Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich die Freude, verschiedene Geburtstagsglückwünsche aussprechen zu können, und zwar dem Herrn Kollegen Horn zum 65. Geburtstag am 15. April,
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dem Herrn Kollegen Höcker zum 70. Geburtstag am gleichen Tage,
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dem Herrn Kollegen Ladebeck zum 65. Geburtstag am 17. April.
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Für den ausgeschiedenen Abgeordnete Dr. Luchtenberg tritt der Abgeordnete Dr. von Golitschek in den Bundestag ein. Ist er anwesend? - Dann darf ich die Begrüßung für später zurückstellen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung bittet der Ab- geordnete Bucher um das Wort zur Geschäftsordnung. Es ist ihm erteilt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP legt noch einen Antrag, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, vor, der als Drucksache 2312 im Augenblick verteilt wird. Ich beantrage namens meiner Fraktion, diesen Antrag im Rahmen der Steuerdebatte als Punkt 4 k auf die heutige Tagesordnung zu setzen.
Widerspruch erfolgt nicht; dann ist so beschlossen, wie Herr Abgeordneter Bucher beantragt hat.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde ({0}).
Ich rufe auf die Frage 1 des Abgeordneten Walter betreffend die Gesundheitskarte für Seeleute:
Ist die Bundesregierung bereit, zu prüfen, ob und wann mit der Abschaffung der Gesundheitskarte für unsere Seeleute gerechnet werden kann?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.
Die Frage, ob die Bundesregierung bereit ist, zu prüfen, ob und wann mit der Abschaffung der Gesundheitskarte für Seeleute gerechnet werden kann, kann ich bejahen. Sowohl der Verkehrsminister wie auch der Arbeitsminister sind mit dieser Frage bereits befaßt. Die Regelung, die bei uns im Jahre 1949 nur
als vorläufige Regelung getroffen worden ist, ähnelt sehr stark einem von der Internationalen Arbeitsorganisation vorgeschlagenen Abkommen über die Untersuchung von Besatzungsmitgliedern, und dieses von der Internationalen Arbeitsorganisation vorgesehene Abkommen ist in der Zwischenzeit bereits von einer ganzen Reihe von Ländern, wie z. B. Argentinien, Belgien, Kanada, Frankreich, Italien und Norwegen, ratifiziert worden und wird wahrscheinlich auch von den Niederlanden ratifiziert werden. Andere Länder haben das noch nicht getan. Wenn wir jetzt die Gesundheitskarte für Seeleute bei uns abschaffen, dann ist das gleichzeitig eine Entscheidung über die Frage, ob wir das vorhin erwähnte internationale Abkommen ratifizieren wollen oder nicht. Aus diesem Grunde ist die von uns zu treffende Entscheidung nicht ohne sehr grundsätzliche Bedeutung. Sie ist identisch mit der Entscheidung über die Ratifizierung des internationalen Abkommens. Daher brauchen wir für die Untersuchung noch eine kleine Weile Zeit.
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Frage 2 des Abgeordneten Rehs betreffend die bei Widerruf von laufenden Unterstützungen auftretenden Härten:
Beabsichtigt der Herr Bundesarbeitsminister, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit die durch Anwendung des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 21. November 1955 ({0}) über Widerruf von bisher bewilligten laufenden Unterstützungen zahlreich auftretenden Härten gemildert werden?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Der Erlaß vom 21. November 1955 ist im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Innern ergangen. Es handelt sich bekanntlich um die nicht versorgungsberechtigten Beamten und deren Angehörige und um freiwillige Leistungen, die an diese gewährt werden. Das Gesamteinkommen des Empfängers einer laufenden freiwilligen Unterstützung soll nach diesem Erlaß im Regelfall nicht mehr betragen, als die gesetzlichen Mindestversorgungsbezüge nach dem Bundesbeamtengesetz bei dem entsprechenden Beamten oder dessen Hinterbliebenen ausmachen. Es ist richtig, daß auf Grund dieses Erlasses in einer Reihe von Fällen Herabstzungen und gar der Fortfall der bisher bewilligten laufenden Unterstützungen eingetreten sind, und auch möglich, daß diese Tatsache von den einzelnen als Härte empfunden wird. Ich muß aber grundsätzlich daran festhalten, daß das Einkommen des Empfängers einer laufenden freiwilligen Unterstützung mit dieser zusammen nicht höher sein soll als die durch das Bundesbeamtengesetz festgelegten gesetzlichen Mindestversorgungsbezüge. Insoweit kann ich demnach Härtefälle nicht als vorliegend anerkennen, wenn laufende Unterstützungen herabgesetzt werden müssen oder möglicherweise ganz in Fortfall kommen. Soweit jedoch echte Härten eingetreten sind wie z. B. bei den Empfängern laufender Unterstützungen, die als Vollwaise oder Halbwaise wegen ihrer körperlichen oder geistigen Gebrechen dauernd außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, wird ihre Beseitigung durch einen Ergänzungserlaß vorgenommen werden. Der Ergänzungserlaß wird ferner den Hinweis enthalten, daß die durch mein Rundschreiben vom 25. Februar 1956 erhöhten
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Mindestversorgungsbezüge auch für die Gewährung laufender Unterstützungen maßgebend sind.
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf Frage 3 des Abgeordneten Dr. Höck betreffend Zahlung des Veteranensoldes für Frontkämpfer:
Ist die Bundesregierung bereit, die Zahlung des Veteranensoldes für Frontkämpfer, die mit der Überrollung 1945 eingestellt wurde, wieder aufzunehmen?
Das Wort zur Beantwortung hat wiederum der Herr Bundesminister der Finanzen.
Die Frage lautet dahin, ob die Zahlung des Veteranensoldes für Frontkämpfer aus dem Jahre 1870/71, die mit der Überrollung 1945 eingestellt wurde, wieder aufgenommen werden soll. Ich muß die Frage verneinen. Wer im Jahre 1870 etwa 20 Jahre alt gewesen ist, müßte heute, wenn er noch lebte, 106 Jahre alt sein. Mir sind Fälle, daß solche Frontkämpfer heute noch vorhanden sind, nicht bekannt. Dieser Veteranensold ist seinerzeit mit Erlaß des Führers und Reichskanzlers vom 27. August 1939 eingeführt worden. Ich glaube, daß weder ein Anlaß noch eine Berechtigung dazu besteht, den Veteranensold wiedereinzuführen, nachdem im Bundesversorgungsgesetz ohnehin vorgesehen ist, daß die Grundrente um 10 DM monatlich als Alterszulage für Schwerbeschädigte erhöht wird, die mehr als 65 Jahre alt sind.
Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!
Herr Minister, ich spreche hier nicht von Veteranen von 1870/71. Vielmehr handelt es sich bei dem Veteranensold - dazu kann ich Unterlagen überreichen - um Ordensträger des Pour le mérite aus den Weltkriegsjahren 1914/18, die aus dem Unteroffiziersstande kommen. Da sind einige Fälle an mich herangekommen. Vielleicht darf ich Ihnen diese Unterlagen einmal zur Verfügung stellen, damit Sie klarstellen können, daß es sich hier nicht um Veteranen aus den Jahren 1870/71 handelt.
Dann war die Frage mißverständlich gestellt, weil unter „Veteranensold" regelmäßig die Fälle zu verstehen sind, die sich auf den Erlaß des Führers und Reichskanzlers von 1939 beziehen. Wenn Sie mir die Unterlagen geben, werde ich auf diese eingehen.
Danke!
Frage 4 ist zurückgestellt.
Frage 5 wird wegen Abwesenheit des Fragestellers schriftlich beantwortet.
Die Fragen 6 und 7 sind ebenfalls zurückgestellt.
Ich rufe auf Frage 8 des Abgeordneten Wittrock betreffend Fehlen eines Hinweises auf § 4 Abs. 4 des Straftilgungsgesetzes in Fragebogen für Bewerber für die Bundeswehr:
Warum hält der Herr Bundesverteidigungsminister es für richtig, die meist rechtsunkundigen Bewerber für die Bundeswehr in den von ihnen auszufüllenden Fragebogen zwar darauf hinzuweisen, daß sie auch amnestierte Strafen angeben müssen, ihnen aber keinen Hinweis auf § 4 Abs. 4 Straftilgungsgesetz zu geben, der den Freiwilligen erlaubt, sich bei Straftilgung als unbestraft zu bezeichnen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Erläuterungen zu Ziffer 11 des Bewerbungsbogens für freiwillige Soldaten, in der die Angabe von Strafen gefordert wird, ist folgendes gesagt:
Es sind auch Strafen anzugeben, die der beschränkten Auskunftspflicht unterliegen. Unter „Dienststrafen" brauchen militärische Disziplinarstrafen nicht angegeben zu werden. Die Bewertung, ob eine Strafe ein Hinderungsgrund für die Einstellung in die Streitkräfte ist, erfolgt im Rahmen des Annahmeverfahrens.
Diese Erläuterung entspricht den Vorschriften des Gesetzes über beschränkte Auskunftspflicht aus dem Strafregister und die Tilgung von Strafvermerken. Sie erscheint auch ausreichend, um einen Bewerber, der eine Strafe erlitten hat und bei dem man ohnehin voraussetzen kann, daß er mit seinen Pflichten und Rechten auf diesem Gebiet vertraut ist, auf den Unterschied zwischen den Folgen der beschränkten Auskunftspflicht und der Straftilgung hinzuweisen.
Die hier aufgestellten Auskunftserfordernisse entsprechen im übrigen dem bei Behörden ange-gewandten Verfahren.
Ein Hinweis auf die Auskunftspflicht betreffend amnestierte Strafen ist in den Erläuterungen zum Bewerbungsbogen nicht enthalten. Das erscheint auch überflüssig, weil die Amnestie als solche lediglich die Strafvollstreckung, aber nicht die Verurteilung selbst berührt.
Danke schön!
Dann rufe ich, nachdem die Fragen 9 und 10 zurückgestellt sind, auf die Frage 11 des Abgeordneten Rehs betreffend den Ausschluß der Untersuchungsgefangenen vom Bezug bestimmter Zeitungen und Zeitschriften:
Werden die Untersuchungsgefangenen, die sich auf Grund eines vom Bundesgerichtshof erlassenen Haftbefehls in Untersuchungshaft befinden, von dem Bezug bestimmter Zeitungen oder Zeitschriften, die in der Bundesrepublik Deutschland öffentlich erscheinen, ausgeschlossen? Wenn ja, aus welchem Grunde und auf Grund welchen Gesetzes?
Ist eine derartige Zensur damit vereinbar, daß nach Art. 5 GG jedermann das Recht hat, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, und daß nach § 116 Abs. 2 StPO einem Untersuchungsgefangenen nur solche Beschränkungen auferlegt werden dürfen, die zur Sicherung des Haftzwecks oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis notwendig sind?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Anfrage des Herrn Kollegen Rehs habe ich folgendes zu erklären: Die Untersuchungshaft der Personen, die auf Grund eines Haftbefehls des Bundesgerichtshofs festgenommen worden sind, wird in Haftanstalten der Länder nach den gleichen Grundsätzen vollzogen, die für alle übrigen Untersuchungsgefangenen in der Bundesrepublik gelten. Es bestehen demnach keine allgemeinen Anordnungen, welche die Untersuchungsgefangenen im Bezug von Zeitungen oder Zeitschriften, die in der Bundesrepublik öffentlich erscheinen, irgendwelchen Beschränkungen unterwerfen. Nur in einzelnen Verfahren hat der Bundesgerichtshof als das Gericht, das für die hier angesprochenen Untersuchungsgefangenen nach der Strafprozeßordnung zuständig ist, Entscheidungen getroffen, durch die bestimmte Untersuchungsgefangene im Bezug von bestimmten Zeitungen oder
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Zeitschriften beschränkt wurden. Es handelt sich dabei um zwei Gruppen von Fällen:
Erstens. Einzelne Zeitungen und Zeitschriften, von denen allgemein bekannt ist, daß sie in ihren Veröffentlichungen fortdauernd die Bundesrepublik, die Bundesregierung, die Gerichte und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens herabsetzen, sind in einigen Verfahren vom Bezug durch Untersuchungsgefangene ausgeschlossen worden. Dies ist insbesondere dann geschehen, wenn den Untersuchungsgefangenen die gleichen oder ähnliche Straftaten zur Last gelegt wurden, wie sie die Schriften enthielten.
Zweitens. Weiterhin hat der Bundesgerichtshof Schriften, welche die von den Untersuchungsgefangenen zur Last gelegten strafbaren Handlungen verherrlichen, von der Aushändigung an die betreffenden Untersuchungshäftlinge ausgeschlossen, wenn diese Schriften im Rahmen von Solidaritätsaktionen versandt wurden, d. h. wenn sie als Teil einer von kommunistischer Seite planmäßig geführten und geschürten Kampagne gegen Strafverfahren in Staatsschutzsachen anzusehen waren.
Die einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs finden sämtlich ihre rechtliche Grundlage in § 116 Abs. 2 der Strafprozeßordnung; denn diese Vorschrift besagt, daß dem Verhafteten nur solche Beschränkungen auferlegt werden dürfen, die zur Sicherung des Zwecks der Haft oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis notwendig sind. Diese beiden letzten Voraussetzungen waren bei den verschiedenen Beschränkungen gegeben.
Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind auch mit Art. 5 des Grundgesetzes vereinbar und
enthalten keine unzulässige Zensur; denn die Rechte des Art. 5 des Grundgesetzes finden nach Abs. 2 dieser Vorschrift ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Richterliche Beschränkungen, die durch § 116 Abs. 2 der Strafprozeßordnung gedeckt sind, verstoßen demnach nicht gegen das Grundgesetz.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rehs?
Herr Bundesjustizminister, sind Sie bereit, mir schriftlich - nicht jetzt - mitzuteilen, um welche Zeitungen und Zeitschriften es sich im einzelnen handelt, die zu den von Ihnen genannten Gruppen gehören?
Ich bin gerne bereit, mir das entsprechende Material zu beschaffen, Ihnen zuzuleiten und Ihnen eine schriftliche Antwort zu geben.
Ich danke Ihnen sehr.
Ich rufe Frage 12 des Abgeordneten Leukert - betreffend das Programm für ländliche Siedlungen im Jahre 1956 - auf :
Stimmt die Pressemitteilung vom 28. Februar 1956, wonach das Kabinett das Siedlungsprogramm für die ländliche Siedlung für 1956 mit 18 527 Stellen gebilligt und gleichzeitig die Erstellung eines langfristigen Siedlungsplanes zur Eingliederung der vertriebenen Bauern beschlossen hat?
Ist die Bundesregierung bereit, die Siedlungspläne der Länder für 1956 bekanntzugeben?
Welche Abweichungen ergeben sich 1956 in der Planung der einzelnen Länder gegenüber dem Vorjahr, und welches sind die Begründungen hierfür?
In welchem Zeitraum beabsichtigt die Bundesregierung, den angekündigten langfristigen Plan zur Eingliederung der vertriebenen Bauern zu erstellen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kabinettsausschuß hat am 27. Februar das Siedlungsprogramm 1956 mit 18 527 Stellen auf rund 75 000 ha gemäß § 46 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes beschlossen. Dabei wurden auch Vorschläge erörtert, die eine Grundlage für die angestrebte langfristige Planung bilden können.
Von dem Siedlungsprogramm 1956 haben sowohl die Länder, die für seine Durchführung zuständig sind, als auch die interessierten Bundesressorts Kenntnis erhalten. Der Gesamtplan ist ferner in meinem Bericht über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom März 1956 bekanntgegeben worden.
Gewisse Abweichungen gegenüber dem Vorjahr ergeben sich dadurch, daß für 1956 mit einem geringeren Landanfall als 1955 gerechnet wird. 1955 betrug der Landanfall 80 000, 1956 beträgt er 75 000 ha. Das gilt für alle Länder mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, Bayern und Hessen. Die geringere Stellenzahl im Siedlungsprogramm ist also lediglich auf den geringeren Landanfall und auf die Förderung größerer Stellen zurückzuführen.
Die für einen langfristigen Plan erforderlichen Feststellungen über den Umfang des in den nächsten Jahren schätzungsweise sich ergebenden Landanfalls sowie über die Anzahl der noch vorhandenen Siedlungsbewerber sind Gegenstand von Ermittlungen, die im Einvernehmen mit den beteiligten Stellen durchgeführt werden. Diese Untersuchungen sind schwierig, und ihre Ergebnisse sind mit großen Unsicherheitsfaktoren belastet. Es ist deshalb noch nicht ganz sicher, ob wir schon im laufenden Jahre zu einem brauchbaren Ergebnis kommen werden.
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich auf Frage 13 des Abgeordneten Dr. Miessner betreffend Durchführung des Gesetzes zur Ausführung des Art. 131 GG:
Welche Beträge waren im Bundeshaushalt 1955/56 zur Durchführung des 6 131 veranschlagt, und wie hoch waren in diesem Haushaltsjahr die tatsächlichen Zahlungen ({0}), unterteilt nach:
a) Beamten, Angestellten und Arbeitern,
b) Berufssoldaten und berufsmäßigen Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Der Fragesteller will Auskunft darüber, welche Beträge im Rechnungsjahr 1955 zur Durchführung des Gesetzes nach Art. 131 GG für die nachstehenden Personengruppen veranschlagt und tatsächlich verausgabt worden sind.
Antwort. Es sind für Beamte, Angestellte und Arbeiter veranschlagt bei Kap. 3307 777 050 000 DM. Verausgabt sind in der Zeit vom 1. April 1955 bis zum 29. Februar 1956 - und dann geschätzt noch dazu die Ausgaben für den Monat März, also: bis zum 31. März 1956 - insgesamt 776 Millionen DM. Der Ausgabenrest ist also 1 050 000 DM, das sind 2 Promille. Ich muß aber bemerken, daß sich das
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noch verschieben kann, da für den Monat März nur die Schätzung vorliegt und es infolgedessen möglich sein wird, daß der Haushaltsansatz voll ausgeschöpft oder vielleicht sogar überschritten wird.
Für Berufssoldaten der früheren Wehrmacht und berufsmäßige Angehörige des früheren Reichsarbeitsdienstes und ihre Hinterbliebenen sind veranschlagt bei Kap. 3308 421 030 000 DM. Verausgabt sind bis zum 31. März 1956 394 Millionen DM. Der- Ausgabenrest beträgt 27 030 000 DM. Auch dieser Ausgabenrest kann sich noch vermindern, wenn die Schätzungen für den Monat März durch die Ist-Zahlen übertroffen werden sollten.
Eine Zusatzfrage? Dr. Miessner ({0}): Nein, danke!
Dann rufe ich auf Frage 14 des Abgeordneten Lotze betreffend Vereinbarkeit des Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen mit dem Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß das Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen, insbesondere in seinen §§ 2, 3, 4, 7 und 8, mit dem Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952. insbesondere mit Art. 5 und Art. 6 dieses Gesetzes, vereinbar ist?
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. Mai 1953 will verhindern, daß im Bundesgebiet Rechtshilfe gegenüber Gerichten und Behörden außerhalb des Bundesgebiets einschließlich West-Berlins geleistet wird, die dazu beiträgt, Unrecht durchzusetzen. Nach § 2 des Gesetzes darf Rechtshilfe nur geleistet werden, wenn
1. ihre Gewährung dem Zweck eines Bundesgesetzes nicht widerspricht,
2. keine Bedenken gegen die Annahme bestehen, daß von der Rechts- oder Amtshilfe nur im Einklang mit rechtsstaatlichen Grundsätzen Gebrauch gemacht wird, und
3. nicht anzunehmen ist, 'daß dem Betroffenen aus der Gewährung der Rechts- oder Amtshilfe erhebliche Nachteile erwachsen, die im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen stehen.
Allen drei' Voraussetzungen ist gemeinsam, daß eine Gewährung der Rechtshilfe zu keiner irgendwie gearteten Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze dienen darf. Die wesentlichen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit sind der Gedanke der Menschlichkeit und die Wahrung der Menschenwürde, so vor allem das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit. § 2 des Rechtshilfegesetzes verbietet also auch die Leistung von Rechtshilfe - namentlich eine Zulieferung in das sowjetisch besetzte Gebiet -, wenn eine Verfolgung im Widerspruch zu den Menschenrechten oder zu Recht und Gerechtigkeit steht.
Indem § 2 des Rechtshilfegesetzes Schutz vor Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze verleiht, dient diese Vorschrift der Sicherung der Grundrechte, die in der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu gehören auch Art. 5, Recht auf persönliche Freiheit, und Art. 6, Anspruch auf rechtliches Gehör vor einem unabhängigen, unparteiischen und gesetzlichen Richter.
Die Verfahrensvorschriften des Gesetzes und damit auch die in der Anfrage einzeln aufgeführten §§ 2, 3, 4, 7 und 8 sichern die Einhaltung des nach § 2 gewährten Schutzes für den Betroffenen. Verfügungen des Generalstaatsanwalts, durch die ein Rechtshilfeersuchen genehmigt wird, unterliegen der richterlichen Nachprüfung. Der Betroffene hat das Recht, die Entscheidung des zuständigen Strafsenats des Oberlandesgerichts zu beantragen. Für den Fall einer Verhaftung bestimmt das Gesetz eine zusätzliche besondere richterliche Nachprüfung der Haftvoraussetzungen. Die Vorschriften entsprechen somit den rechtsstaatlichen Anforderungen, wie sie unter anderem in Art. 5 des Konventionsrechts aufgestellt sind. Das Verfahren des Rechtshilfegesetzes entspricht auch Art. 6 der Konvention, da Rechtshilfe nur gewährt wird, wenn in dem voraufgegangenen Verfahren in der Sowjetzone die rechtsstaatlichen Verfahrensvorschriften und damit die Anforderungen des Art. 6 der Konvention beachtet worden sind.
Das Gesetz hat sich in der Praxis im allgemeinen bewährt. Vereinzelten unbefriedigenden Entscheidungen, die zum Teil auf unzureichender Kenntnis der Rechtslage in der Sowjetzone beruhten, ist durch eine weitgehende Unterrichtung aller beteiligten Instanzen begegnet worden.
Das Rechtshilfegesetz gibt demnach die Gewähr, daß die Menschenrechte und Grundfreiheiten der von ihm Betroffenen geschützt werden.
Eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!
Hält der Herr Bundesjustiz- minister es für vereinbar mit den Grundrechten des Rechtsstaats, daß dem Angeklagten die Gründe der Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht bekanntgegeben werden dürfen?
Derartige Fälle sind mir nicht bekanntgeworden.
Es steht aber im Gesetz, daß die Gründe dem Angeklagten nicht bekanntgegeben werden dürfen.
Der Angeklagte hat ja auf alle Fälle die Möglichkeit, die Entscheidung des Oberlandesgerichts anzurufen; darauf habe ich vorhin hingewiesen.
Jawohl, Herr Minister, aber ich habe die Zusatzfrage gestellt, ob Sie es mit den Grundsätzen rechtsstaatlichen Denkens für vereinbar halten, wenn in dem Gesetz steht, daß dem Angeklagten die Gründe der Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht bekanntgegeben werden dürfen.
Diese Frage müßte ich noch einmal nachprüfen lassen.
Deswegen hatte ich aber meine Anfrage gestellt.
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Ich habe Sie so verstanden, -
Herr Abgeordneter Lotze, Sie haben das Recht, Zusatzfragen zu stellen, aber nicht das Recht, Bemerkungen zu machen. Ich darf diese Angelegenheit damit als erledigt erklären.
Ich rufe auf Frage 15 - des Abgeordneten Lotze - betreffend Vereinbarkeit des § 467 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung mit dem Grundgesetz:
Ist der Herr Bundesfinanzminister der Auffassung, daß der § 467 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem Gleichheitsprinzip, vereinbar ist?
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Ich bejahe die Frage; der Bundesfinanzminister ist der Auffassung, daß der § 467 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem Gleichheitsprinzip vereinbar ist.
Eine Zusatzfrage? Lotze ({0}): Nein, danke!
Die Frage 16 ist zurückgestellt.
Ich komme zur Frage 17 des Abgeordneten Dr. Arndt wegen Strafbarkeit des Waffenbesitzes:
Ist der Waffenbesitz als solcher nach deutschem Recht strafbar? Oder ist eine gesetzliche Neuregelung der Befugnis zum Waffenbesitz geboten?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär von Lex.
Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesjustizminister darf ich folgendes ausführen. Die Frage, ob der Waffenbesitz als solcher nach deutschem Recht strafbar ist, beantwortet sich nach dem Waffengesetz vom 18. März 1938. Dieses Gesetz war durch Kontrollratsgesetz teilweise verdrängt, gilt jedoch nach Aufhebung des Besatzungsrechts unverändert fort. Das deutsche Waffengesetz unterscheidet zwischen Besitz und Führen einer Waffe. Der Besitz einer Waffe ist grundsätzlich waffenscheinfrei und nicht strafbar; jedoch gibt es einige Ausnahmen. So kann die Polizeibehörde einer Person, die sich staatsfeindlich betätigt hat oder die eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit befürchten läßt, auch den Besitz von Waffen untersagen. Nur in diesen Ausnahmefällen belegt das Waffengesetz den Besitz von Waffen mit Strafe. In § 296 des Strafgesetzbuches besteht außerdem noch eine Sondervorschrift für Wilderer und ihre Helfershelfer, soweit sie Jagdgeräte, also auch Jagdwaffen verwahren.
Will der Besitzer die Waffe außerhalb seiner Wohn-, seiner Dienst- oder Geschäftsräume oder seines befriedeten Besitztums führen, also bei sich tragen, um von ihr gegebenenfalls Gebrauch zu machen, so bedarf er normalerweise eines Waffenscheins. Das Waffengesetz belegt das Führen von Waffen ohne Waffenschein mit Strafe, es sei denn daß es sich um nicht waffenscheinpflichtige Waffen handelt. Eine Kommission der Länder arbeitet zur Zeit an dem Musterentwurf eines neuen Landeswaffengesetzes, das die Befugnis zum Erwerb, Besitz und Führen von Waffen in allen Bundesländern einheitlich regeln soll.
Eine Zusatzfrage? Dann rufe ich die Frage 18 - Abgeordneter Dr. Schmidt ({0}) - betreffend Normung der Milchkannen auf:
Ist der Herr Bundesernährungsminister bereit, eine Normung der Milchkannen anzuregen und sich energisch dafür einzusetzen?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Normung der Milchtransportkannen habe ich mich seit Antritt meines Amtes eingesetzt, weil ich beobachtet hatte, daß nach dem Kriege die Mannigfaltigkeit der auf dem Markt erhältlichen Milchtransportkannen so groß war, daß die maschinelle Reinigung der Milchkannen erschwert wurde. Der Deutsche Normenausschuß in Berlin wurde beauftragt, die Normung der Milchtransportkannen durchzuführen. Die eingeleiteten Arbeiten für die Normung der verzinnten Stahlblechkannen sind im Oktober 1954 abgeschlossen und die Normblätter DIN 11 501 - Milchtransportkannen aus Stahl - und DIN 11 503 - Milchtransportkannen, Fußreifen- und Deckelreifenstahl - veröffentlicht worden.
Es gibt keine gesetzliche Handhabe, dafür zu sorgen, daß der Produzent oder der Konsument sich dieser Normen bedient. Es ist die Kleinigkeit von ungefähr 20. Millionen Kannen in Gebrauch. Sie halten etwa 10 Jahre. Daraus werden Sie ungefähr ermessen können, wie lange es dauert, bis- diese Neuerung Eingang in die Praxis findet.
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Frage 19 - Frau Abgeordnete Keilhack - betreffend bakteriologische Untersuchung von eingeführten tierischen Futtermitteln und pulverisierten oder eingefrorenen Eiprodukten.
Weiß der Herr Bundesinnenminister, daß Salmonella-Bakterien ({0}) nach Darlegungen der hierfür zuständigen Wissenschaftler, Dr. Bischoff vom Veterinärwesen und Professor Winkle vom Hygienischen Überwachungsinstitut Hamburg, durch tierische Futtermittel über tierische Ernährungsprodukte auf den Menschen übertragen werden und schon eine erschreckende Zahl nachzuweisender und noch zu befürchtender Infektionen mit starken gesundheitlichen Schäden zur Folge hatten?
Hat der Herr Bundesinnenminister die Absicht, aus diesem Grunde ein Gesetz vorzulegen bzw. eine Verordnung zu erlassen, die die bakteriologische Untersuchung von eingeführten tierischen Futtermitteln und pulverisierten oder eingefrorenen Eiprodukten erzwingen, bevor diese in das Bundesgebiet über die deutschen Häfen oder über sonstige Transporte gelangen?
Was hat der Herr Bundesinnenminister bereits auf entsprechende Vorstellungen des Landes Hamburg veranlaßt, und wann werden Gesetz bzw. Verordnung vorgelegt werden?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern.
Die menschliche Gesundheit kann unmittelbar gefährdet werden durch den Genuß salmonellahaltiger, d. h. mit Paratyphuserregern durchsetzter Eiprodukte. Sie kann mittelbar gefährdet werden durch den Genuß tierischer Ernährungsprodukte, die unter Verfütterung von salmonellahaltigen tierischen Futtermitteln, z. B. Fischmehl, gewonnen worden sind.
Was zunächst die Eiprodukte anlangt, so unterliegen diese den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes. Nach § 3 dieses Gesetzes ist es verboten, Gegenstände, deren Genuß die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet ist, als Lebensmittel in den Verkehr zu bringen.
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Bereits am 31. Januar 1955 hat der Bundesinnenminister die obersten Landesgesundheits- und Landesveterinärbehörden auf die Gefahr der Einschleppung von Salmonellen durch ausländische Eiprodukte aufmerksam gemacht und sie gebeten, auffällige Befunde mitzuteilen. Entsprechende Mitteilungen hat uns bisher nur die Freie und Hansestadt Hamburg vor kurzem zugehen lassen. Hierbei haben wir mit Sorge von den in Hamburg aufgetretenen Infektionen durch Salmonellen Kenntnis genommen, für die allerdings der Zusammenhang mit dem Genuß von Eiprodukten noch nicht schlüssig nachgewiesen ist.
Technische Einrichtungen, in denen salmonellahaltige Eiprodukte wirksam entkeimt werden könnten, sind im Bundesgebiet bisher nicht vorhanden. Für solche Betriebe müssen die technischen und wissenschaftlichen Grundlagen, die eine Eiweißgerinnung durch Überhitzung vermeiden, erst noch erarbeitet werden. Wir haben das Bundesgesundheitsamt Anfang März dieses Jahres beauftragt, entsprechende Untersuchungen anzustellen.
Die Importeure sind seit dem Bekanntwerden des gehäuften Nachweises von Salmonellen in ausländischen Eiprodukten bereits nach den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes verpflichtet, sich von der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der eingeführten Erzeugnisse zu überzeugen, ehe sie diese in den Verkehr bringen.
Die von Ihnen, Frau Abgeordnete, genannte bakteriologische Untersuchung ist eine Möglichkeit für den Importeur zur Ermittlung und Aussonderung infizierter Packstücke einer Sendung. Wir sind aber darüber hinaus bestrebt, die Eiprodukte
einer weiteren, besonderen Kontrolle durch Pasteurisierung zu unterwerfen, sobald einige hier noch offene Fragen geklärt sind.
Wegen der salmonellahaltigen tierischen Futtermittel darf ich im Namen des hierfür zuständigen Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten folgendes mitteilen. Die im vergangenen Jahr auf seine Anregung hin durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, daß eingeführte Futtermittel tierischer Herkunft, insbesondere Fischmehl und Knochenschrot, Salmonellenträger sein können. Ein Kausalkonnex, der vom Futtermittel über Schlachttiere zur Erkrankung eines Menschen geführt hat, ist bisher noch nicht bewiesen worden. Es ist auch noch nicht sicher bekannt, wie der hohe Befall gerade dieser Waren mit Salmonellen zu erklären ist und welche anderen Wege für die Infektion des Menschen mit seltenen Salmonellentypen noch in Frage kommen.
Wenn auch noch manche Fragen in der Salmonellosenbekämpfung offen sind, so ist der Herr Bundesernährungsminister doch der Auffassung, daß die Einfuhr von Fischmehl, Knochenschrot und ähnlichen Erzeugnissen, die nachgewiesenermaßen Träger von Salmonellen sein können, durch Verordnung geregelt werden soll. Für den Erlaß entsprechender Verordnungen sind die Länder zuständig, die auf Grund des § 7 des Viehseuchengesetzes ermächtigt sind, zum Schutz gegen die Einschleppung von Tierseuchen und Tierseuchenerregern auch die Einfuhr dieser Waren zu verbieten oder zu beschränken. Im Einvernehmen mit den Ländern ist im Bundesernährungsministerium das Muster einer derartigen Verordnung bereits erarbeitet und den zuständigen obersten Landesbehörden mit der Empfehlung übersandt worden,
baldmöglichst entsprechende Verordnungen zu er- lassen. Nach dem Verordnungsmuster ist vorgesehen, alle Futtermittel tierischer Herkunft bereits bei der Einfuhr einer für die Abtötung etwa vorhandener Salmonellenkeime ausreichenden Erhitzung zu unterziehen. Von dem Erhitzungszwang soll Abstand genommen werden können, wenn die Waren bei einer im Ausland vorgenommenen Untersuchung als frei von Salmonellen befunden worden sind und dieses Ergebnis durch Stichprobenuntersuchungen bei der Einfuhr bestätigt worden ist.
Eine Zusatzfrage,
Frau Abgeordnete Keilhack?
Darf ich einmal fragen: Können Sie die bakteriologische Untersuchung von Eipulver und Eiprodukten durch eine Verordnung des Bundesgesetzgebers zwingend auf Grund des § 5 des Lebensmittelgesetzes anordnen, der ohne Ergänzung durch eine Verordnung offenbar nicht genügt, diese bakteriologische Untersuchung, was das Entscheidende ist, zu erzwingen?
Wir sind der Meinung, daß der § 5 den Sie erwähnt haben, uns die Grundlage zum Erlaß einer solchen Verordnung bieten kann.
Eine weitere Zusatzfrage?
Ja! - Die dritte Frage ist mit dem, was Sie ausführten, Herr Staatssekretär, nicht beantwortet.
Welche Frage?
Die Frage im dritten Absatz.
Ich habe bereits dargelegt, daß wir alle Untersuchungen eingeleitet haben und bemüht sind, diese Gefährdungen zu beseitigen, weil die in Hamburg eingetretenen Erkrankungsfälle uns gezeigt haben, daß hier nunmehr nachdrücklich durchgegriffen werden muß.
Und wann werden Sie die Verordnung auf Grund des § 5 des Lebensmittelgesetzes vorlegen?
Wir werden, sobald wir uns mit den Ländern und den zuständigen Fachinstanzen abgestimmt haben, diese Verordnung vorbereiten.
Danke schön!
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Ritzel auf betreffend Aufnahme der Fernsprechteilnehmer der Verteilerämter Heppenheim, Gadernheim, Lindenfels, Reichelsheim, Fürth und Hüttenfeld in das Mannheimer statt in das Frankfurter Fernsprechbuch.
Ist dem Herrn Bundespostminister bekannt, daß trotz der Zugehörigkeit der Bergstraße zum rhein-mainischen Wirtschaftsgebiet mit dem Zentrum Frankfurt ({0}) anläßlich der Neuabgrenzung des Geltungsbereichs der amtlichen Fernsprechbücher geplant ist, die Fernsprechteilnehmer der Vertellerämter Heppenheim, Gadernheim, Lindenfels, Reichelshelm,
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Fürth und Hüttenfeld nicht mehr im Frankfurter, sondern im Mannheimer Fernsprechbuch aufzuführen?
Welche Gründe sind für die den wirtschaftlichen Notwendigkeiten in keiner Weise Rechnung tragenden Absichten maßgebend?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär Dr. Steinmetz.
Herr Präsident, gestatten Sie die Beantwortung der Frage. Über die Neuabgrenzung der Fernsprechbuchbereiche ist noch nicht entschieden worden, so auch nicht über die Zuteilung der in der Anfrage genannten Fernsprechämter. Da bei einer Neuabgrenzung der amtlichen Fernsprechbücher die Wünsche der Industrie- und Handelskreise weitgehend berücksichtigt werden sollen, hat das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen am 31. Januar 1956 den Deutschen Industrie- und Handelstag um Vorschläge gebeten. Dieser hat nun seinerseits seine Kammern zur Stellungnahme aufgefordert. Dadurch ist sichergestellt, daß die Belange der Wirtschaft so weit wie möglich berücksichtigt werden. Die Vorschläge des Deutschen Industrie- und Handelstages liegen mir noch nicht vor. Es ist nicht Absicht der Deutschen Bundespost, eine Entscheidung zu fällen, welche die Interessen einzelner Wirtschaftsgebiete benachteiligt.
Der Geltungsbereich der amtlichen Fernsprechbücher. umfaßte früher jeweils den Bereich einer Reichspostdirektion. Nach dem Zusammenlegen mehrerer Direktionen Anfang der vierziger Jahre blieb diese Einteilung der amtlichen Fernsprechbücher erhalten, so daß zur Zeit auf einige Oberpostdirektionen mehrere Fernsprechbücher entfallen. Die Abgrenzung der amtlichen Fernsprechbücher richtete sich also bisher lediglich nach längst überholten verwaltungsmäßigen Reichspostdirektionsbezirken.
Solange der Ferndienst noch überwiegend durch Handvermittlung abgewickelt wurde, war gegen eine derartige Abgrenzung grundsätzlich nichts einzuwenden, da der Teilnehmer, sofern er die Rufnummer des gewünschten Anschlusses nicht kannte, das Gespräch ohne Rufnummer beim Fernamt anmelden konnte. Mit der verstärkten Einführung des Selbstwählferndienstes hat sich diese Situation vollkommen gewandelt. Zur Zeit umfaßt der Selbstwählferndienst bereits etwa 55 v. H. des gesamten Fernverkehrs. Die Teilnehmer müssen daher in die Lage versetzt werden, möglichst viele Rufnummern selbst aus dem amtlichen Fernsprechbuch entnehmen zu können. Da nach eingehenden Beobachtungen 80 v. H. der Ferngespräche innerhalb eines Umkreises von 100 km verbleiben, muß den Teilnehmern daher ein Fernsprechbuch zur Verfügung gestellt werden, das mindestens einen Hauptamtsbereich voll umfaßt. Mit dieser Regelung dürfte den Teilnehmern in der Regel gedient sein.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Ritzel.
Wenn ein Hauptamtsbereich voll umfaßt wird, stellt sich die Frage, ob der Herr Bundespostminister dafür sorgt, daß die wirtschaftlichen Zusammenhänge im Bereich eines Hauptbezirks so gewahrt werden, daß das Fernsprechbuch der Lage und der Zentralisierung der Wirtschaft Rechnung trägt. Nach den Ankündigungen in bezug auf die Eingliederung des Bezirks
Bergstraße in den Fernsprechbuchbereich Mannheim und die gleichzeitige Ausgliederung aus dem Fernsprechbuchbereich Frankfurt, wogegen die Wirtschaft Sturm gelaufen ist, scheint das doch nicht der Fall zu sein.
Bei allen Rationalisierungsmaßnahmen der Deutschen Bundespost werden selbstverständlich, wie ich schon ausgeführt habe, wirtschaftspolitische Gesichtspunkte berücksichtigt. Insbesondere wird auf große Wirtschaftsräume Rücksicht genommen. Das trifft auch im südhessischen Raum zu. Ich wiederhole, daß die Bundespost zunächst unter technischen Gesichtspunkten von einer Möglichkeit gesprochen und den Industrie- und Handelstag um seine Stellungnahme gebeten hat. Erst nach deren Eingang werden die Entscheidungen getroffen.
Das Wort zu einer zweiten Zusatzfrage hat der Abgeordnete Ritzel.
Wird der Herr Bundespostminister die Freundlichkeit haben, auch die Behörden des beteiligten Landes zu fragen?
Herr Abgeordneter Ritzel, ich darf bemerken, daß es in der Regel nicht üblich ist, bei notwendigen Rationalisierungsmaßnahmen die einzelnen Länder zu fragen. Aber ich stelle folgendes fest. Die Deutsche Bundespost ist nicht daran interessiert, auch nur mittelbar Einfluß auf Auseinandersetzungen über die Neugliederung der Länder zu nehmen. Sie denkt insbesondere nicht daran, Bestrebungen „Los von Hessen!" im südhessischen Raum in irgend- einer Weise Vorschub zu leisten oder sie zu unterstützen.
Danke!
Die Fragen 21 und 22 sind zurückgezogen.
Ich komme zur Frage 23, der Frage des Abgeordneten Berlin betreffend Beschädigung der wegen Frostschäden gesperrten Straße vom Luftkurort Hiddesen in Lippe nach Detmold durch britische Panzer:
Ist der Bundesregierung bekanntgeworden, daß am Gründonnerstag ({0}) 14 britische Panzer der 60-TonnenKlasse eine für schwerere Lastkraftwagen und Personenomnibusse wegen Frostschäden gesperrte Straße vom Luftkurort Hiddesen in Lippe nach Detmold befahren haben, wodurch nach den Angaben des Bauamtes der Stadt Detmold und des Landesstraßenbauamtes in Detmold ein Schaden in Höhe von 70 000 DM entstanden war und eine starke Empörung in der Bevölkerung hervorgerufen worden ist, nachdem ein Teil des befahrenen Straßenzuges erst im Herbst 1955 mit einem Kostenaufwand von 80 000 DM erneuert worden war und jetzt seine Oberfläche In den Spurbreiten durch die Panzerketten zentimetertief aufgerissen wurde, obwohl den englischen Dienststellen bekannt war, daß diese Straße nicht befahren werden durfte, und eine andere Strecke für die Fahrt der Panzer in das Übungsgelände der Senne freigegeben war? Wie vereinbart sich die durch den Befehl eines Truppenkommandanten ausgelöste unverantwortliche Rücksichtslosigkeit der Engländer gegenüber der deutscher Bevölkerung und ihren Organen mit der vollen Souveränität der Bundesrepublik, daß elf Jahre nach dem Kriege deutsches Recht trotz der getroffenen Vereinbarungen über die Fahrtroute der Panzer wie in einem Kolonialgebiet mißachtet werden kann?
Ist die Bundesregierung bereit, sich über die eigenmächtige Handlungsweise der britischen Truppen zu informieren und von den Betroffenen unterrichten zu lassen, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um solche Vorkommnisse in Zukunft unmöglich zu machen und dafür zu sorgen, daß der Stadt Detmold, dem Kreis Detmold und dem Landschaftsverband Münster als den vom Schaden Betroffenen beschleunigt die Schadensbeträge vom Amt für Verteidigungslasten ausgezahlt werden, weil solch ein Verfahren nach den praktischen Erfahrungen rund drei Jahre dauert?
({1})
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 29. März 1956 haben mehrere britische Panzer im Raum Detmold Straßen, die wegen Frostschäden für Fahrzeuge über 3,5 t gesperrt waren, befahren und dabei die Straßendecke beschädigt. Der Umfang der Schäden wird voraussichtlich 100 000 DM nicht übersteigen. Da dieser Vorfall von britischer Seite gegenüber dem Landesstraßenbauamt in Detmold bedauert worden war, hatte die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen davon abgesehen, an die Bundesregierung wegen einer Intervention heranzutreten. Nachdem das Bundesverteidigungsministerium von diesem Vorfall Kenntnis erhalten hatte, ist der Verbindungsstab des britischen Oberkommandos in Bonn gebeten worden, die Angelegenheit untersuchen zu lassen und künftig derartige Schadensfälle zu verhindern.
Von britischer Seite wurde dazu mitgeteilt, daß einer britischen Panzereinheit von deutscher Seite zugesagt gewesen sei, es werde ihr nach Abschluß der Übungen auf dem Truppenübungsplatz Senne ein Straßenlotse für den Rückmarsch zur Garnison gestellt. Dieser Lotse sei jedoch am verabredeten Treffpunkt nicht erschienen. Nach einer längeren Wartezeit sei der Führer der Einheit aufgebrochen und habe dabei für den Rückmarsch die gesperrten Straßen benutzt.
Das britische Oberkommando prüft zur seit die Einzelheiten des Vorfalls und wird das Bundesverteidigungsministerium unterrichten. Vor weiteren Schritten der Bundesregierung werden die abschließenden Feststellungen sowohl der deutschen als auch der britischen Seite abzuwarten sein.
Für die Bearbeitung der Entschädigungsanträge ist das Amt für Verteidigungslasten Detmold zuständig. Nach Mitteilung des Bundesfinanzministeriums sollen die Straßenbauträger nach Stellung des Entschädigungsantrages beschleunigt entschädigt werden.
Eine Zusatzfrage? Berlin ({0}): Danke schön!
Ich rufe auf Frage 24 des Abgeordneten Dr. Bleiß betreffend Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer für Lastkraftwagenanhänger auf Grund der ab 1. Mai 1957 vorgeschriebenen Verminderung des Gesamtgewichts:
Ist der Herr Bundesfinanzminister bereit, auf Grund der Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung und der Straßenverkehrsordnung vom 22. März 1956, wonach mit Wirkung ab 1. Mai 1957 das Gesamtgewicht des Lkw-Anhängers teilweise erheblich beschränkt worden ist, vom gleichen Zeitpunkt ab die Kfz-Steuer im Verhältnis des geminderten Gesamtgewichtes zu ermäßigen?
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesfinanzminister sieht keinen Anlaß, mit Rücksicht auf § 42 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung eine Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer anzuregen, und zwar aus folgenden Gründen.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1955 ist die Kraftfahrzeugsteuer bei Anhängern „nach dem verkehrsrechtlich höchstzulässigen Gesamtgewicht" zu berechnen. Maßgeblich für die Höhe des Gesamtgewichts ist also das Verkehrsrecht. Vermindert sich, verkehrsrechtlich gesehen, das Gesamtgewicht, so ist bei der Steuerberechnung von dem verminderten Gesamtgewicht auszugehen, ohne daß es einer Mitwirkung des Bundesministers der Finanzen im Gesetzgebungswege bedarf. Voraussetzung ist, daß die Verkehrsbehörden das in den Anhängerschein einzutragende Gesamtgewicht in Übereinstimmung mit den jeweils maßgeblichen Vorschriften des Verkehrsrechts berichtigt haben. Das gilt auch im vorliegenden Fall des § 42 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung.
Über die Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer im Einzelfall entscheiden die Landesfinanzbehörden, da die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer nach Art. 108 des Grundgesetzes nicht dem Bundesminister der Finanzen, sondern den Finanzministern und Finanzsenatoren der Länder zusteht.
Eine Zusatzfrage? - Nein.
Ich rufe auf Frage 25 des Abgeordneten Dr. Bleiß betreffend Entschädigung für die durch die Verkürzung der Auslauffrist für die Benutzung von bestimmten Lkw-Anhängern entstehenden Schäden:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, auf Grund der Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung und der Straßenverkehrsordnung vom 22. März 1956, wonach mit Wirkung ab 1. Mai 1957 die Wirtschaftlichkeit einer Vielzahl von Lkw-Anhängern erheblich beschränkt ist, eine Entschädigung für die durch die Verkürzung der Auslaufsfrist entstehenden Schäden zu befürworten?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.
Ich bedauere, daß auch diese Frage im wesentlichen negativ beantwortet werden muß. Ich möchte mich dabei allerdings nicht darauf beschränken, einfach festzustellen, daß für die von Herrn Abgeordneten Dr. Bleiß vorgeschlagene Entschädigungszahlung nach unserer Auffassung eine Rechtsgrundlage kaum zu finden sein wird.
Die meisten in der Verordnung vom 22. März 1956 vorgesehenen neuen Maßnahmen treten ja erst nach einer ganzen Weile in Kraft. Daraus ergeben sich Auslauffristen von zwei bis zu mehr als vier Jahren.
Nur in einem Punkt tritt die neue Regelung sehr viel früher in Kraft, nämlich am 1. Mai 1957. Immerhin ist auch das noch eine Frist von einem Jahr. Hier handelt es sich um die Vorschrift, daß das gezogene Gewicht nicht schwerer sein darf als das Gewicht des ziehenden Fahrzeugs. Das hängt mit der Verkehrssicherheit zusammen und damit, daß nach neueren Erkenntnissen, die insbesondere erst im letzten Jahr gesammelt worden sind, das Verhältnis 1 : 1 zwischen dem ziehenden Fahrzeug und dem gezogenen Fahrzeug von ganz entscheidender Bedeutung ist, weil andernfalls eine zu starke Schubkraft die Gefährdung der Sicherheit außerordentlich erhöht, besonders dann, wenn vielleicht auch die Bremsen nicht funktionieren, was insbesondere bei Gefällstrecken unerfreulich ist. Wenn man nun in diesem Fall für das Inkrafttreten der Bestimmung über das Verhältnis 1 : 1 zwischen Zugfahrzeug und gezogenem Fahrzeug den 1. Mai 1957 als Stichtag genommen hat, so eben
({0})
deshalb, weil man diese Bestimmung als besonders bedeutsam angesehen hat und weil man gerade im Hinblick auf die langen Auslauffristen, die die Verordnung sonst vorsieht, in diesem Fall eine schnellere Wirkung für unabweisbar hielt.
Sie wissen aus der Vorgeschichte, daß die Anregung zu dieser Bestimmung aus der Vernehmung von Sachverständigen im Verkehrsausschuß dieses Hohen Hauses erwachsen ist. Sie wissen, daß der Bundesrat diese Anregung übernommen und dann die entsprechende Bestimmung in die Verordnung eingefügt hat. Dabei ist dann auch der 1. Mai 1957 als Stichtag festgesetzt worden. Wenn daraus auch folgt, daß die Bundesregierung an dieser Vorgeschichte nicht immer unmittelbar aktiv beteiligt gewesen ist und daß das jetzige Ergebnis mehr auf die Initiative des Bundesrates zurückzuführen ist, so hatte doch der Bundesverkehrsminister keine Veranlassung, sich gegen eine solche Entwicklung zu wenden, denn die neue Regelung entspricht auch in dieser Hinsicht der Regierungsvorlage.
Wenn sich daraus wirtschaftliche Nachteile für die Betroffenen ergeben, so wird diese zweifellos bedauerliche Tatsache doch wohl nicht schwerer ins Gewicht fallen dürfen als die Notwendigkeit, zum Schutze aller Verkehrsteilnehmer die zu schweren Anhänger so bald wie möglich zu beseitigen..
({1})
Deshalb sieht der Bundesminister für Verkehr - insofern darf ich auch für den Herrn Bundesminister der Finanzen mit sprechen -, ganz abgesehen von dem Problem der Rechtsgrundlage, keine Möglichkeit, der von Ihnen vorgeschlagenen Entschädigung von sich aus näherzutreten. Bei dieser für Sie enttäuschenden Feststellung bliebe dann wohl nur noch der Hinweis darauf übrig, daß wir vielleicht prüfen müssen, ob erforderlichenfalls eine Milderung der Folgen dieser Bestimmung für das betroffene Gewerbe durch tarifpolitische Maßnahmen erzielt werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bleiß?
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Fahrzeugkonstruktionen, deren Gesamtgewicht ab 1. Mai 1957 beschränkt werden soll, seinerzeit von dem Herrn Bundesverkehrsminister ausdrücklich akzeptiert worden sind?
Ich bitte um Entschuldigung, ich habe die letzte Frage nicht verstanden.
Ich wollte Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, Herr Staatssekretär, daß diese Fahrzeugkonstruktionen - also der 40-t-Lastzug, den Sie jetzt auf das Verhältnis 1 : 1 beschränken wollen - damals vom Herrn Bundesverkehrsminister
ausdrücklich gebilligt worden sind.
Zu der Zeit, als diese Konstruktionen überhaupt eingeführt wurden? - Ich weiß nicht, ob der Bundesverkehrsminister solche Konstruktionen überhaupt zu genehmigen hat.
