Preise nur für Getreide, für Zucker bzw. für Zuckerrüben sowie für Trinkmilch. Das ist alles! Alle übrigen Produkte sind zwar verschieden beeinflußbar, ihr Preis regelt sich aber im wesentlichen nach Angebot und Nachfrage. Als wir zusammen die Marktordnung für Getreide, für Zucker, für Vieh und Fleisch und für Milch und Fett geschaffen haben, waren wir uns ganz klar darüber, daß wir bei Vieh und Fleisch keine Festpreise einsetzen konnten. Wir haben auch keine Möglichkeiten dafür vorgesehen, weil wir damals schon wußten, daß uns Produktionskraft, Konsumkraft auf diesen Gebieten einen Strich durch die Rechnung machen würden. Wir haben zwar auch auf dem Gebiete von Vieh und Fleisch die Schleuse, wir haben auch auf diesem Gebiete die Vorratshaltung und können - worauf Herr Kriedemann schon hinwies - die Einfuhr- und Vorratsstellen zu Käufen veranlassen. Wenn das aber zur unrechten Zeit geschieht, dann muß unter Umständen in einer Zeit, wo einem das nicht paßt, die gekaufte Ware wieder auf den Markt, damit keine verdorbene Ware nachher das Schuldkonto des Bundesernährungsministers belastet.
Wir haben also zu unterscheiden zwischen den gesetzlich festgelegten Preisen für Getreide, Trinkmilch und Zucker und denjenigen Preisen, die durch Beeinflussung der Märkte ein wenig beeinflußt werden können.
Die Kaufkraft des Verbrauchers können wir von der Agrarseite kaum beeinflussen. Wir haben versucht, mit allerlei Werbemaßnahmen sein Interesse zu erwecken, insbesondere für Trinkmilch; Sie wissen, wo diese Bemühungen stehen, mit welchem Erfolg wir da zu rechnen haben.
Wir haben aber mit mehr Erfolg z. B. die Lage der Buttermärkte, die Lage der Schweinemärkte und die Lage der Rindermärkte zu beeinflussen versucht; ich darf Ihnen auseinandersetzen, nach welchen Grundsätzen.
Wir haben zur Zeit - es braucht nicht immer so zu sein - ständig steigende Produktionsmittelpreise, desgleichen ständig steigende Löhne. Der Bauer muß von der Notwendigkeit ausgehen, daß er seine Gesamtausgaben durch seine Gesamteinnahmen decken kann. Bei ständig steigenden Produktionsmittelpreisen und ständig steigenden Löhnen weiß er, daß er auf steigende Einnahmen, d. h. auch auf steigende Preise der Lebensmittel, angewiesen ist.
Auf der anderen Seite verzeichnen wir eine steigende Kaufkraft. Durch die starken Lohnerhöhungen der letzten Jahre ist eine Kaufkraft entstanden, die auch für den Erzeuger sehr erfreulich ist. Der Erzeuger würde nun, wenn sich eine Ernährungskostenbasis im Sinne dieses hohen Verbrauchs bilden würde, sehr leicht versucht sein, ein Niveau in der Produktion zu erreichen, das in dem Augenblick, wo die Kaufkraft des Verbrauchers zurückgeht, wahrscheinlich in das Gegenteil umschlüge.
Wir haben also von uns aus festzustellen: Der Erzeuger ist an einer hohen Verbraucherkaufkraft interessiert. Er ist weiterhin daran interessiert, daß diese hohe Verbraucherkaufkraft auf dem inländischen Markt zum Tragen kommt. Wenn er aber seine Produktion so weit steigert - oder die Kaufkraft des Verbrauchers zurückgeht -, daß „Weltmarktpreise" in Erscheinung treten, die heute im allgemeinen durch Stützung der eigenen Märkte und Druck auf den Weltmarkt mit Hilfe von Exportsubventionen künstlich gedrückt werden, dann würde der Bauer einen Preissturz erleben, der ihm außerordentlich unbequem werden könnte.
Die landwirtschaftlichen Preise müssen also möglichst über der Kurve der Produktionsmittelpreise und unter der Lohnkurve liegen.
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Die Zunahme der Verbraucherkaufkraft kommt in den durchschnittlichen Wochenverdiensten zum Ausdruck, die eine sehr stark steigende Tendenz zeigen. Wir haben - um Ihnen diese Zahlen einmal zu nennen - eine Erhöhung der Bruttowochenverdienste, 1938 gleich 100, von 100 auf 226 Punkte im Jahre 1955. Wenn wir die Daten von 1950 gleich 100 setzen, stellen wir beim sogenannten Masseneinkommen eine Erhöhung von 100 auf 175,6 im Jahre 1955 fest. Auf die Frage: Haben die Ernährungskosten oder die Lebenshaltungskosten demjenigen, der einen Mehrverdienst erreicht hat, diesen Mehrverdienst aus der Tasche gezogen?, darf ich folgendes bemerken. Dieser ebengenannten Steigerung von 100 auf 175 steht eine Erhöhung der Lebenshaltungskosten von 100 auf 110 gegenüber. Darin ist die Steigerung der Ernährungskosten von 100 auf 115 enthalten. Es gibt eine internationale Untersuchung, aus der hervorgeht, daß, wenn die Kaufkraft um 100 steigt, die Vermehrung der Aufwendungen für Lebensmittel zwischen 0,4 und 0,6 stehen bleibt. Es ist in allen industrialisierten Ländern zu beobachten, daß es dem Lebensmittelerzeuger und Verteiler nicht gelingt, eine Aushöhlung der steigenden Kaufkraft durch steigende Preise für Lebensmittel durchzusetzen. Das ist nicht nur der Unfähigkeit des Landwirtschaftsministers in Deutschland zuzuschreiben, sondern das ist offenbar in allen industrialisierten Ländern die gleiche Erscheinung.
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- Sie meinen, das wäre kein besonderes Unglück; dann sollte man sich Landwirtschaftsminister mit entsprechender Begabung aussuchen.
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Wie sah es in den letzten Jahren mit der Preisentwicklung und -beeinflussung aus? In der Anfrage wird zunächst nach der Werkmilch gefragt. Wir haben bei den Auszahlungspreisen an den Erzeuger für dessen gesamte Milchanlieferung in D-Pfennig je Kilogramm bei natürlichem Fettgehalt von 1951 bis 1956 folgende Entwicklung: 1951 25,4, 1952 26,3, 1953 25,8, 1954 26,5, 1955 28,4; in den ersten drei Monaten dieses Jahres steht der durchschnittliche Auszahlungspreis auf etwas über 31 Dpf. Ich möchte aber gleich zum Ausdruck bringen, daß ich nicht glaube, daß sich dieser Auszahlungspreis des ersten Quartals 1956 als Jahresdurchschnittspreis niederschlagen wird. Wir kommen damit der Beantwortung Ihrer Frage wegen der Preisvorstellungen schon etwas näher. Wenn wir damit rechnen, daß sich der Butterpreis in diesem Jahr etwas günstiger gestaltet - ich will keine Zahlen nennen -, dann könnte sich der in diesem Jahr bildende Auszahlungspreis, der etwa bei 30 Dpf läge, um einen halben, günstigenfalls um einen Pfennig erhöhen. Das wäre alles, was mit den Mitteln zu erreichen wäre, die gegeben sind, vorausgesetzt, daß nicht eine zu starke Produktionsmehrung oder eine Abschwächung der Nachfrage eintritt.
Preisvorstellungen auf dem Gebiet von Butter sollten nicht öffentlich genannt werden. Wir müssen uns alle Monate fragen, ob der Verbraucher mitzieht. Wenn der Verbraucher bei den heutigen Preisen nur so viel kauft, wie zur Zeit, dann müssen wir feststellen, daß der Konsum stagniert. Wir haben zur Zeit einen Butterverbrauch pro Person und Jahr von 6,9 kg. Wir standen auch 1954 auf 6,9 kg. Wir wären schon aus Gründen der Volksgesundheit daran interessiert, den deutschen Konsumenten, der früher 8 kg Butter gegessen hat, wieder für den Vorkriegsverbrauch zu gewinnen. Denn wir halten es für wichtiger für den deutschen Landwirt, daß der deutsche Konsument die inländische Produktion vollständig aufnimmt, als daß er höhere Preise bekommt und sich nachher wegen der Abwendung der Konsumenten von der Butter wahrscheinlich mit „Weltmarktpreisen" zufrieden geben muß. Diese Erkenntnis hat sich in breitestem Umfang auch bei unserer Landwirtschaft durchgesetzt.
Der durchschnittliche Molkereiabgabepreis für Butter - auf den Molkereiabgabepreis müssen Sie im Durchschnitt 65 bis 75 Pf Groß- und Kleinhandelsspanne rechnen - betrug im Jahre 1951 5,58 DM, 1952 5,66 DM, 1953 5,51 DM, 1954 5,64 DM und 1955 6,03 DM. Die Preissteigerung von 5,64 auf 6,03 DM hat bewirkt, daß die Verbraucher bei dem Verbrauch von 1954 stehengeblieben sind. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Butter ist von 6,3 kg im Jahre 1951 auf 6,9 kg im Jahre 1954 gestiegen. Ich bitte, daraus ersehen zu wollen, wie vorsichtig der Verbraucher gerade bei diesem Produkt behandelt werden muß.
Auf dem Vieh- und Fleischgebiet stehen die Dinge folgendermaßen. Wir haben wegen der gestiegenen Nachfrage nach Rindfleisch und Kalbfleisch bei den Rindern aller Klassen eine steigende Preistendenz von 1950/51 an, und zwar von 73 über 87,6 auf 74,8, auf 78,6, auf 84,6 und für 1955/56 auf schätzungsweise 92. Diese steigende Preistendenz auf dem Rindviehmarkt wird wahrscheinlich anhalten. Wie weit sie sich in diesem Jahr nach oben bewegen wird, weiß ich nicht; sehr weit nach oben wird das Pendel wahrscheinlich nicht ausschlagen. Der Verbrauch wird im laufenden Jahre um etwa 3 % steigen. So sind unsere Vorstellungen.
Bei der Gestaltung der Schweinepreise kann sich die Einfuhr- und Vorratsstelle nur als Feuerwehr betätigen. Wir haben leicht steigende und fallende Schweinepreise. Der bekannte Zyklus hat sich trotz der vielen Aufklärungsarbeit noch nicht zur Ruhe bringen lassen. Wir haben zur Zeit noch eine Anlieferung, die weit über dem Bedarf liegt. Wir sind nun glücklicherweise in der Lage, eine starke Herausnahme der Schweine zu betreiben und den Ausgleich in diesem Herbst zu vollziehen. Es ist aber nicht sicher, ob wir dann im Herbst die Einfuhren hereinbekommen, die notwendig sind, um einen Preisausgleich zu erreichen. Die Schweinepreise selbst haben sich in den vergangenen Jahren wie folgt entwickelt: 1950/51 131,1, 1951/52 126,5, 1952/53 119,1, 1953/54 134,2, 1954/55 120,4. Im laufenden Jahre werden sie sich wahrscheinlich auf 130 entwickeln.
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Denn ich sagte schon: obwohl die Grenzen seit - ({6})
- Ja, gewiß ist das eine Steigerung; wir haben in den letzten Jahren ein ständiges Sinken der Preise zu verzeichnen gehabt. Wenn Sie diesen Preis von 130 DM ansehen - Herr Kollege Albers, wenn Sie mal einen Augenblick zuhören wollen! -, wenn Sie hören, daß 1950/51 der Schweinepreis im Durchschnitt des Jahres - nicht der Fleischpreis, sondern der Lebendviehpreis - 131
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DM pro 50 kg betrug, dann werden Sie zugeben, daß bei den Steigerungen der Produktionsmittelpreise und den Lohnerhöhungen im landwirtschaftlichen Sektor eine Preishöhe von 130 und ebenfalls 131 wie vor fünf Jahren doch nicht übertrieben genannt werden kann.
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- Wir sprechen in diesem Fall nur über Erzeugerpreise, Herr Albers, nicht über Ladenpreise!
Im zweiten Kalenderhalbjahr 1956 stehen aus der deutschen Produktion 600- bis 700 000 Schweine weniger zur Verfügung als im letzten Jahr. Wir werden aus steigendem Verbrauch außerdem noch einmal dieselbe Summe rechnen müssen, so daß wir also versuchen müssen, fünf Viertel Millionen Schweine im Ausland zu kaufen.
Ich glaube, das ist alles, was über die Preisvorstellungen in Fragen der Gestaltung der Werkmilchpreise, der Butterpreise, der Viehpreise zu sagen ist.
Ich habe die Andeutungen hinsichtlich der Steigerung gemacht, daß wir versuchen müssen, zwischen den Kurven der Kaufkraftsteigerung und der Produktionsmittelsteigerung zu bleiben. Ich habe weiterhin darauf hingewiesen , daß wir bei empfindlichen Märkten den Verbraucher so vorsichtig behandeln müssen, daß wir uns Preisvorstellungen für lange Zeiträume nicht machen können, weil wir sie nicht mit Sicherheit verwirklichen können.
Wie ist nun bei der bisher durchgesetzten Politik der Verbraucher und der Landwirt gefahren? Wie der Landwirt dabei abgeschnitten hat, habe ich beim Grünen Plan entwickelt. Sie wissen genau, daß es dem Landwirt nicht möglich war, auch nicht bei der gestiegenen Kaufkraft, einen Lohn auf seinem Hofe zu erreichen, der den gewerblichen Löhnen auch nur einigermaßen vergleichbar wäre. Wie steht es aber um die andere Seite? Es wird mir ja von der Verbraucherschaft zumindest in gleichem Maße wie von der Landwirtschaft vorgeworfen, ich nähme ihre Interessen nicht genügend wahr. Wir haben eine Liste vorliegen über die Jahresdurchschnittspreise in 1954/55 für Schweine, Rindvieh, Butter und Vollmilch. Da liegen die deutschen Preise für Schweine, Rindvieh und Vollmilch unter dem Durchschnitt des europäischen Preisniveaus,
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einzig und allein bei Butter liegen wir etwas darüber. Es liegen aber noch vier andere Länder in ihren Preisen wesentlich über den deutschen Butterpreisen, so daß wir sagen können: Im Durchschnitt des europäischen Preisniveaus liegen die deutschen Lebensmittelpreise günstig. Ich glaube nicht, daß man da etwa der deutschen Landwirtschaft oder der Agrarpolitik vorwerfen könnte, in dem vielleicht kommenden Wettlauf zwischen Löhnen und Preisen habe die agrarische Seite den Anfang gemacht.
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Meine Damen und Herren, ich mache den Hinweis aus folgenden Gründen. Wir haben im Landwirtschaftsgesetz die Bestimmung, daß bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung und bei durchschnittlichen Produktionsbedingungen derjenige, der landwirtschaftlichen Grund und Boden bearbeitet, so viel an Lohn verdienen soll, wie ihn ein vergleichbarer gewerblicher Arbeiter auch verdient. Wenn nun Jahr für Jahr festgestellt wird, daß die Löhne im gewerblichen Sektor weglaufen, dann wird die gesamte Politik, die Wirtschafts-, Steuer- und Agrarpolitik usw., doch darauf ausgerichtet sein müssen, daß auch die Löhne im landwirtschaftlichen Sektor steigen. Das wird sicherlich an den Preisen nicht vollständig vorübergehen. Wir haben uns im letzten Jahre, wie Sie alle wissen, auf das eifrigste bemüht, gerade diesen Punkt im Grünen Plan nicht anzuschneiden. Wir haben die Gesamtpolitik, die Exportpolitik und die Verbraucherpolitik in jeder Beziehung berücksichtigt, um den Verbrauchern auch das Empfinden für die eingetretene Steigerung der Realeinnahmen zu vermitteln. Es ist aber völlig ausgeschlossen, daß das auf die Dauer möglich sein wird. Deshalb, glaube ich, sollte man sich bei der gesamten Gestaltung unserer Wirtschaftspolitik, insbesondere der Lohn- und Preispolitik auf allen Gebieten davon leiten lassen, daß man die wahren Interessen aller Schichten des Volkes im Auge behält.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Antwort des Herrn Bundesministers gehört. Gemäß der soeben getroffenen Vereinbarung erteile ich nun dem Abgeordneten Dr. Horlacher zur Begründung seines Antrages das Wort.
Dr. Horlacher ({0}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will Ihnen zunächst eine Freude bereiten, indem ich mich O möglichst kurz fasse.
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Der Grüne Bericht ist ein Erstlingswerk; und daß bei einem Erstlingswerk nicht immer alles bis zum letzten Jota gelingt, das darf man als selbstverständlich hinnehmen. Infolgedessen hat der Grüne Bericht auch einige Mängel. Diese beruhen darin, daß manche Gruppen der Landwirtschaft nicht genügend berücksichtigt sind. Ich habe in dem Antrag, den ich eingebracht habe, darauf hingewiesen. Da kommen die Bergbauern, die frachtentlegenen Gebiete, da kommen die Mittelgebirgslagen in Frage, und da kommt vielleicht noch manches andere in Frage. Im Grünen Bericht steht über diese Sache folgendes:
Darüber hinaus ist eine Reihe von Maßnahmen unerläßlich, die. das Ziel verfolgen, eine Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungskraft des Dorfes, insbesondere in übervölkerten und in verkehrsentlegenen Bezirken herbeizuführen. Die hier in Frage stehenden Maßnahmen werden sich auf die bäuerliche Betriebswirtschaft und die allgemeinen Lebensverhältnisse günstig auswirken. Bezirke, in denen Kleinbauern, Bergbauern und strukturgeschädigte Betriebe besonders hervortreten, werden bei der Durchführung aller gezielten Maßnahmen bevorzugt berücksichtigt.
Das steht zwar da drin. Aber ich habe mir die Maßnahmen genau angeschaut. Im einzelnen finde ich da nichts mehr. Deswegen ist es notwendig, im Ernährungsausschuß zu untersuchen, wie man diese Maßnahmen nach dem Grünen Bericht, ge({2})
stützt auf die anderen Hilfsmaßnahmen, die im Grünen Bericht vorgesehen sind, zur Durchführung bringen kann. Das müssen wir im Ernährungsausschuß genau erörtern.
Ich habe es dann sehr bedauert, daß man den Weinbau überhaupt vergessen hat.
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- Der Weinbau, Frau Kollegin Helene Weber, ist im Grünen Bericht überhaupt nicht erwähnt.
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- Ja, das ist furchtbar!
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Der Weinbau ist doch etwas Wesentliches, Frau Kollegin Weber. Wer Alkohol genießt, hat auch Humor.
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Die Sache ist deswegen so bedauerlich, weil der Weinbau gerade in diesem Winter durch die strengen Fröste übermäßigen Schaden genommen hat. Man sollte auch dieses Problem im Ernährungsausschuß erörtern.
Das ist alles, was ich jetzt zu sagen habe. Nun werden Sie hoffentlich zufrieden sein. Sie werden dann im Ernährungsausschuß meinen weiteren Ausführungen mit Begeisterung folgen können.
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Meine Damen und Herren, ich eröffne nunmehr die Aussprache über die Punkte a und b. Frau Abgeordnete Strobel!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf auf das zurückkommen, was der Herr Minister in Beantwortung unserer Großen Anfrage gesagt hat. Die Beantwortung war für viele von uns gewiß sehr aufschlußreich, wenn uns auch fast alles bekannt war, was der Herr Minister gesagt hat. Es kam uns in unserer Anfrage eigentlich darauf an, Konkretes zu hören, und da muß ich sagen: da ist der Herr Minister doch etwas ausgewichen. Ich habe dafür volles Verständnis, sosehr ich es bedaure; denn er hat es ja auf der einen Seite mit einem Bundeskanzler zu tun, der immer bereit ist, den Bauern höhere Preise und Einnahmen zu versprechen, auf der andern Seite mit einem Wirtschaftsminister, der den Verbrauchern immer verspricht, daß die Bundesregierung die Preise halten wird und Preissteigerungen verhindert,
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und drittens mit einem Finanzminister, der nicht bereit ist, diese Versprechungen durch Subventionen zu honorieren.
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Er befindet sich also in einer Mühle, in der man ihn eigentlich beinahe bedauern möchte.
Gleichzeitig hat der Herr Bundesernährungsminister gesagt, es gebe keine ausreichenden Handhaben für die Bundesregierung, auf den hier angeführten Gebieten für verhältnismäßig gleichbleibende oder stabile Preise zu sorgen. Nun, meines Wissens gibt es auf all den von uns in der Großen Anfrage angesprochenen Gebieten die Marktordnungsgesetze, die in erster Linie zum Zwecke einer gleichbleibenden, ausreichenden Versorgung und gleichbleibender, stabiler Preise geschaffen worden sind. Mir ist nicht bekannt, daß die Bundesregierung bei der Verabschiedung dieser Gesetze etwa gesagt hätte: Was darin steht, genügt uns nicht. Bis jetzt haben wir auch keinerlei Vorlagen der Bundesregierung gesehen, die mehr Handhaben, als in den Marktordnungsgesetzen vorgesehen sind, verlangt hätten. Ich bin, vielleicht mit der Bundesregierung, der Auffassung, daß die Marktordnungsgesetze ausreichen, das Notwendige zu tun.
Ich muß nun einige allgemeine Bemerkungen machen, da sich der Herr Minister sehr mit der Kaufkraft beschäftigt hat. Er meinte z. B., infolge der Kaufkraftsteigerung im Jahre 1954 habe der Butterpreis nach oben gehen müssen. Ich bedaure, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht da ist. Er müßte ganz entschieden widersprechen; denn alles, was er bisher auf dem Gebiet der Konjunkturpolitik gesagt hat, ist keinesfalls mit diesem Satz in Einklang zu bringen. Im übrigen bin ich auch der Auffassung, daß es nicht stimmt, daß wir keinen Einfluß auf die Kaufkraft haben. Letzten Endes bedeutet eine noch so geringe Rentenerhöhung, wie sie gestern, wenn auch nicht ausreichend, beschlossen worden ist, für diejenigen, die es angeht, oder etwa eine Steuersenkung ja ein Zuwachsen von Kaufkraft, und darauf muß sich die Bundesregierung bei ihrer Versorgungspolitik auf den Gebieten, auf denen es Marktordnungsgesetze gibt, einrichten.
Ich darf dem Herrn Bundesminister sagen, daß es in jüngster Zeit einen privaten Test über die Meinung des Staatsbürgers gibt, was auf dem Gebiet der gesamten Politik notwendigerweise geschehen müsse. Es ist immerhin interessant, zu wissen, daß bei diesem Test auf die Frage: Was müßte die Bundesregierung Ihrer Meinung nach in erster Linie tun?, die Mehrheit der Befragten geantwortet hat: Das Davonlaufen der Preise verhindern! Daraus geht auf alle Fälle hervor, daß die Staatsbürger der Meinung sind: Die Regierung kann dafür etwas tun. Diese Meinung teile ich.
Weil bei solchen Gelegenheiten immer wieder der gesteigerte Lebensstandard der Gesamtbevölkerung angeführt wird, darf ich doch einmal darauf hinweisen, daß es mir nicht tunlich erscheint, jeweils den Maßstab für die Preisentwicklung an dem gestiegenen Lebensstandard allein der Beschäftigten anzulegen. Der Herr Bundesminister hat mit Recht gesagt: Wir müssen an alle Schichten des Volkes denken und sie an dem Wirtschaftswunder beteiligen. Nun, wir alle wissen, daß es immerhin 12 Millionen Menschen in unserem Lande gibt, die von Unterstützung und Renten leben und an denen das Wirtschaftswunder bisher vorbeigegangen ist. Ich glaube, wir sollten uns davor hüten, immer nur, wie Bert Brecht sagt, die im Lichte zu sehen und die im Dunkeln nicht zu sehen. Wir müssen auch an die denken, die im Dunkeln sind.
Nun zu einem Teilgebiet unserer Großen Anfrage, dem Teilbereich Milch und Butter! Uns allen hat dieses Gebiet schon sehr viel Kummer gemacht, trotz der Milchpreiserhöhung oder vielleicht wegen der Milchpreiserhöhung, in jüngster Zeit ganz besonders. Denken Sie bitte an die gestiegenen Preise für Käse, Quark, Joghurt usw.! Warum erinnere ich heute daran? Weil ich bemerkt habe, daß sich der Herr Bundesminister heute sehr davor gehütet hat, irgendwelche Pro({2})
phezeiungen zu machen. Nun, ich möchte Herrn Minister Lübke an die Verbraucherausschußsitzung seines Ministeriums erinnern, die sich mit der damals beabsichtigten Preiserhöhung für Trinkmilch beschäftigt hat. Als ich den Herrn Bundesminister darauf aufmerksam machte, daß sich am Trinkmilchpreis notwendigerweise die Preise für Molkereiprodukte orientieren werden und man bei einer Trinkmilchpreiserhöhung mit einer Preissteigerung auch auf diesem Gebiet rechnen muß, war der Herr Bundesminister der Auffassung, daß eine Preissteigerung auf dem Gebiete der Molkereiprodukte nicht notwendig und auch nicht zu erwarten sei. Leider hat ihn die Wirklichkeit eines anderen belehrt.
Allerdings ist der Herr Bundeswirtschaftsminister, den wir ja bei allen diesen Betrachtungen nicht außer Betracht lassen dürfen, weil auch er die Dinge weitgehend zu beeinflussen sucht, immer geneigt, den Verbraucher darauf hinzuweisen - er hat das ja erst in jüngster Zeit wieder getan -, er solle sich gegen Preissteigerungen wehren, er solle ausweichen usw. Bitte, sagen Sie mir einmal, Herr Minister: wohin soll eigentlich der Verbraucher ausweichen? Die Gemüsepreise sind unerträglich hoch. Ich mache niemandem dafür einen Vorwurf; es kann niemand etwas dafür, daß der Winter so kalt war und das Frühjahr so spät begann. Ich stelle nur die Tatsache fest. Wenn aber gleichzeitig die Konservenpreise steigen, wohin soll der Verbraucher ausweichen, wenn die Bundesregierung nicht rechtzeitig -- und in diesem Falle hätte sie ein Instrument dafür gehabt - durch Zollsenkungen dafür sorgt, daß mehr Konserven billiger hereinkommen? Wenn auf der einen Seite die Käsepreise und auf der anderen Seite die Wurst-und Fleischpreise steigen und wenn auch Quark teurer wird, was soll denn die Hausfrau dann auf den Tisch stellen? Und wenn gestiegenen Brotpreisen so hoch gestiegene Kartoffelpreise gegenüberstehen, wie das heute der Fall ist, dann gibt es hier eben auch keine Ausweichmöglichkeit.
Ich weiß, ich spreche damit in erster Linie nicht den Herrn Bundesernährungsminister an. Er ist ja sehr viel vorsichtiger in seinen Äußerungen als der Herr Bundeswirtschaftsminister. Das hat er heute wieder bewiesen. Aber schließlich vertritt der Herr Wirtschaftsminister draußen auch die Politik der Bundesregierung auf dem Gebiete der Preise, ja sogar in erster Linie.
Wir wollten also heute erfahren, welche Vorstellungen die Bundesregierung nun eigentlich wirklich hat. Auch auf dem Gebiete des Fettes ist es nämlich ähnlich. Im Augenblick steigen die Margarinepreise. Wir müssen damit rechnen, daß auch die Schweineschmalzpreise steigen. Gewiß, das geht auf gestiegene Preise am Weltmarkt zurück. Bei Butter haben wir im Augenblick ein leichtes Fallen des Preises zu verzeichnen. Aber die Abgabe- und die Verbraucherpreise sind auch bei Butter heute höher als zur gleichen Zeit des Vorjahres. Ich will das nur feststellen, weil die Bundesregierung mit unserer Anfrage dazu veranlaßt werden soll, daß sie rechtzeitig das Richtige tut, um die Politik auf dem Gebiete der Lebensmittelpreise zu steuern, meinetwegen die, die sie für richtig hält; aber dann soll sie sagen, welche sie für richtig hält. Wir möchten vor allen Dingen verhindern, daß sich das schlechte Beispiel des vergangenen Winters wiederholt.
Meine Damen und Herren, Sie sind ja alle sehr aufmerksame Zeitungsleser, und es kann Ihnen keinesfalls entgangen sein, wie sehr sich die Öffentlichkeit mit den Einflußnahmen des Butter-und Fettkontors in Hamburg auf den Preis am Buttermarkt beschäftigt hat. Ich bin tatsächlich der Auffassung, daß sich das Bundesernährungsministerium oder vielleicht besser gesagt die Einfuhr-und Vorratsstelle vom Fettkontor den Einfluß auf den Markt hat aus der Hand nehmen lassen. Ich habe nichts gegen genossenschaftliche Selbsthilfe; ich bin selber eifrige Genossenschaftlerin. Aber ich bin der Ansicht, daß auch genossenschaftliche Zusammenschlüsse keinesfalls marktbeherrschend werden dürfen; denn Genossenschaftler sind auch Menschen. Die Einlagerung und die Einfuhr so weit in die Hände des Butter- und Fettkontors geraten zu lassen, wie das in diesem Winter geschehen ist, kann meines Erachtens keinesfalls verantwortet werden. Hier hat die Einfuhr- und Vorratsstelle versagt, und der Herr Bundesminister hat es geflissentlich vermieden, darauf auch nur im geringsten einzugehen.
Ich darf nur an die Angelegenheit mit der Amerika-Butter erinnern. Sehen Sie, da sind 3000 t allein vom Butter- und Fettkontor aufgekauft worden. Dadurch hat sich das Butter- und Fettkontor ein Monopol über die Abgabe dieser Amerika-Butter verschafft, und es ist bis jetzt unwidersprochen geblieben, daß diese Butter, statt zum Abgabepreis von 5 Mark 70 in den Markt zu gehen, zum Abgabepreis von 6 Mark 20 bis 6 Mark 30 in den Markt gegangen ist. Es ist einfach nicht wahr, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle oder das Bundesernährungsministerium keine Möglichkeit hätte, darauf Einfluß zu nehmen. Man braucht nur die Abgabe an diese Stellen unter gewissen Auflagen vorzunehmen; dazu hat man Handhaben genug. Ich muß mir wirklich die Frage vorlegen, ob es sich hier um Unfähigkeit gehandelt hat oder ob es Vorsatz gewesen ist. Jedenfalls dürfen sich diese unmöglichen Verhältnisse nicht wiederholen.
Auch wir sind der Auffassung, daß es nicht tunlich ist, Festpreise auf diesen Gebieten festzulegen. Aber es ist, meine ich, Aufgabe der Bundesregierung und der in ihr dafür zuständigen Stellen, daß man den Preis fixiert und daß man dann alle Mittel der Marktordnung anwendet, um diesen Preis auch tatsächlich zu halten. Wenn hier immer wieder vom Durchschnittspreis die Rede ist, dann möchte ich sagen, daß es gerade die hohen Spitzen sind, die für den Verbraucher so unerträglich sind und von denen der Erzeuger praktisch nichts hat; das bleibt doch alles unterwegs stecken. Ich bin der Auffassung, daß die Bundesregierung eine Menge Möglichkeiten hat, allen Marktteilnehmern auf diesem speziellen Gebiet rechtzeitig zu beweisen, daß sie alles tun wird, um den von ihr für richtig gehaltenen Preis auch tatsächlich zu halten. Dazu ist es allerdings notwendig, Herr Minister, daß man ganz unabhängig von der beabsichtigten Einfuhrmenge rechtzeitig ausschreibt und daß man einführt, wenn die Ware im Ausland nicht auch knapp und teuer ist. Hier ist in den Vorjahren einiges versäumt worden. Es ist auch notwendig, daß man genügend ausschreibt und daß man dafür sorgt, daß etwas mehr als der absolute Bedarf hereinkommt. Mir scheint auch notwendig zu sein, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle selbst jeweils über die richtige Manipulationsmenge verfügt und daß sie sie auch richtig einsetzt, z. B. auch mit Auf({3})
lagen an den Importhandel, wie man das einmal, soviel ich weiß, bei Fleischkonserven mit sehr viel Erfolg getan hat.
Ich darf in diesem Zusammenhang aber auch nur ganz nebenbei sagen, daß die Verbraucher selbstverständlich erwarten, daß dieses Durcheinander auf dem Buttermarkt endlich beseitigt wird und daß ein scharfes und rasches Eingreifen und Durchgreifen auf allen Gebieten im Buttermarkt, bei denen der Verbraucher bis jetzt immer der Ausgeschmierte war, endlich einmal Platz greift. Ich meine aber auch, daß wir es dringend nötig haben, den Buttermarkt zu pflegen, gerade jetzt im Frühjahr, in dieser Zeit des Obst- und Gemüsemangels, wo die Milch- und Molkereiprodukte eine sehr gute Möglichkeit für die Hausfrauen gewesen wären, ihren Speisezettel zu bereichern. Gerade in diesem Augenblick hat man den Hausfrauen den Geschmack daran, durch Milch- und Molkereiprodukte etwas für den Speisezettel zu tun, durch die nicht gerechtfertigten Preissteigerungen speziell auf diesem Gebiet ganz erheblich verdorben. Es handelt sich hier aber um Produkte, die unter die Marktordnung fallen. Ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen: die Bundesregierung trägt dafür die volle Verantwortung und kann sich um diese Verantwortung nicht drücken, auch wenn es unbequem ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Elsner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorangegangene Debatte hat deutlich gezeigt, welche Bedeutung ein möglichst stetiges Preisgefüge der landwirtschaftlichen Erzeuger-und Verbraucherpreise für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat. Die Forderung nach einer solchen Preispolitik wird von meiner Fraktion nachdrücklich unterstützt. Die Verbraucher- und Erzeugerpreise müssen für beide Teile angemessen sein. Jede Verzerrung des Preisgefüges muß mit gebotenen Mitteln im Interesse einer gesunden Wirtschaftsentwicklung unterbunden werden. Eine preiswürdige, wenn möglich preisgünstige Ernährungsgrundlage ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen und dauerhaften Exportwirtschaft, auf die wir in unserem eingeengten Wirtschaftsraum nicht verzichten können. Aus diesem Grunde und im Hinblick auf die geringe Kaufkraft breiter sozial schwacher Schichten werden unzureichende Erzeugerpreise ihren Ausgleich in angemessenen Subventionen finden müssen.
Der Antrag des Herrn Kollegen Dr. Horlacher fordert Richtlinien zur Durchführung von Maßnahmen zum Landwirtschaftsgesetz, die die Bergbauern und Weinbauern und die Betriebe in frachtungünstiger Lage besser berücksichtigen, als dies im Grünen Plan geschehen ist. In der Debatte zum Grünen Bericht habe ich damals bereits darauf hingewiesen, daß ein wesentlicher, ja schwerwiegender Mangel des landwirtschaftlichen Hilfsprogramms darin liegt, daß die kleinbäuerlichen Betriebe, die besonders gefährdeten Betriebssysteme in ungünstigen Ertragslagen und die Grünlandbetriebe nicht die erforderliche Pflege erfahren haben. Zu den besonders gefährdeten Betriebssystemen gehören auch die Betriebe in frachtungünstiger Lage und die Betriebe in den geringen
Ertragslagen der Mittelgebirge. Ich habe damals Vorschläge gemacht, die sich mit der Förderung der Milchwirtschaft in Erzeugung und Absatz befassen, insbesondere solche, die eine Hebung des Werkmilchpreises ohne Verbraucherbelastung anstreben. Ich möchte heute auf diese Vorschläge erneut und betont hinweisen.
Meine Fraktion unterstützt den Antrag Drucksache 2320 nachdrücklich, weil sie der Meinung ist, daß so wichtige Bereiche der Landwirtschaft, deren besondere Gefährdung der Grüne Bericht unübersehbar ausgewiesen hat, eine bessere Pflege erfahren müssen, als es bisher der Grüne Plan vorsieht. Die bisherige Disposition bei den Maßnahmen des Grünen Plans erfordert daher eine Überprüfung und eine Abhilfe der aufgezeigten Mängel. Das Hilfsprogramm, das der Grüne Plan für die Landwirtschaft vorsieht, beläuft sich mit den bisherigen Leistungen einschließlich der Länderleistung auf über 2 Milliarden DM jährlich. Meine Fraktion hat damals dem Grünen Plan in der Erwartung zugestimmt, daß die im Rahmen der Debatte aufgezeigten Mängel des Programms bei der Durchführung behoben werden.
Zu diesen aufgezeigten Mängeln gehört auch die Tatsache, daß die heimatvertriebenen Bauern keine besondere Berücksichtigung in dem Hilfsprogramm gefunden haben. Obwohl inzwischen zwei Monate vergangen sind, sind keine Anzeichen erkennbar, daß der Herr Bundesminister bemüht ist, dieser Forderung zu entsprechen. Ich darf mit Befremden feststellen, daß in den betroffenen Kreisen der heimatvertriebenen Bauern Enttäuschung und Verbitterung herrscht. Meine Damen und Herren, zur westdeutschen Landwirtschaft gehören auch die heimatvertriebenen Bauern; man darf sie bei den Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft nicht ausklammern oder übersehen.
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Was für den einen Teil selbstverständlich ist und die einstimmige Billigung in diesem Hohen Hause gefunden hat, kann man dem andern Teil nicht vorenthalten. Die allgemeine Lage, die die Landwirtschaft belastet und schließlich das Hilfsprogramm notwendig macht, trifft die eingegliederten Ostbauern und Siedler doppelt schwer, weil sie durch fehlende Eigenmittel, hohe Pachtleistung und hohe Rentenleistung am schwersten bei der derzeitigen Ertragslage belastet sind. Die dringend notwendige Umschuldung kurzfristiger, hochverzinslicher Personalkredite mit Mitteln zur Zinsverbilligung ist nicht möglich, weil die Eingliederungsbetriebe, gleichgültig ob Pacht oder Kauf, keine ausreichende Banksicherheit bieten können. Außerdem kann ohnehin der Kapitalmarkt zur Zeit die notwendigen Anforderungen nicht bedienen.