Ja, sie sind ihm vorgelegt und von ihm gebilligt worden. Ist Ihnen das bekannt, Herr Staatssekretär?
Nein.
({0})
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bleiß.
Herr Staatssekretär, wenn die in Rede stehenden Fahrzeugtypen so sehr verkehrsgefährdend sind, daß sie in ihrer Gesamttonnage vorschnell wieder beschränkt werden müssen, war es dann nicht eine leichtfertige Verkehrspolitik, diese überschweren Lastzüge überhaupt erst in einer Zahl von vielen Tausenden zuzulassen?
({0})
Diese Frage hatte ich schon erwartet. Ich möchte sie dahin beantworten, daß die Erkenntnis über die besondere Gefährlichkeit dieses zu schweren Anhängers erst in den Sitzungen des Verkehrsausschusses des Bundestages deutlich geworden ist. Erst nachdem mehrere Sachverständige mit besonderem Nachdruck auf dieses Problem hingewiesen haben, ist es nicht nur dem Bundesminister für Verkehr klar geworden, daß es sich hier um ein besonders wichtiges Problem handelt.
Ich rufe auf Frage 26 der Frau Abgeordneten Renger betreffend. Absetzung des französischen Dokumentarfilms „Nacht und Nebel":
Trifft es zu, daß die Bundesregierung über den Botschafter in Paris bei dem Organisationskomitee der Canner Filmfestspiele wegen der Absetzung des französischen Dokumentarfilms „Nacht und Nebel", der die nationalsozialistischen Verbrechen in den Konzentrationslagern anklagt, Schritte unternommen hat?
Welche Gründe haben die Bundesregierung zu dieser Intervention bewogen?
Für das verhinderte Auswärtige Amt spricht das Bundesministerium des Innern durch Herrn Staatssekretär Ritter von Lex.
Der im ersten Teil der Frage geschilderte Tatbestand ist zutreffend. Die Bundesregierung hat die Überzeugung gewonnen, daß die Vorführung des französischen Films „Nacht und Nebel" im Widerspruch zu den Satzungen und zu dem Sinn der Filmfestspiele in Cannes stehen würde. So sehr sich die Bundesregierung mit den Autoren des Films in ihrem Abscheu vor den nationalsozialistischen Verbrechen in den Konzentrationslagern einig weiß, so glaubt sie dennoch nicht, daß internationale Filmfestspiele, die der Zusammenarbeit zwischen den Völkern dienen sollen, der rechte Ort sind, um einen Film zu zeigen, - ({0})
- Nein!
({1})
Wir stehen in der Fragestunde. Eine Frage der Frau Abgeordneten Renger wird von dem Staatssekretär beantwortet. Frau Abgeordnete Renger hat die Möglichkeit der Zusatzfrage.
Ich wiederhole: die Bundesregierung glaubt nicht, daß internationale Filmfestspiele, die der Zusammenarbeit zwischen den Völkern dienen sollen, der rechte Ort sind, um einen Film zu zeigen, der nur allzuleicht dazu beitragen kann, den durch die nationalsozialistischen Verbrechen erzeugten Haß gegen das deutsche Volk in seiner Gesamtheit wieder zu beleben.
({0})
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat Frau Abgeordnete Renger.
Herr Staatssekretär, dieser Einspruch ist ja nicht von der Filmleitung in Cannes selbst erfolgt, sondern auch diesmal von der Bundesregierung. Im vorigen Jahr war es ein KZ-Film, ein norwegisch-jugoslawischer Gemeinschaftsfilm. Glauben Sie nicht, daß man dadurch den Eindruck erwecken könnte, daß sich hier die Bundesregierung unnötigerweise mit etwas identifiziert, was sie nicht will? Glauben Sie nicht, daß man durch andere, geeignetere Schritte als die Verhinderung der Aufführung eines solchen Films das deutsche Volk davor schützen und vor dem Eindruck bewahren könnte, falsch verstanden zu werden, als ob es sich vor solche Dinge stellen wolle? Begibt man sich dadurch nicht auch der Möglichkeit, Filme, die im eigenen nationalen und internationalen Interesse stehen, in Cannes vorführen zu lassen?
Frau Abgeordnete, wir sind uns sicher einig darin, daß das, was während des sogenannten Dritten Reichs geschehen ist, mit allem Abscheu aufgenommen werden muß.
({0})
Wir sind aber der Auffassung, daß die internationalen Filmfestspiele in Cannes wirklich nicht dazu da sind, - ({1})
Ich bitte, dem Herrn Staatssekretär die Möglichkeit zu geben, seine Antwort zu Ende zu bringen.
Ich bin mit ,der Antwort zu Ende.
Eine zweite Zusatzfrage!
Ich frage den Herrn Staatssekretär, ob die Bundesregierung nicht der Meinung ist. daß sie sich durch die Vorführung gerade solcher Filme von den Verbrechen des Nationalsozialismus absetzt und das deutsche Volk damit nicht identifiziert und somit einen Schritt zur Verständigung herbeiführt?
({0})
Ich glaube, wir sind uns alle
darin einig, daß wir uns von dem, was geschehen ist, abzusetzen haben.
({0})
Aber ich darf wiederholen: die Bundesregierung ist der Meinung, daß die internationalen Filmfestspiele nicht der Ort sind, um diese Auseinandersetzung durchzuführen.
({1})
Ich rufe auf Frage 27 der Frau Abgeordneten Dr. Ilk betreffend Schutzimpfungen gegen die Kinderlähmung:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um Schutzimpfungen gegen die Kinderlähmung noch vor Eintritt der wärmeren Jahreszeit zumindest bei denjenigen Kindern zu ermöglichen, die bereits im vergangenen Jahr die ersten beiden Polioimpfungen erhalten haben, die wirkungslos wären, wenn die dritte Impfung nicht bis etwa Juni dieses Jahres vorgenommen wird?
Das Wort hat Staatssekretär Ritter von Lex.
Nach den zur Zeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen sind für die Erteilung der Erlaubnis der Herstellung und zum In-denVerkehr-Bringen eines Impfstoffes sowie für den Erlaß staatlicher Prüfungsvorschriften die Regierungen der Länder zuständig, in denen der Impfstoff hergestellt wird, im Falle des Poliomyelitis-Impfstoffes der Behring-Werke also die hessische Landesregierung.
Die Abgabe und Anwendung des staatlich geprüften Poliomyelitis-Impfstoffes der BehringWerke, Kontrollnummer 100, ist von dem Herrn Hessischen Minister des Innern mit Verordnung vom 24. Mai 1955 gesperrt worden. Seitdem ist kein neuer Polio-Impfstoff der Behring-Werke in den Handel gekommen.
Gleichzeitig mit der Sperrung wurde von dem Hessischen Innenministerium das Paul-Ehrlich-Institut in Frankfurt am Main als Prüfungsinstitut angewiesen, neue Vorschriften für die staatliche Prüfung des Impfstoffes der Behring-Werke auszuarbeiten. Da nach Vorlage der Prüfungsvorschriften die staatliche Prüfung des Impfstoffes etwa drei Monate in Anspruch nehmen wird, kann leider nicht damit gerechnet werden, daß im Laufe der nächsten. Monate mit einem staatlich geprüften Impfstoff der Behring-Werke geimpft werden kann.
Im übrigen kann nach ausländischen Erfahrungen von einem Aufhören der Wirkung der beiden ersten Impfungen nach so kurzer Zeit nicht gesprochen werden. Der dritten Impfung wird im allgemeinen nur eine Verstärkung der Wirkung der ersten beiden Einspritzungen zugesprochen.
({0})
Die Bundesregierung hofft, daß es zu Beginn des nächsten Jahres möglich sein wird, Impfungen mit deutschem Impfstoff durchzuführen. Die dafür notwendigen organisatorischen Maßnahmen werden bereits mit den obersten Gesundheitsbehörden der Länder vorbereitet.
Danke!
Damit stehen wir am Ende der Fragestunde.
Die nächste Fragestunde ist am Donnerstag, dem 3. Mai. Sperrfrist für eingehende Fragen: Freitag, 27. April 1956, 12 Uhr.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Rede des Kapitäns zur See Zenker in Wilhelmshaven ({0}).
Das Wort zur Begründung der Anfrage hat der Abgeordnete Dr. Schmid ({1}).
Dr. Schmid ({2}) ({3}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat die Große Anfrage Drucksache 2125 eingebracht, die Ihnen vorliegt. Der Aussprache über diese große Anfrage könnte einige Bedeutung zukommen,
({4})
und mir scheint nichts unangebrachter zu sein, als davon zu sprechen, daß diese Große Anfrage offensichtlich beabsichtige, olle Kamellen aufzuwärmen. Es handelt sich hier um Dinge, die in jedem Augenblick unserer demokratischen Existenz aktuell sind.
({5})
Keine Demokratie kann ohne Wachsamkeit bestehen;
({6})
denn sie hat nicht die Mittel anderer Regime, sich gegen ihre Gegner zu verteidigen, insbesondere dann nicht, wenn ihre Gegner unter dem Schutz der Legalität sich in ihrer eigenen Mitte festsetzen können.
({7})
Es handelt sich bei dieser Anfrage auch nicht darum, wie seitens eines geschätzten Mitgliedes dieses Hauses in einer Korrespondenz geschrieben worden ist, einen neuen Entnazifizierungsrummel anzufangen. Die Entnazifizierung ist abgeschlossen. Sie ist durchgeführt worden auf der Grundlage von Gesetzen, von denen ich für mein Teil sagen möchte, daß sie nur zum geringsten Teil gut gewesen sind;
({8})
denn sie haben dazu geführt, daß man sehr viele Kleine gehängt hat und sehr viele Große hat laufen lassen.
({9})
Ich muß Ihnen gestehen, daß es mir manchmal bitter hochkommt, wenn ich daran denke, daß nationalsozialistische Polizeipräsidenten hohe Pensionen bekommen, während ihre Opfer heute noch auf Wiedergutmachung warten müssen.
({10})
Aber es handelt sich bei unserer Anfrage nicht um diese Dinge. Die Entnazifizierung ist abgeschlossen, und sie soll es bleiben. Mit ihren Maßnahmen hat diese Anfrage nichts zu tun, obwohl ich es Ihnen nicht ersparen kann, mit einem kurzen Satz darauf hinzuweisen, daß in diesem Hause und in unserer öffentlichen Meinung gegenüber manchen schlimmen Vorzeichen ein bißchen mehr Wachsamkeit herrschen sollte. Es gibt da heute gewisse Druckschriften. Ich nenne „Die Anklage", ich nenne einen Verlag, in dem ein Herr Sündermann heute wieder schreiben kann.
({11})
Das sind Dinge, die nicht einfach hingenommen werden dürfen, hier muß man aufpassen!
({12})
Wenn irgendwo der Satz gilt, daß man den Anfängen zu wehren habe, dann hier.
({13})
Aber das war nur eine Bemerkung nebenbei, die mit der Großen Anfrage als solcher nichts zu tun hat. Diese Anfrage ist auch nicht, wie ein bekannter Journalist in einer bekannten Zeitung glaubte ausführen zu müssen, der Versuch, dem Offizierskorps als solchem etwas anzuhängen. Wir Sozialdemokraten wissen wie jeder in diesem Hause, daß die allermeisten Angehörigen des Offizierskorps ihren Dienst und ihre Pflicht in Ehren getan haben.
({14})
Wir wissen, daß sie dabei oft vor Entscheidungen gestanden haben, die zu treffen dem einzelnen schwer angekommen ist.
({15})
Wer sich verhalten hat, wie es sich für einen Mann von Ehre und Gewissen ziemt, der soll geachtet und geehrt werden,
({16})
gleich, ob er Offizier der alten Wehrmacht war oder Offizier der Bundeswehr ist.
({17}) Offizier sein ist keine Schande,
({18})
wie es keine Schande ist, auf irgendeinem Felde seinen Beruf oder seine Bürgerpflicht in Ehren und in Achtung des Sittengesetzes auszuüben. Wo einer sich so verhält, hat er Anspruch darauf, geachtet und geehrt zu werden.
({19}) Das soll hier klar ausgesprochen werden.
Die Große Anfrage ist auch nicht gedacht als ein Angriff auf die Tradition als solche. Jeder Staat braucht eine Tradition. Man kann einen Staat nicht nur auf Prinzipien aufbauen. Man braucht auch Vorbilder; das ist der Sinn der Tradition. Auch eine Wehrmacht braucht eine Tradition und braucht Vorbilder. Aber nicht alles, was Vergangenheit ist, ist Tradition in diesem schöpferischen Sinne.
({20})
Um es klipp und klar zu sagen: es gibt gute Traditionen, und es gibt scheußliche Traditionen,
({21})
und nur dort, wo wir mit gutem Gewissen sagen können: „Hier ist eine gute Tradition", können wir die Menschen auffordern, die Zukunft auf diesem Fundament zu bauen. Es gibt nichts Nützlicheres, als einem Volke gute Vorbilder vorzuhalten.
({22})
Aber es gibt auch nichts Bedenklicheres, als ihm schlechte Vorbilder anzupreisen und eine Tradition auf Männer abstellen zu wollen, die vielleicht auf einem bestimmten Felde, sagen wir, dem rein soldatisch-technischen Felde, Bedeutendes geleistet haben mögen, die aber auf einem andern Gebiet, nämlich dem der Menschlichkeit, schlimm versagt haben, vielleicht noch schlimmer: die sich dort zu Komplicen von Verbrechern gemacht haben.
({23}) Darauf kann man keine Tradition bauen.
Ich möchte wissen, ob in diesem Hause einer ist, der etwa glaubt, man könne für eine künftige deutsche Bundeswehr einen Feldmarschall Schörner zum Traditionsträger machen,
({24})
obwohl doch auch von ihm wahrscheinlich gesagt werden kann, daß er war, was man einen zackigen, schneidigen, guten und tapferen Soldaten nennt. Vielleicht war er das alles; es kann sein. Daneben aber war er auch eine Bestie und ein Henker.
({25})
Es geht in dieser Anfrage auch nicht in erster Linie um die Person des Kapitäns zur See Zenker, der ein braver Soldat sein mag. Es geht um etwas anderes. Es geht darum, daß aus der Rede, die er vor der Marinelehrkompanie gehalten hat, ein Geist spricht, der nicht der Geist der Bundeswehr werden darf,
({26})
wenn die Bundeswehr das Instrument einer demokratischen Republik werden soll, die entschlossen
ist, sich mit aller Entschiedenheit von den Dingen
abzusetzen, die den deutschen Namen geschändet haben.
({27})
Ich meine übrigens, daß eine Bundeswehr mehr sein soll als nur ein wertfreies Instrument. Sie soll vielmehr der Ausdruck des Geistes sein, der diese Demokratie beherrschen soll, nämlich des Geistes der Menschlichkeit, der Menschenrechte und der Menschenwürde.
({28})
Der Kapitän zur See Zenker hat u. a. von den Nürnberger Urteilen gesprochen, die im deutschen Volke niemand anerkenne. Damit hat er ein recht bedeutsames Problem angesprochen, nämlich das Problem der Kriegsverbrechen überhaupt. Wir sollten uns hier über eines klarwerden: Wenn in einem Kriege Verbrechen begangen worden sind, dann müssen diese Verbrechen geahndet werden wie Verbrechen, die Zivilisten im Frieden begangen haben.
({29})
Es hat mir nie so recht gefallen, wenn ich Urteile deutscher Gerichte nach diesem Kriege gelesen habe, die für Kameradenschinder angemessene Strafen ausgesprochen haben, die aber nicht angemessene Strafen ausgesprochen haben, wenn es sich um Schinder von Ausländern gehandelt hat.
({30})
Aber auch diese Nürnberger Prozesse stehen bei unserer Anfrage nicht in Frage. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, daß ich den Weg, den die Siegernationen in Nürnberg beschritten haben, für einen falschen Weg halte.
({31})
Es ist keine gute Sache, wenn sich der Sieger zum Richter über den Besiegten aufwirft, insbesondere dann nicht, wenn die Straftatbestände nachträglich geschaffen worden sind und wenn sie so vage und allgemein und politisch sind, daß sich jeder darunter vorstellen kann, was er glaubt sich darunter vorstellen zu müssen. Der Weg von Nürnberg war falsch. Aber diese Erkenntnis darf uns nicht den Zugang zu einer anderen Erkenntnis verschließen, daß nämlich auf der Anklagebank zu Nürnberg auch Verbrecher gesessen haben neben anderen, die keine gewesen sind.
({32})
Wir dürfen uns nicht, indem wir uns mit Recht gegen die abscheuliche Lüge von der Kollektivschuld wehren, dazu hergeben, an eine Kollektivunschuld eines jeden zu glauben, der deutscher Staatsangehöriger ist.
({33})
Ich möchte weitergehen und sagen, daß ich es begrüße, daß man den Großadmiral Raeder, einen alten Mann, nun entlassen hat. Ich sage auch hier, daß ich es begrüßen würde, wenn man den Großadmiral Dönitz, der in der Zwischenzeit auch ein alter Mann geworden ist und der ein kranker Mann sein soll, aus seiner Haft entließe; denn auch er hat Anspruch auf menschliche Behandlung, selbst wenn er sich schuldig gemacht haben sollte. Krankheit und Alter geben Anspruch auf mildere Behandlung. Das hat nichts mit dem zu tun, was ihm - vielleicht mit Recht - vorgeworfen werden kann.
Bei dieser Großen Anfrage handelt es sich um folgendes Problem: Der Kapitän zur See Zenker hat in seiner Ansprache vor der Marinelehrkompanie folgendes gesagt - mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Herr Präsident, darf ich einige Sätze aus dieser Rede zitieren; ich zitiere sie nicht ganz, das wäre zu lang -:
Jeder von uns alten Marineleuten, die unter der Führung der beiden Großadmirale Dienst getan haben, weiß, daß die Marine sauber, anständig und ehrenhaft geführt worden ist und daß kein Makel
- kein Makel! an der Person unserer ehemaligen Oberbefehlshaber haftet. Das will ich heute hier vor Ihnen offen aussprechen. Die Großadmirale tragen ihr Schicksal daher stellvertretend für uns alle,
- welch großes Wort: „Stellvertretendes Leiden!" die wir damals im guten Glauben einer verantwortungslosen politischen Führung gedient haben, die uns fast die ganze Welt zu Feinden gemacht hat. Es hat sich für mich und alle meine Mitarbeiter in Bonn zuerst und ausschließlich die Frage erhoben, ob wir unsere Arbeit aufnehmen dürfen, solange unsere ehemaligen Oberbefehlshaber und weitere Kameraden noch in Haft gehalten werden.
({34})
Nur unter dem Gesichtspunkt der lebensnotwendigen Aufgabe der Verteidigung der ge({35})
meinsamen Freiheit kann man vertreten, daß wir uns über das Schicksal unserer alten Kameraden hinweggesetzt haben, nachdem in der Mehrzahl der Fälle sich deren Lage inzwischen durch ihre Freilassung gebessert hat. In Erkenntnis des Charakters unserer alten Oberbefehlshaber, die immer die Pflichterfüllung und die Aufgabe vor die Person gestellt haben, war ich mir sicher, daß auch sie diese Haltung billigen würden. Ich habe die Freude gehabt, daß Großadmiral Raeder mir diese Einstellung nach seiner Freilassung bestätigt hat.
In dieser Ansprache ist also ein Doppeltes gesagt - jedenfalls will ich hier von diesem Doppelten sprechen -: erstens, es hafte an der Person der ehemaligen Oberbefehlshaber der Marine kein Makel, und zweitens, daß auch ihre Zustimmung es rechtfertige, daß ein früherer Soldat in den Dienst der Bundesrepublik trete.
({36})
Das sind die beiden Behauptungen des Kapitäns zur See Zenker, um die es geht.
Wenn er sich auf die üblichen Ansprachen bei militärischen Feiern beschränkt hätte, dann hätte kein Mensch sich die Mühe genommen, diese Ansprache daraufhin zu untersuchen, ob Kapitän zur See Zenker über ein großes oder ein kleines politisches Feingefühl verfügt oder nicht.
({37})
Ich will hier keinen Zweifel darüber lassen, daß auch nach meinen laienhaften Anschauungen die Großadmirale Raeder und Dönitz sehr wahrscheinlich hervorragende Seeoffiziere gewesen sind und daß sie ihre Flottenverbände seemännisch und soldatisch ausgezeichnet geführt haben. Wären sie nichts weiteres gewesen als das, dann wäre nichts dagegen einzuwenden gewesen, daß Kapitän zur See Zenker sie der jungen Marine als Vorbilder vorstellt. Aber die beiden Männer waren dazuhin ja noch etwas anderes! Sie waren doch mit die hervorragendsten Helfer Adolf Hitlers!
({38})
Sie waren doch bewußte Mitträger einer Herrschaft des Unmenschentums, die unseren Namen befleckt hat!
Ich wende mich gegen die Methode der politischen Schizophrenie, die glaubte, einen Menschen in zwei Hälften zerlegen und sagen zu können: Er war ein hervorragender Soldat, und darum ist er ein großes Vorbild!, und vergessen zu können, daß er daneben auch ein Helfer Hitlers war,
({39})
was einem das Recht gibt, nicht mehr von ihm in dieser Eigenschaft reden zu müssen.
({40})
In die Geschichte geht dann nur noch der hervorragende Soldat ein, und das andere, was er auch war, wird vergessen. Aber man kann den Menschen nicht spalten. Der Mensch ist ein Ganzes, und jeder von uns muß sich für das Ganze, das er ist, verantworten. Wer einen Menschen als Vorbild vorstellt, muß bereit sein, das Ganze dieses Menschen zu verantworten. Der Kapitän zur See Zenker scheint das nicht gesehen zu haben oder scheint nicht bereit gewesen zu sein, es zu tun.
Dazu noch ein Wort über das, was den Offizier ausmacht. Ich glaube, daß wir eine gute, eine erlauchte deutsche Tradition haben, die es uns erlaubt, in dem Offizier mehr zu sehen als nur den gut versierten und ausgebildeten Militärtechniker, nämlich auch einen Repräsentanten hohen Menschentums. Ich denke an Scharnhorst, ich denke an Gneisenau, ich denke an Clausewitz. Wenn wir vom Bürger in Uniform sprechen, den wir nunmehr schaffen wollen, dann meinen wir doch damit nicht nur die kleinen Dinge, die man auf dem Kasernenhof anders haben will als bisher, sondern wir meinen doch damit etwas sehr Bestimmtes: daß nämlich das Menschliche und die Menschlichkeit aus dem Soldatischen nicht herausgenommen werden dürfen.
({41})
Wenn sich heute einer berufen glaubt oder berufen ist, die jungen Soldaten anzusprechen und ihnen eine Tradition zu empfehlen, dann sollte es in erster Linie sein Anliegen sein, ihnen die Tradition der Menschlichkeit im deutschen Soldatentum zu empfehlen.
({42})
Das Vermögen zu dieser echten Menschlichkeit ist dem Großadmiral Raeder und dem Großadmiral Dönitz offenbar in der Zeit des „Dritten Reiches" abhanden gekommen. Sonst wäre es nicht gut möglich gewesen, daß der Großadmiral Raeder anläßlich einer Gedenkfeier für Hindenburg und Ludendorff, schon recht zu Beginn des „Dritten Reiches", folgendes öffentlich ausführte - ich bitte um die Erlaubnis, zitieren zu dürfen -:
Das deutsche Volk hat den aus dem Geiste des deutschen Frontsoldaten geborenen Nationalsozialismus zu seiner Weltanschauung gemacht und folgt den Symbolen seiner Wiedergeburt mit ebenso heißer Liebe wie fanatischer Leidenschaft.
({43})
Es hat den Nationalsozialismus erlebt und nicht, wie so viele hilflose Kritiker draußen glauben, erlitte n. Darum die klare und schonungslose Kampfansage an den Bolschewismus und das internationale Judentum,
({44})
deren völkervernichtendes Treiben wir zur Genüge am eigenen Volkskörper zu spüren bekommen haben.
({45})
Nun, meine Damen und Herren, dieses dumme Geschwätz verbietet es, den Mann, der dieses Geschwätz vollführt hat, als Vorbild für die deutschen Matrosen hinzustellen.
({46})
Dieser Antisemitismus aus dem „Stürmer" ist es ja gewesen, der schließlich zu den Gaskammern von Auschwitz geführt hat.
({47})
({48})
Er hat das Klima geschaffen, ohne das Auschwitz nie möglich geworden wäre!
({49})
Nehmen wir den Großadmiral Dönitz! Der Großadmiral Dönitz hat am 1?. März 1944 - 1944! -, zu einer Zeit, wo doch jeder Stabsgefreite wußte, daß die sogenannte Endlösung der Judenfrage praktiziert wurde, folgendes ausgeführt - am Heldengedenktag ausgeführt, an einem Tage also, der zur Ehrung von Menschen gefeiert wurde, die für Deutschland gefallen sind, und es sind im ersten Weltkrieg doch viele, viele Tausend unserer jüdischen Mitbürger für Deutschland gefallen -:
Was wäre aus unserer Heimat heute, wenn der Führer uns nicht im Nationalsozialismus geeint hätte?!
({50})
Zerrissen in Parteien, durchsetzt von dem auflösenden Gift des Judentums und diesem zugänglich, da die Abwehr unserer jetzigen kompromißlosen Weltanschauung fehlte, wären wir längst der Belastung dieses Krieges erlegen und der erbarmungslosen Vernichtung unserer Gegner ausgeliefert worden.
Wie gesagt, im März 1944 war das ausgeführt worden, und man möge es mir nicht übelnehmen: ich glaube es keinem Großadmiral, daß er zu dieser Zeit nichts davon gewußt hätte, daß man im Begriff war, die Juden auszurotten.
({51})
Oder nehmen wir eine andere Erklärung des Großadmirals Dönitz, die er am 21. Juli 1944, am Tage nach dem Aufstand der Bürger und Offiziere des 20. Juli, gehalten hat, der Männer also, die es auf sich genommen hatten, den Ehrenschild unserer Nation wieder blank zu waschen:
Männer der Kriegsmarine! Heiliger Zorn und maßlose Wut
- „heiliger Zorn und maßlose Wut", das paßt sehr gut zusammen! erfüllen uns über den verbrecherischen Anschlag, der unserem geliebten Führer das Leben kosten sollte. Die Vorsehung hat es anders gewollt:
({52})
sie hat den Führer beschirmt und beschützt und damit unser deutsches Vaterland in seinem Schicksalskampf nicht verlassen.
({53})
Eine wahnsinnige kleine Generalsclique, die mit unserem tapferen Heere nichts gemein hat, hat in feiger Treulosigkeit diesen Mord angezettelt, gemeinsten Verrat an dem Führer und dem deutschen Volke begehend. Denn diese Schurken sind nicht nur die Handlanger unserer Feinde, denen sie in charakterloser, feiger und falscher Klugheit dienen. In Wirklichkeit ist ihre Dummheit grenzenlos.
Ich übergehe nun einige belanglose Sätze und komme zum Schlußsatz:
Wir werden diesen Verrätern das Handwerk legen. Die Kriegsmarine steht getreu ihrem Eid in bewährter Treue zum Führer bedingungslos in ihrer Einsatz- und Kampfbereitschaft.
Sie nimmt nur von mir, dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, und ihren eigenen militärischen Führern Befehle entgegen, um jede Irreführung durch gefälschte Weisungen unmöglich zu machen. Sie wird rücksichtslos jeden vernichten, der sich als Verräter entpuppt. Es lebe unser Führer Adolf Hitler!
({54})
Hier stellt sich eine ganz einfache Alternative: wer sich für Dönitz als möglichen Traditionsträger der Marine entscheidet, entscheidet sich gegen den 20. Juli und die Männer, die den 20. Juli getragen haben.
({55})
Hier muß man Farbe bekennen,
({56}) hier kann man nicht lavieren.
({57})
Hier muß man klipp und klar sagen, wo man die gute Tradition der Bundeswehr sieht, bei den Männern des 20. Juli oder bei denen, die sie geschmäht und beschimpft haben.
({58})
Vielleicht glauben einige, meine Damen und Herren, daß der Großadmiral Dönitz diese Worte wie mancher ehrenhafte Mann, der Schlimmeres verhindern wollte, in Gewissensnöten gebraucht habe,
({59})
um seine Pflichten und seine Verantwortung als Marineoberbefehlshaber politisch abzuschirmen, damit er Leute „retten" konnte, wie man heute zu sagen pflegt. Nun, wenn dem so gewesen wäre, dann hätte er doch am Tage nach dem Selbstmord Adolf Hitlers sagen können: „Jetzt decke ich meine Karten auf. Ich habe das alles nur gesagt, um Schlimmeres zu verhüten!" Statt dessen aber hat er am 1. Mai 1945 eine Ansprache an das deutsche Volk gehalten, die ich bitte zitieren zu dürfen:
Deutsche Männer und Frauen! Soldaten der deutschen Wehrmacht! Unser Führer Adolf Hitler ist gefallen.
({60})
In tiefster Trauer und Ehrfurcht verneigt sich das deutsche Volk.
({61})
Frühzeitig hatte er die furchtbare Gefahr des Bolschewismus erkannt und diesem Ringen sein Dasein geweiht. Am Ende dieses Kampfes und seines unbeirrbaren geraden Lebensweges
({62})
steht sein Heldentod in der Hauptstadt des Deutschen Reiches.
({63})
Sein Leben war ein einziger Dienst für Deutschland. Sein Einsatz im Kampf gegen die bol({64})
schewistische Sturmflut galt darüber hinaus Europa und der gesamten Kulturwelt.
({65})
- Der „Kampf Hitlers galt der Kulturwelt"! Der Führer hat mich zu seinem Nachfolger bestimmt. Im Bewußtsein der Verantwortung übernehme ich die Führung des deutschen Volkes in dieser schicksalsschweren Stunde. Meine erste Aufgabe ist es, deutsche Menschen vor der Vernichtung durch den vordrängenden Feind zu retten. Nur für diesen Zweck geht der militärische Kampf weiter. Soweit und solange die Erreichung dieses Zieles durch die Briten und Amerikaner behindert wird, werden wir uns auch gegen sie weiter verteidigen und weiterkämpfen müssen. Die Anglo-Amerikaner setzen dann den Krieg nicht mehr für ihre eigenen Völker, sondern allein für die Ausbreitung des Bolschewismus in Europa fort.
({66})
Das war die Ansprache, die der Nachfolger Adolf Hitlers, der Großadmiral Dönitz,
({67})
den der Kapitän zur See Zenker zum Traditionsträger der jungen deutschen Marine machen will, am 1. Mai 1945 gehalten hat.
({68})
Nun, meine Damen und Herren, bleibt mir noch übrig, eine sehr ernste Feststellung zu machen.
Der Kapitän zur See Zenker, den ich nicht kenne, und manche seiner Kameraden und vielleicht einige Mitglieder dieses Hauses könnten - nicht vor uns, nicht vor der Welt, nicht vor den jungen Soldaten, aber vor sich - Dönitz dadurch zu rechtfertigen versuchen, daß sie trennen zwischen Worten, die aus der Situation eines Augenblicks zu deuten seien - das ist ja die Sprachregelung für solche Fälle -, und dem Mann, dem guten Soldaten, der immer ein guter Seemann und wackerer Kamerad und getreuer Eckart seiner Soldaten gewesen sei.
Nun, meine Damen und Herren, eine solche Rechtfertigung schließt sich aus. Der damalige Oberbefehlshaber der Marine hat noch in den Apriltagen 1945 geheime Erlasse und Befehle herausgegeben, die mit dem Geist, den sein Vorgänger, der Führer des totalitären Regimes, befohlen hatte, in blutiger Weise Ernst machten.
Ich muß Ihnen hier einige dieser Erlasse zitieren, denn sie kennzeichnen den Mann: Ein Geheimerlaß mit der Unterschrift „Großadmiral Dönitz" vom 11. Mai 1944 besagt:
Ich wende mich gegen die urteilslosen und kurzsichtigen Schwächlinge, die da sagen: „Hätten wir doch den Nationalsozialismus nicht bekommen, dann hätte sich das alles nicht ereignet!". Hätten wir den Nationalsozialismus nicht bekommen, dann hätten wir bereits in den 20er Jahren in Deutschland den Bolschewismus, weiter wachsende Arbeitslosigkeit und innerpolitisches Chaos bekommen. Ohne die Aufrüstung, die der Führer uns gebracht hat, wäre Deutschland von dem Russen überrollt worden. ... Ich bitte auch keine Sorge
zu haben, daß etwa die Staatsführung nicht weiß, wie die Stimmung im Volke ist. Der Führer weiß mehr von der Stimmung des deutschen Volkes und hat sich die dadurch entstehenden innerpolitischen Führungsaufgaben mehr durch Herz und Kopf gehen lassen als irgendeiner von uns Soldaten. Das weiß ich, da ich es tagtäglich persönlich erlebe.
({69})
Ich bitte, sich auch zu beruhigen und nicht zu leicht zu sagen: „Die Schweinerei muß eine andere werden!"
({70})
Das ist der Stil, der nach Clausewitz in der deutschen Wehrmacht eingezogen zu sein scheint .. .
({71})
Ich halte also von all diesem unbrauchbaren Grübeln nichts. Wir sollten lieber die wirklichen Tatsachen sehen ... Spätestens in einem, vielleicht noch in diesem Jahr wird Europa erkennen, daß Adolf Hitler in Europa der einzige Staatsmann von Format ist.
({72})
Also all diese negative Grübelei ist unfruchtbar und sachlich unrichtig. Da sie aus Schwäche geboren ist,
- der Oberst Graf Stauffenberg war offenbar ein Schwächling kann es auch nicht anders sein; denn Feigheit und Schwäche machen dumm und blind .. Ich verlange daher von den Kommandanten und Kommandeuren der Kriegsmarine,
1. daß sie klar und eindeutig den Weg der soldatischen Pflicht gehen, was auch kommen mag. Ich verlange von ihnen, daß sie alle Anzeichen und Ansätze austreten, die in der Truppe die Durchführung dieses Weges gefährden. Die Handhabe haben sie durch den Führerbefehl OKW WF ... erhalten. Ich verlange von den Befehlshabern, daß sie gegen jeden Kommandeur ebenso rücksichtlos vorgehen, der seine soldatische Pflicht nicht erfüllt. .. .
2.... Der Kommandeur, der hierzu die soldatische Kraft nicht besitzt und schwach werden will, hat gemäß dem Befehl des Führers die Pflicht, seine Soldaten zu befragen und das Kommando an härtere Krieger abzugeben.
Das ist einer der Befehle.
({73})
- 1944!
Nun ein zweiter Befehl vom 19. April 1945 betreffend Förderung von Unteroffizieren und Mannschaften, die sich im Krieg als Persönlichkeiten erwiesen haben. Es fängt damit an, daß der Admiral wünscht, daß man Mannschaften und Unteroffiziere zu Offizieren befördere, die gezeigt haben, daß sie „auf Grund ihrer Persönlichkeitswerte imstande sind, richtige Entschlüsse selbst zu fassen und sie zielsicher und verantwortungsfreudig durchzuführen". Er fährt fort:
Ein Beispiel: In einem Gefangenenlager des
Hilfskreuzers Kormoran in Australien hat ein
Oberfeldwebel als Lagerältester die unter der
({74})
Lagerbesatzung sich bemerkbar machenden Kommunisten planvoll und von der Bewachung unauffällig umlegen lassen.
({75})
Dieser Unteroffizier ist für seinen Entschluß und seine Durchführung meiner vollen Anerkennung sicher.
({76})
Ich werde ihn nach seiner Rückkehr mit allen Mitteln fördern, da er bewiesen hat, daß er zum Führer geeignet ist.
Solche Männer gibt es mehr in der Marine. Sie zeigen sich bei der Meisterung schwieriger Lagen sowie auf sich selbst gestellt entschlußfreudig und richtig handelnd. Sie beweisen damit ihren inneren Wert.
So schließt dieser Befehl.
Und nun ein weiterer Befehl vom 7. April 1945:
Wir Soldaten der Kriegsmarine wissen, wie wir zu handeln haben. Unsere militärische Pflicht, die wir unbeirrlich erfüllen, was auch links und rechts und um uns herum geschehen mag, läßt uns wie ein Fels des Widerstandes kühn, hart und treu stehen. Ein Hundsfott, wer nicht so handelt.
({77})
Man muß ihn aufhängen und ihm ein Schild umhängen: „Hier hängt ein Verräter, der aus niedriger Feigheit dazu beigetragen hat, daß deutsche Frauen und Kinder starben, statt als Mann sie zu schützen."
({78})
Meine Damen und Herren, das ist der Mensch Dönitz, und ich frage Sie, ob Sie der Meinung sind, daß man einen solchen Mann der künftigen Marine der Bundesrepublik als Vorbild vorstellen sollte; ein Mann, der solche Befehle herausgibt, der den Kameradenmord als vorbildliche Handlung hinstellt, ein solcher Mann dürfte nicht als „ohne Makel" dastehend gezeichnet werden.
({79})
Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Kapitän zur See Zenker, der doch auch hohe Kommandostellen bekleidet hat, von diesen Befehlen nichts gewußt haben sollte.
({80})
Will man eine Tradition für unsere Marine aufstellen - und man sollte das tun -, gibt es denn dann nicht in der deutschen Seekriegs- und Friedensgeschichte unzählige Seeleute, die man als Vorbilder nennen könnte: die große Menge der Namenlosen, die bis zur letzten Granate auf ihren Schiffen ausgehalten haben und mit ihren Schiffen untergegangen sind? Und wenn schon Namen genannt werden sollten, wäre dann nicht der Admiral Graf Spee ein würdigeres Vorbild für eine deutsche Marine
({81})
und - Sie mögen mich darum schelten, wenn Sie
wollen - ein Mann wie Niemöller, der ein tapferer Marineoffizier gewesen ist und nachher ebenso
tapfer gegen das Unmenschentum gekämpft hat?!
({82})
Auch er schiene mir ein besseres Vorbild zu sein als Dönitz. Ich meine damit nicht die politische Auffassung des Herrn Niemöller. Das ist eine ganz andere Frage. Aber als Mann hat er sich bewährt, im einen und im andern Fall!
({83})
Solange Offiziere glauben, sie könnten sich vor Dönitz rechtfertigen müssen, daß sie in den Dienst der Bundesrepublik getreten sind, so lange leben sie nicht in dem Geist, der unsere Bundeswehr beseelen muß, wenn sie in Ehren bestehen soll. In Ehren wird sie nur bestehen, wenn in ihr der Geist der Menschlichkeit, der Menschenwürde und der Menschenrechte nicht nur in den Dienstvorschriften genannt wird, sondern tagtäglich tätig geübt wird;
({84})
denn ohne sie ist auch die tapferste Tapferkeit keine Tugend, nicht einmal eine soldatische Tugend. Weil wir wollen, daß in aller Klarheit, in aller Offenheit und Öffentlichkeit Regierung und Parlament der Bundesrepublik sich zu diesen echten Soldatentugenden bekennen können, haben wir diese Große Anfrage eingereicht. Sie haben sie vor sich liegen. Ich glaube nicht, daß ich sie zu verlesen brauche. Der Herr Verteidigungsminister wird sie beantworten. Das Haus wird zu dieser Antwort und zu meinen Ausführungen Stellung nehmen können. Je nachdem, wie diese Stellungnahme ausfällt, wird dann heute mehr geschehen sein als ein Meinungsaustausch über die Qualitäten eines Kapitäns zur See.
({85})
Je nachdem, wie diese Stellungnahme ausfällt, wird das deutsche Volk, wird die Welt wissen, wie ernst wir es mit der Demokratie und - was mehr ist als sie - mit der Menschlichkeit meinen!
({86})
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Bundesregierung beantworte ich die Große Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei vom 10. Februar 1956, Drucksache 2125, betreffend die Rede des Kapitäns zur See Zenker in Wilhelmshaven wie folgt:
Am 16. Januar 1956 begrüßte der damals zuständige kommissarische Leiter der Abteilung Marine im Bundesverteidigungsministerium Kapitän zur See Zenker die ersten Angehörigen der Marinelehrkompanie Wilhelmshaven und hielt aus diesem Anlaß eine Ansprache. Der Wortlaut der Rede ist der Bundesregierung bekannt. Er ist auch vom Verteidigungsausschuß des Bundestages bereits in der Sitzung vom 19. Januar 1956 eingehend behandelt worden. Da die Bildung der Marinelehrkompanie für die Marine der Bundeswehr einen neuen Beginn darstellt, kam es darauf an, in der Begrüßungsansprache die guten, der Weiterentwicklung würdigen Traditionen der Marine her({0})
vorzuheben. Wenn Zenker dabei auf das Verhalten der beiden letzten Oberbefehlshaber der Kriegsmarine eingegangen ist, so geschah dies, wie ich sicher weiß, in der Absicht, den neuen Soldaten darzulegen, daß sie sich der guten militärischen Tradition ihrer Waffe nicht zu schämen brauchten.
({1})
- „In der Absicht" habe ich gesagt; hören Sie bitte zu Ende!
Die Rede konnte und sollte auch nicht den Sinn haben, in Zweifel zu ziehen, ob man unter den gegebenen Umständen in die Bundeswehr eintreten könne. Gerade von solchen in der Öffentlichkeit gelegentlich diskutierten Gedankengängen hat Zenker, der sich als einer der ersten für den Neuaufbau der Marine zur Verfügung gestellt hat,
({2})
ausdrücklich abrücken wollen. Daran können um so weniger Zweifel bestehen, als es Zenker, der die Billigung des Personalgutachterausschusses gefunden hat, nach seiner Person und nach seinen Auffassungen fernliegt, sich mit Vorstellungen aus der Zeit des Nationalsozialismus zu identifizieren.
({3})
- Ich bin noch nicht zu Ende, Herr Kollege, und vielleicht werde ich auch noch Gelegenheit haben, in der nachfolgenden Diskussion zu dem einen oder andern Stellung zu nehmen.
({4})
- Derzeit, Herr Kollege Schmid, gebe ich die Antwort der Bundesregierung bekannt.
({5})
Die Bundesregierung mißbilligt jedoch entschieden die Formulierungen seiner Ansprache, die Anlaß gegeben haben, aus seinen Worten eine Wertung zu entnehmen, die durchaus im Gegensatz zu der Auffassung der Bundesregierung stehen würde. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß die Bundesregierung seit ihrem Bestehen in kompromißloser Haltung und mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln jeder irgendwie gearteten Erscheinungsform des überwundenen Nationalsozialismus entgegengetreten ist.
({6})
- Ich nehme an, daß diese Erscheinungsformen überwunden sind.
({7})
Die Stelle des Leiters der Abteilung Marine im Bundesministerium für Verteidigung ist inzwischen mit einem rangälteren, im In- und Ausland hoch angesehenen Marineoffizier besetzt.
({8})
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß eine Besprechung der Großen Anfrage gewünscht wird.
({0})
- Meine Damen und Herren, Sie haben in der Debatte die Möglichkeit, Ihrer Meinung Ausdruck zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Heye.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegen, die mit mir im Verteidigungsausschuß sitzen und von denen ich annehme, daß wir uns im Laufe unserer intensiven und, wie ich betonen möchte, immer sachlichen Zusammenarbeit in diesem Ausschuß einigermaßen kennengelernt haben, werden verstehen, daß ich das Einbringen der Großen Anfrage der SPD bedaure.
({0})
Sie werden auch verstehen, daß ich mich der Pflicht unterziehen muß, dazu Stellung zu nehmen.
Im Interesse der Sache, die zu vertreten ich als Pflicht betrachte, bedauere ich zunächst, daß ein so redegewaltiger und von mir persönlich hoch verehrter Herr Kollege wie Herr Professor Schmid die Anfrage vertritt. Ich hoffe, wenigstens in Ehren bestehen zu können, auch wenn ich mir darüber klar bin, daß bei mir das Wollen stärker ist als das Vermögen. Aber als altem Seemann werden Sie es mir vielleicht zugestehen, daß wir Seeleute gewohnt sind, auch stärkeren Naturgewalten zu trotzen.
({1})
- Herr Professor, geben Sie mir die Möglichkeit, einen mühsam erworbenen Gedanken zu Ende zu führen, ehe Sie mich darin unterbrechen.
Ich möchte gleich am Anfang sagen, daß wir uns in einem Punkte unterscheiden. Das ist vielleicht wesentlich, und ich werde noch im einzelnen darauf zurückkommen. Ich glaube sehr wohl, daß man in diesem Falle gerade beim Soldaten und aus der soldatischen Atmosphäre heraus unterscheiden soll zwischen dem, was einer als Soldat gewesen ist, und dem, was einer als Politiker gewesen ist.
({2})
- Herr Professor, ich komme auf diese Dinge noch zu sprechen.
Ich möchte dabei betonen, daß einzelne von den Erlassen, die Sie angeführt haben, auch mir unbekannt waren, obwohl ich in dieser Zeit auch Befehlshaber gewesen bin. Ich kann Ihnen versichern, daß sie auch dem Kapitän Zenker sicher unbekannt waren. Dem Kapitän Zenker waren im übrigen die beiden Zitate, die Sie von Raeder und Dönitz gebracht haben, unbekannt. Die erste Rede war auch mir aus dem Gedächtnis entfallen. Ich möchte also annehmen, daß man die Marine vielleicht gerade im Kriege überschätzt, wenn man annimmt, daß sie mit den politischen Dingen so in Kontakt gestanden habe, wie andere Leute die Möglichkeit dazu hatten.
({3})
Ich darf meine Ausführungen damit beginnen, daß ich es gerade nach den Ausführungen von Professor Schmid bedauere, daß durch solche Anfragen Diskussionen heraufbeschworen werden, die wegen der Kürze des historischen Ablaufs nur sehr selten sachliche und objektive Urteile zeitigen können. Ich bedauere es auch deshalb, weil durch die Anfrage einer großen Partei im Bundestag die Äußerungen eines Kapitäns zur See, also eines Offiziers, der in der Beamtenhierarchie den Rang eines Ministerialrats hat, eine Bedeutung gewinnen, die sie nach meiner Auffassung weder innen- noch außenpolitisch haben.
({4})
Ich bedauere die Anfrage auch im Interesse der SPD selbst, weil sie gerade in den Zeiten des Aufbaus dazu führen könnte, daß künftige Soldaten schon bei dem Beginn des sehr schwierigen Starts den Eindruck gewinnen, daß die SPD ihnen mit sehr großem Mißtrauen gegenübertritt; eine Auffassung, die ich persönlich nicht teile. Ich hoffe vielmehr, daß wir bei der Aufstellung der Bundeswehr im Gegensatz zu der Zeit von 1918 vom Beginn an ein wechselseitiges Vertrauensverhältnis zwischen den demokratischen Parteien und der Bundeswehr erreichen können. Ein solches Vertrauensverhältnis ist zweifellos die beste Gewähr gegen eine Isolierung der Bundeswehr und gegen die Gefahr, daß eine militärische Organisation ein Staat im Staate wird. Ich darf dabei daran erinnern, daß die Reichswehr der Weimarer Republik nicht nur deshalb ein Eigenleben innerhalb des staatlichen Apparats geführt hat, weil die Masse der damaligen Soldaten und naturgemäß auch Millionen sonstiger Staatsbürger den jähen Übergang von der Monarchie zur Republik nicht überwunden hatten, sondern auch deshalb, weil sich die politische Führung der Weimarer Republik zwar der Reichswehr zur Aufrechterhaltung der Ordnung bedienen mußte, es dagegen zweifellos an dem Bemühen fehlen ließ, den Soldaten durch Vertrauen und Verständnis an die neue Staatsform zu binden.
Politisch - das möchte ich auch noch einmal betonen - halte ich Anfragen dieser Art im Augenblick des Starts der Bundeswehr für unzweckmäßig.
({5})
- Die kenne ich; ich bin auch Humanist. - In manchen Kreisen des Inlandes und vor allen Dingen auch des Auslandes könnte allzu leicht die Auffassung Raum gewinnen, daß die Sicherheit der Bundesrepublik, die politische Zuverlässigkeit der Bundeswehr und die Staatsgesinnung ihrer Mitglieder schon nach den Ausführungen eines einzelnen Stabsoffiziers irgendwie gefährdet erschienen -meine Damen und Herren, das ist nicht der Fall -,
({6})
noch dazu eines Stabsoffiziers, der nach meinem
Urteil und nach der Überzeugung aller, die ihn
kennen, eine ruhige, allem Radikalen abholde Natur, eine sachlich denkende und mehr erwägende als wagende Persönlichkeit
({7})
und ein demokratischer Staatsbürger aus Gesinnung, nicht aus Gründen der Zweckmäßigkeit ist.
({8})
Jedenfalls ist das meine Auffassung. Ich fühle mich zu einer solchen Äußerung verpflichtet, weil ein Punkt der Großen Anfrage so aufgefaßt werden könnte, als ob die Gesinnung und die politische Zuverlässigkeit des Kapitäns Zenker bezweifelt würden. Ein solcher Zweifel bedeutet nach meiner Ansicht eine schwere Kränkung für einen Mann, der sich von Anfang an aus ehrlicher Überzeugung für den Aufbau der Verteidigungsorganisation zur Verfügung gestellt hat.
({9})
- Das ist eine andere Frage.
({10})
- Ich komme auf diesen Punkt noch zurück.
Lassen Sie mich zu meinen geschilderten Bedenken noch in aller Offenheit darlegen, warum ich Anfragen dieser Art nicht nur für politisch unzweckmäßig, sondern auch für schädlich für den Aufbau und die Personenwahl der Bundeswehr halte. Wir bemühen uns im Bundestag und in vorbereitender Art im Verteidigungsausschuß, die neue deutsche Bundeswehr wirklich modern und in der inneren Führung zeitgemäß aufzubauen. Wir versuchen, den kommenden deutschen Soldaten die staatsbürgerlichen Rechte nur soweit zu mindern, als dies mit der nach wie vor wichtigsten Forderung zu vereinbaren ist, daß die Wehr der Bundesrepublik ein zuverlässiges Instrument von höchstem Kampfwert ist. Ich darf wohl behaupten, daß die ehemaligen Soldaten in diesem Hohen Hause einen solchen Kurs besonders unterstützt haben und weiter konsequent unterstützen werden. Wir sehen in der totalen Unterbrechung der Verteidigungsorganisation die große Chance, ohne Bindung an überlebte äußere Formen und unzeitgemäße Bestandteile früherer militärischer Organisationen vom Fundament angefangen neu aufzubauen. Wir gehen dabei alle zusammen bewußt ein Risiko ein, vielleicht auch einmal zu weit vorzugreifen.
Sie werden aber mit mir sicher darin übereinstimmen, daß der deutsche Mensch, nicht nur der deutsche Soldat, eher einer Steigerung seines Gefühls für Selbstverantwortung und für Zivilcourage bedarf als dessen, seiner Neigung Vorschub zu leisten, lediglich Befehlsempfänger zu sein und möglichst wenig Verantwortung zu tragen.