Die Lage der eingegliederten heimatvertriebenen Bauern oder Siedler verträgt keinen Aufschub. Es ist notwendig, daß hierfür angemessene Mittel bereitgestellt werden, damit der ersten Vertreibung im Osten trotz Berufstüchtigkeit, Fleiß und Sparsamkeit nicht eine zweite im Westen folgt.
Falls die Bundesregierung der Meinung ist, daß die Problematik der heimatvertriebenen Bauern im Rahmen des vorliegenden Hilfsprogrammes nicht gelöst werden kann, fordert meine Fraktion gesondert einen Grünen Plan für das heimatvertriebene Landvolk, und zwar einen Plan, der die Behebung der Notlage der eingegliederten heimat({1})
vertriebenen Bauern sicherstellt, und darüber hinaus einen umfassenden langfristigen Plan, der die 162 000 Bauernfamilien eingliedert, die seit zehn Jahren vergeblich darauf warten, eingegliedert zu werden. Die bisherigen Eingliederungsmaßnahmen und Pläne sind weit hinter dem angestrebten Ziel zurückgeblieben, ja die Ergebnisse zeigen deutlich ein Sinken in Umfang und Güte.
Eine wesentliche Aufgabe eines solchen umfassenden Plans ist zweifellos die Landbeschaffung. Die ungenützten Bodenreserven, die wir in Moor-und Ödländereien haben, sollten durch einen großzügigen Kultivierungsplan erschlossen werden, um sie der Eingliederung nutzbar zu machen. Das Kultivierungsergebnis der Jahre von 1949 bis 1955 mit 7500 ha ist so ungenügend, daß umfassende Maßnahmen erforderlich sind.
Ein weiteres Anliegen bei der Durchführung der Eingliederung ist die seit Jahren erhobene Forderung nach Abkürzung und Vereinfachung des Verfahrensweges und der Finanzierung. Es ist ein unerträglicher Zustand, daß bei einem Eingliederungsverfahren mehrere Kreditinstitute eingeschaltet werden müssen und oft eine Vielzahl von Schuldurkunden und Grundbucheintragungen erforderlich ist.
Schnelle und wirksame Abhilfe im Zusammenwirken mit den Länderregierungen ist unsere erneute Forderung. Zuviel kostbare Zeit ist verlorengegangen,
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und das Versäumte sollte nachgeholt werden. Deshalb richtet meine Fraktion den dringlichen Appell an die Bundesregierung und an das Hohe Haus, den sozialen Notstand der heimatvertriebenen Bauern zu beheben, wobei sie sich auf die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers zu Beginn der Legislaturperiode stützt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Baade.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten etwas Sorge, daß, wenn unsere Große Anfrage zur Diskussion kommt, in diesem Saale nur der Landwirtschaftliche Ausschuß versammelt sein würde und daß die Aussprache eine innere Angelegenheit der Grünen Front werden könnte. Um so mehr freue ich mich, hier aus allen Fraktionen des Hohen Hauses insbesondere auch die Kolleginnen und Kollegen zu sehen, die an allgemeinen volkswirtschaftlichen Fragen interessiert sind. Denn in der Tat wird mit unserer Großen Anfrage über die Handhabung der Instrumente der landwirtschaftlichen Preisbildung nicht ein rein landwirtschaftliches Problem angeschnitten, sondern ein Kernproblem unserer gesamten Volkswirtschaft und insbesondere ein Problem, das in der heutigen konjunkturpolitischen Situation außerordentlich bedeutsam ist.
Die Antwort des Herrn Ministers war für mein Gefühl etwas stark auf Moll gestimmt. Der Herr Minister hat uns mehrfach auseinandergesetzt, was er alles nicht tun könne, wo ihm die Instrumente fehlten, wo sein Vorgehen mißverstanden werden dürfte. Da, Herr Minister, möchte ich mir doch erlauben, auf die Tatsache aufmerksam zu machen,
daß wir heute in der agrarischen Preispolitik über ein sehr umfangreiches und vielseitiges Instrumentarium verfügen. Wir haben nicht nur Von-bisPreise bei einigen Schlüsselerzeugnissen, wir haben auch das System der Schleuse bei solchen Produkten, bei denen wir die Von-bis-Preise nicht haben, insbesondere praktisch bei der Gesamtheit der tierischen Produkte. Wir haben darüber hinaus viele Möglichkeiten, z. B. die Getreidepreispolitik, insbesondere die Futtergetreidepreispolitik, so zu handhaben, daß davon sehr erhebliche stabilisierende Einflüsse auch auf die Märkte der tierischen Produkte ausgehen. Ich fürchte, Herr Minister, diese Instrumente sind bisher nicht genügend nutzbar gemacht worden.
Die Situation auf dem Schweinemarkt, die wir zur Zeit haben, insbesondere aber die Knappheitssituation, die wir zum Herbst erwarten müssen, wäre nicht in dem Umfang eingetreten, wenn nicht die Abwehr des billigen Futtergetreides im vorigen Herbst weit über das hinausgegangen wäre, was eigentlich erwünscht gewesen wäre. Herr Minister, Sie haben gemeint, wir hätten den „Schweinezyklus" schon wieder. Verehrter Herr Minister, wir beide sind schon Agrarpolitiker gewesen, als es den „Schweinezyklus" in seiner wirklichen, schrecklichen Gestalt noch gab, d. h. am Ende der zwanziger Jahre. Er bestand damals darin, daß die Schweinepreise auf das Doppelte stiegen und dann wieder auf die Hälfte zurückgingen. Diesen Zustand haben wir Gott sei Dank durch die verschiedenen Maßnahmen, die hier seit 1928 eingeleitet worden sind, überwunden. Heute haben wir nur noch Schweinepreisschwankungen zwischen einem Maximum von 150 und einem Minimum von 120 DM, und wir können diese Schwankungen wahrscheinlich noch auf eine kleinere Bandbreite einschränken.
Aber die Handhabung der Preispolitik für Futtergetreide als Mittel der allgemeinen landwirtschaftlichen Preispolitik bietet Ihnen, Herr Minister, noch weitere sehr erhebliche Möglichkeiten. Man kann, glaube ich, heute schon feststellen, daß die Maßnahme, die vor mehreren Monaten auf unseren Antrag erfolgt ist, nämlich die Rückvergütung der Überteuerung des Futtergetreides an die organisierten Eierproduzenten in Gestalt eines Betrages von 3 Pfennig zu einem vollen Erfolg geführt hat. Ich glaube, daß das nur ein erster Schritt sein sollte.
Wir haben noch einen weiten Bereich vor uns, auf dem es möglich ist, dem Landwirt höhere Erlöse zu verschaffen, ohne den Verbraucher zu belasten, ja in einer Art und Weise, bei der ein dringendes Anliegen der Verbraucher erfüllt wird, nämlich auf dem Gebiet der Schlachtgeflügelproduktion. Das, was im Zuge weiterer Kaufkraftsteigerung an zusätzlichen Absatzmöglichkeiten für Nahrungsmittel erschlossen wird, ist höchstwahrscheinlich auf keinem Gebiet so groß wie auf dem Gebiet des Geflügelverzehrs. In den Vereinigten Staaten liegt der Pro-Kopf-Verbrauch an Geflügel fast auf der zehnfachen Höhe des deutschen Verbrauchs. Wenn auch ein Steigen auf das amerikanische Volmumen eine lange Zeit erfordern wird, so ist es doch durchaus möglich, den Pro-KopfVerbrauch an Geflügel in Deutschland zu verdoppeln und zu verdreifachen. Hier liegen Möglichkeiten, den landwirtschaftlichen Verkaufserlös um Hunderte von Millionen Mark zu steigern. Wenn wir mit der Rückvergütung der Überteuerung des Futtergetreides, die wir beim Ei jetzt durchführen,
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etwas mehr Erfahrungen gesammelt haben, sollten wir mit Mut an die Übertragung dieses Systems auf die Schlachtgeflügelproduktion herangehen.
Solche Maßnahmen, Herr Minister, geben uns die Möglichkeit, die landwirtschaftliche Preispolitik richtig in unser gesamtes konjunkturpolitisches Anliegen einzugliedern. Aber leider muß ich sagen, Herr Minister, daß einige Sätze, die Sie gesagt haben, meine Freunde und mich mit einiger Sorge erfüllt haben. Kaufkraftsteigerung bedeutet nicht Preissteigerung. Kaufkraftsteigerung darf sogar im allgemeinen, was die gesamte Volkswirtschaft betrifft, nicht Preissteigerung bedeuten. Stellen Sie sich einmal vor, bei demjenigen Artikel, der heute von der Kaufkraftsteigerung am meisten profitiert hat - das ist, glaube ich, das Motorrad und das Kleinauto -, würden die Produzenten anfangen, so zu denken, wie weite landwirtschaftliche Kreise denken, daß nämlich Kaufkraftsteigerungen zu Preissteigerungen führen müssen. Was würden wir wohl in diesem Hause über die Leitung des Volkswagenwerkes sagen, wenn das Volkswagenwerk auf die gewaltige Steigerung der Absatzmöglichkeiten für Volkswagen, die durch Kaufkraftsteigerungen und insbesondere auch durch Lohn- und Gehaltssteigerungen geschaffen worden ist, nicht mit einer Preissenkung, sondern mit einer Preissteigerung reagieren würde?!
Die agrarische Preispolitik, von der wir hier sprechen, kann nur richtig gehandhabt werden, wenn sie richtig eingebaut ist in eine Gesamtkonzeption von der Funktion der Preise in einer Volkswirtschaft, die wohlhabender wird. Die deutsche Volkswirtschaft ist eine Volkswirtschaft, die wohlhabender geworden ist. Die deutsche Volkswirtschaft ist nur gesund, wenn sie auch weiterhin eine Volkswirtschaft bleibt, die wohlhabender wird. Wir werden noch erhebliche Produktivitätssteigerungen erzielen müssen. Wir werden dementsprechend erhebliche Steigerungen des Sozialproduktes in Deutschland haben und müssen sie haben. Wir werden diese Steigerung des Sozialproduktes an möglichst alle Beteiligten in Gestalt von höheren Löhnen weiterleiten, und wir werden alles tun, um zu verhindern, daß daraus ein Wettlauf zwischen Löhnen und Preisen entsteht.
Wenn ich hier „wir" sage, so meine ich nicht nur meine politischen Freunde. Ich glaube, in diesem Hause gibt es keine politische Partei, die sich nicht dazu bekennt, daß die Stabilität unserer Währung in der entscheidenden Weise aufrechterhalten werden muß, indem eben nicht erlaubt wird, daß sich aus Lohnsteigerungen Preissteigerungen ergeben und daß eine nach oben führende Preis-Lohn-Spirale entsteht. Und wenn ich „wir" sage, so bin ich mir auch darüber im klaren, daß wir in der deutschen Volkswirtschaft noch Instrumente haben, mit denen Preissteigerungen sehr wirksam bekämpft werden können. Es gibt einen Bundeswirtschaftsminister. Meine politischen Freunde waren bereit, ihm fast unbegrenzte Vollmachten auf dem Gebiete der Zollsenkungen zu erteilen. Diese Bereitschaft besteht immer noch für den Fall, daß wir darauf vertrauen können, daß der Bundeswirtschaftsminister, dem man dieses Instrument in die Hand legt, es auch anwendet. Und es gibt in Deutschland einen obersten Hüter der Währung in Gestalt des Zentralbankrates und des Direktoriums der Bank deutscher Länder. Diese Stellen sind eisern entschlossen, gegen Preissteigerungstendenzen äußerstenfalls das Instrument der Kreditrestriktion mit demjenigen Maß an Brutalität anzuwenden, das notwendig ist, um Preissteigerungen wirksam zu verhindern. Wer glaubt, Agrarpolitik noch mit einem Ausblick auf Preissteigerungen treiben zu können, die sich aus Kaufkraftsteigerungen ergeben, ist auf dem falschen Wege. Wir dürfen keinen Wettlauf zwischen Preisen und Löhnen bekommen, wir müssen steigende Löhne bei stabilen Preisen haben, und nur diejenige Agrarpreispolitik ist gesund, die diesem Gesichtspunkt Rechnung trägt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis jetzt ist es ja ganz gut gegangen. Der Herr Minister hat in Moll gesprochen; Kollege Kriedemann hat moderato gesprochen; etwas schärfer und scharfsinniger hat die Frau Kollegin Strobel sich eingeschaltet; der Herr Professor Baade hat mehr die wissenschaftlichen Zusammenhänge betont.
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- Sie dürfen dem Minister nicht zumuten, daß er Preisrichtlinien herausgibt, bevor er weiß, welche er herausgeben muß, und Sie können mir nicht zumuten, daß ich Stellung nehme, bevor ich etwas gesagt habe.
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Ich möchte zunächst einmal im Namen der Fraktionen der Regierungskoalition und der Fraktion der FDP folgende Erklärung abgeben.
Wir haben die Ausführungen des Herrn Bundesministers Lübke mit Befriedigung zur Kenntnis genommen und billigen diese Ausführungen.
Lassen Sie mich darüber hinaus noch einiges darlegen. Wenn man die Debatte verfolgt hat - ich habe mich heute bemüht, so objektiv wie möglich zuzuhören -, wenn man den Untergrund der Debatte hernimmt, muß man feststellen: In grundsätzlichen Fragen gibt es viele Übereinstimmungen; nur über die Form der Durchführung gibt es Differenzen.
Die Lebensmittelpreise sind, das möchte ich einmal in aller Offenheit ausführen, ein schwieriges Problem. Die Lebensmittelpreise wirken sich tagtäglich aus, und die verbrauchende Bevölkerung sieht sie tagtäglich vor Augen. Das Problem ist deswegen so schwer, weil es in der öffentlichen Meinung naturgemäß eine besondere Rolle spielt. Es ist auch deswegen schwierig, weil der Lieferant der Lebensmittel besonderen Bedingungen unterliegt. Es wäre ganz verkehrt, den Lieferanten für Lebensmittel außerhalb der Betrachtungsweise der Grundsätze der übrigen Wirtschaft zu stellen. Das wäre etwas ganz Bedenkliches, es wäre gar nicht gutzuheißen. Denn die Landwirtschaft ist ein Teil - und ein wichtiger Teil! - des Wirtschaftslebens. Ich kann sie nicht auf eine Insel verweisen und dann sagen: „Es steigt jetzt das Niveau um dich herum, es steigt das allgemeine Lebensniveau, es nimmt das Volkseinkommen zu - du bleibst zurück!", bis diese Insel überschwemmt ist. Das kann es natürlich nicht geben. Das gibt es ja auch in den übrigen Wirtschaftskreisen nicht. Wenn eine Erhöhung der Kohlenpreise oder der Eisenpreise kommt, da geht die Sache viel harmloser vor sich. Viel harmloser! Da ist sogleich die Presse zur
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Hand, um zu begründen, warum das notwendig ist. Bei den Lebensmittelpreisen ist die Presse nicht immer zur Hand, um eine Veränderung zu begründen. Deswegen tun wir uns furchtbar schwer. Dabei ist doch klar: Wenn wir dem Landwirt für seine Arbeit nicht den angemessenen Lohn geben, dann kriegen wir weitere Erschwerungen in den Verhältnissen der Landwirtschaft. Die Landflucht hat heute solche Formen angenommen, daß wir gezwungen sind, mit erhöhten Ausgaben den Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Die Technisierung muß auf einen höheren Stand gebracht werden. In den fortschrittlichen landwirtschaftlichen Betrieben ist heute sehr viel modernisiert. Es geht hier ebenso wie in der übrigen Wirtschaft nicht an, daß wir in der allgemeinen Entwicklung zurückbleiben; es muß der Anschluß an die allgemeine Entwicklung gefunden werden.
Besonders schwierig gestalten sich die Verhältnisse bei den Lebensmittelpreisen noch durch einen anderen Umstand. Die Lebensmittelpreise hängen von der Saison ab und sind während eines Jahres ungleichmäßig. Sie hängen von Witterungseinflüssen, von dem Ergebnis der Ernte und allen diesen Dingen ab. Die Preise in der Wirtschaft sind dagegen von solchen Schwankungen unberührt; ich darf nur an die Preise für Textilien, Schuhe usw. erinnern. Bei ihnen ist ein stabiler Faktor wirksam, den es bei den landwirtschaftlichen Preisen, den Lebensmittelpreisen nicht gibt. Bei ihnen gibt es saisonmäßige Schwankungen und Differenzen.
Das ist die besondere Lage, die wir hier vor uns haben. Dieser besonderen Lage haben wir mit den Marktordnungsgesetzen Rechnung tragen wollen, die der Landwirtschaft einen gewissen Rückhalt geben sollten. Warum sind denn die Marktordnungsgesetze erlassen worden? Man ist davon heute wieder abgekommen oder hat es vergessen. Wir haben die Marktordnungsgesetze wegen der Sonderstellung der Landwirtschaft geschaffen. Die landwirtschaftlichen Produkte sollten von der Liberalisierung ausgenommen werden, und die Preise dieser Produkte sollten durch Einflußnahme der Bundesregierung entsprechend manipuliert werden können. Das ist der Sinn der Marktordnung. Die Marktordnung hat zwei Aufgaben. Einmal soll eine gewisse Vorratsbildung geschaffen werden, und zum anderen soll regulierend in den Markt eingegriffen werden.
Wir von der Landwirtschaft haben kein Interesse daran, die Preise übermäßig sinken zu lassen. Wir haben aber auch kein Interesse daran, die Preise übermäßig hochschnellen zu lassen. Wir haben vielmehr ein Interesse daran, während des ganzen Wirtschaftsjahrs ausreichende Preise zu haben. Wir sind mit den Verbrauchern völlig darin einig, daß es keine Schwankungen geben sollte.
Zu dieser Regulierung sind die Einfuhr- und Vorratsstellen da. Aber wie soll das gemacht werden? Im Grundsatz, Herr Professor Baade, sind wir uns völlig einig. Hier brauchen wir uns nicht zu streiten. Nur in bezug auf die Durchführung bestehen Differenzen. Wie soll die Sache durchgeführt werden, welche Ausnahmen sollen bestehen, wie sollen die Dinge Erzeugern und Verbrauchern gegenüber gehandhabt werden? Hier liegen die Schwierigkeiten.
Zur Ehrenrettung der Regierung möchte ich folgendes sagen. Wenn wir jetzt den ganzen Ablauf der Marktordnung vor uns sehen, dann müssen
wir doch konstatieren, daß bei Getreide und auch auf anderen Gebieten etwas geschehen ist. Mit Hilfe der Marktordnungsgesetze sind manche Dinge - sowohl nach unten wie nach oben - abgebogen worden, die sonst nicht abzubiegen gewesen wären. Wenn die Preise übermäßig absinken, so hat der Verbraucher davon keinen Vorteil, weil die Differenz meistens in der zweiten und dritten Hand hängen bleibt. Wir haben deswegen ein Interesse an einem Instrument, mit dessen Hilfe sich eine gewisse Gleichmäßigkeit herstellen läßt.
Bei der Marktordnung kommt aber noch einiges hinzu. Frau Strobel sagt, die Erhöhung der Inlandspreise, beispielsweise bei Butter, sei ihr oft über die Hutschnur gegangen. Es ist aber meistens so: Wenn wir ausländische Produkte einführen wollen, bekommen wir keine. Wie soll die Regierung das handhaben?
({3})
- Sehen Sie, das ist der Witz! Die Regierung besitzt ja keinen Hellsehapparat. Es ist in der Wirtschaft immer sehr gefährlich, im voraus für sieben oder acht Monate zu planen. Man weiß nicht, was kommt. Wenn die Regierung jetzt einlagert und sich später herausstellt, daß die Einlagerung nicht notwendig war, und wenn sie dann wieder auslagert, geht das Geschimpfe los: Die Einlagerung wäre nicht notwendig gewesen. Die Probleme sind außerordentlich schwierig. Man kann hier keine allgemeine Regel aufstellen. Wissen Sie, dazu gehört schon eine kaufmännische Handhabung. Das kann ich nicht beiläufig berechnen, sondern da muß ich schon eine gewisse Erfahrung haben und dafür sorgen, daß ich das ungefähr hinbringe. Meistens bringe ich es nicht ungefähr hin.
({4})
- Frau Kollegin Strobel, ich wäre sehr dankbar, wenn Sie einmal die Leitung der Bundesstelle übernähmen. Das wäre großartig. Dann wären wir aller Sorgen enthoben.
({5})
- Ja, Herr Kollege Kriedemann; ich danke für Ihre Überzeugung. Dann wäre also wenigstens das erledigt.
Zu dem in der Großen Anfrage der SPD angeschnittenen Erzeugerpreis für Werkmilch möchte ich folgendes ausführen. Ich glaube - ich will nicht im Auftrag aller reden, sondern sage das einmal persönlich -, daß weite Kreise von uns die Regelung des Werkmilchpreises für unzureichend halten. In der Stufe der Verarbeitung haben wir die Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt abgeschafft und lassen sie dem Erzeuger zugute kommen. Aber damit ist das Problem noch nicht ganz gelöst, weil die Anteile der einzelnen Molkereibetriebe am Werkmilchpreis und am Trinkmilchpreis durchaus verschieden sind. Hier den richtigen Ausgleich zwischen Trinkmilch und Werkmilch insgesamt herbeizuführen, das ist eine schwierige Aufgabe. Es gibt z. B. Werkmilchgebiete, die ausschließlich den Schwankungen des Marktes unterworfen sind, wie das bayerische und württembergische Allgäu. Dort haben wir Betriebe, die zu 95 % Werkmilchbetriebe sind, die also zum größten Teil von der Verwertung der Milch zu Käse
({6})
abhängen. Diese Frage wird man noch weiter behandeln müssen. Die übrigen Dinge laufen uns nicht davon.
Ich bin der Meinung, daß es bei der Handhabung der Instrumente, die der Bundesregierung zur Verfügung stehen, immer Schwierigkeiten geben wird. Wir müssen halt alle zusammen helfen und mit gutem Willen und gutem Glauben zur Behebung solcher Schwierigkeiten beitragen.
Ich möchte zum Schluß betonen, daß es mir wichtig erscheint, daß der erste Grundsatz im § 1 des Landwirtschaftsgesetzes beachtet wird: daß die Landwirtschaft den Anschluß an die übrige Wirtschaft haben muß. Das ist nämlich das Grundsätzliche. Deswegen halte ich es auch für nicht gut, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister aus dem Rohr heraus, über alle Hürden hinweg, so wie er das gewohnt ist, die Zigarre gemütlich im Mund, einfach sagt: Die Zölle müssen um 30 % gesenkt werden. Das ist leicht gesagt; es fragt sich bloß, welche Zölle.
({7})
Wenn wir das auf die Landwirtschaft beziehen, auf die landwirtschaftlichen Veredelungsprodukte, dann wird der Stand verschoben, den wir im Grünen Bericht hergestellt haben.
({8})
Da bin ich dagegen. Der Stand der Landwirtschaft, von dem der Grüne Bericht ausgegangen ist, muß unter allen Umständen erhalten bleiben.
({9})
Denn sonst wird der Grüne Bericht nicht wirksam.
({10})
Dazu gehört auch, daß die Marktordnungsgesetze unter allen Umständen aufrechterhalten werden müssen, damit man die Möglichkeit hat, nach entsprechenden Richtlinien einzugreifen.
Ich möchte die Gelegenheit benützen, dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten heute für seine hervorragenden Ausführungen meinen Dank auszusprechen.
({11})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. - Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In erster Linie mit Rücksicht auf die Verpflichtungen, die der Bundesernährungsminister hat, werde ich mich auf ein paar kurze Bemerkungen beschränken. Meine Freunde und ich können uns der von Herrn Horlacher geäußerten Zustimmung zu den Ausführungen des Ministers nicht anschließen. Der Herr Minister hat deutlich gesagt, er halte es für unzweckmäßig, die Fragen, die wir gestellt haben, konkret zu beantworten. Das ist ein Standpunkt, für den es sicherlich Argumente gibt. Wir haben einen anderen Standpunkt, nämlich den, daß es durchaus möglich und sogar richtig und notwendig wäre, zu sagen, was die Regierung zu tun beabsichtigt.
Ich möchte zur Vermeidung von Mißverständnissen - und damit niemand etwa sich den nächsten Wahlkampf besonders leicht macht - noch einmal deutlich sagen, daß der Sinn unserer Großen Anfrage nicht war, eine Diskussion darüber zu
entfesseln, ob die heutigen Preise oder die Preise, die die Regierung für richtig hält, zu hoch oder zu niedrig sind. Wir wollten nur einmal wissen, was die Regierung für richtig hält, welche Ziele sie ansteuert. Welche Konsequenzen sich aus einer solchen Mitteilung ergeben hätten, hätte heute hier sowieso nicht diskutiert werden können. Das wäre einer anderen Gelegenheit ohne weiteres vorbehalten geblieben. Nur darum hat es sich gedreht.
Ein paar Bemerkungen des Herrn Dr. Horlacher veranlassen mich auch, noch mit allem Nachdruck zu sagen, daß es nicht etwa der Zweck der Großen Anfrage war, die Frage aufzuwerfen, ob denn die Marktordnung richtig oder falsch ist. Unser Bekenntnis zur Marktordnung im landwirtschaftlichen Bereich gilt unverändert und ohne alle Einschränkungen. Unsere Sorge ist nur, die Marktordnung könnte ihren Sinn dadurch verlieren, daß man sie entweder nicht handhabt oder sie einseitig handhabt, oder sie könnte um ihren Sinn dadurch gebracht werden, daß man Mißbräuche mit der Marktordnung zuläßt und nicht ausreichend bekämpft. Deswegen haben wir, um hier bestimmte Dinge klarzustellen, nicht zuletzt diese Fragen an die Regierung gerichtet. Wir fürchten nämlich, daß die Marktordnung wirklich um ihren Sinn gebracht wird und daß weite Kreise der Bevölkerung, Erzeuger und Verbraucher, nicht mehr wissen, was sie an dieser Marktordnung haben, wenn man das gelten läßt, was der Minister hier als seine Überzeugung ausgesprochen hat: Wir können ja gar nicht sagen, was wir wollen, denn wir haben nicht die Möglichkeit, das dann auch durchzusetzen.
Ich stimme mit Herrn Horlacher vollkommen überein, wenn er sagt: Dazu haben wir ja die Stellen geschaffen, daß sie bestimmte Maßnahmen treffen, daß sie bestimmte Eingriffe vornehmen. Wir wissen ja, daß alle diese Stellen solche Eingriffe vornehmen. Daß das überall mit der gebotenen Intelligenz und nach dem letzten Stand der Erkenntnis geschieht, ist mir insbesondere dann zweifelhaft, wenn man hier auf das Getreide abstellt. Aber darüber werden wir bei einer anderen Gelegenheit sicherlich noch eine sehr interessante Debatte haben. Daß man es tut, ist aber nur die eine Seite der Sache. Unser Anliegen ging ja darauf hinaus, daß man nun auch sagen möge, w a s man tut oder beabsichtigt, ich sage noch einmal und bitte um Verzeihung für diese etwas vereinfachte Formulierung: damit jeder weiß, was die Regierung für ein Spiel beabsichtigt, und damit jeder sich auf seine Weise einschalten kann.
Noch eine Bemerkung zu Herrn Horlachers Behauptung, es dürfe jetzt nichts gemacht werden - so oder so, in Preisen usw. -, was etwa den Stand des Grünen Berichts verändere. Der Grüne Bericht ist doch nicht etwas Statisches, etwas, was einmal festgelegt wird, und nun bleibt es dabei. Das ist doch gerade das Wertvolle am Landwirtschaftsgesetz, daß es die Regierung zur Vorlage eines Grünen Berichts verpflichtet, in dem die Veränderungen in der Entwicklung aufgezeigt werden, damit man die Maßnahmen der veränderten Entwicklung anpassen kann. Die Diskussion, die sich an das Landwirtschaftsgesetz und an die Maßnahmen aus dem Grünen Bericht anschließt, wird sich noch durch die ganze Zeit bis zum nächsten Bericht hinziehen. Es wäre verhängnisvoll, wenn der Eindruck entstünde, als sei das hier etwas Starres, ein System, an dem nichts geändert werden soll. Es ist auch unser Anliegen, den landwirt({0})
schaftlichen Erzeugern ihren Anteil am wachsenden Volkseinkommen zu geben. Aber es nützt uns gar nichts, wenn wir uns darüber im Grundsatz einig sind. „Grundsatz" ist ein schönes Wort und hat einen vollen Klang. Manchmal ist es trotzdem das allerbilligste, sich grundsätzlich zu einigen. Diese Einigung nutzt nämlich gar nichts, wenn man sich dann nicht mehr einig ist, wenn es sich darum handelt, aus einer grundsätzlichen Haltung die Konsequenzen auch dann zu ziehen, wenn sie ein bißchen unbequem oder gegebenenfalls einmal ein bißchen teuer sind. Hier scheiden sich eben unsere Auffassungen.
Ich habe das vorhin am Beispiel der Milch deutlich gemacht, und der Minister hat das noch vertieft, indem er gesagt hat: Wenn man den Butterpreis ab Molkerei um 20 Pf erhöhte - eine Sache, die also toll ist und die einem große Sorge machen muß, allein wenn man sich die Auswirkungen auf den Butterverzehr vorstellt -, würde das der Landwirtschaft ja kaum einen Pfennig pro Liter Milch einbringen. Da sind wir eben der Meinung, daß man hier genau wissen muß, was man will, damit man nicht zu Maßnahmen schreitet, die unten nachher keinen Effekt haben und die in sich selbst widerspruchsvoll sind.
Darum haben wir, um hier einen Anfang zu haben, diese Fragen gestellt. Wir bedauern, daß der Minister sie nicht konkret beantwortet hat. Ich respektiere seine Meinung, man könne das nicht tun. Meine Freunde und ich sind nach seinen Ausführungen und nach all dem, was wir gehört haben, auch jetzt noch der Meinung, daß man das, um was wir gebeten haben, tun könnte und darüber hinaus das tun muß, wenn man in der Agrarpolitik, insbesondere in diesem Bereich der Agrarpolitik und der Ernährungspolitik und in allem, was damit zusammenhängt, die klaren Verhältnisse haben will, die wir wünschen und haben müssen, wenn man die Unsicherheiten da herausbringen will, die nach allen Seiten stören. Bedenken Sie bitte, wie wir immer gehandikapt waren, wenn wir nicht über die Schweinepreise, sondern über die Fleischpreise redeten und uns dann von den Metzgern gesagt wurde: Ja, wenn wir sinkenden Schweinepreisen mit unseren Preisen nicht folgen - praktisch jedenfalls nicht folgen -, dann deshalb, weil wir ja erst Verluste von früher ausgleichen und für kommende Verluste neues Polster ansammeln müssen. In dem Auf und Ab der Preise - Frau Strobel hat das schon gesagt; das sollten Sie alle bedenken - liegt weder für die Erzeuger noch für die Verbraucher ein Vorteil; der Vorteil liegt ganz woanders. Weil es nicht Sinn der Agrarpolitik und schon gar nicht Sinn der Marktordnung ist, solche Vorteile abzusichern, wünschen wir - und das werden wir auch in Zukunft mit allen möglichen Mitteln tun - erstens als unsere agrarpolitische Auffassung darzustellen und zweitens nach Lage der Dinge möglichst durchzusetzen, daß hier Klarheit geschaffen wird, daß man sich zu dem, was man will, auch ausdrücklich bekennt, wie wir es mit dieser Anfrage getan haben.
Das beinhaltet auch Verpflichtung und Verantwortung nicht nur für den Ernährungsminister. Das stärkt seine Stellung gegenüber den Kabinettskollegen, deren wechselnde Rolle Frau Strobel uns hier so deutlich geschildert hat. Das hat auch Auswirkungen in allen anderen Wirtschaftskreisen, und nur aus einem vernünftigen Zusammenwirken nach einer von allen anerkannten oder mindestens allen bekannten Vorstellung können die Ordnung und die Stetigkeit in die Entwicklung hineinkommen, die wir nirgendwo so dringend brauchen wie auf diesem Sektor.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Mensing.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Kollege Kriedemann hat Bemerkungen gemacht, die mich zu meinem Bedauern veranlassen, hier einiges zur Berichtigung zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte nicht, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte, als ob das Fleischergewerbe es in der Hand hätte, die Preisgestaltung bei sinkenden Preisen von sich aus zu machen. Wer so etwas behauptet, macht sich nicht einmal die Mühe, festzustellen, wieviel Kräfte auf diesem Sektor tätig sind. Ich stelle folgendes nüchtern und sachlich fest. Das Fleischergewerbe stellt wohl die größte Gruppe auf diesem Sektor dar. Wir haben aber neben dem Fleischergewerbe noch die Fleischwarenindustrie, mit der wir einen sehr scharfen Existenzkampf führen. Auch dem Kollegen Kriedemann müßte bekannt sein, daß sich selbst innerhalb des Fleischergewerbes ein harter, bitterer Konkurrenzkampf austobt. Wir haben darüber hinaus auch die Konsumvereinsschlachtereien, die doch ebenfalls eine Möglichkeit hätten, preisregulierend zu wirken. Weshalb wenden Sie sich denn an unsere Adresse, weshalb nicht einmal an die Ihnen nahestehenden Betriebe? Hätten diese Betriebe die Möglichkeit, den Preis zu senken, wäre es doch ganz selbstverständlich gewesen, daß wir vom Fleischergewerbe aus Gründen der Konkurrenz hätten folgen müssen. Das ist doch ganz logisch.
Hinzu kommt der außerordentlich große Wettbewerb, in dem mein Berufsstand mit den Großbetrieben und Warenhäusern - heute ist in jedem Warenhaus ein Fleischereibetrieb - steht. Bald bei jedem Kolonialwarenhändler können Sie Fleisch und Wurst einkaufen. Wenn man diese Konkurrenz kennt, dann soll man doch endlich davon absehen, einen Berufsstand, der seine Pflichten in der Zwangswirtschaft und in den Nachkriegsjahren so erfüllt hat wie das deutsche Fleischergewerbe, immer wieder von neuem in der Öffentlichkeit zu verdächtigen. Ich gehe sogar so weit, Herr Kollege Kriedemann, daß wir vom Fleischergewerbe genau wie die Landwirtschaft ein Interesse daran haben, daß die Schlachtviehpreise und Fleischpreise nach Möglichkeit stabil gehalten werden.
({0})
- Warum erwähnen Sie dann immer wieder meinen Berufsstand? Dazu haben Sie doch gar keine Veranlassung gehabt.
Da Sie diese Preisgestaltung anschnitten, möchte ich weiter heute schon darauf aufmerksam machen, daß die Entwicklung auf diesem Sektor dahin treiben wird, daß die mageren Fleischstücke im Preise steigen werden, weil dem Geschmack des Verbrauchers Rechnung getragen werden muß, der es bekanntlich ablehnt, noch fettes Fleisch zu verzehren. Wir nähern uns im Geschwindschritt amerikanischen Verhältnissen, daß tatsächlich Fett, Innereien, Kleinfleisch und alle diese Dinge als Abfallprodukt zu bewerten sind. Der Fleischereibetrieb wird gezwungen sein - und auch Ihre Betriebe -, dieser
({1})
Entwicklung Rechnung zu tragen und die Preise für Spezialartikel entsprechend heraufzusetzen. Ich habe Ihnen das deshalb gesagt, damit Sie sich schon vorbeugend auf diese Entwicklung vorbereiten.
({2})
Meine Damen und Herren, auf der Rednerliste stehen keine weiteren Namen mehr. Ich nehme also an, daß das Redebedürfnis des Hauses erschöpft ist. Ob das der Umstand ausmacht, das morgen Himmelfahrt ist und darum etwas Menschenfreundlichkeit bei uns eingezogen ist,
({0})
weiß ich nicht. Vielleicht ist das wirklich der Grund.
Wenn sich keine weiteren Redner melden und die Regierung nicht weiter antworten will - Herr Minister, wollen Sie noch antworten? -,
({1})
dann ist die Aussprache zu diesem Punkt geschlossen.
Wir müssen noch den Antrag Drucksache 2320 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überweisen. - Das Haus ist einverstanden. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Dann rufe ich auf Punkt 4 der gedruckten Tagesordung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Aufhebung des des Besatzungsrechts ({2});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({3}) ({4}).
({5})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Professor Dr. Furler. Er verzichtet auf Abgabe eines mündlichen Berichts. Ich nehme an, daß das Hohe Haus auch darauf verzichtet, einen solchen Bericht anzuhören.
Wir treten somit unmittelbar in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf, und zwar auf Grund der Ausschußvorlage Drucksache 2265, die §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5 und 6. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann lasse ich abstimmen. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. - Ich schließe die allgemeine Aussprache. - Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts ist, der möge sich von seinem Sitz erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts ({6});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({7}) ({8}).
({9})
Auch hier ist Berichterstatter der Kollege Professor Furler, der auf Berichterstattung verzichtet hat. Das Haus scheint ebenfalls darauf verzichten zu wollen, einen mündlichen Bericht entgegenzunehmen.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Lesung. Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - Einleitung und Überschrift. - Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts zuzustimmen wünscht, der möge sich von seinem Sitz erheben. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung der Dienstbezüge von Vollzugsbeamten des Bundesgrenzschutzes an die Besoldung der Freiwilligen in den Streitkräften ({10}) ({11});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht ({12}) ({13}).
({14})
Berichterstatter ist Abgeordneter Dr. Kleindinst. Verzichtet das Haus auf Entgegennahme eines mündlichen Berichts?