({11})
- Das soll er ja. - Während man vom Soldaten früher und heute den stummen Gehorsam erwartete - im Gegensatz zum blinden Gehorsam, der bei geistig entwickelten Völkern eine paradoxe Forderung ist -, wollen wir darüber hinaus den eigenen Willen des Soldaten und sein Verantwortungsgefühl, aber auch seine Entschlußfähigkeit soweit stärken, daß er notfalls auch ohne Befehl im Sinne der Führung handeln kann. Ich bin mir be({12})
wußt, daß das eine sehr weitgehende Forderung ist. Aber wir sind uns in diesem Hohen Hause fast einig darin, daß wir den ersten Schritt in dieser Hinsicht tun wollen.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß eine Erziehung des kommenden Soldaten - und eine Erziehung ist notwendig - und die Entwicklung eines Typs, der dieser Forderung entspricht, längerer Zeit bedarf. Gerade bei Beginn eines Aufbaues werden wir auf diesem oder jenem Gebiet nicht nur mit den durchaus verständlichen Entwicklungskrankheiten zu tun haben, sondern wir werden auch mit diesem oder jenem Versager zu rechnen haben. Wir sollten uns aber alle in diesem Hause darüber klar sein, daß man den Typ des neuen Soldaten, also des Staatsbürgers in Uniform, nicht fördert, wenn man auf der einen Seite zwar möglichst viele Rechte des Staatsbürgers dem Soldaten beläßt und seine Rede- und Handlungsfreiheit möglichst wenig eingeschränkt wissen will, aber beim ersten Anlaß die Idee des Staatsbürgers sozusagen fallenläßt und vom Soldaten das fordert, was man selbst bei früherer Gelegenheit beanstandet hat, nämlich daß er den Mund hält, ohne daß er selbst die praktische Erfahrung seiner Grenzen erworben hat, innerhalb deren er seine eigene Auffassung mit Freimut bekennen oder nicht bekennen kann. Ich weiß nicht, ob alle Bürger und alle Politiker und alle Minister die Grenzen wissen, innerhalb deren sie sprechen können, ohne die Demokratie zu gefährden.
({13})
Meine Damen und Herren, ich habe wirklich die größte Sorge, eine solche kritische Beurteilung der Worte eines Stabsoffiziers, ganz gleich, ob in diesem Fall die Kritik berechtigt ist oder nicht, könnte dazu führen, daß gerade bei den Soldaten der Mut zum Vertreten der eigenen Ansicht erlischt. Ich sehe als erfahrener Soldat, der mit den Fragen der Menschenführung und der Psychologie einigermaßen vertraut zu sein glaubt, in einem solchen Verfahren die große Gefahr, daß wir dadurch das Gegenteil von dem erreichen, was wir alle wollen, daß wir also einen Soldaten und Offizier erhalten, der aus Sorge um seine Existenz, vielleicht auch aus Angst vor seinen militärischen und politischen Vorgesetzten, ängstlich vermeidet, nach irgendeiner Seite aufzufallen. Er wird dann zu dem lauwarmen und leider schon sehr verbreiteten Typ derer werden, die niemals auffallen wollen, also farblos sind, die nur wägen, aber nicht einmal in Gedanken wagen und die in kritischen Situationen ganz bestimmt nicht die Erwartung erfüllen werden, die wir alle gerade in sie als Soldaten setzen.
({14})
- Ich als alter Soldat kann es ja ruhig sagen. In der Masse verlangt jeder Beruf einen besonderen Typ. Der soldatische Typ ist anders als der Typ des Beamten, des Kaufmanns, des Geistlichen oder des Philosophen, auch wenn einige abweichende Typen sich günstig auf das Ganze auswirken werden.
Ich möchte dabei betonen, daß nicht alle, die das Parteibuch der NSDAP nicht besessen haben, aus diesem Grunde als Nichtnationalsozialisten anzusehen sind. Ich glaube, daß sehr viele von ihnen einfach zu den Menschen gehören, die überhaupt keine Stellung nehmen.
Wir wollen uns ganz nüchtern darüber klar sein, daß gerade der soldatische Beruf Männer verlangt, die auch bereit sind, ein Risiko einzugehen, und sei es das Risiko, daß sie auch einmal eine Dummheit sagen oder eine Dummheit machen. Schließlich hat jeder Staatsbürger das Recht, von seiner Redefreiheit Gebrauch zu machen, selbst auf die Gefahr hin, daß nicht alles, was er sagt, Weisheiten sind. Diese Freiheit genießen auch die Politiker, und ich habe mir sagen lassen: gelegentlich auch Minister.
({15})
Von einem verständnisvollen Gremium hätte ich in diesem Falle erwartet, daß man, sofern man diese Ansicht vertritt, den Freimut und die Zivilcourage des Kapitäns Zenker anerkennt - denn es gehört Zivilcourage dazu, ein solches heißes Eisen anzupacken ({16})
und daß man ihn auf der andern Seite in ruhiger und persönlich nicht verletzender Form darauf hinweist, wie etwa die politische Führung im Sinne des Staatsbürgers in Uniform sich ausgedrückt hätte, um den ehrenhaften Motiven von Zenker gerecht zu werden.
({17})
Ich muß in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß Kapitän zur See Zenker wegen der besonderen Verhältnisse in der Marine und wegen des Zusammengehörigkeitsgefühls, das ohne Unterbrechung über die Kapitulation bis heute noch besteht, auf das Thema eingehen mußte und daß die Tatsache, daß er dieses schwere Problem überhaupt angesprochen hat, auch von denen anerkannt wird, die in dieser oder jener Frage mit der Auffassung Zenkers, sicher auch mit der Formulierung, nicht übereinstimmen.
({18})
Zum besseren Verständnis für das Verhalten des Kapitäns zur See Zenker darf ich hier kurz einschalten, warum gerade in der Marine ein sehr stark ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl besteht. Jeder, der mit der Führung von Menschen beauftragt ist, wird aus psychologischen Gründen auf dieses Gefühl Rücksicht nehmen, weil er dadurch die wechselseitige Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Untergebenen auf eine menschlichere und deshalb wirkungsvollere Basis stellen kann. Das enge Zusammenleben an Bord, auch außerhalb der besonderen Dienstverpflichtungen, bringt es mit sich, daß die wechselseitige Kenntnis sowohl der Vorzüge wie der Schwächen jedes Besatzungsmitgliedes sehr umfassend ist. Der Teamgedanke ist für die Besatzung eines Schiffs, ganz gleich ob Kriegs- oder Handelsschiff, nichts Neues. Seit die See befahren wird, stellt eine Schiffsbesatzung die Verwirklichung des Teamgedankens dar, auch schon, bevor dieser moderne Ausdruck geprägt wurde. Verantwortung und Aufgabe greifen ineinander; denn der Ausfall auch der einfachsten Funktion kann zu Störungen führen, die das ganze Schiff gefährden.
({19})
Von besonderem psychologischem Einfluß ist auch die Tatsache, daß der Admiral eines Verbandes und der Kommandant eines Schiffs, ganz gleich,
({20})
ob es ein kleines oder großes Schiff ist, im Frieden und im Kriege, bei gutem und bei schlechtem Wetter sichtbar die Hauptlast der Verantwortung tragen, aber auch für falsche Entschlüsse oder fehlende Sachkenntnis den gleichen Zoll an das Schicksal zu bezahlen haben wie der jüngste Matrose.
Schließlich darf ich noch hinzufügen: die deutsche Marine hat sowohl im ersten wie noch mehr im zweiten Kriege vom ersten Tage an unter der harten Notwendigkeit gestanden, ihre Aufgabe in einer zahlenmäßig hoffnungslosen Unterlegenheit gegenüber einem weit überlegenen Gegner durchzuführen, und das schweißt zusammen. Wahrscheinlich darf man auch als Elemente, die die Kameradschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl steigern, die Kenntnis des Auslandes und die gerade in der Marine bei den verschiedenen revolutionsartigen Erscheinungen seit 1917 gemachten Erfahrungen hinzurechnen.
Weiter: Seit jeher erstreckt sich der Begriff der soldatischen Kameradschaft nicht nur auf den engen Kreis der Stubengemeinschaft oder der Korporalschaft, sondern umfaßt alle Menschen, die überhaupt einmal einen Wehrpaß gehabt haben und die einmal unter dem gleichen Gesetz gelebt, gedient und gekämpft haben. Ich glaube nicht, daß in irgendeinem uns heute verbündeten Land ein solcher Hinweis kritisiert worden wäre, wenn dort unter ähnlichen Umständen wie bei uns eine neue Wehrmacht im Entstehen begriffen wäre.
Was ist denn eigentlich geschehen? Der kommissarische Leiter der Marine, Kapitän zur See Zenker, hat am ersten Tage der Aufstellung der Marine-Lehrkompanie in Wilhelmshaven anläßlich der in allen Marinen üblichen Flaggenparade eine Ansprache an die Freiwilligen gehalten. In dieser Ansprache unterstrich er die Bedeutung des Tages als den sichtbaren Anfang einer neuen Bundesmarine mit neuen Zielen auf der Grundlage der ehrenvollen Tradition seit den Tagen der ersten Bundesmarine von 1848, Gedanken, die Professor Schmid besser als ich ausgesprochen hat. Er versuchte bei dieser Gelegenheit, aus seiner Sicht heraus die Fragen zu beantworten, die seit der Kapitulation immer und immer wieder von früheren Soldaten und natürlich auch in allen Kreisen der Marine gestellt worden sind, vielfach ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit, der Religion oder der Landsmannschaft. Ich stehe noch heute mit zahlreichen ehemaligen Waffenträgern der alten Wehrmacht, insbesondere natürlich der Marine, in der ganzen Bundesrepublik in Verbindung. Ebenso wie wir im Kriege bei einem Frontverband nicht nach der politischen oder der konfessionellen Einstellung des Schicksalsgefährten gefragt haben, genauso wenig spielt für uns heute bei soldatischen Problemen die Frage der Parteizugehörigkeit, der Religion oder der Landsmannschaft eine Rolle. Es kommt einzig und allein darauf an, ob ein Mann in Erfüllung seiner staatsbürgerlichen oder soldatischen Aufgabe ein ganzer Kerl gewesen ist und heute noch ist. Ich bitte mir deshalb zu glauben, daß nach meiner Überzeugung der verantwortliche Offizier sich zu diesen Problemen äußern mußte, zu Problemen, die nach wie vor eine Beeinträchtigung der Souveränität der Bundesrepublik bedeuten und die leider bis zur Stunde noch nicht beseitigt worden sind, obwohl bereits deutsche Soldaten in täglich steigender Zahl Seite an Seite mit den westlichen Bundesgenossen sich auf ihre Aufgaben der Sicherung der Freiheit vorbereiten.
Diese meine Feststellung, meine Damen und Herren, bedeutet nicht, daß die noch auf deutschem Boden von fremden Gerichten verurteilten und in Haft befindlichen deutschen Menschen alle völlig
schuldlos dieses Schicksal zu tragen haben. Sie bedeutet aber, daß die souveräne Bundesrepublik ihrem Grundgesetz möglichst schnell Geltung verschaffen muß, nach dem ein Bürger der Bundesrepublik nur von deutschen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden kann und auch gezogen werden muß. Fremde Urteile, die wir als einseitig empfinden müssen, wie es auch Professor Schmid ausgedrückt hat, erkennen wir nicht an, auch wenn ein deutsches Gericht zu dem gleichen Spruch gekommen wäre. Die Bundesregierung hat sich ja im Überleitungsvertrag ausdrücklich zu diesem Standpunkt bekannt, und die Westmächte haben ihn anerkannt. Warum soll ein Offizier diese Ansicht nicht vertreten dürfen?
Die an sich schon überaus schwierige Aufgabe der Neuaufstellung der Bundeswehr würde zweifellos erleichtert, wenn wenigstens in den Fragen der Kriegsverurteilten und der in Spandau Festgehaltenen eine Klärung in dem Sinne erfolgte, daß die Autorität der Bundesrepublik in der Zuständigkeit, über Recht und Unrecht nach deutschem Recht und durch deutsche Gerichte zu entscheiden, wiederhergestellt wird.
Ich betone erneut, daß Zenker nach meiner Überzeugung auf dieses heiße Problem eingehen mußte - wenn er Zivilcourage hatte. Ich weiß, daß viele Staatsbürger - und nicht nur ehemalige Soldaten - dafür dankbar sind, daß er gerade in der Stunde des Aufbaus der Bundeswehr auf die Belastung zu sprechen kam, die jeder nachdenkliche und kameradschaftlich fühlende deutsche Mensch durch die noch ausstehende Lösung des Problems der Kriegsverurteilten spürt.
Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, und ich unterstreiche es durchaus, daß die Verpflichtung des einzelnen Staatsbürgers gegenüber der Gemeinschaft höher ist als selbst die Verpflichtung gegenüber einem in Not befindlichen Kameraden. Zenker hat wie viele andere Kameraden - und ich bin dankbar, daß Professor Schmid das auch erwähnt hat - sich zu dieser Auffassung bekannt, als er sich trotzdem schon vor Jahren vorbehaltlos zum Waffendienst verpflichtet hat.
Meine Damen und Herren, die Vermutung, daß Zenker mit seiner Rede - und da unterscheide ich mich von dem hochverehrten Kollegen Professor Schmid - politische Probleme behandeln und etwa Tendenzen des Nationalsozialismus verherrlichen wollte, muß ich allerdings aus Kenntnis seiner Person und der Sache zurückweisen. Der Kapitän zur See Zenker, der - das darf ich einflechten - kein Politiker und Zeit seines Lebens Soldat gewesen ist, hat in seiner Ansprache betont, daß die Marine sauber, anständig und ehrenhaft geführt worden ist und daß kein Makel an der Person der ehemaligen militärischen Oberbefehlshaber hafte. Er hat dabei für meine Begriffe zum Ausdruck bringen wollen, daß er für die Soldaten Raeder und Dönitz eintritt und nicht für die politischen Persönlichkeiten Raeder und vor allen Dingen Dönitz, deren Beurteilung gar nicht in seine Zuständigkeit fällt. Und lassen Sie mich ergänzen: Ich glaube, daß er gar nicht in der Lage ist, die politische Seite zu beurteilen.
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Im übrigen darf darauf hingewiesen werden, daß die beiden von Professor Schmid und in der Anfrage der SPD zitierten Reden trotz sicher eifriger Nachforschung des damaligen Nürnberger Tribunals die einzigen Unterlagen in dem ungeheuer umfangreichen Anklagematerial von Nürnberg sind, in denen festgestellt werden konnte, daß Raeder und Dönitz Äußerungen gegen das Judentum getan haben. Ich glaube, daß man zur Entlastung, nicht zur Entschuldigung das Nürnberger Gericht selbst anführen kann, das diese Äußerungen ja gar nicht ernst genommen hat. Das ergibt sich daraus, daß weder Raeder noch Dönitz wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit verurteilt worden ist. Denn unter diese Bezeichnung fielen alle judenfeindlichen Maßnahmen.
Dabei ist festzustellen, daß in der Marine bei Einführung des Arierparagraphen mit jeder damals möglichen Toleranz vorgegangen wurde. Wir haben bis zuletzt Offiziere gehabt, die persönlich - oder deren Frauen - von Juden abstammten, die ihren Dienst auch in hohen Stellungen weiter versehen haben. Sie sind weder gesellschaftlich noch kameradschaftlich benachteiligt worden. Soweit mir bekannt, haben entsprechende eidesstattliche Affidavits dem Nürnberger Gericht vorgelegen.
Wie weit Zenker nach meiner Auffassung davon entfernt ist, irgendeiner Verherrlichung des Nationalsozialismus auch nur andeutungsweise durch das Eintreten für die beiden Großadmirale Vorschub zu leisten, geht auch daraus hervor - das hat Professor Schmid schon zum Ausdruck gebracht -, daß er in dieser gleichen Rede gesagt hat, daß die beiden Großadmirale ihr Schicksal für alle getragen, die damals in gutem Glauben einer verantwortungslosen politischen Führung gedient haben, die uns fast die ganze Welt zu Feinden gemacht hat.
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- Auf diesen Punkt komme ich noch zu sprechen, Herr Professor.
Ich weiß, daß es manche Stimmen in diesem Hohen Hause - und nicht nur in der SPD - gibt, die überhaupt bemängeln, daß Zenker in seiner Ansprache nicht nur allgemein das Thema der noch in Haft befindlichen Kriegsverurteilten angeschnitten hat, sondern sich mit größter Ausführlichkeit mit dem Problem der beiden Großadmirale und vor allen Dingen dem noch in Spandau festgehaltenen Admiral Dönitz beschäftigt hat, dessen Haftzeit bei der in anderen Ländern, selbst in der Sowjetunion, üblichen Anrechnung der Untersuchungshaft bereits verbüßt gewesen wäre.
Ich bin der Auffassung, daß Zenker auf diese Frage eingegangen ist nicht wegen der politischen Rolle - ich glaube, jeder, der Zenker kennt, wird mir in der Sache beistimmen -, die Dönitz als Nachfolger Hitlers - wo er praktisch nur der Liquidator des Krieges war - erst ab 1. Mai 1945 cinc Woche lang gespielt hat, sondern um die Gründe darzustellen, die in diesem Fall von dem verantwortungsbewußten Staatsbürger verlangen, daß er die als soldatische Tugend anerkannten Begriffe von Kameradschaft und Treue um einer höheren Aufgabe willen zurückstellt. Genau das hat Zenker selbst getan. Wir haben im kürzlich verabschiedeten Soldatengesetz dem § 10 zugestimmt, der mit den Worten beginnt:
Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen.
Der Kapitän zur See Zenker hat nichts anderes getan, als vor den jungen Freiwilligen die Gründe dargelegt, warum in diesem Fall die Verpflichtung jedes Soldaten, seinem Kameraden in Not und Gefahr beizustehen, sich auf das Bestreben, dem früheren Kameraden durch persönliche Anteilnahme zu helfen, beschränken muß. Mit einem Hinweis auf die politische Tätigkeit der beiden Admirale oder gar mit der in der Anfrage angenommenen Absicht, die beiden ehemaligen Oberbefehlshaber als „Muster" hinzustellen, haben nach meiner Ansicht die Ausführungen Zenkers nichts zu tun.
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß die Zeit noch nicht reif ist für eine sachliche Beurteilung von Persönlichkeiten, die in der Zeit des Nationalsozialismus die militärische Verantwortung zu tragen hatten. Ich glaube auch, daß infolge der Anforderungen des Tages und der ständig wechselnden politischen Lage unserer Generation noch nicht die Zeit geschenkt war, um auf der Grundlage von Dokumenten, der historischen Forschung und einer richtigeren richterlichen Beurteilung eine kritische und gerechte Beurteilung der handelnden Persönlichkeiten dieser Zeit abzugeben. Bis dahin wird die öffentliche Meinung sich in vielen Fällen leider an die Beurteilung halten, die nach Beendigung des Krieges entstanden ist. Man wird dieser Beurteilung nicht immer den Wert einer sachlichen und durchaus objektiven Kritik beimessen können.
So schwankt auch das Bild der beiden Oberbefehlshaber der Marine in der Beurteilung durch die Öffentlichkeit, vor allen Dingen natürlich in den Kreisen außerhalb der Marine, in denen die Kenntnis der Zusammenhänge fehlt und die Auswirkung der beiden Persönlichkeiten mehr in der negativen als in der positiven Richtung bekanntgeworden ist. Ich wäre dankbar, wenn Sie meinen Ausführungen gerade in diesem Fall einen gewissen objektiven Wert beimessen würden, obwohl ich selbst viele Jahre der Kriegsmarine angehört habe und beide Persönlichkeiten mir durchaus bekannt sind. Ich bekenne, daß ich mich mehrmals auf militärischem Gebiet in scharfem Gegensatz zu den Auffassungen beider Oberbefehlshaber befunden habe. Das bezieht sich sowohl auf die Schiffbaupolitik vor und im Kriege wie auch auf die Zweckmäßigkeit dieser oder jener Operation. Ich war ursprünglich auch der Auffassung - ich betone das ausdrücklich -, daß der Oberbefehlshaber eines Wehrmachtteils in der Lage sein sollte, sich nicht nur eng auf seine militärische Aufgabe zu beschränken, sondern darüber hinaus auch Einfluß auf die politische Führung zu gewinnen, sobald das Versagen der politischen Führung und der zuständigen Instanzen klar erkennbar war, was nach meiner Ansicht spätestens 1934 der Fall war.
Ich gebe zu, daß es mir schon vor Beginn des letzten Weltkriegs klargeworden ist, daß in einer Diktatur, wie sie von Hitler aufgebaut wurde, noch stärker als in anderen politischen Systemen der Soldat - selbst in der Person eines Oberbefehlshabers - auf das rein militärische Gebiet beschränkt wurde und keinerlei Einfluß auf die poli({24})
tischen Maßnahmen der Führung hatte, es sei denn auf solche, die mittelbar oder unmittelbar die militärische Lage beeinflussen konnten. Auf diese wenigen Möglichkeiten haben sich die beiden Oberbefehlshaber beschränken müssen und auch beschränkt, wobei Großadmiral Raeder sich seiner Natur nach noch stärker auf die rein fachlichen Aufgaben der Marine zurückzog, als es später der Großadmiral Dönitz tat, der wie sehr viele andere eine höhere politische Verantwortung tragende Persönlichkeiten von der Dämonie des Diktators beeindruckt war. Das ist allenfalls eine tragische Schuld, aber kein mit menschlichem Maß meßbares Verbrechen. Wo sind denn die Millionen Menschen, die gleich Dönitz von dieser dämonischen Natur beeindruckt waren? Ich glaube, sie sind heute überall in der Bundesrepublik und sie sind längst wieder in das normale Staatsleben eingegliedert.
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- Ich bin ja der Auffassung, daß sie nicht als Vorbild gepriesen worden sind.
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- Ich glaube nicht; das ist eine persönliche Auffassung.
Politisch, das möchte ich betonen, trugen beide Admiräle keine Verantwortung, und die politische Tätigkeit von Dönitz, wo sie sich auswirkte, beginnt praktisch erst am 1. Mai 1945.
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Bis zu diesem Zeitpunkt waren beide Oberbefehlshaber nur Soldaten ohne jeden Einfluß auf die politischen Maßnahmen.
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- Das hat nichts zu tun mit den Reden, die sie gehalten haben.
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- Sie waren militärische Befehlshaber, sie trugen keine politische Verantwortung.
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- Sie waren Soldaten unter der politischen Führung, genau wie andere es heute sind.
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Ich halte es für wichtig, gerade auf diesen Punkt hinzuweisen, da auch heute noch in vielen Kreisen die Auffassung besteht, daß die höheren militärischen Stellen einen maßgebenden Einfluß auf die Führung der Politik und auf die Rolle, die die Partei innerhalb des Staates spielte, gehabt hätten.
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- Das ist in einem anderen Zusammenhang gesprochen worden, Herr Professor. Es ist nicht so zu verstehen, wie es allgemein aufgefaßt worden ist.
Deshalb gebe ich Zenker recht, wenn er behauptet, daß den beiden Großadmirälen als militärischen Führern, ich betone das, kein Makel an- haftet. Das ist auch die Auffassung des Auslandes. Ich will mich gar nicht auf meine Ansicht beschränken, denn der Nürnberger Gerichtshof, der sicherlich zu jeder rechtlich vertretbaren Verurteilung bereit war, hat beide Admiräle in bezug auf ihr militärisches Verhalten, für das sie zuständig waren, freigesprochen. Es haftet also keinerlei Makel an ihnen als militärischen Führern, daß unter ihrer Führung die Gesetze der Menschlichkeit und Gerechtigkeit verletzt worden wären.
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- Ich komme darauf zurück. - Dagegen sind beide Admiräle wegen ihres politischen Verhaltens, das nicht zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehörte, verurteilt worden. Hiermit ist ihnen auch nach meiner persönlichen Überzeugung Unrecht geschehen. Gerade in diesem Punkte sehe ich eine Verwirrung der Begriffe, die in der Nachkriegspsychose entstanden ist, auch wenn bei der sachlichen Beurteilung dieses Verfahrens die Verschiedenheit der Auffassungen in den angelsächsischen Ländern und in einem Kontinentalstaat wie Deutschland, berücksichtigt werden muß. In Nürnberg jedenfalls entstand auf diese Weise die für uns Deutsche absurd erscheinende Situation, daß die Verurteilung der beiden Offiziere mit einem Verhalten begründet wurde, das auch nach unserer heutigen Anschauung außerhalb ihres Verantwortungsbereichs lag. Die zuständigen Soldaten aller Staaten haben die Pflicht, jede Möglichkeit kriegerischer Unternehmungen und Verwicklungen vorher zu untersuchen und die entsprechenden Planungen gemäß der ihnen übertragenen Aufgabe vorzubereiten. Ob es aber zu einer kriegerischen Verwicklung kommt und welchen Gebrauch die Führung von den Planungen macht, ist eine Entscheidung, die nicht bei der militärischen, sondern eindeutig bei der politischen Führung liegen muß und auch damals gelegen hat. Der Bundestag fordert genau wie alle Parlamente in demokratischen Staaten, daß der Soldat die politische Führung fachlich zu beraten hat, daß aber Entschlüsse und politische Entscheidungen ausschließlich der Zuständigkeit der politischen Führung unterliegen.
Abgesehen von meinem Versuch, darzulegen, daß auch die beiden Großadmiräle als Oberbefehlshaber eines Wehrmachtteils unter Hitler lediglich für die Durchführung der militärischen Aufgaben zuständig und verantwortlich waren - sofern Hitler nicht auch in diese Sphäre eingriff -, werden sie natürlich und leider in der Geschichte fortleben als militärische Repräsentanten der nationalsozialistischen Ära. Beide Admiräle haben sich ihr Staatsoberhaupt nicht ausgesucht, und sie haben nicht einmal bei der Reichstagswahl ihre Stimme in die Waagschale werfen können, da ihnen wie allen Soldaten die Stimmabgabe verboten war.
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Damit wird ihre Verstrickung mit dem System, die ich nicht ableugne, zur Tragik. Deshalb werden die beiden Admiräle in der militärischen Geschichte als militärisch saubere Führer in einer vom Nationalsozialismus beherrschten Epoche fortleben,
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einer Epoche, deren endgültige Überwindung auf politischem Gebiet auch das Ende der militärischen Verantwortung dieser beiden Offiziere - auch für die Zukunft - bedeutet. Wir ehren als Kameraden das persönliche Leid, das sie erduldet haben. Wir sind aber überzeugt, daß keine urteilsfähige Persönlichkeit von Einfluß, auch nicht in den Kreisen der ehemaligen und heutigen Marine - am wenigsten aber die beiden Admiräle selbst -, die Absicht hat, diese beiden Offiziere in der neuen Marine oder in der Öffentlichkeit eine Rolle spielen zu lassen, und sei es auch nur einer Art von Hausgöttern, deren Ansicht bei schwierigen Fragen in die Waagschale geworfen wird.
Wir wollen sowohl in dem Fall der beiden Admiräle wie auch in anderen Fällen, in denen eine klare Rechtsauffassung noch nicht sichtbar ist - und in dieser Auffassung unterscheide ich mich etwas von Professor Schmid -, uns dafür einsetzen, daß die Auffassung des Rechtsstaates auch dort zur Geltung kommt, wo persönliche Ressentiments vielleicht noch geneigt sind, auf Vergeltung zu drängen.
Ich darf vielleicht - gerade weil Professor Schmid auf das Thema eingegangen ist - bei dieser Gelegenheit eine Zwischenbemerkung machen, die mittelbar auch mit dem Problem zu tun hat, das wir hier - nach meiner Auffassung leider - zu behandeln haben. Ich verstehe nicht recht, warum gerade der Soldat, und zwar der Berufssoldat, in der Vorstellung vieler Staatsbürger als der mächtigste Helfer des Systems des Dritten Reichs erscheint. Ich habe das Gefühl, daß eine solche Tendenz von vielen Stellen gefördert wird, auch von solchen, die schon von Berufs und Amts wegen ebenso wie der Soldat damals nach den Weisungen einer legal zur Macht gekommenen Führung handeln mußten, ganz gleich, ob sie das System billigten oder nicht. Es ist bekannt, daß die Reichswehr aus grundsätzlichen Erwägungen aus der Politik herausgehalten wurde. Sie war vom innerpolitischen Leben mehr oder weniger ausgeschaltet und erlebte das Wachsen des Nationalsozialismus in der ersten Zeit lediglich als unparteiischer und oft als zu keinem Urteil befähigter Zuschauer. Erst nach Umwandlung des Berufsheeres in ein Heer der allgemeinen Wehrpflicht und einer zahlenmäßigen Vergrößerung strömten der Wehrmacht in größerer Zahl die Menschen als aktive Soldaten und als Reservisten zu, die weitaus stärker als die geringe Zahl nationalsozialistisch gesinnter Berufssoldaten aus ihrem Zivilleben die politischen Ideen des Nationalsozialismus in die Wehrmacht trugen. Ich glaube, jeder gerecht denkende Kritiker wird mir zustimmen, wenn ich behaupte, daß der Soldat in sehr viel geringerem Maße als manche anderen Berufe seine fachliche Denkungsart und seine fachliche Tätigkeit gleichschalten mußte. Es gibt keine nationalsozialistische, keine demokratische und keine kommunistische Kampfführung. Soweit es die fachliche Seite der Kampfführung betrifft, gibt es nur eine Kampfführung, nämlich diejenige, die Erfolg hat. Dagegen müssen die Angehörigen anderer Berufe ihre Auffassung, um nicht zu sagen: ihre ursprüngliche Überzeugung unter der Diktatur vielfach ändern, wenn sie im Amt bleiben wollen. Die Rechtsprechung hat z. B. in einem demokratischen Staat unbestritten eine andere Auffassung von Verantwortung und Freiheit des Handelns als in einem diktatorisch regierten Staat. Auch die politischen Persönlichkeiten tragen eine verschiedene Verantwortung je nach dem System, von dem ihr Land beherrscht wird.
Heute ist man jedoch geneigt - und das möchte ich bei dieser Gelegenheit aussprechen -, über das Versagen der politischen Führung und die falsche Beurteilung der Lage durch den Reichstag der Weimarer Republik eher hinwegzusehen als über die Tatsache, daß eine erhebliche Zahl junger deutscher Menschen, die nicht die politische Verantwortung zu tragen hatten, sich von der geschickten Demagogie des Nationalsozialismus und von einigen seiner damals durchaus sozial erscheinenden Ideen hinreißen ließen. Diese jungen Menschen zieht man zur Verantwortung. Gewiß, sehr viele der damaligen politischen Persönlichkeiten, z. B. Mitglieder der Regierung, des Reichstags und auch der Länderregierungen, waren sich als erfahrene Politiker klar über die Gefahren, die mit dem Nationalsozialismus erwachsen würden. Aber sehr viele unterlagen auch einem tragischen Irrtum, wenn sie die Auffassung vertraten, das nationalsozialistische System werde in kurzer Zeit abgewirtschaftet haben und seiner Giftzähne beraubt sein. In der Wirkung liegt vielleicht darin eine größere Tragik als in der tragischen Verwicklung mancher Soldaten mit dem System. Muß man immer wieder hervorheben, daß letzten Endes das diktatorische System nur Macht gewinnen konnte, weil die politische Führung versagt hat? Hören wir doch endlich damit auf, statt den verantwortlichen politischen Spitzen diesen oder jenen Funktionär, sei es den Beamten, sei es den Soldaten oder sonst wen, für die politischen Fehlleitungen jener Tage allein verantwortlich zu machen!
Ich hätte es aus innen- und außenpolitischen Gründen lieber gesehen, wenn heute bei der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD durch die Regierung mit Entschiedenheit, um hier nicht zu sagen: mit Entrüstung der Gedanke zurückgewiesen worden wäre, als ob in der neuen Bundeswehr eine Verherrlichung des Nationalsozialismus Platz greifen oder gar ein Neofaschismus wachsen könnte. Diese Gefahr sehe ich nicht. Ich traue mir zu, in der Frage der politischen Auffassung von ehemaligen Waffenträgern und auch von den heutigen Soldaten ein Wort mitreden zu können. Ich glaube, das Rad der Geschichte geht weiter und kann niemals zurückgedreht werden. Diejenigen, die heute aus innerster Überzeugung noch Anhänger des nazistischen Systems sind, sind es entweder deshalb, weil sie glauben zur inneren Rechtfertigung ihres eigenen Handelns in dieser Zeit an ihm festhalten zu müssen, oder weil ihr politischer Sinn in seiner Entwicklung 1945 stehengeblieben ist.
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- Gewiß, dieser letzte Grund ist eine Frage der Intelligenz.
Die mißtrauischen Kreise des Inlandes und - was noch wichtiger ist - des Auslandes können die Gewißheit haben, daß nach meiner festen Überzeugung die Bundeswehr als Ganzes niemals in die Gefahr kommen wird, solchen überwundenen Anschauungen und Methoden zu huldigen. Man sollte das immer und immer wieder betonen, einmal im Interesse der Bundeswehr selbst, die sonst unter einem dauernden politischen Mißtrauen steht, zum andern aber auch im Interesse der führenden politischen Kräfte der Bundesrepublik, die, so möchte ich glauben, an Vertrauen gewinnen,
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wenn sie solchen Kassandrarufen gegenüber eine souveräne Haltung einnehmen. Selbstvertrauen und Selbstbewußtsein sollten nicht nur die vom ganzen Ausland anerkannten und gewürdigten Eigenschaften des Kanzlers sein, sondern auch die der politischen Parteien und der führenden Persönlichkeiten in der Bundesrepublik. Ich glaube, dadurch würde das Vertrauen des Auslandes in die Beständigkeit unserer Politik nur zunehmen.
Meine Damen und Herren, jetzt komme ich noch zu einem Punkt, den Professor Schmid angeschnitten hat. Ich sehe mich doch veranlaßt, dazu Stellung zu nehmen. Es handelt sich um die Vorwürfe gegen Raeder und Dönitz. Ich bin nicht in der Lage, diese Vorwürfe zu entkräften, zumal das Material, das Professor Schmid gebracht hat, mir zum großen Teil neu war.
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- Ja, ich habe auch keine Zeit gehabt, alle Publikationen zu lesen. Sie können überzeugt sein, daß nicht einer von den Offizieren der Bundeswehr diese Publikationen gelesen hat.
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- Sicher erfolgt das später auf den Kursen der Bundeswehr, die sich dann ja auch mit den Fragen der politischen Vergangenheit zu beschäftigen haben.
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Ich habe in meinen bisherigen Ausführungen versucht, einige dieser Vorwürfe zu entkräften, z. B. den Vorwurf des Antisemitismus, wobei ich mich auf das Urteil des Auslands gestützt habe, und zwar auf das wohl als kompetent anzusehende Urteil des Nürnberger Tribunals. Ich möchte aber auch noch mit einer anderen Begründung dazu Stellung nehmen: Beide Beschuldigten sind im Augenblick nicht in der Lage, sich mit entsprechender Eindringlichkeit zu verteidigen. Der eine von ihnen, Großadmiral Raeder, ist ein alter Herr, der nach einer zehnjährigen Haft, die in mancher Beziehung schlimmer war als der Aufenthalt in einem Zuchthaus in der DDR, noch gar nicht in der Lage ist, den inneren Kontakt mit der innen- und außenpolitischen Situation der Bundesrepublik von heute aufzunehmen. Sein Verkehr beschränkt sich naturgemäß auf die Menschen, mit denen er seit Jahrzehnten vertraut war und für die er viele Jahre die Verantwortung getragen hat, also die ehemaligen Marineangehörigen.
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Der zweite angegriffene Admiral befindet sich in Spandau und wartet auf die Stunde, die ihm endlich die Freiheit bringt, die ihm nach unserer Ansicht schon längst zusteht. Auch er kann sich nicht verteidigen.
Ich weiß, daß ich kein Jurist und insbesondere kein Völkerrechtler bin und daher der schwierigen Aufgabe, diese beiden Persönlichkeiten gegen die in diesem Hohen Hause vorgebrachten Vorwürfe zu verteidigen, nicht gerecht werden kann. Ich bin mir auch klar darüber, daß noch einige Zeit vergehen wird, ehe man sich ein unbefangenes und sachliches Urteil ohne Ressentiments bilden kann.
Ich sehe es aber als meine Pflicht an - und Sie werden das verstehen -, die weitverbreitete Auffassung über die Schuld der beiden Persönlichkeiten jedenfalls dadurch zu beeinflussen, daß ich zur Urteilsbildung die Kenntnis einiger gerade auf Grund der Nürnberger Gerichtsverhandlung erwiesener Tatsachen beisteuere. Ich darf mich dabei auf einige Punkte berufen, die doch wohl im Gegensatz zu der Auffassung von Herrn Professor Schmid stehen, und um die Erlaubnis des Herrn Präsidenten bitten, einiges zu zitieren.
Ich habe schon betont, daß beide Oberbefehlshaber in Nürnberg nicht wegen irgendeines Vergehens gegen die Menschlichkeit verurteilt worden sind. Ich möchte darauf hinweisen, daß beide Oberbefehlshaber, wie es auch sonst überall der Fall war, in letzter Instanz auch für die Rechtsprechung verantwortlich waren. Dem Nürnberger Tribunal lagen 2000 Urteile vor, die von Marinekriegsgerichten gefällt worden waren. Sowohl Raeder wie Dönitz haben eifersüchtig darüber gewacht, daß sich die deutschen Seeleute gerade in den besetzten Gebieten korrekt benahmen. Kennzeichnend sind folgende Zitate aus Marinekriegsgerichtsurteilen:
Alle Soldaten müssen wissen, daß auch in besetzten Gebieten Leben und Eigentum anderer Menschen voll gewährleistet werden.
Eine weitere Urteilsbegründung:
Daß sich die Taten gegen Juden richteten, kann die Angeklagten in keiner Weise entschuldigen.
Ein Marinefeldwebel, der Decken unterschlug, die für ein sowjetisches Kriegsgefangenenlager bestimmt waren, und der einem verstorbenen Gefangenen die Goldzähne herausgebrochen hat, wurde vom Marinekriegsgericht zum Tode verurteilt und nach der Bestätigung des Urteils durch Dönitz auch hingerichtet.
Im Nürnberger Urteil wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die britischen Seeleute in den Gefangenenlagern der Marine streng nach den Bestimmungen der Genfer Konvention behandelt worden sind.
Ein weiterer Fall: Ich glaube, im September 1942 verlangte Hitler von Dönitz in Gegenwart von Raeder den Befehl an seine U-Bootsbesatzungen, die feindlichen Schiffbrüchigen nach Versenken der Schiffe zu töten. Damit glaubte er den Engpaß der Alliierten, der durch den Mangel an Schiffsbesatzungen entstanden war, im Interesse der Kriegführung zu vergrößern. Dönitz lehnte das mit der Begründung ab, daß er von seinen Besatzungen, von denen er äußerste Kampfmoral verlange, keine unehrenhaften Handlungen fordern könne. Es ist nicht zu diesem Befehl gekommen.
Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß die deutschen U-Boote im Anfang des Krieges nach den Regeln des Völkerrechts gekämpft haben, bis durch den Lakonia-Fall die Rettung einfach unmöglich geworden ist, weil nämlich während der Rettungsversuche der U-Bootskommandanten und ihrer Besatzungen, die Hunderte von Menschen unter Gefahr für das eigene Leben aufgenommen hatten, Bombenangriffe auf die Retter erfolgten, so daß nun in Übereinstimmung mit der Praxis anderer Staaten der Befehl gegeben wurde, im Interesse der eigenen Besatzung Rettungsversuche nicht mehr zu unternehmen. Dabei ist zu betonen,
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daß sich die Besatzungsmitglieder versenkter alliierter Schiffe im allgemeinen nach Möglichkeit davor drückten, von einem deutschen U-Boot aufgenommen zu werden; das U-Boot war sehr viel mehr gefährdet als ein Rettungsboot, das meist sehr schnell von alliierten Flugzeugen aufgefunden wurde. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Alliierten 87 % der Besatzung ihrer Schiffe, die im Kriege zur See fuhr, retten konnten und daß der Prozentsatz der Gefallenen, und zwar meistens im Kampf Gefallenen, 13% betrug, während bei den U-Booten von 40 000 eingesetzten Seeleuten 25 000 ihr Grab in der See gefunden haben.
Ich erwähne diese Fälle, um zu zeigen, daß man gegenüber dem, was Herr Professor Schmid sagte, auch die Dinge erwähnen kann, die sehr viel mehr Allgemeingut in der Marine sind und im Denken der früheren Untergebenen eher fortleben als die Fälle, die Herr Professor Schmid angeführt hat.
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- Ich meine nur, daß diese Fälle, die Sie angeführt haben - ({45})
- Ja, aber ich glaube nicht, daß wir diese Fälle hier im Bundestag entscheiden können. Das sind vielmehr Dinge, die, wie ich es auch betont habe, von einem deutschen Gericht entschieden werden müßten. Diese Klärung muß erfolgen, aber sie kann heute noch nicht erfolgen. Bis sie erfolgt, glaube ich, daß Beschuldigungen dieser Art, ich möchte sagen, nicht unserer Rechtsauffassung Rechnung tragen.
Es ist unnötig, zu betonen, daß auch in der Frage der U-Bootkriegführung ein Vorwurf, der oft erhoben wird, nicht zutrifft. Unter Berücksichtigung auch der amerikanischen und der französischen Kriegführung hat man in einem sehr lesenswerten Artikel die Menschlichkeit von Dönitz gerade in der Kriegführung hervorgehoben. Dieser Artikel steht in der „Revue Maritime", einer sehr angesehenen Zeitschrift, und ist etwa vor zwei Jahren erschienen. Ich führe das an, um zu zeigen, daß sich gerade der ehemalige Gegner, nachdem die erste Zeit der Kriegspsychose vorüber ist, bemüht, zu einer gerechten Beurteilung zu kommen.
Zu dem, was Herr Professor Schmid eben einwarf, daß sich der Admiral auch zu seiner Schuld bekennen sollte, möchte ich auf die Schlußworte, die Dönitz in Nürnberg gesprochen hat, hinweisen. Die Schlußworte vor dem Gerichtshof in Nürnberg lauteten:
Das Führerprinzip hat sich in der militärischen Führung aller Armeen der Welt aufs beste bewährt. Auf Grund dieser Erfahrung hielt ich es auch in der politischen Führung für richtig, besonders bei einem Volk in der trostlosen Lage von 1932. Wenn aber trotz allem Idealismus, trotz aller Anständigkeit und aller Hingabe der großen Masse des deutschen Volkes letzten Endes mit dem Führerprinzip kein anderes Ergebnis erreicht worden ist als das Unglück dieses Volkes, dann muß dieses Prinzip als solches falsch sein, falsch, weil die menschliche Natur offenbar nicht in der Lage ist, die Macht dieses Prinzipes zum Guten zu nutzen, ohne den Versuchungen der Macht zu erliegen.
Am Schluß meiner reichlich langen und sicher sehr trockenen Ausführungen spreche ich noch einen Wunsch aus. Ich habe es aus den verschiedenen Gründen, die ich darzulegen versucht habe, bedauert, daß die Große Anfrage eingebracht worden ist. Ich halte an diesem Standpunkt fest. Aber ich glaube, daß diese Aussprache vielleicht doch ein Gutes gehabt hat, nämlich das, daß wir uns gewöhnen, von der ständig zunehmenden Sicherheit unserer demokratischen Plattform aus die Dinge und Menschen der Vergangenheit sachlicher und leidenschaftsloser zu beurteilen, daß wir zwischen wirklicher und tragischer Schuld zu unterscheiden lernen, daß wir die Frage nach dem Motiv in die Waagschale der Entscheidung werfen und daß wir bei der Beurteilung nicht zuletzt auch das Schicksal dieser mit dem System verstrickten Menschen nicht vergessen, natürlich mit Ausnahme der Menschen, die sich kriminell vergangen haben.
Vielleicht haben meine Ausführungen darüber hinaus dazu beigetragen, daß auch die Menschen in der Bundeswehr sich stärker als Staatsbürger angesprochen fühlen können und nicht fortwährend außer von der Öffentlichkeit auch noch von den politischen Instanzen unter einer beinahe ängstlich anmutenden und die Autorität sicher nicht stärkenden beobachtenden Kritik gehalten werden. Aber ich bin der Ansicht, man sollte die Soldaten, die Staatsbürger in Uniform, auch dadurch werten, daß man bei so schweren Vorwürfen, wie sie in der Anfrage vorgebracht worden sind, sich doch die Mühe nimmt, sich mit dem betreffenden Menschen selbst zu unterhalten und ihn nicht einer öffentlichen Kritik auszusetzen, der gegenüber er vorher nicht seine Auffassung zur Geltung bringen konnte.
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Ich glaube, wir alle sollten aber die Ruhe besitzen, das Wachsen und Reifen eines so komplizierten und schwer zu handhabenden Instrumentes, wie es die Bundeswehr darstellt, abzuwarten und nicht bei jedem Durchbrennen einer Sicherung den Ausbruch einer Feuersbrunst zu erwarten.
Einer der Verteidiger in Nürnberg hat seine Verteidigungsrede mit den Worten Plutarchs eingeleitet, die Hugo Grotius in seiner Untersuchung über die Verantwortung von Kriegsverbrechen zitiert hat: „Krieg ist ein grausam Ding, und er schleppt in seinem Gefolge Unrecht und Übeltaten die Menge." Diese Worte sind heute noch so wahr wie vor 2000 Jahren. Die Bundesrepublik bemüht sich ebenso wie andere Nationen, Wege zu finden, die Kriegsgefahr zu verringern und ein Kriegsrecht zu schaffen, das den Auffassungen über die Gesetze der Menschlichkeit Geltung verschafft. So schwierig die Verwirklichung dieser Absicht in der Welt der Tatsachen und der nationalen Interessen sein wird, so steht das ganze deutsche Volk - davon bin ich überzeugt - in Ost und West hinter diesen Bestrebungen. Aber als Bürger eines Rechtsstaates und als Verfechter des Rechtsgedankens sollten wir alle bemüht sein, die Wunden, die der Krieg geschlagen hat, zu heilen im Sinne der Menschlichkeit. Ich glaube, daß ich in diesem Punkte das gleiche Anliegen habe wie Herr Professor Schmid als Kollege von der SPD.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer das Buch über General Groener gelesen hat, das seine Tochter herausgegeben hat, wird zu der Überzeugung gelangt sein, wenn nicht schon vorher, daß wir in der jüngsten Geschichte mit der politischen Tätigkeit und mit politischen Äußerungen höherer Militärs nicht viel Glück gehabt haben. Insbesondere dem Nationalsozialismus ist es gelungen, durch Dotationen und durch Dekorationen einen Teil unserer höheren Militärs, insbesondere der Generalität, zu korrumpieren und politisch zu mißbrauchen.
({0})
Für die Verleihung der Goldenen Parteiabzeichen und der Goldenen HJ-Ehrenzeichen glaubten dann die dekorierten Generale und Admirale, sich entsprechend in ihren Reden, leider aber auch in ihren Handlungen mit typisch deutscher Gründlichkeit zu dem verbrecherischen System des Nationalsozialismus bekennen zu müssen.
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Das geschah hier aus Opportunismus, dort aus mangelnder Zivilcourage oder Militärcourage und zum dritten manchmal auf Grund mangelnder Kenntnis der wirklichen politischen Zusammenhänge. Es muß nämlich nicht mit einem militärisch genialen Urteilsvermögen auch gleichzeitig politischer Sachverstand verbunden sein.
({2})
Ich unterstelle, daß die Reden, die der frühere Großadmiral Raeder und der frühere Großadmiral Dönitz gehalten haben, in ihrem Wortlaut, aber auch in ihrem Inhalt dem Kapitän zur See Zenker ebenso unbekannt waren wie - ich muß es bekennen, Herr Professor Schmid - mir auch, bis ich im Verteidigungsausschuß durch Ihre Kollegen darauf aufmerksam gemacht wurde. Ich unterstelle daher wie Sie, daß der Kapitän zur See Zenker die Formulierung, die er gebraucht hat, nicht gebraucht hätte, wenn er die Reden genau gekannt hätte.
Ich halte den Kapitän zur See Zenker, den ich auch persönlich kenne, für einen politisch und menschlich ehrenwerten Mann. Mir scheint, wir verschieben das Problem, wenn wir uns nur mit der Person des Kapitäns zur See Zenker befassen, oder gar, wenn wir glauben, hier eine Verteidigungsrede für die deutsche Marine halten zu müssen.
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Herr Kollege Heye, die deutsche Marine ist nicht angegriffen, und nach meiner Überzeugung denkt niemand in diesem Hause daran, Kollektivurteile über irgendwelche Gattungen der deutschen Wehrmacht zu fällen. Kollektivurteile würden kommunistische oder nationalsozialistische Gesinnung verraten, denn der Rechtsstaat kennt die individuelle Verantwortung und nicht ein kollektives Verfahren.
Mir scheint es daher interessanter zu sein, einmal die Zusammenhänge zu klären. Ich bin bis zum Beweis des Gegenteils der Überzeugung, daß der Kapitän zur See Zenker diese Rede nicht selber verfaßt hat. Ich bin ferner der Überzeugung, daß auch andere maßgebliche Angehörige des Bundesministeriums für Verteidigung die Rede des Kapitäns zur See Zenker vorher im Wortlaut gekannt haben.
({4})
Ich stelle die Frage, wie es möglich war, daß die Rede gehalten werden konnte, und ob der Herr Bundesminister für Verteidigung oder sein Vertreter oder der zuständige Abteilungsleiter sie vorher gekannt haben.
Hier stellt sich doch die Frage der politischen Verantwortung. Ich glaube, es ist ein weiterer Beweis für gewisse Fehlorganisationen bezüglich der politischen Verantwortung und Dienstaufsicht, daß wir hier ein solche Anfrage überhaupt behandeln müssen. Wenn man zum erstenmal vor die neuen deutschen Soldaten hintritt und zu ihnen Reden halten soll, wäre es zweckmäßig, daß der Herr Bundesverteidigungsminister selbst oder sein Vertreter sich dieser Aufgabe unterzögen.
({5})
Es scheint nicht richtig, mit dieser schweren Aufgabe einen Soldaten zu betrauen. Für uns stellt sich also das Problem: warum kam es überhaupt zu dieser Fehlentwicklung, und wie kann in Zukunft verhindert werden, daß man politische Verantwortung Soldaten aufbürdet, die nicht sie in erster Linie zu tragen haben, sondern die allein von den uns politisch-parlamentarisch verantwortlichen Stellen des Ministeriums zu tragen ist?
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- Sie sagen, er könne nicht bei jeder Gelegenheit dabei sein. Es war aber nicht „jede Gelegenheit", sondern es war das Aus-der-Taufe-Heben der ersten neuen Marineeinheit.
Nach der Überzeugung meiner politischen Freunde sollte man daher den Schwerpunkt der Kritik nicht auf die unglücklich formulierten und auch politisch, insbesondere im Ausland, sehr schlecht gedeuteten Ausführungen des Kapitäns zur See Zenker lenken, sondern auf die Frage der politischen Verantwortung für diesen Akt schlechthin und auf die Frage der Verhinderung zukünftiger ähnlicher Fehlorganisationen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Böhm.
({0})
- Der Herr Bundesverteidigungsminister wünscht noch vorher das Wort.
({1})
Ich will noch etwas richtigstellen, was Herr Mende gesagt hat; das erleichtert Ihnen doch die Diskussion.
({0})
Herr Kollege Mende, Sie wissen offenbar nicht, daß der Bundesverteidigungsminister an dem fraglichen Tag nachmittags selbst in Wilhelmshaven war, um dieser ersten Marinekompanie die Ernennungsurkunden auszuhändigen und eine Ansprache an die Kompanie zu richten. Wenn Sie die Rede Zenker, die Sie kritisiert haben, gelesen hätten, so hätten Sie festgestellt, daß Herr Zenker selbst in seiner Ansprache, die er morgens beim Hissen der Flagge gehalten hat, die Soldaten darauf hingewiesen hat, daß der Verteidigungsminister, um die Bedeutung des Tages klarzustellen, nachmittags selber erscheinen und die Ernennungsurkunden überreichen werde, um, wie er wörtlich sagte, den
({1})
Soldaten einiges darüber zu sagen, was unser Volk
und seine Regierung von ihnen erwarten. ({2})
Herr Dr. Böhm!