({15})
Es liegt ein sehr ausführlicher Schriftlicher Bericht*) vor. Herr Dr. Kleindinst ist nicht da; ich kann ihn also nicht fragen, ob er Wert darauf legt, mündlich zu berichten.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf die §§ 1, - 2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich eröffne die
dritte Beratung
und die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht; ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Entwurf eines Besoldungsangleichungsgesetzes für
*) Siehe Anlage 2.
({16})
den Bundesgrenzschutz zuzustimmen wünscht, der möge sich von seinem Sitz erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, es tut mir leid, daß ich Ihnen diese körperlichen Strapazen zumuten muß;
({17})
aber die Geschäftsordnung schreibt das vor. Vielleicht nehmen Sie es als Ausgleichssport.
({18})
Ich stelle die Annahme des Gesetzentwurfs fest.
Einer Vereinbarung der Fraktionen zufolge wird nunmehr vor dem Punkt 7 Ihrer gedruckten Tagesordnung Punkt 8 Ihrer gedruckten Tagesordnung behandelt:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Vierten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955 (Viertes Nachtragshaushaltsgesetz 1955 ({19}).
„Viertes Nachtragshaushaltsgesetz" ! Gibt es eigentlich keine Möglichkeit, ein anderes Wort als „Nachtragshaushaltsgesetz" in den Sprachgebrauch einzuführen?
Will die Regierung diese Vorlage begründen? - Es scheint nicht der Fall zu sein.
({20})
Das soll erst um 12 Uhr auf die Tagesordnung kommen? Aber hier auf meinem Menu
({21})
ist dieser Punkt 8 vor Punkt 7 vorgezogen. Es geht offenbar schneller, als wir gehofft haben.
({22})
- Er soll auch dabei sein? Dann stelle ich diesen Punkt zurück. Wenn das Haus weiter so fleißig ist, werden wir aber vielleicht vor 12 Uhr fertig werden!
({23})
Ich schlage vor, daß wir dann die Punkte 7 und 8 Ihrer gedruckten Tagesordnung zurückstellen und mit Punkt 9 fortfahren:
a) Zweite Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung des Personalgutachterausschuß-Gesetzes ({24}).
({25})
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Einstellung von Soldaten für die Streitkräfte mit dem Dienstgrad vom Oberst an aufwärts ({26}).
({27})
Besteht bei der Deutschen Partei der Wunsch, zu diesem ihrem Antrag zu sprechen? - Es scheint nicht der Fall zu sein.
({28})
- Es gibt auch gute Verlierer, wie man sieht.
({29})
Dann treten wir alsbald in die zweite Beratung des Gesetzentwurfs Drucksache 1946 ein. Ich rufe auf § 1, - § 2, - Einleitung und Überschrift. -Wer für diese Bestimmungen ist, der möge die Hand erheben. - Ich sehe keine Hand.
({30})
Gegenprobe! - Ich sehe nur Hände.
({31})
Enthaltungen? - Keine. Damit sind in zweiter Beratung sämtliche Bestimmungen dieser Vorlage abgelehnt. Nach unserer Geschäftsordnung ist damit der ganze Gesetzentwurf abgelehnt. Es tut mir leid, daß das in Abwesenheit der antragstellenden Fraktion geschehen mußte.
({32})
Im allgemeinen pflegen ja die Leidtragenden bei Begräbnissen anwesend zu sein.
({33})
Bei dem Gesetzentwurf Drucksache 2075 kann ich, glaube ich, summarisch verfahren. Ich rufe auf die §§ 1 bis 12, - Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, der möge die Hand erheben. - Eine Hand, zwei Hände, drei Hände. Es gibt noch Soldarität in diesem Haus!
({34})
Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? - Eine Hand. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt. Herr Bausch, ich habe Ihre Stimmabgabe nicht verstanden.
({35})
Sie haben offenbar nur aus Gründen der Menschenliebe so abgestimmt.
({36})
- Es war ein Irrtum? Das hätten Sie so laut nicht sagen dürfen; sonst könnte man vielleicht daraus den Schluß ziehen, daß manche Mitglieder des Hauses auch sonst nicht wissen, warum sie die Hand hochhalten.
({37})
Auf jeden Fall ist nach unserer Geschäftsordnung auch dieser Gesetzesvorschlag abgelehnt.
Nach Erledigung des Punktes 9 rufe ich auf Punkt 10:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen ({38}) über den Beschluß des Deutschen Bundestages in der 82. Sitzung am 25. Mai 1955 betreffend Hilfsmaßnahmen für Personen, die zu den Opfern des 17. Juni gehören ({39}).
Berichterstatter ist Abgeordneter Blachstein. Abgeordneter Blachstein ist zu unserem großen Bedauern schwer erkrankt. An seiner Stelle erstattet den Bericht Frau Abgeordnete Korspeter. Ich erteile ihr das Wort.
Frau Korspeter ({40}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich verweise auf den Schriftlichen Bericht*) des erkrankten Kol-
*) Siehe Anlage 3.
({41})
legen Blachstein und bitte, den Bericht in der vorgelegten Form anzunehmen. Ich möchte allerdings noch auf einen Druckfehler hinweisen, den ich zu berichtigen bitte. Es darf im Absatz 4 nicht „Bundesvertriebenengesetz" heißen, sondern dieses Wort muß durch das Wort „Bundesversorgungsgesetz" ersetzt werden.
Ich benütze diesen Anlaß, das Haus um die Erlaubnis zu bitten, in Ihrer aller Namen dem Kollegen Blachstein eine rasche und gründliche Genesung zu wünschen.
({0})
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Frau Korspeter ({1}); Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Auftrage meiner Fraktion möchte ich noch ganz kurz auf einen Tatbestand hinweisen, auf den wir bei der Beratung dieses Berichts über Hilfsmaßnahmen für Personen, die zu den Opfern des 17. Juni gehören, erneut gestoßen sind und der uns bereits des öfteren im Ausschuß für Gesamtdeutsche Fragen beschäftigt hat, und zwar bei den Beratungen über das Notaufnahmeverfahren. Es handelt sich darum, daß bei dem Notaufnahmeverfahren in Berlin leider noch immer von nichtdeutschen Stellen Vernehmungen und Verhöre der Flüchtlinge aus der sowjetisch besetzten Zone durchgeführt werden, die wir aus politischen Gründen nicht billigen können und auf das entschiedenste ablehnen müssen.
Bei der Beratung des Berichts wurde die Bundesregierung im Ausschuß bereits beauftragt, mit den Westalliierten, und zwar auf höchster Ebene, über diese Frage zu verhandeln, gegen die Verhöre und Vernehmungen im Zuge des Notaufnahmeverfahrens Einspruch zu erheben und einen Wegfall dieser Vernehmungen durchzusetzen. Wenn wir nun im Zusammenhang mit dem Bericht noch einmal auf diesen Tatbestand hinweisen, so deshalb, um an die Bundesregierung die dringende Forderung zu richten, alles zu tun, um die Verhandlungen möglichst bald in unserem Sinne zum Abschluß zu bringen und darüber hinaus bei den Verhandlungen von den Westalliierten das Verständnis für die von uns gewünschte Regelung zu erbitten. Es geht uns dabei um die Flüchtlinge und auch um die Bevölkerung in der sowjetisch besetzten Zone. Wir sind der Meinung, daß sich alle Überlegungen und alle Maßnahmen nach diesem Gesichtspunkt zu richten und ihm unterzuordnen haben. Wir hoffen deshalb sehr - und das war der Zweck der Ausführungen -, daß uns die Bundesregierung in Kürze von einer in unserem Sinne befriedigenden Regelung dieses Tatbestandes berichten wird.
({2})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Maxsein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte auf eine Aussprache zur Sache verzichten. Aber die Erklärungen, die Frau Korspeter bezüglich der alliierten Kontrolle abgegeben hat, veranlassen mich, meinerseits, auch im Namen meiner Fraktion und der Koalitionsparteien, ein Wort zu sagen. Frau Korspeter hat eine Frage angeschnitten, die, vom Psychologischen und Politischen gesehen, zweifellos sehr delikat und bedeutsam ist. Ich darf hier nur betonen, daß das Auswärtige Amt bereits seit geraumer Zeit mit maßgeblichen alliierten Stellen Verhandlungen in dieser Richtung führt.
Die alliierte Kontrolle ist ein Bestandteil der Bundesnotaufnahme. Das Bundesnotaufnahmeverfahren wird im zuständigen Ausschuß, dem Unterausschuß für Sowjetzonenflüchtlinge des Gesamtdeutschen Ausschusses, am kommenden Freitag, also bereits übermorgen, eingehend behandelt. Ich darf Ihnen die Versicherung geben, daß wir in diesem Zusammenhang auch diese sehr schwerwiegende Frage erörtern werden. Ich darf annehmen, daß diese Erklärung für heute in dieser sehr bedeutsamen und weittragenden Angelegenheit genügt.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Ausschußantrag, den Sie auf Drucksache 2133 finden, zuzustimmen wünscht, möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist Punkt 10 erledigt.
Ehe ich Punkt 11 aufrufe, gebe ich bekannt, daß der Haushaltsausschuß erst nach Erledigung des Punktes 8 - Viertes Nachtragshaushaltsgesetz 1955 - zu seiner Sitzung zusammentritt, also erst nach Erledigung der beiden zurückgestellten Punkte.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, DA eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen ({0}).
Wird hierzu das Wort gewünscht, oder ist das Haus damit einverstanden, daß der Entwurf unmittelbar an die zuständigen Ausschüsse überwiesen wird?
({1})
- Das Haus ist einverstanden. Vorgeschlagen sind der Ausschuß für Beamtenrecht als federführend, der Ausschuß für Kommunalpolitik als mitberatend. Ist das Haus einverstanden?
({2})
- Dann ist so beschlossen. Punkt 11 der Tagesordnung ist damit erledigt.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesgesundheitsamtes ({3}).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Ich sehe kein Mitglied der Fraktion, die den Antrag eingebracht hat. Will jemand anders den Entwurf für sie begründen?
({4})
Dies scheint nicht der Fall zu sein.
({5})
Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
({6})
An und für sich halte ich es für die Üblichkeit, daß von der einbringenden Fraktion zum mindesten erklärt wird, daß sie auf Begründung verzichtet.
({7})
Ich glaube, daß das das Minimum ist. Aber daß ein solcher Antrag wie ein armes Waisenkind hier in meiner Mappe liegt,
({8}) scheint mir nicht richtig zu sein.
In allem Ernst, meine Damen und Herren, ein Antrag steht von dem Moment ab in diesem Hause zur Aussprache, in dem er begründet worden ist oder in dem erklärt wurde, daß auf Begründung verzichtet werde. Das bloße Papier der Vorlage allein kann eine Aussprache nicht auslösen. Es ist schon sehr nachsichtig, wenn wir trotzdem in die Beratung eintreten.
({9})
- Vor Himmelfahrt ist man immer menschenfreundlich.
({10})
Um die Verhandlung zu beleben, wünscht der Herr Bundesinnenminister das Wort; ich erteile es ihm!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß der Antrag nicht erst begründet worden ist. Ich darf nur sagen, daß das Anliegen der Antragsteller, nämlich eine gewisse Verstärkung der chemischen Seite im Bundesgesundheitsamt zu bekommen, schon in den Haushaltsberatungen erörtert worden ist, so daß nach meiner Meinung die Gesetzesvorlage unnötig ist und dem Anliegen der Antragsteller im Zuge der Haushaltsverhandlungen weitgehend Rechnung getragen werden kann.
Meine Damen und Herren, wir haben nun die Möglichkeit, nach der ersten Beratung unmittelbar in die zweite einzutreten.
({0})
Vielleicht sollte man es tun, schon um den Eifer antragsteilender Fraktionen, ihre Anträge zu begründen, anzuspornen.
({1})
Da keine Wortmeldung vorliegt, schließe ich die erste Beratung und frage das Haus, ob es die Tagesordnung dahin ergänzen will, daß neben der ersten Beratung auch gleich die zweite Beratung stattfindet.
({2})
- Es genügt ein Widerspruch von fünf Mitgliedern des Hauses. - Sie wünschen dieses Verfahren nicht?
({3})
- Dann liegt Widerspruch vor. Dann müssen wir den Antrag an den zuständigen Ausschuß überweisen. Es handelt sich um den Ausschuß für Fragen
des Gesundheitswesens. Ist das Haus mit der Überweisung einverstanden?
({4})
- Dann wollen wir abstimmen. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens ist, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
({5})
Damit können wir eintreten in die
zweite Beratung.
Erhebt sich Widerspruch gegen die zweite Beratung?
({6})
- Kein Widerspruch.
Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3 sowie die Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, der möge die Hand erheben. - Keine Hand. Gegenprobe! - Die übrigen.
({7})
Enthaltungen? - Keine Hand. Damit ist der Antrag, ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesgesundheitsamtes zu beschließen, erledigt.
Der Herr Bundesinnenminister ist der Meinung, daß der Punkt 7 der gedruckten Tagesordnung schon vor dem Punkt 8 behandelt werden könnte, der an sich vorgezogen werden sollte. Ist das Haus dieser Meinung?
({8})
- Einverstanden! Dann bitte ich Sie, in Ihrer Tagesordnung zurückzublättern.
Ich rufe auf Punkt 7 der gedruckten Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz ({9}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({10}) ({11}).
({12})
Berichterstatter ist Abgeordneter Maier ({13}). Wird auf Berichterstattung verzichtet?
({14})
- Das ist der Fall. Dann treten wir in die zweite Beratung ein.
Ich rufe auf § 1. Zu § 1 ist ein Änderungsantrag gestellt. Sie finden ihn auf Umdruck 602 Ziffer 1.*) Wer begründet ihn? - Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Eschmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat sich erlaubt, im Umdruck 602 einen Änderungsantrag zum § 1 Abs. 2 einzubringen. Zwischen der ersten Lesung dieses Gesetzes und der heutigen zweiten Lesung haben sich die Ausschüsse für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und für Verteidigung mit diesem Gesetz befaßt. Laut vorliegendem Bericht ist in der Stellungnahme dieser beiden Ausschüsse eine unterschiedliche Auffassung festzustellen. Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung
*) Siehe Anlage 6.
({0})
hat sich in seinen Beratungen und seiner Entscheidung der Regierungsvorlage zu diesem Paragraphen angeschlossen. Der Ausschuß für Verteidigung hat sich einstimmig für die Formulierung unseres jetzigen Antrages zum § 1 Abs. 2 entschieden. Der Zweck unseres Antrages ist, zum § 1 die Ausschußvorlage des Verteidigungsausschusses wiederherzustellen.
Meine politischen Freunde haben im Verteidigungsausschuß zunächst einen Antrag vorgelegt, den Abs. 2 des § 1 ganz zu streichen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Sie haben dann aber diesem Antrag, der in seinem Wortlaut einen Vorschlag des Abgeordneten Jaeger wiedergibt, ihre Zustimmung gegeben, und dieser Antrag ist dann im Verteidigungsausschuß einstimmig angenommen worden. Es zeigte sich in den Beratungen des Verteidigungsausschusses, daß vom Militärischen her keine Notwendigkeit für den § 1, wie in der Regierungsvorlage vorgesehen, festzustellen war. In den Beratungen des Verteidigungsausschusses ist auch seitens des Verteidigungsministeriums zum Ausdruck gekommen, daß man keinen besonderen Wert auf den Abs. 2 legt, und es sind keine besonderen Bemerkungen zu dem Vorschlag gemacht worden, wie er jetzt in unserem Antrag als Wortlaut für den Abs. 2 vorgesehen ist. Es war interessant zu bemerken, daß sich der Herr Bundesverteidigungsminister selber in der Diskussion nicht geäußert hat. Aus diesem seinem Schweigen möchte ich ableiten, daß er es wohl begrüßt, wenn der Abs. 2 die Form erhält, wie wir sie jetzt in unserem Antrag vorgelegt haben.
Meine Damen und Herren, wenn die Grenzschutzbeamten übergeführt sind, dann sind sie Soldaten, und ich bin der Meinung, daß sie dann in die Zuständigkeit des Verteidigungsministers fallen. Ich bin weiter der Meinung, daß der Verteidigungsminister die Entscheidung über die Verwendung und den Einsatz der Verbände des Bundesgrenzschutzes haben muß, weil sie eben in seine Zuständigkeit fallen.
In der Diskussion kamen verschiedene Gründe gegen den Wortlaut, wie er jetzt von uns beantragt ist, zum Ausdruck, u. a. der, es sei der Wunsch der Grenzschutzbeamten selbst, in ihren jetzigen Formationen zusammenzubleiben und den guten Korpsgeist, der dort auf Grund der nun schon jahrelangen Zusammengehörigkeit vorhanden ist, weiter bestehen zu lassen. Diesen guten Korpsgeist möchte ich nicht bestreiten; aber ich glaube, es gibt keinen Zweifel darüber, daß, wenn mit den Verbänden des Grenzschutzes so verfahren wird, wie es vorgesehen ist, daß sie zur Kaderbildung zunächst für drei, später für sechs Divisionen benutzt werden und dann in der weiteren Zellierung eine besondere Aufgabe in der Bundeswehr, ganz besonders in ausbildungstechnischer Hinsicht, haben sollen, von vornherein schon eine Aufteilung dieser Verbände gegeben ist, wenn sie übergeführt werden. Außerdem besteht bei den Grenzschutzbeamten der Wunsch, nach Möglichkeit wieder in den Waffengattungen Dienst machen zu können, denen sie früher einmal als Soldaten angehört haben. Wie ich schon in der ersten Lesung gesagt habe, wollen die Panzerleute zu den Panzern, die Flieger zu den Fliegern, die Artilleristen zur Artillerie. Ich glaube sicher, daß da schon von Anfang an nach der Überführung eine Aufteilung notwendig werden wird, die man der Zuständigkeit des Verteidigungsministers überlassen muß, weil die
Betreffenden eben nach der Überführung Soldaten geworden sind.
Es wurde als Begründung der Grad der Ausbildung herangezogen, den sich die Formationen des Grenzschutzes in den Jahren des Dienstes im Grenzschutz erworben hätten. Meine Damen und Herren, ich will die Leistungen des Grenzschutzes in keiner Weise schmälern; aber dieser Grad der Ausbildung ist doch wohl in erster Linie in bezug auf die Grund- oder formale Ausbildung vorhanden und weniger in bezug auf eine wirklich echte, moderne Waffenausbildung, wie sie für unsere Bundeswehr und wie sie für jede Truppe, die nach modernen Verteidigungsgrundsätzen eingesetzt werden soll, notwendig ist.
Wenn man der Meinung ist, daß die Grenzschutzbeamten nach der Überführung, wenn sie Soldaten geworden sind, eine besondere Aufgabe der Verbreiterung der Ausbildung und des Bildens des inneren Gefüges - von dem uns ja gesagt wird, was ich gern glauben will, daß es gut ist - haben, dann ist die bessere Lösung gegeben, wenn der Verteidigungsminister selber nach seinem Ermessen und nach seinen Vorstellungen und Kenntnissen über die Verwendung der übergeführten Grenzschutzbeamten entscheidet. Deshalb glauben wir, daß wir mit dem Absatz 2, wie wir ihn jetzt vorschlagen, das Bessere, das Richtigere tun.
Ich kann es selbstverständlich verstehen, wenn der Herr Bundesinnenminister, das Innenministerium, noch so etwas wie eine Nachbetreuung der Grenzschutzbeamten, die ja bis jetzt unter deren Obhut gestanden haben, vornehmen möchte. Aber ich glaube, eine klare Scheidung der Zuständigkeiten nach der Überführung, durch die die Grenzschutzangehörigen Soldaten werden und unter die Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums fallen, ist besser.
Meine Fraktion wird natürlich dem Antrag, den sie eingebracht hat, zustimmen. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der Rechten und von der Mitte des Hauses, deren Abgeordnete ja im Verteidigungsausschuß diesem Antrage des ehrenwerten Herrn Abgeordneten Jaeger ihre Zustimmung gegeben haben, ihm gleichfalls zuzustimmen. Dann ist für die, die es betrifft, nämlich die Beamten, welche übergeführt werden sollen, und für das Verteidigungsministerium das Richtige getan.
Ich bitte Sie daher, unserem Antrage Umdruck 602 Ziffer 1 zu § 1 Abs. 2 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Eschmann hat ausgeführt, das Schweigen des Herrn Bundesministers für Verteidigung könne wahrscheinlich als Zustimmung gedeutet werden. Herr Kollege Eschmann, ich glaube, ich kann Sie hier in doppelter Beziehung widerlegen. Erstens: Allgemein annehmen zu wollen, daß Schweigen Zustimmung bedeute, könnte große Komplikationen hervorrufen. Aber im Sachlichen ist es so, daß es sich hier um eine Kabinettsvorlage und um die Vertretung einer Kabinettvorlage handelt. In den Ausschüssen - das haben Sie ausgeführt - ist eingehend darüber beraten worden. Die Entscheidung im federführenden Ausschuß für Angelegenheiten
({0})
der inneren Verwaltung ist gefallen in Übereinstimmung mit der Kabinettsvorlage, in übereinstimmung mit dem Bundesminister für Verteidigung und auf der Basis eines wohldurchdachten Planes, der selbstverständlich von der ganzen Bundesregierung unterstützt wird.
Aus diesem Grunde habe ich die Bitte, den Änderungsantrag, den Sie gestellt haben, abzulehnen.
Wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Fritz Maier als Berichterstatter.
Maier ({0}) ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde den Schriftlichen Bericht zu Protokoll geben*), so daß er dann nachgelesen werden kann.
Im Mündlichen Bericht - Drucksache 2302 - ist aber noch eine Korrektur notwendig. In der Anlage zu dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz müssen folgende Ergänzungen angebracht werden. Bei den Amtsbezeichnungen im Bundesgrenzschutz muß es unter Nr. 10 heißen: „Hauptmann bzw. Kapitänleutnant bzw. Stabsarzt im Bundesgrenzschutz". Bei den Dienstgradbezeichnungen in der Bundeswehr muß es heißen: „Hauptmann bzw. Kapitänleutnant bzw. Stabsarzt bzw. Marinearzt". Bei den Amtsbezeichnungen im Bundesgrenzschutz muß es unter Nr. 11 heißen: „Major bzw. Stabskapitän bzw. Oberstabsarzt im Bundesgrenzschutz"; bei den Dienstgradbezeichnungen in der Bundeswehr: „Major bzw. Korvettenkapitän bzw. Oberstabsarzt bzw. Marineoberstabsarzt".
Unter Nr. 12 muß es bei den Amtsbezeichnungen im Bundesgrenzschutz heißen: „Oberstleutnant bzw. Oberstabskapitän bzw. Kommandoarzt im Bundesgrenzschutz"; bei den Dienstgradbezeichnungen in der Bundeswehr: „Oberstleutnant bzw. Fregattenkapitän bzw. Oberfeldarzt bzw. Flottillenarzt". Unter Nr. 13 muß es bei den Amtsbezeichnungen im Bundesgrenzschutz heißen: „Oberst bzw. Kapitän im Bundesgrenzschutz"; bei den Dienstgradbezeichnungen in der Bundeswehr: „Oberst bzw. Kapitän zur See".
Ich darf auf den Antrag des Ausschusses verweisen, der Ihnen empfiehlt, den Bericht in der vorliegenden Form anzunehmen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 602 Ziffer 1**) zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Nun lasse ich abstimmen über den § 1 in der neuen Fassung. Wer diesem Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe § 2 auf. Zu § 2 liegen fünf Änderungsanträge vor. Sie finden sie auf Umdruck 602 Ziffern 2, 3 und 4 und auf Umdruck 581 Ziffern 1 und 2. Ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst zu dem Änderungsantrag sprechen, der sich auf den Abs. 1 bezieht - das ist der Änderungsantrag Umdruck
1 Siehe Anlage 4.
1 Siehe Anlage 6.
602 Ziffer 2 -, und dann über die Änderungsanträge, die sich auf § 2 Abs. 3 beziehen.
({0})
- Begründet werden kann zusammen, nur bei der Abstimmung werde ich diesen Unterschied machen. Im übrigen darf ich zur Abstimmung bemerken, daß ich den Änderungsantrag Umdruck 602 Ziffer 3 für weitergehend halte als den Änderungsantrag Umdruck 581 Ziffer 1.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Eschmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung dieser Anträge meiner Fraktion*) zu § 2 möchte ich folgendes ausführen. Der § 2 Abs. 1 muß in Zusammenhang mit Abs. 3 Nr. 1 gesehen werden. Schon in der ersten Lesung dieses Gesetzes hatte ich die Ehre, für meine Fraktion auszuführen, daß wir mit dem Verfahren bei der Überführung der einzelnen Grenzjäger und Grenzschutzbeamten in die Bundeswehr nicht einverstanden sein können. Man verlangt von demjenigen, der nicht will, daß er gesetzlich in die Bundeswehr übergeführt wird, eine Erklärung. Hierbei handelt es sich nach unserer Auffassung keinesfalls um ein allgemein übliches beamtenrechtliches Denken und Verfahren. Man kann sogar der Meinung sein, daß das ein nicht gerade menschenwürdiges Verfahren ist. Im Grunde genommen wirkt es sich auf die Entscheidung des einzelnen Grenzjägers, des einzelnen Grenzschutzbeamten wie ein unmoralischer Druck aus, den man da ausübt.
Ich hatte damals die Gelegenheit genommen, aus meinem eigenen Erleben mit den Methoden der Landespolizei von 1936 in etwa einen Vergleich heranzuziehen. Sicher, die Verhältnisse waren damals in der Staatsführung und auch auf anderem Gebiete anders als heute. Aber immerhin sind die Auswirkungen dieses Verfahrens und dieser Methoden damals die gleichen gewesen wie heute.
In der Beratung im Verteidigungsausschuß sind die Argumente aufgeworfen worden, daß die Überführung auf dem nach der Gesetzesvorlage vorgesehenen Weg schneller vor sich gehe und daß das Verfahren auch einfacher sei. Nun, ich glaube, daß man das bestreiten kann. Es geht auf dem anderen Wege ebenso schnell, wenn nicht vielleicht sogar noch schneller.
Aber wenn auch die Zeit vorgeschritten ist und sicher bei vielen die Absicht und der Wunsch bestehen, möglichst schnell mit der Tagesordnung zu Ende zu kommen, möchte ich doch kurz schildern, wie es nun bei den Grenzjägern, bei den Grenzschutzbeamten in der Frage der freien Entscheidung aussieht. Wir sind der Meinung, daß es jeder in der Hand haben müßte, sich frei zu entscheiden, ob er übertreten will. Die freie Entscheidung sicherzustellen, ist der Zweck der Anträge, die wir vorgelegt haben. Sie sollen das Positive der freien Entscheidung hervorheben.
Mir ist vom Bundesgrenzschutzverband ein Brief zugegangen, den wohl noch andere Damen und Herren dieses Hauses erhalten haben. Unterschrieben ist er vom Vorsitzenden des Bundesgrenzschutzverbandes, Herrn von Stülpnagel. Ich möchte
Siehe Anlage 6.
({0})
gleich vorweg bemerken: Es wäre gut gewesen, wenn Herr von Stülpnagel die Ausführungen, die er in diesem Brief an die Abgeordneten persönlich gerichtet hat, im Organ des Grenzschutzes, in der Zeitung „Der Grenzjäger", gemacht hätte. Dann wären einer breiteren Öffentlichkeit die Bedenken und Sorgen bekanntgeworden, welche die Grenzschutzbeamten selbst wegen der Überführung in die Bundeswehr noch haben. Aber ich möchte - ich gestehe es offen - mit Absicht einiges aus diesem Brief in aller Öffentlichkeit zitieren, ohne mich allzu sehr darüber zu verbreitern. Die Grenzschutzbeamten haben erhebliche Bedenken und Sorgen z. B. darum, daß die kostenlose ärztliche Versorgung von Familienangehörigen, von Frauen und Kindern, die beim Grenzschutz gewährleistet ist, nach der Überführung wegfällt. Die Verheirateten stellen mit Recht die Frage: Welcher finanziellen Mehrbelastung sind wir ausgesetzt, wenn die Überführung erfolgt?
Weiter wird in diesem Brief darauf hingewiesen, daß die Grenzschutzbeamten nur zu gern vorher wissen möchten - das würde ihre persönliche Entschlußfreudigkeit, überzutreten, jedenfalls heben, wenn man es ihnen jetzt sagen könnte -, zu welcher Dienstleistung sie in der Bundeswehr herangezogen werden und in welchem Dienstgrad und in welche Gehaltsstufe sie übernommen werden. Sie begründen ihren Wunsch damit, daß im Bundesgrenzschutz seit Jahren fällige Beförderungen aus Mangel an Planstellen unterblieben seien. Ihre Bedenken gehen dahin, um es einmal ganz nüchtern zu sagen, daß sie zu kurz kommen gegenüber all denjenigen, die als Freiwillige in die Bundeswehr eintreten. Sie behaupten, daß das Bundesministerium für Verteidigung inzwischen in wiederholten Fällen Bewerber mit einem höheren Dienstgrad eingestellt hat, die nicht über eine Truppendiensterfahrung verfügen wie sie. Sie empfinden - das gilt für Offiziere und Unterführer des Bundesgrenzschutzes - diese Tatsache als Zurücksetzung und hoffen, daß diese Benachteiligung rückwirkend ausgeglichen wird.
Ich glaube, es ist verständlich, wenn die Grenzschutzbeamten vorher gern wissen möchten, wie es sich damit verhält.
({1})
Einen weiteren Satz, der ebenso bedeutungsvoll ist und der die Frage der freien Entscheidung, um die es hier geht, für den einzelnen Bundesgrenzschutzbeamten betrifft, möchte ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren:
Eine freie Entscheidung des einzelnen Grenzschutzangehörigen erscheint uns erst dann gewährleistet, wenn ihm verbindlich dargelegt wird, in welcher Stellung, für welche Aufgabe und unter welchen dienstlichen Verhältnissen er in der Bundeswehr weiter Dienst zu tun hat.
Gemeint ist u. a., daß auch für sie Versicherungsverhältnisse bestehen, Kraftfahrzeugversicherung, Haftpflichtversicherung und andere Dinge mehr. Sie sind der Meinung, daß sie nach einem Übertritt im Genuß dieser Dinge bleiben müssen. Ein Verlust würde jedenfalls die Dienstfreude beeinträchtigen, aber auch schon vorher den Entschluß zum Übertritt hemmen. Ich möchte es bei diesen wenigen Punkten, die von denen, die es betrifft, genannt wurden, bewenden lassen. Ich glaube, daraus ist zu erkennen, daß die Argumente, die schon in der ersten Lesung von uns angeführt wurden - daß man den einzelnen Beamten die echte freie Entscheidung zubilligen müsse, ohne den Umweg, wie ihn die Regierungsvorlage vorsieht -, die besseren Argumente sind.
Zum Abschluß möchte ich folgendes sagen. Sind es - man kann das nur schätzen, man kann das nur vermuten - im Grunde genommen noch 18 000, die die Absicht haben, überzutreten? Ich habe irgendwo einmal die Zahl von 12 000 gelesen. Ich weiß nicht, ob sie zutrifft. Wie gesagt, man kann die Zahl nur schätzen. Immerhin, wenn das so ist, dann sollte man sich unseren Argumenten nicht verschließen.
Ich möchte Sie bitten, den Anträgen, die wir zu § 2 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 vorgelegt haben, Ihre Zustimmung zu geben.
({2})
Das Wort zur Begründung der Anträge Umdruck 531 hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir tun der Verkürzung der Debatte einen Dienst, wenn ich mir die Genehmigung des Herrn Präsidenten erbitte, zugleich zu Umdruck 602 kurz Stellung nehmen zu dürfen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegen fünf Änderungsanträge vor. Ich möchte Sie bitten, die drei Änderungsanträge der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, die an sich weitergehen, abzulehnen, im Unterschied zu dem ersten Antrag, den Sie auch mit meiner Stimme angenommen haben. Diese drei Anträge auf Umdruck 602 - Ziffern 2, 3 und 4 - laufen darauf hinaus, daß die Frist von einem Monat für die Erklärung des einzelnen Grenzschutzbeamten auf zwei Monate verlängert wird. Wir haben hiergegen Bedenken. Die Überführung des Bundesgrenzschutzes, die sowieso schon reichlich spät geplant wurde, ist nun auch in ihrer Durchführung durch die Behandlung, die einem Gesetz nun einmal zuteil werden muß, nicht gerade beschleunigt worden. Wir sind der Meinung, daß nunmehr rasch an die' Verwirklichung dieses, wie wir sehen werden, von der Mehrheit des Hauses geplanten Gedankens herangegangen werden muß. Die Diskussion hierüber ist aber bereits mehr als ein halbes Jahr in der Öffentlichkeit. Jeder Grenzschutzbeamte muß jetzt bereits wissen, ob er will oder nicht will, um so mehr als er nach dem Soldatengesetz über die grundsätzliche Rechtslage, die er haben wird, Bescheid weiß, auch wenn in einigen finanziellen Punkten die restlose Klarheit noch nicht geschaffen sein wird. Sie wird auch in den nächsten zwei Monaten noch nicht geschaffen, weil, wie ich fürchte, der Beamtenrechtsausschuß das Besoldungsgesetz auch bis zu diesem Tage noch nicht verabschiedet haben wird.
Ich bitte, es bei der Frist von einem Monat zu belassen, weil die Vermutung dafür spricht, daß der einzelne Grenzschutzbeamte zur Bundeswehr übertreten will, und daß er eine Erklärung nur abgibt, wenn er im Ressort des Innenministeriums verbleiben will. Ich betone: die Situation ist so geklärt, daß das durchaus das Sachdienliche ist.
Hingegen möchte ich Sie bitten, dem Antrag auf Umdruck 581*) zuzustimmen. Ich habe die Ziffer 1
*) Siehe Anlage 5.
({0})
zu begründen. Es geht hier nicht um eine große militärpolitische, es geht mehr um eine rechtspolitische, vielleicht auch parlamentspolitische Frage. In § 2 Abs. 3 Nr. 2 ist die Möglichkeit geschaffen, daß einzelne Grenzschutzb eamte vom Bundesminister für Verteidigung „im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern" abgelehnt werden. Ich bin überzeugt - und weiß, daß ich mich in Übereinstimmung mit dem Verteidigungsminister befinde -, daß es sich höchstens um einige Einzelfälle handeln kann. Aber wenn wir eine gesetzliche Regelung treffen, wollen wir eine saubere gesetzliche Regelung treffen. Wenn wir das Einvernehmen verlangen, dann muß nicht nur der Verteidigungsminister, sondern auch der Innenminister der Ablehnung zustimmen. Es mag sein, daß sich die beiden Herren Minister in allen Fällen einigen würden. Es geht gar nicht um ihr, wie ich hoffe, recht gutes persönliches Verhältnis, sondern es geht um die sachliche Notwendigkeit, daß einer allein die Verantwortung für den Aufbau der Bundeswehr haben muß. Das kann nur der Verteidigungsminister sein. Er kann jeden Bewerber ablehnen, er braucht niemanden einzustellen. Dieser Grundsatz muß auch hier gelten. Deshalb bitte ich Sie, die Worte „im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern" zu streichen.
Wir, das deutsche Parlament, müssen, wenn eine personalpolitische Fehlentscheidung erfolgt, die sich vielleicht in zwei oder drei Jahren herausstellen wird, wissen, wer damals verantwortlich war und wen wir vor diesem Hause zur Verantwortung ziehen können und müssen. Wenn ein Einvernehmen erforderlich ist, sind am Ende beide und wahrscheinlich im Grunde niemand verantwortlich. Deshalb ist es notwendig, die klare Verantwortlichkeit des Ressortchefs herzustellen. Sie haben durch den vorhin angenommenen Antrag seine Stellung in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Verteidigungsausschusses betont. Betonen Sie sie bitte auch an dieser Stelle.
Das Wort hat der Abgeordnete Huth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für innere Verwaltung hat sich mit diesem Antrag des Verteidigungsausschusses bereits eingehend befaßt. Nach reiflicher Überlegung sind wir im Ausschuß zu der Überzeugung gekommen, daß die Regierungsvorlage, wie sie uns vorlag, belassen werden sollte. Ich bitte deshalb, dem Antrag des Kollegen Jaeger nicht zuzustimmen. Es war im Kabinett über diese Frage Einstimmigkeit erzielt. Auch der Herr Bundesminister für Verteidigung hat der Kabinettsvorlage seine Zustimmung gegeben.
Herr Abgeordneter, das ist kein Grund dafür, daß dieses Haus etwa derselben Meinung sein müßte.
({0})
Herr Präsident, ich bin ja noch dabei, zu begründen. Wenn der Herr Bundesminister des Innern die Grenzschutzmänner, die ihm die ganze Zeit unterstanden haben, jetzt abgeben muß, kann man es ihm nicht verargen, wenn er entscheidenden Wert darauf legt, da auch ein entscheidendes Wort mitzureden, wenn Fragen auftauchen, ob der eine nun abgelehnt werden soll oder nicht. Im übrigen handelt es sich ja bei den Männern des Bundesgrenzschutzes um Beamte, die ihre Urkunde, vom Präsidenten unterzeichnet, im Besitz haben. In den wenigsten Fällen werden irgendwelche Differenzen auftreten. Wenn aber solche Differenzen auftreten, dann, glaube ich, liegt es im Interesse der beiden Herren, eine Klärung hierüber herbeizuführen. Man hat darüber hinaus, soviel ich weiß, noch stillschweigend den Beschluß gefaßt, gegebenenfalls ein Entscheidungsgremium anzurufen.
({0})
Im übrigen glaube ich, Herr Dr. Jaeger, wenn Sie an der Stelle des Herrn Bundesministers des Innern wären, würden Sie das gleiche Recht, das Sie jetzt dem Herrn Bundesminister des Innern absprechen, für sich in Anspruch nehmen.
({1})
Davon bin ich fest überzeugt, weil es nicht mehr als recht ist, daß beide Beteiligten über diese Frage gleichermaßen ein Wort zu reden haben.
Ich bitte das Hohe Haus, die Regierungsvorlage, so wie sie uns vorliegt, anzunehmen.
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 581 Ziffer 2*) hat der Abgeordnete Berendsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Ziffer 2 bitten wir Sie, folgendes zu überlegen. Der Personalgutachterausschuß ist von uns eingesetzt worden, um alle Soldaten, die im Oberstenrang und höher in die neue Bundeswehr eintreten, zu überprüfen, auch die Angehörigen des Grenzschutzes; das ist unbestritten. Nun sagt der Gutachterausschuß, daß es ihm unmöglich ist, binnen vier Wochen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes derartige Vorlagen in jedem Falle zu prüfen. Es sei möglich, daß ein Antrag eines Angehörigen des Grenzschutzes, der vom Gutachterausschuß überprüft werden müsse, diesem erst 8 oder 14 Tage vor Ablauf der Frist vorgelegt werde, so daß er tatsächlich nicht die Zeit von vier Wochen habe, die er haben möchte.
Deshalb unser Änderungsantrag, eine reine Formalie - wir bitten Sie, dem zuzustimmen -, daß die Akten vier Wochen dem Gutachterausschuß vorliegen müssen. Danach läuft erst die Frist ab, in der er zustimmen oder ablehnen kann.
Das Wort hat der Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Herrn Kollegen Jaeger stimme ich nicht ganz überein. Aber ich stimme mit ihm in dem überein, was er zu den Änderungsanträgen der sozialdemokratischen Fraktion gesagt hat. Es trifft zu, daß dieses Thema seit so vielen Monaten zur Debatte steht, daß alles Für und Wider auch von den engst Beteiligten, nämlich denjenigen, die den Status wechseln sollen, so eingehend erörtert worden ist, daß ohne Zweifel alles, was zur Aufklärung geschehen konnte, geschehen ist.
Herr Kollege Eschmann, ich glaube, Herr v o n Stülpnage 1, von dem Sie ein Schreiben zitie-
*) Siehe Anlage 5.
({0})
ren, das ich nicht kenne, wäre gar nicht sehr erfreut, zu sehen, was dieses Schreiben für eine Reaktion bei Ihnen ausgelöst hat. Sie zitieren ihn für Ihren Standpunkt, nämlich für diese Änderungsanträge, obwohl er offensichtlich etwas ganz anderes gewollt hat, nämlich eine Ermunterung dieses Hauses, möglichst viel zugunsten derjenigen Bundesgrenzschutzbeamten zu tun, die in die Bundeswehr übertreten. Sie haben das Schreiben verwendet, um eine gegenteilige Argumentation daran anzuschließen.
Aber da es möglich wäre, daß die Gedanken, die Sie geäußert haben, falsch aufgefaßt werden könnten, möchte ich trotzdem folgendes sagen. Der Wegfall der ärztlichen Versorgung, den Sie behandelt haben, trifft insoweit nicht zu, als das Bundesbesoldungsgesetz, das Ihnen ja vorliegt, eine für alle geltende umfassende Regelung vorsieht, die, so oder so, selbstverständlich auch für den Bundesgrenzschutz gelten wird.
Was die Frage angeht, ob genügend Beförderungsstellen bei der Bundeswehr geschaffen werden, so haben Sie es selbst in der Hand, Herr Kollege Eschmann, bei dem auf Sie zukommenden fünften Nachtrag dafür zu sorgen, daß der Ansatz, mit dem der Bundesgrenzschutz ausgestattet werden soll - auch, wie ich glaube, nach Ihrem Willen, weil Sie sich so fürsorglich dafür ausgesprochen haben -, reichlich dotiert wird.
Herr Kollege Eschmann, Sie leiden noch etwas an den Erfahrungen, die Sie, glaube ich, selbst im Jahre 1935, also vor 21 Jahren, gesammelt haben. Damit Sie aber sehen, daß wir darauf Rücksicht nehmen, möchte ich Ihnen folgendes sagen. Wir 1 haben ein ausgedehntes Merkblatt entworfen, auf dem das Vorher und das Nachher, die Vorteile und die Nachteile mit einem Maß von Objektivität dargestellt werden, daß wir, glaube ich, wirklich gegen jeden Vorwurf gefeit sein sollten, Dinge zu tun, wie sie vielleicht vor 20 Jahren üblich gewesen sein mögen.
Nun komme ich zu den Punkten, in denen ich leider mit den Kollegen Berendsen und Jaeger nicht übereinstimmen kann. Ich beneide - wenn ich das in Parenthese sagen darf - den nicht anwesenden Kollegen Blank etwas um diese Vorkämpfer, die er in den beiden Herren hat. Aber lassen Sie mich trotzdem folgendes sagen; ich greife damit zum Teil das auf, was der Kollege Huth schon gesagt hat. Die Aktion, die hier mit Ihrer eigenen Zustimmung - das möchte ich an die Adresse dieser Kollegen sagen - durchgeführt wird, ist ja etwas, was sich nur dann richtig auswirken und was nur dann einem wirklich guten Ende und Ziel dienen kann, wenn sie sich sehr harmonisch abspielt. Das setzt Harmonie auf seiten derjenigen voraus, die die Nächstbetroffenen sind, auf seiten des Aufnehmenden und auf seiten des Abgebenden. Darin, was den Appell an die Harmonie angeht, werden mir die Kollegen, wie ich hoffe, zustimmen. Es handelt sich hier ja nicht - und das ist ein Punkt, den ich sehr ernst nehme; ich komme gleich noch einmal darauf zurück - um irgendwelche Menschen, die wir nicht kennten, die wir neu an uns heranzögen, die sich zehn Jahre lang irgendeiner anderen Profession hingegeben hätten, sondern hier handelt es sich um Menschen, die jetzt einen verwandten Dienst machen, wie sie ihn auch früher schon gemacht haben. Es sind darüber hinaus Menschen, die - jedenfalls in den höheren Stufen - in ihr Beamtenverhältnis ohne Zweifel mit Urkunden berufen worden sind, die der Herr Bundespräsident unterzeichnet hat. Ich glaube, das Hohe Haus wird sicherlich der Meinung sein, daß wir verpflichtet sind, unsere Unterschriften, die ebenfalls dazugehören, tatsächlich zu honorieren. Deswegen dient es gerade der Harmonie, wenn Sie die im Gesetz vorgesehene Harmonie mit dem Bundesminister des Innern nicht zerstören, sondern an ihr festhalten.
Herr Kollege Jaeger hat ja ausgeführt, daß nach seinen Informationen auf seiten des Aufnehmenden, ich weiß nicht genau, ich glaube Sie haben gesagt, Herr Kollege Jaeger: nur wenige Fälle in Betracht kommen könnten. Das mag wohl sein; ich weiß nicht, was für Vorstellungen bestehen. Ich weiß nur, was das ist, was wir abgeben, und mit welchen Augen wir das betrachten und aus der tieferen Betrachtung der Dinge mit Recht glauben betrachten zu können. Deswegen ist es sicher kein unbilliges Verlangen, daß gegenüber diesen Menschen, um die es sich hier handelt und die j a keine Außenstehenden sind, auf dem Einvernehmen bestanden wird. Ich freue mich, daß der federführende Ausschuß dieser Argumentation gefolgt ist. Sie können ganz sicher sein, daß, wenn hier irgendwelche Fälle sein sollten, die aus der Perspektive aller gutwilligen und sachkundigen Betrachter zu Bedenken Anlaß geben, der Bundesminister des Innern schon in seiner Eigenschaft als Beamtenminister der erste sein würde und müßte, der sich einer sorgfältigen Prüfung gerade dieser Fälle widmen würde, sicherlich mit dem Ergebnis, daß das Einvernehmen leicht herzustellen wäre.
Nun darf ich mich dem Kollegen Berendsen zuwenden, der dahin Besorgnisse geäußert hat, ob der Personalgutachterausschuß die Akten lange genug haben wird. Meine Damen und Herren, damit man einmal sieht, wie die Harmonie von unserer Seite aus betrieben wird, darf ich Ihnen folgendes sagen. Wir haben hier in einer Weise vorgeleistet, die zeigt, daß wir einen gewissen Anspruch auf harmonische Behandlung auch von der andern Seite haben.
({1})
- Herr Kollege Mellies, ich bin schon bei einem anderen Punkt; ich habe die Sache mit dem Einvernehmen bereits verlassen.
Aber Sie argumentieren sehr musikalisch, Herr Minister.
Ich folge gern dem Herrn Präsidenten, auch im zweiten Punkt harmonisch zu sein. Aber es liegt mir daran, klarzustellen, daß ich jetzt zu Punkt 2 spreche, und da, Herr Kollege Mellies, ist die Frage, ob es notwendig ist, eine Erweiterung der Fristen vorzunehmen. Ich werde jetzt beweisen, daß es nicht notwendig ist, indem ich Ihnen die Daten bekanntgebe.
Es handelt sich insgesamt um 42 Personen. Davon sind bereits am 13. März, also vor rund zwei Monaten, 14 Akten der Kommandeure und Obersten zum Ausschuß gegeben worden. Die sind also schon zwei Monate da. Am 24. März sind neun weitere Akten von Oberstleutnanten, die Oberste in der Wehrmacht waren, ebenfalls dorthin gegangen, am 24. April neun Akten, die sich ebenfalls darauf bezogen, und schließlich sind am 7. Mai zehn Akten
({0})
von Oberstleutnanten und Majoren im Bundesgrenzschutz, die nach den Richtlinien des Bundesverteidigungsministers als Oberste in Betracht kommen, dorthin gegeben worden.
Das heißt also, wenn ich jetzt einmal unterstelle, daß wir einen flotten Durchgang dieses Gesetzes in diesem Hause und im Bundesrat haben werden, daß alle Fristen, die Sie hier vorsehen könnten, bereits längst erfüllt sind, wenn das Gesetz im Bundesgesetzblatt erscheint. Ich glaube, mindestens meine politischen Freunde sollten sich davon befriedigt erklären, daß hier eine Vorleistung vorliegt, die sicherlich zeigt, in welchem Geist und in welcher Haltung wir gewillt sind, dieses Gesetz zu einem vollen Erfolg werden zu lassen.
Ich darf damit schließen, daß ich bitte, nicht nur die Änderungsanträge der Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion, sondern auch die beiden andern Änderungsanträge abzulehnen.
({1})
Ich habe den Eindruck, daß das Hohe Haus heute besonders musisch gestimmt ist.
({0})
Es wird im wesentlichen mit dem Begriff der Harmonie und mit ähnlichen musikalischen Gleichnissen argumentiert. Mit der Harmonie ist es so eine Sache: auf dem Notenblatt kann alles sehr harmonisch gruppiert sein, aber die Noten müssen auch richtig gespielt werden.
({1})
Das scheint mir das Problem zu sein.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Huth.
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- Er verzichtet. Dann der Abgeordnete Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf an Worte des Herrn Präsidenten anknüpfen, daß es auf die Harmonie auch beim Zusammenspiel ankommt. Mir scheint, daß daher die Überleitung des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr, die auch wir, die Fraktion der Freien Demokraten, begrüßen, nur funktionieren wird, wenn hier eine Zusammenarbeit der beiden Ressorts so gestaltet wird, daß der Bundesinnenminister die Möglichkeit hat, wie bisher auch für den nächsten Zeitraum seiner Treueverpflichtung gegenüber den Angehörigen des Bundesgrenzschutzes nachzukommen. Wir sind daher der Meinung, daß es in § 2 Abs. 3 bei der Fassung verbleiben sollte, die der Ausschuß für innere Verwaltung erarbeitet hat, daß also die Worte „im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern" nicht gestrichen werden sollten.
Wir wissen ja aus der bisherigen Vorarbeit, wie stark der Bundesgrenzschutz bereits in die Aufstellung der ersten Einheiten der Bundeswehr eingeschaltet war. Ich erinnere daran, daß für die Untersuchungen, da eigene Ärzte nicht zur Verfügung standen, Bundesgrenzschutzärzte herangezogen wurden, daß zum Fahren von Kettenfahrzeugen Bundesgrenzschutzmänner herbeigezogen werden mußten, weil eigene Spezialisten der Bundeswehr noch nicht verfügbar waren, und als die ersten schweren Geräte abgeladen werden mußten, nahm man die Hilfe des Bundesgrenzschutzes bei der Herstellung und Heranschaffung von großen
Verladerampen in Anspruch. Der Bundesverteidigungsminister selbst hat einmal im Ausschuß für Verteidigung die große Hilfe hervorgehoben, die ihm bisher bei den Aufstellungsarbeiten durch den Bundesgrenzschutz zuteil geworden ist. Wenn dem aber so ist, muß sichergestellt werden, daß auch bei dem kommenden Prozeß der Bundesinnenminister durch Belassung der Worte „im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern" die Möglichkeit hat, einzugreifen, um die reibungslose Zusammenarbeit zweier Ressorts auch von seinem Ressort aus gewährleisten zu können.
Das Problem der Treue von unten nach oben wird ja oft strapaziert. Von oben nach unten wird es nicht genügend beachtet. Wir glauben, daß der Bundesinnenminister verpflichtet ist, sich aus seiner fünfjährigen Treueverpflichtung gegenüber seinen Bundesgrenzschutzangehörigen bei der Übernahme darum zu bemühen, den Ansprüchen gerecht zu werden, die seine Bundesgrenzschutzmänner aus ihrer fünfjährigen Dienstzeit auch ihm gegenüber stellen können. Um eines guten Überleitungsprozesses zwischen zwei Ressorts willen bitten wir daher nachdrücklich, diesen Absatz nicht zu streichen, sondern ihn zu belassen.
Im übrigen ist das Zur-Verantwortung-Ziehen, Herr Kollege Jaeger, ohnehin problematisch. Sie sprachen von der klareren Trennung der Verantwortlichkeiten. Wir müssen wissen, an wen wir uns möglicherweise in ein oder zwei Jahren zu halten haben. Da die unmittelbare Verantwortlichkeit eines Ressortministers gegenüber dem Parlament nicht gegeben ist, müssen wir uns ohnehin bei unserer parlamentarischen Kontrolle immer an den Regierungschef bzw. an die Bundesregierung wenden. Insofern ist die Trennung der Verantwortlichkeiten kein Grund, diesen Absatz zu streichen.
Wir waren ursprünglich dafür, die vom Abgeordneten Berendsen beantragte Änderung der Frist - Umdruck 581 Ziffer 2 - zu bejahen. Nachdem aber der Herr Bundesinnenminister hier bereits sehr klar einen Terminkalender bekanntgegeben hat, glauben wir, daß auch diese Änderung nicht vonnöten ist, sondern im Gegenteil bezüglich der Einreichung der Personalakten bisher mehr geschehen ist, als wir selbst geglaubt haben.
Wir stimmen daher auch dem Antrag des Abgeordneten Berendsen nicht zu. Im übrigen lehnen wir die Anträge der Fraktion der Sozialdemokraten genauso wie in den Ausschüssen ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge, die wir hier mit Umdruck 581 vorgelegt haben, sind nicht irgendwie privat gemacht, sondern die Wiederherstellung der Fassung, die der Verteidigungsausschuß beschlossen hat. Er hat sie einstimmig beschlossen. Wenn Herr Kollege Dr. Mende jetzt anderer Meinung ist, so weiß ich nicht, ob er damals zugestimmt oder in jener Sitzung gerade gefehlt hat. Das kann ich im Augenblick nicht feststellen.
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Sie brauchen nicht zu befürchten, daß ich die Diskussion vom Freitag fortsetze. Ich habe auch nicht die Absicht, die Diskussion fortzusetzen, die wir bei der Verfassungsergänzung um die Ministerver({1})
antwortlichkeit geführt haben. Daß die Minister diesem Hohen Hause verantwortlich sind, ist staatsrechtlich und politisch völlig klar, auch wenn die Geltendmachung der Verantwortung durch Mißtrauensvotum nicht so weit geht wie einst in der Weimarer Republik und wie vielleicht in einigen deutschen Ländern. Aber die Verantwortung besteht; sie kann von uns durch Kleine und Große Anfragen und nicht zuletzt im Rahmen des Haushaltsrechts und außerdem noch im Rahmen der dem Verteidigungsausschuß verliehenen Untersuchungsrechte jederzeit geltend gemacht werden.
Ich möchte Herrn Kollegen Huth sagen: es geht nicht um eine Frage des Ressorts, darum, ob das Verteidigungsministerium oder das Innenministerium zuständig ist, wenn ein Grenzschutzbeamter abgelehnt werden sollte-ich betone das „sollte" -; es geht nur darum, daß einer die volle Verantwortung hat. Ich glaube, es kann nur der Verteidigungsminister sein, da zu ihm der Grenzschutz übergeführt wird. Das hat nur mit dieser Zuständigkeit, nicht mit der Person des Herrn Blank oder des Herrn Schröder etwas zu tun. Ich hätte nichts dagegen, wenn Herr Dr. Schrader diese Vollmacht hätte, wenn er nach dem Grundsatz des alten Roms „exercitus facit imperatorem" - das Heer schafft den Kaiser - seinen Grenzschutzleuten in das Bundesverteidigungsministerium voranmarschierte. Ich nehme aber an, daß es nicht seine Absicht ist.
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Es geht hier nicht nur um die Person, es geht hier um den Mann, der nun in diesem Hohen Hause für die Aufstellung der Bundeswehr verantwortlich ist, und das ist nur der Bundesminister für Verteidigung. Bei der so oft beschworenen Harmonie zweifle ich nicht, daß sich die Sache dann harmonisch, aber in Freiheit und auf klarer Rechtsgrundlage entwickeln wird. Ich bitte Sie deshalb noch einmal, die Worte „im Einvernehmen ..." zu streichen.
Was nun aber den Antrag angeht, den mein Freund Berendsen hier begründet hat, der die Frist für die Vorlage beim Personalgutachterausschuß betrifft, so heißt es bisher „binnen eines Monats nach Inkrafttreten des Gesetzes". Wir möchten, daß es im Sinne der Beschlüsse des Verteidigungsausschusses heißt „jedoch frühestens binnen eines Monats nach Vorlage seiner Personalakten". Der Herr Minister erklärt uns, er habe die Akten - ich glaube, wenn ich recht gezählt habe, alle Akten - bereits zugeleitet. Ich zweifle weder an einem Ministerwort noch etwa an den Worten meines Parteifreundes Dr. Schrader. Aber ich frage mich, Herr Bundesinnenminister, wenn Sie bereits alle Akten zugeleitet haben, so daß diese Vierwochenfrist nach Zuleitung der Akten sogar noch kürzer wäre als die Vierwochenfrist nach Inkrafttreten des Gesetzes: Warum sperren Sie sich eigentlich gegen die Annahme dieser Bestimmung, die wir nur um der Klarheit willen und auch deswegen haben wollen, weil vielleicht nachträglich bei Ihnen noch der Entschluß reifen könnte, einen einzelnen Oberstleutnant als Oberst vorzuschlagen? Auch darum möchten wir klare Verhältnisse haben.
Ich bleibe also dabei, meine Damen und Herren, um die Ablehnung der Anträge auf Umdruck 602 und um Zustimmung zum Antrag Umdruck 581 zu bitten.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine schulmeisterliche
Bemerkung. In Abs. 3 Ziffer 1 sollte es wohl heißen „binnen einem Monat nach Inkrafttreten" und nicht „binnen eines Monats".
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„Binnen" regiert den Dativ und nicht den Genitiv. So habe ich es gelernt.
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Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es nicht ganz leicht gegenüber dem Kollegen Jaeger, weil er mir gerade Angebote gemacht hat, die weit über das hinausgehen, was ich im Augenblick geneigt sein könnte zu akzeptieren.
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Aber ich möchte doch folgendes sagen. Zunächst eine Aufklärung an ihn. Er hat gefragt, warum ich darum bitte, daß sein Änderungsantrag unter Ziffer 2 abgelehnt wird, obwohl nach dem, was ich vorgetragen habe, diese Frist längst erfüllt ist. Ich möchte Ihnen das ganz offen beantworten, Herr Kollege Jaeger.
Erstens sind tatsächlich alle nach unserer Meinung überhaupt in Betracht kommenden Akten, dar- unter sogar von Majoren des Bundesgrenzschutzes, tatsächlich hingegeben worden. Zweitens lege ich, gerade weil ich Ihre vielleicht sonst begründeten Bedenken damit völlig ausgeräumt weiß, großen Wert darauf, daß dasselbe sozusagen für die Spitzen gilt, was für den Unterbau gilt, nämlich daß binnen diesem Monat groß und klein gleichbehandelt werden. Sie werden, glaube ich, zugeben, daß auch aus dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Haltung eines großen Verbandes und großer Verbände darin etwas sehr Wesentliches liegt.
Was nun den zweiten Punkt angeht, so stimme ich Ihren Ausführungen zur Frage der Ministerverantwortlichkeit voll zu. Aber diese Ministerverantwortlichkeit bleibt so und so ganz eindeutig, auch wenn, worum ich gebeten habe, hier steht „im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern". Gäbe es einen Fall, was niemand von uns annimmt, bei dem das akut werden könnte, gäbe es eine volle öffentliche Erörterung und damit eine volle Klarstellung der Verantwortlichkeit.
Vizepräsdent Dr. Schmid: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, eben bin ich unterrichtet worden, daß unser hurtiges Büro in der Zwischenzeit im Duden nachgeschlagen hat. Danach regiert „binnen" in der Tat den Dativ; es kann aber auch mit dem Genitiv verbunden werden.
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Ich schlage Ihnen vor, es beim Dativ zu belassen. Er ist zwar weniger klangvoll als der Genitiv; aber ich glaube, es ist logischer, ein Wort, das ein ImInnern-von-etwas-Sein bezeichnet, mit dem Dativ zu verbinden statt mit dem Genitiv, der doch mehr ein Außenverhältnis zur Sache ausdrückt.
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Wir kommen zur Abstimmung. Ich schlage Ihnen folgenden Abstimmungsmodus vor. Zunächst stim- men wir über die Änderungsanträge auf Umdruck
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1 602 Ziffern 2 und 3 ab. Falls diese Anträge abgelehnt werden sollten, stimmen wir über den Eventualantrag unter Ziffer 4 ab. Je nach dem Ergebnis dieser Abstimmung stimmen wir dann ab über die Anträge auf Umdruck 581 Ziffern 1 und 2, und zwar getrennt. Das Haus ist einverstanden?
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Zunächst stimmen wir also ab über den Änderungsantrag auf Umdruck 602*) Ziffer 2. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag auf Umdruck 602 Ziffer 3. Wer diesem Antrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über den Eventualantrag unter Ziffer 4 des Umdrucks 602. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Wir gehen nunmehr über zum Umdruck 581**), zunächst zur Ziffer 1. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ziffer 2. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge das Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer dem Antrag zustimmen will, der möge sich erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nunmehr ab über den § 2 in der geänderten Fassung. Wer der Bestimmung zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf § 3. Wer dieser Bestimmung zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Das ist die Mehrheit; der § 3 ist angenommen.
Zu § 4 liegt ein Änderungsantrag vor. Sie finden ihn auf Umdruck 602 Ziffer 5. - Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Eschmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um die Zeit noch mehr abzukürzen, darf ich mir gestatten, den Ihnen vorgelegten Entschließungsantrag jetzt gleich bei § 4 mit zu behandeln und ihn zu begründen. Er liegt Ihnen vor. Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, ihn hier im Wortlaut zu verlesen.
Wenn dem Antrag auf Streichung des § 4 zugestimmt würde, würde das praktisch die Auflösung und das Nichtweiterbestehen des Grenzschutzes bedeuten. Schon in der ersten Lesung zu diesem Gesetz haben wir zum Ausdruck gebracht, daß wir der Meinung sind, daß, wenn gegen unseren Willen die Überführung des Grenzschutzes in die Streitkräfte erfolgt, der Grenzschutz aufgelöst werden sollte.
Ich darf zu dieser Auffassung, zu der wir auch heute noch stehen, einige Erklärungen geben. Mit dem Ablauf der Monatsfrist und nach Inkrafttreten
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 5.
dieses Gesetzes tritt durch die Überführung der Grenzschutzverbände in die Bundeswehr ein Vakuum in der polizeilichen Sicherung der Bundesgrenzen ein. Dieses Vakuum brauchte aber nicht zu sein, wenn die Bundesregierung beispielsweise bereit wäre, unverzüglich ein Abkommen zur Auftragsübernahme durch die Bereitschaftspolizeien der Länder zu treffen. Es ist praktisch jetzt schon so, daß die Bundesregierung gemäß dem Verwaltungsabkommen vom 27. Oktober 1950, das zwischen Bund und Ländern besteht, sogleich 1800 Bereitschaftspolizisten in von ihr zu bestimmende Standorte abordnen und sie damit auch ihren Weisungen unterstellen kann.
Außerdem sind nach diesem Verwaltungsabkommen die Länder verpflichtet, ein Viertel der jeweiligen Gesamtstärken ihrer Bereitschaftspolizeien in erhöhter Bereitschaft zu halten. Ein vorläufiges Abkommen mit den Ländern könnte diese Bereitschaftsverpflichtung auf die Hälfte der Gesamtstärke, also rund 5000 Bereitschaftspolizisten, erhöhen. Es scheint so, daß hierfür auch eine Bereitwilligkeit bei den Ländern vorliegt.
Es geht nach unserer Auffassung nicht gut an, daß die polizeilichen Sicherungsaufgaben von der Bundeswehr übernommen werden. Ich beziehe mich hier auf die Mehrheit der Sprecher dieses Hohen Hauses, einschließlich des Herrn Bundesinnenministers, in der ersten Lesung dieses Gesetzes. Diese Herren waren damals doch der Meinung, daß für die Übergangszeit bis zur Wiederauffüllung des Bundesgrenzschutzes die polizeiliche Sicherung der Bundesgrenzen wegen der notwendigen Unabhängigkeit von NATO-Bindungen durch die Bundeswehr nicht möglich sei. Die Bundeswehr ist aber NATO-gebunden. Welche anderen Möglichkeiten bestehen dann, um das Vakuum, das entsteht, oder die „Durststrecke", wie sie einmal in einer Beratung genannt wurde, zu überwinden? In der Vergangenheit ist der Bundesgrenzschutz zu wirklich echten polizeilichen Aufgaben doch eigentlich nur in geringem Umfange und meistens nur hilfsweise zur Unterstützung der Länderpolizeien herangezogen worden. Auf der anderen Seite ist aber die Bewaffnung und Ausrüstung einschließlich der Motorisierung der Bereitschaftspolizeien so gut, daß sie ohne weiteres in der Lage sind, diese Aufgaben, wenn so verfahren würde, zu übernehmen.
Ich bin nun nicht der Meinung des Herrn Innenministers, daß eine Wiederauffüllung des Grenzschutzes binnen einem Jahre erfolgen könnte. Bei der guten wirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik
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und der dadurch bedingten Personallage wird die Wiederauffüllung mindestens zwei bis drei Jahre erfordern. Bei einer Ausbildungszeit von eineinhalb bis zwei Jahren sind aber die Formationen erst in fünf Jahren einsatzbereit. Ich glaube, daß man diese Tatsache dabei nicht übersehen sollte.
Gestatten Sie mir in diesen Schlußbemerkungen noch ein paar Worte zu der Besoldung der Polizei im allgemeinen. Aus meiner eigenen Schutz- und Landespolizeizeit weiß ich, daß die Polizei noch nie zum besten bezahlt worden ist. Wenn, wie es in den Beratungen des öfteren hieß, der Eintritt in den Grenzschutz in Zukunft attraktiver gestaltet werden soll und damit u. a. auch an eine Erhöhung
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der Gehälter gedacht ist, wird, falls man den Grenzschutz besonders heraushebt, ein Besoldungsgefälle gegenüber den Länder- und Gemeindepolizeien entstehen. Damit zeichnen sich Schwierigkeiten gerade bei jungen Menschen in bezug auf die Eintrittsbereitschaft ab, die ich bei dieser Gelegenheit nur kurz andeuten kann. Man sollte aber daran denken - und darum möchte ich die verehrten Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses, die bei den Besoldungsberatungen mit tätig sind, bitten -, sich der Anliegen auf diesem Gebiet, besonders der unteren und mittleren Polizeibeamten, anzunehmen.
Zum Abschluß noch einige Bemerkungen zu den allgemeinen Kosten, die dem deutschen Bundesbürger zugemutet werden, wenn diesem Gesetz zugestimmt wird. Daß ihm zugestimmt werden wird, darüber habe ich keinen Zweifel; das war bei anderen Gesetzen, die in der Folge der Pariser Verträge geschaffen wurden - und auch das vorliegende Gesetz ist zumindest als ein solches Folgegesetz gemeint -, immer der Fall. Aus Steuer- mitteln muß der Bundesbürger in Zukunft aufbringen: erstens die Kosten für die neue Bundeswehr, zweitens die Kosten für den Bundesgrenzschutz, der nach Ihrem Willen als Institution erhalten und wieder aufgefüllt werden soll, drittens die Kasten für die Bereitschaftspolizei und viertens die Kosten für die staatliche bzw. kommunale Polizei. Das ist ohne Zweifel eine sehr erhebliche Belastung.
Ich möchte Sie bitten, sich unserer Argumentation anzuschließen und unserem Antrage zuzustimmen einschließlich des Entschließungsantrages, den wir vorgelegt haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß meinem Herrn Vorredner leider widersprechen. Der Bundesgrenzschutz ist eine in diesem Hause vor fünf Jahren beschlossene Bundesinstitution. Er ist von 10 000 auf 20 000 Mann verstärkt worden gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion und trotz der Bedenken der CDU-Fraktion dieses Hauses. Wenn wir dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion stattgeben, wird dieses Kind der Bundesexekutive liquidiert. Mir scheint, es ist nicht gut, den ohnehin nicht sehr starken Bund zugunsten der Länder noch weiter zu schwächen. Uns erscheint es vielmehr wichtiger - gerade aus dem Bekenntnis zum dezentralisierten Einheitsstaat und aus unserer Ablehnung eines überspitzten Föderalismus -, nunmehr das zu versuchen, was leider damals, noch unter überspitzten föderalistischen Vorstellungen, nicht gelungen ist, nämlich die Länderbereitschaftspolizeien zur Auffüllung des Bundesgrenzschutzes möglicherweise heranzuziehen. Es kann doch vom Standpunkt einer schlagkräftigen Sicherung unserer innerstaatlichen Ordnung nur wünschbar sein, ein zentrales Instrument zu haben.
Auch wir teilen die Bedenken in bezug auf die Möglichkeiten der Wiederauffüllung des Bundesgrenzschutzes. Herr Kollege Eschmann, Sie haben recht, es wird bei der derzeitigen Konjunktur in der Volkswirtschaft der Bundesrepublik schwer sein, den genügenden Nachwuchs zur Wiederauffüllung des Bundesgrenzschutzes zu finden.
Aus diesem Grunde sollte man versuchen, den Länderbereitschaftspolizeien die Möglichkeit zu geben, in die Institution des Bundesgrenzschutzes überzuwechseln, sei es korporativ - durch ein Abkommen mit den Ländern -, sei es individuell, d. h. indem man den Bereitschaftspolizisten den Weg zum besser besoldeten Bundesgrenzschutz eröffnet.
Der Bundesgrenzschutz kostet den Bund 200 Millionen DM. Es dient der Entlastung der Länder, wenn wir ihnen anheimstellen, ihre Länderbereitschaftspolizei aus ihrem Etat zu entlassen und sie dem Bund zu unterstellen, mit der Möglichkeit also einer Ersparnis von einigen hundert Millionen.
Wir lehnen aus politischen, aber auch aus staatsrechtlichen Gründen den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion ab und bitten, auch wegen der besonderen innerpolitischen und rechtlichen Lage der Bundesrepublik Deutschland, die Institution des Bundesgrenzschutzes unter allen Umständen zu erhalten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Engell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Annahme der vorliegenden Gesetzesvorlage wird der Bundesgrenzschutz mehr oder weniger nicht mehr existent sein. Er wird in die Bundeswehr überführt. Wir sollten uns doch keine Illusionen darüber machen, ob es möglich ist, ihn in kurzer Frist wieder aufzufüllen. Es ist müßig, darüber zu reden, was man ursprünglich vorgehabt, was man bei der Errichtung des Bundesgrenzschutzes geplant hat. Wir leben in einer sehr schnellebigen Zeit, in der die Entwicklung große Veränderungen bringt. Im Zuge dieser Veränderungen, die wir doch schon vor uns sehen, scheint mir für einen neuen Bundesgrenzschutz eigentlich kein Platz mehr zu sein. Wir werden die Polizei, die Bundeswehr und daneben die Heimatwehr haben, über die wir bisher leider noch nicht genug gehört haben, um uns eine Vorstellung machen zu können, in welcher Form sie aufgebaut werden soll. Aber im ganzen kann man doch wohl sagen, daß die Wiedererrichtung des Bundesgrenzschutzes praktisch nicht mehr möglich ist und vielleicht auch in den zwangsläufig veränderten Rahmen gar nicht mehr hineinpaßt, der hier aufzubauen ist.
Wir sind daher der Meinung, daß man den § 4 streichen sollte, und schließen uns diesem Antrag an. Wir werden auch der Entschließung der sozialdemokratischen Fraktion zustimmen.
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Weitere Wortmeldungen? - Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, sowohl den Streichungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion zu § 4 wie ihren Entschließungsantrag abzulehnen.
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Ich bedaure sehr, daß das Hohe Haus bei der Erörterung eines so wichtigen Punktes unserer Sicherheit nicht so vollständig besetzt ist, wie es wünschenswert wäre. Es handelt sich hier in der Tat um eine außerordentlich ernste Frage. Ich war etwas erschüttert, als ich diesen Entschließungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion sah, mit wie leichter Hand hier eines der derzeit wesentlichsten Sicherheitsinstrumente des Bundes und eine seiner wesentlichen Sicherheitsvorkehrungen kurzerhand zerstört werden soll.
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Ich darf mich zunächst einmal mit dem auseinandersetzen, was Herr Kollege Es c h m a n n vorgetragen hat. Was Herr Kollege Eschmann gesagt hat, ist sehr widerspruchsvoll. Er hat gesagt, beim Bundesgrenzschutz seien schlechtere Bedingungen als bei der Bundeswehr gegeben. Der Bundesgrenzschutz müsse also besser gestellt werden. Er hat weiter gesagt, es sei zu befürchten, daß wenn der Bundesgrenzschutz erhalten bleibe, die Bereitschaftspolizeien der Länder verkümmerten, weil der Bundesgrenzschutz besser bezahlt werde. Herr Kollege Eschmann, ich bin leider nicht in der Lage, die Logik solcher Ausführungen einzusehen.
Nun darf ich mich aber mit dem ernstesten Punkt befassen, und das ist die Frage, ob hier tatsächlich kurzerhand auf etwas verzichtet werden kann, was derzeit als Institution vorhanden ist. Es ist die Frage: gelingt es uns und wie gelingt es am besten, dieses von Ihnen so genannte Vakuum an der Bundesgrenze zu beseitigen? Herr Kollege Eschmann, ich bin der Überzeugung, daß die Vorschläge, die Sie gemacht haben, in der Konsequenz unzulänglich sind. Soweit Sie ausgeführt haben, daß selbstverständlich in diesem Übergangsstadium die bisherige Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiete der Bereitschaftspolizei in Richtung einer Erhöhung der Quoten in den Abkommen verstärkt werden soll, stimme ich Ihnen voll zu. Das ist ein sinnvoller Vorschlag, den ich im übrigen schon mit dem derzeitigen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz der Länder in einem positiven Sinne erörtert habe. Aber es wäre falsch, jetzt die umgekehrte Konsequenz zu ziehen und zu sagen: die Sicherung einer so langen Grenze, wie wir sie haben, wird am besten dadurch wahrgenommen, daß die Sicherungsaufgaben auf verschiedene Stellen aufgeteilt werden. Denn darauf läuft der Antrag hinaus, den Bundesgrenzschutz als Institution zu beseitigen und die Länder mit seinen Aufgaben zu betrauen.
Ich glaube also, daß Sie, gerade wenn Sie Ihre Argumentation mit ihrem nach meiner Meinung berechtigten Kern fortführen wollten, eigentlich nur dazu kommen könnten, sich für eine ganz verstärkte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in diesem Übergangsstadium bei der Sicherung der Grenze einzusetzen. Das wäre ein positiver Vorschlag, aber nicht der Gedanke, den Bundesgrenzschutz als Institution zu beseitigen. Ich bin der Überzeugung, daß die Wiederauffüllung nötig ist, daß sie möglich ist und daß wir die Chance haben, sie in angemessener Zeit vorzunehmen, wenn die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen beschlossen werden, die wir anläßlich der Einbringung des Wehrpflichtgesetzes - Sie kennen das ja im einzelnen - erörtert haben.