({0})
- Das Wort ist bereits erteilt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet, weil ich mich zu meinem Bedauern mit den Ausführungen meines Fraktionsfreundes Heye nicht im Einklang befinde und, wie ich nicht nur glaube, sondern weiß, diese meine Meinung auch von einem großen Teil meiner Fraktionsfreunde geteilt werden wird.
Es handelt sich ja um einen relativ einfachen Tatbestand. Es handelt sich darum, daß der Kapitän zur See Zenker anläßlich einer feierlichen Gelegenheit die schweren Vorwürfe und Bedenken, die sich seitens unseres Volkes gegen die Admirale Raeder und Dönitz richten, sozusagen vor den angetretenen Einheiten als für die Marinestreitkräfte der Bundesrepublik nicht verbindlich beiseite geschoben hat.
({0})
Das ist eine Art von kollektivem, standeskollegialem Denken, das eine ganz klare Demonstration enthält.
({1})
Die Tatsache, daß bei uns im allgemeinen Militärs die Reden halten, auch in der Vergangenheit gehalten haben, und zwar Reden mit zweifellos politisch demonstrativem Inhalt,
({2})
und das nie haben wahrhaben wollen und ihre Auffassungen für nicht politisch erklärt haben, gerade das ist ja das Beängstigende an diesem Vorgang.
({3})
Das ist der Grund, warum wir hier darüber sprechen müssen. Wenn man es ganz milde ausdrücken wollte, so könnte man sagen: Das, was wir hier dem Kapitän zur See Zenker vorzuwerfen haben, ist zuviel Verständnis für die Admirale Raeder und Dönitz. Aber wir haben, auch auf seiten des Herrn Bundesverteidigungsministers, zuviel Verständnis für den Kapitän zur See Zenker herausgehört.
({4})
Im Grunde handelt es sich hier um die Begründung einer forschen Legendenbildung aus - ich möchte das harte Wort „Beschränktheit" vermeiden; denn jeder von uns, und dem schließe ich mich ebenfalls an, unterstellt dem Kapitän zur See Zenker persönlich durchaus ehrenhafte Motive -, einem „beschränkten Gesichtswinkel".
({5})
Es handelt sich um die Bekundung einer Standessolidarität, die sich von den ernsthaften, seriösen politischen Einsichten der Nation absetzt. Hier wird eine Kollektivgeschichtsfälschung, eine Kollektivgeschichtsbeschönigung kultiviert
({6})
und eine legendäre Kontinuität der militärischen Tradition künstlich unterzementiert.
({7})
Die Ergebnisse dieser forcierten Legendenbildung aber - das ist unausbleiblich, meine Damen und Herren - werden dann unweigerlich mit Hilfe standespolitischen Milieuzwangs zu maßgeblichen Musteransichten des ehrbewußten Soldaten hinaufgezüchtet.
({8})
Dann heißt es: So und nicht anders hat der standesbewußte Angehörige der bundesdeutschen Seestreitkräfte zu denken, oder er ist nicht ganz gesellschaftsfähig oder der weichlichen Hinneigung zu zivilistischem Denken verdächtig,
({9})
was dann so viel bedeutet, daß der Betreffende kein rechtes soldatisches Ehrgefühl besitzt.
({10})
Dies ist aber gerade das Denken, das wir in unseren neuen Streitkräften nicht haben wollen!
({11})
Es ist typisch für das leider traditionelle schiefe Verhältnis zwischen Militär und Zivil, wie es in einem freien, selbstbewußten Volk nicht sein sollte, sondern das im Grunde ein seltsamer Rückstand feudaler Rangvorstellungen ist.
({12})
Wir müssen dafür sorgen, daß sich keine exklusive Sprachregelung dieser Art über die deutsche Geschichte, und sei es auch über die deutsche Militär- und Marinegeschichte, unter unseren Offizieren und Soldaten bildet.
Ich habe eben davon gesprochen, daß ein traditionelles schiefes Verhältnis zwischen Zivil und Militär bei uns besteht. Wir müssen, weil Traditionen
ungeheuer mächtig sind, befürchten, daß diese Tradition sich auch in unsere Zeit und auch in unsere
neue Wehrmacht hinüberretten. Wenn wir also
damit rechnen müssen, daß eine solche Sprachverschiedenheit, eine solche Kluft vielleicht im einen
oder anderen Falle auch künftig bestehen wird,
so müssen wir das tun, was das Parlament eines
freien Volkes tut, wenn es sich darum handelt,
eine Kluft zwischen Bürgern ein und desselben
Landes zu überbrücken: wir müssen sprechen. Wir
müssen mit unseren Soldaten sprechen. Das ist eines
der Hauptanliegen einer Großen Anfrage. Man
muß in diesem Fall unter Umständen auch mit
Mann, der sich exponiert hat,
einem einzelnen Mann, der sich, exponiert hat,
sprechen und ihm begreiflich machen, was er hier eigentlich getan hat und was unser Anliegen ist. Unsere Offiziere und Soldaten werden sich darauf gefaßt machen müssen, daß der Deutsche Bundestag noch auf Jahre hinaus keine einzige Entgleisung - selbst niedrigerer Offiziere - solcher Art auf sich beruhen lassen wird.
({13})
({14})
Ich bin also auch insofern nicht mit meinem verehrten Freund Heye einverstanden. Ich bin nicht der Meinung, man müsse es bedauern, daß die Entgleisung eines Offiziers zum Gegenstand einer Großen Anfrage gemacht wird. Im Gegenteil: Ich begrüße es; denn ich bin der Meinung: Die Wahrheit wird uns frei machen!
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete von Manteuffel.
von Manteuffel ({0}) ({1}): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche hier im eigenen Namen und begrüße allerdings die Mißbilligung, die der Bundesminister für Verteidigung dem Kapitän zur See Zenker wegen der Rede ausgesprochen hat. Die Damen und Herren des Sicherheitsausschusses werden wissen, daß ich an dem Tage, an dem uns der Herr Bundesminister für Verteidigung von der Rede im Wortlaut Kenntnis gab, mich auch entsprechend ausgedrückt habe, weil ich die Bedeutung dieser Rede zwar nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen wollte. Es war in der Tat, wie es einer der Redner sagte, doch die Taufe dieser Kriegsmarine. Ich halte es nicht für die Aufgabe der fachlichen Militärs, dort zu einem erheblichen Politikum in dieser Weise Stellung zu nehmen, einem Problem, das im übrigen nicht nur bei der Marine vorliegt und das auch heute schon einmal von einem der Vorredner angesprochen worden ist. Ich habe nicht die Wehrmacht, die Heeresteile, zu vertreten; aber jedenfalls für einen Großteil meiner Kameraden im Heer muß ich dasselbe sagen, daß auch heute noch ehrenwerte unbekannte und bekannte Soldaten sowohl im östlichen wie im westlichen Gewahrsam sitzen. Das Problem wird auch bei der Luftwaffe vorliegen. Und weil dieses Problem eben bei den drei Wehrmachtsteilen vorliegt, bin ich der Auffassung, der ich damals Ausdruck gegeben habe. Wenn sich das Problem für den Ersatz oder die Güte des Ersatzes oder die Anzahl der Soldaten, die wir suchen, so schwer stellt, daß der kommissarische Leiter der Marine an diesem Tage der Taufe der Marine Stellung nehmen mußte, dann wäre es Aufgabe des uns verantwortlichen Ministers gewesen - der doch am selben Ort war, wie wir eben hörten -, dazu Stellung zu nehmen.
Ich begrüße deshalb, daß hier von zwei Rednern ein Leitbild des künftigen Offiziers gegeben wurde, insbesondere das, was der Herr Professor Carlo Schmid über die Übernahme der guten Traditionen des anständigen deutschen Soldatentums gesagt hat. Das war wahrscheinlich der Punkt, zu dem Zenker zu seinen Männern hätte sprechen sollen, um Zeugnis abzugeben von dem, was er, der sich in selbstloser Weise seit Jahren zur Verfügung gestellt hat, sich schon im Rahmen der Instruktion und des Lebens im Bundesverteidigungsministerium angeeignet hatte, und seinen jungen Soldaten zu sagen, was unser neues Wollen nunmehr ist. Diesem neuen Wollen hat auch eine geistige Reformation des Denkens in dem kleinen Rahmen einer militärtechnischen und militärfachlichen Ebene voranzugehen. Von den führenden Soldaten muß verlangt werden, daß sie nicht nur die Demokratie bejahen und dieses Bekenntnis abgeben, sei es vor dem Personalgutachterausschuß oder einigen Prüfstellen, sondern daß sie die Demokratie aus Überzeugung selbst vorleben und aus dieser Überzeugung dann ihren jungen Leuten einimpfen. Insofern kann ich meinem verehrten Freund H e y e auch nicht zustimmen. Ich muß doch von den führenden Soldaten ein politisches Einfühlungsvermögen verlangen, ohne daß sie selber deshalb Politik machen. Wir haben mit den politisierenden Generalen in Deutschland etwas Pech gehabt. Aber ich meine, das, was hier an positiven Leitsätzen für die innere Haltung des Offiziers gegeben ist, das sollte Gültigkeit haben und muß nun auch Geltung in den Streitkräften bekommen.
Ich habe persönlich gar keinen Zweifel am Persönlichkeitswert des Kapitäns zur See Zenker, so wie er uns dargestellt ist. Ich persönlich habe ihn erst nach der Rede einmal kennengelernt. Aber ich meine, es wäre zweckmäßiger gewesen, wenn er zu diesem politischen Problem jedenfalls in dieser Form nicht Stellung genommen hätte, wenigstens nicht ohne ganz klar zum Ausdruck zu bringen, daß auch wir, die ehemaligen Soldaten und die künftigen, die dazu Stellung zu nehmen haben, von diesen Scheußlichkeiten, die uns hier noch einmal vor Augen geführt worden sind, unter allen Umständen abrücken. Dabei muß ich Ihnen, Herr Professor Schmid, wenn Sie sagten, daß jeder Stabsgefreite der Wehrmacht doch wissen mußte, wie, in welcher Form die Ausrottung der Juden beispielsweise vorgesehen war, sagen - Sie wissen, ich habe mich je als Freund der Gerechtigkeit als freiwilliger Zeuge nach Nürnberg gemeldet und das dort zu Protokoll gegeben, und Sie werden es mir vielleicht glauben -, daß ich von der Art und Weise der Ausrottung und diesen Scheußlichkeiten
({2})
- Aus der Zeitung, das gebe ich zu. Ich war an der Front. Ich habe von einer Ausrottung in der Art, wie sie etwa Kogon beschrieben hat, keine Ahnung gehabt. Einen solchen Kameradenmord muß ja jeder verantwortungsbewußte - ({3})
- Wir haben von den Gasöfen in der Tat nichts gewußt.
({4})
- Herr Professor Schmid, Sie werden es mir jetzt nicht glauben, Tatsache ist, daß ich von dem entsetzlichen Mord an Rommel erst einige Tage nach der Gefangennahme etwas erfahren habe.
({5})
Wir hatten an der Front unsere Augen am Feind. Ich war, wie die Herren wissen, immer an der Front, ich habe das nicht gewußt.
({6})
- Das haben wir nicht erfahren. Ich glaube, das sollte man jetzt auch gar nicht hier anrühren. Wir wollen uns ja auch davon absetzen. Wir dürfen es nicht dulden, daß darüber nicht gesprochen wird, sondern wir müssen unseren jungen Leuten die Augen dafür öffnen und ihnen das sagen. Es war
({7})
von dem Kapitän zur See Zenker zweifellos falsch, daß er es so getan hat. Ich meine, der Herr Bundesverteidigungsminister steht hier vor einer schwierigen Aufgabe. Er wird - diese Hoffnung habe ich - aus dieser Debatte die Anregung mitnehmen, seinen Offizieren unser Anliegen in diesem Sinne zu übermitteln.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verlassen Sie sich darauf, daß ich hier für meine Person spreche. Ich begrüße es, daß mir persönlich einmal Gelegenheit gegeben ist, in einer so eminent wichtigen Frage meine eigene Meinung zu sagen. Meine eigene Meinung ist die, daß es zu begrüßen ist, daß die SPD diese Große Anfrage gestellt hat,
({0})
weil man dadurch Gelegenheit hat, dazu Stellung zu nehmen. Es handelt sich hier auch nicht um eine parteipolitische Frage,
({1})
sondern das ist eine Frage des ganzen Hauses,
({2})
eine eminent politische Frage!
({3})
Ich fühle mich berechtigt, zu dieser eminent politischen Frage zu reden, weil ich seit dem Jahre 1920 politisch tätig bin, weil ich durch den Landtag, den Reichstag, wieder den Landtag und durch den Bundestag hindurchgegangen bin und die Zeitverhältnisse alle miterlebt habe. Ich war vielleicht derjenige, der als erster, als andere es noch nicht wagten, über diese diffizilen Fragen zu reden, hierzu Stellung genommen hat. Es war im Jahre 1946, wo ich in einer großen politischen Versammlung gesagt habe - damals war der große Rummel der Entmilitarisierung usw. -: Ich möchte eines einmal mit aller Klarheit herausstellen: die Achtung vor unseren Landsern, die im Weltkrieg das Beste geleistet haben, lassen wir aus dem Herzen des deutschen Volkes nicht herausreißen!
({4})
Die Achtung ist um so größer, weil Millionen oft mit inneren Gewissenskonflikten und unter einer falschen Führung ihre Pflicht haben tun müssen. - Das ist die Lage.
Der zweite Gesichtspunkt - damit nichts ver-wurschtelt wird - ist der: Bei mir hört der Nationalsozialismus dort auf, wo der Geist des Nazitums versiegt ist. Aber dort hört er noch nicht auf, wo er immer noch herausquillt. Die trüben
Gewässer, das ist Has Gefährliche. Fs muß dafür
gesorgt werden, daß diese Quellen ein für allemal gestoppt werden.
Ich sehe das so an: Wenn man hier den echten Geist spürt, die Neueinstellung zu den veränderten politischen Verhältnissen, dann ist das in Ordnung. Wenn man aber den alten Geist mit Erinnerungen an frühere Zustände heraushört, dann ist das nicht in Ordnung.
({5})
Da kommt es nicht auf die fachliche Seite an, sondern auf die Geisteshaltung, auf die ganze Persönlichkeit, die hier steht.
Ich spreche hier mit einer gewissen seelischen Erschütterung, weil Sie auch an die Leute denken müssen, die damals vom Nationalsozialismus schwer verfolgt waren. Bei mir war die Sache so -in Millionen von Herzen von Deutschen denkt man da ein wenig anders -, daß ich in das Konzentrationslager wandern mußte, während mein Sohn mit der Waffe an der Front stehen mußte. Und da darf man nicht - das ist in einer solchen Lage immer sehr gefährlich - diese Konflikte aufreißen. Es muß dafür gesorgt werden, daß diese Konflikte nicht mehr entstehen können.
Wir wollen mit denen, die dem Nationalsozialismus einmal nachgelaufen sind, ehrlich zusammenarbeiten, wenn sie es ehrlich meinen.
({6})
Dann soll Schluß mit der Frage sein. Aber wir müssen Obacht geben, daß wir hier nicht in Fehler verfallen, die einmal da waren. Der Zusammenbruch im Jahre 1945 war so groß, daß wir alle Ursache haben, wachsam zu sein. „Widerstehe den Anfängen!" Laß die Dinge nicht wachsen und nicht gedeihen! Sorge dafür, daß die Dinge in Ordnung bleiben!
Der Fall Zenker ist bloß eine typische Sache für mich, keine generelle Sache. Aber er ist eine wesentlich typische Sache, weil damit nicht bloß militärische Betrachtungen, innerpolitische Betrachtungen zusammenhängen, sondern auch außenpolitisches Vertrauen zu uns. Die Herren sollen doch einmal bedenken, daß wir den Krieg total verloren haben und daß es unsere Aufgabe ist, uns das zurückgewonnene Vertrauen für das deutsche Volk zu erhalten und in keiner Weise erschüttern zu lassen!
({7})
Das ist die große Aufgabe, die hier vor uns liegt. Deswegen kann man einen solchen Fall nicht verteidigen, nicht bagatellisieren. Man kann nichts entschuldigen, was nicht zu entschuldigen ist.
({8})
Wir wollen auf jeden Fall haben. daß unter keinen Umständen mehr die Verquickung des Militärs mit der Politik stattfindet.
({9})
Das war das Unglück der vergangenen Tage. Die politische Führung gehört zur Politik, und die militärische Führung gehört zum Militär. Da muß eine ganz klare Trennungslinie bestehen. und es ist die gemeinsame Aufgabe dieses Hohen Hauses - nicht einmal die Aufgabe einer einzelnen Partei -. die neue Truppe, die wir herzlich begrüßen, mit dem neuen Geist zu erfüllen.
Es kommt daher auf die Gesamthaltung an. Auch kann man das, was der Herr Zenker gesagt hat, nicht entschuldigen, weil er es im Dienst gesagt hat. Jetzt muß eine führende Persönlichkeit auch beim Militär mit ihren Äußerungen vorsichtig sein, weil sie im Brennpunkt eines neuen Aufbaus steht und weil man genau von dieser Persönlichkeit wissen muß, wie es innerlich mit ihrem Gewissen aussieht. Man muß wissen, daß sie das, was sie innerlich denkt, freiwillig zum Ausdruck bringt. Und einer, der innerlich richtig denkt, der
({10})
macht nicht solche Ausführungen wie der Herr Zenker.
({11})
Das sind eben die Tatbestände, die hier herausgehoben werden müssen.
Zum Schluß möchte ich sagen: Je geschlossener unsere Front ist und je wachsamer wir alle miteinander sind, desto besser ist es für uns alle miteinander. Denn wir müssen eine Vertrauensgrundlage schaffen, damit wir miteinander zusammenarbeiten können an dem Bestand unseres demokratischen Staates und damit auch unsere Soldaten das Vertrauen zu uns haben. Wir wollen unser Vertrauen auch auf unsere Soldaten übertragen. Aber die Führung muß so sein, daß sie vollständig einwandfrei dasteht.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strosche.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir vorstellen - ich will keine Stellung dazu beziehen -, daß die Meinungen darüber geteilt sein können, ob die Anfrage der SPD in dieser Form und die sich daran anschließende eingehende Debatte über einen zweifellos diffizilen politischen Komplex wirklich sehr dienlich ist. Diese Frage kann im Raume stehen angesichts eines Komplexes, der fraglos recht schwierig ist, nicht zuletzt auch dadurch schwierig erscheint, weil uns ein gewisser zeitlicher Abstand zu all diesen Dingen noch nicht gegeben ist und weil die meisten von uns von den Leiden und Nöten stärkstens beeindruckt sind, die nun einmal mit unserem totalen Zusammenbruch verbunden sind.
({0})
- Vergessen nicht; ich habe nur gesagt: es ist möglich, daß die Frage auftaucht, ob in dieser Form die Dinge heute und hier für das Gesamte dienlich diskutiert werden.
({1})
Aber ich glaube, da die Dinge nun einmal angesprochen worden sind, hat der Politiker Stellung zu beziehen. Wenn hier gesagt wurde, daß der soldatische Typ ein Typ sein soll und immerdar ist, der sich auch einsetzt, d. h. im guten Sinne auffallen will und muß, und nicht zu denjenigen Typen, die nicht auffallen wollen, gehören sollte, dann ist auch erst recht der Politiker gezwungen, „heiße Eisen" anzufassen und Farbe zu bekennen, wie Herr Kollege Schmid mit Recht sagte. In dieser Hinsicht muß wohl der Politiker dem Soldaten verwandt sein, wobei er in seinem Auffallenwollen, wenn ich es so nennen darf, allerdings nicht so töricht und so unrühmlich handeln sollte wie Herr Zenker, - wenngleich mich die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Mende beeindruckt haben, daß man von diesen Ausführungen offensichtlich im Ministerium wußte und daß Herr Zenker offensichtlich mit Billigung, zumindest mit Wissen maßgeblicher politisch verantwortlicher Stellen gesprochen hat.
({2})
In dieser Hinsicht ist also die politische Verantwortlichkeit des Herrn Bundesministers klar festgelegt! Ich möchte ferner sagen: wir waren nicht nur etwas erstaunt über die zweifellos unzureichende Beantwortung der SPD-Anfrage, sondern wir möchten auch gerne hören, wie die Feststellungen des Herrn Kollegen Dr. Mende seitens des verantwortlichen Ministers beantwortet werden.
({3})
Wir sind dem Herrn Kollegen Schmid wohl alle für seine einleitenden Worte dankbar gewesen, in denen er deutlich herausgestellt hat, daß er kein Neuaufleben eines Entnazifizierungsverfahrens beabsichtige, daß er auch keine Analyse der Nürnberger Gerichtsbarkeit und eben dieses Komplexes im großen beabsichtige und daß er vor allem keinen Generalangriff auf die guten Traditionen des deutschen Soldaten schlechthin plane, Traditionen, die er mit Recht auch Traditionen der Menschlichkeit und des Anstands genannt hat. Ich möchte dem Herrn Kollegen Professor Schmid in seiner Auffassung beipflichten, daß der militärisch-soldatische Charakter, also auch nach der technischorganisatorischen und fachmännisch-wissensmäßigen Richtung hin, nicht zu trennen sei von dem menschlich-öffentlichen, wenn Sie so wollen, Charakter eines Soldaten und Offiziers. Das Ganze muß eine Einheit sein! Der Landser schlechthin - seien wir doch offen - hat in der Vergangenheit beim sogenannten Barras sehr oft darunter gelitten, daß diese Einheitlichkeit nicht vorhanden war, ja, daß man sich sogar auf diesen Zwiespalt berief und dem Landser dadurch das Leben oftmals schwer gemacht wurde. Millionen von Menschen haben im übrigen den totalen Zusammenbruch durch Vertreibung und Kriegsschäden vollauf bezahlen müssen und haben so leiden und opfern müssen: auch hier gab es keine Differenzierung, auch hier hat es sich um eine Ganzheit gehandelt! Ähnlich liegt es beim Wesen und bei der charakteristischen Struktur eines Offiziers oder Heerführers. Im übrigen ist auf Clausewitz und andere hingewiesen und mit Recht gesagt worden, daß es zur guten Tradition des deutschen und auch des preußischen Offiziers und Feldherrn gehöre, diese Ganzheit vorzustellen. Im 20. Jahrhundert hat dieser Ganzheitscharakter leider zu zerflattern begonnen. Hier ist auch der Ansatz für ungute Traditionen in unserem militärischen Bereiche gegeben. Jetzt, nach dem Zusammenbruch, anläßlich eines Neuaufbaues, wo wir die guten Traditionen aufnehmen und uns hüten wollen, die schlechten auch nur im Ansatz zu pflegen, ist eine solche Trennung durchaus unerwünscht. Nach den Erfahrungen, die wir alle gemacht haben, ist es notwendig, daß der Bürger in Uniform, der Soldat, als eine Ganzheit, als demokratischer Bürger und als Verteidiger unserer Freiheit und unserer Ideale dasteht. In dieser Hinsicht teilen wir die Auffassung, die der Herr Kollege Schmid vorgetragen hat.
Das unheilvolle System der Massenideologien und ihrer Technik, das im 20. Jahrhundert groß geworden ist, hat zweifellos auch den Soldaten überwältigt, wie man ja überhaupt manchmal die Frage aufwerfen könnte, ob nicht die Technik auch der Politik davonläuft. Der Soldat ist offensichtlich in der Vergangenheit zuerst von diesen techniserten, massenideologischen Kräften der Zeit überwältigt worden. Dieser Überwältigungscharakter, wenn ich so sagen darf, ist natürlich in gewis({4})
ser Hinsicht ein Entschuldigungsgrund und auch eine Chance, eine gewisse Entsühnung zu erblikken. Aber es gibt meines Erachtens eine Grenze, oberhalb deren Persönlichkeiten nicht schlechtweg einfach durch das Gegeneinander-Abwägen oder Trennen oder Ausspielen von rein militärischen Funktionen und gesamtmenschlichen und politischen Funktionen entschuldigt und sofort freigesprochen werden können. Die Kleinen, die Irrenden, die in jeder Hinsicht Mitlaufenden, - wer wollte heute einen Stein auf sie werfen? Aber Männer und Repräsentanten, die über diese Mittelschicht hinausragen, die Großen sozusagen, sie unterliegen natürlich einem Risiko im Felde des Handelns und Wirkens, einem Zwang; vielleicht ist dieser zeitbedingt, ein Zwang ist es auf jeden Fall. Dieser Zwang zieht folgendes nach sich: sie müssen erstens zahlen und büßen, sie müssen zweitens, so glaube ich, heute schweigen, und daraus ergibt sich drittens für uns noch manche Folgerung im Hinblick auf den Fall Zenker. Das ZahlenMüssen ist eben ein Ding, das als Risiko in Kauf genommen werden mußte, wobei bei der einen oder anderen Persönlichkeit die eigene Schuld oder die tragische Schuld mehr im Vordergrund stehen kann.
Ich möchte einmal folgendes sagen: beim Fall Dönitz sind meiner Meinung nach auch zweifellos positive Züge nicht zu vergessen, und sie sollten nicht vergessen werden. Das sind jene Dinge, die hier bereits zum Teil angeführt wurden, nämlich, daß man sich bemüht habe, Auswüchse zu verhindern und die Marine soweit wie möglich sauber und intakt zu halten; das ist wohl auch die Tatsache, daß Herr Dönitz sich in der letzten Stunde des Zusammenbruchs 'nicht in die Büsche geschlagen hat wie so manche andere Größen, die einfach getarnt verschwunden sind und die das Schicksal ereilte oder nicht ereilte.
({5})
- Ja, ich kann nicht alle Anforderungen hier aufzählen, die im politischen Feld notwendig sind. Ich meine, das sind nur ein paar Beispiele.
({6})
- Darf ich noch eines sagen, und das ist vielleicht noch etwas mehr. Zweifellos verdankt seiner Initiative eine Vielzahl von deutschen Menschen aus den Ostgebieten, die sich auf der Flucht befunden haben, ihr Leben. Es ist bekannt, daß viele Frauen, Mütter und Kinder durch ihn gerettet wurden. Ich wollte also sagen, im Felde seiner zweifellos eigenen Schuld gibt es auch positive Züge.
({7})
- Klar, das wird niemand bestreiten.
({8})
Auf der anderen Seite der tragischen Schuld gilt das alte lateinische Sprichwort: Fata volentem ducunt, nolentem trahunt.
({9})
- Ich lasse mich gern belehren. Ich habe das geflügelte Wort unter: „ducunt volentem fata, nolentem trahunt" in Erinnerung; sollte das vielleicht an verschiedenen Schulgattungen liegen?
({10})
Auf jeden Fall sind die politischen „Weisheiten",
die von diesen Herren verzapft wurden und die
Sie, Herr Kollege Schmid, hier herausgestellt ha-. ben, und das Mitmachen trotz besserer Kenntnis natürlich negative Züge im Felde der tragischen Schuld.
Wir sind aber der Auffassung, daß trotz eingetretener innerer Läuterung und Wandlung die Menschen aus jenem Bereich im politischen Feld schweigen sollten. Dabei mag bitteres Zahlenmüssen vielleicht mit der Zeit einen gewissen Entschuldungscharakter nach sich ziehen. Das Schweigenmüssen auf längere Zeit, vielleicht auf Lebenszeit, ist aber ein politisches Gebot der Stunde!
Was man aber keinesfalls tun sollte - und damit komme ich zum Schluß -, ist, solche zwielichtigen, vielleicht durch die geschichtlich-politische Prozeßführung noch nicht eindeutig umrissenen und beurteilten Personen ausgerechnet bei Neubeginn unserer Bundeswehr voranzustellen und durch die Art dieser Vorstellung die Möglichkeit zu geben, hinter ihren Worten eine Idolsetzung zu vermuten.
({11})
Das ist unklug und dumm, das ist gefährlich; es ist sogar sehr gefährlich.
({12})
Wenn der ehrenwerte Kapitän zur See Zenker so etwas sagt, besser: sagen kann, so ist mit dem Finger auf die politisch verantwortliche Stelle zu zeigen. Es ist zu sagen, daß wir uns Derartiges beim Aufbau unserer neuen Bundeswehr auf keinen Fall leisten können und dürfen, und zwar sowohl im Hinblick auf die klare und gute Tradition des deutschen Soldatentums, wie auch im Hinblick auf die Forderungen und Probleme, die durch die neue Bundeswehr allerorts auftreten. Hier liegt also das Grundproblem! Wir sollten diese politische Verantwortlichkeit festhalten und damit verhindern, daß es gerade beim Start unserer Bundeswehr in Zukunft zu derartigen unliebsamen Pannen kommen kann.
({13})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD unterstellt mir nicht, daß diese Rede mit meinem Wissen gehalten worden sei, sondern fragt nur, ob der Bundesregierung der Inhalt der Rede bekannt sei. Mein sehr verehrter Herr Vorredner hat eben in seinen Darlegungen die
Fragegestellt ob mich hier nicht die Schuld treffe,
wenn - und er bezog sich dabei auf eine Bemerkung, die vorher Herr Abgeordneter Dr. Mende gemacht hat - diese Rede etwa mit Billigung der politisch Verantwortlichen im Ministerium gehalten worden sei.
({0})
- Entschuldigung, Sie haben Recht: „mit Kenntnis". Nun, wenn ich diese Rede gekannt hätte und
({1})
sie dann noch hätte halten lassen, würde ich niemandem böse darum sein, wenn er mir jetzt einen solchen Vorwurf machen würde, sie sei mit meiner Billigung gehalten. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Rede hat weder mir noch meinem Staatssekretär vorgelegen.
({2})
- Ist mir nicht bekannt.
({3})
- Lassen Sie, Herr Professor, ich will versuchen, diesen Komplex aufzuklären. Es wäre für mich sehr wertvoll zu wissen, ob Sie hier genauere Kenntnis haben als ich.
({4})
- Daß Sie, Herr Kollege Greve, sehr viel wissen, ist mir seit langem bekannt.
({5})
Wenn Sie nähere Kenntnis haben, bitte ich Sie darum, mir das zu sagen. Ich habe Herrn Zenker danach gefragt, und er hat mir erklärt, daß e r diese Rede verfaßt habe. Sie ist ja dann Gegenstand der Unterhandlung im Verteidigungsausschuß gewesen, und ich habe Anlaß genommen, den Herrn Zenker wegen dieser Rede entsprechend zu tadeln, weil ich sie nicht billigte. Ich wäre Ihnen also sehr dankbar, wenn ich einige Hinweise von Ihnen bekommen könnte; denn dann müßte ich diesen nachgehen.
Nun scheint mich der Herr Kollege Dr. Mende in meiner kurzen Erwiderung von vorhin nicht recht verstanden zu haben. Ich habe gar nicht Argumente gebrauchen wollen. Ich habe auf Ihren Hinweis, daß es doch zweckmäßig sei, daß an einem solchen Tag der verantwortliche Minister zu der Kompanie gehe, gesagt, daß Sie offenbar nicht wüßten, daß ich an diesem Tage in Wilhelmshaven gewesen bin und dort die Ansprache gehalten habe. Mir ist nicht bekanntgeworden, daß die deutsche Öffentlichkeit, nachdem ja auch meine Ansprache veröffentlicht worden ist, daran irgendeinen Anstoß genommen hat. Ich habe also meine Pflicht, Herr Dr. Mende, in diesem Fall getan.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Abgeordneter Dr. Mende zu einer Zwischenfrage!
Ist dem Herrn Bundesminister für Verteidigung bekannt gewesen, frage ich den Herrn Präsidenten - und der Herr Präsident möge den Herrn Bundesminister für Verteidigung bitten, die Frage zu beantworten -, daß Herr Zenker frühmorgens eine Rede halten wollte?
Das ist mir nicht bekannt gewesen; aber das überrascht mich auch nicht, wenn er diese Absicht hatte. Es war ja so, daß des Morgens, bevor der Minister erschien, eine Flaggenparade stattfand, weil an diesem Tage zum Symbol die Flagge gehißt wurde. Wenn da der rangälteste Offizier Gelegenheit nimmt, ein paar Worte an die Soldaten zu richten, so entspricht das einer so alten Gepflogenheit in jeder Truppe der Welt, daß ich das einfach als eine Selbstverständlichkeit ansehe.
({0})
Gewußt habe ich zwar nicht, daß er eine Rede dieses Inhalts halten würde. - Ich stehe Ihnen zu weiteren Fragen zur Verfügung.
Darf ich eine Zusatzfrage stellen. Der Herr Minister spricht von „ein paar Worten". Wir wissen, daß aus den „paar Worten" viereinhalb Schreibmaschinenseiten geworden sind. Glauben Sie nun, daß das, was ich bezüglich der Fehlorganisation dieses Tages gesagt habe, berechtigt ist, oder nicht?
Ich glaube, daß das nicht berechtigt ist; denn in dieser immerhin viereinhalb Seiten langen Rede sind ja auch einige Sätze gesagt worden - ich will nicht den Herrn Präsidenten bitten, mir zu erlauben, lange Absätze hier zu zitieren -, die sehr wohl an diesem Tage einmal, auch von einem verantwortlichen Offizier, gesagt werden mußten. Ich nehme an, daß das Hohe Haus im Besitze dieser Rede ist.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich ergreife jetzt noch das Wort zu dieser Angelegenheit, weil ich den Eindruck habe, daß in der Öffentlichkeit ein Mißverständnis über die Grundhaltung meiner Fraktion und der Mitglieder meiner Fraktion, die dem Verteidigungsausschuß angehören, entstehen könnte. Diese Sache ist von so außerordentlicher Wichtigkeit, daß wir Mißverständnisse nicht aufkommen lassen dürfen. Heute wird eine Weichenstellung in diesen geradezu lebenswichtigen Fragen unseres Volkes vorgenommen. Diese Weichenstellung muß geradlinig, eindeutig und unmißverständlich sein.
Ich möchte doch feststellen, daß wir uns im Verteidigungsausschuß mit dieser Angelegenheit, der Rede des Herrn Kapitäns zur See Zenker, sehr gründlich befaßt haben und daß sich bei dieser Aussprache im Verteidigungsausschuß eine weithin übereinstimmende, eine fast völlig übereinstimmende Meinung herausgebildet hat. Man war sich zunächst darüber einig, daß die Motive des Herrn Zenker durchaus ehrenhafte waren. Es war niemand da, der bezweifelt hätte, daß Herr Zenker nicht nur ein anständiger Soldat, sondern nach allen uns gemachten Mitteilungen auch ein anständiger Demokrat ist.
({0})
Das hat niemand bezweifelt. Ich möchte das nur feststellen, Herr Greve. Wahrscheinlich wissen Sie nicht, was wir im Verteidigungsausschuß verhandelt haben. Deshalb will ich darüber reden.
({1})
- Darauf komme ich nachher zu sprechen. Ich werde meine Meinung sehr deutlich sagen.
Zunächst geht es mir darum, das zu tun, was der Herr Kollege Professor Böhm hier gesagt hat. Man
({2})
sollte, wenn man eine Aussprache führt, auch an die denken, die irgendwie von dieser Aussprache mitbetroffen sind. Wir sollten uns deshalb auch ganz ruhig vornehmen, diese Aussprache so zu führen, daß auch der Herr Zenker, der Mann, um den es hier geht,
({3})
irgendwie angesprochen wird und merkt, daß wir auch mit ihm ein Gespräch führen wollen. Wir sprechen hier für das Volk. Aber auch für einen Mann wie den Kapitän Zenker, der auch zu diesem Volk gehört.
({4})
- Darauf komme ich jetzt zu sprechen.
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- Jetzt warten Sie doch mal ab, was ich zu dieser Sache zu sagen habe.
Ich habe den Eindruck gehabt, daß wir uns im Verteidigungsausschuß bei der Besprechung der Rede des Herrn Zenker völlig klar darüber waren, daß es eine Unmöglichkeit ist, wohl von den militärischen Leistungen der Marine, der führenden Männer der Marine und der Sauberkeit der militärischen Führung der Marine - die unbestritten ist
- zu sprechen, aber dabei völlig auszuklammern, daß ein Mann wie Dönitz der besondere politische Vertrauensmann des Herrn Hitler war. Darüber bestand völlige Klarheit. Ein solches Verfahren haben wir als unmöglich empfunden.
Ich habe im Verteidigungsausschuß gesagt: Wenn der Herr Hitler den Herrn Dönitz gewürdigt hat, sein Nachfolger zu sein, so hat er das deswegen getan, weil der Herr Dönitz eine besonders geartete politische Grundhaltung hatte, die ihn in den Augen Hitlers geeignet erscheinen ließ, sein Amt zu übernehmen. Herr Hitler wär nach meiner Auffassung ein Verbrecher. Des besonderen politischen Vertrauens eines Verbrechers gewürdigt zu werden, ist eine Sache, die man nicht ignorieren kann und über die man, wenn man eine solche Rede zu halten hat, wie sie Herr Zenker zu halten hatte, nicht einfach hinweggehen kann.
({6})
Herr Zenker - ich sage das jetzt in aller Freundschaft, weil es mir wirklich darum geht, die Dinge in menschlich anständiger Weise auszutragen - hat bis zu seinem Eintritt in die neue Marine zehn Jahre Zeit gehabt, sich über politische Dinge zu unterrichten und sich über politische Dinge eine Meinung zu bilden. Ich habe den Eindruck, daß er diese Zeit schlecht genutzt hat, sonst hätte er eine solche Rede nicht gehalten.
({7})
Seine Rede war unmöglich, und eine solche Rede
hätte nach meiner Überzeugung nie gehalten werden dürfen
({8})
Das war auch die fast übereinstimmende Meinung sämtlicher Mitglieder des Verteidigungsausschusses meiner Fraktion. Wenn es sich jetzt darum handelt, die Bundeswehr und damit auch die Marine neu aufzubauen, dann, muß ich sagen, muß über diese Dinge völlige Klarheit bestehen. Dann muß das Wort gelten: Widerstehe den Anfängen! Führende Männer der Bundeswehr und der Marine
dürfen keine Reden halten, die politisch zweideutig sind oder die mißverstanden werden können.
({9})
Herr Zenker hätte bei der Gelegenheit, die Marine aus der Taufe zu heben, nach meiner Auffassung eine gute Möglichkeit gehabt, den jungen Anwärtern für die Marine einen klaren, unmißverständlichen und wirksamen staatsbürgerlichen Unterricht zu erteilen.
({10})
Er hätte ganz ruhig etwas darüber sagen können, daß die Marine sauber und anständig gekämpft hat und daß das zu sagen ein Bedürfnis auch vor der Öffentlichkeit ist. Er hätte auch etwas sagen können über das schwere menschliche Schicksal etwa von Männern wie Raeder und Dönitz - Herr Kollege Schmid, Sie haben es ja auch getan -; auch dagegen wäre gar nichts einzuwenden gewesen. Aber er hätte dann auch in klaren und unmißverständlichen Worten etwas darüber sagen müssen, daß das politische Verhalten des Herrn Dönitz falsch und verkehrt war und daß sein Verhalten mit dazu beigetragen hat, daß ein so großes Unglück über uns gekommen ist.
({11})
Auch dies hätte gesagt werden können.
Vor allen Dingen aber hätte er dann - und daß er das nicht getan hat, ist das, was ich an seinem Verhalten am meisten bedaure - ein klares, unmißverständliches Bekenntnis zur freiheitlichen Staatsordnung ablegen müssen,
({12})
ein Bekenntnis der Treue zur Demokratie. Er hätte den jungen Leuten sagen müssen, daß, wenn wir ähnliche Dinge in der Zukunft vermeiden wollen, wir uns mit den letzten Kräften, mit ungeteiltem Herzen und mit der Hingabe unseres ganzen Willens einsetzen müssen für eine freiheitliche Gemeinschaftsordnung der Menschen unseres Landes.
Meine Damen und Herren, ich möchte dem Wunsche Ausdruck geben, daß, wenn Männer der Bundeswehr oder der Marine künftighin irgendwo vor der Öffentlichkeit das Wort ergreifen, sie es dabei an dieser Klarheit des politischen Willens und der politischen Überzeugung niemals fehlen lassen und das sie das Letzte dazu tun, um die jungen Menschen, die in der Bundeswehr stehen, dazu anzuhalten, gemeinsam mit uns, die wir hier im Parlament versammelt sind, den Weg zu gehen, der zur besseren und sicheren Verankerung einer freiheitlichen Staatsordnung in den Herzen der breiten Schichten unseres Volkes führt.
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich angesichts der vorgeschrittenen Zeit kurz fassen.
({0})
Die heute stattfindende Debatte beschwört wieder einmal das ganze Unglück unserer Vergangenheit
({1})
herauf, und ich befürchte, wir werden noch sehr oft ähnliche Debatten haben. Ich glaube, wir sind alle in, diesem Hause, von links bis rechts, davon durchdrungen, daß wir alles, aber auch alles tun müssen, um diese Wunden der Vergangenheit zu heilen und den innenpolitischen Frieden im deutschen Vaterland in seiner Gesamtheit herzustellen, weil nur dann eine weitere staatliche Aufwärtsentwicklung und - um auf das Thema hier Bezug zu nehmen - eine gedeihliche Entwicklung unserer Bundeswehr gewährleistet ist.
Eine solche Debatte, wie sie hier geführt worden ist, birgt natürlich - das muß offen ausgesprochen werden - die Gefahr in sich, daß genau das eintrifft, was wir alle vermeiden wollen, nämlich daß unter Umständen das Militär von der Politik getrennt wird. Wir müssen uns also in diesen Dingen sehr vorsichtig bewegen; denn wir alle haben ja das Anliegen, daß, wie ich von diesem Podium schon einmal gesagt habe, das Parlament unbedingt als der Freund und der Helfer der neuen deutschen Streitkräfte gelten soll und gelten muß. Wenn wir negative Dinge zu sehr überbetonen - das frage ich Sie ,-, besteht dann nicht die Gefahr, daß wir uns selber als zu unsicher hinstellen und daß dann nicht jenes Vertrauensverhältnis zustande kommt, das wir uns alle wünschen?
Ich anerkenne den Standpunkt des Kollegen Professor Schmid vollauf, wenn ich ihn von seiner Warte betrachte. Ich bitte ihn, es mir aber nicht zu verübeln, wenn ich einen anderen Standpunkt einnehme, insbesondere in der Frage, die sich damit befaßt, ob hier die Person gespalten werden, d. h. die Politik vom Militärischen getrennt werden kann. Meine politischen Freunde von der Deutschen Partei sind der Auffassung, daß wir es hier getrost trennen können. Bekanntlich war es in der Vergangenheit zum größten Unglück unseres Volkes und Staates dem Soldaten versagt, j a direkt verboten, sich mit politischen Dingen zu befassen,
({2})
- nein, ich sage ja, mit politischen Dingen -, wodurch der Soldat praktisch zu einem bloßen Handwerkszeug dieses Staates herabgewürdigt worden war. Wir sind uns alle darüber im klaren und haben es auch gesetzgeberisch verankert, daß das in Zukunft anders sein soll. Ich glaube, es gibt niemanden hier im Hause, der der Meinung wäre, daß das anders sein dürfte.
Wenn ich aber einmal unterstelle, daß in der Betrachtung der Herren Raeder und Dönitz keine Trennung, keine Spaltung der Person erfolgen darf, dann muß ich dem Herrn Kollegen Schmid allerdings die Worte seines eigenen Parteifreundes, des Ministerpräsidenten Steinhoff von Nordrhein-Westfalen, vorhalten, die dieser anläßlich der Regierungsneubildung in Nordrhein-Westfalen gesagt hat, nämlich: es komme nicht mehr darauf an, welche politische Überzeugung jemand früher gehabt habe, sondern darauf, daß er sich heute in den demokratischen Staat einordne und in demokratischem Sinne betätige.
({3})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diesen Satz unterschreiben meine Freunde hundertprozentig.
({4})
Es ist der Standpunkt, den meine Freunde von der Deutschen Partei schon seit vielen Jahren eingenommen haben.
({5})
Man soll die Wunden der Vergangenheit nicht aufreißen. Wenn wir diesem Grundsatz huldigen wollen, dann müssen wir uns aber auch alle darüber im klaren sein, daß wir keinem, der guten Willens ist, die Chance zur Mitarbeit und zur Mitverantwortung verwehren dürfen.
Ich müßte hier jetzt eigentlich einflechten, man müßte die Rückkehr der Herren - Verzeihung, Herr Raeder ist ja zurückgekehrt -, aber die Rückkehr des Herrn Dönitz abwarten, um zu sehen, wie er sich dem demokratischen Staat gegenüber verhält.
Meine Freunde von der Deutschen Partei sind im Gegensatz zur Meinung des Herrn Kollegen Schmid der Auffassung, daß hier eine Trennung des Politischen und des Militärischen nicht nur möglich, sondern sogar notwendig ist eben auf Grund des besonderen Status, den der Soldat in der verflossenen politischen Ara unseres Volkes gehabt hat. Und da muß ich feststellen, daß Herr Zenker, den ich persönlich nicht kenne, den ich weder zu verteidigen noch in den Abgrund zu stoßen habe, bei dem bekannten Anlaß offenbar über die Soldaten Dönitz und Raeder gesprochen hat.
Man kann darüber streiten, ob es zweckmäßig ist, daß ein Offizier in exponierter Stellung solche Reden hält. Darüber sollten wir uns vielleicht im Verteidigungsausschuß noch einmal sehr nachdrücklich unterhalten. Ich kann nur feststellen: diese Rede ist nun einmal gehalten worden, und wenn sie zu den Soldaten Dönitz und Raeder gehalten worden ist, dann darf ich nicht unerwähnt lassen, daß in Nürnberg beide Offiziere - ich klammere das Politische ausdrücklich aus, Herr Kollege Schmid - von dem Vorwurf der Unehrenhaftigkeit ihrer Seekriegführung freigesprochen worden sind.
({6})
- Nein, das habe ich auch nicht behauptet; ich stelle das nur noch einmal fest.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Schneider, ich möchte Sie einmal fragen: Halten Sie den Erlaß des Admirals Dönitz hinsichtlich der Beförderung von Mannschaften und Unteroffizieren, die sich so verhalten haben, wie in dem Beispiel, das Herr Kollege Schmid vorgelesen hat, angeführt ist, die also einfach Mannschaften „umgelegt" haben, für eine politische oder nicht doch wohl für eine militärische und soldatische Handlung des Herrn Admirals Dönitz?
Das halte ich für eine militärische Handlung des Herrn Dönitz, da er den Auftrag dazu von dem politischen und zugleich militärischen Oberbefehlshaber bekommen hat. Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß der berüchtigte, ich will einmal sagen, Kommandobefehl von Herrn Dönitz nicht ausgeführt worden
({0})
ist. Jedenfalls Weiß ich aus Äußerungen des Herrn Rechtsanwalts Kranzbühler, der mit diesen Dingen doch bestens vertraut ist, daß Dönitz sich geweigert hat, diesen Befehl auszuführen.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ich wollte noch einmal betonen: Wenn wir das Politische ausklammern - und ich nehme als sicher an, daß Zenker bei der Flaggenhissung der Marine über die Soldaten gesprochen hat -, dann dürfen wir nicht übersehen, daß außer dem einen der genannten ehemaligen Oberbefehlshaber auch noch weitere ehemalige deutsche Soldaten in alliierten Gewahrsam sind, die nach Ansicht von Mitgliedern aller Fraktionen dieses Hauses nicht ohne weiteres als Verbrecher abgetan werden können. Wenn ich also einmal von dieser Warte aus, daß von Zenker über die Soldaten gesprochen worden ist, und von der Warte aus, daß Nürnberg diese Soldaten freigesprochen hat, die Dinge betrachte, dann - verübeln Sie es mir nicht, Herr Kollege Schmid - glaube ich, daß Herr Zenker einem großen Teil der ehemaligen Marine und, ich wage es zu behaupten, des deut- schen Volkes aus dem Herzen gesprochen hat.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Haus stellt sich, glaube ich, ein gutes Zeugnis aus, wenn es eine solche Debatte mit der Geduld und der Ausführlichkeit zu Ende führt, die dieser schmerzlich tragische Gegenstand nun einmal erfordert. Nach der namenlosen Schande und dem namenlosen Unglück, in die unser Volk gestürzt ist, bleibt gar nichts anderes übrig, Kollege Schneider, als daß wir uns immer wieder mit diesen gräßlichen Schatten auseinandersetzen. Es wäre, glaube ich, sehr falsch, es wäre feige und dumm, wenn wir einer solchen Auseinandersetzung aus dem Wege gehen wollten.
({0})
Ich glaube, wir können der Bundesregierung dankbar sein, daß sie den Kapitän zur See Zenker klar und deutlich gemißbilligt hat. Es erfüllt mich mit besonderer Befriedigung - ich möchte das hier besonders sagen -, daß sich der Herr B u n -d e s k a n z 1 e r, wie ich zu wissen glaube, besonders nachdrücklich und energisch in diesem Sinne ausgesprochen hat.
({1})
- Er hat es in diesem Falle getan, und, Kollege Greve, das sollte Sie vielleicht veranlassen, darüber nachzudenken, ob da nicht Unterschiede sind. Ich würde jedenfalls versuchen, gerade auf Grund dieser Erfahrung dem Herrn Bundeskanzler mehr Gerechtigkeit angedeihen zu lassen.
({2})
- Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, wir haben volles Verständnis für die fast tragische Problematik, in die die alten Seeoffiziere geraten sind, die sich mühen, die Tradition, auf die sie stolz sind, in ihr neues Amt hineinzutragen. Aber es wäre eine große Verkennung unserer Sorgen - und ich glaube, auch da kann ich dem Kollegen Schneider in keiner Weise folgen -, sich jetzt zu überlegen, ob Dönitz und Raeder persönlich mehr oder weniger schuldig gewesen sind. Es geht um anderes, und ich will es einmal sehr ernst ausdrücken, Kollege Schneider: Menschen, die sich in der Atmosphäre des Aasgeruchs befunden haben und die von diesem Aasgeruch sich nicht haben abstoßen lassen, die werden selbst diesen Aasgeruch bis zum Ende ihrer Tage nicht los. Das muß einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden.
({3})
Wir würden uns trotzdem mit ihnen nicht auseinandersetzen, wenn Ruhe herrschte, wenn sie selber es fertigbrächten zu schweigen und wenn ihre Freunde ihnen nicht den schlechten Dienst erwiesen, sie wieder in den Vordergrund zu zerren.
({4})
Wir müssen uns mit ihnen auseinandersetzen, wenn sie unseren jungen Wehrmachtangehörigen zum Muster und Vorbild gesetzt werden, und nur darum handelt es sich hier.
Ein Offizier, der das tut, verehrter Herr Bundesminister für Verteidigung, ist nach meiner Ansicht nicht nur zu tadeln, sondern ich würde mich nach meiner eigenen soldatischen und sonstigen Erfahrung ernstlich fragen, ob ein solcher Offizier überhaupt in der Lage ist, die Verantwortung zu tragen, die Sie ihm übergeben haben.
({5})
Denn wenn ich die Worte auf mich wirken lasse, Herr Bundesminister, dann frage ich mich doch, ob es sich da nur um eine Entgleisung handelt oder ob da nicht eine wirkliche innere Gesinnung und Überzeugung spricht
({6})
und ob der Betreffende überhaupt das Urteil hat und das moralische Vermögen besitzt, eben diesen Aasgeruch zu wittern, der an den Leuten haftet, die er uns und den jungen Leuten als Vorbild vor Augen gestellt hat.
Mich schmerzt das besonders deshalb, weil ich mich seit Jahren und Jahrzehnten bemühe, zwischen Demokratie und Wehrmacht ein gutes, ein besseres Verhältnis herzustellen, als es in der Weimarer Republik bestanden hat. Ausführungen, wie sie Zenker gemacht hat, sind ein sehr schlechter Dienst dafür, daß ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Demokratie und Wehrmacht entsteht. Es muß ja auch bei den jungen Leuten eine schwere Gewissensnot hervorrufen, wenn ihnen die Zeit. von der sie aus ihrem täglichen Leben wissen, daß es eine Zeit des Verhängnisses und des Verbrechens gewesen ist, heute noch in irgendeiner Form als Muster vorangestellt wird. Die Erziehung, die wir so dringend brauchen, muß dadurch gestört werden.