Nun darf ich auf eins hinweisen; das ist der wirklich entscheidende Gesichtspunkt. Wenn wir den Vorschlägen, die Sie gemacht haben, folgen wollten, würde das eins völlig außer acht lassen, nämlich den Blick auf das gerichtet zu halten, was in der Tat derzeit unsere größte Sorge ist, den Blick auf die Sowjetzone gerichtet zu halten. Herr Kollege Eschmann, Sie sollten sich nur etwas damit beschäftigen, wie man dort sehr sorgfältig unterscheidet zwischen Verbänden, die - jetzt auch offiziell - Wehrmachtscharakter haben, und jenen besonderen kasernierten Verbänden zur Wahrnehmung der Grenzsicherheit. Davon könnten wir, wie ich befürchte, tatsächlich manches lernen. Ich hoffe, das Hohe Haus wird sich, ohne daß ich die Zeit hier mit detaillierteren Ausführungen darüber länger in Anspruch nehmen möchte, doch der Verpflichtung bewußt sein, daß wir im Maß unserer Sicherheit gegenüber der Sowjetzone nicht noch weiter zurückfallen dürfen, als das bisher bereits geschehen ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren, der Herr Minister hat davon gesprochen, daß er erschüttert sei, mit welch leichter Hand durch unsere Anträge über schwierige Probleme hinweggegangen würde. Nun, Herr Minister, wir hätten gewünscht, daß Sie die große Verantwortung in dem Augenblick gesehen hätten, als es darum ging, den Bundesgrenzschutz in die Streitkräfte zu überführen.
({0})
Ich habe Ihnen damals im Ausschuß gesagt - Sie werden sich erinnern -: Mit diesem Beschluß des Bundeskabinetts haben Sie praktisch den Bundesgrenzschutz begraben.
({1})
Wenn darüber geklagt werden muß, daß hier eine unangenehme Situation entsteht, dann, glaube ich, sollten Sie in erster Linie die Verantwortung fühlen, die Sie dabei zu tragen haben, und nicht darüber reden, daß andere mit leichter Hand über die Dinge hinweggehen. Wir werden ja sehen, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Aber auch bei Ihnen werden wahrscheinlich klare Vorstellungen darüber vorhanden sein, daß es in der gegenwärtigen Situation gar nicht möglich ist, den Grenzschutz innerhalb eines Jahres wiederaufzubauen.
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Wenn Sie den Grenzschutz für so wichtig ansehen, wie Sie das hier dargelegt haben, war es doch unverantwortlich, daß Sie im Bundeskabinett mit den Vorschlag gemacht haben, den Bundesgrenzschutz zu beseitigen.
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Sie haben von der unzulänglichen Lösung gesprochen, die wir vorgenommen haben. Ich will mich jetzt nicht darüber verbreiten, welches Mißtrauen gegen die Bereitschaftspolizei der Länder darin offenbar zum Ausdruck kommt.
({4})
Jedenfalls, Herr Minister, glauben wir, daß gerade
angesichts der Gefahren, auf die Sie hingewiesen
haben, die von uns vorgeschlagene Lösung im In({5})
teresse Gesamtdeutschlands besser ist als das, was Sie inzwischen offenbar schon abgemacht oder vorbereitet haben. Über diese Dinge werden wir uns ja gelegentlich auch noch einmal unterhalten. Wenn Sie von Anfang an die Dinge so sorgenvoll betrachtet hätten, dann hätten Sie sich als Innenminister, als der für den Bundesgrenzschutz verantwortliche Minister in der schärfsten Weise dem widersetzen müssen, daß die Überführung in die Streitkräfte vorgenommen wird.
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Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mellies hat behauptet, wir hätten den Bundesgrenzschutz begraben und es sei gerade meine Aufgabe gewesen, mich der Gesetzesvorlage zu widersetzen. Ich darf an das anknüpfen, was ich hier bei bei der ersten Beratung ausgeführt habe. Ich selbst bin es gewesen, der im Interesse eines beschleunigten Aufbaus der Bundeswehr, die ich als die Priorität Nr. 1 der deutschen Politik ansehe,
({0})
diese Lösung für richtig gehalten hat. - Ich höre das Stichwort „Sozialpolitik". Es ist ja gestern, wie ich glaube, in sehr überzeugender Weise vom Herrn Kollegen Vogel dargestellt worden, daß für uns Wehr- und Sozialpolitik ein zusammengehöriges Ganzes sind.
({1})
Es wäre völlig falsch, wenn man uns irgend etwas anderes unterstellen wollte. Ich darf nochmals an das erinnern, was ich dazu in der ersten Beratung ausgeführt habe. Aber, Herr Kollege Mellies, wenn das Priorität Nr. 1 ist und wenn Priorität Nr. 2 auf jeden Fall die Sicherheit der Grenzen ist, die natürlich auch wieder in einer gewissen Verbindung mit Priorität Nr. 1 steht - das brauche ich hier ja nicht des näheren auszuführen -, dann sollten Sie mich gerade darin unterstützen - und deshalb werfe ich Ihnen die Inkonsequenz vor -, das zu tun, was notwendig ist, um diese Aufgaben in einer richtigen Weise miteinander in Einklang zu bringen.
Ich habe gerade unterstrichen, daß Herr Kollege Eschmann eine richtige Anregung gegeben hat, nämlich die, in einem Übergangszeitraum die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern mit Hilfe der Bereitschaftspolizei zu verstärken. Meine Damen und Herren, jemand, der sich auch nur eine gewisse Vorstellung von der Schwierigkeit der Aufgabe macht, Einheitliches an der Grenze zu tun, muß sich doch darüber klar sein, daß diese Aufgabe leichter mit einem Instrument erfüllt wird, das einheitlich ist, als mit dem Versuch der schwierigen Koordinierung zahlreicher Beteiligter.
({2})
- Nein, das ist nicht richtig, Herr Kollege! Dieses Instrument wird - wir werden Gelegenheit haben, das recht bald zu sehen - in einer bestimmten Weise so verwendet werden, daß in meinen Augen in diesem Übergangsstadium die Sicherheit an den Grenzen durchaus gewährleistet ist.
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- Aber wir sprechen ja gerade davon, daß es sich um das Weiter- und Fortentwickeln des Bundesgrenzschutzes als Menschenbestand und als Institution in Zusammenarbeit mit den Ländern zu etwas handelt, was den Bewohnern an der Zonengrenze gerade für den Fall, für den das Instrument insbesondere gedacht ist, eine Sicherheit gibt. Insoweit darf ich erklären - um damit noch einmal auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Eschmann zurückzukommen -, daß wir den Wunsch haben, aber auch die Notwendigkeit sehen, an der Grenze entsprechend dem, was drüben vorhanden ist, nicht-NATO-gebundene Kräfte zu haben. Das ist nicht anders zu machen, als daß gerade Sie uns - ich möchte sagen: in einer richtigen Einwirkung auf die Ihnen nahestehenden Politiker in den Ländern
- im nationalen Interesse bei dieser Aufgabe unterstützen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 602 Ziffer 5, der dahin geht, § 4 zu streichen,
- damit kein Zweifel über den Gegenstand der Abstimmung besteht. Wer diesem Antrag zustimmt, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über § 4 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Wer zustimmen will, der möge das Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Gegen zahlreiche Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Anträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Entwurf ist angenommen.
Wir haben nunmehr über den Entschließungsentwurf Umdruck 607*) abzustimmen. Wer diesem Entwurf zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Die Abstimmung ist unklar, wir müssen die Abstimmung wiederholen. Ich bitte jene Damen und Herren des Hauses, die dem Entschließungsantrag zustimmen wollen, sich von ihrem Sitz zu erheben. - Gegenprobe! - Jetzt ist es klar; ich danke Ihnen schön. Der Antrag ist abgelehnt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
({0})
- Herr Abgeordneter Horlacher, Sie wollten etwas sagen; treten Sie bitte zur Tribüne.
({1})
- Ich bitte um Entschuldigung.
Meine Damen und Herren, es kommt mal vor, daß auch einem sehr wen-
*) Siehe Anlage 7.
({0})
digen und klugen Präsidenten etwas danebengeht. Er muß in der Schlußabstimmung der dritten Lesung durch Aufstehen von den Sitzen abstimmen lassen.
Ich danke Ihnen sehr für die Belehrung, Herr Abgeordneter. Quandoque bonus dormitat Homerus. Sie verstehen ja Latein.
({0})
Dann wiederholen wir die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen. - Herr Abgeordneter, ich glaube, Sie haben sich wirklich geirrt.
({1})
- Das haben wir doch gemacht! ({2})
- Meine Damen und Herren, in diesem Fall hat das Präsidium recht. Geschäftsordnungsmäßig hat es immer recht, wenn es einig ist.
({3})
Es hat aber auch wirklich und der Sache nach recht. Ich habe Sie zuerst um ein Handzeichen gebeten, dann - weil ich dort drüben einige Handzeichen sah, von denen ich nicht genau wußte, ob sie im vollen Bewußtsein gegeben wurden - festgestellt, - ({4})
- Dann gebe ich mich geschlagen, und wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Entwurf ist angenommen. Es bleibt mir nur übrig, Ihnen für die Belehrung zu danken.
({5})
Meine Damen und Herren, es ist angeregt worden, nun eine Mittagspause eintreten zu lassen, und zwar bis 14 Uhr 30.
({6})
- Meine Damen und Herren, Sie sagen nein; ich sage, daß dies angeregt worden ist. Das ist eine Tatsache, also nicht Gegenstand einer Abstimmung.
({7})
Wir stimmen aber ab, ob dieser Anregung stattgegeben werden soll oder nicht.
({8})
- Im Ältestenrat ist es vereinbart worden?
({9})
- Wir haben sicherlich noch drei Stunden! Kurz und gut, ich stelle diese Anregung zur Abstimmung. Wer für die Abhaltung einer Mittagspause, die ich vorschlage auf die Zeit von 13 Uhr bis 14 Uhr 30 zu begrenzen, ist, der möge ein Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Die Hungrigen sind die Mehrheit; wir werden also eine Mittagspause abhalten.
Ich unterbreche die Sitzung. Das Haus tritt um 14 Uhr 30 wieder zusammen.
({10})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 32 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Punkt 8 der heutigen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Vierten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955 ({0}) ({1}).
({2})
- Die Regierung verzichtet auf mündliche Begründung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während heute früh vor der Mittagspause der amtierende Herr Präsident zu dem Tagesordnungspunkt 7, Gesetz über den Bundesgrenzschutz, die Bemerkung machen konnte, daß sich wohl alles hier in einer Stimmung der Harmonie befinde, so, glaube ich, kann, abgesehen davon, daß sich das nachher etwas änderte, von dieser Harmonie bei der Erörterung des vierten Nachtragshaushalts 1955 leider nicht die Rede sein. Aber das wird dann nicht die Schuld des Hohen Hauses sein, sondern die Disharmonie liegt in der Tatsache begründet, daß die Bundesregierung einen vierten Nachtragshaushalt für 1955 vorlegt, der eine Regierungspraxis offenbart, die dem Parlament Veranlassung geben sollte, über die Methoden nachzudenken, die diesen Nachtragshaushalt und seine Beratung nach der Seite der Erfüllung der Verpflichtung, Ausgaben in einem Haushalt zusammenzufassen, zwar zu einem normalen Vorgang stempeln, aber nach der Seite des Inhalts den Begriff des Haushalts und den Begriff der Haushaltsberatung durch das Plenum des Bundestags und die Ausschüsse zu einer Farce zu machen drohen und praktisch auch bereits gemacht haben. Aus der vorangeschickten Zusammenstellung in Drucksache 2344 entnehmen Sie, daß dieser vierte Nachtragshaushalt im wesentlichen die fünf Vorwegbewilligungen enthält, die im Bereich des Haushalts des Bundesverteidigungsministeriums veranschlagt sind. Durch eine Bestimmung des Haushaltsgesetzes 1955 ist in Einzelplan 35 die Ermächtigung erteilt worden, über die Ansätze der dort enthaltenen 5208 Millionen DM Ausgabebereitstellungen für den Aufbau einer neuen deutschen Wehrmacht in dringenden Fällen durch zwei Ausschüsse des Deutschen Bundestages Vorwegbewilligungen aussprechen zu lassen. Nun sind von den genannten Vorwegbewilligungen vier bereits vor längerer bzw. vor einiger Zeit erfolgt. Die fünfte Vorwegbewilligung ist durch den Haushalts- und den Verteidigungsausschuß vor zwei Tagen vorgenommen worden. Die Situation ist so, daß sogar unsere sonst sehr wachsame Presse einer Verwechslung der Möglichkeiten, Tatsachen und Inhalte zum Opfer gefallen ist. Ich darf z. B. nur einen Satz aus der heutigen Nummer der „Welt" zitieren, die sonst sehr auf dem Damm ist, wenn es Dinge des Bundestages kritisch zu beleuchten gilt. Da heißt es wörtlich:
Wenn der Bundestag dem Regierungsvorschlag zustimmt, werden dem Verteidigungsministerium dann aus dem Haushalt 1955 insgesamt 1,6 Milliarden DM zugeteilt worden sein.
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Wenn das Hohe Haus auch dieser Auffassung wäre, würde es genau dem grundlegenden Irrtum unterliegen, dem die Redaktion und der betreffende Mitarbeiter dieser Zeitung unterlegen sind. Wie ich sehe, sind auch andere Blätter in der Bundesrepublik diesem Irrtum verfallen.
Wenn ich an die mehr als 30 Jahre zurückdenke, seitdem ich in öffentlichen Parlamenten - so in einem Landtag, im Deutschen Reichstag und auch hier im Bundestag - Gelegenheit gehabt habe, an Etatberatungen teilzunehmen, komme ich zu der Feststellung, daß niemals die Etatberatungen eine leerere Phrase gewesen sind als in dem hier vorliegenden Fall. Sie haben in dem vierten Nachtragshaushalt eine Ausgabesumme von insgesamt 1 593 396 300 DM. Über den fast hundertprozentigen Betrag der genannten Größenordnung ist durch die fünf Vorwegbewilligungen bereits verfügt.
Nun kann man sagen, daß die fünf Vorwegbewilligungen, zu denen die genannten beiden Ausschüsse ermächtigt waren, legalisiert sind durch das Haushaltsgesetz und die entsprechende Bestimmung im Verteidigungshaushalt selbst, der damals zugegebenermaßen nur in einer Summe ausgebracht werden konnte. Aber dieser Begriff der Vorwegbewilligung, der den älteren Mitgliedern des Hohen Hauses aus der Zeit der Überrollung der einzelnen Jahreshaushalte noch sehr geläufig ist, hat doch zu dem Wunsch des Hauses geführt, nur in ganz besonderen Notfällen davon Gebrauch zu machen; denn - das ist auch vom Bundesrechnungshof in einer Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses zugegeben worden - der Begriff der Vorwegbewilligung ist weder im Grundgesetz noch in der Reichshaushaltsordnung enthalten, die der Bundestag für sich übernommen hat als Gesetz, nach dem sich die Finanzgebarung, nach dem sich die Finanztechnik des Hohen Hauses und der Regierung zu richten hat.
Meine Damen und Herren! Durch Vorwegbewilligungen und Nachtragshaushalte - die Vorwegbewilligungen kommen nur in dem vierten Nachtragshaushalt zur Etatisierung - sind alle Beträge aus den 5208 Millionen DM weggenommen worden bis auf den Betrag von 3 608 324 100 DM, die als sogenannte Reste in die kommenden Rechnungsjahre übergehen, also rund 3,6 Milliarden DM. Ich wiederhole: niemas fand irgendwann und irgendwo eine Etatberatung statt, die nur dazu bestimmt sein konnte, daß das Parlament ja und amen zu bereits vollzogenen Tatsachen sagt; denn diese fünf Vorwegbewilligungen sind vollzogene Tatsachen, und es gibt keine Möglichkeit für das Hohe Haus, in dem einen oder andern Fall zu sagen, daß diese Vorwegbewilligung nichts gilt.
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Nun, bei den vier Vorwegbewilligungen, die der fünften vorangegangen sind, kann man das noch laufen lassen, obwohl sachlich sehr viel dazu zu sagen ist. Aber bei der fünften Vorwegbewilligung ist eine derartige Verletzung des Budgetrechts des Bundestages eingetreten, daß diese Entwicklung zur schärfsten Kritik herausfordert. Bedenken Sie, daß noch nicht zweimal 24 Stunden vor der Beratung des vierten Nachtrags die fünfte Vorwegbewilligung durch zwei Ausschüsse in einer Größenordnung erfolgt ist, die unbedingt Gegenstand und Aufgabe der Beratung des Bundestages hätte sein müssen. Man hat vollendete Tatsachen unter Mißachtung des Budgetrechts des Deutschen Bundestages geschaffen.
Es ist ja nicht mehr so, wie es einmal war, als wir in der Zeit des Umbaues und des Neubaues des Staates vor Tatsachen standen, die eilige Beschlüsse erforderten, und aus diesem Grunde Vorwegbewilligungen vornahmen, die nachher durch den Beschluß des Plenums legalisiert wurden. Es ist durchaus nachweisbar und wird vielleicht im Laufe dieser Debatte noch nachgewiesen werden, daß mindestens bei der fünften Vorwegbewilligung - ich behaupte sogar, auch bei den anderen - Möglichkeiten bestanden hätten, auf die Inanspruchnahme dieser Vollmacht für die beiden Ausschüsse zu verzichten und das Plenum des Deutschen Bundestages sowohl wie die deutsche Öffentlichkeit nicht vor derart vollendete Tatsachen zu stellen, wie sie praktisch hinter geschlossenen Türen geschaffen worden sind.
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Von der Gesamtsumme - das zu wissen ist wichtig -, die in dem Einzelplan des Verteidigungsministeriums für 1955 mit 5208 Millionen DM enthalten war, sind im ganzen nicht einmal die Beträge verausgabt worden, die vor drei Monaten noch als bis zum Schluß des Rechnungsjahres am 31. März zur Verausgabung reif geschätzt wurden, sondern im ganzen sind von 5208 Millionen DM rund und roh 100 Millionen DM verausgabt worden, so daß 5100 Millionen DM bis zum Schluß des Rechnungsjahres nicht verausgabt werden konnten. Man hat das System der Vorwegbewilligung gewählt, um, wie erwähnt, vollendete Tatsachen zu schaffen. Man hat Dinge veranlagt, die unbedingt der Entscheidung des Parlaments hätten unterstellt werden müssen. Man hat das Plenum des Bundestages ignoriert, obwohl es nicht notwendig gewesen wäre, und man hat eine einmal ausgesprochene Vollmacht, wie ich behaupte, entgegen der Übung, entgegen Recht und Gesetz mißbraucht. Warum diese eilige Schaffung vollendeter Tatsachen? Das Parlament ist nicht gefragt worden, ob es angesichts der Entwicklung, wie sie im Laufe der Zeit eingetreten ist, bereit sei, auf sein Budgetrecht zu verzichten. Es sind Dinge im Rahmen dieser Vorwegbewilligungen geschehen, die man nur als toll bezeichnen kann. Ich glaube, es war die vierte Vorwegbewilligung, in deren Rahmen unter anderem folgendes passiert ist. Man hat ein Schiffbauprogramm von rund 31/2 Milliarden DM aufgestellt. Man hat dort Schiffstypen bestimmt und hat im Rahmen einer Vorwegbewilligung ohne Wissen und Genehmigung des gesamten Bundestags ein Schiffbauprogramm präjudiziert, das weit in die Zukunft hineinreicht.
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Andere Beispiele lassen sich ähnlich nachweisen.
So gesehen - und man kann es bei Licht nicht anders sehen -, kommt dem vierten Nachtragshaushalt praktisch eigentlich nur die Bedeutung eines Feigenblattes zu, mit dem man die vollzogenen Vorwegbewilligungen nachträglich legalisiert. Ich habe in einer Sitzung der beiden Ausschüsse vom 9. März 1956 ausgeführt, daß die Methode, mit der diese Forderungen erhoben würden, derart verwirrend wirke, daß die Abstimmung der Mitglieder des Ausschusses kaum noch von einer wirklichen Übersicht getragen sein könne. Daß in dieser Weise verfahren werde, sei bei den Etatberatungen ein einmaliger Vorgang. Dies sei kein Vorwurf, erklärte ich damals dem Haushaltsreferenten des Bundesverteidigungsministeriums - und ist es auch heute nicht -, sondern lediglich die Feststellung, daß sich hier gewollt oder ungewollt ein
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System zeige, das die Möglichkeiten der Abgeordneten, sich von den Dingen einen Begriff zu machen, weitgehend beschränke, was nicht der Fall sein dürfe. Diese Methode sei selbst bei einem so einfachen Vorgang wie dem hier in Frage stehenden, wo nur ein Ansatz aus einem Haushalt in einen anderen übertragen werde, nicht gutzuheißen.
Vorgestern bei der Beratung der fünften Vorwegbewilligung wurden in den beiden Ausschüssen die gleichen Bedenken geäußert. Um eine Brücke der Verständigung zu bauen, haben wir dort von seiten meiner Fraktion den Vorschlag gemacht, daß man seitens des Bundesverteidigungsministeriums aus dem Gesamtrahmen dieser fünften Vorwegbewilligung, die für allgemeine Ausgaben 35 520 000 DM erfordert, für einmalige Ausgaben 218 586 000 DM, insgesamt rund 254 000 000 DM, das wirklich Dringliche herausgreift, damit es von den beiden Ausschüssen behandelt werden könnte. Man hat es abgelehnt. Man hat damit die Situation geschaffen, vor der wir jetzt und hier stehen, nämlich einen Nachtragshaushalt behandeln zu müssen, der zu 99 %, ich glaube, man kann beinahe sagen: vollendete Tatsachen enthält. Das ist nicht gut. Ich habe in dem Stenographischen Bericht über jene bekannte erste Sitzung betreffend die 1. Vorwegbewilligung im Juli 1955 nachgelesen. Damals hat mein Freund Mellies in den beiden Ausschüssen einiges gesagt. Ich bitte den Herrn Präsidenten, zwei Sätze daraus hier verlesen zu dürfen. Er sagte:
Mit dem Wort von der außerordentlichen Situation
- die damals wie später noch oft ins Feld geführt wurde ist ja in den letzten Wochen sehr häufig operiert worden. Ich glaube, man sollte dabei sehr vorsichtig sein. Wir haben in unserem Grundgesetz in Art. 91 ganz klar definiert, was eine außerordentliche Situation ist, wann der Gesetzgebungsnotstand eingetreten ist. Der liegt keineswegs vor. Das Parlament hat jederzeit die Möglichkeit, in Funktion zu treten, und die Voraussetzungen, die in Art. 91 für den Gesetzgebungsnotstand angegeben sind, sind noch keineswegs vorhanden. Ich glaube deshalb, wir sollten uns doch sehr überlegen, ob wir heute zu einer solchen Beschlußfassung kommen wollen. Denn auch das, was Herr Ministerialdirektor Hertel aus der Situation heraus eben gesagt hat, beweist uns doch, daß man das Parlament unter Umständen später vor Tatsachen stellt, die nur sehr schlecht oder nur sehr schwer zu korrigieren sind.
So gesagt in der Sitzung der beiden Ausschüsse vom 26. Juli 1955. Die Warnung, die darin lag, die Mahnung, nicht so zu verfahren, ist wirkungslos verpufft. Der Herr Bundesverteidigungsminister und der Herr Bundesfinanzminister haben in der Regierungsmehrheit eine allzeit bereitwillige Mehrheit gefunden.
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- Verantwortungsbewußt? Herr Kollege Hilbert, ich glaube nicht, daß Sie unterstellen wollen, die Opposition zeige bei der Verwaltung der Steuergelder unseres Volkes weniger Verantwortung als etwa die Koalition.
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Wir haben damals in den beiden Ausschüssen unter anderem einer Besoldungsvorlage ohne Stellenplan gegenübergestanden; es war keine Situation gegeben, die reif war. Ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums hat laut Wortprotokoll damals ausgeführt:
Das Bundesfinanzministerium hat aber ohne jede Einschränkung die Vorlage des in Haushaltsdingen ja nicht so bewanderten Bundesverteidigungsministeriums übernehmen müssen, weil effektiv nicht die Zeit dazu war, um sie haushaltsmäßig richtig durchzuackern.
Das besagt, daß nicht nur nicht das Parlament gehört wurde. Das besagt, daß nicht nur nicht eine auch vom Bundesfinanzministerium ausreichend durchgearbeitete und geprüfte Vorlage damals zur Grundlage einer Vorwegbewilligung gemacht worden ist. Das besagt, daß sogar dem in diesen Dingen entscheidenden Bundesfinanzministerium nicht mehr die Möglichkeit gelassen wurde, sich zu den damaligen Stellenanforderungen, die sehr bedenkliche Inhalte hatten, die mit Durchschnittszahlen und nicht mit realen Zahlen arbeiteten, zu äußern.
Ich glaube, wem das Parlamentsrecht im allgemeinen und das Budgetrecht im besonderen am Herzen liegt, der wird mir zustimmen müssen, wenn ich feststelle, daß sich eine solche Methode von selbst richtet. Man hat am 26. Juli vorigen Jahres 47 663 100 DM für Planstellen bewilligt. Man hat dabei eine Einstufung, eine Eingruppierung vorgesehen, die schwerste Bedenken hervorrief. Wir haben damals schon in den Ausschüssen zwei Anträge gestellt; beide Anträge wurden abgelehnt. Und heute stehen wir nun vor den Konsequenzen, die sich da oder dort, erst recht bei der kommenden Etatberatung, ergeben werden.
Die heutige Vorlage enthält auch andere vollendete Tatsachen. Ich will nicht so sehr davon reden, daß aus dem Einzelplan 04 - Bundeskanzler und Bundeskanzleramt - der Betrag von 700 000 DM zur besonderen Verwendung durch den Herrn Bundeskanzler nunmehr auch in den Verteidigungshaushalt übergeht. Aber ich will davon sprechen, daß diese 700 000 DM nun mit dem gleichen Untertitel übergehen, der besagt, daß der Herr Bundesverteidigungsminister ohne parlamentarische Kontrolle 700 000 DM als außerordentliche und unvorhergesehene Ausgaben verwenden kann, ohne daß Rechnung gelegt wird, mit Ausnahme eines Nachweises gegenüber dem Herrn Präsidenten des Bundesrechnungshofes, der es in seinen Busen und seinen Kassenschrank verschließen wird, was zukünftig der Herr Bundesverteidigungsminister in bezug auf die Verwendung dieser 700 000 DM sagen wird.
Aber in dieser Vorwegbewilligung - ich glaube, es war die zweite - sind auch 1 800 000 DM bewilligt worden für eine Art von Öffentlichkeitsarbeit direkt durch das Bundesverteidigungsministerium. 400 000 DM sind bewilligt warden für Werbung für den redaktionellen Presseteil. Ich wäre begierig, gelegentlich mindestens einmal im Haushaltsausschuß zu erfahren - vielleicht interessiert sich auch der Verteidigungsausschuß dafür -, wie eine solche Werbung mit Bundesmitteln sich praktisch vollzieht, ob da bis aufs Komma und den Schlußpunkt fertige Artikel der Presse gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt werden. Ein Grund für diese Befürchtung liegt vor.
Dann werden für Einzelpublikationen 200 000 DM, ferner 300 000 DM für Werbefilme und
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100 000 DM für Rundfunk und Fernsehen bewilligt, und wir können nichts mehr daran ändern.
Man sieht also, daß das Bundesverteidigungsministerium damit für seine Zwecke eine ungeheure Beweglichkeit hat, die noch eine Unterstreichung durch die Tatsache erfährt, daß im gleichen Haushalt die Kleinigkeit von 2 Millionen DM zur Verfügung des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung steht, und zwar mit der Begründung: „Zur Herstellung und Vertiefung einer inneren Verteidigungsbereitschaft der deutschen Öffentlichkeit und zur Förderung des Verständnisses für den deutschen Verteidigungsbeitrag und den zeitlichen Aufbau deutscher Streitkräfte". Es soll also im In- und Ausland in diesem Sinne unter Einsatz von 2 Millionen DM durch das Bundesverteidigungsministerium geworben werden.
Noch einen Schritt zurück zu dem vorhin schon angesprochenen Schiffsbauprogramm. Da haben wir es doch erlebt, daß ein wirklicher Sachverständiger - er wird entschuldigen, wenn ich hier seinen Namen nenne -, unser Kollege Heye, gegen einen Teil dieses Schiffsbauprogramms erhebliche Einwendungen erhob, die nicht beachtet wurden. Der Herr Bundesverteidigungsminister bestand wie Shylock auf seinem Schein, und die Beträge wurden bewilligt. Damit wurde ein Präjudiz beschlossen, das den Bundestag zwingt, laufend zu honorieren, was aus der erstmaligen Bestellung an Schiffsbauten in Auftrag gegeben worden ist, wenn - und da ist von mir eine etwas neugierige Frage zu stellen - die deutschen Werften bereit sind, diese Aufträge auszuführen. Nach Presseberichten scheint die Neigung, lohnende private Aufträge zuruckzustellen und Marineschiffe für den militärischen Bedarf zu bauen, nicht allzu groß zu sein. Ich befürchte, daß dann die beiden bundeseigenen Werften gezwungen werden, Kriegsfahrzeuge zu bauen und auf eigene private Aufträge zu verzichten.
Wir haben gestern und schon oft aus anderem Anlaß über die Inanspruchnahme, ich möchte beinahe sagen: die Strapazierung des § 96 ({8}) der Geschäftsordnung gesprochen. Ich habe immer darauf gewartet, ich kann sagen: darauf gelauert, daß auch hier wegen der Präjudizierung, die für die kommenden Haushalte geschaffen wird, einmal die Frage des § 96 gestellt wird. Ich habe niemals ein Wort auf diesem Gebiet gehört, und es ist eigentlich zu beklagen, daß eine Entwicklung eintritt, den § 96 dann in Anspruch zu nehmen, wenn es politisch paßt, und ihn dann zu ignorieren, wenn es politisch paßt.
({9})
- Ja, Sie haben recht, Herr Kollege, in sozialen Angelegenheiten wird auch bei kleinen Anträgen der § 96 strapaziert, und es geht ja - ich habe schon gestern darauf hingewiesen - hier im Hause das Bestreben um, sogar die Parlamentstätigkeit praktisch lahmzulegen, indem gegenüber jedem Änderungsantrag, der nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung zur zweiten Lesung von einem einzelnen Abgeordneten gestellt werden kann, der § 96 in Anspruch genommen werden soll, obwohl Geist und Wortlaut dieses Paragraphen dazu nicht genügen. Dieser § 96 soll dann für
jeden Änderungsantrag hier in Anspruch genommen werden.
({10})
- Bitte sehr!
Herr Abgeordneter Ritzel, gestatten Sie bitte die Frage: Wie ist es möglich, daß man im Zusammenhang mit diesem Nachtragshaushalt, bei dem es um eine global im Jahre 1955 schon bewilligte Summe geht, von § 96 ({0}) der Geschäftsordnung und von der Deckungsvorlage spricht, da doch die Summe schon längst im Haushalt 1955 bewilligt ist?
({1})
Sie hätten sehr recht, Herr Kollege Niederalt, wenn sich diese Vorwegbewilligung, die jetzt in dem Nachtragshaushalt etatisiert werden soll, nur auf das Rechnungsjahr 1955 bezöge. So aber haben Sie Beschlüssen zugestimmt, die weit in die Zukunft hinein den kommenden Haushalt belasten. Bei anderer Gelegenheit rufen Sie dann nach dem § 96, hier aber nicht.
({0})
- Nein, Sie wissen doch ganz genau - soll ich Ihnen das vielleicht im einzelnen in Erinnerung rufen? -,
({1})
daß Vertreter der Bundesregierung, sowohl des Bundesverteidigungsministers als auch des Bundesfinanzministers, in den Ausschußberatungen erklärt haben - ich könnte Ihnen die Namen nennen, ich könnte Ihnen auch die Protokollnummer nennen, wo Sie das nachlesen können -, daß in der Zukunft die 9 Milliarden nicht ausreichen werden und daß eine erhebliche Mehrinanspruchnahme und Mehrbelastung des Haushalts erforderlich sein würde.
({2})
Wir sollten uns gegenseitig nichts vormachen, meine Damen und Herren.
({3})
Sie sollten nicht Dinge verteidigen, die Sie als Abgeordneter des Deutschen Bundestages nach den Gesetzen, zu deren Beachtung auch Sie verpflichtet sind, einfach nicht verteidigen können.
({4})
Wir haben allerlei zu konstatieren. Ich greife nur zwei Dinge heraus. In einer Vorlage, Drucksache des Haushaltsausschusses Nr. 714, wird von besonderen Aufgaben des Wetterdienstes im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums gesprochen. Wir stehen im Haushaltsausschuß gerade in der Entscheidung über ein Gutachten in bezug auf den zivilen Wetterdienst. Mir ist erst nachträglich dieser Satz ganz zum Bewußtsein gekommen, und ich möchte die Gelegenheit dieser Etatberatung benutzen, an die Regierung sowohl eine Bitte als auch eine Warnung auszusprechen. Man sollte unter keinen Umständen den Versuch machen, auch
({5})
noch einen militärischen Wetterdienst aufzubauen, sondern sollte das zivile Instrument des Wetterdienstes, der als Bundeseinrichtung besteht, dafür in Anspruch nehmen.
Dann darf ich darauf hinweisen, daß nach meiner Information der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung des Bundestages zum Einzelplan 14 einmütig Einsparungen empfohlen hat. Ich würde mich freuen, wenn demnächst bei der Haushaltsberatung dieser im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zutage getretene einmütige Wille auch im Haushaltsausschuß und dann im Plenum seinen Niederschlag fände. Die Vorschläge, die dort in der Haushaltsdrucksache Nr. 665 gemacht worden sind, beziehen sich auf Sparmaßnahmen auf dem Gebiete der Wehrerfassung bis zur Musterung des Erfaßten, auf das Bundesleistungsgesetz, das Schutzbereichgesetz und das Landbeschaffungsgesetz. Es ist hier nicht die Möglichkeit, über diese Dinge im einzelnen zu sprechen; aber ich halte es für gut und notwendig, wenigstens daran zu rühren, damit die Abgeordneten, die letzten Endes an der Entscheidung wegbereitend mitzuwirken haben, mindestens bei der Haushaltsberatung 1956 wissen, urn was es sich handelt.
Ich will mir versagen, über die Hortung der nicht verwendeten Milliarden in diesem Zusammenhang zu sprechen; dazu wird sich bei anderer Gelegenheit noch die Notwendigkeit und die Möglichkeit bieten.
Ich will auch nicht von anderen Dingen sprechen, die in bezug auf eine Sorglosigkeit der Mittelanforderung und der Mittelbewilligung im Bereich des Bundeshaushalts für Verteidigung zu beobachten sind. Diese Sorglosigkeit stimmt äußerst bedenklich und steht in einem starken, ich möchte sagen, unerträglichen Widerspruch zu der sehr gründlichen und genauen Art, mit der andere Ausgaben - insbesondere auf sozialem Gebiet - von den gleichen Kräften und Mächten hier im Hause behandelt werden.
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Ich habe damit im wesentlichen ausgesprochen, was mir auf dem Herzen lag. Ich kann Ihnen nur sagen: wenn der Deutsche Bundestag aus Gründen der Selbstachtung und in Wahrung seines Budgetrechtes eine Haltung einnähme, die die Wiederkehr derartiger Zustände vermeiden würde, dann täte er sich selber den größten Dienst; und wenn der Deutsche Bundestag in der jüngsten Vergangenheit mindestens in der Frage der fünften Vorwegbewilligung praktisch eine andere Haltung eingenommen hätte, dann hätte er sich wirklich einen namhaften Dienst erwiesen.
Nun werden Sie kommen und werden sagen: Bitte, es muß Ihnen doch bekannt sein, daß diese fünfte Vorwegbewilligung Termine enthielt. Wenn ich mich nicht irre, schreiben wir heute den 9. Mai. Der genannte Termin für die Aufgabe einer Aufstellung lautete nach den Erklärungen des Bundesverteidigungsministers: 12. Mai. Es wäre durchaus möglich gewesen, sogar die Beratung des vierten Nachtragshaushalts vorzuziehen, um dem Parlament sein Recht werden zu lassen.
Ich kann Sie nur bitten, meine Damen und Herren: Nehmen Sie diese Entwicklung zum Anlaß, zu
erkennen, daß es notwendig ist, diesen Anfängen zu wehren im Interesse der Sicherheit der Demokratie, vertreten durch das Entschlußrecht und das Budgetrecht dieses Hohen Hauses.
({7})
Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren: Gestatten Sie mir, zu der von meinem hochverehrten Herrn Vorredner aufgeworfenen Problematik einiges zu sagen.
Ich vermag nicht einzusehen, daß der Deutsche Bundestag bei der vorliegenden Vorlage von seinem Budgetrecht keinen Gebrauch mache. Dieser Gesetzgeber hat bei der Beratung des Haushalts 1955 festgelegt, daß über die rund 5,2 Milliarden DM, die aus den gesamten Verteidigungsaufwendungen von 9 Milliarden DM abzüglich der Stationierungskosten für den Aufbau der deutschen Streitkräfte übrigblieben, wie folgt verfügt werde: daß diese Mittel in Nachträgen zum Haushaltsplan 1955 im Rahmen eines neuen Einzelplanes 14 einzeln zu veranschlagen sind und daß mit Zustimmung des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit - so hieß er damals noch -, des heutigen Verteidigungsausschusses, die Mittel für besonders dringliche Aufgaben vor der Verkündung der Haushaltsnachträge bereitgestellt werden.
Auf Grund dieser vom Gesetzgeber beschlossenen Ermächtigung hat die Bundesregierung im Laufe der Zeit, folgend dem Rhythmus ihrer Bemühungen um das Aufstellen des deutschen Kontingents, diesen beiden Ausschüssen insgesamt fünf Vorwegbewilligungsanträge vorgelegt. Ich versage es mir im Augenblick, da Sie, meine Damen und Herren, die einzelnen Vorwegbewilligungsanträge kennen, auf sie im einzelnen einzugehen. Diese fünf Vorwegbewilligungsanträge sind mit einer Gründlichkeit, deren sich der Deutsche Bundestag und insonderheit die beiden hier angesprochenen Ausschüsse nicht zu schämen brauchen, behandelt worden.