Aber was ich noch schwerer und schrecklicher empfinde, ist, daß das Verhältnis zwischen unserer jungen Wehrmacht und diesem Hause sowie der deutschen Öffentlichkeit durch solche Vorfälle
({7})
einer Belastungsprobe ausgesetzt wird, deren wir nicht viele haben möchten. Wir wissen auch, daß wir draußen im Ausland nicht nur Freunde haben, sondern daß es dort auch Menschen gibt, die uns nicht wohlwollend gesinnt sind, und daß die nur darauf lauern, aus solchen Anzeichen Folgerungen zu ziehen, die der Stellung unseres jungen Staates in der Welt nicht dienlich sein können.
Ich glaube also, daß wir der sozialdemokratischen Fraktion dankbar sein dürfen, daß sie diese Frage hier aufgeworfen hat, und ich glaube, daß ein großer Teil von uns den Ausführungen von Professor Schmid Wort für Wort zuzustimmen geneigt ist. Wir wünschen ein neues, gutes, vertrauensvolles Verhältnis zur Wehrmacht, und wir brauchen deshalb auch Offiziere, die sich in diesem Sinne vor ihrer Mannschaft und vor der deutschen Bevölkerung einsetzen.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid ({0}).
Dr. Schmid ({1}) ({2}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch ein kurzes Schlußwort. Die Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion umfaßt zwei eng bedruckte Seiten; sie ist mit sechs Zahlen beziffert und ziemlich eingehend substantiiert. Die Antwort der Bundesregierung war außerordentlich lakonisch. Gegenüber dem, was darauf geantwortet wurde, wäre es mehr gewesen, wenn der Bundesminister für Verteidigung zu den einzelnen sechs Punkten „Ja" oder „Nein" gesagt hätte.
({3})
Er hat sehr viel weniger getan als dies. Er ist offensichtlich ein großer Schweiger.
({4})
Wir können ihm in dem wenigen, was er zur Sache gesagt hat, nicht folgen, vor allem darin nicht, daß man zwischen der militärischen Leistung und dem, was man das Ganze des Menschen nennt, zu trennen habe und daß es deswegen durchaus erlaubt sei, jemand als Muster hinzustellen, weil er ein hervorragender Soldat war, wenngleich dieser selbe Mann ein schlechter Mensch gewesen ist. Adolf Hitler war sicher ein ausgezeichneter Gefreiter; trotzdem werden wir ihn doch wahrscheinlich nicht unseren künftigen Gefreiten als Muster vorstellen wollen.
({5})
Ich gebe Ihnen zu, daß mein Beispiel nicht übermäßig geistreich ist, aber wie es in den Wald hineinschallt, hallt es wieder heraus.
({6})
Nun einige kurze Antworten auf Bemerkungen, die von den von mir wertgeschätzten Rednern dieses Hauses gemacht worden sind.
Herr Kollege Schneider ({7}), Sie haben mit vollem Recht gesagt: Man muß die alten Wunden heilen. - Man m u ß alte Wunden heilen! Aber ich möchte dabei auf eines hinweisen: Vergessen und vergeben ist eine gute Sache, aber nur dann, wenn es nicht aus moralischer Bequemlichkeit geschieht.
({8})
Wenn man nur aus moralischer Bequemlichkeit vergißt, bringt man jene, die es angeht, nicht dazu, moralisch umzudenken und umzufühlen, und darauf käme es doch auch für sie entscheidend an.
Herr Abgeordneter Schmid, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich sehe, daß Frau Kalinke eine Zwischenfrage stellen will. Ich bitte um diese Zwischenfrage.
Damit kein Mißverständnis im Raume bleibt, Herr Kollege, ich kann nicht glauben, daß als Unterton in Ihren Worten die Unterstellung wäre, daß irgendwer in diesem Hause unter dem Vergeben und Verzeihen etwa verstehen könnte, er täte das aus Gewissenlosigkeit, nähme es nicht ernst genug oder wäre eben moralisch so bequem, daß er die Wunden der Vergangenheit nicht sehen möchte.
({0})
Ich glaube nicht, daß Sie es so gemeint haben.
Frau Kalinke, es sind nur Zwischenfragen, nicht Zwischenbemerkungen möglich!
Herr Präsident, ich bin Frau Kalinke sehr dankbar für die gute Meinung, die sie von mir hat.
({0})
Ich habe nicht von Gewissenlosigkeit gesprochen. Ich bin auch nicht der Meinung, daß der Herr Kollege Schneider ein moralisch bequemer Mensch ist. Aber ich habe zuviel von Vergeben und Vergessen gehört, ohne dabei zu spüren, daß in der Brust der Betreffenden etwas vor sich gegangen wäre!
({1})
Deswegen habe ich mir erlaubt, diese sehr allgemeine und moralische Bemerkung zu machen. Ich glaube nämlich, daß sich das Moralische zwar von selbst versteht, daß man aber gelegentlich auch davon sprechen sollte, vor allen Dingen in diesem Hause.
Herr Schneider hat weiter gesagt, das Militär könnte durch Reden wie die von mir gehaltene von der Politik getrennt werden. Habe ich Sie wohl recht verstanden?
({2})
- Schön, so lassen Sie mich generell antworten.
({3})
Sehen Sie, das Militär hat den Organen der Republik zu gehorchen; es hat sich nicht mit Politik zu befassen.
({4})
Ich meine das so: es hat weder politische Ziele aufzustellen noch politische Wertungen auszusprechen.
({5})
Das schließt nicht aus, sondern im Gegenteil: es schließt ein, daß sich die Angehörigen der Bundeswehr sehr ernsthaft mit dem Politischen als solchem beschäftigen, damit sie wissen, wo die Grenzlinie zwischen ihrer Funktion und der politischen Funktion liegt.
({6})
({7})
Aber es ist doch sehr häufig in der Weimarer Republik so gewesen, daß man sich auf die angeblich unpolitische Funktion des Militärs berief, um die Demokratie um so wirkungsvoller angreifen zu können!
({8})
Sie meinten dann, Herr Kollege Schneider - wie der Herr Bundesverteidigungsminister -, daß man bei dem Großadmiral Dönitz und bei dem Großadmiral Raeder den Soldaten von dem Politiker trennen müsse; man könne einem Soldaten nicht zumuten, politisch richtig zu denken und politisch immer richtig zu urteilen, man müsse ihm zugute halten, auch einmal falsch zu handeln. Hier unterscheiden wir uns ganz wesentlich, Herr Kollege. Was ich bei Dönitz an Verurteilenswertem sehe, ist nicht etwa nur mangelnder politischer Verstand, sondern ist der Umstand, daß er in seiner Funktion als Oberbefehlshaber der Marine moralisch versagt hat.
({9}) Das ist es, was ich ihm vorwerfe!
Wenn ein Offizier auf dem Kasernenhof eine Dummheit macht, bekommt er den „blauen Brief"; mit anderen Worten, man beurteilt ihn dann als die Gesamtpersönlichkeit, die er ist. Ich kann mich an einen Fall erinnern, der einmal meine Heimatstadt Tübingen sehr aufgeregt hat. Es war zur Zeit der Reichswehr. Da gab es einen jungen, sehr begabten Hauptmann, der eine junge Frau hatte, die gern Tennis spielte. Die Tennisplätze in Tübingen liegen an der Hauptstraße, und die Frau Hauptmann spielte in Shorts. Die Gattin des Regimentskommandeurs war der Meinung, daß das gegen die Gepflogenheiten und vielleicht auch gegen die Ehrbegriffe von Offiziersdamen verstoße, und der Oberst stellte den Hauptmann zur Rede. Als der Hauptmann sagte: „Das geht nur meine Frau etwas an", bekam der Hauptmann den „blauen Brief". Sie sehen, hier wurde die Gesamtpersönlichkeit gewertet und nicht geflagt: War dieser Hauptmann nicht etwa ein sehr tüchtiger Hauptmann? Man sagte vielmehr: Er paßt eben als Mensch nicht herein. Da möchte ich nur sagen: auch wir müssen uns fragen - allerdings als Republikaner und als Demokraten -, ob ein Offizier seiner Gesamtpersönlichkeit nach „hineinpaßt" oder nicht, mag er noch soviel vom Richtkreis und von den anderen militärischen Instrumenten verstehen.
Sie haben meinen Parteifreund Steinhoff zitiert, der gesagt habe, es komme nicht darauf an, was einer politisch gedacht habe, sondern darauf, was er heute denke. Ich stehe voll zu diesem Wort. Sehen Sie, Herr Kollege Schneider, zu einem Zeitpunkt, wo mancher, vielleicht auch mancher Ihrer Parteifreunde, sich noch nicht so ganz getraut hat, mit einem abgestempelten Nazi Hand in Hand über die Straße zu gehen, habe ich als Kultminister in Württemberg-Hohenzollern angeordnet, daß es keinem aktiven Offizier verwehrt werden dürfe, an der Universität Tübingen zu studieren,
({10})
obwohl die bekannten entgegenstehenden militärischen Anordnungen bestanden haben. Ich habe das durchgesetzt, und ich habe für den Fall, daß die französische Militärregierung darauf bestehen würde, mit meinem Rücktritt gedroht. Ich sage
Ihnen das nur, damit Sie wissen, daß Sie nicht jemanden vor sich haben, der glaubt, bei jeder Uniform bellen zu müssen.
({11})
- Nein, ich habe auch bei meinen Freunden noch keinen getroffen, der mich deswegen getadelt hätte.
Und nun noch einige Worte zum Herrn Kollegen Heye, der von mir - er weiß es - in ganz besonderem Maße als Kollege und als Mensch geschätzt wird. Es tut mir leid, daß wir hier die Klingen kreuzen müssen. Unsere Rapiere sind zwar, wie ich glaube, nicht sehr scharf geschliffen, und an der Spitze trugen sie den kleinen Pfropf, den man in der Fechtschule aufzusetzen pflegt. Daß Sie für Ihre Kameraden gesprochen haben, ehrt Sie, und niemand wird Sie deswegen tadeln.
Sie wissen, daß ich mit meinen Worten nicht den geringsten Zweifel an den Qualitäten der deutschen Seeoffiziere geäußert habe und habe äußern wollen. Darum hat es sich gar nicht gehandelt. Aber Sie haben sich selbst vorhin auf einen Zwischenruf hin als Humanist bezeichnet. Vielleicht darf ich Ihnen in Erinnerung an einen alten Humanistenspruch zurufen: amicus Zenker, magis amica veritas!
({12})
Sosehr man mit jemand befreundet sein mag, - wenn es um die Wahrheit geht, dann ist die Wahrheit die Freundin, der man zu dienen hat, und nicht der Freund!
({13})
Bei aller Kameradschaft und aller Ritterlichkeit, die darin liegen, wenn einer sich vor den angegriffenen Kameraden stellt - auch wenn er selbst das Gefühl hat, daß vielleicht nicht alles ganz in Ordnung mit ihm war; aber immerhin: man hat einmal den gleichen Waffenrock getragen -, sollten wir es uns abgewöhnen - und hierin stimme ich Ihnen bei, Herr Kollege Böhm -, immer ins Trarahorn der Kameraderie zu stoßen, wenn es sich um die Frage der Wahrheit handelt.
({14})
Dabei hat nämlich Kameradschaft nichts zu suchen.
Sie meinten, daß Weimar die Soldaten verprellt habe, daß die Republik von Weimar den Soldaten das Vertrauen verweigert habe und daß das zur Schaffung des Staates im Staate geführt hätte. Ich habe Ihnen einen Zwischenruf gemacht, den ich hier wiederholen möchte: Mit eines der entscheidenden Worte, die in der Weimarer Republik gefallen sind, eine der Landmarken, die alle hätten aufmerken lassen müssen, war doch die Antwort des Generals von Seeckt auf die Frage, wo die Reichswehr stehe: Die Reichswehr steht hinter mir! Das war nicht gesprochen, weil man der Reichswehr das Vertrauen verweigert hätte, sondern das war gesprochen, weil die Reichswehr sich mehr als der demokratische Staat dünkte.
({15})
Das wollen wir nicht wieder haben. Die Bundeswehr soll wissen, daß dieser Staat nicht nur älter als sie ist, sondern daß sie nichts anderes als eine Funktion dieses Staates ist
({16})
und daß deswegen alles, was sie tut, alles, was ihr zu tun aufgegeben ist, getan werden muß, weil die
({17})
verfassungsmäßigen Organe dieses Staates ihr die Befehle dazu geben. Und wenn es wieder einmal vorkommen sollte, daß ein General meint, die Bundeswehr habe hinter ihm zu stehen, dann hoffe ich, daß sich in diesem Hause genügend Leute finden werden, diesen Mann am gleichen Tag zum Teufel zujagen!
({18})
Sie meinten, ich hätte durch Unterstellungen, die aus meiner Rede herauszuhören gewesen seien, eine schwere Kränkung gegen Ihren alten Kameraden Zenker ausgesprochen. Ich glaube, Sie tun mir da Unrecht. Ich wollte diesen Mann nicht kränken. Ich habe ausdrücklich gesagt: Er ist sicher ein braver Soldat. Ich glaube auch nicht einmal, daß er aus bewußter Absicht - um nationalsozialistische Propaganda zu machen - so verkehrt gesprochen hat. Er hat wahrscheinlich aus Gedankenlosigkeit so gesprochen,
({19})
und das ist das Schlimme. Denn mit der Gedankenlosigkeit fängt es an; das Verbrechen kommt dann hinterher!
({20})
Ich bin sicher der letzte, der vom Soldaten den stummen Gehorsam fordert, velut ac cadaver, wie es in den Statuten des Heiligen Ignatius heißt. Ganz gewiß nicht! Auch der Soldat soll Zivilcourage und Mannesmut beweisen. Auch er soll sagen, was er denkt. Er soll aber wissen, daß er als Soldat ein Soldat der Bundesrepublik ist und nicht etwa Angehöriger eines bestimmten Standes, der nun einmal von früher her glaubt, bestimmte Vorurteile hegen zu müssen. Nein, keinen stummen Gehorsam wollen wir vom Soldaten, aber auch keine Arroganz.
({21})
Ich will Ihnen ein Beispiel geben, daß es Mannesmut gibt, der bescheiden einherzugehen vermag. Im letzten Krieg gab es in meinem Frontbereich ein Landesschützenregiment, das von einem Oberst Buchholz kommandiert wurde, von einem direkten Abkömmling jenes Buchholz, der den Geldbeutel Friedrichs des Großen verschnürt zu halten pflegte. Man machte sich im Kasino über diesen Mann manchmal lustig, weil er ein wenig zu sehr altpreußisch war und bestimmte geläufige Dinge nicht mitmachte: er war eben so sparsam wie sein Vorfahr. Als nun der Befehl kam, daß Ortschaften, aus denen geschossen wurde, angezündet werden sollten, hat er seine Offiziere versammelt und gesagt: „Ich kommandiere keine Brandstifter, dieser Befehl wird nicht ausgeführt." Er ist daraufhin weggeschickt worden. Ich kenne zwei noch lebende Zeugen dieses Vorgangs: der eine ist der Baron von Knigge-Paddensen, der andere ein Herr von Kessel. Das hat es auch gegeben! Man konnte, wenn man wollte, sein Gewissen - seine Ehre, das, was man früher das Portepee nannte - über einen Befehl stellen, von dem man wußte oder von dem man wissen mußte, daß er gegen die Ehre ging und daß er aus dem Soldaten nichts anderes machte als einen Totschläger und einen Brandstifter.
Sicher soll man nicht bei jeder Dummheit aufschreien und gleich eine große Staatsaktion anrichten. Aber sehen Sie, dieser Kapitän zur See Zenker war doch nicht der nächste beste; er war doch der Mann, der von dem Herrn Verteidigungsminister damit beauftragt worden ist, die neue Marine der Bundeswehr aufzustellen. Er war also der Mann, dem es aufgegeben war, den Stil dieses Teils der Bundeswehr zu bestimmen. Ein solcher Mann muß, wenn er Worte spricht wie die, von denen wir hier geredet haben, sich gefallen lassen, zur Verantwortung gezogen zu werden, und der Minister muß es sich gefallen lassen, daß man ihn fragt, was er denn daraufhin getan hat.
Dabei muß ich doch noch auf etwas eingehen, Herr Minister, was Sie angeht. Sie haben die Rede nicht gekannt; wenn Sie das sagen, stimmt das. Aber nachdem Sie von dieser Rede gehört haben, wäre es meines Erachtens Ihre Pflicht gewesen, bis hinunter zu den nächsten Vorgesetzten von Kapitän Zenker zu fragen, ob diese die Rede gekannt haben,
({22})
und dann die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Ich glaube, das gehörte mit zu Ihren Dienstobliegenheiten.
({23})
Daß Sie das nicht getan haben, erlaubt, daß dieses Haus Sie tadelt.
Sie sagten, Herr Kollege Heye, daß weitgehend die Meinung verbreitet sei, die Soldaten seien die ersten Helfer des Nazisystems gewesen. Nach dem Krieg ist diese Meinung in der Tat sehr weit verbreitet gewesen. Wer die Dinge aus eigenem Erleben kennt, weiß, daß auch hier zu differenzieren ist, daß auch hier keine Kollektivschuld und keine Kollektivunschuld besteht. Es gab eine Reihe von Offizieren, die vom ersten Tage an Widerstand geleistet haben. Ich nenne nur General Beck, und Sie kennen viele andere, die ich hier nicht zu nennen brauche. Andere haben die Dinge gehenlassen, weil sie eben so gingen. Aber auch das darf nicht verschwiegen werden: viele Offiziere - und nicht erst die Reserveoffiziere - empfanden doch, was nach 1934 geschah, weitgehend als die Erfüllung ihrer Träume. Das ist doch auch wahr! Das hat es doch auch gegeben! Wir sollten also, wenn wir von diesen Dingen sprechen, differenzieren und sollten den einzelnen nach dem bewerten und beurteilen, was er getan hat und wohin er sich gestellt hat.
Sie haben recht, es gibt bei diesen Dingen nicht nur eine Verantwortlichkeit des Militärs. Es gab in der Weimarer Republik für diese Dinge auch eine Verantwortlichkeit der Politiker, der politischen Organe, auch des Reichstags. Aber wer hat denn die schwerere Verantwortung auf sich geladen: jene, die auf diese Dinge hingewiesen haben, jene, die wie Kurt Schumacher im Reichstag den Nationalsozialismus als den moralischen Schweinehund im Menschen bezeichnet haben, oder jene, die das Ermächtigungsgesetz beschlossen haben?
({24})
Auch daran muß man doch gelegentlich erinnern.
Nun noch ein letztes Wort. Wer mich kennt, weiß, daß ich nicht zu denen gehöre, die meinen, man müsse etwa um des Auslands willen in Sack und Asche gehen. Ich bin der Meinung, daß auch ein geschlagenes und besiegtes Volk, auch ein Volk, auf dessen Schultern schwere Verantwortung geladen worden ist, ein Recht auf Selbstachtung hat und daß es diese Selbstachtung nach außen und
({25})
nach innen zeigen muß. Aber - und das soll das letzte Wort sein, das ich hier spreche - das ist nur dann erlaubt, wenn man den Mut hat, die Wahrheit auszusprechen, auch wenn diese Wahrheit bitter ist wie Galle!
({26})
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Rednerliste. Der Punkt 2 der Tagesordnung ist damit abgeschlossen. Wir treten in die Mittagspause ein. Ich habe bekanntzugeben, daß nach der Pause zuerst der Punkt 4 - also die Steueranträge - behandelt wird. Die Sitzung ist bis 15 Uhr 30 unterbrochen.
({0})
Die Sitzung wird um 15 Uhr 36 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Es hat sich die Frage erhoben, welcher Punkt der Tagesordnung heute nachmittag zunächst behandelt werden soll, Punkt 3 oder Punkt 4. Ich schlage Ihnen vor, den Punkt 4 zuerst zu behandeln und den Punkt 3, damit die Behandlung der Fragen der Atomenergie nicht in dem düsteren Nimbus der Abendstunden verschwindet, morgen zu behandeln. Ich glaube, es wäre der Sache nicht die erforderliche Ehre angetan, wenn wir irgendwann spät, nachdem das Haus vor Erschöpfung zusammengebrochen ist, diese Sache behandeln würden. Ich nehme an, daß die Steuerdebatte an unsere Nerven und an unseren guten Willen erhebliche Anforderungen stellen wird. - Ist das Haus mit diesem Verfahren einverstanden?
({0})
Dann rufe ich Punkt 4 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP, DA eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({1});
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP, DA eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ({2});
c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP, DA eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Besteuerung der KreditGarantiegemeinschaften des Handwerks und des Handels auf den Gebieten der Körperschaftsteuer, der Vermögensteuer, der Gewerbesteuer, der Kapitalverkehrsteuer, der Erbschaftsteuer und der Grundsteuer ({3});
d) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({4});
e) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({5});
f) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Kaffeesteuergesetzes ({6});
g) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Aufhebung des Teesteuergesetzes ({7});
h) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Leuchtmittelsteuergesetzes ({8});
i) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" ({9});
j) Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Notopfergesetzes ({10}).
Außerdem als Punkt 4 k) :
Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({11}).
Ich brauche den Antrag im einzelnen nicht vorzulesen; er wird nachher wohl begründet werden.
Die Frage ist nun, wie wir verfahren wollen, ob die einzelnen Fraktionen sämtliche von ihnen eingebrachten Entwürfe en bloc begründen und daß dann debattiert wird, oder ob die unter den Punkten a bis k aufgeführten Vorlagen individuell eingebracht und begründet werden.
({12})
- a bis c en bloc! Es wird also von einem Sprecher einer der Fraktionen begründet werden, die die Entwürfe eingebracht haben. Darf ich fragen, wer der Sprecher ist?
({13})
- Herr Schmücker. Dann wollen wir uns zunächst einmal damit begnügen, das festzustellen. Wir werden nachher schon auf die Schwierigkeiten kommen.
({14})
Ich nehme an, daß wir, nachdem die Anträge a bis c begründet sind, die nächsten Anträge begründen und daß dann die Aussprache über das Ganze geht.
Es wäre mir angenehm, wenn mir die einzelnen Fraktionen rechtzeitig schriftlich die Namen ihrer Mitglieder mitteilten, die zur Begründung dieser Anträge vorgesehen sind.
Zunächst erteile ich zur Begründung der Anträge 4 a bis c das Wort dem Abgeordneten Schmücker.
Schmücker ({15}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die drei Fraktionen der Regierungskoalition, CDU/CSU, Deutsche Partei und Demokratische Arbeitsgemeinschaft, haben mit den Drucksachen 2281 bis 2283 Anträge auf weitgehende steuerliche Entlastungen, die allen Bevölkerungskreisen zugute kommen sollen, gestellt. Die Antragsteller sind der Auffassung, daß die gute Entwicklung unserer Wirtschaft und das daraus resultierende wachsende Steueraufkommen es Bund, Ländern und auch den Gemeinden ermöglichen, die Reformen des Jahres 1954 fortzusetzen und weitere Erleichterungen einzuführen.
Natürlich ist der Umfang der zur Verfügung stehenden und der für unsere Vorschläge benötigten Manövriermasse strittig. Aber die Differenzen
({16})
sind nicht so groß, daß man darüber den Beginn der Beratungen der möglichen Senkungen hinauszögern müßte. Außerdem legen die drei Fraktionen großen Wert darauf, die haushaltsmäßigen Auswirkungen ihrer Steuervorschläge nicht von den anderen Haushaltsberatungen zu trennen, die auf Grund des Grünen Berichts, der Verbesserung der Kriegsopferversorgung, der Stützungsaktion für die Kohle und der übrigen neuen kleineren Vorschläge erforderlich sind. Sie sind sich ferner darüber im klaren, daß die Sozialreform im kommenden Jahre erhebliche Anforderungen an den Bundesetat stellen wird und daß wir diese Anforderungen erfüllen müssen. Ebenso muß anerkannt werden, daß die gegenwärtige Kassenlage des Bundes keineswegs in die kommenden Jahre hinein verallgemeinert werden darf.
Mit dieser Gesamtbetrachtung zwingen sich uns die Grenzen von selber auf, und es ist nur zu wünschen, daß auch die Öffentlichkeit über die haushaltsrechtliche Betrachtung von der bequemen Addition der Wünsche wegkommt und dem Ausgleich der Interessen den Vorrang gibt.
Steuergesetze werden immer schematisch sein und Härten bringen. Dennoch ist es unsere Aufgabe, ein Höchstmaß an Gerechtigkeit anzustreben. Die gegenwärtige Steuergesetzgebung aber hat, vom Standpunkt der allgemeinen Gerechtigkeit aus betrachtet, noch sehr viele Mängel. Diese Mängel sind durchweg nicht das Ergebnis von Beschlüssen dieses Hauses, sondern sie sind im Laufe einer längeren Geschichte entstanden. Wir bilden uns nicht ein, mit den vorliegenden Entwürfen alle Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Aber wir glauben, mit unserem Bemühen ein erhebliches Stück voranzukommen.
Der zweite Grundsatz verpflichtet uns, aus der steigenden Produktivität und den daraus erwachsenden Steuermehraufkommen, so viel wie nur irgendwie möglich für soziale Zwecke und für eine soziale Tarifgestaltung aufzuwenden.
Gleichzeitig aber stehen wir vor der Aufgabe, die durch solche Maßnahmen wachsende Kaufkraft durch eine entsprechend gesteigerte Produktion zu befriedigen. Gerade die produktivitätssteigernden Maßnahmen werden sehr leicht und sehr oft mißverstanden. Man muß aber nach unserer Meinung bereit sein, sich mit dieser Kritik auseinanderzusetzen, weil eine Vermehrung des Konsums ohne die entsprechenden Produktionssteigerungen zu erheblichen Marktstörungen führen muß, deren Lasten dann die Verbraucher selbst und vor allen Dingen die kleineren Unternehmer zu tragen haben. Wir haben daher versucht, unsere Änderungsvorschläge auf ein rechtes Verhältnis von Steuergerechtigkeit, sozialen Verbesserungen und notwendigen Produktionssteigerungen abzustimmen.
Wir bedenken sehr wohl, daß selbst bei voller Bejahung dieser Prinzipien noch recht erhebliche Meinungsverschiedenheiten auftauchen werden, denn wir haben mit unseren Vorschlägen lediglich eine Rangfolge aufgestellt. Viele Wünsche, die wir heute nicht ansprechen, sind auch von uns nur zurückgestellt und nicht aufgegeben. So betrachtet, wird mancher Gegensatz zwischen unseren Anträgen und den übrigen auf der Tagesordnung stehenden Anträgen und den in der Öffentlichkeit erhobenen Forderungen geringer, als es im ersten Augenblick erscheinen mag. Wir hoffen sogar, daß
in den Ausschußberatungen noch weitere Angleichungen erarbeitet werden können. Es wäre nur gut, das, was man übereinstimmend für die nächste Gesetzesänderung zurückstellt, bei der nächsten Gesetzesänderung nicht wieder zu vergessen.
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Die Koalitionsfraktionen jedenfalls haben in ihre Änderungsvorschläge vorrangig die Forderungen aufgenommen, die 1954 nicht mehr zum Zuge gekommen sind. Daraus ergibt sich von selber, daß man unsere Anträge auch noch im Zusammenhang mit der letzten Reform von 1954 sehen muß.
Ich darf nun ganz kurz die einzelnen Anträge begründen. In der weiteren Aussprache werden andere Kolleginnen und Kollegen noch ausführlichere Erläuterungen geben.
Wir schlagen zunächst vor, daß die Werbungskosten nach § 9 a Ziffer 1 von 312 Mark um 240 Mark auf den Betrag von 552 Mark erhöht werden. Diese Form ist vor allem deshalb gewählt, um die Verwaltung zu vereinfachen. Wir wissen, daß mit dieser Form auch Kreise in den Genuß der Pauschale kommen, die ihre Gelder nicht im Sinne dieser Vorschrift verwenden. Aber wir meinen, das _sollte in Kauf genommen werden. Der geschätzte Ausfall beträgt 320 Millionen DM für Bund und Länder zusammen.
Zweitens schlagen wir Ihnen vor, die Zuschlagsfreiheit bei Mehrarbeit, bei Sonntagsarbeit und bei Nachtarbeit von 7200 auf 9000 DM zu erhöhen. Diese Vergünstigung hat nach unserer Meinung nur für die u n v e r m e i d b a r e Sonntagsarbeit eine Berechtigung. Man müßte vielleicht einen Weg suchen, die vermeidbare Sonntagsarbeit, die aus einer übertriebenen Gewinnsucht geleistet wird, von dieser Vergünstigung auszunehmen, d. h. wenn es verwaltungsmäßig möglich ist.
Nach unseren Vorschlägen zu § 10 werden die abzugsfähigen Sonderausgaben für den Steuerpflichtigen und dessen Ehefrau von 800 auf 1200 Mark erhöht. Die Vermögensgrenze wird von 40 000 auf 60 000 DM heraufgesetzt. Die Verdoppelung der Beträge für Personen über 50 Jahre wirkt entsprechend den neuen Sätzen. Die bisherigen Sätze reichen für eine Altersversorgung und die sonstigen Versicherungen nach unserer Meinung nicht aus. Wer einmal einen Vergleich zwischen einem Selbständigen und einem Beamten zieht und die Pläne der Sozialreform miterwägt, wird dem zustimmen müssen. Außerdem, meine Damen und Herren: die alte Glorie des fundierten Einkommens ist doch längst dahin.
Die Freibeträge für die Kinder haben wir hier nicht erhöht, dafür in § 33 a eine Verdoppelung der abzugsfähigen Aufwendungen für auswärts wohnende Kinder, die sich in der Ausbildung befinden, auf 960 DM vorgeschlagen. Wir meinen ohnehin, daß diese Belastungen bei den Beratungen über Ausbildungsbeihilfen, Schulgeldfreiheit usw. viel zu wenig beachtet worden sind. Für diejenigen, deren Kinder auswärts in die Schule gehen müssen, war das Schulgeld stets nur die geringere Ausgabe.
Ebenfalls sind in dem gleichen Paragraphen die Bestimmungen über die steuerliche Abzugsfähigkeit der Löhnung einer Hausgehilfin verbessert. Die Ausfälle aus den §§ 10, 33 a und 34 a werden mit 300 Millionen DM für Bund und Länder hoch angesetzt.
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Die Koalitionsfraktionen haben die vom Bundesfinanzministerium errechnete Summe für die steuerliche Besserstellung der Ehefrauen übernommen; sie sind der Meinung, daß vor allem die steuerliche Anerkennung der mithelfenden Ehefrau am besten durch ein begrenztes Splitting erreicht werden kann. Sie vermuten aber, daß der zur Verfügung stehende Betrag von annähernd 500 Millionen DM nicht ausreicht, um ohne Schlechterstellung bei Steuerklasse I ein Splitting einzuführen. Sollten jedoch neue Möglichkeiten erschlossen werden, wollen wir gern den Weg des begrenzten Splitting mitgehen.
Abgelehnt dagegen wird eine steuerlich unterschiedliche Behandlung der Ehefrauen, die im Unternehmen des Ehemannes arbeiten, die im fremden Betrieb tätig sind oder die als Hausfrau in einem Haushalt mit Kindern tätig sein müssen. Dann ziehen wir eine gleichmäßige Besserstellung aller Ehefrauen vor. Den Familien mit Kindern könnte durch die Heraufsetzung des Freibetrags für das zweite Kind auf 1440 DM eine Entlastung gegeben werden.
Mit diesen Vorschlägen mußten wir - das müssen wir leider sagen - hinter unseren Wünschen zurückbleiben. Sollte die Ausschußberatung ergeben, daß die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, eine weitere Besserung etwa im Sinne eines begrenzten Splitting zu gewähren, dann, meinen wir, sollte dieser Punkt bei kommenden Maßnahmen an die erste Stelle gerückt werden.
Neben diesen gezielten Maßnahmen schlagen wir dann eine durchgehende Tarifsenkung vor, die in den unteren Stufen höher ist und in der Spitze den
Plafond von 55 auf 52%ermäßigt. Diese Tarifsenkung, die vorerst für zwei Jahre gelten soll und an die Stelle eines von uns zunächst geplanten begrenzten § 10 a getreten ist, kann nur mit den übrigen Maßnahmen zusammen beurteilt werden. Sie bedingt beispielsweise, daß bei einem Lohnsteuerpflichtigen mit zwei Kindern die Steuerpflicht künftig etwa bei einem Jahreslohn von etwa 6000 DM beginnen soll. Die Tarifsenkung liegt auf Grund der erweiterten und bereits von mir erwähnten Vergünstigungen in den unteren und mittleren Einkommen weit über dem Durchschnittssatz. Dennoch wissen wir, daß man die Ermäßigung in den hohen Einkommensstufen nicht nur prozentual sehen darf. Absolut gesehen sind die Ermäßigungen recht beträchtlich.
Da ich persönlich - ich sage ausdrücklich: leider - von dieser Ermäßigung nicht betroffen bin, kann ich ohne Befangenheit dazu bemerken: wenn wir in allen Betriebsgrößen ein selbständiges Unternehmertum wollen - das ist der politische Wille der Koalitionsfraktionen -, dann müssen wir dem selbständigen Unternehmer auch in der größeren Wirtschaft den Wettbewerb mit den Kapitalgesellschaften ermöglichen.
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Außerdem sind Betriebsgewinne nicht mit Löhnen und Gehältern zu vergleichen. Der errechnete Gewinn steht nicht bar zur Verfügung. Wer vorankommen und wettbewerbsfähig sein will, der muß für die Rationalisierung seines Betriebs mehr tun als das, was über Abschreibungen möglich ist; er muß seinen Gewinn mit einsetzen. Der Wettbewerb wird die Unternehmen zu wachsenden Investitionen zwingen. Wir möchten nicht, daß dieser Druck
zur Umwandlung von Personalgesellschaften in Kapitalgesellschaften führt.
Wenn das selbständige Unternehmertum mit seiner vollen Vermögenshaftung in der kleineren, in der mittleren oder in der größeren Wirtschaft zurückginge, dann wäre das ein schlimmer Prozeß, der nach unserer politischen Auffassung auf alle Fälle verhindert werden muß.
Unter diesem Gesichtspunkt ist das Koalitionsprogramm in der Öffentlichkeit mit Recht als ein Programm zur Förderung des Mittelstandes kommentiert worden. Wir möchten das Risiko einer selbständigen unternehmerischen Existenz, das heute ungebührlich hoch ist, auf ein gerechtfertigtes Maß abbauen. Wir können das noch nicht im vollen Umfange. Die vorgeschlagenen Maßnahmen aber bringen uns dem Ziel einen Schritt näher. Die Verlängerung der Bewertungsfreiheit - §§ 7 a und 7 e - für Betriebe von Vertriebenen und Verfolgten dient der gleichen Absicht; ebenfalls die Sonderstellung für die KreditGarantiegemeinschaften.
Als die am stärksten für die kleinere und mittlere Wirtschaft wirksame Maßnahme sehen wir unseren Vorschlag zur Einführung einer Staffel in der Umsatzsteuer an. Zusammen mit der Auflockerung der Gewerbesteuer geben wir damit den Mittelständlern eine Chance, ihre vielfältigen Wettbewerbsbenachteiligungen, die nicht zuletzt auf die Steuergesetzgebung zurückgehen, auszugleichen. Unser Vorschlag ist entstanden bei dem Versuch, die völlig unbestrittene Umsatzsteuerbenachteiligung bei über den Großhandel bezogenen Waren auszugleichen. Wir haben zunächst an die Streichung und dann an die Rückvergütung der Großhandelsumsatzsteuer gedacht. Diese Methoden erschienen uns aber als zu schwierig und zu partiell wirksam. Unser Staffelvorschlag lautet: Alle steuerpflichtigen Umsätze bis zu 48 000 DM im Jahr, die nicht der Großhandelsumsatzsteuer unterliegen, ermäßigen sich um 1 %. Diese Vergünstigung soll bei einem Umsatz von 500 000 Mark auslaufen. Diese Grenze ist eingeführt worden, weil die generelle Ermäßigung eine haushaltsmäßige Belastung verursacht haben würde, die noch nicht tragbar erscheint. Außerdem kann man bei einer Grenze von 500 000 Mark annehmen, daß die Mehrbelastung durch die Großhandelsumsatzsteuer nicht mehr voll vorhanden ist. Um den Haushalt des gegenwärtigen Jahres nicht übermäßig zu strapazieren, sind wir mit einem späteren Inkrafttreten, zum 1. Oktober, einverstanden.
Wir wissen, daß wir mit diesem Vorschlag der Theorie der Umsatzsteuer - ich meine die Abwälzbarkeit - widersprechen. Auch die moderne Finanzwissenschaft hält nicht mehr an der Behauptung einer vollen Abwälzbarkeit der indirekten Steuern fest. Jedenfalls kann man die Behauptung nicht widerlegen, daß bei einer unterschiedlichen Besteuerung der Waren, die infolge der ungleichen Produktions- und Handelswege eintritt, in einem intakten Markt die Abwälzbarkeit stark eingeschränkt ist. Die Leidtragenden sind dann immer die kleinen und die mittleren Unternehmer und auch deren Kunden. Ihnen beiden soll mit unserem Staffelvorschlag geholfen werden. Unser Umsatzsteuervorschlag kommt besonders auch - das ergibt sich von selber - den freiberuflich Tätigen zugute.
Außerdem darf ich an dieser Stelle - zum wiederholten Male - darauf hinweisen, daß uns
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die gewerblichen Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft nicht ganz zu Unrecht ihre gesamte Steuerlast, also Einkommersteuer plus Gewerbesteuer plus Umsatzsteuer usw., vorrechnen. Wenn man einmal das verbleibende Einkommen in ein Verhältnis zu allen gezahlten Steuern setzt, dann sieht doch vieles anders aus, als die Theorie es unterstellt.
Abschließend darf ich noch einmal sagen, daß alle unsere Anträge natürlich mit den vorliegenden und den noch folgenden Anregungen abgestimmt werden müssen. Wir sind dazu auch gern bereit. Wir brauchen ja nur an die früheren Beratungen zu erinnern. Wir raten jedoch dazu, die Steuergesetze nicht zu isolieren, sondern sie zusammen zu betrachten mit den übrigen, auch den kleineren haushaltswirksamen Maßnahmen. Viele Dinge erhalten erst aus der Gesamtbetrachtung ihre volle Berechtigung, und andere erhalten in diesem Zusammenhang einen ganz anderen Anstrich. Wir schätzen den Gesamtausfall, den unsere Vorschläge verursachen, für den Bund auf etwa 1 Milliarde DM und wissen, daß wir dadurch mit einem echten Risiko in das Haushaltsjahr gehen. Wenn wir trotzdem jetzt unsere Senkungsvorschläge machen, dann auch deswegen, weil mit den verzettelten Ausgabeanträgen während des laufenden Etatjahrs Schluß gemacht werden muß. Bei solchen Einzelanträgen ist es stets mißlich, sie mit diesem oder jenem Wunsch aufzuwiegen. Jetzt können alle Ausgaben und alle Einnahmenminderungen in einem Zuge behandelt werden. Der gesamte Haushalt also muß betrachtet werden. Das dient der Vereinfachung unserer Arbeit hier im Hause und gibt dem Herrn Bundesfinanzminister größere Sicherheit für einen abgeglichenen Etat und zwingt
jeden innerhalb und außerhalb des Parlaments, von der isolierten Betrachtung der Einzelwünsche und der bequemen Addition von Interessen abzugehen und dem Ausgleich der Interessen, also der Politik, den Vorrang zu geben.
Ich beantrage die Überweisung unserer Anträge an den Ausschuß für Steuern und Finanzen und an den Haushaltsausschuß.
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Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, der den Vorschlag, den ich zunächst gemacht habe, aufheben soll. Ich glaube, es wäre doch am besten, wenn wir zunächst sämtliche Anträge begründen ließen, die sich mit dem Einkommensteuergesetz befassen, also die Anträge unter 4 a, 4 d und 4 e, und dazu gehören auch 4 i - das Notopfergesetz ist auch ein Einkommensteuergesetz - und der neue Antrag der FDP, 4 k. Sind Sie einverstanden?
({0})
Wenn diese Anträge begründet sind, werden wir die anderen Anträge begründen lassen und dann erst zur allgemeinen Aussprache übergehen. Ist das Haus einverstanden?
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Dann rufe ich zunächst den Punkt 4 d auf. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Seuffert.
Seuffert ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Steuerberatungen stehen, wie mir scheint, im Zeichen einer erfreulichen Einigkeit auf allen Seiten des Hauses darüber, daß Steuersenkungen notwendig und veranlaßt sind und daß etwas geschehen muß, - Einigkeit vielleicht mit Ausnahme des Herrn Abgeordneten für Passau, des Herrn Bundesfinanzministers.
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Er stimmt mir zu.
({4})
Einigkeit also mit Ausnahme des Herrn Bundesfinanzministers. Ich glaube, es ist ein einmaliger Fall in der Geschichte der Parlamente, daß in einem Augenblick, in dem sich ein Parlament von rechts bis links einig ist, daß etwas geschehen muß und daß eine unhaltbare Situation besteht, keine Vorlage der Regierung und keine Stellungnahme des zuständigen Herrn Bundesfinanzministers und der in diesem Fall von ihm geführten Bundesregierung vorliegt. Ich weiß nicht, ob der Herr Bundesfinanzminister die Absicht hat, heute das Wort zu ergreifen; ich will ihn beileibe nicht dazu provozieren.
({5})
Die häufigen Bezugnahmen in der Rede des Herrn Kollegen Schmücker auf fiskalische Notwendigkeiten und Steuerausfallüberlegungen haben immerhin schon gezeigt, daß er mindestens im Geiste mitkämpft und daß seine mehr oder weniger negative Mitwirkung bei der Vorbereitung dieser Beratungen ganz offensichtlich ist.
„Im Geiste mitkämpfen", Herr Kollege, erinnert an zu unangenehme Vorgänge!
Seuffert ({0}), Antragsteller: Derartige Erinnerungen wollte ich natürlich nicht heraufbeschwören.
Meine Damen und Herren, über das Ausmaß der möglichen Steuersenkung will ich bei der Kürze der Zeit, die zu sprechen ich mir vorgenommen habe, das Haus nicht unterhalten. Diejenigen, die in der Ausschußarbeit stehen, kennen ihre Zahlen und haben sie oft genannt, und die anderen würden sich zum Teil nicht dafür interessieren, zum Teil würden sie vielleicht die Zahlen verwechseln.
Fest steht auf jeden Fall, daß im Jahre 1955 rund 1300 Millionen mehr Steuern allein für den Bund aufgekommen sind, als zur Deckung der im Jahre 1955 veranschlagten Haushaltsausgaben notwendig gewesen wäre.
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Fest steht, daß alle Steuerschätzungen für 1956 auf dieser Grundlage neu überprüft werden müssen und daß sich auf Grund dieser Überprüfung ein ganz anderes Haushaltsbild ergeben wird, als es uns zur Zeit vorliegt.
Fest steht weiter, daß bereits 1955 Ausgaben in Milliardenbeträgen bewilligt worden sind, die nicht ausgegeben werden konnten und heute noch nicht ausgegeben werden können, und daß auch von den Forderungen für 1956 ähnliches zu sagen sein wird, so daß auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß einige dieser nicht zu leistenden Ausgaben in notwendigere und dringlichere Ausgaben umgewandelt werden können, das Haushaltsbild sich erheblich ändern muß.
({2})
Fest steht ferner, daß auf Grund aller dieser Vorgänge der sogenannte Juliusturm mit allen seinen volkswirtschaftlichen Folgen entstanden ist. Feststehen dürfte auch, Herr Kollege Schmücker, daß zur Beseitigung dieses Juliusturms, der ein volkswirtschaftliches Problem und eine volkswirtschaftliche Gefahr darstellt, eine Steuersenkung von nur einer Milliarde nicht genügen wird. Fest steht erfreulicherweise, daß wenigstens das Parlament sich mit dieser Situation beschäftigen und auseinandersetzen will.
Nachdem man so oft Reformwünsche, insbesondere zur Einkommensteuer, aber auch zu anderen Steuern, zu unserem ganzen Steuersystem, obwohl man sie sachlich anerkennen mußte, mit der Begründung beiseite geschoben hat, daß Rücksichtnahme auf die Kassen- und Haushaltslage nicht erlaube, sie zu erörtern, sollte man meinen, daß man in einer derartigen Situation des Haushalts und der Kasse nun endlich einmal an wirkliche Reformgedanken herangeht. Ihre Anträge, Herr Kollege Schmücker, und die der Koalitionsparteien zur Einkommensteuer haben als Kernpunkt praktisch wieder eine lineare Steuersenkung - eine etwas abgewandelte lineare, aber eben doch eine lineare Steuersenkung zu 10 %. Ich brauche das, was wir über lineare Steuersenkung in diesem Hause oft schon haben vortragen lassen, nicht noch einmal ausdrücklich zu wiederholen. Lineare Steuersenkung bedeutet eben wieder - sehen Sie sich die Zahlen an! - für ein Jahreseinkommen von 5000 DM eine Steuererleichterung von 64 DM jährlich oder rund 5 DM monatlich und für das zehnfache Jahreseinkommen dann nicht etwa das Zehnfache, etwa 640 DM, sondern 1625 DM oder 135 DM monatlich. Von den sehr geringen, fast lächerlichen Steuerermäßigungen, die eine derartige Steuersenkung für das kleine Durchschnittseinkommen bringt, will ich gar nicht reden. Diese Dinge sind keine Verbesserung des Tarifs, das sind Steuersenkungen ohne jeden reformatorischen Ehrgeiz. Und was man etwa konjunkturpolitisch -wir haben ja in der letzten Zeit so viel von Konjunkturpolitik geredet - mit solchen Jahres- oder Monatsbeträgen den Leuten antun will, frage ich mich doch sehr. Eher kann das eine Auswirkung haben, wenn bei einem Einkommen von einer halben Million eine Steuersenkung von ungefähr 20-, 30 000 DM gewährt wird. Ob das nun wieder erwünscht ist, ist eine Frage.
Lineare Steuersenkung - auch das haben wir oft gesagt - bedeutet ferner, daß von den insgesamt 880 Millionen DM, die diese Einkommensteuersenkung insgesamt Bund und Ländern kosten würde, rund 40 % - rechnen Sie es nach der Steuerstatistik des Bundesfinanzministeriums aus - für 24 % der Steuerpflichtigen ausgegeben werden, d. h. eben für die, die ein Jahreseinkommen über 15- bis 16 000 DM im Jahr haben, und die anderen sind natürlich dann relativ schlechter bedacht.
Unsere Vorstellungen gehen in der Richtung einer wirklichen Tarifreform. Die Fehler unseres Tarifs haben wir oft dargelegt. Einer der Hauptfehler sind die viel zu niedrigen Freibeträge, die unter dem europäischen Standard liegen und die immer wieder zu dem - ich muß das offen sagen - Unsinn und Skandal führen, daß sich ein Finanzamt angesichts der Verbrauchsteuerbelastung außerdem noch mit Einkommen von 1000 DM im Jahre beschäftigt. Das sind Grenzen eines Existenzminimums, die jeder Privatgläubiger achten muß und die auch der Steuergläubiger Staat in Ruhe lassen sollte, ganz abgesehen von der ganz unnötigen Mühe der Finanzverwaltung, die hierauf verwandt wird.
Der zweite Hauptfehler unseres Tarifs ist die viel zu scharfe Progression im Bereiche der kleinen und mittleren Durchschnittseinkommen. Wir haben auch hier immer wieder darauf hingewiesen, daß das, wovon das Bundesfinanzministerium bei seinen Tarifdiskussionen so ungern spricht, nämlich die Spitzenbelastung der jeweiligen Einkommensstufen, d. h. der Steuersatz, der auf dem etwaigen Mehrverdienst innerhalb einer Stufe liegt, das Entscheidende ist für die Wirkung des Tarifs auf den Steuerpflichtigen und für seine wirtschaftlichen Überlegungen. Es ist immer noch so, daß die Steuerpflichtigen, wenn sie durch Mehranstrengungen, durch Fortkommen im Beruf, durch schärfere Kalkulation von einem Einkommen von 3000 DM auf eines von 4000 DM im Jahr kommen, von diesen 1000 DM, die sie mehr verdient haben, 175 DM, wenn sie ledig sind, und 127 DM als Verheiratete mit einem Kind an das Finanzamt abgeben müssen, also 17,5 bzw. 12,7 % Bei einer Steigerung des Einkommens von 4000 auf 5000 DM müssen sie als Ledige 195 DM und als Verheiratete 159 DM von den 1000 DM Mehrverdienst abgeben, und wenn sie sich von 12 000 auf 13 000 DM verbessern, haben sie 27% dessen, was sie mehr verdient haben an das Finanzamt abzugeben. Das ist
die viel zu schroffe Progression in diesen wirklich mittelständlerischen Bereichen des Durchschnittseinkommens. Das ist einer der Hauptfehler unseres Tarifs, auf den wir Sie oft und oft aufmerksam gemacht haben. Dabei habe ich Ihnen die schlimmsten Beispiele noch gar nicht genannt, nämlich die Fälle, in denen man diese Staffeln, die wie Fußangeln alle 50 DM - Jahresbetrag - in unserem Tarif aufgestellt sind, überspringt, wo der Steuerpflichtige bis zu 50 % und mehr von seinem Mehrverdienst an das Finanzamt abgeben muß.
Meine Damen und Herren, wir sagen es Ihnen wieder: Dafür gibt es Mittel, und da braucht man keine phantastischen Ausfallziffern zu nennen, die es etwa kosten würde, die Dinge in Ordnung zu bringen. Auch eine Tarifreform von unten, auch eine Tarifverbesserung von unten kann in ihrer Auswirkung begrenzt werden. Tarife können die Auswirkung der Erhöhung von Freibeträgen z. B. begrenzen.
Unser Antrag Drucksache 1695 liegt Ihnen seit mehr als einem halben Jahre vor. Mein Freund Kurlbaum hatte Ihnen vorgerechnet, daß wirklich geholfen werden kann ohne allzu große Auswirkung auf den Gesamttarif und auf den Gesamtausfall, daß wirklich den Kleinen und auch den Finanzämtern geholfen werden kann und daß 21/2 Millionen Steuerpflichtige aus einem unlohnenden, aus einem für beide Teile ärgerlichen Kontakt mit dem Finanzamt mit relativ einfachen Mitteln herausgebracht werden können. Ich mache allerdings darauf aufmerksam: das ist ein Tarifverbesserungsvorschlag, nach dem der bestehende Tarif an bestimmten Punkten verbessert werden soll. Er kann nicht in Vergleich gesetzt werden mit einem neu aufzustellenden Tarif; denn das System dieser Verbesserung müßte auf den neuen Tarif ebenso angewandt werden wie auf den bisherigen.
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Wir haben außerdem - es gibt andere Wege - der Öffentlichkeit bereits im Jahre 1952 in unseren Parteiprogrammen empfohlen, die Tarifprogression im Bereiche des Durchschnittseinkommens überhaupt auszuschalten, soweit sie im Tarifsatz begründet ist, weil in diesen Bereichen die durch die Anwendung des Freibetrages entstehende Progression so ausreichend ist, daß eine weitere tarifmäßige Progression übersteigert wäre.