({0})
- Herr Kollege Schmidt, wenn jemals Vorwegbewilligungsanträge mit einer Gründlichkeit ohnegleichen bis zum letzten behandelt worden sind, dann diese.
({1})
- Ich weiß nicht, wie Sie Ihre eigene Arbeit beurteilen; Sie waren doch bei der Prüfung zugegen.
({2})
Ich habe nicht als Schiedsrichter darüber zu befinden, wie Sie die Arbeit Ihrer Kollegen beurteilen. Das werden Ihnen Ihre Kollegen gleich sagen.
({3})
Der letzte Vorwegbewilligungsantrag, den der Kollege Ritzel eben behandelt hat und der vorgestern in den Ausschüssen beraten worden ist, hat bereits am 22. März zum ersten Male zur Diskussion gestanden.
({4})
({5})
Nicht die Bundesregierung, sondern die beiden Ausschüsse haben gewünscht, daß für die fachliche Prüfung dessen, worum es hier geht, der Verteidigungsausschuß zuständig sein soll. Der Verteidigungsausschuß hat seinerseits beschlossen - das hat die Bundesregierung nicht besonders erfreut; sie war daran interessiert, daß die Vorwegbewilligungen baldigst erfolgen -, eine Reihe von Unterausschüssen einzurichten. Diese haben die Dinge mit einer besonderen Gründlichkeit behandelt.
Ich hatte daher gar keinen Anlaß, gestern in der Sitzung der beiden vereinigten Ausschüsse meinen Vorwegbewilligungsantrag wieder zu reduzieren. Denn worum geht es? Es geht darum, daß für das vorgesehene Kontingent für das Kalenderjahr 1956 so, wie wir verpflichtet sind, es nach der NATO-Erhebung aufzustellen, der wir zugestimmt haben, auch die materiellen Grundlagen bereitgestellt werden.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?
Ja, bitte sehr!
Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, Sie sprachen von dem Termin im März, zu dem dieser 5. Vorwegbewilligungsantrag eingebracht worden ist. Ist Ihnen bekannt, daß die letzte Begleitvorlage an die Adresse der beiden Ausschüsse das Datum des 24. April trägt und daß eine Beratung dieses Vorwegbewilligungsantrages vor Kenntnis dieser letzten Beilage technisch überhaupt ausgeschlossen war?
Es ist mir bekannt, daß die letzte Vorlage dieses Datum trägt. Sie beruht darauf, daß im Laufe der Beratung aus den Ausschüssen neue Wünsche an die Regierung gekommen sind und neue Unterlagen angefordert wurden. Es ist das Recht eines Parlaments, im Verlaufe der Beratung von der Regierung immer neue Unterlagen zu verlangen,
({0})
und wir werden uns bemühen, diese Unterlagen Ihnen jeweils zur Verfügung zu stellen. Wir können aber nicht anerkennen, daß Sie dann sagen: Die Beratung kann erst auf der letzten von uns noch gewünschten Vorlage aufgebaut werden.
({1})
Ich sollte vorgestern in dieser Ausschußberatung auf Wunsch des Kollegen Ritzel den Vorwegbewilligungsantrag wieder auf gewisse Teile reduzieren. Das wäre unmöglich. Was ist denn der Sinn dieses Vorwegbewilligungsantrages gewesen? Der Sinn war unter anderem, in einem gewissen Umfang Zuschläge auf Grund einer öffentlichen Ausschreibung für Kraftfahrzeuge zu erteilen, die man im Verlauf dieser Entwicklung braucht. Wie stellen Sie sich den Zuschlag bei einer öffentlichen Ausschreibung denn vor? Ich kann doch den Firmen nicht mitteilen: Ich muß Ihre Kalkulation, die auf der Lieferung von x-tausend Fahrzeugen beruht, für mich auch in Anspruch nehmen, wenn ich zunächst nur einen Zuschlag für x-Zehntel dieser
Aufträge erteile und Sie bezüglich der 90 % zunächst einmal in völliger Ungewißheit lasse. Das ist doch das Minimum vernünftiger haushaltsmäßiger Überlegungen, wenn man mit solchen Summen zu rechnen hat.
Ich stelle also fest: die Bundesregierung hat sich streng an den Wortlaut des Haushaltsgesetzes gehalten. Wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit schafft, daß zwei Ausschüsse Vorentscheidungen treffen können, dann können Sie keine Kritik an der Regierung üben, wenn sie diesem gesetzlichen Tatbestand zufolge mit ihren Bitten an die beiden Ausschüsse herantritt.
Im übrigen ist ja jetzt Gelegenheit gegeben, diese fünf Vorwegbewilligungen in einem Nachtragshaushalt zusammenzufassen. Danach sind wir wiederum nach diesem Haushaltsgesetz verpflichtet. Das haben wir getan und es Ihnen vorgelegt. Die Bundesregierung
({2})
- ich kann nicht jeden Zwischenruf hören; auf Fragen gebe ich gerne Auskunft - wird, obwohl sie den dazu befugten Fachausschüssen jede erdenkliche Auskunft gegeben hat, auch bei den weiteren Beratungen zu allen Auskünften zur Verfügung stehen, auch dann, Herr Kollege Schmidt, wenn Sie den Wunsch haben sollten, mit einem Hotchkiss einmal eine Übungsfahrt zu machen, so wie Sie das auch mit Jeeps getan haben.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bemerkungen des Herrn Bundesverteidigungsministers, daß die Ausschüsse. diese - ({0})
- Ich habe den Zwischenruf akustisch nicht verstanden.
({1})
- Wie können Sie das beurteilen, Herr Kollege, da Sie doch bei den Verhandlungen gar nicht dabei waren, auf die sich Herr Blank bezogen hat! Ich kann mir allerdings Ihre Zustimmung erklären: Sie sind eben grundsätzlich immer der gleichen Meinung wie die Regierung. Das kennen wir von der Deutschen Partei; das überrascht uns nicht.
({2})
Ich möchte mich aber nicht mit dem Herrn Walter von der Deutschen Partei auseinandersetzen,
({3})
sondern mit der Bemerkung des Herrn Bundesverteidigungsministers. Der Herr Bundesverteidigungsminister hat gesagt, diese Vorwegbewilligungen seien von den zuständigen Ausschüssen - ich glaube, das richtig zu zitieren - mit einer „Gründlichkeit ohnegleichen" geprüft worden. Das ist nach meiner festen Überzeugung nicht nur unrichtig, sondern gerade das Gegenteil von dem, was gewesen ist.
({4})
- Ich will das belegen, Herr Kollege Kliesing. Ich kann z. B., um bei Ihnen anzufangen, die Frage
({5})
stellen, warum Sie sich gestern an der Debatte im Verteidigungs- und Haushaltsausschuß nicht beteiligt haben. Ich kann die Frage stellen, warum sich Herr Jaeger nicht beteiligt hat. Ich kann die Frage stellen, warum sich Herr Heye nicht beteiligt hat. Ich könnte die Frage stellen, warum sich Herr Berendsen nicht beteiligt hat. Weil alle diese Experten auf Ihrer Seite, meine Herren, ein schlechtes Gewissen hatten bei dieser Schludrigkeit!
({6})
Sie haben dagesessen im Ausschuß und haben Ihren Herrn Minister kämpfen lassen, haben ein freundliches Gesicht gemacht und sind ihm nicht beigesprungen. Ich weiß genau, warum nicht: weil Sie genau wie wir ein schlechtes Gefühl hatten bei dieser Sache.
({7})
- Ich komme auf die Einzelheiten zurück, Herr Kliesing.
({8}) - Warum denn sonst?
({9})
- Herr Kliesing, der Heiterkeitserfolg, den Sie erzielt haben,
({10})
enthebt mich der Notwendigkeit einer Antwort.
Ich möchte von den Vorwegbewilligungsanträgen im einzelnen sprechen. Sie werden ja in dieser Vorlage haushaltsrechtlich konsolidiert
({11})
und stehen insofern zur Debatte, Herr Willeke, nicht zu früh, sondern eher zu spät. Denn sie werden in den Ausschüssen nicht erneut beraten, weil sie de facto - ({12})
- Das hat doch nicht mit der Wahl etwas zu tun, sondern das hat etwas zu tun mit der Leichtfertigkeit, mit der Sie Milliardenbeträge hier ausgeben.
({13})
Ich will Ihnen einmal etwas sagen, um das Wort „Leichtfertigkeit" zu belegen. Da ist vorgestern bei der fünften Vorwegbewilligung ein Betrag von 10 Millionen DM bewilligt worden als erste Rate für einen Betrag von 560 Millionen, einer halben Milliarde, zur Anschaffung von Schützenpanzerwagen.
({14})
Von den ganzen Mitgliedern dieser beiden Ausschüsse hat kein einziger jemals ein Bild, eine Zeichnung, eine Erklärung, einen Vortrag über diesen Schützenpanzerwagen gesehen oder gehört, aber Sie haben bewilligt;
({15})
mit einer Ausnahme: 7 Minuten vor dem Beschluß hat einer der Herren Berater des Bundesverteidigungsministers unter der Hand ein paar Fotos herumgezeigt. So ist es doch gewesen - das können Sie doch nicht einfach ableugnen -, und das nenne ich leichtfertig.
Ich erinnere Sie daran, daß etwa das englische Unterhaus über die Frage, welches Gewehr für den Infanteristen einzuführen ist, eine ausgedehnte Plenardebatte veranstaltet, an der selbst der Herr Ministerpräsident aktiv teilnimmt. Sie dagegen treffen in einer einzigen Sitzung von dreieinhalb Stunden, in der die meiste Zeit leider mit Geschäftsordnungsdebatten verbracht werden muß, Entscheidungen nicht nur über ein Gewehr bzw. eine Pistole, sondern gleichzeitig über das zukünftige MG, gleichzeitig über die Schützenpanzerwagen, gleichzeitig über eine Reihe von Kraftfahrzeugen. Und wenn Sie sich diesen Nachtragshaushalt genau ansehen, finden Sie damit die zukünftige waffenmäßige und gerätemäßige Ausstattung der Bundeswehr sehr weitgehend präjudiziert, ohne daß irgend jemand im Parlament das wirklich genau und sorgfältig geprüft hätte.
Ich rede hier gar nicht allgemein politisch. Deswegen finde ich den Zuruf betreffend die Wahl unangemessen. Ich möchte vielmehr nur einmal an diejenigen unter Ihnen appellieren, die sich als ehemalige oder zukünftige Soldaten fachlich zuständig fühlen, die sich als Mitglieder des Verteidigungsausschusses zuständig fühlen. Wie kann man denn solche fachlichen Entscheidungen in einem solchen Galopptempo fällen? - Ich sehe das freundliche Lächeln der Herren Kollegen von der Deutschen Partei, die nicht dabei waren; die wissen ja immer alles besser.
({16})
- Sie von der Deutschen Partei überschätzen Ihre Bedeutung.
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- Herr Schneider, wenn Sie glauben, daß die Deutsche Partei der Sozialdemokratie im Auge sei, überschätzen Sie Ihre Bedeutung. So wichtig sind Sie für uns nicht. Wir haben in den Ausschüssen Ihre Bedeutung als Claqueure der Bundesregierung festgestellt, aber das können wir nicht ändern.
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Ich komme auf einige der Sachentscheidungen zurück, die mit den Vorwegbewilligungen getroffen worden sind. Sie haben eine Sachentscheidung über den Ankauf von Schützenpanzerwagen in einem Umfang von ungefähr einer halben Milliarde D-Mark getroffen. Das heißt, Sie haben die Bewaffnung der Schützenpanzerbataillone, der SPWBataillone, für die nächsten fünf, acht oder zehn Jahre festgelegt, ohne das Ding überhaupt je gesehen zu haben; sogar der Panzergeneral von Manteuffel, der nun wirklich ein Sachverständiger ist. Die übrigen Herren im Ausschuß haben gesagt: Reden wir doch nicht so lange, wir sind doch nicht sachverständig, das wissen die Offiziere ja alles besser. Aber der Herr Kollege von Manteuffel ist ein Sachverständiger.
({19})
- Lassen Sie den das nicht hören, der wird böse. Auch er hat darauf verzichtet, sich irgendeine nähere Erläuterung geben zu lassen, weil man eben unter dem Druck der Aufstellungsfristen stand, weil Herr Blank erklärt hat: Ich kann meine Fristen nicht einhalten; wenn ich nicht rechtzeitig meine Ausschreibungen in Ordnung bringe, kann ich die gegenüber der NATO eingegangene Verpflichtung zur Aufstellung von 96 000 Mann für Ende dieses Jahres nicht erfüllen. Ich habe ein gewisses Verständnis für diese Logik. Ich habe jedoch
({20})
kein Verständnis dafür, daß Sie infolgedessen auf eine sachliche und sorgfältige Prüfung der Vorlagen im einzelnen verzichtet haben.
Ich möchte ein anderes Beispiel bringen, um nicht mehr von dem Schützenpanzerwagen zu sprechen, sondern um an den Herrn Kollegen Bausch zu appellieren. - Ich sehe, der Herr Kollege von Manteuffel hat sich schon gemeldet, um doch etwas bezüglich der Schützenpanzerwagen zu sagen, was er vorgestern leider nicht tat. - Ich möchte aber auch an den Kollegen Bausch appellieren, von dem ich weiß, daß er sich für einen anderen Teil dieses Programms sehr interessiert hat, nämlich für das Kraftfahrzeugprogramm, für das LKW-Programm. Ich weiß, daß Sie anderer Meinung sind als die Bundesregierung, Herr Kollege Bausch. Sie haben sich dadurch ausgezeichnet, daß Sie der einzige von den Koalitionsabgeordneten waren, der wirklich seine Zweifel ausgesprochen hat.
({21})
- Nein, ich hoffe, er wird es nicht wieder gutmachen, sondern bei seinen Zweifeln bleiben.
Ich erläutere Ihnen das an einem kleinen Beispiel. Sie haben die Meldung durch die Presse gehen sehen, daß das Verteidigungsministerium einen sogenannten Jeep oder, wie er eigentlich richtiger heißt, einen Viertel-Tonner-Lkw braucht. 5000 Stück werden davon zunächst gekauft. Diese sind also in einer dieser Vorwegbewilligungen mit einem Betrag von - ich weiß nicht - 50 oder 100 Millionen DM enthalten. Auf den Betrag kommt es hier nicht an, sondern auf die eigenartigen Begleiterscheinungen. Es wurden drei Jeeps, drei Modelle von drei deutschen Firmen nebeneinandergestellt. Das Verteidigungsministerium hat gesagt: Wir, das Ministerium, sind eigentlich für den Typ A, davon möchten wir 5000 Stück bestellen. Weil aber nun mindestens zwei deutsche Länderregierungen und soundso viele Firmen auf dem Wege eines wieder mal recht freundlich wuchernden Lobbyismus die Abgeordneten bearbeitet hatten und es nun also nicht mehr zu verheimlichen war, daß die Entscheidung zumindest eine sehr zweifelhafte war, hatte man gleich die drei Typen nebeneinander hingestellt und erläutert, warum man den Typ A und nicht B oder C nehmen wollte. Ich persönlich hatte den Eindruck, daß der Typ A unter den gegebenen Verhältnissen wahrscheinlich der zweckmäßige war. Was waren aber die gegebenen Verhältnisse? Von diesen drei neu entwickelten Modellen war kein einziges mehr als 25 000 km gelaufen. Völlig neu entwickelt und niemals in einer technischen Erprobung gewesen, kein vernünftiger Truppenversuch, keine 25 000 km gelaufen - inzwischen ist es vielleicht der Fall -, und trotzdem entscheidet man sich, eins von diesen in Serie geben zu lassen und 5000 Stück davon zu bestellen. Das hat es selbst in der Hitlerschen Wehrmacht nicht gegeben. Ehe man damals den Volkswagen in die Wehrmacht eingeführt hat, hatte man jahrelange technische Erprobungen damit gemacht und nicht nur 25 000 km, sondern mehr als das Zehnfache damit gefahren.
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Ich mache das nicht deshalb so ausführlich, weil mir der Vierteltonner so wichtig ist, sondern weil das ein prototypisches Beispiel für die militärische Leichtfertigkeit ist, mit der hier rüstungswirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden.
Ich darf ein anderes Beispiel geben. In dieser Vorlage werden 35 Millionen DM Kredite für den Aufbau der Luftfahrzeugindustrie etatisiert. Ich darf einmal für meine Person ein Wort dazu sagen: ich bin auch dafür, daß in Deutschland wieder eine Luftfahrzeugindustrie aufgebaut wird. Aber die Vorlage war so windig, so miserabel begründet, daß aus dem Hause des Verteidigungsministeriums selbst nach einer anderthalbstündigen Debatte über diesen Punkt der Vorschlag kam: Kommen wir nicht leichter über die Sache hinweg, wenn wir davon zunächst 30 Millionen DM bis zur näheren Erörterung sperren, bis eine endgültige Vorlage da ist? Das hat sogar in diesem einen Fall auch die Herren von der CDU dazu bewogen, die Sperrung mitzumachen. Man hat die Absicht, eine Reihe von Flugzeugbaufirmen mit Krediten zu versorgen, damit sie wieder aufbauen können. Das läßt sich sicherlich gar nicht anders machen. Die Frage ist, ob es die richtigen Firmen sind, ob es nicht zu viele Firmen sind. Die Frage ist, ob das zukünftige Produktionsprogramm, das ja das Rückgrat dieses Wiederaufbaus abgeben muß, wirklich richtig abgestimmt ist. Die Frage ist infolgedessen, ob das Ausrüstungsprogramm mit Flugzeugen ein richtiges ist. Denn daraus erst ergibt sich das Produktionsprogramm, und daraus ergibt sich dann erst das Investitions- und Kreditprogramm für die verschiedenen Firmen.
Dieses Flugzeugausrüstungsprogramm haben wir, ein Teil der Mitglieder des Hauses, unter „Geheim" am Ende der vorigen Woche bekommen. Manchmal sind Dinge, auf denen „Geheim" steht, wirklich geheim. Manchmal steht nur deswegen der Geheimstempel darauf, damit sie der öffentlichen Erörterung entzogen werden.
In diesem Fall tut es mir leid, darauf hinweisen zu müssen, daß in der „New York Herald Tribune" am 27. April, d. h. eine Woche bevor Herrn Verteidigungsminister Blanks Geheimvorlage die Mitglieder dieses Hauses erreichte, sehr ausführliche Darlegungen über dieses Flugzeugprogramm gemacht werden, Ausführungen, die, wenn wir sie etwa schon in dem Zeitpunkt gewußt hätten, als wir über die 35 Millionen DM Kredite für die Flugzeugindustrie sprachen, uns sicherlich die Beschlußfassung etwas erleichtert hätten. Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, darf ich aus der „New York Herald Tribune" verlesen - ich versuche, dabei gleich ins Deutsche zu übersetzen -:
Die westdeutschen Streitkräfte werden 3200 Militärflugzeuge haben. Dieses wurde in einem Bericht offenbart, den das Verteidigungsministerium heute an das Parlament gesandt hat.
- Wie gesagt, das ist am 27. April gedruckt; wir haben den Bericht aber erst etwa am 3. Mai bekommen. Das Ministerium sagte, daß die meisten Flugzeuge aus Übersee kommen würden und insgesamt 1428 Millionen $
- das sind also rund 6 Milliarden DM kosten würden. Das Ministerium hatte die Hoffnung, die letzten amerikanischen F-100-und F-102-Super-Sabres zu bekommen, aber es werden einstweilen keine übrig sein, bis die Vereinigten Staaten ihre eigene Luftwaffe damit voll neu aufgerüstet haben.
- Entschuldigen Sie die Holprigkeit meiner Übersetzung! ({23})
Statt dessen wird die Luftwaffe F-86-Jäger, F-86-K-Allwetterjäger, F-84-F-Jagdbomber und RF-84-F-Aufklärungsjäger bekommen.
Der französische Transporter Noratlas, die italienische Piaggio-Verbindungsmaschine und der französische Düsenjäger Fouga-Magister sollen unter Lizenz von westdeutschen Flugzeugbaufirmen hergestellt werden....
Das einzige westdeutsche Flugzeug, das in Westdeutschland selbst konstruiert wird, wird die Dornier-27 sein, ein Heeresaufklärungsflugzeug, das in Spanien in der Zeit entwickelt wurde, in der die Bundesrepublik besetzt war und in der der Bundesrepublik der Bau von Flugzeugen verboten war. Das Ministerium wird von diesem Typ 428 Maschinen kaufen.
Es steht mir nicht zu, wenn ich mir nicht den Vorwurf zuziehen will, die Geheimhaltungsvorschrif ten zu verletzen, hier festzustellen, wie viel und wie wenig davon mit jener Geheimvorlage übereinstimmt.
({24})
Wohl aber, Herr Minister Blank, muß ich sagen: wie kann das in ausländischen Zeitungen stehen, tagelang bevor Sie dem Parlament unter „Geheim" Vorlagen zuleiten, die mehr oder minder dasselbe behandeln, und wie können Sie denn sagen, wir hätten mit aller erdenklichen Gründlichkeit diese Dinge geprüft? Dabei haben wir über die Dornier-27, die in diesem Programm mit ihrem Kredit steht, ganze 7 Minuten gesprochen
({25})
- höchstens waren es acht; ich lasse mit mir handeln -, und der Mann, den Sie als Sachverständigen bezeichnet haben und der darüber schon mal in einer früheren Sitzung gesprochen hatte - der Name ist mir entfallen; er wurde auch nicht vorgestellt -, hat selbst am Beginn seiner Rede erklärt, er gehöre Ihrem Ministerium erst seit wenigen Wochen an und sei noch nicht so ganz im Bilde. Das stimmt auch; ich habe mich inzwischen vergewissert. Auf dessen Sachverstand sollen wir uns aber stützen. Ich glaube, daß er ein sachverständiger Mann ist
({26})
- eine Sekunde, Herr Niederalt! -, aber er hat von 1945 bis 1956 auf sehr ehrbare Weise in einem ganz anderen Beruf sein Brot verdient als etwa auf dem Gebiete des Ingenieurs und der Fliegerei.
Auch die Bemerkung, die der Herr Minister selbst gemacht hat, diese Maschine sei in Spanien von den dortigen Streitkräften bestens erprobt, habe ich inzwischen nachgeprüft. Tatsächlich war das eine ganz andere Maschine; sie war durchaus anders als diejenige, die Sie bauen wollen. Diese ist inzwischen weitgehend verändert, wie das bei Flugzeugen im Laufe einer Entwicklungsserie ja häufig vorkommt.
({27})
- Ja, er hat es gesagt, aber offenbar war er von seinen Fachleuten schlecht unterrichtet. Außerdem habe ich mir von deutschen Flugzeugindustriellen und Fachleuten sagen lassen, daß man auf eine Erprobung in der spanischen Luftwaffe gar kein Gewicht legen könne; darauf könne man sich nicht verlassen.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
Bitte sehr!
Verehrter Herr Kollege Schmidt, Sie haben eben von sieben Minuten gesprochen. Freundlicherweise haben Sie die Zeit sogar auf acht Minuten erhöht. Gestatten Sie die Frage, Herr Kollege Schmidt: Erinnern Sie sich noch, daß wir im Unterausschuß, der für diesen Zweck eingesetzt war und in dem auch Sie anwesend waren, nach meiner Meinung - ich kann es nicht so genau schätzen - mindestens eine oder eineinhalb Stunden über diese Dinge gesprochen haben?
({0})
Herr Kollege Niederalt, ich erinnere mich sehr genau. Ich habe selbst zu Beginn dieser Ausführungen die Unterausschußsitzung erwähnt, in der dann zum Schluß sogar mit Ihrer Zustimmung eine Sperrung von 30 Millionen von den 35 Millionen erfolgte, weil selbst Sie einsehen mußten, daß die Sache nicht reif war.
({0})
- Weswegen kommen nun Zwischenrufe von Herren, die weder bei der einen noch bei der anderen Sitzung dabei waren, die also überhaupt nicht darüber urteilen können?
({1})
- Lassen Sie mir zunächst einmal Zeit, die Zwischenfrage von Herrn Niederalt vollständig zu beantworten!
Haben Sie noch eine Frage, Herr Abgeordneter?
Ich habe mich eben bei den sieben bzw. acht Minuten auf die vorgestrige Unterhaltung über die Dornier 27 bezogen, die einzige Maschine, hinsichtlich deren wir tatsächlich eine wirkliche Entscheidung getroffen haben, Herr Niederalt; denn für die Dornier ist nun ein Kredit zum Aufbau der Fabrik bewilligt, damit diese Maschine gefertigt werden kann. Wie viele davon gefertigt werden, ist geheim; aber die „New York Herald Tribune" wußte es ja. Über diese Maschine haben wir uns sieben Minuten unterhalten und vom Herrn Minister die Auskunft bekommen, die ich eben zitiert habe. Der Herr, der in der vorigen Unterausschußsitzung etwas dazu gesagt hatte, war jemand, der vorausschickte, er sei erst seit etwa zehn Wochen in diesem Amt. Sind wir uns jetzt völlig einig in der Rückerinnerung?
({0})
- Aber nicht über die Dornier 27, mein Lieber! Und wenn Sie ein so gutes Gewissen hätten, wie Sie heute tun, warum haben Sie alle geschwiegen, warum haben Sie vorgestern nicht gesprochen?
({1})
- Nein, Herr Berendsen, wir haben nur Fragen
gestellt. Ich wäre aber sehr begierig darauf, daß
Sie jetzt hier auf dieses Rostrum heraufgehen und
sagen: Jawohl, ich habe mich überzeugt, die Dornier 27 ist eine hervorragende Maschine, die müsseh wir haben! Ich wäre sehr dankbar, wenn Herr
({2})
A) von Manteuffel hier heraufginge und sagte: Jawohl, der Panzer soundso ist ein großartiges Ding, den müssen wir haben! Und ich wäre dankbar, wenn Herr Bausch aufs Rednerpult ginge und sagte: Dieser Jeep ist ein großartiges Fahrzeug, das müssen wir haben! - Auf diese Reden warte ich, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Frage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Schmidt ({0}), sollte es Ihrem Gedächtnis so schnell entschwunden sein, daß in dieser Sitzung des Unterausschusses, dessen Vorsitzender ich ja bin, die Sperrung der Mittel keineswegs deswegen erfolgt ist, wie Sie behaupten, weil wir uns über den Typ nicht einig waren, sondern weil wir über die Finanzierungsmethode nicht ganz ins klare gekommen waren? Nur aus diesem Grund und nicht aus dem, den Sie behauptet haben, ist die Sperrung erfolgt.
({1})
Herr Dr. Vogel, wenn mich nicht alles täuscht, liegt hier so etwas wie ein offener Dissens vor. Von unserer Seite ist die Sache deswegen gesperrt worden, weil erstens die Finanzierung nicht in Ordnung war und weil zweitens die Typenfrage überhaupt nicht geklärt werden konnte.
({0})
Ich möchte aber meinen Aufforderungen noch eine hinzufügen. Ich wäre dankbar, wenn Herr Kollege Admiral Heye auf dieses Rostrum käme und sagte, daß er das Marinebauprogramm für hundertprozentig richtig hält. - Außer in der spanischen Demokratie und in der irgendwelcher südamerikanischer Staaten gibt es kein Parlament der Welt, in der rüstungspolitische, militärpolitische Entscheidungen solcher materiellen Bedeutung wie diese - Flugzeuge, Panzer, Kriegsschiffe, MGs - in einer derartigen Leichtfertigkeit - ({1})
- Es tut mir leid, daß Sie das nicht annehmen können. Ich verstehe, daß Sie unbedingt Ihre Termine halten wollen. Aber ich glaube, Sie würden nicht nur sich, sondern auch den zukünftigen deutschen Soldaten einen Dienst erweisen, wenn Sie jedenfalls ab heute und in Zukunft diese Dinge sehr viel sorgfältiger prüften, mindestens mit derselben Sorgfalt prüften, in der etwa der Herr Kollege Conring im gleichen Ausschuß sonst zu prüfen pflegt, ob der Herr Ministerialdirigent XY einen Opel Kapitän oder einen Opel Olympia bekommen soll.
({2})
- Ob Steckenpferd oder nicht, es besteht die Tatsache, daß sehr viele Dinge - das hat Herr Ritzel schon gesagt - von Ihnen mit einer erfreulichen Akribie geprüft werden, und es gibt die andere Tatsache, daß Sie einstweilen in Sachen der Verteidigungsausgaben den Eindruck jenes armen Schluckers machen, der über Nacht im Toto gewonnen hatte, der plötzlich reich war und dem einstweilen noch die Maßstäbe für die richtige Anlage seiner Mittel fehlten.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Schmidt zwingen mich dazu, noch zu zwei Punkten aus der Vorlage etwas zu sagen, zum Jeep und zu den geplanten Investitionsmitteln für die deutsche Flugzeugindustrie.
({0})
- Ich habe ja gesagt: zu den geplanten Investitionsmitteln für die deutsche Flugzeugindustrie. Sie werden sich doch entsinnen, daß ich genau vorgestern im Ausschuß Ihnen keine Antwort schuldig geblieben bin.
Nun, worum handelt es sich? Wir brauchen - das ist unbestritten und hat gar nichts damit zu tun, ob man die Armee so oder so organisiert - in einem bestimmten Umfang Führungsfahrzeuge, Funkfahrzeuge der Art, von der man sich angewöhnt hat, sie Jeep zu nennen; wir gebrauchen dafür eine andere Bezeichnung. Wir haben vor Jahren Firmen aufgefordert, sich einmal Gedanken über die Konstruktion eines solchen Fahrzeugs zu machen, und es ist, wie Sie ja wissen, zu den bekannten drei Entwicklungen Goliath, Autounion und Porsche gekommen. Der Ausschuß für Verteidigung nimmt für sich in Anspruch, sicherlich genauso wie andere Ausschüsse dieses Hohen Hauses, der sachverständige Ausschuß für Fragen der Verteidigung zu sein. Der Gesetzgeber hat, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, festgelegt, daß Vorwegbewilligungen durch gemeinsamen Beschluß beider Ausschüsse erfolgen können. Der Verteidigungsausschuß hat dann beschlossen, eine Reihe von Unterausschüssen zu bilden, um in solchen kleineren Gremien die einzelnen Rüstungsprogramme zu beraten, offenbar weil er der Auffassung war, daß man nur in einem kleineren Ausschuß sich auf bestimmte Dinge spezialisieren und sie mit Sachverstand beurteilen könnte. Es steht mir nicht zu, diese Überlegung des Verteidigungsausschusses zu kritisieren; aber ich glaube, ich darf sagen, daß das eine sehr vernünftige Maßnahme gewesen zu sein scheint.
Nun haben wir diese Fahrzeuge probiert. Wir haben sehr genaue Gegenüberstellungen der einzelnen technischen Daten und der Ergebnisse unserer Versuche gemacht. Wir haben die Fahrzeuge vorgeführt. Wir haben den Herren Abgeordneten Gelegenheit gegeben, sie zu besichtigen und damit zu fahren. Wir haben ihnen Vorträge von Sachverständigen halten lassen. Stundenlang - das werden mir die Damen und Herren bestätigen, die dabei waren - ist über den Jeep debattiert worden, sind die Fragen gestellt worden. Schließlich ist nach dieser ganzen technischen Prüfung das Verteidigungsministerium der Auffassung, daß es sich für einen bestimmten Typ entscheiden sollte und daß es doch die Bestellungen vornehmen solle.
Weiter ist die Empfehlung ausgesprochen worden, daß man trotzdem von den beiden anderen Firmen 50 Stück anfordern sollte, um eine noch länger dauernde Erprobung zu ermöglichen. Ich
({1})
) darf, ohne mich persönlich hier als Sachverständigen aufspielen zu wollen - ich habe allerdings schon vor vielen Jahren Motoren konstruiert -,
({2})
- das können Sie ruhig lächerlich finden; aber in bezug auf diesen Sachverstand nehme ich es mit Ihnen noch zu jeder Tageszeit auf! -,
({3})
ich darf also darauf hinweisen, daß dieses Fahrzeug zu 80 % aus Teilen besteht, die auch in der zivilen Produktion dieses Fahrzeugs stecken, so daß der Techniker sehr wohl eine Aussage über die technischen Qualitäten dieses Fahrzeugs machen kann.
({4})
Meine Damen und Herren, es gab auch eine Reihe von Abgeordneten, die, als sie sich die Fahrzeuge angesehen hatten, sofort in der Lage waren - ich habe gar nicht die Absicht, den Herren ihren Sachverstand zu bestreiten -, eine Entscheidung zu treffen und zu sagen: Dies scheint uns das beste zu sein. Was ich aber hier zurückweisen möchte, ist folgendes, Herr Schmidt. Ich habe nicht den Eindruck gehabt, daß die Herren Abgeordneten unter dem Druck oder der Beeinflussung von Lobbyisten gestanden hätten. Für mein Ministerium weise ich das mit aller Entschiedenheit zurück.
({5})
Gestatten Sie eine Frage?
Bitte, sehr gern!
Herr Minister, ich will Sie nicht gerade in der Form einer Frage unterbrechen. Aber ich möchte sagen: der Vorwurf wegen der Lobbyisten war keineswegs an Ihr Ministerium oder an irgendwelche Mitglieder Ihres Hauses gerichtet.
Ich danke Ihnen für diese Erklärung. Wenn das auch keine Frage war, so war es eine Feststellung, die ich dankend entgegennehme.
Nun zu dem Investitionsprogramm für die deutsche Flugzeugindustrie. Ich brauche hier nur zu wiederholen, was ich schon mehrfach sowohl vor dem Verteidigungsausschuß als auch vor dem Haushaltsausschuß als auch vor der deutschen Öffentlichkeit und vor der deutschen Presse gesagt habe, und ich stehe dazu. Kein Land, das eine bestimmte industrielle Entwicklung erreicht hat und auf dieser Basis einen großen Teil des Lebensunterhalts seiner Bevölkerung sicherstellen muß, kann auf die Dauer auf den Flugzeugbau verzichten, und zwar nicht nur, um Flugzeuge für militärische Zwecke zu bauen, sondern ganz einfach wegen der Rückwirkungen auf die gesamte technische Entwicklung. Es war daher für Deutschland ein sehr schwerer Schlag, als ihm zunächst nach dem Kriege der Bau von Flugzeugen verwehrt wurde. Ich sage Ihnen hier ganz offen: wir haben beim Aushandeln der Verträge großen Wert darauf gelegt, daß dieses Verbot von Deutschland genommen wurde. Daß wir keine strategische Bomberwaffe aufbauen wollten, haben wir zu erkennen
gegeben, indem wir in den Verträgen eine diesbezügliche Produktionsbeschränkung freiwillig auf uns genommen haben.
({0})
- Ich spreche jetzt von den 35 Millionen.
Die deutsche Flugzeugindustrie ist nach 1945 wie keine andere Industrie demontiert und ausgelöscht worden. Nach Schätzungen aller Sachverständigen werden mindestens Investitionsmittel in Höhe von 51 Millionen DM notwendig sein, um die deutsche Flugzeugindustrie in dem bescheidenen Maße zum Anlaufen zu bringen, daß sie auf dieser Basis in der Lage ist, in einigen Jahren wieder den Anschluß an den Flugzeugbau in der Welt zu gewinnen. Ich sage noch einmal: diesen Anschluß wiederzugewinnen ist für die deutsche Industrie, ist für die deutsche Technik unerläßlich.
({1})
- Ich glaube, Sie hören sich einmal ganz ruhig an, was ich sage. Von diesen 51 Millionen DM würde die deutsche Industrie selber 17 Millionen aufbringen. Es bliebe ein Investitionsbedarf von 34 Millionen. Nun bin ich aus den vorhin angeführten Gründen, weshalb wir wieder zu einem Flugzeugbau kommen müssen, und in Anbetracht der totalen Demontage der Meinung, daß auch der deutsche Staat eine Verpflichtung hätte, diesem Industriezweig wieder Startmöglichkeiten zu geben.
({2})
Ich bin zweitens der Meinung, daß es unmöglich sein wird, in Zukunft alle Rüstungsgüter aus dem Ausland zu beziehen. Ich will gar nicht das Devisenproblem anschneiden. Der Grund liegt einfach darin, daß sich die anderen Staaten dafür bedanken würden, Deutschland lediglich für den Export arbeiten zu lassen, während die Rüstungsgüter nur in den anderen Staaten zu erzeugen wären. Wir werden in einem gewissen Umfang auch in Deutschland eine Rüstungsindustrie entwickeln müssen. Deshalb habe ich mich für den deutschen Flugzeugbau eingesetzt
({3})
und habe versucht, folgendes zu tun; ich brauche das vor der deutschen Öffentlichkeit überhaupt nicht zu verheimlichen. Im übrigen rate ich Ihnen, einmal nach München hinunterzufahren und sich mit der Arbeiterschaft in dem dortigen Werk, die jetzt mit großer Begeisterung wieder zusammenströmt, zu unterhalten, wie ich das getan habe.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?
Bitte, sehr gern!
Herr Minister, sollte Ihnen entgangen sein, daß ich keineswegs die Absicht, die deutsche Flugzeugbauindustrie auch mit Staatskrediten wieder aufzubauen, angegriffen habe, sondern daß ich die allerdings fachlich völlig unzureichende und in keiner Weise überzeugende Vorbereitung und Begründung dieser Kredite und Bauabsichten im einzelnen kritisiert habe?
({0})
Ich bin Ihnen für diese Erklärung außerordentlich dankbar. Ich bin sicher, daß Sie demnächst der Entsperrung dieser 30 Millionen zustimmen werden; denn Sie werden gleich sehen, daß das mit der Ausstattung der deutschen Luftwaffe mit Kampfflugzeugen überhaupt nichts zu tun hat. Das wissen Sie ja alle, aber ich nehme Gelegenheit, es hier vor dem Hohen Hause noch einmal zu sagen.
({0})
- Überlassen Sie doch bitte mir, wie ich meine Eindrücke in den einzelnen Werken sammle; es bleibt Ihnen ja unbenommen, das Ihrige zu tun.
Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, folgendes: Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß eine völlig demontierte Luftfahrtindustrie, wenn man ihr jetzt solche Aufgaben zuweisen wollte - nämlich Flugzeuge zu bauen, die den letzten Stand technischer Entwicklung haben, d. h. Flugzeuge zu bauen, die man als Kampfflugzeuge bei der Luftwaffe gebrauchen könnte -, daß diese Industrie zur Lösung solcher Aufgaben überhaupt nicht in der Lage wäre. Warum? Sie muß weitgehend ihren Maschinenpark aufbauen; sie muß ihren früheren Arbeiterstamm wieder zusammenbringen; sie muß ihre Konstrukteure und Ingenieure wieder zusammenbringen; sie muß versuchen, ihre völlig zugrunde gegangenen Unterlagen an Plänen und Zeichnungen wieder zu erarbeiten. Man kann eine deutsche Flugzeugindustrie nur so wieder zum Anlauf bringen, wenn man ihr Produktionsmöglichkeiten schafft, die es ihr erlauben, auf der dann zu findenden wirtschaftlichen Basis auch wieder deutschen Forscher- und Ingenieurgeist einzusetzen und dann auch wieder Flugzeuge zu bauen, die sich in der letzten Entwicklung mit dem messen können, was nun mal in den hochtechnisierten Ländern zur Zeit der Standard ist. Und genau das wollen wir!
Wir brauchen eine Reihe von Verbindungsflugzeugen, propellergetriebener Flugzeuge besonderer Qualität, wie Dornier eines entwickelt hat. Wir brauchen eine Reihe von Schulflugzeugen, wie sie heute in der Welt als Propellerflugzeuge und auch als Düsenflugzeuge gebaut werden, und wir brauchen eine Reihe von Transportflugzeugen. Diese Flugzeuge wollen wir entweder im Wege der Eigenentwicklung, wie es Dornier gemacht hat, oder auf dem Wege des Lizenzbaus in diese deutschen Flugzeugfirmen hineinlegen. Dazu wollen wir ihnen die Investitionsmittel geben, und wir wollen ihnen damit die Möglichkeit geben, diesen Wirtschaftszweig in Deutschland wieder so weit zu bringen, daß er auch in der Lage ist, mit anderen technischen Spitzen der Welt zu konkurrieren und mit ihnen zu arbeiten.
({1})
- Bitte, sehr gern!
Herr Minister, ich gestatte mir folgende Frage: Glauben Sie, daß das an sich sehr lobenswerte Bestreben, den deutschen Flugzeugbau wieder auf die Beine zu bringen, auch mit der Vollmacht der beiden Ausschüsse zu decken ist, dringliche Angelegenheiten im Rahmen des Verteidigungshaushalts zu finanzieren und zu organisieren? Sind Sie nicht vielmehr der Auffassung, daß es sich hier auch um ein wirtschaftliches Problem handelt, das der Mitberatung durch den Deutschen Bundestag bedarf oder bedurft hätte?
Ich bin der Auffassung, Herr Kollege Ritzel, daß dieser Gesetzgeber, wenn er sich diesen Weg selber eröffnet,
({0})
dann auch das Recht hat, so zu handeln und selber zu entscheiden, ob er diese Aufgabe für dringlich hält oder nicht.
({1})
Ich will den Nebel, den man hier über die Dinge breiten will, einmal beiseite ziehen. Die Flugzeuge, die wir brauchen, die Kampfflugzeuge, die Jäger und ähnliche Dinge, werden wir - - Ach, Sie wollten eine Frage stellen. Bitte sehr, Herr Kollege!
Herr Minister, könnten wir uns nicht besser verständigen, wenn Sie uns hier erklärten, warum die Vorbereitung für diese Ausgabe von 35 Millionen DM so schlecht gewesen ist, da auch mein Kollege Schmidt im Grunde das Vorhaben selbst ja nicht bestritten und es hier für seine Person begrüßt hat?
Ich könnte Ihnen sehr wohl sagen, daß die Verständigung zwischen uns wesentlich weiter sein könnte, nämlich dann, wenn man das, was in den dazu eingesetzten Ausschüssen, den von Ihnen gewollten Fachausschüssen, besprochen und beraten ist, nicht an dieser Stelle negieren wollte.
({0})
- Bitte sehr, Herr Schmidt!
Nennen Sie das eine Besprechung und Beratung, wenn durch einen geschäftsordnungsmäßigen Beschluß in einem solchen Ausschuß die Debatte abgewürgt wird?
({0})
Herr Schmidt, ich bin im allgemeinen nicht verlegen, auf Fragen zu antworten. Aber ich will es Ihren Kollegen Abgeordneten überlassen, Ihnen diese Frage zu beantworten. Ich bin der Meinung, daß sich die Herren im Ausschuß so verhalten, wie sie glauben ihr Verhalten richtig einrichten zu sollen. Ich bin nicht Richter über das Verhalten der Abgeordneten.
Nun folgendes, meine Damen und Herren. Das hat also, wie ich hier darlegen wollte, mit der Entscheidung darüber, welche Flugzeuge in der deutschen Luftwaffe als die eigentlichen Flugzeuge, die Kampfflugzeuge und was dazu gehört, verwandt werden, überhaupt nichts zu tun, sondern es hat nur zu tun mit gewissen Verbindern, mit gewissen Transportern und mit gewissen Übungsflugzeugen. Auch da, meine Damen und Herren, darf ich Ihnen doch erzählen - oder ist das bei Ihnen, Herr Schmidt, schon wieder in Vergessenheit geraten?
-, daß Sie zum Teil Gelegenheit hatten, sich die Flugzeuge in Nörvenich einen ganzen Tag anzusehen und auch mit diesen Flugzeugen zu fliegen. Ich glaube, daß das Verteidigungsministerium
({0})
alles getan hat, was auf diesem Gebiete getan werden konnte.
({1})
- Dazu war der Verteidigungsausschuß eingeladen. Ich glaube, das werden mir die Kollegen hier bestätigen. Ich nehme an, Sie waren damals schon Mitglied. Herr Schmidt, ich darf Sie herzlich bitten: bemühen Sie sich bitte bei den vielen, vielen sachlichen Beratungen, die wir im Ausschuß haben, ein wenig um ein Gedächtnis! Sonst muß ich Ihnen in der nächsten Ausschußsitzung immer wieder die Protokolle zitieren, was ich ja hier nicht kann, da ja der Verteidigungsausschuß und gestern sogar die beiden Ausschüsse vertraulich beraten. Ich kann ja jetzt nicht hier zitieren, was da im einzelnen gesagt worden ist.
({2})
- Gebe ich zu! Auch ich bin ein Mensch, der dem Irrtum unterliegt. Ich vergesse eben auch einmal etwas. Ich meine nur, eine solche Häufung der Vergeßlichkeiten dient solchen Beratungen nicht.
({3})
- Was wissen Sie, Herr Schmidt, wann ich beleidigt wäre!
({4})
- Ach Sie! Das sollten Sie doch nicht sagen! Seitdem wir sogar durch die Musik miteinander verbunden sind, haben Sie doch bei mir von Beleidigt-sein nichts bemerkt.
({5})
Daß die beiden Ausschüsse eine Sperrung der Summe vorgenommen haben, finde ich gar nicht einmal unberechtigt. Denn hier handelt es sich natürlich darum, daß die Lizenzverträge, die diese Flugzeugbauergruppen mit dem Ausland noch abzuschließen haben, wider Erwarten noch nicht den Stand erreicht haben, den wir annahmen, als wir diese Vorwegbewilligungsanträge stellten. Sicherlich hat der Herr Kollege Dr. Vogel recht, wenn er sagt, ihm scheine vielleicht noch das eine oder andere in den Finanzierungsmethoden einer weiteren Erklärung bedürftig zu sein. Ich bin sicher, daß wir Ihnen das in Kürze noch bieten können, was Sie wünschen, und daß wir dann mit dem Antrag auf Entsperrung an Sie herantreten werden.
Seit 4 Uhr sitzt auf Einladung der deutschen Bundesregierung der Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte, der General Gruenther, in meinem Dienstzimmer, um mit mir eine Besprechung zu führen. Um 4 Uhr 30 wird der General Gruenther vor dem Verteidigungsausschuß und dem Auswärtigen Ausschuß sprechen und auf Fragen Rede und Antwort stehen. Ich bitte Sie, Verständnis dafür zu haben, daß weder der Minister noch die hier anwesenden Abgeordneten, die zu diesen Ausschüssen gehören, die Unhöflichkeit an den Tag legen können, nicht zur festgesetzten Stunde dazu-sein. Ich bitte um Entschuldigung, daß Sie mich zu diesen langen Ausführungen zwangen. Was ich wollte, war nur, Herr Kollege Schmidt: das Gedächtnis stärken, Nebel beseitigen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mitteilung, die der Herr Verteidigungsminister soeben gemacht hat, läßt Sie erkennen, daß wir jetzt nur noch unter Zeitdruck zu sprechen vermögen.
({0})
Aber das, was jetzt von dem Herrn Kollegen Ritzel und auch das, was von dem sehr verehrten Abgeordneten der Stadt Hamburg gesagt worden ist, kann nicht unwidersprochen bleiben. Herr Kollege Ritzel, ich habe sehr genau hingehört, während Sie gesprochen haben, und da ist mir - ich kann nichts dafür - ein Wort aus einem alten Buch in den Sinn gekommen, das heißt: „Er geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge."
({1})
Herr Kollege Ritzel, Sie haben viel vom Parlament und von dem Recht des Parlaments gesprochen.
({2})
Aber was mir an Ihrer Rede am meisten Eindruck gemacht hat, was mich am meisten verwundert hat, ist, daß Sie über Entscheidungen dieses Parlaments mit einer Leichtigkeit hinweggegangen sind,
({3})
für die es keinerlei Rechtfertigungsgründe gibt.
({4})
Sie hätten nicht übersehen dürfen, daß dieses Parlament durch das Haushaltsgesetz die Summe von 5,2 Milliarden für Verteidigungszwecke bewilligt hat.
({5})
Dies ist eine Entscheidung dieses Parlaments, die Gesetzeskraft erlangt hat, die auch für Sie gilt und vor der auch Sie Achtung und Respekt haben sollten.
({6})
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
Ja, bitte!
Wollen Sie damit sagen, Herr Kollege Bausch, daß dieses Parlament bei der Feststellung der Vollmacht, Vorwegbewilligungen in dringlichen Fällen auszusprechen, daran gedacht habe, einen derart weitgehenden Mißbrauch dieser Vollmacht zu decken?
({0})
Herr Kollege Ritzel, das ist eine Behauptung von Ihnen, die durch nichts - durch gar nichts! - bewiesen ist.
({0})
Dieses Parlament hat sodann die beiden Ausschüsse, den Haushaltsausschuß und den Verteidigungsausschuß, ermächtigt, darüber zu beschließen, wie die 5,2 Milliarden im einzelnen verwendet
werden sollen, und in diesem Sinne also „Vorwegbewilligungen" vorzunehmen, die eigentlich gar
keine mehr sind, weil ja die Grundsumme bereits
bewilligt worden ist. Die Befugnis der beiden Ausschüsse beschränkt sich nach der vorweg erfolgten
({1})
Bewilligung der Gesamtsumme darauf, nun im einzelnen festzulegen, wofür diese Beträge verwendet werden sollen. Die Legitimation dieses Hauses, solche Ermächtigungen zu geben, können Sie im Ernst nicht bestreiten. Auch diese Ermächtigung hat Gesetzeskraft erlangt, ist daher auch für Sie bindend.
Dann muß darauf hingewiesen werden, daß Sie, wenn Sie diese Geschäftspraxis des Parlaments in dieser Weise angreifen, damit auch die Arbeitsmethode dieser beiden großen Ausschüsse, des Haushaltsausschusses und des Verteidigungsausschusses, irgendwie fragwürdig machen. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß Sie damit auch Ihre eigene Arbeit entwerten und in Frage stellen.
({2})
Wir nehmen für den Haushaltsausschuß und für den Verteidigungsausschuß in Anspruch, daß sie sorgfältige und gewissenhafte Arbeit leisten. Sie ist wirklich und wahrhaftig geleistet worden. Das werden Sie im Ernst nicht bestreiten können; denn Sie haben j a ständig in diesen Sitzungen teilgenommen.
Schließlich muß doch auch darauf hingewiesen werden, daß ein geradezu unabsehbarer Schaden entstehen könnte, wenn der Verteidigungsminister in seinen Dispositionen auf Schritt und Tritt dadurch behindert wäre, daß diese Beschlüsse noch nicht gefaßt worden sind. Es könnte ein Schaden entstehen, der überhaupt nicht mehr gutgemacht werden könnte und den Sie letztlich auch nicht verantworten könnten.
({3})
Nun lassen Sie mich einige Worte zu dem sagen,
was der Herr Kollege Schmidt hier gesagt hat.
Ich muß immer wieder seine Fixigkeit und die
Schnelligkeit seiner Sprache bewundern. Ich bin
mir darüber klar, daß ich als Schwabe damit nie
wetteifern kann. Aber, Herr Kollege Schmidt,
wenn Sie von Leichtfertigkeit und von mangelnder
Sorgfalt reden und wenn sich dieser Vorwurf
gegen die Herren richtet, die in diesen Ausschüssen
gearbeitet haben, dann geht es auch mich nicht nur
als Mitglied dieser Ausschüsse, sondern auch als
Schwaben an. Denn ich lasse mir nicht gern sagen,
ich hätte leichtfertig gehandelt und hätte es bei
der Wahrnehmung meiner Dienstpflichten in diesem Hause an der nötigen Sorgfalt fehlen lassen.
({4})
Deshalb muß ich versuchen, diesen Dingen auf den Grund zu gehen und mit Ihnen ein Gespräch darüber zu führen, ob der Vorwurf, den Sie gegen uns erhoben haben, wirklich zu Recht besteht.
Vorneweg möchte ich sagen, daß ich Ihre Forderung, die Ausschüsse, vor allem der Verteidigungsausschuß solle diese Fragen, die mit der Bewilligung der Mittel für die Beschaffung von Waffen und Material verbunden sind, sehr sorgfältig auch unter militärischen Gesichtspunkten prüfen, durchaus unterstreiche. Da gibt es keine Meinungsverschiedenheit zwischen uns. Diese Ausschüsse müssen die verschiedensten Fachleute hören. Das werden auch Sie nicht bestreiten wollen. Sie werden nicht das alleingültige Fachurteil für sich in Anspruch nehmen wollen.
({5})
- Gut; daran werde ich Sie gleich erinnern; ich fürchte, daß Ihr Gedächtnis Sie im Stich gelassen hat. - Wir wollen die Fachleute hören und wollen uns dann an Hand des Urteils der Fachleute unser eigenes .Urteil bilden. Auf Grund dieses Urteils wollen wir unsere Entscheidung über die Bewilligung der Mittel fällen. Ich behaupte, daß das in den Fällen, auf die Herr Kollege Schmidt Bezug genommen hat, tatsächlich geschehen ist.
Dies gilt vor allem für den Titel, der sich auf das Flugzeugprogramm bezieht. Der Herr Verteidigungsminister hat darüber sehr Wichtiges gesagt. Ich möchte Sie daran erinnern, daß diese Ausschüsse nicht nur einmal getagt haben. Wir haben zunächst eine Plenarsitzung des Verteidigungsausschusses gehabt, in der ausführlich über das Flugzeugprogramm beraten wurde. Dann haben Unterausschüsse getagt. Schließlich haben wir jetzt vor einigen Tagen nochmals eine Sitzung beider Ausschüsse, des Verteidigungsausschusses und des Haushaltsausschusses, gehabt. In allen diesen drei Sitzungen hat man sich mit diesem Titel, in dem Mittel für das Flugzeugprogramm bewilligt werden sollen, befaßt. Man ist nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen. Man hat von den 35 Millionen DM nur 5 Millionen DM bewilligt. Im übrigen hat man eine Sperre vorgelegt. Es ist gar nichts Endgültiges geschehen. Die Sperre kann nur durch einen gemeinsamen Beschluß des Verteidigungsausschusses und des Haushaltsausschusses aufgehoben werden. Das ist doch eine Maßnahme, die zeigt, mit welch großer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit diese Ausschüsse verfahren sind.
Was das Kraftfahrzeugprogramm anbelangt, so war in erster Linie und fast ausschließlich die Bewilligung der Mittel für die 0,25-t-Kraftwagen strittig. Wir haben in einer Sitzung des Verteidigungsausschusses, die im Sitzungssaal des Verteidigungsministeriums stattgefunden hat, über diese Dinge beraten, nachdem vorher Besichtigungen der inFrage kommenden Kraftfahrzeugtypen vorgenommen worden waren. Ich bin damals im Gegensatz zu den meisten Mitgliedern des Verteidigungsausschusses - ich kann das hier ruhig sagen, es hat auch in der Zeitung gestanden - dafür eingetreten, daß man einen solchen Jeep oder 0,25-t-Lastwagen kaufen solle, der luftgekühlt ist. Ich habe meine Gründe dafür angeführt. Es ist zu einem freien Austausch der Meinungen gekommen. Und wie ist die Sache ausgegangen? Der Herr Verteidigungsminister hat seine oberste Garnitur von Sachverständigen gegen mich ins Feld geführt. Sie haben alle gesagt, daß jener andere Wagen, nicht der, den ich im Auge hatte, der beste sei. Ich habe meine Gründe, meine Argumente für meinen Vorschlag vorgebracht, bin aber damit allein geblieben. Ich habe nicht die Unterstützung der Sachverständigen, aber auch nicht die Unterstützung der Mitglieder des Ausschusses gefunden. Die Beratung hat damit geschlossen, Herr Kollege Schmidt - ich möchte Sie doch daran erinnern -, daß Sie erklärt haben: „Auch ich habe mich davon überzeugt, daß dieser 0,25-t-Typ, den der Verteidigungsminister vorschlägt, der beste ist."
({6})
Und dann war die Sache aus. Ich war einigermaßen bekümmert darüber, daß auch meine Kollegen im Verteidigungsausschuß und auch diejenigen der Opposition mich im Stich gelassen haben, aber ich war völlig wehrlos. Sie waren aber bei
({7})
der Mehrheit, ich bin in der Minderheit geblieben. Nun bin ich etwas verwundert darüber, daß Sie den Vorwurf erheben, es sei hier leichtfertig und ohne die nötige Sorgfalt gehandelt worden. Dafür habe ich nicht das geringste Verständnis.
Gestatten Sie eine Frage?
Herr Kollege Bausch, darf ich zur Abwechslung mal an Ihr Gedächtnis appellieren? War es nicht vielmehr so, daß ein von unserer Seite gestellter Antrag, alle drei Fahrzeuge für nicht ausgereift zu erklären und infolgedessen überhaupt keine Entscheidung zu treffen, mit den Stimmen der CDU abgelehnt worden ist und daß man sich daraufhin entschloß, von den drei unreifen Fahrzeugen das relativ reifste auszuwählen?
({0})
Herr Kollege Schmidt, ich habe das nicht so in Erinnerung. Ich habe es so in Erinnerung, daß ich mich, nachdem ich für meine Überzeugung keine Unterstützung gefunden habe, unterstützt durch Sie - das gebe ich zu - dafür eingesetzt habe, daß in keinem Fall eine endgültige Entscheidung gefällt werden soll, welches nun der künftige Prototyp dieses Wagens für die Bundeswehr sein soll, daß man zwar eine gewisse Anzahl dieser Wagen beschaffen solle, daß man aber auch die beiden Konkurrenzfabrikate in neue Truppenversuche hineinnehmen soll, weil die bisher vorgenommenen Versuche als ungenügend erachtet wurden.
({0})
Erst nach Vornahme dieser Truppenversuche soll nun die endgültige Entscheidung gefällt werden. Das ist der Antrag, der nach einer sehr sorgfältigen Diskussion angenommen wurde. Ich habe keine Bedenken, hier zu sagen, daß ich von dem Ergebnis dieser Diskussion nicht gerade hundertprozentig befriedigt war. Ich würde es aber als ein Unrecht ansehen, wenn ich deshalb, weil ich in der Minderheit geblieben bin, sagen wollte: diese Beratung ist nicht mit der nötigen Sorgfalt vorgenommen worden.
({1})
Diese Sorgfalt war vorhanden.
Die sachliche Entscheidung, die gefällt worden ist, muß ich anerkennen. Ich muß es deshalb auf das tiefste bedauern, wenn Sie, Herr Kollege Schmidt, vor der breiten Öffentlichkeit die Gewissenhaftigkeit, mit der diese Beratungen erfolgten und die Entscheidungen getroffen wurden, anzweifeln und in Frage stellen.
Ich könnte mich noch weiter über die Dinge verbreiten, auf die Sie sonst noch eingegangen sind. Leider läßt es die Zeit nicht zu. Ich habe bei der Beratung dieser Dinge den Eindruck gehabt, daß wir alle, die wir hier ein verantwortliches Amt wahrzunehmen haben, gut daran tun, wenn wir uns alle Mühe geben, die nötigen Unterlagen zu beschaffen, wenn wir die Nase in die Dinge hineinstecken und wenn wir versuchen, uns ein eigenes Urteil zu bilden. Aber irgendwie werden wir dann immer noch auf das Urteil der Sachverständigen des Verteidigungsministeriums angewiesen sein.
({2})
Mißtrauen ist für den Parlamentarier am Platze. Aber grundsätzlich das Urteil dieser Sachverständigen als nicht zuverlässig und als nicht gewissenhaft hinzustellen, wäre sehr gefährlich. Wir haben nicht den geringsten Anlaß, daran zu zweifeln, daß diese Männer, die sich jahraus, jahrein mit diesen Dingen befassen, mit einer großen Sorgfalt und einer großen Gewissenhaftigkeit ihres Amtes walten. Wie sollten sie es auch anders tun? Wie könnte man einem alten Krieger, einem alten Soldaten unterstellen, daß er bei der Entscheidung dieser Dinge, die doch irgendwie das große Ganze der kommenden Armee und das Leben ihrer Soldaten berühren, nicht gewissenhaft wäre? Sie haben doch alle mit uns ein ganz natürliches Interesse daran, daß das Beste und das Hervorragendste für unsere Armee beschafft wird. Deshalb müssen wir unseren Sachverständigen auch ein ausreichendes Maß von Vertrauen entgegenbringen. Ohne dieses Vertrauen werden sie niemals ihres Amtes walten können.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die Gründe, die der Verteidigungsminister bereits dem Hause vorgetragen hat, will ich mich sehr kurz fassen. Es ist hier gerade von dem Herrn Kollegen Bausch erklärt worden, daß er durchaus der Feststellung widersprechen müsse, der Verteidigungsausschuß habe nicht mit der notwendigen Sorgfalt und mit der notwendigen Gewissenhaftigkeit alles geprüft, was bewilligt worden sei. Herr Kollege Bausch, ich möchte an Sie die Frage richten, ob Sie etwa bei dem Titel „Erstmalige Anschaffung von Bekleidung und Ausrüstungen für die Streitkräfte" im Gesamtbetrag von mehr als 84 Millionen DM den ernsthaften Versuch gemacht haben, sich darüber zu informieren, wie überhaupt die Grundausstattung des zukünftigen deutschen Soldaten beschaffen sein wird. Soweit ich mich erinnere, hat lediglich eine einmalige Vorführung der Uniformen im Hause des Herrn Ministers stattgefunden. Im übrigen wurde sie in einem Zeitraum von einer knappen halben Stunde, in dem ich nicht im Ausschuß anwesend sein konnte, beraten. Denn als ich wieder zurückkam, war dieser Punkt bereits erledigt.
Nun bin ich allerdings nicht der Auffassung, daß das Problem der Grundausstattung des zukünftigen deutschen Soldaten allein eine Sache der Exekutive ist. Ich bin der Meinung, daß es dem Parlament sehr wohl anstehen würde, zu untersuchen, ob alle Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit und vor allen Dingen auch die Gesichtspunkte der Preiswürdigkeit bei der Beschaffung beachtet worden sind. Wenn ich mich der sehr eingehenden Beratungen im Ausschuß für Kriegsopferfragen erinnere, die etwa über das Problem der Versorgung der Kriegsopfer mit Prothesen stattgefunden haben, wo man sich nicht nur in stundenlangen, sondern sogar in tagelangen Debatten darüber unterhalten hat, wie diese Prothesenausstattung beschaffen sein soll, muß ich feststellen, daß es geradezu unerträglich ist, daß ein immerhin nicht ganz unbescheidener Ansatz von 84 Millionen DM für die Grundausstattung des zukünftigen Soldaten im Ausschuß über die Bühne geht, ohne daß man auch nur den Versuch macht, sich ein Bild darüber zu verschaffen,
({0})
wie diese Grundausstattung im einzelnen aussieht. Ich wage, hier vor aller Öffentlichkeit die Behauptung aufzustellen, daß es kein Mitglied des Verteidigungsausschusses gibt, das in der Lage wäre, auf Grund von Beratungen, die im Ausschuß stattgefunden haben, darzulegen, aus wieviel Teilen sich diese Ausstattung zusammensetzt und wie sie im einzelnen beschaffen ist. Hier besteht also ein Widerspruch zwischen den Feststellungen, die gegenüber dem gesamten Hause getroffen werden, das ja den Ablauf dieser Beratungen in den Fachausschüssen nicht kennt, und dem, was tatsächlich geschehen ist, der in dieser Weise nicht im Raum bleiben darf.
Auf Grund meiner Beobachtungen über die Beschlußfassung zu diesen Vorwegbewilligungen muß ich allerdings meinem Freunde Schmidt in vollem Umfang recht geben und feststellen, daß die Bewilligungen in weiten Teilen leichtfertig und ohne gründliche Prüfung durch den Ausschuß ausgesprochen worden sind.
({1})
Der Bundesverteidigungsminister hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Worte dürfen nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben.
({0})
Die Uniform festzusetzen ist das Recht des Herrn Bundespräsidenten.
({1})
Dennoch hat das Verteidigungsministerium die geplanten Uniformen nicht einmal, sondern mehrfach den Parlamentariern vorgeführt.
({2})
- Nein, der Herr Bazille ging zunächst davon aus, daß die Uniform nicht richtig sei und daß diese Entscheidung sehr leichtfertig getroffen worden sei. Ich stelle das zunächst richtig. Herr Kollege Bazille, Sie sagten, „nur einmal" und da seien gerade Sie in der halben Stunde nicht dabei gewesen. Mehrfach!
Ich halte es nicht für richtig, daß man stets hier vor der Öffentlichkeit sagt, was jeder einzelne in den Ausschüssen z. B. bei der Beratung solcher Dinge gesagt hat. Sonst würde ich Ihnen z. B. sagen, wie einige Ihrer Freunde sich deshalb nicht für die vorgeführte Uniform begeistern konnten, weil ihnen zuwenig Lametta dran war! Die Damen und Herren, die dabei gewesen sind, werden sich noch erinnern.
({3})
- Ich unterstelle, es war ein Spaß.
Diese Uniformen - das will ich richtigstellen - sind den Parlamentariern mehrfach vorgeführt worden. Die Grenzjäger, die damals dafür Mannequin bei uns spielen mußten, sind weit über Gebühr in Anspruch genommen worden. Erst als kein Widerspruch aus parlamentarischen Kreisen mehr erfolgte, habe ich dem Herrn Bundespräsidenten meine Vorschläge für seine Verordnung unterbreitet. Der Herr Bundespräsident hat durch Rechtsverordnung die Uniformen bestimmt. Seine Maßnahmen sind auch der Kritik des Parlaments entzogen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete von Manteuffel.
von Manteuffel ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich gehöre zu dem Personenkreis aus dem Hohen Hause, der eingeladen ist, und ich darf mich aus dem Grunde, den der Herr Verteidigungsminister und meine beiden Herren Vorredner angeführt haben, kurz fassen.
Nur eines, verehrter Herr Kollege Schmidt. Ich glaube, wir sind die häufigsten Besucher des Ausschusses für Verteidigung, und Sie haben sonst ein treffendes Urteil über Menschen und Dinge. Aber was meine Person und meinen angeblichen Sachverstand für die nunmehr zu kaufenden Schützenpanzerwagen anbetrifft, so haben Sie sich ganz gewaltig geirrt.
Nun wird ja überhaupt über diesen Sachverstand bei der Beschaffung dieser Sachen sehr viel gesprochen. Ich will Ihnen sagen, den Sachverstand, um endgültig zu beurteilen, ob dieser Schützenpanzerwagen gekauft werden kann, habe ich heute ebensowenig, wie ich endgültig ein Urteil beispielsweise darüber abgeben kann, welche Unterbekleidung oder welche Winterausrüstung der Soldat haben muß. Das gilt noch mehr bei den Schützenpanzerwagen; darauf bin ich ja angesprochen worden. Erlauben Sie mir dazu nur wenige Sätze. Es ist zuzugeben, ich habe im Frieden und später im Kriege in diesen Fahrzeugen und mit diesen Fahrzeugen gekämpft. Ich möchte niemandem der Damen und Herren in diesem Ausschuß irgendwie unterstellen, daß er nicht den nötigen Sachverstand hat. Aber ich wage es heute nicht zu beurteilen. Dazu müßte ich dieses Fahrzeug nicht nur längere Zeit gefahren haben, verehrter Herr Kollege Schmidt, ich müßte mit dem Fahrzeug im scharfen Schuß geschossen und gekämpft haben.
Herr von Manteuffel, ich bewundere Ihre Bescheidenheit in diesem Augenblick. Aber welcher von diesen Leuten, die wirklich mit diesem Fahrzeug gefahren sind, geschossen haben usw., hat Ihnen in dem offiziellen Ausschuß ein sachverständiges Urteil abgegeben, so daß Sie sich darauf glauben verlassen zu können?
von Manteuffel ({0}) ({1}): Das wollte ich ohnehin beantworten, und ich darf es gleich tun. Ich verlasse mich dabei auf das Urteil der Experten im Bundesverteidigungsministerium.
({2})
Diese Leute sind - das darf ich sagen, einer der Herren ist leider anwesend; ich wünschte, es wäre gar nicht einmal so -, was die Kraftfahrzeuge, die Schützenpanzerwagen und Panzerfahrzeuge anbetrifft, vom Bundesverteidigungsministerium hervorragend ausgewählt. Ich kenne diese ehemaligen Offiziere von früher. Da können Sie die verschiedensten Zweige des Militärberufs sprechen, und überall werden Sie hören, daß beispielsweise, um nur einen Namen zu nennen, der Oberst Schanze dafür vielleicht d e r Experte in Deutschland ist. Wir waren doch gemeinsam in Amerika bzw. in England und haben in den Fahrzeugen gesessen.
(von Manteuffel ({3})
Ich habe genau dasselbe Urteil abgegeben. Auf wen sollen wir uns denn nachher verlassen, und wer soll denn das in dem Ausschuß prüfen?
({4})
Wir im Ausschuß könnten doch - ohne daß ich irgend jemand unterstellen will, daß er nicht vielleicht mehr Sachverstand hat als ich - noch nicht einmal das Getriebe für die Geländefahrt, für den Kampf beurteilen. Wir können vielleicht den Winker, den Anstrich, die Bereifung beurteilen.
Herr von Manteuffel, kann es sein, daß I h r Gedächtnis Sie täuscht
({0})
- immer langsam! - und daß vielleicht die Expertisen der Herren, auf die Sie sich beziehen, im Privatgespräch bzw. ähnlich wie bei den Flugzeugen in einer koalitionsinternen Besprechung, nicht aber im Ausschuß abgehandelt worden sind? Ich kann mich nicht erinnern, daß irgendeiner der Herren Sachverständigen im Ausschuß auch nur mehr als fünf Minuten über die Schützenpanzerwagen sprochen hat.
von Manteuffel ({1}) ({2}): Verehrter Herr Kollege Schmidt, ich darf wiederholen: wir beide sind, glaube ich, die häufigsten Besucher dieses Ausschusses. Ich weiß nicht, ob Sie beweisen können, daß das Bundesverteidigungsministerium nicht allen den Wünschen oder Anträgen betreffend Besuche oder Vorstellungen, die wir im Ausschuß angebracht haben, entsprochen hat. Es ist doch so - wir dürfen das hier vor dem gesamten Plenum aussprechen, auch wenn es draußen gehört wird -, daß manchmal mehr Sachverständige und Begleitpersonal des Ministeriums als Mitglieder des Ausschusses da waren. Der Bundesverteidigungsminister hat doch damals - entsinnen Sie sich bitte an die gemeinsame Sitzung des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Verteidigung - Luftwaffenleute, Marineleute, alles angebracht; der ganze Saal war doch voll. Und da ich, wie Sie wissen, eine Antipathie gegen die Argelanderstraße 105 habe - weil ich sie einfach wegen der Presseverlautbarungen, die dann folgen würden, nicht betreten kann; dann wird gesagt, ich stehe da an, um mich verwenden zu lassen -, gehe ich selten hin. Aber ich habe die Herren gebeten, mich in oder nach der Ausschußsitzung zu orientieren. Das ist nicht nur alte Kollegialität. Ich höre vielmehr von den Herren des Haushaltsausschusses genauso wie von den Herren des Verteidigungsausschusses, daß sie die Auskünfte, die sie verlangt haben, auch erhalten haben. Ich glaube, darüber besteht kein Zweifel.
Verehrter Herr Kollege Schmidt, Sie sagen nun: Wie kann ein Mann wie Manteuffel da zustimmen, wir legen uns doch für lange Zeit fest. Dazu muß ich sagen: wir haben doch die Umdrucke über die Schützenpanzerwagen, über die Kampffahrzeuge und über die gepanzerten Fahrzeuge bekommen und wissen doch, daß mehrere Typen angegeben sind. Die Technik schreitet doch heute fort, und was man heute geschaffen hat, wird vielleicht morgen schon aufgehoben. Aus diesem Grunde hat der Bundesverteidigungsminister z. B. an Kampffahrzeugen die verschiedensten amerikanischen Typen, soweit er sie nicht überhaupt geschenkt bekommen hat, gekauft, aber auch englische und französische genommen, um Vergleichstypen zu haben. Insofern, meine ich, ist der Boden dafür gegeben, daß wir auf Grund der Erkenntnisse der weiter fortschreitenden Technik dann auch auf etwas anderes umschalten können.
Ich darf daran erinnern, daß wir durch den Art. 87 a des Grundgesetzes eine Einwirkungsmöglichkeit und vom haushaltsrechtlichen Standpunkt - den der von mir sehr geschätzte Kollege Ritzel dargelegt hat - die Möglichkeit haben, uns immer wieder einzuschalten. Wir sind sogar Untersuchungsausschuß geworden. Wir könnten auch das Bundesverteidigungsministerium hinzunehmen. Jetzt müssen wir - das ist allerdings auch mein Wille - eine Lücke schließen, weil wir selber doch nichts bauen können. Und da werden wir uns natürlich nicht selber hinsetzen und irgend etwas zusammenbasteln. Über die Frage haben wir auch gemeinsam gesprochen, verehrter Herr Kollege Schmidt, in der gemeinsamen Sitzung des Haushaltsausschusses und Verteidigungsausschusses unter Vorsitz des sehr verehrten Herrn Schoettle. Wir halten uns vielmehr an die Leute, die zwölf Jahre daran herumgebastelt und den technischen Fortschritt mitgemacht haben; wir wenden uns an die Nationen, die uns die Hilfe gewähren, die wir selbstverständlich zu bezahlen haben. Es erfolgt auch keine Festlegung auf lange Zeit; denn was sind denn nun - ich will nicht gerade bagatellisieren - diese 5000 Fahrzeuge, die als Führungsfahrzeuge dort eingesetzt sind? Das ist doch noch lange nicht der Bedarf, den wir für die Streitkräfte überhaupt brauchen.
Nun: Sie sagen, wir hätten im Ausschuß nicht gesprochen. Die verschiedensten Herren der Koalitionsparteien und ich haben uns verhältnismäßig kurz gefaßt, weil uns das im ganzen gegeben wurde und ich selber von Marinestreitkräften und Luftstreitkräften verhältnismäßig wenig verstehe. Was die Fahrzeuge selber betrifft, so habe ich nicht gesprochen, weil es mir bei diesem Sektor klar ist, daß für den Anfang die Typenbeschränkung erfolgen muß. Verehrter Herr Schmidt, Sie haben selber wie ich beklagt, daß wir im Krieg diese Unzahl von Typen hatten. Jetzt sollen es, glaube ich, an Lastwagen acht Typen sein. Es werden - unter Freunden - vielleicht zehn oder zwölf werden; dann wollen wir uns noch glücklich schätzen. Wir wollen die besten Typen auswählen. Darum kaufen wir in den verschiedenen Ländern.
Deswegen antworte ich Ihnen auf Ihre Frage: das Programm jedenfalls für die Kraftfahrzeuge und für die Kampffahrzeuge hat meine Zustimmung voll gefunden. Aus diesem Grunde muß ich den Vorwurf der Leichtfertigkeit und der Oberflächlichkeit zurückweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Berendsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Sprecher der CDU/CSU für militärische Fragen weise ich auf das entschiedenste zurück, Herr Kollege Schmidt, was Sie uns vorhin vorgeworfen haben, nämlich daß wir mit Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit an diese Dinge herangetreten seien.