Sie können auch einen Mittelweg gehen, indem Sie wenigstens einige weiter auseinandergezogene Tarifstufen einführen. Wenn Sie zu diesem System, das wir Ihnen vor Jahren vorgelegt haben, übergingen, könnten Sie all die Dinge, die man mit teilweisem Splitting, mit der problematischen Ehegattenbesteuerung und sonstigem zu kurieren versucht, einfach und klar ausschalten.
Wir wissen eigentlich nicht, meine Damen und Herren, warum Sie auf diese Gedanken so gar nicht eingehen wollen. Vielleicht sind die Systeme und Tarifverbesserungen, die wir Ihnen vorschlagen, etwas zu klar und zu durchsichtig. Vielleicht würden sie zu sehr offenbar machen, wie wenig unsere derzeitigen Tarife auf dem eigentlich selbstverständlichen Grundsatz aufgebaut sind, daß jedes Einkommen nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert werden sollte, und wie sehr unsere Tarife auf machtpolitischen und wahlpolitischen Grundlagen beruhen.
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Wir werden nicht darauf verzichten, auch im Laufe dieser Steuerberatung diese Gesichtspunkte einer wirklichen Reform zu prüfen, geltend zu machen und unsere Anträge je nach dem Ergebnis der Beratungen dazu zu präzisieren. Diese Gesichtspunkte der Reform liegen auch unseren heute bereits vorgelegten Anträgen zugrunde.
In einem engen Zusammenhang mit unseren Überlegungen zur Tarifverbesserung bei der Einkommensteuer steht unser Antrag auf Streichung des Notopfers Berlin. Das Notopfer Berlin ist praktisch eine auf dem Einkommen stehende Zusatzsteuer, die einen schlechteren, sozial weitaus schlechteren Tarif als die Einkommensteuer selbst hat. Die Streichung dieses Notopfers schien uns deswegen ein wesentlicher Punkt in der Gesamtreform der Tarife für die Einkommensbesteuerung zu sein. Im übrigen wird Ihnen mein Freund Gülich nachher noch etwas zu diesem Punkt zu sagen haben.
Eine weitere sehr dringende Verbesserung in unserem Einkommensteuersystem schien uns, die Schlechterstellung der Arbeitnehmer endlich zu beseitigen. Ich brauche nichts von dem zu wiederholen, was wir über die Schlechterstellung hinsichtlich der Erhebungsweise, über die Schlechterstellung hinsichtlich des Zeitpunkts, an dem die Steuer bezahlt wird, schon oft vorgetragen haben. Die Manipulationsmöglichkeiten, die bei der Veranlagung bestehen, sind hier nicht gegeben. Die Steuer wird prompt und zwangsweise gezahlt. Aber fragen Sie einmal die Veranlagten, wieviel sie heute von ihrer Steuer für 1954, geschweige denn für 1955 schon gezahlt haben!
Ich glaube, wir haben über die Verschiedenheiten des Steuererhebungsverfahrens hinaus auch schon öfter die weiteren Gesichtspunkte vorgetragen, die endlich einmal dafür sprechen sollten, dem Arbeitnehmer hier zu geben, was ihm gebührt. Herr Kollege Schmücker, Sie haben so warme Worte für das gefunden, was der selbständige Unternehmer I von der Steuer gewährleistet erhalten müßte. Sie haben von seinem ungebührlich großen Risiko gesprochen, das berücksichtigt werden müßte. Wenn der Unternehmer für die Erhaltung seines Kapitals reichliche Abschreibungen von der Steuer abziehen kann und wenn Sie sogar nun noch Weiteres über die Abschreibungen hinaus zu ähnlichen Zwecken für ihn verlangen, - wer gibt dem Arbeiter die Möglichkeit, entsprechend für die Erhaltung seines Kapitals, d. h. seiner Gesundheit und seiner Arbeitskraft, zu sorgen? Wer gibt dem Arbeiter den Verlustausgleich, den jeder selbständig Tätige geltend machen kann? Wo ist die Möglichkeit für den Arbeiter, der wegen Arbeitslosigkeit, wegen Krankheit oder aus anderen Gründen hat Schulden machen müssen oder von seinen Ersparnissen leben mußte, diese Verluste wieder auszugleichen? Sie ist nicht gegeben.
Darf ich noch an einen Gesichtspunkt erinnern, der gerade in der letzten Zeit im Mittelpunkt vieler Diskussionen gestanden hat. Unsere Berufsausbildung, unsere Berufsfortbildung auf allen Gebieten bedarf dringend der Förderung. Ich habe noch nie gehört, daß einem Unternehmer, auch einem selbständig Tätigen, einem Arzt oder einem Anwalt, der eine Fachtagung besucht oder eine Studienreise durchführt, der Abzug der dadurch entstandenen Unkosten vom Finanzamt verweigert worden wäre. Aber Sie kennen die sehr harte Rechtsprechung, die dem Beamten, dem Arbeitnehmer jeder Art jede Ausgabe für Berufsfortbildung von seinem steuerpflichtigen Einkommen abzuziehen verwehrt. Das ist ein unmöglicher Standpunkt. Auch das ist eine Sache, die nun endlich einmal ausgeglichen werden muß. Jetzt haben wir die Möglichkeit dazu durch einen - nach unserem Antrag durchaus mäßigen - Freibetrag für das Arbeitseinkommen!
Nichts zu tun hat das - das darf ich gleich erwähnen - mit dem Pauschbetrag für Werbungskosten, den Arbeitnehmer in Anspruch nehmen können. Ich glaube, darüber sind wir uns auf allen Seiten des Hauses einig und darüber ist man sich auch in der Diskussion sonst einig. Der Pauschbetrag für Werbungskosten ist keine eigentliche Vergünstigung für die Arbeitnehmer, sondern eine Verwaltungsvereinfachung. Alle, die mehr als 26 DM monatlich an wirklichen Werbungskosten haben -- und das sind nach Feststellunug des Wirtschaftsinstituts der Gewerkschaften mindestens 25 % aller Arbeitnehmer -, haben von der Erhöhung des Pauschbetrages überhaupt nichts. Im Gegenteil, ich möchte Sie einmal fragen: welcher irgendwie selbständig Tätige wird weniger als 26 DM im Monat an Werbungskosten für irgendeine Tätigkeit geltend machen? Ich hoffe sehr, meine Damen und Herren, daß man sich auch auf Ihrer Seite insbesondere diesem unserem Antrag nicht verschließen wird.
Ein Wort zur Frage der Ehegattenbesteuerung. Es ist erfreulich, aus den vorliegenden Anträgen entnehmen zu können, daß die Absicht des Herrn Bundesfinanzministers einstimmig abgelehnt wird, die vom Bundestag nun endlich erzwungene Getrenntbesteuerung bei arbeitenden Ehegatten wieder rückgängig zu machen. Es wird wohl auch dabei bleiben. Auch wir halten selbstverständlich an diesem Prinzip fest und wünschen durch unsere Anträge das Prinzip der getrennten Veranlagung, wie es bisher auf die Ehefrau Anwendung findet, die in einem eigenen oder dem Ehemann fremden
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Betrieb arbeitet, auch auf die Ehefrau anzuwenden, die im Betrieb des Mannes mithilft. Mein Freund Regling, der diese Vorschläge ausgearbeitet hat, wird Ihnen hierzu noch einiges sagen.
Wir sind uns bewußt, daß auch nach dieser Regelung die Bewertung der eigentlichen Hausfrauenarbeit, die schließlich auch einen Beitrag - und nicht den schlechtesten und nicht den geringsten - zum Familieneinkommen und zum Familienwohlstand bedeutet, noch nicht gelöst ist und durchaus in der Schwebe bleibt. Wir behalten uns, je nach dem Ergebnis der Beratungen, ausdrücklich vor, im geeigneten Zeitpunkt und wahrscheinlich noch während dieser Steuerdebatte Ihnen hierzu noch Anträge vorzulegen.
Wir legen Ihnen den Antrag vor, die Altersfreibeträge sowohl für Ledige wie für Verheiratete etwas herunterzusetzen. Insbesondere ist doch die Altersgrenze von 70 Jahren für den Altersfreibetrag für Verheiratete wahrlich viel zu hoch gegriffen.
Zu der Frage der Verbrauchsteuern wird Frau Kollegin Lockmann nachher sprechen. Gestatten Sie mir nur, daß ich des Zusammenhangs - der Reform des gesamten Steuersystems - wegen zu den Gedanken, die unseren Anträgen zugrunde liegen, etwas sage. Wir beantragen, die Kaffee-, Tee- und Leuchtmittelsteuer zu streichen. Diese Steuern sind wirklich ein Anachronismus. Sie wissen doch, daß wir die Kaffeesteuer und die Teesteuer seinerzeit eingeführt haben, als die finanzielle Lage des Vereinigten Wirtschaftsgebiets kaum übersehbar war und die Ausgaben drängten. Ich glaube, wenn wir gewußt hätten, daß ein Finanzminister des, Jahres 1956 bei dieser Kassen-und Haushaltslage sich an diesen Steuern so festklammern würde, hätten wir sie damals gar nicht eingeführt. Es sind außerdem eminent uneuropäische Steuern. Ich erinnere Sie nur an das Theater - ich kann es wirklich nicht anders nennen -, das der Herr Bundesfinanzminister wegen der paar Paketchen Kaffee und Tee, die über die Grenze gebracht werden sollten, macht.
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Das Problem der Verbrauchsteuern haben wir vor diesem Hause oft aufgeworfen. Wir wissen, daß wir den großen Verbrauchsteuerlasten nicht beikommen können, wenn wir nicht die Umsatzsteuer angreifen, die heute den Hauptteil dieser Last ausmacht. Ich glaube, es wird immer deutlicher, daß die Erhöhung der Umsatzsteuer auf den Satz von 4 °A, die ja in Zusammenhang stand mit anderen, von uns damals stark angefochtenen Steuersenkungen nach der Wahl von 1949, eine der schwersten finanzpolitischen Sünden war, die in der Bundesrepublik begangen worden sind. Die unheilvollen Folgen dieses Schrittes zeigen sich mehr und mehr. Dazu kommt, daß die Steuer uns unter den Händen wächst in einem Ausmaß von ungefähr 200 Millionen DM im Vierteljahr. Wir werden etwas tun müssen, wir werden auch die Steuer selbst reformieren müssen. Aber ich glaube nicht, daß man an eine wirkliche Reform der Steuern herangehen kann, wenn man sich nicht dazu entschließt, auch das Volumen dieser Steuer anzugreifen. Die Palliativanträge, die Sie da gestellt haben, Herr Kollege Schmücker, mit den 480 DM jährlich pro Betrieb, werden das Problem bestimmt nicht lösen.
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Es ist keine reformatorische Bestrebung, wenn man Umsatzsteuererleichterungen unter der Bedingung vorsieht, daß sie dem Verbraucher nicht zugute kommen. Denn nach der Begründung, die Sie gebracht haben, betrachten Sie das ja als eine zweite Einkommensteuer auf den Gewerbetreibenden; also das, was Sie ihm geben wollen, soll über die Preise von Verbraucher hereingeholt werden.
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Wir haben Ihnen unsere grundsätzlichen Anträge zu diesem Punkt schon vorgelegt. Wir haben Sie gebeten, das System der Umsatzsteuer im ganzen zu überdenken, und darauf nehme ich Bezug. Wenn Sie bezüglich des Steuerausfalls Bedenken haben sollten, so geben wir Ihnen durch einen nochmaligen Antrag Veranlassung, Ihre Entscheidung wegen der Steuerabzugsfähigkeit der Parteibeiträge noch einmal zu überdenken. Diese höchst undemokratische - ({9})
- Ich glaube, Herr Kollege Schmücker, das ist kein Gegenstand zum Lachen.
({10})
- Ich nehme es gern zur Kenntnis, Herr Kollege Schmücker, denn ich glaube, daß das eine außerordentlich ernste Angelegenheit ist, die in ihren Gefahren und Auswirkungen für die Demokratie noch einmal sehr überdacht werden sollte. Wir können Ihnen nicht sagen, wieviel dadurch an Steuern erspart wird oder wie groß dadurch im Jahre 1957 etwa der Steuerausfall sein könnte. Sie können es vielleicht eher sagen, wir nicht, denn es pflegen nicht alle Parteien ihre Finanzen so offenzulegen wie die Sozialdemokratische Partei.
({11})
- Die 50 Pfennig Beitrag, Herr Pelster - ({12})
- Aber sie wird der Öffentlichkeit übergeben; ich schicke sie Ihnen morgen zu, wenn Sie sie nicht kennen sollten.
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- Danke sehr, Herr Kollege Dresbach. - Herr Kollege Pelster, weil Sie von den 50 Pfennig Beitrag sprechen: es stellt sich, wenn man es näher betrachtet, heraus, daß die 50 Pfennig Beitrag nicht einmal abgezogen werden können, eben wegen der Sonderausgabenpauschale. Daran müßte aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit, wenn man schon bei der anderen Entscheidung bleiben wollte, auch etwas geändert werden.
Wir haben Ihnen noch einen Antrag vorgelegt, die Steuerbegünstigung für Sparguthaben schon bei einer Lauffrist von 5 Jahren zu gewähren. Das ist ein Antrag, den wir für notwendig hielten, um die Bestimmungen praktikabel zu machen. Es ist von anderer Seite der, wie ich glaube, falsche Antrag gestellt worden, die Laufzeit dieser Steuerbegünstigungen über das Jahr 1958 hinaus zu erstrecken. Das würde alle Probleme des sogenannten Revolvierens, der mehrmaligen Steuerbegünstigung für dieselbe Anlage, aufwerfen. Das wäre nicht durchführbar.
({14})
Wir haben in den letzten Monaten sehr viel über Konjunktur geredet, und ich glaube, es ist nicht viel davon übriggeblieben. Ich möchte von der Zeit, die ich mir vorgenommen habe zu sprechen, nicht viel auf allgemeine Betrachtungen verwenden. Ich möchte aber sagen: die Fragen der Konjunktur bleiben weiter bestehen, auch wenn die Bundesregierung davon keine Kenntnis nimmt. Ob Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, mit der von Ihnen vorgeschlagenen Steuersenkung wirklich eine Konjunkturpflege betreiben können, möchte ich sehr bezweifeln. Schließlich heißt Konjunkturpflege - wie jede richtige Wirtschaftspolitik - nichts anderes als die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Investitionen und Konsum und des richtigen Verhältnisses zwischen der breiten Grundlage der wirtschaftlichen Pyramide, der Massenkaufkraft, und der Spitze der Pyramide.
Entscheidend scheint mir das Klima zu sein, das innerhalb der Wirtschaft herrscht, und entscheidend scheint mir zu sein, daß die Spannungen ausgeglichen werden. In einem derartigen Moment kann man nicht alle Steuererleichterungen, die, wie man so sagt, in den Konsum gehen könnten, über einen Kamm scheren. Die Stärkung der Massenkaufkraft ist gerade in diesem Augenblick notwendig, weil die Investitionen auf einigen Gebieten teilweise vorauszueilen drohen und Schwierigkeiten machen. Wenn man von dieser Seite her an die wirtschaftlichen Dinge herangeht, wenn man nicht immer wieder den Abstand zwischen oben und unten vergrößert, dann kommt man vielleicht auch einmal auf den Gedanken, daß Spannungen in den Kosten nicht immer nur durch Preiserhöhungen ausgeglichen werden müssen, sondern daß sie auch einmal durch Umsatzausweitung aufgefangen werden könnten.
({15})
Ich will bei meinem Vorsatz bleiben und die Dinge hier nicht zu sehr vertiefen, zumal ich überzeugt bin, daß, selbst wenn der Herr Bundesfinanzminister eine volkswirtschaftliche Theorie oder eine Vorstellung über die volkswirtschaftlichen Folgen seines Verhaltens haben sollte, sie für ihn nicht maßgebend sein dürfte. Wir kennen ihn viel zu genau und wissen, daß er viel versierter, viel kenntnisreicher und viel interessierter als Politiker denn als Volkswirtschaftler ist. Alles, was der Herr Bundesfinanzminister tut, tut er nicht deswegen, weil er eine mehr oder weniger falsche volkswirtschaftliche Theorie hat, sondern - darüber sind wir uns allerdings klar - das beruht auf einer politischen Entscheidung, die in anderem Zusammenhang in diesem Hause immer wieder streitig geworden ist, nämlich der politischen Entscheidung für die ungestörte Fortsetzung der Rüstungspolitik der Bundesregierung,
({16})
ungestört von wirtschaftlichen Erwägungen, ungestört von den sozialen Forderungen, von der Notwendigkeit einer sozialen Aufrüstung, ungestört von dem Verlangen des Volkes nach Wiedervereinigung, die durch diese Politik gefährdet wird,
({17})
und ungestört von dem Widerwillen und dem Mißtrauen des Volkes, das ihm in jeder Wahl immer wieder entgegenschlägt.
({18})
Nun, meine Damen und Herren, noch einmal zu Ihren Anträgen! Was denken Sie sich eigentlich bei der Beschränkung der Steuersenkung auf zwei Jahre? Dabei spricht man davon, daß die alten Steuersätze dann automatisch wieder eingeführt werden sollen. Wollen Sie es denn wirklich so deutlich machen, daß hier parteipolitische und wahlpolitische Erwägungen maßgebend gewesen sind
({19})
nach dem Motto: Der Mohr hat gewählt, der Mohr kann jetzt wieder Steuern zahlen? Wollen Sie sich denn wirklich selbst Sand in die Augen streuen, und glauben Sie, daß Sie - oder wer immer das sein möge - im Jahre 1958 um die wirkliche Entscheidung herumkommen?
({20})
- Ja, ab und zu kann man ja auch Steuersenkungen nach der Wahl vornehmen; es gibt Steuersenkungen nach der Wahl, die manchmal in gewissen Zusammenhängen versprochen worden sind.
({21})
- Man kann ja nicht immer bloß vor der Wahl etwas versprechen.
({22})
-- Ich spreche jetzt nur davon, Herr Kollege, daß Sie sich vorstellen, Sie könnten im Jahre 1958 automatisch wieder Steuersätze einführen, die heute in den Tarifen stehen, Sie könnten heute schon sagen, was im Jahre 1958 an Steuersätzen richtig wäre.
({23})
Entweder sind diese Steuersätze richtig - dann muß und kann man das begründen -, oder sie sind falsch, dann müssen sie geändert werden; aber eine solche Klausel hat doch wirklich keinen Sinn.
({24})
- Eben deswegen kann von automatischen Tarifen für das Jahr 1958 gar keine Rede sein, glaube ich ernsthaft, Herr Kollege Dresbach.
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Die Anträge, die aus diesem Hause gestellt worden sind, haben vieles gemeinsam, vieles gemeinsam gegen den Herrn Bundesfinanzminister und gegen die so „enthaltsame" Bundesregierung. Einige Anträge stimmen überein. Einige Anträge finden unsere Zustimmung, obwohl wir es nicht ausdrücklich für notwendig gehalten haben, sie zu wiederholen. Wir hoffen, daß noch mehr Übereinstimmung erzielt werden kann. Wir sind uns bewußt, daß trotzdem auf beiden Seiten auch politische Gegensätze bestehen, die in mehreren Punkten sehr harte Auseinandersetzungen notwendig machen werden. Wir Sozialdemokraten werden diese Auseinandersetzungen zu führen wissen.
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Zur Begründung des Gesetzentwurfs unter 4 e hat das Wort der Abgeordnete Regling.
Regling ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Anliegen der anderen vorliegenden Anträge, die alle mehr oder weniger auf das zu hohe Steueraufkommen zielen, hat das, was wir mit dem Antrag Drucksache 2295 unter den Ziffern 5 und 6 des Art. 1 begehren, nicht unbedingt etwas zu tun, sondern es handelt sich hier um ein sehr altes Anliegen. Ich darf daran erinnern, daß wir uns im Jahre 1954 bei den Beratungen über das „Gesetz zur Neuordnung von Steuern" sehr eingehend und sehr häufig in den Ausschüssen und anschließend am 18. und 19. November im Plenum über die getrennte Veranlagung von Ehegatten unterhalten haben. Dabei ist insbesondere das Problem der steuerlichen Gleichstellung der mithelfenden Ehefrau offengeblieben. Ich darf daran erinnern, daß in der dritten Lesung vom Bundestag ein Entschließungsantrag einstimmig angenommen wurde, mit dem dieses Problem dem Ausschuß nochmals überwiesen wurde. Dieser verlangte einige Monate später - und sein Antrag wurde im Februar 1955 vom Bundestag einstimmig angenommen - von der Regierung ganz eindeutig, bis spätestens 30. September Vorschläge für Maßnahmen zur gleichmäßigen und gerechten Besteuerung der Ehegatten dem Bundestag zu unterbreiten. Zwar nicht am 30. September, aber am 18. November wurde uns die Denkschrift des Bundesfinanzministers vorgelegt, die sehr ausführlich war und in die Tiefe ging. Schließlich ist man mit der Lösung hervorgetreten, das als Grundsatz anzuerkennen, was der Bundestag in seinen langen Debatten ablehnte und immer wieder und allseitig zum Ausdruck brachte, die getrennte steuerliche Veranlagung allgemein einzuführen. Nur weil man bei der Beratung des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern im November keine Regelung bezüglich der mithelfenden Ehefrau fand, wurde vorgeschlagen, dieses Kapitel auszuklammern und sich eben auf Grund dieses Entschließungsantrags später damit zu befassen. Leider haben wir bisher, seit dem 18. November, keine Gelegenheit gehabt, uns mit dieser Denkschrift zu befassen. Es wäre an sich zweckmäßig gewesen, glaube ich. Schade um die viele Arbeit, wenn sie uns n u r zur Kenntnis gebracht sein sollte. Wir haben deshalb zu diesem Punkt beantragt, die §§ 26 und 32 so zu ändern, daß wir damit die steuerliche Gleichstellung für die mithelfende Ehefrau erreichen können.
Mit dem Vorschlag auf Seite 60 der Denkschrift des Bundesfinanzministeriums sind einige sehr bemerkenswerte Grundsätze aufgestellt worden, die, glaube ich, die Zustimmung des ganzen Hauses finden. Ich möchte sie hier ganz kurz andeuten. Es heißt da: Die Ehegattenbesteuerung muß folgende Voraussetzungen erfüllen, a) den Forderungen nach Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung objektiv entsprechen, b) von den Steuerpflichtigen subjektiv als gerecht empfunden werden, c) von der Verwaltung ohne Schwierigkeiten gehandhabt werden können und d) für die öffentlichen Haushalte tragbar und in ihren Wirkungen der Wirtschaftslage angepaßt sein. Das sind Grundsätze, die voll und ganz unterstrichen werden können.
Nur das, was uns dann der Herr Bundesfinanzminister unterbreitet - wieder für alle Ehefrauen die getrennte Besteuerung einzuführen, wobei er als kleinen Trostpreis, so darf man vielleicht sagen, einen Freibetrag anbietet -, entspricht den hier aufgeführten Grundsätzen sehr, sehr wenig, ich möchte fast sagen: gar nicht. Es wird nachfolgend auf die großen Schwierigkeiten auch dabei hingewiesen, es wird auf die weiter bestehenbleibende Ungerechtigkeit hingewiesen. Deshalb sind wir der Meinung, daß man das Anliegen, das hier immer wieder vorgetragen worden ist, auch für die mithelfende Ehefrau eine steuerliche Anerkennung zu finden, nicht mit einem Pauschalbetrag abgelten kann. Das mag wie bisher für einheitliche Verhältnisse, wie z. B. Kinderfreibetrag, für eine Altersgrenze oder auch für die Nur-Hausfrauen gelten. Aber es geht doch nun nicht bei einer Arbeitsleistung, die wie bei der mithelfenden Ehefrau von Fall zu Fall so unterschiedlich ist, daß man nicht einmal in einem Beruf zu einer gewissen Norm kommen kann. Man muß doch berücksichtigen, unterstellend bzw. davon ausgehend, daß man Gerechtigkeit will, wie es in den Grundsätzen des Bundesfinanzministers heißt, die ich eben verlesen habe, daß die Tätigkeit der Ehefrauen in den einzelnen Betrieben, in den einzelnen Berufen, sehr unterschiedlich ist. Um ein Beispiel zu geben: in einem Beruf ist es möglich und üblich, daß die Frau von morgens früh bis abends spät genau so ihre Arbeit leistet wie der Mann selbst; hier liegt also eine hundertprozentige Betätigung vor. In vielen anderen Berufen ist das aus Gründen, die im Beruf liegen, gar nicht möglich. Da ist die Frau nur einige Stunden, halbtags oder wie immer, beschäftigt. Das alles kann man doch nicht in einem einheitlichen Pauschalsatz abgelten wollen.
Auch innerhalb der einzelnen Branchen sind die Unterschiede sehr groß. Während die Frau in dem einen Betrieb - sonst gleichgelagert, gleiche Beschäftigungszahlen und alle anderen Voraussetzungen gleich - hilft, hilft sie in dem anderen kaum oder gar nicht. Das gilt nicht nur beim Handwerk, es gilt auch für den Einzelhandel, es gilt auch für den Arzt. Ich erinnere an das von dem Herrn Bundesfinanzminister so gerne zitierte Verhalten einer Arztfrau, die nur gelegentlich mal die Türe öffnet. Nun, diese so minimale Tätigkeit wird wohl niemand ernsthaft als mithelfen bezeichnen wollen. Aber in der Regel geht die Tätigkeit ja auch darüber hinaus, und zwar von der Tätigkeit der Sprechstundenhilfe bis zu der der Assistentin oder gar bis zur eigenen Praxis. Alles das wird heute steuerlich zusammen veranlagt.
Nach unserem Antrag kann auch diese unterschiedliche Tätigkeit erfaßt werden, indem man die Beweislast beim Steuerpflichtigen läßt; d. h. man wird bei der Einkommensteuererklärung von dem Steuerpflichtigen verlangen müssen, daß er nicht nur angibt, wie bisher schon, ob seine Frau mithelfend tätig ist. Das bringen wir ja jedesmal auf der Steuererklärung zum Ausdruck, aber damit hat sich's für den Steuerzahler. Weiter wird sie sicher für statistische Zwecke ausgewertet.
Nun müßte dazukommen, in welchem Umfange die Ehefrau im Betrieb ihres Ehemannes tätig ist, und zwar im Verhältnis zu einer sonst zu beschäftigenden fremden Person. Das mag sich zunächst etwas komisch anhören, und der Vergleich wird vielleicht nicht jedem sehr angenehm sein. Aber irgendwie muß man sich die Dinge ja überlegen: Wenn die Ehefrau nicht mit tätig wäre, müßte für diese Tätigkeit irgend jemand anders im Betrieb beschäftigt werden. Dann läßt sich sehr bald herausfinden, ob diese Kraft den ganzen Tag tätig sein muß oder ob man notfalls mit einer Halbtagskraft auskommen würde; bei Ehefrauen läßt sich das vielleicht noch weiter differenzieren.
({1})
Dagegen ist nun eingewandt worden, daß die Kontrolle darüber sehr schwierig sei. Meine Damen und Herren, ich glaube, sie ist nicht schwieriger als in jeder anderen Frage, die ja auch in den Steuererklärungen nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet werden muß. Alljährlich oder alle drei bis vier Jahre kommt der Betriebsprüfer in den Betrieb, erkundigt sich und sieht zu, ob alles andere, was sonst angegeben war, seine Richtigkeit hat, oder ob er irgendwelche Fehler entdeckt. Schon bei dieser Tätigkeit wird er, ohne dafür Zeit extra ansetzen zu müssen oder einen anderen Beamten damit zu beschäftigen, feststellen, ob die Frau wirklich in dem Umfange in dem Betrieb tätig ist, wie es auf der Steuererklärung angegeben wurde.
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Ich finde, das ist für einen Betriebsprüfer gar nicht so sehr schwer. Im Gegenteil, ein Betriebsprüfer, der den Betrieb schon länger kennt, wird vielleicht, ohne daß er den Betrieb besucht, schon auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen feststellen können, ob die Angaben über den Tätigkeitsgrad der mithelfenden Ehefrau richtig sind oder nicht.
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- Wo gibt es die nicht auch sonst? ({4})
- Ermessensmißbrauch? Auch bei allen anderen Dingen können Sie das einwenden, Herr Kollege Illerhaus. Ich bin immerhin der Meinung: wenn wir von vornherein die schwarzen Schafe, die es immer und überall gibt, in den Vordergrund stellen und dabei gleich sagen: das taugt nichts, das können wir nicht brauchen, das eignet sich nicht für diese Zwecke!, dann weiß ich nicht recht, wie wir da weiterkommen wollen.
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- Ja eben, ich halte es für praktikabel! Denn es läßt sich doch ohne weiteres feststellen, schon nach dem Umsatz des Betriebes oder nach der Beschäftigtenzahl usw., ob die Ehefrau im angegebenen Umfang in dem Betrieb tätig sein muß oder nicht. Ich finde, das läßt sich irgendwie feststellen.
Der andere Vorteil liegt darin, daß man auch den unterschiedlichen Tätigkeitsgrad feststellen kann, d. h. inwieweit die Ehefrau, die im Betrieb tätig ist, eine fremde Person ersetzt. Das kann von der einfachen Verkäuferin bis zu einer- gelernten Buchhalterin gehen, die absolut alles das macht, was sonst der Buchhalter macht. Oder bei der Arztfrau, um das Beispiel noch einmal zu nehmen: sie öffnet nicht nur gelegentlich einmal die Tür, sondern leistet Assistentendienste oder hat gar eine eigene Praxis. Das alles läßt sich doch mit einigermaßen gutem Willen irgendwie feststellen! Wer natürlich von vornherein an seine Steuererklärung herangeht mit der Absicht, den lieben guten Vater Staat nach Strich und Faden zu hintergehen - - Nun, wir wissen doch alle - denn wir haben uns über die übertriebenen Steuerfahndungen eingehend unterhalten und waren wenn nicht alle, so jedenfalls ein großer Teil des Hauses, der Meinung, daß zuviel gefahndet und zuviel kontrolliert wird -, daß die Angaben genauestens unter die Lupe genommen werden. Ich bin deshalb nicht der Meinung, daß ein ausnehmend großer Teil von vornherein versucht, auf
diesem Wege zu Steuererleichterungen zu kommen.
Jedenfalls bin ich der Meinung, daß man diese Frage, die wir hier nun eingehend und oft genug diskutiert haben, eine Frage der Gerechtigkeit, nicht einfach auf Eis legen und unerledigt lassen kann, nur weil es zu teuer wird oder weil es in der Durchführung zu schwierig erscheint. Auch der Hinweis, daß es immer so war, ist kein triftiger Grund. Denn das besagt ja die Denkschrift von Seite 1 bis etwa Seite 60, und sie weist die verschiedenen Jahreszahlen nach, wann die und die Gesetze erlassen worden sind. Danach ist die steuerliche Zusammenveranlagung bereits vor 100 Jahren eingeführt worden. Schön, aber dann bedenken Sie auch, daß wir damals ganz andere Steuersätze hatten. Es gab eine Zeit, in der niemand an einer solchen Regelung Anstoß nahm, aber damals bewegten sich die Steuersätze in der Spitze bei 10 %; heute beginnen sie dort. Deshalb wird es doch etwas prekär, und deshalb haben wir ein Interesse daran, daß die Ungerechtigkeiten verschwinden, die man früher bei den niedrigen Steuersätzen hinnehmen konnte und die sich bei jeder Steuergesetzgebung nicht immer bis ins letzte ausmerzen lassen, aber mit dem Ansteigen der Steuersätze eben ins Uferlose wachsen.
Die gleichen Erscheinungen haben wir bei der Umsatzsteuer. Wenn wir noch eine Umsatzsteuer von 1 oder 1/2 % zu zahlen hätten, würde wohl niemand eine Änderung der Umsatzsteuer verlangen. Die Änderung wird aber verlangt, weil die Umsatzsteuer jetzt ins Unermeßliche gestiegen ist und weil die Fehlerquellen, die da enthalten sind, dadurch so sehr viel größer in Erscheinung treten.
Wenn man aber diese Feststellung trifft, dann muß man die Konsequenzen daraus ziehen und die Gesetze ändern. Wir können uns nicht darauf berufen, daß es immer so gewesen sei und daß die Zeiten diese höheren Steuersätze verlangt hätten. Die Tatsache als solche bleibt bestehen, daß die Sätze der Umsatz- und Einkommensteuer enorm gestiegen sind. Das sollte uns Veranlassung geben, nun möglichst schnell diese Ungerechtigkeiten aus der Steuergesetzgebung herauszubringen. Lassen Sie uns nicht, wie wir das vor zwei Jahren getan haben, stundenlang hier und in den Ausschüssen darüber reden, eine Vielzahl an Vorschlägen einreichen und zum Schluß dann sagen, wir kommen doch nicht weiter und es gibt keine Lösung, sondern lassen Sie uns endlich mit einem Vorschlag beginnen. Ich glaube, unser Antrag dürfte zumindest die Basis dazu bieten.
Das Wort zur Begründung von Punkt 4 i hat der Abgeordnete Gülich.
Dr. Gülich ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Notopfer Berlin wurde 1948 vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes aus Anlaß der Blockade als Notmaßnahme eingeführt, als eine Sondersteuer für einen Sonderzweck. Es wurde im Gesetz auf drei Monate befristet und ist nun beinahe acht Jahre lang laufend ergänzt und verlängert worden. Die als Übergangsmaßnahme gedachte Übergangslösung droht zu einer Dauereinrichtung unseres Steuersystems zu werden.
Der Name Notopfer Berlin verpflichtet. Er hätte auch den Gesetzgeber verpflichten müssen, diese
({1})
Sondersteuer zu einer Zwecksteuer zu machen. Wir sind uns alle darin einig, daß Zwecksteuern im Steuersystem vermieden werden sollten.
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Wenn aber eine Steuer für einen besonderen Zweck eingeführt und als ein Notopfer deklariert wird, dann muß sie aus ihrem Charakter heraus auch eine Zwecksteuer werden.
Das Notopfer Berlin ist aber ein allgemeines Deckungmittel für den Bundeshaushalt, und das ist keine gute Sache. Denn das führt den Steuerzahler irre und verwirrt ihn; es fördert seine Unlust zum Steuerzahlen und mindert seinen Wunsch zur Steuerehrlichkeit. Nachdem sich der Finanzausschuß neulich bei der Beratung der Änderung des Dritten Überleitungsgesetzes entschlossen hatte, das Notopfer Berlin endlich zu einer Zwecksteuer zu machen, hat es der Herr Bundesfinanzminister wieder erreicht, im Plenum eine Mehrheit dafür zu finden, daß das Notopfer weiterhin ein allgemeines Deckungsmittel sein soll. Wer nun noch nicht begriffen hat, worum es sich denn in Wirklichkeit handelt, dem ist nicht mehr zu helfen. Aber ich glaube, in diesem Hause haben es längst alle begriffen. Sie wollen es nur noch nicht alle zugeben. Die Gründe für das Notopfer Berlin sind längst weggefallen. Aber die Mängel in der Methode des Notopfers Berlin sind nicht nur nicht verschwunden, sondern die Methode ist von Mal zu Mal verfeinert, d. h. verschlechtert worden.
Ich will ein paar kurze Angaben über die Stellung des Notopfers Berlin im Steuersystem machen und auf die großen Mängel im Steuertarif hinweisen. Das Notopfer Berlin ist eine grob gestaffelte
zusätzliche Einkommensteuer, gehört also zu den Steuern vom Einkommen neben der persönlichen Einkommensteuer, die in der Form der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer erhoben wird, der Körperschaftsteuer, der Kirchensteuer und der Gewerbeertragsteuer. Sie ist also eine zusätzliche Einkommensteuer, die aber nach einem besonderen Tarif berechnet wird. Damit wird die wahre Einkommensteuerbelastung verschleiert und das Steuersystem kompliziert. Man sollte aber auf das Einkommen nicht verschiedenartige Steuern nach verschiedenen Methoden erheben.
({3})
- Da blieb es eine Sünde, und diese Sünde existiert ja nicht mehr. Ich plädiere jetzt für die Beseitigung einer weiteren Sünde, um deren weitere Ausübung der Bundesfinanzminister hartnäckig kämpft.
({4})
- Natürlich sind Sünden drin. In unserem ganzen Steuersystem sind Unklarheiten und, wenn Sie wollen, Herr Pelster, Sünden, wie Sie sagten, natürlich. Denn der ganze 1. Deutsche Bundestag hat - die Anträge kamen aus Ihren Reihen, Herr Pelster ({5})
so viele Sondererleichterungen in das Einkommensteuergesetz hineingebaut, daß es inzwischen so unübersichtlich geworden ist und neben den anderen über 50 Steuern zu einem wirklichen Steuerwirrwarr geworden ist, der kaum noch von Fachleuten übersehen werden kann.
({6})
- Das ist richtig, die Ausdrücke wechseln ja. Die „gezielten Maßnahmen", lieber Herr Dresbach, erheitern mich ebenso, wie sie Sie erheitern.
({7})
- Meine Brust, Herr Pelster, ({8})
ist in bezug auf Einkommensteuersonderwünsche wahrhaftig unbelastet
({9})
und jederzeit von Ihnen genauer zu besichtigen.
({10})
- Nein, die Brust ist in Ordnung und die Weste auch.
Ich sagte, neben den Mängeln des Steuersystems sind hier Mängel im Tarif. Denn das Notopfer belastet die kleinen Einkommen stärker als die großen, und die mittleren Einkommen ebenfalls stärker als die großen. Die kleinen Steuerpflichtigen zahlen im Verhältnis zur Einkommensteuer ein um ein Mehrfaches höheres Notopfer als die Bezieher großer Einkommen. Auch die Familien mit kleinem Einkommen und großer Kinderzahl sind vergleichsweise viel stärker -belastet als die Familien mit großem Einkommen und kleiner Kinderzahl.
Der neue Gesetzentwurf, Drucksache 2277, der heute dem Hause vorliegt und auf dessen mündliche Begründung ich gespannt bin, beseitigt zwar einige Mängel, indem er die kleinsten Einkommensteuerpflichtigen von der Abgabe des Notopfers Berlin befreit; aber die Grundmängel des Tarifs sind damit nicht beseitigt.
({11})
- Den guten Willen, dies zu tun, erkenne ich selbstverständlich an, Herr Pelster, und zu diesem Punkt kann man ja sagen, wenn man das Notopfergesetz aufrechterhalten will. Ich halte es aber für methodisch so schlecht, daß wir es nicht aufrechterhalten dürfen, und dazu erbat ich mir ja eben Ihre Aufmerksamkeit; ich werde sie nur kurze Zeit in Anspruch nehmen.
Der - proportionale - Notopfertarif betrug bei seiner Einführung im Jahre 1948 im Normalsatz 1 %, bei Einkommen unter 6000 Mark 0,6%. Mehrere Tarifänderungen anläßlich der Verlängerungen haben nun den Normalsatz auf 3,75 % erhöht, bei einem Steuersatz in der untersten Stufe von 1,15 %, und das Notopfer Berlin hat seit 1948 im Verhältnis zur Einkommensteuer ein immer stärkeres Gewicht bekommen; denn im gleichen Zeitraum wurde der Einkommensteuertarif 1950, 1953 und 1955 gesenkt, während der Notopfertarif in diesen Jahren, wie ich darlegte, erheblich erhöht worden ist.
Wir sind der Meinung, daß man an eine lineare Einkommensteuersenkung nicht herangehen kann, solange das Notopfer Berlin als Sonderbesteuerung auf das Einkommen noch besteht. Ist das Notopfer beseitigt, kann man weiter sehen. Aber die Beseitigung des Notopfers Berlin erachten wir als
({12})
eine vordringliche Maßnahme zur Bereinigung des Steuersystems.
Das Notopfer Berlin ist eine reine Bundessteuer. Den Anlaß zu der ganzen Debatte hier hat ja die Hortungspolitik des Herrn Bundesfinanzministers gegeben. Man soll, weil der Bundesfinanzminister so hohe Milliardenbeträge gehortet hat - mit volkswirtschaftlich höchst anfechtbaren, man kann schon sagen: falschen Begründungen -, jetzt in erster Linie Bundessteuern senken, nicht aber die Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Sie mit Ihrem Antrag linear senken wollen, weil ja zwei Drittel der Senkung die Länder zu tragen haben und nur ein Drittel der Bund. Man soll jetzt innerhalb dieser Diskussion den Ländern möglichst keine Lasten aufbürden, zumindest aber möglichst kleine!
Wenn man - noch ein Wort zum Steuersystem - zur Einkommensteuer noch eine weitere Belastung haben will, dann haben wir durch unsere im übrigen reichlich verunglückte Finanzreform in Art. 106 des Grundgesetzes die Ergänzungsabgabe vorgesehen. Wünscht also der Bund einen Zugriff auf direkte Steuern, so hat er verfassungsmäßig die Möglichkeit, die Ergänzungsabgabe Gesetz werden zu lassen. Aber es ist offensichtlich, daß der Herr Bundesfinanzminister sich die Möglichkeit der Ergänzungsabgabe neben dem Notopfer Berlin, das er auf keinen Fall aufgeben will, offenlassen möchte.
Wenn man sich vorstellt, daß das Notopfer Berlin beseitigt ist, liegt auf der Hand, daß die Erhebungs- und Verwaltungskosten erheblich gemindert werden. Allerdings ist zuzugeben, daß die Kosten in der öffentlichen Verwaltung hier vielleicht nicht so stark gesenkt werden wie die Kosten in der ehrenamtlichen Steuererhebung, die von den Arbeitgebern aller Größenklassen von Betrieben vorgenommen wird. Und was für eine Belastung ist es sowohl für die großen Lohnbüros wie für die kleinen Gewerbetreibenden und Handwerksmeister, neben der Lohnsteuer nun auch immer noch das Notopfer Berlin ausrechnen zu müssen.
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- Die ganze Steuer ist natürlich eine Belastung! Ich habe j a eben die Gewerbetreibenden als ehrenamtliche Steuereinnehmer bezeichnet, möchte sie nun aber, nachdem wir dieses System nicht einfach beseitigen können, wenigstens von der Arbeit und von der Last, die das Notopfer Berlin verursacht, befreien.
Das Notopfer Berlin ist im Haushalt 1956 wie 1955 mit 1275 Millionen DM veranschlagt worden. Es hätte 1956 mit 1400 Millionen DM veranschlagt werden müssen, aber der Bundesfinanzminister hat 1275 Millionen DM eingesetzt, weil er eben diese Senkungsmaßnahme bereits im Auge gehabt hat, die ein Minderaufkommen von 125 Millionen DM bewirkt, so daß also diese 1275 Millionen DM, falls der Gesetzentwurf Drucksache 2277 Gesetz würde, zu Recht bestünden. Fällt das Notopfer weg, wird also das Aufkommen des Bundeshaushalts um 1275 Millionen DM in diesem Jahre gemindert, d. h., da das Gesetz vor dem 1. Juli sicher nicht in Kraft treten kann, für neun Monate = 926,25 Millionen DM.
Die Berliner selbst haben durch den Wegfall des Notopfers keine Nachteile. Die Bundeshilfe ist
durch das Dritte Überleitungsgesetz in der Form des Bundes zuschusses und der Bundesdarlehen gesetzlich gewährleistet. Die Steuerpräferenzen, die Berlin gewährt worden sind, werden durch den Wegfall des Notopfers Berlin nicht betroffen.
Infolgedessen bestehen eigentlich überhaupt keine Gründe, dieses Notopfer aufrechtzuerhalten, denn der Bundeshaushalt kann die Mindereinnahme vertragen. Es muß, wie ich dargelegt habe, aus Gründen der Steuersystematik, aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit, aus Gründen der Vereinfachung von Gesetzgebung und Verwaltung und aus Gründen der politischen Moral aus dem Steuersystem des Bundes verschwinden. Alle Kreise der Wirtschaft und die Presse, die sich ernsthaft mit Steuerfragen befaßt, sind von der Systemwidrigkeit und von der Überflüssigkeit des Notopfers Berlin überzeugt. Wenn alle diese Kreise - und auch weite Kreise in den Reihen der größten Fraktion dieses Hauses - davon überzeugt sind, daß das Notopfer Berlin fallen muß, sollten wir uns zu dem Schritt aufraffen. Der Bundesfinanzminister ist Argumenten leider nicht mehr zugänglich. Es ist schade, daß er nicht merkt, wie sehr durch seine Starrheit sein Ansehen gemindert wird.
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Es ist wirklich schade. Er sollte sich diese Dinge auch überlegen und nicht wieder den Versuch machen, in seiner Fraktion mit falschen Argumenten diesen Antrag zu Fall zu bringen.
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Ich verbessere mich: mit objektiv unrichtigen Argumenten.
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Das Wort zur Begründung des Antrags unter Punkt 4 k hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Dr. Miessner ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darüber, daß ein mehr oder weniger großer Betrag zur Steuersenkung zur Verfügung steht, besteht jedenfalls unter den Fraktionen des Bundestages kein Zweifel mehr. Nur mit dem Bundesfinanzminister besteht darüber Streit. Selbst wenn nun aber der Herr Bundesfinanzminister die Summe, die zur Verfügung steht, für geringer hält als das Parlament, so hätte er doch wenigstens in irgendeiner Weise mit einem Steuersenkungsvorschlag initiativ werden sollen. Wir bedauern ausdrücklich hier an dieser Stelle, daß keinerlei Vorschlag der Bundesregierung vorliegt, obwohl doch - das zeigt die große Zahl der Anträge aus dem Parlament - offensichtlich die Möglichkeit dafür besteht.
Dagegen liegen nun eine Reihe von Vorschlägen aller Fraktionen vor, von denen uns der Vorschlag der sympathischste ist, die Steuern allgemein um 10 % zu senken. Dieser Vorschlag ist uns deshalb naturgemäß am sympathischsten, weil die Fraktion der FDP einen entsprechenden Antrag bereits mit Drucksache 1764 am 11. Oktober 1955, also vor mehr als einem halben Jahr, eingebracht hatte. Dabei gingen wir allerdings davon aus, daß die Steuersenkung linear durchgehend bis oben hin erfolgen sollte, und zwar insbesondere aus der Erwägung, daß wir endlich einmal die Steuersätze von über 50 % in den obersten Sätzen beseitigen
({1})
müssen. Sie liegen heute bei 55 °/o. Man müßte hier mindestens zu einer Senkung auf 50 °/o kommen.
Diese Forderung ergibt sich schon aus allgemein volkswirtschaftlichen Überlegungen. Es ist ja bekannt, daß ein Kaufmann, wenn ihm weniger als 50 °i o seiner Einkünfte verbleiben, angesichts der hohen Steuerlast eher auf den Gedanken kommt, sein Geld volkswirtschaftlich nicht so sehr sinnvoll zu verwenden.
Merkwürdig ist nur, daß dieser Antrag der FDP auf 10%ige Steuersenkung mehr oder weniger in Vergessenheit geraten ist. Offensichtlich war er gar nicht so populär. Das liegt wohl daran, daß es immer sehr viel populärer ist, mit Sondermaßnahmen für diesen oder jenen aufzutreten; denn die Betreffenden, für die diese Maßnahmen dann positiv wirksam werden, nehmen das naturgemäß mit Dank und Freude auf, und die übrigen machen sich keine großen Gedanken darüber, daß sie dabei in Wirklichkeit die Benachteiligten sind. Wer sich besonders auf solche Maßnahmen spezialisiert, der zielt in der Tat „haarscharf auf den Schlitz der Wahlurne", wie unser Fraktionsvorsitzender Dr. Dehler das kürzlich so treffend und plastisch ausgedrückt hat.
({2})
Diese Äußerung hat sicherlich das Gute gehabt, daß zum erstenmal sämtliche Steuerzahler durch diese bildhafte Darstellung auf den Zusammenhang der nun einmal zwischen Sondermaßnahmen und allgemeiner Tarifsenkung besteht, aufmerksam wurden. Das mag aber auch bewirkt haben, daß die größte Fraktion des Hauses, die CDU/CSU, nunmehr nach diesem Wort von Dr. Dehler auch ihrerseits zu der 10%igen Steuersenkung in ihren Vorschlägen übergegangen ist, während sie vorher andere Vorschläge machte.
({3})
- Lesen Sie einmal die Zeitungen nach!
({4})
Damals war in der Öffentlichkeit von Ihrer Seite nichts, was irgendwie in diese Richtung ging, verlautbart worden.
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Es muß jetzt einmal gesagt werden - man muß sich ja irgendwie einmal erklären -, welche Maßmen den Vorrang haben sollen, und so spreche ich hier aus, daß - um es allen Steuerzahlern mit einem aufrüttelnden Wort zu sagen - sicherlich eine höhere Steuersenkung als um 10% möglich wäre, wenn man sich im wesentlichen auf eine lineare Steuersenkung zugunsten aller konzentrierte!
Dabei kann es durchaus so sein - nach unseren Vorstellungen -, daß man in den unteren und mittleren Stufen etwas stärker senkt - vielleicht 15 % -, um die Senkung dann oben mit 10 % auslaufen zu lassen, damit eben die letzten Sätze von 55 auf 50 % herabgesetzt werden. Das wäre so eine Art „gebogene lineare" Steuersenkung.
({6})
- Ja, j a, diesen Heiterkeitserfolg wollte ich natürlich erzielen. Dieses Bild ist paradox, darüber bin
ich mir völlig im klaren. Aber vielleicht bleibt das, was wir wollen, damit desto eher haften.
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Ach, lassen Sie es ruhig dabei. Denn es kommt manchmal gerade dann eine Diskussion besser in Gang, wenn man einen solchen eigenartigen Begriff in die Debatte wirft.
Aber etwas anderes spricht ja auch für die Vorrangigkeit einer linearen Steuersenkung. Das ist der Grundsatz der Steuervereinfachung. Nur durch starke Senkung im Tarif kommen wir über die vielen, zum Teil notwendigen Sondermaßnahmen hinweg. Denn es ist ganz klar: Je höher die Tarife in einem Steuersystem sind, desto eher entsteht eine Situation, die es notwendig macht, diesen oder jenen doch aus allgemeinen volkswirtschaftlichen Gründen von dem allgemein hohen Tarifsatz auszunehmen. So haben wir bei den sehr hohen Steuersätzen, die wir nach 1945 hatten und nur langsam abbauen konnten, in der Tat ein Steuersystem mit so vielen Sonderbestimmungen erhalten - die eben die konsequente Folge der zu hohen Tarife waren -, daß wir heute ein solches Gestrüpp von Steuerbestimmungen haben, von denen man mit Recht sagt, daß auch der Steuerbeamte selbst sich eines Steuerberaters bedienen muß, um in dem Fall, daß er nicht nur Lohnsteuerzahler ist, seine Steuererklärungen abzugeben. Meine Damen und Herren, das ist in der Tat der Fall. Ich selber gehöre j a auch zu dieser Kategorie. Ich möchte meine Steuererklärung nicht ohne Beratung eines Steuerberaters abgeben. Das kann man ruhig mal sagen.
Aber Sie könnten sich doch leicht als Steuerberater niederlassen!
Dr. Miessner ({0}), Antragsteller: Na ja, das könnte man auch tun.
({1})
Meine Damen und Herren, es fällt natürlich auf, daß von keiner Seite ein Ermäßigungsantrag zur Körperschaftsteuer gestellt ist. Aber das liegt sicherlich daran, daß die Aktiengesellschaft oder GmbH, die ja eine juristische Person ist, als solche nicht zur Wahlurne gehen kann. Sollten wir etwa einer Aktiengesellschaft das Stimmrecht zur Bundestagswahl zuerkennen
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- schön wäre es! -, dann würde vielleicht auch noch ein entsprechender Antrag zu erwarten sein.