({0})
Ich darf darauf hinweisen, daß wir in zahllosen Ausschußsitzungen und in immer wieder lange dauernden Besprechungen die Möglichkeit gehabt haben, wenn wir wollten - ich jedenfalls habe das getan, und meine Freunde, die Sie vorhin angegriffen haben, haben das auch getan -, uns genau davon zu überzeugen, was wir da vor uns hatten, was wir bewilligen sollten. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sehr verehrter Herr Kollege
({1})
Schmidt: Tun Sie das auch! Wenn Sie in den Ausschüssen nicht selber so furchtbar viel redeten, sondern die dort vorhandenen zahlreichen Experten, die auch der Herr Verteidigungsminister immer mitbringt, einmal länger zu Wort kommen ließen, dann wäre es auch Ihnen wahrscheinlich möglich, Ihren Sachverstand ein wenig aufzubessern.
({2})
- Das kommt auf die Person an. So leicht betäuben sie mich nicht.
({3})
Nun, wir wollen uns ja nicht immer in dieser Form unterhalten. Herr Kollege Schmidt, ich habe vorhin auf der Strichliste Lob und Tadel mitgeschrieben. Sie haben uns viermal getadelt und nur zweimal gelobt. Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie vielleicht in Zukunft die Möglichkeit hätten, auch ein wenig mehr von der positiven Seite dessen, was wir dort miteinander tun, herauszufinden. Eines möchte ich im Namen meines Kollegen Dr. Jaeger, der aus naheliegenden Gründen im Moment nicht im Saale ist, hier sagen: Wir haben uns im Verteidigungsausschuß immer mit besonderem Stolz dadurch ausgezeichnet, daß die Opposition und die Koalitionsparteien in hervorragender Form zusammengearbeitet haben. Ich möchte Sie deshalb bitten, mit Vorwürfen der Art, wie Sie sie eben hier in der Öffentlichkeit vor dem Plenum erhoben haben, in Zukunft recht vorsichtig zu sein.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der Zeit möchte ich mich kurz fassen, Herr Berendsen, und Ihnen in zwei Sätzen antworten.
({0}) - Warten Sie es ab!
Den Vorwurf der Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit halte ich genauso entschieden aufrecht, wie Sie ihn abgewehrt haben.
({1})
Den Vorwurf des zuvielen Redens kann ich deswegen nicht hinnehmen, weil es sich nicht um Reden, sondern um Fragen gehandelt hat, die nicht alle beantwortet worden sind.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung zu Punkt 8.
Ich schlage dem Haus Überweisung des Gesetzentwurfs an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Die Tagesordnungspunkte 9, 10, 11 und 12 sind bereits erledigt.
Ich rufe auf Punkt 13:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes ({0}).
Auf Einbringung und Debatte in der ersten Beratung soll verzichtet werden. Ich schlage dem Haus Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Zwischendurch - damit ich es nicht vergesse - darf ich noch eine kleine Berichtigung nachholen. Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen teilt mit:
Bei der gestrigen Verabschiedung der 5. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz wurde durch Änderungsantrag zu Art. 4 das Datum „1. Juli 1956" durch das Datum „1. April 1956" ersetzt. Von den Antragstellern und auch vom Plenum ist hierbei übersehen worden, daß folgerichtig dann auch in Art. 2 Nr. 2 letzter Satz das Datum „1. Juli 1956" in „1. April 1956" abgeändert werden muß.
Darf ich unterstellen, daß das Haus diese Auffassung teilt und sie hiermit bestätigt? - Das ist der Fall.
Ich rufe Punkt 14 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Viehzählungsgesetzes ({1});
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) ({3}).
({4})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Teriete. Ich erteile ihm das Wort.
({5}) p
- Sie verzichten auf Berichterstattung. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Dann eröffne ich die zweite Beratung. Ich rufe auf § 1 mit dem Änderungsantrag Umdruck 600**) der Abgeordneten Menke, Lücker ({6}) usw. Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Menke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich hier um nicht mehr und nicht weniger als um die Sommerzählung der Schafe. Der vorliegende Änderungsantrag zum Entwurf des Viehzählungsgesetzes hat das Ziel, in § 1 Abs. 3 Satz 1 die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen, d. h. es sollen bei der Zwischenzählung im Juni neben Schweinen und Rindern auch die Schafe wieder erfaßt werden. Der Bundesrat hatte bekanntlich in seiner Sitzung am 21. Dezember 1955 die Junizählung der Schafe als überflüssig erachtet und als zu kostspielig bezeichnet und den Regierungsentwurf dahingehend geändert. In seiner Begründung vertrat der Bundesrat die Ansicht, daß im Juni die meisten Schaftherden nicht in ihren Heimatorten anzutreffen seien und deshalb die Zählergebnisse nicht der Wirklichkeit entsprächen. - Das Gegenteil ist zutreffend. Die Möglichkeit, zu falschen Ergebnissen zu kommen, ist im Dezember genauso gegeben wie am 3. Juni. Unsere Wanderherden, die - das wissen alle Praktiker - noch über 60 %, im süddeutschen Raum sogar über 80 % des Bestandes darstellen, wandern im Herbst in schnee-
*) Siehe Anlage B. **) Siehe Anlage 9.
({0})
freie Gegenden, in die sogenannten Winterweiden ab.
Ich kann Ihnen dies vielleicht am besten durch einige Zahlen erläutern, indem ich nur die Ergebnisse der letzten zwei Jahre anführe. Im Jahre 1954 waren in der Junizählung 1 600 000 Schafe erfaßt und am 3. Dezember nur noch 1 250 000 Schafe vorhanden. Die Differenz betrug in diesem Falle also 350 000 Schafe gleich 30 %. Im Juni 1955 ergab die Zählung 1 465 000 Schafe und die Dezemberzählung des gleichen Jahres nur 1 200 000 Schafe. Hier betrug die Differenz 265 000 Schafe, also ca. 23 %.
Wenn schon die Viehzählungsergebnisse die Grundlage für agrarpolitische Maßnahmen der Bundesregierung bedeuten, dann sollten diese Zahlen beweisen, wie wertvoll die Junizählung der Schafe ist. Die Junizahlen geben Aufschluß über die Ablammergebnisse und ermöglichen gleichzeitig Rückschlüsse auf die Zunahme der Lämmermast. Die Versorgung der Märkte mit Schlachtvieh und die Feststellung des Einfuhrbedarfs kann doch nur auf Grund genauer Bestandzahlen durchgeführt werden.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, diesem Änderungsantrag Umdruck 600 die Zustimmung zu geben.
({1})
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 600*). Wenn ich richtig sehe, bedeutet die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, daß an der betreffenden Stelle des Gesetzes hinter dem Wort „Rindvieh" die beiden Worte „und Schafe"
({0})
wieder eingefügt werden. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wer dem § 1 in der abgeänderten Fassung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf die §§ 2, - 3, - 4 des Gesetzes. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 5, dazu den Änderungsantrag Umdruck 605**). Wer von der antragstellenden Fraktion begründet?
({1})
- Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Unertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag, der von der FDP-Fraktion gestellt worden ist, den § 5 zu streichen, möchte ich im Namen meiner Freunde erklären, daß wir ihm nicht zustimmen werden. Wir möchten in dem ganzen Viehzählungsgesetz so viel Ordnung wie nur möglich und so wenig Polizeistaat wie nur
*) Siehe Anlage 9.
**) Siehe Anlage 10.
erträglich haben; aber es ist unumgänglich, daß es den Zählern gestattet wird, ein Gehöft zu betreten. Wer heute den § 5 als Belastung empfindet, der muß doch nur die Kreise ansprechen, bei denen es sich um unwillige Menschen handelt. Gegen Unwillige muß man aber auch über eine gesetzliche Handhabe verfügen. Ich möchte Sie daher bitten, den § 5 nicht zu streichen, d. h. den Änderungsantrag abzulehnen.
Aus den gleichen Gründen bitte ich, auch den Antrag auf Streichung des § 7 abzulehnen, zu dem ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hiermit gleich Stellung nehmen darf.
Schließlich wird zu § 6 - vielleicht darf ich dazu ebenfalls gleich sprechen, Herr Präsident - die Streichung eines Teiles dieser Bestimmung beantragt. Hier ist ein großer Teil meiner Freunde mit mir der Meinung, daß man einer Streichung zustimmen könnte.
Wird zu dem aufgerufenen Paragraphen noch das Wort gewünscht?
- Das ist nicht der Fall; dann komme ich zur Abstimmung.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 605**) zu 1, § 5 zu streichen, zustimmt, der gebe das Handzeichen. - Eine Stimme ist zuwenig; der Antrag ist abgelehnt.
Wer dem § 5 in der Ausschußfassung zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 6 mit Umdruck 605 zu 2. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
- Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache und komme zur Abstimmung.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 605 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer dem § 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf § 7 mit Umdruck 605 zu 3, wonach § 7 gestrichen werden soll. Soll der Änderungsantrag begründet werden? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache und komme zur Abstimmung.
Wer dafür ist, daß § 7 gemäß dem Änderungsantrag Umdruck 605 Ziffer 3 gestrichen wird, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer für § 7 in der Ausschußfassung stimmt, möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
§ 8, - § 9, - Einleitung und Überschrift. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache.
Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Ge-
**) Siehe Anlage 10.
({0})
genprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit sind wir am Ende der zweiten Beratung.
Wir treten in die
dritte Beratung
des Gesetzes ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die allgemeine Aussprache.
Änderungsanträge zur dritten Lesung liegen mir nicht vor. Deshalb komme ich zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Vor Punkt 15 der Tagesordnung muß ich noch einen eingefügten Gegenstand aufrufen:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Internationale Finanz-Corporation und betreffend Gouverneure und Direktoren in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in der Internationalen Finanz-Corporation und im Internationalen Währungsfonds ({1}).
Es ist vereinbart, auch hier so zu verfahren, daß auf Begründung und Debatte in der ersten Beratung verzichtet wird. Ich schlage dem Hause Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Geld und Kredit vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; dann ist so beschlossen.
Nunmehr Punkt 15:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das deutsch-isländische Protokoll vom 19. Dezember 1950 über den Schutz von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten ({2});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht ({3}) ({4}).
({5})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Höck.
({6})
- Der Schriftliche Bericht*) liegt vor. Verzichtet das Haus auf mündliche Berichterstattung? - Das ist der Fall.
Der Ausschuß hat beantragt, den Gesetzentwurf unverändert nach der Vorlage anzunehmen. Ich rufe auf in zweiter Beratung die Artikel 1, - 2, -3, - Einleitung und Überschrift in der Fassung, wie sie Ihnen mit Drucksache 1785 vorliegt. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
- Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Lesung des Gesetzes beendet.
Wir treten ein in die
dritte Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
*) Siehe Anlage 11.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem aufgerufenen Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 16:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 4. April 1955 über Offshore-Beschaffungen ({7}).
Ich schlage dem Hause die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik vor.
({8})
Es wird noch der Antrag gestellt, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Außenhandelsfragen - mitberatend - und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik - federführend - zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Die Überweisung ist erfolgt.
Punkt 17:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die am 22. März 1956 in Bonn unterzeichneten drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über deutsche Vermögenswerte in Schweden, über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und zum deutschen Lastenausgleich ({9}).
Ich schlage dem Hause Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen - federführend -, den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, den Ausschuß für den Lastenausgleich und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht - mitberatend - vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung erfolgt.
Punkt 18:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 56 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Oktober 1936 über die Krankenversicherung der Schiffsleute ({10}).
Auch hier soll wie bisher verfahren werden. Ich schlage dem Hause Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Sozialpolitik vor. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 19:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Luftverkehr ({11}).
Ich schlage dem Hause die Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen vor.
({12})
({13})
- Es ist der Antrag gestellt, den Gesetzentwurf auch dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zur Mitberatung zu überweisen.
({14})
Ich lasse darüber abstimmen. Bitte, wenn Sie es begründen wollen in kurzer Geschäftsordnungsdebatte, höchstens fünf Minuten.
Herr Präsident! Ich werde es in einer Minute machen. Die Luftverkehrsabkommen, die unter den Punkten 19 und 20 der Tagesordnung stehen, betreffen Dienstleistungen von deutschen Flugzeugen im Ausland. Diese Dienstleistungen sind ein Bestandteil des gesamten Güter- und Dienstverkehrs, der zwischen uns und auswärtigen Staaten besteht. Es kann nicht ausbleiben und es ist auch nicht ausgeblieben, wenn der Außenhandelsausschuß nicht die Möglichkeit hat, hier mitzudiskutieren, daß dann einseitige Entscheidungen lediglich vom Verkehrsstandpunkt aus getroffen werden, die sich in unserer Handelsbilanz auswirken. Deshalb scheint es dem Außenhandelsausschuß berechtigt, wenn ihm die Punkte 19 und 20 zur Mitberatung überwiesen werden.
Daß der Gesetzentwurf an den Ausschuß für Verkehrswesen überwiesen wird, damit ist das Haus wohl einverstanden; daß er federführend ist, ist auch klar. Ich lasse also abstimmen über den Zusatzantrag, auch an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. Wer dafür ist, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Minderheit. Also die Mehrheit hat beschlossen, die Gesetzentwürfe auch dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zur Mitberatung zu überweisen. Das ist so beschlossen.
Punkt 20:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Juli 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über den Luftverkehr zwischen ihren Gebieten und darüber hinaus ({0}).
Wird hier auch der Zusatzantrag gestellt? Ich will ihn nicht heraufbeschwören, aber es wäre die Parallele.
({1})
Ist das Haus damit einverstanden? Nach der Abstimmung, die wir gerade durchgeführt haben, ist es wohl der Fall. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Punkt 21:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Dritte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ({2}) ({3}).
Ich schlage dem Hause Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vor. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Punkt 22:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Vierte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ({4}) ({5}).
Auch hier Vorschlag: Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. Ich glaube, Sie sind damit einverstanden. - Das ist so beschlossen.
Punkt 23:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Fünfte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ({6}) ({7}).
Hier Überweisung wie vorhin an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Punkt 24:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes ({8}).
Sie sehen aus der Bezeichnung, daß weder begründet noch darüber debattiert werden soll. Es wurde mir vorhin die Bitte der antragstellenden Fraktion übermittelt, kurz begründen zu dürfen. Aber der Sprecher, der mir genannt wurde, ist nicht mehr anwesend.
({9})
Das Haus verzichtet. Dann schlage ich vor: Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Sozialpolitik. Aber ich lese hier den Vermerk, daß die Federführung strittig ist. - Herr Abgeordneter Sabel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Überschrift könnte man zwar entnehmen, daß es sich um die Zuständigkeit des Ausschusses für Sozialpolitik handelt. Der materielle Inhalt dieses Entwurfs betrifft aber einzig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Er muß also gemeinsam mit der zur Zeit schon im Ausschuß behandelten Novelle zum AVAVG behandelt werden. Ich glaube, es ist unbestritten, daß in diesem Fall der Ausschuß für Arbeit zuständig und allein zuständig ist. Es bedarf auch nicht der Mitberatung des Sozialpolitischen Ausschusses.
({0})
Also lautet Ihr Antrag, Herr Abgeordneter Sabel, den Gesetzentwurf nur dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen.
({0})
Das Haus hat den Antrag gehört. Ich lasse darüber abstimmen. Wer dieser Meinung ist, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen ? - Dann ist so beschlossen.
Punkt 25 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA ein({1})
gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes ({2}).
Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik. Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 26 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1930 über Zwangsoder Pflichtarbeit ({3});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({4}) ({5}). ({6}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Bergmann. - Bitte!
Bergmann ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf das Hohe Haus auf den Schriftlichen Bericht*) zu diesem Entwurf aufmerksam machen. Es handelt sich um die Drucksache 2294. Der Ausschuß hat sich damit beschäftigt und empfiehlt dem Hohen Haus, dem Gesetzentwurf Drucksache 2137 unverändert nach der Vorlage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf in der zweiten Beratung Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5, - Einleitung und Überschrift. - Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Artikeln sowie der Einleitung und
der Überschrift des Gesetzes in der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit sind wir am Ende der zweiten Beratung.
Ich trete in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache und gebe dem Herrn Abgeordneten Richter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrag der SPD-Fraktion habe ich zu diesem Tagesordnungspunkt folgendes zu erwähnen. Es dürfte Ihnen bekannt sein, daß die SPD-Fraktion des Bundestages im Mai vergangenen Jahres einige Gesetzentwürfe zur Ratifikation von Übereinkommen des Internationalen Arbeitsamtes eingebracht hat. Darunter waren auch das Übereinkommen Nr. 29 sowie die Übereinkommen Nr. 87, Nr. 98 und Nr. 100. Wir können mit Genugtuung feststellen, daß das Hohe Haus die Übereinkommen Nr. 98 und Nr. 100 bereits ratifiziert hat. Ebenso begrüßt die SPD-Fraktion, daß heute die zweite und dritte Lesung des Ratifikationsgesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 29 erfolgen wird.
Leider muß die SPD-Fraktion aber mit Bedauern feststellen, daß das sozialpolitisch wichtige Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes dem Hohen Hause bis jetzt noch nicht zur Ratifizierung unterbreitet wurde. Während der Ausschuß für Arbeit sich grundsätzlich für eine Ratifikation aus*) Siehe Anlage 12.
gesprochen hat, ist der Bundestagsausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht der Auffassung, daß vorweg die Frage geprüft werden soll, ob Initiativgesetze zur Ratifikation internationaler Übereinkommen aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden können. Diese Sachlage bedauern wir um so mehr, als die Bundesregierung dem Internationalen Arbeitsamt einen Bericht zu unterbreiten hat, in dem sie die Gründe angeben muß, warum die Bundesregierung dieses Übereinkommen bis jetzt noch nicht ratifiziert hat. Wir haben hierzu, wie Ihnen bekannt sein dürfte, eine Große Anfrage Drucksache 2316 vom 18. April 1956 eingebracht und erwarten, daß die Bundesregierung sie umgehend beantwortet. Die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation haben, wie Sie wissen, den bedeutsamen Zweck, Mindestnormen, die internationale Anerkennung gefunden haben und zu dem großen. wichtigen Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts gehören, in allen Staaten der Welt festzulegen.
Das dem Hohen Hause vorliegende Übereinkommen Nr. 29 wurde bereits im Jahre 1953 im Bundesrat behandelt. Leider hat damals die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf dem Bundestag nicht zugeleitet. Die Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation, die das Übereinkommen ratifizieren, verpflichten sich damit, Zwangs- oder Pflichtarbeit in jeder Form möglichst bald in ihren Ländern zu beseitigen. Als Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne des Übereinkommens Nr. 29 wird jede Art von Arbeits- und Dienstleistung verstanden, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sich diese Person nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.
Ich bin davon überzeugt, daß Sie, meine Damen und Herren, derartige Zustände für menschenunwürdig halten. Diese Verstöße gegen die Menschenwürde sind auch die Ursache, daß sich die Internationale Arbeitsorganisation auf ihrer diesjährigen Konferenz im nächsten Monat in Genf mit der Frage der Zwangsarbeit befassen wird. Sie haben vielleicht von der heutigen dpa-Meldung Kenntnis erhalten, wonach die USA folgende Maßnahmen gegen Zwangsarbeit fordern. Es heißt in dieser Meldung:
Der amerikanische Arbeitsminister Mitchel kündigte am Dienstag in Washington an, daß sich die USA bemühen werden, einen allgemeinen Boykott von Waren durchzusetzen, die in Zwangsarbeit hergestellt werden. Auf der Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf im kommenden Juni wollen die USA eine Konvention über einen solchen Boykott vorschlagen, der sich hauptsächlich gegen die Zwangsarbeit in der Sowjetunion und den Ostblockstaaten wenden wird.
Sie sehen, wie wichtig das Übereinkommen Nr. 29 und seine Ratifizierung ist.
Wir bedauern, daß aus der Drucksache, die uns zur Beratung vorliegt, nicht hervorgeht, daß die SPD-Fraktion durch ihren Antrag vor einem Jahr, der die Drucksachennummer 1366 trägt, die Ratifizierung der internationalen Übereinkommen gefordert hat, sondern daß nur der später eingebrachte Gesetzentwurf der Bundesregierung erwähnt ist.
Ich ziehe hiernach im Auftrag der SPD-Fraktior. die Drucksache 1366 zurück.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist notwendig, noch einiges zur Ergänzung zu sagen. Die SPD hatte seinerzeit vier solcher Übereinkommen hier zur Annahme vorgelegt, entgegen der früheren Übung, nach der solche Obereinkommen nur von der Regierung vorgelegt wurden.
({0})
Dabei wurden zwei Übereinkommen nur dem Ausschuß für Arbeit überwiesen, zwei zusätzlich dem Rechtsausschuß. Der Ausschuß für Arbeit hat die zwei ihm allein zugewiesenen Übereinkommen behandelt, und sie sind hier verabschiedet worden, ohne daß offiziell gegen die Initiative aus dem Hause Einspruch erhoben wurde. Bei den zwei übrigen Vorlagen, die an den Rechtsausschuß gegangen sind, sind im Rechtsausschuß Bedenken laut geworden, ob dieses Verfahren möglich ist. Man hat bezüglich des heute hier zur Diskussion stehenden Übereinkommens von einer Weiterbehandlung Abstand genommen, weil inzwischen die Regierungsvorlage eingebracht wurde, also die Initiative der Regierung erfolgte. Das ist bei dem Übereinkommen Nr. 87 noch nicht geschehen. Der federführende Ausschuß kann die Dinge nicht abschließend behandeln, wenn hier noch diese Unklarheiten gegeben sind. Ich halte es auch für dringlich, daß seitens der Regierung schnell die Frage geprüft wird, ob man ein solches Initiativrecht für möglich hält oder nicht, damit das Hohe Haus dazu Stellung nehmen kann.
Es ist allerdings auch zu prüfen, ob nun nicht seitens der Regierung das Übereinkommen Nr. 87 vorgelegt werden kann. Es sind Meinungsverschiedenheiten unter den Ressorts vorhanden. Sie betreffen insbesondere die Frage, ob die Annahme des Übereinkommens uns unter Umständen hindert, gegen verfassungsfeindliche Organisationen entsprechend vorzugehen. Ich möchte auch hier an die Regierung die Bitte richten, daß sie die Entscheidung bald trifft und gegebenenfalls dem Hohen Hause auch das Übereinkommen Nr. 87 vorlegt.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung. Änderungsvorschläge liegen nicht vor; ich komme zur Abstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich bitte vom Platz erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Da der Gesetzentwurf der SPD durch ihren Sprecher zurückgezogen worden ist, erübrigt sich eine Abstimmung über Ziffer 2 des Ausschußantrags.
Punkt 27 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts*) des Ausschusses für Arbeit ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Lahr, Mauk, Dannemann und Genossen betreffend Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft ({1}).
*) Siehe Anlage 13.
Berichterstatter ist der Abgeordneter Engelbrecht-Greve.
({2})
- Auf einen mündlichen Bericht wird verzichtet. Ich eröffnet die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag auf Drucksache 2262 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 28 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik ({3}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Bundesbeihilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge ({4}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Arndgen. Bitte!
Arndgen ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Einzelplan 11 - Bundesarbeitsministerium - Kapitel 12 sind seit dem Rechnungsjahr 1951 Mittel eingesetzt, um Härten auszugleichen, die sich daraus ergeben, daß viele der zum Zweck der betrieblichen Altersfürsorge geschaffenen Unterstützungseinrichtungen infolge der durch den Krieg und seine Folgen erlittenen Verluste die für die Leistung erforderlichen Mittel nicht mehr aufbringen können. Diese Mittel waren im Jahre 1951 und im Jahre 1952 mit 10 Millionen DM, im Jahre 1953 mit 15 Millionen DM, im Jahre 1954 und im Jahre 1955 mit je 10 Millionen DM veranschlagt, und im Jahre 1956 sind 7 Millionen DM eingesetzt. Über die Verwendung dieser Mittel hat die Bundesregierung am 17. Oktober 1951 Richtlinien erlassen, die 1. den Personenkeis, 2. die Voraussetzungen für den Bezug der Beihilfen, 3. die Höhe der Bundesbeihilfen, 4. die Leistungen des Bundes im Verhältnis zu den Leistungen der Betriebe und 5. das Verfahren für die Gewährung von Beihilfen festlegen.
In der Drucksache 1312 - Antrag der SPD-Fraktion - wurde beantragt, zu bestimmen, daß
a) Ansprüche nicht unter der Begründung abgelehnt werden, bei Fortfall von Leistungen der betrieblichen Altersfürsorge infolge Enteignungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone handele es sich um keine Nachwirkungen des Krieges,
b) Benachteiligungen von Heimatvertriebenen, die Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersfürsorge verloren haben, vermieden werden,
c) Zeitverluste infolge langfristiger Bearbeitung der Anträge auf Gewährung von Bundesbeihilfen nicht zu Lasten der Berechtigten gehen.
Der Ausschuß für Sozialpolitik hat sich in vier Sitzungen mit diesem Antrag beschäftigt. Er hat dabei auf Grund von Ausführungen eines Regierungsvertreters festgestellt, daß die in dem SPD-Antrag unter a) angesprochenen Anliegen insoweit erfüllt sind, als alle Betriebe der Sowjetzone, die vor Ende des Krieges zerstört worden sind und
({6})
deswegen an die in West-Berlin wohnenden Angehörigen eine Altershilfe nicht leisten können, in die Bundesbeihilfen einbezogen sind.
Zu Buchstabe b wurde ein Antrag des Abgeordneten Stingl angenommen, den Sie in der Drucksache finden. Der Ausschuß war der Meinung, daß es, auch wenn das Olsa-Gebiet am 26. August 1939 noch nicht zu den zum damaligen Deutschen Reich gehörenden Gebieten zählte, doch recht und billig ist, die Berechtigten aus diesem Gebiet miteinzubeziehen, zumal da Zentralstellen von Betrieben aus dem Olsa-Gebiet, die in der Tschechei stationiert waren, schon in die Bundesbeihilfen einbezogen sind.
Soweit in der Drucksache 1312 Benachteiligungen von Hinterbliebenen, die Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersfürsorge haben, und Wartezeiten angesprochen sind, einigte sich der Ausschuß auf die Empfehlung an die Bundesregierung, in den Fällen des Abschnittes V Abs. 2 der Richtlinien die in der maßgeblichen Betriebsregelung für die Erlangung betrieblicher Altersfürsorgeleistungen vorgesehene Wartezeit auch dann noch als erfüllt anzusehen, wenn sie um nicht mehr als 20 % deshalb unterschritten wird, weil das Beschäftigungsverhältnis infolge des Krieges oder seiner Nachwirkungen aufgegeben werden mußte.
In dem Beschluß zu dem Buchstaben c der Drucksache 1312 wurde auch der vererbliche Anspruch der Bundesbeihilfen angesprochen und der Bundesregierung folgendes empfohlen. In den Fällen, in denen ein bundesbeihilfeberechtigter Antragsteller vor Bewilligung oder Auszahlung der Bundesbeihilfe verstirbt, kann der bis zum Sterbetag anfallende Bundesbeihilfebetrag auf Antrag seinem Ehegatten bzw. einem Verwandten auf- und absteigender Linie ausgezahlt werden, sofern nachgewiesen wird, daß diese Person in häuslicher Gemeinschaft mit dem Verstorbenen gelebt hat.
Obwohl die Frage in dem Antrag Drucksache 1312 an sich nicht angesprochen ist, wurde vom Vorsitzenden des Ausschusses ein Antrag mit dem Ziel gestellt, die Richtsätze in den Richtlinien für Pensionäre von 30 bzw. 50 DM auf 70 DM im Monat, für Witwen von 15 bzw. 25 DM auf 35 DM im Monat und für Waisen von 10 bzw. 15 auf 25 DM im Monat zu erhöhen. Die Mehrheit des Ausschusses - sie setzte sich aus Vertretern aller Fraktionen zusammen - war aber der Meinung, daß dem Vorschlag des Vorsitzenden nicht beigetreten werden sollte, weil in naher Zukunft eine erhebliche Anhebung der Leistungen der Rentenversicherung im Zuge der Sozialreform zu erwarten sei. Der Ausschuß vertrat allerdings die Meinung, daß bezüglich der Weitergewährung von Bundesbeihilfen die Richtlinien vom 17. Oktober 1951 nach der Neuordnung der Rentenversicherung überprüft werden müßten.
In bezug auf das Inkrafttreten der Ausschußbeschlüsse einigte sich der Ausschuß für den Buchstaben b - Olsa-Gebiet - und für den Buchstaben c - Wartezeit - auf den 1. Januar 1956.
Bezüglich der Auszahlung der Bundesbeihilfen nach Sterbefällen war der Ausschuß der Meinung, daß es sich hierbei um grundsätzlich noch nicht entschiedene Fälle handle; bei bereits entschiedenen Fällen sollte die Bundesregierung ein möglichst weitgehendes Entgegenkommen walten lassen.
Ihren Niederschlag haben die Beratungen in der Drucksache 2257 gefunden, deren Annahme ich im Auftrage des Ausschusses empfehle.
Der Ausschuß für Haushaltsfragen, der zur Mitberatung eingeschaltet gewesen ist, hat sich in seiner 153. Sitzung ebenfalls mit diesem Antrag beschäftigt und festgestellt, daß im Rahmen des Haushaltsansatzes im Einzelplan 11 Mittel vorhanden seien, um diese Beschlüsse durchzuführen. Auch der Haushaltsausschuß empfiehlt die Annahme des Antrags.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag auf Drucksache 2257 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 29 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({0}).
Ich schlage vor Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 30 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({1}).
Auch hier ist Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vorgeschlagen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 31 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen ({2}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Berliner Porzellan-Manufaktur ({3}).
Die Berichterstatterin, Frau Abgeordnete Dr. Maxsein, hat mir eine Mitteilung heraufgegeben, daß sie auf mündliche Berichterstattung verzichtet und auf ihren Schriftlichen Bericht*) verweist. Das Haus ist damit einverstanden? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem Abgeordneten Arndt.
({4})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt es mit dankbarer Genugtuung, daß die Ausschußvorlage unserem Antrage entspricht. Erlauben Sie mir jedoch bitte einige grundsätzliche Bemerkungen über die allgemeine Aufgabe, die ehedem preußischen Kulturinstitute in Berlin und außerhalb Deutschlands zu fördern.
Diese Aufgabe sollte nicht oder mindestens nicht mehr unter juristischem Gezänk leiden. Ebenso wie die westdeutschen Nachfolgeländer des preußischen
*) Siehe Anlage 14.
({0})
Staates die entsprechenden Einrichtungen ohne weiteres als ihr Vermögen beanspruchten, sollte es auch einfach selbstverständlich sein, das Eigentum des Landes Berlin an den preußischen Instituten innerhalb Berlins und außerhalb der deutschen Grenzen anzuerkennen.
Die Nachkriegsgeschichte dieser Institutionen ist ein bitteres Kapitel. Es ist höchste Zeit, diesen häßlichen Nachlaßstreit zu beenden und mit dem Blick auf die gesamtdeutsche Zukunft hierbei die Stellung gebührend zu würdigen, die Berlin als der deutschen Hauptstadt zukommt. Unbeschadet der Rechte Berlins, die preußischen Kulturstätten als sein Eigentum in Anspruch zu nehmen und frei den entscheidenden Einfluß auf ihre Gestaltung auszuüben, erwächst daraus, daß dieses preußische Erbe jetzt der Stadt Berlin nicht nur als einem Land im Kreise der anderen Länder zugefallen ist, sondern Berlin als der deutschen Hauptstadt, die gesamtdeutsche Verpflichtung auch für den Bund, diese hauptstädtischen und deutschen Unternehmen mit ganzer Kraft und vorbehaltlos mit zu fördern, ohne also seinen um Deutschlands willen zu leistenden Beitrag als eine „Hilfe für Berlin" in Rechnung zu stellen. Der Bund hat hier uneigennützig eine Aufgabe als Treuhänder für das ganze Deutschland zu erfüllen. Dieser gesamtdeutsche Gedanke sollte das Verhältnis des Bundes insbesondere zur Staatlichen Porzellanmanufaktur in Berlin, zum Deutschen Kulturinstitut in der Villa Massimo in Rom und zur ehedem Preußischen Akademie der Künste in Berlin bestimmen.
Ich habe schon zweimal in Fragestunden die Sprache darauf gebracht, daß hinsichtlich der Villa Massimo in Rom noch immer keine befriedigenden Fortschritte zu verzeichnen sind. Die Saumseligkeit, wie dieses einer Stiftung der jüdischen Bankiersfamilie Arnhold an Preußen zu verdankende Kunstinstitut in Rom behandelt wird, ist eine gesamtdeutsche Schuld, die von Italien und den westlichen Kulturnationen als peinlich für uns alle angesehen wird. Es wird auch nicht damit getan sein, bloß das Gebäude wieder instand zu setzen, sondern es sollte unverzüglich ermöglicht werden, daß wieder der Rompreis an begabte Künstler verliehen und Stipendien für den Studienaufenthalt in Rom vergeben werden.
Über die ehedem Preußische Akademie der Künste in Berlin zu reden, kann man sich im Augenblick kaum noch getrauen. Auch bei dieser Akademie handelt es sich um eine Aufgabe, die im Blick auf die gesamtdeutsche Zukunft gesehen werden muß und deren Last nicht allein den Mitbürgern aufgebürdet werden kann, die gegenwärtig gerade in Berlin zu leben das Schicksal haben.
Die Porzellanmanufaktur wird im Jahre 1963 ihr zweihundertjähriges Jubiläum begehen. Es wird noch sehr erheblicher Anstrengungen bedürfen, um dieser Manufaktur die kulturpolitische Bedeutung und den künstlerischen Weltrang zurückzugewinnen, die sie sich - ihres Ruhmes würdig - in der Weimarer Zeit erhalten und erworben hatte und die auf ihrer fruchtbaren Verschwisterung mit den Vereinigten Staatsschulen Preußens, mit der Technischen Hochschule Berlin und auch der Akademie der Künste beruhte.
Die sowjetisch kontrollierte Zone gibt sich eine bemerkenswerte Mühe, den Ruf der Meißener Manufaktur auch in der westlichen Welt wiederherzustellen. Es wird daher diesem kulturpolitischen
Wettbewerb noch nicht genügen, daß endlich das Notwendigste geschieht, um die Werkstätten der Berliner Manufaktur in der deutschen Hauptstadt zusammenzufassen und technisch instand zu setzen, um Berlin wieder zu einem Platz industriell höchstwertiger und künstlerisch vorbildlicher Keramik zu machen.
Hierfür ist es eine schlichte Voraussetzung, daß der gesamte Betrieb der Manufaktur schnellstens wieder in Berlin zusammengefaßt wird, weshalb jeder Gedanke daran, irgendwo außerhalb Berlins einen Zweigbetrieb zu belassen, unbedingt zu verwerfen ist. Gerade die technische Abteilung ist seit jeher ein Herzstück der Manufaktur gewesen. Ohne die Wiederherstellung der Chemisch-technischen Versuchsanstalt, deren früherer Arbeit das Berliner Porzellan und überhaupt die deutsche Porzellanerzeugung Entscheidendes verdankten, wäre es der Manufaktur nicht möglich, wieder die so fruchtbare Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule zu pflegen.
Der Herr Bundespräsident hat es sich dankenswerterweise besonders angelegen sein lassen, bei seinem letzten Aufenthalt in Berlin durch einen Besuch der Porzellan-Manufaktur deren gesamtdeutsche Rolle hervorzuheben. Der Bundestag und die Bundesregierung sollten seinem Beispiel folgen und künftig mehr als bisher dazu beitragen, um sich einer angemessenen Pflege der in gesamtdeutscher Sicht so wertvollen Kulturinstitute aus preußischem Erbe zu widmen, und zwar durch einen Dienst zu widmen, der einer großen Tradition gerecht wird: zu leisten, ohne für sich zu fordern.
Wir können uns zuweilen nicht von der Schuld freisprechen, klangvolle Namen erst lange nach dem elenden Tod ihrer berühmten Träger zu feiern, so in diesem Jahre den 200. Geburtstag Mozarts, der in einem Massengrab ruht, das niemand kennt. Darum sollten wir es rechtzeitig als eine Bundespflicht ansehen, im Jahre 1963 den 200. Gründungstag einer lebendigen Manufaktur in Berlin feiern zu können.
({1})
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag auf Drucksache 2263 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 32 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag des Bundesministers für Wohnungsbau betreffend Zustimmung zur Überlassung junger Anteile an andere Bezieher als den Bund; hier: Kapitalbeteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen an der Deutschen Bau-und Bodenbank AG, Frankfurt ({1}) ({2}).
Der Berichterstatter, Abgeordneter Hilbert, gibt einen Schriftlichen Bericht*) zum Protokoll. Ist das Haus mit diesem Verfahren einverstanden? - Das ist der Fall. Wird das Wort in der Beratung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
*) Siehe Anlage 15.
({3})
Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag Drucksache 2243 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 33 auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks Lgb. Nr. 5311/7 - Kehler Straße 27/31 - in Rastatt an die StierlenWerke AG in Rastatt ({4}) ({5}).
Ich schlage Überweisung dieses Antrages an den Haushaltsausschuß vor. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 34 auf:
Beratung des Entwurfs einer Zweiundfünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({6}) ({7}).
Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vor. - Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 35 auf:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({8}) ).
Ich komme zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der Tagesordnung und der heutigen Sitzung angelangt.
Ich wünsche dem Haus ein gutes Pfingstfest und für die kurze Zeit eine wirklich gute Erholung.
Ich berufe die nächste, die 146. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Mittwoch, den 30. Mai 1956, 9 Uhr, ein und schließe die heutige Sitzung.