- Aber Scherz beiseite, meine Damen und Herren. Es muß ja wohl der Vollständigkeit halber bei der Generaldebatte gesagt werden, daß die Körperschaftsteuer im Zusammenhang mit der Einkommensteuer zu betrachten ist. Es ist richtig, daß bei der letzten Steuerreform die Körperschaftsteuer mehr gesenkt wurde als die Einkommensteuer. Insofern besteht prima facie nicht eine unbedingte Notwendigkeit zur Senkung der Körperschaftsteuer. Es käme aber letzten Endes darauf an, wie hoch die Einkommensteuersenkung linear sein wird. Danach werden wir uns dann im Ausschuß überlegen müssen, notfalls die rechte Relation, falls sie verloren gegangen sein sollte, wiederherzustellen. Denn sonst würden wir Umgründungen erleben von der einen in die andere Rechtsform, und schließlich ist es nicht der Sinn dieser Steueranträge, solche Umgründungen hervorzurufen. Ich
({3})
glaube, über diese Nebenbetrachtung zur Körperschaftsteuer werden wir uns wohl im wesentlichen einig sein.
Wir haben aber noch zum Tarif ein sehr wichtiges Anliegen - es ist wohl unser dringendstes Anliegen, das schon immer wieder in der letzten Zeit von uns sehr stark vertreten worden ist -, nämlich die Einführung des Splitting an Stelle der Zusammenveranlagung der Ehegatten. Unsere Kollegin Frau Dr. Ilk hat schon im Jahre 1951, damals wohl als erste in diesem Hohen Hause, diese Dinge in Fluß gebracht.
({4})
- Meine Damen und Herren, wir kommen an diesem Problem doch nicht vorbei; es wird von der Tagesordnung sicherlich nicht mehr abgesetzt werden. - Wir sind uns darüber im klaren, daß wir das Ziel eines vollständigen Splitting nicht mit einem Schritt erreichen können. Daher haben wir in dem vorliegenden Antrag das Splitting zunächst einmal bis zur Höhe eines gemeinsamen Einkommens von 20 000 DM begrenzt. Es ist also eine Art „begrenztes Splitting", das die FDP hier beantragt. Wir glauben, daß der Ausfall, der hierdurch bei dem Steueraufkommen eintritt, getragen werden sollte. Wir haben beantragt:
Ehegatten können . . . eine Veranlagung in der Weise beantragen, daß ihr Einkommen zusammengerechnet wird und jeder von ihnen die Hälfte nach den für unverheiratete Personen bestehenden Bestimmungen versteuert. Das gilt auch dann, wenn ein Ehegatte kein eigenes Einkommen hat.
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- Auf 20 000 DM! Habe ich das nicht verlesen? Dann darf ich erst bis zum Schluß lesen:
Übersteigt das gemeinsame Einkommen 20 000 Deutsche Mark, so werden dem einen Ehegatten 10 000 Deutsche Mark und der übersteigende Betrag dem anderen Ehegatten zugerechnet.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch dieses Problem ernstlich erwägen, insbesondere nachher bei den Beratungen im Ausschuß! Mit diesem Antrag haben wir die Problematik vermieden, die sich dann ergibt, wenn etwa nur im Falle der selbstverdienenden Ehefrau getrennte Veranlagung zugestanden wird. Sie wissen ja, daß dann sofort das Problem der Benachteiligung der Hausfrau, der Ehefrau mit mehreren Kindern auftaucht, die gar nicht berufstätig sein kann. Ich darf mich gerade an die CDU wenden. Dieses Problem wird also durch die Art unseres Antrags ausdrücklich ausgeschaltet. Diese wahlweise Möglichkeit, das Splitting bis zu 20 000 DM in Anspruch zu nehmen, soll für alle bisher gemeinsam Veranlagten gelten, gleichgültig, ob die Ehefrau berufstätig ist oder nicht. Damit würden wir jedenfalls der CDU gegenüber eine bisherige Meinungsverschiedenheit in dieser Frage ausgeräumt haben.
Mit unserem Vorschlag, bei Einkommen über 20 000 DM so zu verfahren, daß der Ehefrau 10 000 DM zugerechnet werden und das übrige dem Ehemann, soll einfach irgendwie eine Übergangslösung gefunden werden, weil man dann nicht von 20 000 DM an ohne Übergang in das bisherige Recht springen kann. Natürlich ist das nicht
1 das Ideal. Darum betone ich noch einmal: das Endziel ist für uns die Erreichung des Splitting ohne Begrenzung. Aber in dieser Wahlperiode, das wissen wir, können wir das nicht mehr erreichen.
Wir freuen uns, daß gerade heute, nachdem wir diesen Antrag gestern eingereicht haben und nachdem wir schon lange darüber gesprochen hatten, auch vom Deutschen Mittelstandsblock dieses begrenzte Splitting bis 20 000 DM in einem Schreiben vom 17. April 1956 gefordert wird, das Ihnen, meine Kollegen, wohl auch allen zugegangen ist. Wir glauben, daß so wirklich aktive Familienpolitik gemacht werden kann. Jedenfalls erscheint uns das besser als etwa das mißglückte Kindergeldgesetz.
Zu der Frage der Familienpolitik rechnen wir auch die Sorge für die Berufsausbildung der Kinder. Wir haben daher beantragt, den bisherigen Satz für die Berufsausbildung von Kindern, die noch nach Vollendung des 16. Lebensjahrs bis zum 25. Lebensjahr in Ausbildung stehen, von 480 auf 960 DM zu erhöhen. Wir freuen uns, daß wir uns hiermit in Übereinstimmung mit dem Antrag der Regierungsparteien befinden.
Die folgenden Anträge, die wir im Oktober vorigen Jahres und heute gestellt haben, möchte ich in zwei Gruppen zusammenfassen. Einmal erscheint es uns notwendig, bestimmte Maßnahmen für den selbständigen Mittelstand vorzuschlagen. Da haben wir bereits mit dem Antrag vom Oktober vorigen Jahres die Wiederherstellung des § 10 a des Einkommensteuergesetzes, d. h. die Steuerfreiheit für nichtentnommenen Gewinn gefordert.
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- Wenn Sie genau gehört haben: ich habe gesagt, solange wir noch so hohe Steuersätze haben, wie es zur Zeit der Fall ist, ist es leider nicht möglich, völlig von Sondermaßnahmen abzusehen. Ich habe das ja anerkannt. Es wird das Ziel bleiben müssen, den Tarif so zu senken, daß jeder auskommen kann. Dann hätten wir das Ziel: Gleichmäßigkeit der Besteuerung, ebenso wie das Ziel: Vereinfachung der Steuergesetzgebung, erreicht. So weit sind wir heute noch nicht. Es wäre töricht, das zu übersehen. Wenn wir auch ein Ziel als Idealziel anstreben, dürfen wir doch nicht übersehen, daß wir in der Übergangszeit noch bestimmte Dinge tun müssen, um für gewisse Kreise die Steuerlast nicht zu groß sein zu lassen. Es ist doch in der Tat so, daß in den vergangenen Jahren die Mehrzahl der Steuerermäßigungen im wesentlichen nur von den ganz Großen, d. h. von der Industrie voll ausgenutzt werden konnten, nicht aber von dem kleineren und mittleren Mittelstand, weil hier einfach die Gewinne nicht vorhanden waren.
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- Wer keine Steuern zahlt, weil keine Gewinne vorhanden sind, dem kann man die Steuer auch nicht senken. Das ist selbstverständlich; das kann meine Fraktion auch nicht. Es ist aber eine Tatsache und wird von uns anerkannt, daß die Verschuldung des selbständigen Mittelstandes, also des Handwerks und der Gewerbetreibenden, heute für diese Kreise eine erhebliche Last darstellt.
({8})
Wir bekennen uns darum heute ausdrücklich zu den durch § 10 a ermöglichten kapitalbildenden Maßnahmen, die wir im Oktober vorigen Jahres beantragt haben.
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Dazu gehört nun allerdings eine parallele Maßnahme für die nichtbuchführenden Steuerpflichtigen und für die Lohnsteuerzahler; denn auch diesen muß man die Möglichkeit geben, durch Konsumverzicht steuerbegünstigt zu sparen und Kapital anzusammeln. Daher haben wir mit unserem heutigen Antrag die Wiederherstellung der früheren Steuerbegünstigung für Kapitalansammlungsverträge beantragt.
Weiter haben wir beantragt, bei der Landwirtschaft die Besteuerung nach einem Dreijahresdurchschnitt vorzunehmen. Hierzu ein paar Worte! Wir haben im Steuerrecht zwar den Jahresturnus. Danach wird das steuerliche Einkommen jährlich erfaßt, gewogen und der Steuer unterzogen. Es ist natürlich jedem klar, daß unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet der Jahresturnus ein völlig willkürlicher Zeitraum ist und daß er nur aus einer allgemeinen Übung heraus, und um die Dinge irgendwie verwaltungsmäßig zu regeln, festgelegt worden ist. Wir müssen aber - und das hat durchaus eine innere Logik - uns darüber klar sein, daß es notwendig ist, dort, wo der vom Steuerrecht gezogene Jahresturnus sich absolut nicht in Übereinstimmung mit dem Turnus im wirtschaftlichen Leben befindet, diese Abweichung zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere für die Forst- und Landwirtschaft, worunter auch der Weinbau fällt. Hier schließt sich eben nicht ein
Jahr mit etwa gleichen Erfolgsaussichten an das andere an. Hier muß man, um die Dinge zu einem Ausgleich zu bringen, einen etwas größeren Zeitraum zugrunde legen. Es könnte sogar sein, daß bei sehr großen Schwankungen der Witterung auch der Dreijahresausgleich noch nicht reicht; aber irgendwie muß man ja nun einmal eine Grenze ziehen.
Nun komme ich zur zweiten Gruppe unserer Vorschläge; das wären unsere Anträge für die Lohnsteuerzahler oder für den sogenannten unselbständigen Mittelstand. Dazu haben wir zwei Vorschläge schon in unserem Antrag vom Oktober gemacht, die ich heute ausdrücklich noch einmal aufgreifen möchte.
Wir haben vorgeschlagen, die Werbungskostenpauschale für Lohnsteuerzahler von zur Zeit 312 auf 624 DM zu erhöhen. Herr Kollege Seuffert hat dieses Problem vorhin bereits angeschnitten. Die SPD will die Dinge anders lösen; sie will die Werbungskostenpauschale nur auf 552 DM erhöhen, dafür aber den Ausgleich durch einen zusätzlichen Freibetrag von 600 DM schaffen. Nun, man kann es so rum oder so rum machen. Jedenfalls stehen wir dem Antrag der SPD mit Sympathie gegenüber. Diese Frage ist im Finanz- und Steuerausschuß ja schon einmal behandelt worden. Damals hatten wir im Ausschuß einen zusätzlichen Freibetrag für Lohnsteuerpflichtige beantragt, und die SPD hatte uns zugestimmt. So werden jetzt wir bei den kommenden Beratungen dem jetzt vorgebrachten Antrag der SPD zustimmen.
Wir haben auch - und damit sollten wir uns rechtzeitig beschäftigen - für das steuerfreie Weihnachtsgeld eine Erhöhung auf 300 DM vorgeschlagen. Das wird hoffentlich eine Mehrheit finden. Vor allen Dingen liegt uns daran, daß die Dinge nun einmal rechtzeitig und nicht erst im Dezember aufgegriffen werden. Es ist ja auch schon deshalb notwendig, den Betrag zu erhöhen, weil der einstmals eingesetzte Betrag von 100 DM nicht mehr dieselbe Kaufkraft hat.
Schließlich haben wir noch einen Vorschlag für den unselbständigen Mittelstand. Er betrifft insbesondere die notleidenden Angestellten, die sich zur Zeit steuerlich vielleicht am ungünstigsten stehen. Wir schlagen vor, daß Aufwendungen von Lohnsteuerpflichtigen für Bekleidung, deren Tätigkeit das Tragen von Berufs- und Schonkleidung verbietet und denen keine Bekleidungszuschüsse gewährt werden, ohne besonderen Nachweis in Höhe des zwölften Teils ihres Jahreseinkommens, höchstens jedoch in Höhe von 900 DM, steuerfrei bleiben. Damit hat der Angestellte, der seine Bürotätigkeit im guten Anzug verrichten muß, auch einen gewissen Ausgleich. Er konnte ja nach dem bisherigen Steuerrecht irgendeinen Betrag hierfür steuerlich nicht absetzen. Wir müssen also, wenn wir hier helfen wollen, die Dinge gesetzlich regeln.
Meine Damen und Herren! Zum Schluß möchten wir aber doch sehr energisch betonen, daß wir mit unserem Antrag vom Oktober das Erstgeburtsrecht gegenüber vielen der in den letzten Tagen gestellten Anträge in Anspruch nehmen. Abgesehen davon möchte ich noch ein paar Worte zu der originellen zeitlichen Begrenzung auf zwei Jahre, die in dem CDU-Antrag enthalten ist, sagen. Es ist doch so, daß Steuergesetze kein Verfassungsrecht sind. Sie können doch ohnehin jederzeit mit einfacher Mehrheit geändert werden. Das Parlament dürfte überdies doch wirklich stets zu prüfen haben, ob die Steuerlast im Hinblick auf die notwendigen Staatsaufgaben nicht zu hoch oder zu niedrig ist. Auch ohne eine solche Begrenzung auf zwei Jahre müssen die Dinge also jeweils von dem Parlament überprüft werden. Ich glaube, meine Damen und Herren, dieser Punkt sollte wirklich der erste sein, den wir bei den Ausschußberatungen zu streichen haben.
Im übrigen beantrage ich Überweisung unseres Antrages in den Ausschuß, dem ja unser Antrag vom Oktober vorigen Jahres noch unerledigt vorliegt, der also dann bei den Beratungen ebenfalls automatisch Grundlage der Aussprache sein wird.
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Meine Damen und Herren, von dem Punkt 4 bleiben die Buchstaben f, g, h und j noch zu begründen. Die bisherigen Begründungen sind sicher zum Nutzen unserer Beratungen außerordentlich gründlich erfolgt. Es wird wohl auch mit den nächsten Punkten so gehen, auch zum Nutzen unserer Beratungen.
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Ich schlage vor, daß wir zunächst die Punkte f, g und h begründen lassen und daß dann erst der Herr Bundesfinanzminister den Regierungsantrag begründet. Er wird dann Gelegenheit haben, sofort auf die Anträge, die gestellt worden sind, zu antworten. Er wird sich dann nicht zweimal hierher bemüh en müssen.
({1})
({2})
- Sie wollten ihn gar nicht begründen? Ich hatte gedacht, die Regierung legte Wert darauf.
Dann zur Begründung der Punkte f, g unid h Frau Abgeordnete Lockmann!
Frau Lockmann ({3}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Sie werden sich erinnern: Als wir vor kurzer Zeit unseren Antrag auf Aufhebung des Zolles auf Kaffee und Tee stellten und Sie sich nicht bereit fanden, diesem Antrage zu folgen, haben wir angekündigt, daß wir nunmehr mit dem Antrag auf Aufhebung der Kaffee-und Teesteuer kommen würden. In den früheren Jahren hat es nie eine Verbrauchsteuer für Kaffee gegeben. Sie wurde erstmals in den Nachkriegsjahren, und zwar mit der Währungsumstellung am 21. Juni 1948, durch die Alliierten eingeführt. Im August 1953 wurde die Kaffeesteuer von 10 auf 3 DM je Kilo gesenkt. Heute geht es darum, den Rest der damals als reine Morgenthau-Strafsteuer verhängten Steuer gänzlich aufzuheben. Wenn man sich die Motive vergegenwärtigt, welche die Alliierten seinerzeit veranlaßten, die Kaffeesteuer einzuführen, so besteht jetzt, nachdem die Bundesrepublik die Souveränität erlangt hat, keine Veranlassung mehr, dieses Erbe aus einer vergangenen Zeit noch länger beizubehalten.
Die Besorgnis des Herrn Bundesfinanzministers, die Aufhebung der Steuer komme dem Verbraucher nicht zugute, ist absolut dadurch widerlegt, daß bei der Senkung der Steuer im Jahre 1953 der Kaffeepreis um den Steuersenkungsbetrag von 10 DM je Kilo gesenkt werden sollte, tatsächlich aber der Preis um 11 DM pro Kilo im Durchschnitt gesenkt werden konnte. Nach Aufhebung der restlichen Steuer, die wir heute beantragen, wird der Kaffeepreis nach sehr sorgfältigen Berechnungen etwa bei 12,50 bis 15 DM pro Kilo liegen können gegenüber dem jetzigen Durchschnittspreis von 20 DM pro Kilo.
Auch die Berechnungen des Herrn Finanzministers, die einen Steuerausfall von 370 Millionen DM ergeben, werden bei der Einzelberatung dieses Antrages widerlegt werden können. Unter Berücksichtigung aller Faktoren - ich nenne nur die aus einer Aufhebung der Kaffeesteuer resultierenden Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer, den Zöllen etc. - dürfte sich der Ausfall nur auf etwa 240 bis 250 Millionen DM belaufen. Nach Wegfall der Kaffeesteuer wird endlich der Weg dafür frei sein, auch den Bevölkerungskreisen mit schmalem Geldbeutel den Genuß einer guten Tasse Kaffee zu ermöglichen. Der Bundestag darf sich diesem berechtigten Anliegen nicht verschließen, damit nicht etwa der Mann auf der Straße sagen könnte, alles, was der Bundestag in der Frage der Verbrauchsteueraufhebung berate - ich erinnere noch einmal an die Senkung der Zuckersteuer -, sei schlechthin kalter Kaffee.
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Nun möchte ich gleich noch zur Teesteuer ein Wort sagen. Mit dem Antrag Drucksache 2297 verlangen wir die Aufhebung der Teesteuer. Für diesen Antrag gelten die gleichen Argumente wie für den Antrag auf Aufhebung der Kaffeesteuer, den ich eben begründet habe. Hier soll es weitesten Bevölkerungsschichten möglich gemacht werden, einen guten, billigen Tee zu trinken, wie es vor allem in den Ländern England und Holland der Fall
ist. Die Beseitigung der Teesteuer würde auf der Grundlage der Einfuhren von 1955 für den Bundeshaushalt einen Ausfall von etwa 15 Millionen DM bedeuten. Aber auch hier gilt, daß dieser Ausfall zu einem erheblichen Teil wieder kompensiert würde durch die Steigerung des Teeverbrauchs und die sich daraus ergebenden Mehreinnahmen an Zöllen, Umsatzsteuer, Einkommensteuer und was sonst noch dazugehört. Bei der Teesteuersenkung im Jahre 1953 - meine Herren und Damen, ich trage es sehr präzise vor, um Ihnen die Sache vom Anfang an klarzumachen - hat sich der Preis für ein Kilo Tee mittlerer Qualität von 40 auf 24 DM ermäßigt. Bei völligem Wegfall der Teesteuer würde sich der Endverbraucherpreis um eine Summe ermäßigen können, die zwischen 4,50 und 6,00 DM liegt, so daß der Preis für ein Kilo Tee dann auf etwa 18 Mark sinken könnte. Der gänzliche Wegfall der Teesteuer würde also den heutigen Verbrauchergewohnheiten Rechnung tragen, wonach der Tee durchaus als Volksgetränk empfunden wird, ganz abgesehen von den regionalen Gewohnheiten unseres nördlichen Deutschland, wo, in Ostfriesland z. B., der Tee eine sehr wichtige Rolle spielt, da er für die Ostfriesen das bedeutet, was für die Bayern das Bier bedeutet.
Nun habe ich noch zur Leuchtmittelsteuer zu sagen, daß diese Bagatellsteuer unter allen Umständen aufgehoben werden muß, zumal die Industrie dazu verbindlich erklärt hat, wenn dieses Gesetz in Fortfall komme, könnten die Glühlampen-preise um 10 % gesenkt werden.
Ich hoffe, daß sich bei den Ausschußberatungen Ihre Bereitschaft zur Aufhebung dieser drei Steuern zeigen wird. Dann werden wir den Verbrauchern endlich nach endlos langen Beratungen und Vertröstungen einen effektiven Dienst erwiesen haben.
({5})
Meine Damen undHerren, damit sind sämtliche Anträge eingebracht und begründet. Die Bundesregierung verzichtet auf die besondere Begründung ihres Gesetzentwurfes unter Ziffer 4 j) der Tagesordnung.
Da ich noch eine Reihe von Abgeordneten im Saal sehe,
({0})
wäre es, glaube ich, ganz gut, wenn wir die morgige Tagesordnung gleich jetzt festsetzten. Das könnte auch ein Maß dafür abgeben, wie lange wir heute noch tagen können. Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung ist folgendes für morgen vorgesehen, und ich bitte um die Genehmigung des Hauses dafür: Als Punkt 1 zwei Angelegenheiten des Vermittlungsausschusses, als Punkt 2 die Anfrage betreffend die Sperrung der Mittel für den Sozialistischen Studentenbund, als Punkt 3 die Rentnerkrankenversicherung,
Punkt 4 Inanspruchnahme von Mitteln für alliierte Streitkräfte, als Punkt 5 Nachtragshaushalt des Verteidigungsministeriums, als Punkt 6 Nachtragshaushalt des Atomministeriums, als Punkt 7 FDP-Antrag betreffend Atomenergie und dann die sämtlichen anderen Punkte, die ohne Debatte erledigt werden.
Weiter ist der Vorschlag gemacht worden, spätestens um 14 Uhr aufzuhören, jedoch nicht vor Erledigung des Punktes 6, also des Nachtragshaushalts des Atomministeriums. Ist das Haus mit die({1})
ser Tagesordnung fir morgen einverstanden? - Es ist natürlich möglich, daß noch Restpunkte von heute dazukommen. Aber das liegt beim Hohen Hause selbst.
Herr Abgeordneter Bucher, wollen Sie sich zum Wort melden? - Frau Kalinke, Sie kommen sofort als nächste.
Die Fraktion der FDP bittet, unseren Antrag zur Kernenergie als Punkt 3 vorzusehen. Dieser Antrag stand auf der heutigen Tagesordnung unter Nummer 3. Wir haben bekanntlich unseren Bundesparteitag, mit Rücksicht auf welchen zunächst vereinbart war, daß morgen möglichst gegen Mittag Schluß sein soll und nachmittags keinesfalls mehr Abstimmungen stattfinden. Wir würden also sehr bitten, den Punkt Kernenergie als Punkt 3 der Tagesordnung. zu behandeln. Im übrigen haben wir keine Einwendungen.
Sie meinen, der Punkt, den ich als Punkt 7 verlesen habe, solle als Punkt 3 aufgerufen werden. Ist das Haus dieser Meinung?
({0})
- Zur Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Kalinke.
Das Gesetz über die Krankenversicherung der Rentner stand heute auf der Tagesordnung. Mit Rücksicht auf die Vereinbarung, daß das Bündel von Steueranträgen heute nachmittag geschlossen behandelt werden sollte, sollte dieser Gesetzentwurf morgen um 9 Uhr als Punkt 1 behandelt werden. Ich wäre dankbar, wenn wir diese schon vorweg einmal getroffene Vereinbarung wiederherstellen könnten, zumindest aber als Punkt 2, wenn aus irgendwelchen Gründen mit Rücksicht auf andere Parteien der Punkt 1 vorher erledigt werden soll.
({0})
Der Vorschlag, der nunmehr gemacht ist, geht dahin, daß zunächst die beiden Vorlagen des Vermittlungsausschusses erledigt werden - ich glaube, darüber sollten wir uns nicht weiter streiten, das ist schnell erledigt -, dann als Punkt 2 die Rentnerkrankenversicherung, als Punkt 3 der Antrag betreffend Atomenergie, dann die Anfrage wegen des Sozialistischen Studentenbundes und im übrigen die Reihenfolge, wie ich sie vorhin verlesen habe. Ist das Haus damit einverstanden?
({0})
Schluß soll um 14 Uhr sein, jedoch nicht, wenn der Etat des Herrn Atomministers nicht erledigt ist. - Das für die Herren Redner, die für morgen vorgesehen sind.
Die weitere Frage ist, wie lange das Haus heute zu verhandeln wünscht. Es ist der Vorschlag gemacht worden, bis 19 Uhr zu verhandeln und, wenn die Debatte bis 19 Uhr nicht zu Ende ist, die Restanten auf morgen vorzutragen. Oder ist das Haus entschlossen, heute die Steuerdebatte unter allen Umständen ganz durchzuführen,
({1})
was natürlich seine großen Vorzüge hätte. - Dann wollen wir uns also für heute kein Limit setzen. Es ist den Rednern volle Freiheit gegeben, so lange zu sprechen, wie sie glauben, sprechen zu sollen; sie riskieren nicht, daß die Uhr ihnen das Ausmaß ihrer Beteiligung an der Aussprache abschneidet.
Damit ist die Tagesordnung für morgen beschlossen und für heute unser weiteres Verfahren festgelegt.
Mir wird soeben gesagt, daß der Antrag der FDP zu Punkt 4 k durch Frau Ilk noch weiter begründet werden soll. Vor Eintritt in die Aussprache erteile ich der Frau Abgeordneten Ilk das Wort.
Frau Dr. lik ({2}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte aus unserem Antrag noch zwei Punkte hervorheben, die, wie ich gleich sagen möchte, auch für uns Frauen von Bedeutung sind.
Der eine Punkt ist begrüßenswerterweise auch schon teilweise in dem Antrag der CDU enthalten. Danach soll eine Hausgehilfin schon dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn zwei Kinder im Haushalt sind, und zwar, wenn der Steuerpflichtige verwitwet ist oder aber - und da unterscheiden wir uns von Ihrem Antrag - wenn der Steuerpflichtige geschieden ist. In diesem Falle ist der Steuerpflichtige nämlich - z. B. wenn er schuldlos geschieden, die Frau ihm davongelaufen ist und ihn mit zwei Kindern allein gelassen hat - genau so schlimm dran, als wenn er verwitwet ist. Es soll daher nach unserem Antrag auch in solchen Fällen eine Haushaltshilfe steuerlich berücksichtigt werden, wenn zwei Kinder vorhanden sind. Das gleiche gilt für den Fall, daß in Ehen mit zwei Kindern beide Ehegatten erwerbstätig sind. In Ihrem Antrag ist die Formulierung des § 33 a Abs. 3 Ziff. 1 etwas unklar. Da steht drin, daß bei Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen schon ein Freibetrag für die Hausangestellte gewährt werden soll. Das erscheint mir als etwas merkwürdig. Denn praktisch wird wohl jeder Steuerpflichtige erwerbstätig sein, und dann müßte eigentlich für jeden Fall ein steuerbegünstigter Betrag gewährt werden, wenn eine Hausgehilfin gehalten wird. Das ist doch nicht der Sinn der Sache. Wir wollen das doch nur, wenn der Steuerpflichtige entweder mindestens drei Kinder hat oder, wenn er verwitwet oder geschieden ist oder beide Ehegatten erwerbstätig sind, mindestens zwei Kinder dem Haushalt angehören, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
({3})
- Das wollen Sie nicht. Wir sind da anderer Meinung, und ich hoffe, daß wir in unseren Besprechungen unseren Antrag werden durchsetzen können. Insbesondere ist es wichtig, daß die Ehefrau, wenn sie erwerbstätig ist, schon bei zwei Kindern eine Haushaltshilfe halten kann und für die Auslagen, die daraus erwachsen, auch steuerlich begünstigt ist.
Der Steuerfreibetrag, der jetzt für die Haushaltshilfe vorgesehen ist, scheint uns nicht ausreichend zu sein. Wir würden es sehr begrüßen, wenn sich der Ausschuß und das Hohe Haus unserem Antrag anschlössen, den Steuerfreibetrag auf 1200 DM zu erhöhen. Ich berufe mich da auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 27. November 1952, wo in einem Fall bei einer Sonderregelung bereits anerkannt wurde, daß ein Betrag von 100 DM angemessen ist. Im Jahre 1952 oder gar 1951, als dieser Tatbestand damals zu dem Pro({4})
zeß führte, waren zudem die Verhältnisse anders als heute. Heute sind die Auslagen z. B. für eine ständige Haushaltshilfe bedeutend gestiegen. Denken wir dabei einmal an die alten Leute, die auf eine Unterstützung im Haus angewiesen sind, weil sie gepflegt werden müssen und heute sehr viel mehr für eine Haushaltshilfe aufzuwenden haben. Da erscheint uns die Höhe dieses Betrages als durchaus angemessen. Ich bitte, daß man diesem Antrag stattgibt.
Einen Weiteren Antrag haben wir gemeinschaftlich mit der Sozialdemokratischen Partei gestellt, daß auch die Steuerpflichtigen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, sofern sie unverheiratet oder verwitwet, jedenfalls alleinstehend sind, schon in den Genuß der Steuerstufe II kommen. Wir sind der Ansicht, daß der heutige Stand der Dinge eine solche Maßnahme durchaus rechtfertigt, da die Menschen heute schon mit 50 Jahren durch den ganzen Arbeitsprozeß und die Zeiten, die hinter uns liegen, zum Teil so weit in Anspruch genommen sind, daß sie, wenn sie alleinstehend sind, mehr fremder Hilfe bedürfen und höhere Aufwendungen für ihren Lebensunterhalt und die Erhaltung ihrer Gesundheit und Arbeitskraft brauchen, als es sonst normalerweise der Fall gewesen ist. Man sollte ihnen darum auch die Steuerstufe II zubilligen.
Da vorhin von den Verbrauchsteuern die Rede war und wir diese Anträge nicht erwähnt oder erneuert haben, gestatte ich mir, noch einmal darauf hinzuweisen, daß wir bereits am 11. Oktober 1955 einen Antrag Verbrauchsteuern betreffend gestellt haben, und zwar auf Aufhebung der Kaffeesteuer, der Teesteuer, der Salzsteuer, der Zündwarensteuer, der Leuchtmittelsteuer, der Spielkartensteuer und der Süßstoffsteuer und schließlich noch auf Änderung des Branntweinmonopolgesetzes.
Ich bitte, auch diese Anträge noch einmal durchzusehen und dann in unserem Sinne zu beschließen.
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Nunmehr sind wohl sämtliche Anträge eingebracht und begründet.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war zunächst, vor Beginn dieser Aussprache, nicht meine Absicht, in die Debatte einzugreifen. Ich brauche die Regierung dagegen, daß sie eine Initiative habe vermissen lassen, wirklich nicht zu verteidigen. Die Regierung hat nach der Konjunkturdebatte in Berlin im Oktober ihren Haushalt vorgelegt, und der Haushalt ist letzten Endes der praktische Vollzug einer Regierungspolitik. Dieser Haushalt hat in erster Linie eine Steuersenkung nicht unbeträchtlichen Umfangs vorgesehen. Für den Bundeshaushalt sind es allein 785 Millionen, und insgesamt betragen die vorgeschlagenen Steuersenkungen 1400 Millionen.
Die Bundesregierung hat dabei immer angedeutet, daß sie daneben - und das war auch öffentlich bekannt - entsprechend dem „Grünen Bericht" das Jahr 1956 als das Jahr einer Hilfe für die Landwirtschaft betrachtet, und es war ebenfalls der ganzen Öffentlichkeit bekannt, daß die Bundesregierung das Jahr 1957 als das Jahr der Sozialreform betrachtet. Diese Aufgaben sind das Programm der Bundesregierung gewesen, und selbstverständlich wollte die Bundesregierung diese Aufgaben unter Aufrechterhaltung der finanziellen Ordnung erfüllen und dabei die übrigen Ausgaben leisten, die die Lebensnotwendigkeiten und die internationalen Verträge dem deutschen Volke notwendigerweise aufbürden. Das war die Regierungsinitiative, und das war der Plan der Regierung.
Wenn ohne Regierungsinitiative aus dem Parlament Anträge kommen, die von größter, finanzieller Bedeutung sind, so ist es an sich schon nach der Geschäftsordnung Sache der Antragsteller, die Deckung zu überlegen und einen Vorschlag für die Deckung zu machen.
({0})
Aus dem Grunde hätte ich als Vertreter der Bundesregierung also nicht das Wort zu ergreifen brauchen.
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Aber, meine Damen und Herren, etwas anderes veranlaßt mich dazu. Bis zur Ermüdung habe ich in der Öffentlichkeit den völligen Irrglauben zu bekämpfen versucht, daß wir Milliarden von Überschüssen hätten, auf die wir dauernde Ausgaben und dauernde Einnahmeminderungen gründen könnten. Ich wollte, wir wären so glücklich wie andere Länder. Die Schweiz hat seit Jahren ständig echte Überschüsse. Die nordischen Länder und Großbritannien haben in den letzten Jahren mit dem ganzen wirtschaftlichen Aufschwung, der nicht bloß bei uns eine Rolle spielt, Überschüsse erzielt. Sie treiben allerdings eine ganz andere Politik. Die nordischen Länder bilden sogenannte Budgetausgleichskassen, um eine Rücklage zu haben. Großbritannien denkt in Sorge um die Währung in der Zeit der Überschüsse an Steuererhöhungen, schafft Steuergesetze, die den Sinn haben, die Bevölkerung zum Sparen zu veranlassen, und ist stolz darauf, daß der Erfolg, eine Stärkung der Währung, heute schon eingetreten ist. Das ist eine andere Politik; aber dieses Beispiel überzeugt in Deutschland nicht, und es ist mein Bemühen, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, was es mit den sogenannten Überschüssen ist. Mein Bemühen ist leider nicht von Erfolg gekrönt gewesen; denn auch in diesem Hause hat jeder der Herren, der gesprochen hat, eigentlich als selbstverständlich vorausgesetzt und so oder so betont, daß die notwendige Manövriermasse, die Kassenfülle vorhanden sei und darauf eben die Milliardenausgaben gegründet werden könnten. Dazu ein Wort zu sagen, halte ich mich für verpflichtet. Ich darf einmal darauf hinweisen: Wenn wir in einem Zeitpunkt Ausgabenerhöhungen beschließen oder Einnahmesenkungen vornehmen, haben wir uns auch die Frage vorzulegen, ob wir damit nicht einen anderen uns am Herzen liegenden Teil eines größeren Programms - es sei in diesem Fall das Wort Sozialreform ausgesprochen, die für das Jahr 1957 geplant ist - nicht unmöglich machen oder erschweren.
({2})
- Moment! Wir haben uns das vorzulegen. Wir haben uns die Gesamtauswirkung in der Zukunft vorzurechnen, und wir haben uns noch die Frage vorzulegen: Verteilen wir nicht einen Kuchen, der vielleicht nicht vorhanden ist, oder ist der Kuchen nicht wenigstens wesentlich größer als das, was
({3})
vorhanden ist? Hier dürfen wir nicht nur an die Einnahmeminderungen, also an Steuersenkungen denken, wir müssen auch an die Ausgaben denken, die der Öffentlichkeit bekannt sein dürften. Wenn man an den Jahresbedarf denkt und damit an das, was im Jahre 1957 zu leisten ist - und die Haushaltsaufstellung muß einen abgeglichenen Haushalt ergeben -, dann muß man bei den im Sommer 1956 beginnenden Arbeiten auch an die Ausgaben denken, die heute schon sicher sind, und an die Ausgaben, die vielleicht noch nicht Gesetz sind, aber politisch als sicher betrachtet werden dürfen. Die Ausgaben, die über den Haushalt hinaus heute als sicher betrachtet werden müssen, die Hilfe für die Landwirtschaft, Bergbau, Bundesanteil, Besoldungserhöhung, Arbeitslosenfürsorge, Förderung der Eierwirtschaft, Vertrag mit Jugoslawien, Wohnungsbauprämien, betragen 1653 Millionen DM. Die Kosten der mit Sicherheit zu erwartenden Gesetze: Bundesversorgungsgesetz, Wohnungsbau, Wiedergutmachung, 131er etc., betragen weitere 1655 Millionen DM. Dazu kommen im Jahre 1957 auf Grund des Zweiten Wohnungsbaugesetzes die Erhöhung der Bundesmittel für Wohnungsbau um 200 Millionen DM und die Erhöhung des Bundeszuschusses für die Sozialversicherungsanstalten im Rahmen der Sozialreform bis zu 800 Millionen DM, macht zusammen 1000 Millionen DM. Die Ausgabenerhöhungen, die im Jahre 1957 volle Auswirkung haben werden, betragen infolgedessen, was heute schon als sicher anzunehmen ist, 4308 Millionen DM. Diese Berechnungen haben die eine natürliche Erscheinung, daß sie sich in meiner ganzen Lebenserfahrung nie gemindert haben, sondern im Laufe der politischen Beratungen und Besprechungen immer nur gewachsen sind. Wir mussen heute mit 4308 Millionen DM Ausgabenmehrung für das Jahr 1957 rechnen! Heute haben wir den Tag, wo wir über die Steuersenkungen reden. Ich darf daran erinnern, daß im Haushalt 1956 bereits Steuersenkungen - Ehegattenbesteuerung, Erhöhung der Werbungskostenpauschale, Senkung von Verbrauchsteuern, Aufhebung der Umsatzsteuer für Milch und Milcherzeugnisse, Ermäßigung des Berliner Notopfers - vorgesehen sind, wie gesagt, im Betrage von rund 1400 Millionen DM, wovon 785 Millionen DM etwa auf den Bundeshaushalt entfallen. Lassen Sie mich einmal die Steuersenkungsanträge, die hier vorgetragen sind, berechnen, und gestatten Sie mir, daß ich einmal nicht unterscheide, ob sie von der Opposition oder Koalition gestellt sind; ich werde sie nachher auch unterscheiden.
({4})
Aber ich nehme sie zunächst einmal allein deshalb als Gesamtes, weil das Parlament gerade heute daran denken muß, daß die parlamentarische Demokratie um ihre Lebensfähigkeit und ihre Anerkennung kämpft, und weil das Parlament im Ausland und im Inland nun eben einmal als Einheit genommen wird und jeder der Herren seine Anträge neben den anderen Anträgen für durchführbar hält.
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Wenn ich die Anträge als Einheit nähme, kämen wir zu phantastischen Ziffern.
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Wenn ich die Anträge nun einmal scheide und die Anträge auf Drucksache 2282 und Drucksache
2283 vorausnehme, so komme ich zu folgendem Ergebnis. Ich muß dabei bemerken, daß der Antrag auf Drucksache 2283 eine Fassung hat, die dem Willen der Antragsteller wohl nicht ganz entspricht. Die Fassung wird geändert werden müssen. Aber ich weiß, was die Antragsteller wünschen. Sie meinen nicht jeden einzelnen Umsatz, sondern sie haben an den Jahresumsatz des einzelnen Unternehmens gedacht. Wenn die Fassung richtig wäre, dann würde sie eine Belastung von 470 Millionen DM bedeuten; in der jetzigen Fassung wäre die Belastung viel höher. Der Antrag auf Drucksache 2282 bedeutet eine Belastung von insgesamt 1455 Millionen DM. Von der Belastung haben die Länder zwei Drittel und der Bund ein Drittel zu tragen. Damit ergibt sich genau gerechnet aus diesen beiden Anträgen für den Bund eine Belastung von 1021 Millionen DM. Das bedeutet also, daß das Jahr 1957 - ({7})
- Moment! Ich sage ja: nur die Mehr erhöhung, ausschließlich dessen, was im Bundeshaushalt schon vorgeplant ist. Es handelt sich um die reine Mehraufwendung über das hinaus, was im Bundeshaushalt für Ehegattenbesteuerung, Freibetrag, Senkung der Verbrauchsteuertarife, Notopfer Berlin schon berücksichtigt ist, um die neuen
Ausgaben. Diese neuen Ausgaben betrügen also allein für den Bundeshaushalt 1021 Millionen DM. Das Jahr 1957 würde voll damit belastet und würde eine Haushaltsverschlechterung von 4308 Millionen plus 1021 Millionen DM, das sind 5330 Millionen DM erfahren, und diese Lücke im Haushalt des Jahres 1957 müßte auf Grund des Art. 110 des Grundgesetzes ausgeglichen werden.
Wenn ich die Anträge auf den Drucksachen 2295, 2293, 2296, 2297, 2298 und 2314 nehme, so würde sich, auch wieder als reines Mehr gegenüber dem, was bereits im Bundeshaushalt vorgesehen ist, für Bund und Länder zusammen eine Belastung von insgesamt 3325 Millionen, für den Bund allein eine solche von 2214 Millionen DM ergeben.
Bei Verwirklichung dieser Anträge würde also die Lücke, die im Haushalt des Bundes für 1957 zu schließen ist, 6514 Millionen DM betragen.
Meine Damen und Herren, damit könnte ich eigentlich fast schließen. Ich möchte aber jetzt einmal die andere Frage beantworten - sie betrifft den Kuchen, der verteilt werden soll -: Was ist an Kuchen zur Zeit vorhanden? Hier spielen immer die Worte Guthaben des Bundes, Juliusturm, Kassenfülle etc. eine Rolle. Ich hätte es sehr gern gehabt, wenn ich über dieses Thema nicht die unmöglichsten volkswirtschaftlichen Theorien gehört hätte, sondern wenn man sich mit reinen Tatsachen beschäftigt hätte. Ich spreche hier nur über die reinen Tatsachen.
Wir sind am 31. März 1955 im Besitz von Kassenguthaben gewesen, die auf dem Konto II eingelagert waren, über das bekanntlich nur mit Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestages verfügt werden darf. Diese Summe betrug bei Beginn des Rechnungsjahrs 1955 4020 Millionen DM.
Der Betrag ist bekanntlich dadurch entstanden, daß wir jährlich 7200 Millionen Besatzungskosten im Etat einzusetzen hatten, daß von diesen 7200
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Millionen jährlich weniger abgerufen wurden, daß aber die damaligen Besatzungsmächte das Recht hatten, den ganzen Unterschiedsbetrag zu verlangen, um die Lieferungen und Leistungen daraus bezahlt zu erhalten, die sie im Inland auf Grund Besatzungsrechts vor dem Stichtag - also dem Ablauf der Besatzungszeit - erhalten hatten.
Es war von vornherein klar, daß sie so viel Verpflichtungen eingehen würden, daß der ganze Unterschied verbraucht wird. Sie haben es auch getan, und infolgedessen mußte das Geld zur Verfügung stehen, um diese Verpflichtung zu bezahlen. Wir haben ja im Haushalt 1955 vorgesehen gehabt: „Ausgabe für rückständige Besatzungskosten: 2040 Millionen", „Einnahme: Abhebung aus diesem Konto".
Die Dinge sind weitergelaufen, und nun kam dazu, daß in diesem Jahr infolge von Umständen, die ich hier nicht zu erörtern brauche, der Beginn der Geldausgabe aus dem Verteidigungshaushalt für die deutsche Bundeswehr sich verzögerte. Es war ein Betrag von 5200 Millionen vorgesehen, und es sind nur einige hundert Millionen davon verbraucht worden. Wenn zu den 4000 Millionen dieser Betrag, der dem Verteidigungshaushalt gehört, hinzugekommen wäre
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- wäre! -, dann hätten es 9 Milliarden sein müssen. Ziehe ich aber die 2 Milliarden ab - rückständige Besatzungskosten, Stationierungskosten -, hätten es immer noch wenigstens 7 Milliarden sein müssen. Praktisch ist am Stichtag des 31. März 1956 ein Gesamtguthaben des Bundes in allen seinen Kassen von 6080 Millionen vorhanden gewesen. Das Guthaben hat sich also nur - dieses „nur" gilt nur relativ - um 2000 Millionen erhöht.
Und nun darf ich feststellen, daß diesem Kassenguthaben folgende laufende Verpflichtungen gegenüberstehen: Stationierungskosten und rückständige Besatzungskosten in Höhe von 21/2 Milliarden DM. Der Rest ist in Höhe von mehr als 6 Milliarden praktisch schon dem Verteidigungshaushalt im Wege der Vorwegbewilligung etc. zuerkannt. Davon treffen 1,5 Milliarden allein auf den Bestand des Rechnungsjahres 1955.
({10})
Das ist die Situation.
Nun darf ich einmal eines feststellen: Man mag die Dinge beurteilen, wie man will; aber es bleibt eine Differenz, die nur ein kleiner Bruchteil der Anforderungen ist, die an den Bundeshaushalt 1957 mit fünf, sechs Milliarden und mehr gestellt werden. Eines muß man doch noch betonen: Wenn diese Restkassenbestände für andere Zwecke verwendet werden könnten, wenn auch nur mit einem Teilbetrag dessen, was an Forderungen an uns herantritt, so ist das eine einmalige Operation, die sich in den folgenden Jahren nicht wiederholen kann, weil es ganz selbstverständlich ist, daß die Verteidigungsausgaben nunmehr zu laufen beginnen und daß sie gerade deshalb, weil wir unter dem Druck auch der Forderungen auf Stationierungskosten etc. etc. stehen, rasch und vielleicht in größerem Maße, als man allgemein rechnet, zu laufen beginnen werden.
Der Bundesfinanzminister hat nicht die politische Entscheidung zu treffen, wenn er auch mit ganzem
Herzen daran glaubt, daß das, was die internationalen Verträge von uns verlangen, gleichzeitig eine Lebensfrage für die deutsche Freiheit und für das Leben der deutschen Nation ist. Aber er hat sich an das politische Gebot, dem Parlament und Regierung zugestimmt hatten, zu halten und muß die Mittel dafür zur Verfügung stellen. Es wäre kein ehrlicher Weg, statt das politische Ziel offen zu bekämpfen, nun zu versuchen, dieses politische Ziel über finanzpolitische Maßnahmen gefährden zu wollen.
({11})
Unter diesen Umständen muß ich sagen: die Erhaltung der Mittel für den Verteidigungshaushalt ist keine Frage, über die wir uns unterhalten können; das ist ein Muß nach der rechtlichen Seite und ist ein Muß - nach meiner Überzeugung - vom Standpunkt der deutschen Freiheit und des deutschen Lebenswillens.
({12})
Aber wenn ich diese Überzeugung habe, dann darf ich eine andere Frage aufwerfen. Zu den 6 Milliarden, die ich vorhin genannt habe, müssen Sie, wenn wir volkswirtschaftlich denken, auch noch die Steuersenkungen und Maßnahmen hinzurechnen, die auf Konto der Länder laufen, und das sind auch 1,5 Milliarden DM. Auch das würde, wenn man volkspolitisch denkt, eine, wie heißt das Wort, „Konsumerweiterung", eine Vermehrung der sogenannten Kaufkraft bedeuten. Wenn ich daran denke, daß im nächsten Jahre bei der Sozialreform es sich als notwendig erweisen wird, daß ein Teil des Kapitaldeckungsvermögens der Rentenversicherungsanstalten ausgezahlt und in laufende Renten verwandelt wird, dem eine Umschichtung innerhalb des Volkseinkommens nicht gegenüberstünde, dann weiß ich, daß diese volkswirtschaftlich ungedeckte Belastung weit über 6 Milliarden, ja vielleicht über 8 oder 9 Milliarden DM betragen würde. Ich gestehe Ihnen offen, unter diesen Umständen halte ich die volkswirtschaftliche Gefahr des Vorgehens für sehr groß. Ich habe gemahnt und gemahnt, es möge in allem Maß gehalten werden. Die Entscheidung über die Anträge und auch die Entscheidung über die Ausgaben, die wir noch zu beschließen haben, fallen in den Ausschüssen. Ich möchte hoffen, daß mein letzter Appell an das Maßhalten dort verstanden wird.
({13})
Meine Damen und Herren, nach der Geschäftsordnung kann sich an die Begründung der Anträge in der ersten Beratung eine Aussprache anschließen. Es liegen eine Reihe von Wortmeldungen vor, aber von den Kollegen, die sich zu Wort gemeldet haben, haben eine Reihe erklärt, daß sie ihre Wortmeldungen zurückziehen würden, falls auch die anderen ihre Wortmeldungen zurückzögen.
({0})
- Ich glaube, daß dies kein Anlaß zu Beifallsäußerungen ist. Aber diese Tatsache zwingt mich, als Hüter der Geschäftsordnung an das Haus die Frage zu richten, ob sämtliche Mitglieder des Hauses, die sich zum Wort gemeldet haben, ihre Wortmeldung zurückziehen wollen.
({1}) - Das ist nicht der Fall.
({2})
Dann erteile ich das Wort secundum ordinem zunächst einmal dem Herrn Abgeordneten Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Ausführungen waren darauf abgestellt, daß der Herr Bundesfinanzminister, wie mir angekündigt war, das Wort nicht ergreifen würde. Aber da er inzwischen gesprochen hat, muß ich mich ein wenig mit dem beschäftigen, was er gesagt hat.
Es fällt mir schwer, die Gefühle zu schildern, die mich erfüllen, wenn es heute, nach mehr als einem Jahr, endlich dazu gekommen ist, daß von breiten Kreisen des Parlaments Anträge gestellt worden sind. Es fällt mir aber auch schwer, die Gefühle zu schildern, die mich beschleichen, wenn ich daran denke, daß die Bundesregierung keinerlei Gesetzesvorlage eingebracht hat, obwohl die Länder, wie Sie alle wissen, durch den Bundesrat einen Appell dazu an die Bundesregierung haben ergehen lassen. Ich möchte es nicht unterlassen, der FDP-Fraktion, der ich nicht mehr angehöre, dafür zu danken, daß sie als erste, nämlich vor ungefähr einem Jahr, die 10%ige lineare Steuersenkung vorgeschlagen hat.
({0})
Inzwischen ist in der Presse eine Flut von Artikeln erschienen, und auch Zeitungen, die, wenn ich es so nennen darf, es ais das höchste Recht und als die Pflicht der Zeitungen ansehen, sich nicht zu wiederholen und immer aktuell zu sein, haben es mit außerordentlicher Hartnäckigkeit unternommen, immer wieder auf das Notwendige hinzuweisen. Es scheint mir richtig zu sein, wenn ich in diesem Augenblick und in diesem Zusammenhang, nachdem ich auch von dieser Zeitung völlig unabhängig bin, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" erwähne.
Die Gedankengänge in Steuerdingen, die meine Freunde und mich mit derselben Hartnäckigkeit immer wieder zu unseren Vorstößen veranlaßt haben - ich erinnere an den Deutschen Industrie-und Handelstag, ich erinnere an das Institut Finanzen und Steuern -, sind außerordentlich einfach. Der erste Leitsatz ist der, daß man nicht mehr Steuern erheben soll, als für die notwendigen Staatsausgaben erforderlich ist, daß man also in keiner Weise und unter keinen Umständen eine Vorratspolitik mit Steuergeldern treiben soll.
({1})
Der zweite beherrschende Gesichtspunkt ist von meinem, ich muß sagen, „ehemaligen" Freund Miessner bereits erwähnt worden: daß es nämlich unnatürlich ist, wenn man mehr als 50 % an Steuern bezahlt. Gegen diesen Grundsatz haben wir jahrelang verstoßen, - wenn ich ehrlich sein soll, in früherer Zeit zum Teil verstoßen müssen. Der dritte Gesichtspunkt ist der der Gerechtigkeit. Sie ist zwar ohnehin nach einem alten lateinischen Satz das Fundament des Staates; aber man sollte doch immer wieder darauf hinweisen. Das ist insbesondere in einer Zeit notwendig, in der, wenn ich mich höflich ausdrücken soll, es modern war, dieser Gerechtigkeit zugunsten der Bekämpfung der Konjunktur Fesseln anzulegen. Ich will aber über überholte Dinge hier nicht sprechen und es mir damit auch versagen, auf die überraschende Haltung der Wissenschaftlichen Beiräte mehrerer
Bundesministerien im vorigen Sommer einzugehen. Ich halte es mit Busch: gehabte Schmerzen, die hab ich gern.
Wenden wir uns also ausschließlich - und es wird nun langsam Zeit dazu - der Zukunft zu! Sie haben meine Ausführungen in diesem Hause oft gehört, in denen ich mich seit Jahren dafür ausgesprochen habe, daß die Zeit der Begünstigungen in jeder Form und auf jedem Gebiet zu Ende sein sollte. Es ist gar kein Zweifel, daß es für diese Begünstigungen auch heute noch alle möglichen Argumente und Gesichtspunkte gibt, die beachtlich sind. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Die kunststoffverarbeitende Industrie hat mir gerade vor kurzem in einem Brief auseinandergesetzt, sie befinde sich in einer solch schnellen technischen Entwicklung, daß man wohl mit Recht behaupten kann, normale Abschreibungssätze entsprechen nicht mehr der technischen Entwicklung. Aber auch hierfür wird es nicht möglich sein, zusätzliche gesetzliche Vorschriften zu erlassen. Man muß sich vielmehr darauf verlassen und sich darüber, wenn nötig, nochmals vergewissern, daß das Bundesfinanzministerium derart das Ohr am Puls der technischen Entwicklung hat, daß hier nichts versäumt wird. Mit großer Befriedigung habe ich vielen . Zuschriften insbesondere in den letzten Wochen entnommen, daß in allen Wirtschaftszweigen ohne Unterschied die allgemeine Tarifsenkung als das Vordringlichste und Wichtigste bezeichnet und betrachtet wird Das ist ein
gutes Zeichen für die wachsende Erkenntnis bei den verschiedenen Zweigen der Wirtschaft. Sicherlich wäre diese Erkenntnis nicht eingetreten, wenn nicht die Bundesregierung durch ihre wirtschaftspolitische Haltung die Voraussetzungen dafür geschaffen hätte. Man sollte sich also freuen, daß wir endlich soweit gekommen sind. Es wird auch bekannt sein, daß der Bundesverband der deutschen Industrie, der anfangs eine etwas schwankende Haltung eingenommen hat, inzwischen auf die Gedankengänge des Industrie- und Handelstages eingeschwenkt ist.
Ich bin also der Meinung, wir sollten mit aller Kraft und in aller Schnelligkeit zu einer allgemeinen Steuersenkung kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es unbedingt beim 1. Januar 1957 verbleiben muß. Ich fand schon den Termin, den die Anträge der Koalitionsparteien enthielten, nämlich den 1. Oktober 1956, als recht spät.
Wenn wir davon ausgehen, daß die Vorschläge der Koalitionsparteien der gesamten Wirtschaft zugute kommen, dann dürfen wir annehmen, daß sie auch dem Mittelstand nützen. Ich würde Sie bitten, sich doch um Gottes Willen nicht einzubilden, daß Sie mit Bestimmungen, wie sie die §§ 10 a, 32 a und gar 32 b darstellen, dem Mittelstand behilflich gewesen sind. Das ist doch im letzten Ergebnis und in der Perfektion, zu der wir leider gekommen sind, mehr eine Hilfe für die Großfirmen gewesen; das ist vorhin schon mehrfach zum Ausdruck gekommen. Es war es nicht in den Anfängen von 1950; es ist aber im Laufe der Zeit dazu gekommen.
Ich möchte, da wir an sich die Absicht hatten, von einer ersten Lesung oder einer Beratung der Anträge abzusehen, mich im Augenblick nicht mit dem Umsatzsteuergesetz beschäftigen. Ich könnte es natürlich unter Hinweis auf meinen Freund Dresbach tun, wenn ich sage: Ich habe kaum etwas so Unsystematisches gesehen, wie den Antrag
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auf Reform der Umsatzsteuer. Ich könnte ihn aber schlucken, Herr Schmücker, wenn ich annehmen dürfte, daß das ein Anfang für eine Senkung der Umsatzsteuer überhaupt sein sollte und daß diese uns in absehbarer Zeit beschert werden könnte.
Alle anderen Anträge, die hier vorgebracht worden sind, sind nach meiner Ansicht zweitrangig, und wenn Sie sie nach meinen allgemeinen Ausführungen eingruppieren, werden Sie mir das auch nicht bestreiten. Ihre Behandlung paßt jedenfalls in eine erste Lesung, die sich mit der großen Linie beschäftigen sollte, nicht hinein. Ich möchte die Besteuerung der Ehegatten als einzige Frage davon ausnehmen. Aber dieses Thema ist zu kompliziert, als daß es hier in vollem Umfange ausdiskutiert werden könnte. Aber ich möchte in diesem Zusammenhang doch sagen, daß ich das Vergnügen habe, mit dem Herrn Bundesfinanzminister in der Auffassung einig zu sein, daß man es sich aus ethischen Gesichtspunkten überlegen sollte, ob man die Ehefrau auf alle mögliche Weise noch mehr in die Fabriken und in die Büros hineintreiben sollte, als das ohnehin schon der Fall ist.
({3})
Ich habe in dieser Beziehung aus ganz allgemeinen Erwägungen schwere Bedenken.
Zu den Anträgen der SPD über das Notopfer Berlin möchte ich heute in diesem Zusammenhang bei Wahrung der Linie der ersten Lesung nur sagen: Ich habe natürlich ein Verständnis dafür, daß unser Freund Gülich in einem berechtigten Unwillen über die Nichtzweckbindung des Notopfers Berlin einen anderen Weg beschreitet. Er schüttet jetzt aber das Kind mit dem Bade aus.
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- Ich glaube aber, Herr Gülich, daß wir uns mit dem begnügen sollten, was die Regierung vorschlug und was sie uns heute - so habe ich Herrn Schäffer verstanden - als Begründung vortragen wollte.
Ich könnte mir also denken, daß wir mit der Befreiung der Steuerpflichtigen vom Notopfer Berlin, die bis zu 30 DM zahlen, uns zunächst begnügen sollten. Letzten Endes ist das psychologische Moment, das für die Notopfermarke vielleicht zu Tode geritten worden ist, für das Notopfer Berlin doch nicht außer acht zu lassen.
Was die Anträge der SPD zur Einkommensteuer angeht, so scheint mir Herr Seuffert die Gegensätze zu den Anträgen der Koalitionsparteien ein wenig übersteigert zu haben. In Wirklichkeit sind sie in mancher Beziehung ähnlich; aber es fehlt die allgemeine Steuersenkung, auf die ich, wie ich Ihnen ja schon gesagt habe, den größten Wert lege.
Ich weiß nicht, was aus der ersten Lesung nun noch herauskommt, nachdem andere Herren auf ihre Wortmeldung nicht verzichtet haben. Ich glaube aber, daß ich Sie auffordern sollte, nun rasch an die Arbeit zu gehen, damit wirklich etwas entsteht. Der Bundesfinanzminister hat uns heute abend ein wenig enttäuscht. Aber ich glaube, daß es möglich ist, auch mit ihm auf eine gemeinsame Linie zu kommen. Wir waren, Herr Bundesfinanzminister, vielleicht schon auf dieser Linie; denn Sie hatten Ihren Widerstand in erster Linie gegen die gezielten Maßnahmen und nicht gegen die allgemeine Steuersenkung gerichtet. Ich möchte also
hoffen, daß diese allgemeine Linie im Finanzausschuß wiederhergestellt werden kann, und ich gebe meinen Optimismus in bezug auf die Erwartungen und Ergebnisse dieser Beratung - mindestens vorläufig - nicht auf.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte angesichts der vorgeschrittenen Zeit zu meiner Entschuldigung sagen, daß ich zu denen gehöre, die auf das Wort verzichten wollten; aber man kann sich hier nicht gut ausschließen. Ich möchte mich auch bemühen, dem Charakter einer ersten Lesung, die nicht weitgehend in Einzelheiten einsteigen soll, Rechnung zu tragen.
Das Steuerwesen ist eine sehr komplizierte Angelegenheit. Wir haben viele Steuerdebatten gehabt, wir werden weitere haben. Aus einer Steuerreform in dem Sinne, in dem man früher davon sprach, nämlich auch im Sinne einer Vereinfachung dieser doch wirklich furchtbar unübersichtlich gewordenen Materie, ist bisher auch nicht viel geworden. Man sprach von der Großen Steuerreform; es wurde eine kleine Steuerreform, wenn auch für die Großen! Wie gesagt: auf diesem Gebiete haben wir noch allerhand vor uns. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, allgemeine Betrachtungen anzustellen und allgemeine Bemerkungen zu dem, was uns heute vorliegt, zu machen.
Es geht um Senkungen. Man könnte - der Herr Bundesfinanzminister hat es getan; es hat uns nicht überrascht - das Thema auch von der wirtschaftlichen und konjunkturpolitischen Seite her beleuchten. Ich muß sagen, Herr Schäffer steht hier mit seinen Betrachtungen nicht allein. Es gibt bemerkenswerte Äußerungen von Instituten, die davon offensichtlich etwas verstehen und die in die Fachpresse Eingang gefunden haben.
Ich möchte - die Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich wohl voraussetzen - zitieren, was z. B. das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hierzu ausgeführt hat. Es sagte, daß man vom Standpunkt der Konjunkturpolitik unverändert und mit größtem Nachdruck wiederholen müsse, daß zur Zeit im Grunde sogar jede Steuersenkung unverantwortlich sei. Sie sei bis auf weiteres geeignet, die kaum gebundenen Kräfte, die auf starke Anhebung des allgemeinen Preisniveaus hinwirken würden, zu entfesseln.
Nun, wir sehen unsere Aufgabe nicht in erster Linie darin, uns gerade mit dieser Seite des Problems zu beschäftigen. Es sind vielleicht dieselben Kreise, zumindest die politisch gleich gerichteten Kreise gewesen, die diesen Gesichtspunkten der Bedrohung der Währung vor einiger Zeit noch bei anderen Anlässen sehr viel und sehr beredte Sorge haben zuteil werden lassen. Wir wollen diesen Kräften die weitere Verantwortung dafür überlassen und sie ihnen nicht abnehmen.
Aber es gibt eine weitere Betrachtungsseite, der ich mich nun zuwenden möchte. Wir haben z. B. auf diesem Gebiete vor geraumer Zeit - wir waren damals in Berlin zusammen - vorgeschlagen, eine Rüstungsgewinnabgabe zu erheben, für die wir nicht bloß konjunkturpolitische, sondern auch andere Gründe hatten, die nachher, offen({0})
sichtlich unabhängig von uns, der Herr Bundesfinanzminister in einer sehr bekanntgewordenen und damals sehr viel Aufsehen erregenden Rede aufgenommen hat. Aus Gründen, die wir uns vielleicht nur denken können, ist es um diese Initiative Herrn Schäffers seit dieser Zeit still geworden.
Uns bewegt vor allem ein anderes. Meine Damen und Herren, man kann schlecht beides auf einmal tun. Man kann schlecht mit der einen Hand Steuersenkungen versprechen und mit der andern Hand Bewegungen machen, die auf die zu erwartenden und anerkannterweise - oft allgemein anerkannterweise - äußerst dringenden sozialen Reformen hinweisen sollen.
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Insofern haben wir sicherlich keinen Anlaß, Herrn Schäffer für seine bisherige Haltung uns gegenüber besondere Kränze zu flechten. Aber wir geraten in diesem Falle in einer überraschenden, einer im letzten Grunde doch irgendwie natürlichen Logik in Bundesgenossenschaft mit ihm, die zumindest er vermutlich auf diesem Gebiete nicht erwartet hätte, indem wir sagen: Wie soll denn das, was sonst so oft versprochen wird, verwirklicht werden? Der Herr Bundeskanzler, hört man, sagt dann im Wahlkampf: „Dat muß aber bald anders werden." Meine Damen und Herren, wie sollen denn alle diese Dinge anders werden, wenn auf
der andern Seite denen, die diese Aufgaben bewältigen müssen - das ist die öffentliche Hand, das
ist der Bund -, die Mittel dafür entzogen werden? Ich brauche nicht die ganze Skala, die hier ansteht, aufzuzählen: Bundesversorgungsgesetz, Kriegsgefangenenentschädigung, Angelegenheiten der Vertriebenen, die nicht allein mit § 7 und § 7 e,
deren Geltungsdauer dankenswerterweise verlängert werden soll, abgetan werden können. Ich brauche nicht die Skala all dieser Dinge zu erwähnen. Wir müssen etwas für die Menschen aus der sowjetischen Besatzungszone tun. Mit den Rezepten Herrn Oberländers, die er in Berlin gegeben hat, wird man sich auf die Dauer nicht zufrieden geben können. Und die Sozialreform? Meine Damen und Herren, ich will hier nicht billig polemisieren. Aber ich will die ernste Seite des Problems aufzeigen, daß man nicht ohne weiteres Dinge zugleich versprechen kann, die sich nicht so einfach zugleich und auf dem gleichen Nenner lösen lassen.
Wie ernste Auswirkungen das zu zeitigen vermag, haben wir aus einem Schreiben entnommen, in dem Finanzminister Schäffer, wie man sich erzählt, den maßgeblichen Repräsentanten des Ausgleichsfonds in Bad Homburg mitgeteilt haben soll, daß eine Vorfinanzierung des Lastenausgleichs unter diesen Umständen selbstverständlich nicht in Frage kommen könne.
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Das wäre etwas, worüber man reden und rechten könnte, was in dieses Kalkül einzubeziehen aber schlecht ansteht, da sich der Gesetzgeber selbst damals - es sind vier Jahre her; manchen scheint es in Vergessenheit geraten zu sein - in einer selten klaren Form im Lastenausgleichsgesetz die konkrete Pflicht gesetzt hat, eine Vorfinanzierung bis zu 5 Milliarden DM - auch eine der großen Zahlen, die heute einmal genannt sein sollen - vorzusehen.
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Ich kann auch nicht umhin - ich bin genau derselben Ansicht -, zu wiederholen, was die Vorredner der SPD und der Kollege Miessner von der FDP gesagt haben: daß eine zeitliche Begrenzung, die nach dem Kalender genau in die Zeit bis nach der nächsten Bundestagswahl fällt, nicht sehr überzeugend wirkt. Ich möchte manche, die heute glauben in zukunftsträchtiger Laune frohlocken zu sollen, an die Geschichte eines Gesetzes erinnern, das auch vor den Bundestagswahlen beschlossen worden ist, nämlich das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz,
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das nachher die bekannten Hürden zu überwinden hatte
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- ja, vom ganzen Hause - und das von einem, der auch heute in diesem Hause keine kleine und unmaßgebliche Rolle spielt, von Herrn Schäffer, nachher doch ein wenig in seinem Lauf behindert worden ist.
Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen gestehen: man hat hier den Eindruck einer geisterhaften Unwirklichkeit. Ich muß auch sagen, ich kann es schwer zusammenkombinieren, daß vorhin dieselben Hände, die jeder Steuersenkung und jedem Antrag, der darauf gerichtet ist, Beifall gespendet haben, nachher dem Bundesfinanzminister bei seinem doch sehr stark einschränkenden deutlichen Appell zum Maßhalten genau denselben Beifall gespendet haben.
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- Doch! In diesem Falle haben wir es ihm gedankt!
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- Das soll man ruhig sagen. Aber es liegt die reale Situation vor uns, daß wir die Anträge, die hier gestellt werden, in den Ausschüssen beraten und daß sie dann irgendwie ihren Lauf nehmen werden. Deswegen dazu einige wenige Worte.
Der Frage der Förderung der Kreditgemeinschaften auf den verschiedensten Steuergebieten, also diesem Sammelantrag der Koalition, stehen wir in der Tendenz wohlwollend gegenüber, wobei wir unterstellen, daß es sich dabei um Organisationen des kleinen und des kleineren Mittelstandes handeln wird.
Ein Wort zur Frage der Umsatzsteuer. Wir haben im einzelnen nichts dagegen, obwohl das Argument der Preissenkung, das auch in der öffentlichen Diskussion darum angeklungen ist, doch sehr wenig stichhaltig zu sein scheint, wenn man überlegt, daß in der großen Masse, die ja immer den Umsatz - wie man mit einem landläufigen Wort sagt - ausmacht, so kleine Beträge herauskommen, daß sie sich praktisch gar nicht auswirken können. Es wäre hier an eine geradezu anekdotenhafte Begebenheit zu erinnern, die an die letzte Zuckersteuersenkung angeknüpft wurde. Die Zuckerverarbeitende Industrie soll gesagt haben: also wir können nur einen Pfennig Preisabschlag bei den Süßwaren, bei den Bonbons usw. herauswirtschaften; das kann man nicht durchführen; deswegen werden wir die Qualität verbessern.
- Die Qualität um einen Pfennig verbessern! Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn
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man sich das überlegt, sieht man, wie schwierig das in der Auswirkung ist. Ich glaube, daß man vielleicht einem anderen Effekt, wenn er auch in diesen Umsatzsteueranträgen nicht gewollt sein mag, dem Effekt nämlich, daß diese Maßnahmen zu einer Entlastung des kleinen Einzelhandels und der kleineren mittelständischen Gewerbebetriebe auf dem flachen Land führen könnten, durchaus zustimmen könnte.
Wir haben da die Frage der Verbrauchsteuern.
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- Nein! Wir haben auf der Tagesordnung - das habe ich vergessen zu sagen - die Frage der Verbrauchsteuern, die die SPD und früher, glaube ich, auch die FDP hier ins Gespräch gebracht hat.
Nun, es ist irgendwie die Tragik dieser ganzen Dinge, daß gerade - man kann das auch heute oder gerade heute sagen - die unsozialen Verbrauchsteuern dem Bund allein zufließen, während die - cum grano salis gesprochen - doch irgendwie auf sozialen Grundsätzen aufbauenden oder für die Zukunft aufbauenden Einkommen-und anderen Besitzsteuern mit den Ländern geteilt werden müssen, so daß der Bund, der nach dem Grundgesetz das Schwergewicht der sozialen Aufgaben zu tragen hat, im Falle einer positiven Erledigung dieser Anträge sich selbst verkürzen muß. Die Dimensionen, um die es sich handelt - die unverbindlichen Schätzungen bei Tee belaufen sich auf 14 Millionen und bei den Leuchtmitteln auf 26 Millionen -, wären zu verschmerzen und zu verkraften. Anders sieht es schon aus bei der Kaffeesteuer, wo der zu vermutende Steuerausfall 350 Millionen ausmacht und damit eben schon ein wenig an den Nerv rührt, an den zu rühren ich vorhin versucht habe. Trotzdem meinen wir, daß der Gesichtspunkt, der Kaffee sei ein Luxus, den man deshalb wie alle anderen Luxus- und Genußmittel besonders besteuern könne, falsch ist. Außerdem sind wir der Auffassung, daß, soweit Kaffee von dem kleinen Mann heute nicht schon getrunken wird, wir den kleinen Mann dann eben in die Lage versetzen müssen, ihn trinken zu können. Das ist nicht so paradox, wie es auf den ersten Augenblick klingen mag. Ich kenne Menschen, die mir das gesagt haben,_ sehr arme Menschen, ältere Menschen vor allem, die manchmal auf eine Mahlzeit verzichten, um sich dafür am Sonntag eine Tasse Kaffee kaufen zu können. Man sollte diese Gesichtspunkte nicht übersehen.
Was die Frage des „ Notopfers" betrifft, nun ja, so gut wir uns sonst vertragen mögen, hier weichen wir von der Meinung der SPD etwas ab. Die Argumente des hochverehrten Kollegen Dr. Gülich in Ehren. Ich muß aber gestehen, ich hatte auch ein wenig an die Möglichkeit einer Verärgerung gedacht angesichts der auch von uns abgelehnten und auch uns unangenehm bewegenden Haltung der CDU/CSU bei dem Versuch der SPD, das Überleitungsgesetz so zu ändern, daß für das „Notopfer Berlin" wirklich eine echte Zweckbindung erreicht würde und ein Mißbrauch - man kann es schon so nennen - und eine Degradierung zum allgemeinen Deckungsmittel vermieden würde. Wir glaubten jedoch, daß man angesichts der optischen, der moralischen Bedeutung und angesichts der Notwendigkeit, in der gesamten Bevölkerung das Bewußtsein aufrechtzuerhalten, für Berlin
etwas tun zu müssen, den Weg der vollkommenen Abschaffung des „Notopfers Berlin" nicht gehen sollte. Soweit in der Tat Mängel im System bestehen, die Herr Dr. Gülich sehr zutreffend angesprochen hat, wird die Regierungsvorlage, die im selben Augenblick auf dem Tisch des Hauses liegt, die Möglichkeit geben, in der Beratung und durch Änderungsanträge den berechtigten Bedenken zum Zuge zu verhelfen.
Nun zum Kern der Einzelanträge, zu den Einkommensteuergesetzen. Durch die Anträge sowohl der Koalition als auch der Opposition sind viele positive Punkte in die Diskussion eingeführt worden. Ich möchte mich nicht im einzelnen darüber verbreiten.
Ich weiß nicht, ob die zahlreichen detaillierten Anträge auf die Erweiterung der Sonderausgaben
- im Gegensatz zu den erhöhten Pauschbeträgen
- eine sehr breite, streuende Wirkung haben. Ich glaube auch nicht, daß einige Möglichkeiten der Erweiterung des 33 a, also die Frage des erleichterten Haltens von Hausgehilfinnen usw. - wir wissen, wie die Situation auf diesem Gebiete heute ist -, allzusehr in die Breite wirken werden.
Aber es gibt auf allen Seiten positive Züge, so vor allem der Antrag der SPD zu § 19, durch einen allgemeinen Freibetrag von 600 DM eine gewisse erweiterte Möglichkeit zu schaffen, ferner die Herabsetzung der Altersgrenze für die Altersfreibeträge. Ich erwähne ferner die grundsätzliche Bitte an das Haus, das Mindestalter für die Einstufung in die Steuergruppe II herabzusetzen, einen Antrag, auf dem wir - ich darf das nebenbei bemerken - in den Unterschriften die Namen
Dehler und Fraktion" sowie „Ollenhauer und Fraktion" und „Dr. Mocker und Fraktion" und nicht „Dr. Dehler und Fraktion" und „Dr. Schneider ({10}) und Fraktion" auf einem Blatt gefunden haben. Es gibt weitere positive Punkte: Erweiterung der Freibeträge für Ehefrauen, für Kinder. Das soll anerkannt werden.
Ich möchte ausdrücklich dafür danken, daß in diesem Fall seitens der Koalition dem Wunsche, die §§ 7 a und 7 e in ihrer Geltung um vier Jahre zu verlängern - ein zweifellos wichtiges Anliegen der Vertriebenen und ähnlicher zu privilegierender Bevölkerungskreise - Rechnung getragen worden ist. Vielleicht ist es in der Hast der Vorbereitung entgangen, daß dahinein nach dem System und nach der wirtschaftlichen Notwendigkeit natürlich auch der § 10 a gehört. Wir haben uns erlaubt, einen entsprechenden Antrag zu unterbreiten.. Auf den verschlungenen Wegen dieses Hauses ist er heute noch nicht bis hierher gelangt. Ich wollte ihn bei dieser Gelegenheit ankündigen, und ich hoffe auf die Unterstützung der Damen und Herren, da hierdurch nur eine Lücke im System geschlossen würde, die zu schließen notwendig ist. Die Untersuchungen des Bundeswirtschaftsministeriums haben eindeutig ergeben, daß bei diesen Betrieben eine Blutarmut vorliegt und daß von einem gleichen Start - mehr wird nicht verlangt - mit gleichen Möglichkeiten, auch Schwächen und Krisen auszuhalten, nicht gesprochen werden kann, wenn nicht auf diesem Gebiet wiederum ein Nachholen erfolgt.
Bei der linearen Senkung sind wir nicht einer Meinung mit der Koalition, und wir sprechen uns hier ausdrücklich für die Auffassung der SPD aus. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist
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nicht angenehm, Steuern zu zahlen. Wer wollte behaupten, daß ihm das Vergnügen bereite! Aber wir leben in einer Zeit, in der wir auf der einen Seite bei soundso viel Fragen eben hören: das Geld ist nicht da, und in der auf der andern Seite soviel von der Gerechtigkeit gesprochen wird die wir bei der linearen Senkung kaum verwirklichen würden! Denn für ungleiche Voraussetzungen Gleiches zu schaffen heißt noch nicht, Gerechtigkeit zu verwirklichen,
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sondern Ungleichheit zu verstärken oder zu versteinern.
Man mag sich das einmal so vorstellen. Es besteht nicht die unbedingte Notwendigkeit, da sonst etwa die Welt einstürzen würde, den Plafond von 55 % auf 52 % zu senken, also einen Steuerzahler von einem Einkommen von 1 Million DM - es gibt deren nicht allzu wenige in der Bundesrepublik Deutschland - um 30 000 DM zu entlasten. Dabei würde übersehen, daß er ja immer noch 480 000 DM vom Einkommen behält. Die absoluten Größen, an die die Progression heranreicht, dürfen nicht so einfach abgetan oder übersehen werden.
Unsere Meinung ist es überhaupt, daß bei dem Kuchen, den es zu verteilen gilt, die Rosinen nicht denen gereicht werden sollten, für die das am opportunsten erscheint, sondern denen - wenn hier überhaupt von Rosinen gesprochen werden kann -, bei denen die soziale Dringlichkeit, von der wir sonst sprechen, es eben erfordert.
Wir werden uns an der Überweisung all dieser Anträge und an der Ausschußberatung beteiligen
in der ernsten Absicht, daß man einen Grundsatz - der Begriff „Gerechtigkeit" ist heute schon so viel strapaziert worden - wirklich einmal in den Alltag hineinführen sollte, der mit diesen Steuergesetzen gestaltet wird: „Gerechtigkeit erhöhet ein Volk."
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Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bekenne, der Abgeordnete zu sein, der auf seine Wortmeldung nicht verzichtet hat. Es scheint mir gegen das parlamentarische Stilgefühl zu gehen, wenn man dem Herrn Bundesfinanzminister, der das Parlament zum Maßhalten auffordert, nicht widerspricht, wenn er selbst nicht Maß hält; oder, um mit dem Herrn Bundesverteidigungsminister zu sprechen: „Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers können nicht so im Raume stehen."
Der Herr Bundesfinanzminister sagte, es sei Sache der Antragsteller, Deckungsvorschläge einzureichen. Wir brauchen hier keine Deckungsvorschläge zu machen. Denn die Deckung ist längst durch überhöhte Steuern und durch die Hortungspolitik des Herrn Bundesfinanzministers erfolgt; die Deckung ist vorhanden. Der Herr Bundesfinanzminister hat hier einen Standpunkt vertreten, den das Bundesverfassungsgericht längst als verfassungswidrig zu den Akten gelegt hat. Nach dem neuen ,§ 96 der Geschäftsordnung hat der Haushaltsausschuß darüber zu beraten; er wird es tun.
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Zu seinen Darlegungen über die Kassenbestände möchte ich folgendes sagen. Es interessiert hier nicht der Besatzungskostenüberhang und der Stationierungskostenüberhang. Beide werden abgerufen; das ist klar. Es interessiert jedoch der Überhang aus den Verteidigungskosten, die für das Jahr 1955 mit 5208 Millionen DM angesetzt waren. Nun hat der Herr Bundesfinanzminister Anfang März in seiner Hamburger Rede ausdrücklich gesagt, daß der Herr Bundesverteidigungsminister von diesen 5208 Millionen DM im laufenden Jahr, also bis zum 31. März 1956, nur 200 Millionen ausgeben könne, daß also runde 5000 Millionen DM noch da seien. Er hat heute aber so getan, als ob die Mittel aus den Vorwegbewilligungen bereits ausgegeben seien. Worüber verfügt ist, aber als Kassenbestand noch da ist, steht aber hier durchaus noch zur Debatte. Wir wollen einmal sehen, wann und in welchem Zeitraum die 5000 Millionen ausgegeben werden können. Denn für das Jahr 1956 stehen ja im Einzelplan 14 als Verteidigungsausgaben schon wieder 8767 Millionen, die im Jahre 1956 beim besten Willen auch nicht ausgegeben werden können, so daß am 31. März 1957 der „Juliusturm" - um bei diesem netten Ausdruck zu bleiben - weiterhin prall angefüllt sein wird.
Zu den weiteren Bemerkungen. Die Steuermehreinnahmen von mindestens 1300 Millionen sind ja da, und man muß außerdem, wenn man sagt, man habe das Steueraufkommen immer richtig eingeschätzt, ein paar Anmerkungen dazu machen, z. B. die folgende. Wenn ich in den Bundeshaushalt einen Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 40 % einsetze, aber genau weiß, daß ich keine 40 bekomme, oder wenn ich früher 42 % eingesetzt habe, aber genau gewußt habe, daß sie nicht realisierbar sind, dann müßte man bei der 1 Gesamtrechnung zunächst einmal diese irrealen Steuerschätzungen wie auch die Beförderungsteuer absetzen und sich auf die anderen Steuern konzentrieren. Dann zeigt sich ja, daß dieses Steueraufkommen ganz erheblich größer ist, als es geschätzt worden war.
Nun ein paar kurze Bemerkungen zu Dingen, die der Herr Bundesfinanzminister nicht gesagt hat, aber in diesem Zusammenhang hätte sagen müssen. Der Herr Bundesfinanzminister verwendet auf Grund seiner Politik der vollen Kassen seit einigen Jahren nach meiner Überzeugung gegen die klaren Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung, die dem Sinne nach nur die Verwendung für kleinere Reste durch den Bundesfinanzminister vorsieht, gewaltige überschießende Beträge zur Deckung des außerordentlichen Haushalts, - gegenüber aller Sitte in aller Welt. Wozu machen wir eigentlich noch eine Unterscheidung zwischen ordentlichem und außerordentlichem Haushalt, wenn der Herr Bundesfinanzminister den außerordentlichen Haushalt nicht durch Anleihen bedient, sondern aus ordentlichen Steuermitteln deckt?
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- Es handelt sich hier nicht um Sparsamkeit oder Nichtsparsamkeit; hier handelt es sich zunächst einmal um eine richtige Betrachtung der Fakten, und es gehört zur richtigen Betrachtung, daß man das Aufkommen, welches zur Bedienung des ordentlichen Haushalts da ist, nicht zum außerordentlichen Haushalt verwendet. Im Haushaltsplanentwurf für 1956 stehen ja auch wieder vermögenswirksame Ausgaben in Höhe von rund 1600 Millionen, die man
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sonst im ordentlichen Haushalt unterzubringen hätte.
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- Die Unterscheidung ist problematisch, und die Wohnungsbaumittel haben deswegen eine besondere Rolle im Haushalt, weil wir einen überhöhten Wohnungsbedarf dadurch haben, daß die Wohnungen im Kriege kaputtgeschmissen worden sind. Das verändert in bezug auf die Wohnungsbaumittel die Situation, aber nicht in bezug auf alle übrigen vermögenswirksamen Bauten. Sie können es ja überall nachsehen; Sie wissen es ja, Herr Niederalt, genau so gut wie ich.
Und nun ein Weiteres: die Politik der Haushaltsreste. Die werden in den Vorbemerkungen, die wir seit wenigen Jahren erfreulicherweise haben, ja auch immer ausgewiesen. Aber bei den Beratungen im Haushaltsausschuß haben wir bei den einmaligen Ausgaben, die ja haushaltsmäßig übertragbar sind, und bei den allgemeinen Ausgaben, die durch besonderen Vermerk übertragbar sind, niemals neben den Ist-Ausgaben des Vorvorjahrs die noch vorhandenen Haushaltsreste. Die müßte man aber immer haben, um die Beratung richtig durchführen zu können. Nun, es ist ziemlich einfach, sich eine Reihe von Haushaltsresten zu errechnen, die unter keinen Umständen mehr in Anspruch genommen werden; sie sind aber da. Man kann hier mit einer runden Summe von 1300 Millionen DM rechnen, die aus Haushaltsresten herangezogen werden können.
Weiter: Die Ausgabenerhöhungen für 1956 von 4300 Millionen DM - eine wahrhaft erschreckende Zahl! - sind ja noch nicht beschlossen, und es wird sich in Wirklichkeit zeigen, daß diese Summe für das Jahr 1956 gar nicht so hoch sein kann, wie sie hier angegeben wird.
Interessanterweise hat der Bundesfinanzminister nichts vom Notopfer und meiner Kritik am Notopfer gesagt. Aber, Herr Kollege Wellhausen, der Unwillen über das, was wir in all den Jahren, insbesondere wieder vor wenigen Wochen bei der Behandlung des Dritten Überleitungsgesetzes erfahren haben, könnte uns niemals veranlassen, einen so weitgehenden Antrag einzubringen. Ich habe auch vom Unwillen, der mich im übrigen durchaus - ich will das nicht verhehlen - in bezug auf das Notopfer Berlin auch beseelt, kein Wort geäußert und nichts merken lassen. Der Unwille hat allenfalls meine persönliche Bereitschaft, mich für die Abschaffung des Notopfers Berlin einzusetzen, noch etwas unterstrichen, aber keineswegs begründet. Die Mahnung von Herrn Wellhausen, rasch an die Arbeit zu gehen, würde ich ebenfalls begrüßen, aber nach dem heute mitgeteilten Plan des Ältestenrats stünden für Finanzausschußsitzungen - ich muß das einmal ganz offen sagen - im Mai nur drei Tage zur Verfügung, nämlich Sonnabend, der 5. Mai, Montag, der 7. Mai, und Freitag, der 11. Mai. Das ist ein Tag nach Himmelfahrt. Ich muß schon sagen: für die Behandlung so wichtiger Anträge ist das äußerst mager.
Der Herr Bundesfinanzminister droht immer mit großen Zahlen, und es würde auch, glaube ich, auf uns Eindruck machen, wenn wir nicht diese großen Zahlen nun seit Jahren immer hätten anhören müssen und wenn wir nicht erfahren hätten, daß Schäffers große Zahlen gar nicht so realistisch sind,
wie hier behauptet wird. Sicher müssen Parlamente manchmal gemahnt werden, Maß zu halten, aber ich habe den Eindruck, daß das Parlament diese Mahnung an den Herrn Bundesfinanzminister zurückgeben sollte. Er hat seinen Aufsatz im Bulletin vom 5. April 1956 „Maßhalten! - Maßhalten!" überschrieben. Er hat heute mit dem wiederholten Appell „Maßhalten! -- Maßhalten!" geschlossen. Ich gestatte mir deshalb zu erwidern: Maßhalten, Herr Kollege Schäffer! - Maßhalten, Herr Bundesfinanzminister!
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Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich bekenne mich schuldig, zu denen zu gehören, die nicht auf das Wort verzichtet haben, weil ich einfach der Ansicht bin, daß das Parlament nicht dazu da ist, Zeit zu sparen, sondern so wichtige Anliegen, wie wir sie heute besprechen, auch ausgiebig zu erörtern.
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Trotzdem will ich mich kurz fassen und insbesondere nicht auf das Zahlenbild eingehen, das uns der Herr Bundesfinanzminister gegeben hat. Ich bekenne offen, daß ich das auch gar nicht könnte - das werden die Wissenschaftler der Institute tun, die sich schon seit Jahren mit den Zahlen ernsthaft befassen, die der Herr Bundesfinanzminister seinerseits vorträgt. Ich glaube, mich aus der Vergangenheit zu erinnern, daß mindestens gelegentlich das Richtige mehr auf seiten der Ergebnisse dieser Institute gelegen hat. Aber wir sollten entsprechend dem, was Kollege Schmücker heute mittag einleitend gesagt hat, die Steuerfragen nicht isoliert betrachten. Ich glaube, wir sind gezwungen, uns einmal zu überlegen, ob das, was wir jetzt machen, auch wirtschaftspolitisch richtig ist. Ich möchte meinen, daß es in der gegenwärtigen Situation der Überlegung bedürfte, ob es nicht - wenn überhaupt eine Entscheidung getroffen werden muß -wesentlich wichtiger ist, kapitalbildende Maßnahmen durchzuführen, als z. B. den Konsum weiter anzureizen, nachdem wir doch vor nicht allzu langer Zeit von einer Überhitzung der Konjunktur gesprochen haben.
Wir Freien Demokraten bedauern sehr, daß die Anträge, die in ihrem Kern ja nun schon reichlich ein halbes Jahr alt sind, erst heute zur Diskussion kommen. Inzwischen hat sich doch der „Kuchenausschuß", den der Herr Bundesfinanzminister merkwürdigerweise mit keinem Wort erwähnt hat, also ein Ausschuß seiner Parteifreunde, der ,,Kuchen-ausschuß" der CDU, der in der Öffentlichkeit sehr viel von sich reden gemacht hat, mit diesen Fragen befaßt. Man darf doch annehmen, daß dem Herrn Bundesfinanzminister das nicht entgangen sein kann.
Der Finanz- und Steuerausschuß wird sich nun, wenn auch in der zeitlichen Bedrängnis, die Kollege Gülich eben ,erwähnt hat, in den nächsten Wochen und Monaten mit den heute gestellten Anträgen befassen und seine Entscheidungen treffen müssen. Ich möchte an die Mitglieder dieses Ausschusses appellieren, sich der Tatsache bewußt zu werden, daß es jetzt wichtiger ist, in den Wirtschaftszweigen, denen der Wiederaufbau bisher nicht so gut ermöglicht worden ist, werbendes Kapital zu schaffen, aus dessen Ertrag wir dann wie({1})
1 der unsere künftigen Ausgaben werden bestreiten müssen. Wir dürfen doch davon ausgehen, daß wir mit den vielfältigen steuerlichen und anderen gesetzlichen Maßnahmen - ich denke z. B. an die D-Mark-Bilanzgesetze -, die wir in den vergangenen Jahren für die Industrie und die entsprechenden Wirtschaftsbereiche getroffen haben, das Ziel erreicht haben, das uns vorschwebte, nämlich diesem Teil der Wirtschaft den Wiederaufbau zu ermöglichen. Vielleicht sind wir hie und da sogar ein wenig über dieses Ziel hinausgeschossen.
Aber damit ist der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft keineswegs schon vollendet. Es gibt eine ganze Reihe von anderen Wirtschaftszweigen
ich brauche nur an die mittelständischen Zweige, an Handwerk und Handel, zu denken -, denen es zwar nicht schlecht geht - das wollen wir nicht sagen; das nehmen wir auch den Verbänden nicht ab; das wäre nicht wahr, sie haben ihren Anteil an der Konjunktur -, denen es aber bisher nicht möglich gewesen ist, die Basis wiederaufzubauen, die ja doch erst die Sicherheit verleiht, daß diese Konjunktur nicht ganz plötzlich einmal umschlagen kann.
Deshalb scheint es mir wichtig, sich heute über die Richtung, in die die Maßnahmen gehen sollen, klarzuwerden. Diese Maßnahmen sollten also nach Meinung der Freien Demokraten mehr in Richtung der Kapitalbildung als in Richtung der Konsumförderung gehen. Sie sollten außerdem das begonnene Werk des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft dort fortsetzen, wo dieser Ausbau bisher noch nicht möglich war. Die vielerlei Maßnahmen, die der Industrie und den großen Betrieben zugute gekommen sind, waren richtig; denn es ging darum, Arbeitsplätze zu schaffen, das Sozialprodukt zu ) erhöhen. Aber heute wäre es meiner Ansicht nach doch an der Zeit, daran zu denken, daß den anderen Wirtschaftsbereichen allmählich die gleiche Startmöglichkeit verschafft werden muß. - Sie schütteln den Kopf, Herr Kollege Pelster; aber denken Sie doch daran, daß draußen in recht weiten Bereichen eine gewisse Müdigkeit gegenüber unserer Marktwirtschaft spürbar wird. Manchmal hat man sogar schon Sorge, ob nicht auch der Herr Wirtschaftsminister schon von dieser Müdigkeit angesteckt ist.
Wir müssen dem begegnen. Der Kern dieser Krise liegt meiner Ansicht nach - ich glaube mich da mit meinen Freunden einig - nicht so sehr in einer Scheu vor der Wettbewerbswirtschaft, sondern darin, daß es diesen Kreisen eben noch an der Startmöglichkeit, an der gleichen Wettbewerbsmöglichkeit fehlt. Und wenn wir jetzt steuerliche Maßnahmen ins Auge fassen, dann sollten wir diese Bereiche berücksichtigen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Lindrath.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur noch ein paar kurze Worte zu den Ausführungen, die mein verehrter Kollege Herr Professor Gülich vorhin hier gemacht und in denen er Kritik an dem Appell des Herrn Bundesfinanzministers geübt hat. Er hat darauf hingewiesen, daß wir uns bezüglich der Deckung nicht allzuviel Sorge zu machen brauchten, da einmal aus überhöhten Steuereingängen
eine Deckung vorhanden sei und zum andern eine erhebliche Kassenfülle festzustellen sei.
Soweit Steuereingänge mehr ergeben, als zur Deckung der Ausgaben erforderlich ist, stehen diese Mehreingänge selbstverständlich zur Verfügung und sollen auch zu Ausgabeerhöhungen auf dem Gebiete des Sozialwesens, auf dem Gebiete des Agrarwesens Verwendung finden. Auch können Einnahmesenkungen durch Steuersenkungen vorgenommen werden. Hierzu hat der Herr Bundesfinanzminister bei der Vorlage seines Haushaltsplanes bereits den ersten Anstoß gegeben. Er hat das zu erwartende Mehraufkommen an Steuermitteln auch tatsächlich bereits eingeplant.
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Der Hinweis auf die Kassenfülle geht unseres Erachtens fehl. Herr Kollege Gülich, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß man einen sehr genauen Unterschied zwischen dem ordentlichen und dem außerordentlichen Haushaltsplan machen muß. Ihnen ist aber sicherlich auch bekannt, daß der außerordentliche Haushaltsplan nach der Theorie durch Anleihen gedeckt werden soll, und Sie wissen auf der andern Seite, daß diese Anleihen nicht oder nur schwer beschafft werden können, jedenfalls nicht in dem Ausmaß, wie es tatsächlich erforderlich ist, Herr Kollege Gülich.
Andererseits sind im außerordentlichen Haushaltsplan Aufgaben ausgewiesen, die unbedingt erfüllt werden müssen. Ich denke hier an den Straßenbau, ich denke an die Wohnungsbaumittel, wie vorhin schon durch Zwischenruf bemerkt worden ist.
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- Richtig! Also diese Trennung zwischen dem ordentlichen und dem außerordentlichen Haushaltsplan ist bekannt, und sie muß beachtet werden. Aber wie sollen denn die Dinge letzten Endes gemeistert werden, wie sollen die Wohnungen gebaut werden, wie soll der Straßenbau durchgeführt werden, wenn eben die Mittel, die an sich rein theoretisch gesehen im ordentlichen Haushaltsplan eingehen, nicht nachher auch für den außerordentlichen Haushaltsplan Verwendung finden? Ich möchte fast sagen: Hier liegt der Knüppel beim Hund. Wenn wir tatsächlich den Wohnungsbau durchführen wollen, müssen wir eben die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, in Anspruch nehmen., wobei Meinungsverschiedenheiten - das gebe ich Ihnen zu - darüber entstehen können, ob diese Inanspruchnahme der Mittel durch die Regierung allein oder nach Rücksprache mit dem Parlament erfolgen soll. Hierüber ließe sich diskutieren.
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- Das steht auf einem anderen Blatt, selbstverständlich! Aber das Schuldenmachen einer öffentlichen Körperschaft, Herr Kollege Dresbach, ist immer noch anders zu beurteilen als das Schuldenmachen eines Privatmannes.
Man kann aber eine Steuersenkungsaktion nicht ohne weiteres auf Kassenbestände abstellen. Die Kassenbestände haben hier schon einen Sinn, nämlich den, eine gewisse Stockung in den Ein({3})
gängen der Steuern zu überbrücken, wenn man die Steuern senkt. Aber die Steuersenkungsmaßnahmen müssen ja haushaltsmäßig in der Soll-Rechnung echt gedeckt werden und können nicht endgültig in der Ist-Rechnung gedeckt werden.
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Eine Zwischenfrage?! Dr. Lindrath ({0}): Bitte schön!
Herr Kollege Lindrath, würden Sie die Freundlichkeit haben, auf den Teil meiner Ausführungen einzugehen, in denen ich von den 5000 Millionen nicht verbrauchten Verteidigungsausgaben aus dem Jahre 1955 und dem Einsetzen von weiteren 8767 Millionen für das Jahr 1956 gesprochen habe!? Sind Sie nicht der Meinung, daß das nicht einfach Kassenbestände von der Art der Stationierungskosten- und Besatzungskostenüberhänge sind, sondern nicht verbrauchte Steuermittel, die volkswirtschaftlich anders eingesetzt werden sollten?
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Herr Kollege Gülich, ich hatte die Zahlen, wie Sie sie vorhin nannten, notiert; ich war gerade dabei, darauf einzugehen. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß der Inhalt des sogenannten Juliusturms je nachdem, ob es sich um Überhänge aus den Besatzungskosten oder aus den Stationierungskosten handelt, verschieden zu beurteilen ist. Ich glaube, insoweit sind wir einig: diese Überhänge können nicht in Anspruch genommen werden, weil wir allein nicht das Verfügungsrecht darüber haben. Soweit jedoch die Überhänge aus allgemeinen, nicht verbrauchten Ausgabemitteln des Haushaltsplanes, in diesem Fall des Verteidigungshaushalts, sind, haben wir ein Verfügungsrecht darüber; das Ist richtig. Aber diese Mittel sind ja in der vollen Höhe zunächst nicht vorhanden. Hier muß ich an Sie wieder den Appell richten, in den Angaben von Zahlen Maß zu halten. Sie haben uns gleich 14 Milliarden vorgerechnet, tatsächlich sind gegenwärtig nur 5,2 Milliarden vorhanden.
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- Nein, das haben Sie nicht gesagt; aber ich habe addiert: 5,2 Milliarden plus 8,7 Milliarden, die noch im nächsten Jahr hinzukommen, sind nach Adam Riese 13,975 Milliarden, und ich habe mir erlaubt, auf 14 Milliarden aufzurunden. So war das gemeint. Ich gebe nur das wieder, was Sie gesagt haben.
Ich bin der Auffassung, daß wir diese Mittel selbstverständlich in einem gewissen Umfang gebrauchen können, und habe ja auch gesagt: um die Dinge zu überbrücken, müssen wir tatsächlich auch solche Mittel in Anspruch nehmen. Der Herr Bundesfinanzminister hat von dieser Stelle soeben ausgeführt, daß er das bereits getan hat. Er sagt, wenn er alle Mittel für Besatzungskosten und für Stationierungskosten heute auf den Tisch des Hauses legen muß, dann sind im Juliusturm nicht mehr die Beträge, die rein theoretisch darin sein müßten, wenn alle Verteidigungsausgaben oder die im Verteidigungshaushalt angegebenen Ausgaben noch im Juliusturm vorhanden wären.
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- Ich habe Sie so verstanden, und so haben Sie eis sicherlich auch gemeint: Sie haben einen Zweifel, ob er die 5,2 Milliarden, die jetzt vorhanden sind, und die aus dem kommenden Haushaltsplan zu erwartenden, also die rund 14 Milliarden, wirtschaftlich überhaupt ausgeben kann.
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- Schön! Er kann sie teilweise in Anspruch nehmen, aber er kann sie nicht zu Steuersenkungsmaßnahmen echter Art in Anspruch nehmen. Darüber dürften wir uns einig sein. Er kann damit überbrücken.
Das ist auch der Grund für die hier wiederholt gegebene Kritik bezüglich der Zweijahresfrist. Hier muß ich auch Herrn Kollegen Seuffert widersprechen. Diese Zweijahresfrist ist doch nicht so zu verstehen - das steht in unserem Antrag auch nicht drin -, daß nach zwei Jahren automatisch der alte Zustand wieder eintritt. Die Zweijahresfrist ist vielmehr aus folgendem Grunde vorgesehen - und das hat der Herr Bundesfinanzminister auch ausdrücklich betont -: Wenn wir unsere Wünsche durchsetzen, über die wir uns ja im Grundsätzlichen, von einzelnen Dingen abgesehen, einig sind, dann müssen wir die Mittel des Juliusturms in Anspruch nehmen. Auf die Dauer läßt sich aber die Steuersenkung nur durchführen, wenn sie haushaltsmäßig sichergestellt ist. Deswegen ist diese Zweijahresfrist vorgesehen, die keine automatische Wiederherstellung des alten Zustandes nach Ablauf dieser Zeitspanne bedeutet, sondern nur zu erkennen gibt, daß wir als Gesetzgeber heute noch nicht übersehen können, wie die Dinge in zwei Jahren sind. Wir müssen gegebenenfalls neue Beschlüsse fassen. Sie haben ja selber vorhin von den Terminen von Steuergesetzen gesprochen, und Sie wissen auch ganz genau, daß solche Termine nicht sehr ernst zu nehmen sind. Sie haben es allerdings in einem andern Sinne gesagt; Sie haben gesagt: als wir das Notopfergesetz beschlossen haben, waren drei Monate vorgesehen, inzwischen ist das Kind acht Jahre alt geworden. Nun, wenn wir hier zunächst zwei Jahre vorsehen, so möchte ich im Interesse der deutschen Staatsbürger hoffen und wünschen, daß diese Senkung dann auch entsprechend älter wird.
Worauf ich hinauskommen wollte, Herr Kollege Gülich: Den Appell des Maßhaltens, meine Damen und Herren, den der Herr Minister an uns gerichtet hat, halte ich für durchaus berechtigt. Wir wollen aber auch in der Kritik maßhalten, und wir wollen maßhalten bei den Beratungen im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Wir wollen uns alle dafür einsetzen, daß wir im Rahmen der vorhandenen Mittel, die wir so weit als irgend möglich anspannen wollen, für den Steuerzahler zum Wohle aller Staatsbürger das Günstigste herausholen, wobei keinerlei Interessengruppen vorgezogen werden sollen. Aber wir wollen dabei nicht vergessen, daß es unsere Pflicht ist, auch an die Ordnung der Finanzen und die Aufrechterhaltung der Stabilität der Währung zu denken.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Appell zum Maßhalten hat offenbar gewirkt.
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- Wie ist das zu verstehen?
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- Bis zum Oktoberfest dauert es doch noch eine Weile; das kann damit nicht gemeint sein.
Wir kommen nun zu der schwierigen Aufgabe, die Ausschüsse zu bestimmen, an die die einzelnen Anträge überwiesen werden.
Zunächst einmal die Vorlage unter Punkt 4 a. Der Ältestenrat schlägt vor Überweisung an den Finanz- und Steuerausschuß sowie an den Haushaltsausschuß, federführend: Finanz- und Steuerausschuß. Einverstanden?
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4 b: an Finanz- und Steuerausschuß und an Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes sowie Haushaltsausschuß, federführend: Finanzausschuß.
- Einverstanden.
4 c: Überweisung an den Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen als federführenden Ausschuß, Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes, Haushaltsausschuß und Ausschuß für Kommunalpolitik. - Einverstanden.
4 d: Überweisung an den Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß. - Einverstanden.
4 e: Überweisung an den Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen - federführend - und an den Haushaltsausschuß. - Einverstanden.
4 f: dieselben Ausschüsse.
4 g: dieselben Ausschüsse.
4 h: dieselben Ausschüsse.
4 i: dieselben Ausschüsse.
4 j: dieselben Ausschüsse.
Der Antrag unter Punkt 4 k) ist heute erst eingebracht worden. Infolgedessen konnte sich der Ältestenrat über eine Überweisung noch nicht schlüssig werden. Die Fraktion der FDP ist mit der Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Haushaltsausschuß einverstanden? - Der Antrag unter Punkt 4 j) soll dagegen - ich berichtige das - nur an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen werden. Das Haus ist mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Dann ist es so beschlossen.
Ich rufe als letzten Punkt der heutigen Tagesordnung den Punkt 6 auf:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({5}) ).
Das Haus ist mit diesem Vorschlag einverstanden.
Ich habe noch bekanntzugeben, meine Damen und Herren, daß Sie gebeten werden, die Drucksachen zu den Punkten 3 und 5 der heutigen Tagesordnung morgen noch einmal mitzubringen, weil diese nicht noch einmal verteilt werden können.
Meine Damen und Herren! Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, den 19. April, vormittags 9 Uhr, und schließe die 140. Sitzung des Deutschen Bundestages.