Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/12/1956

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 139. Sitzung des Deutschen Bundestages. Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich zunächst einige Glückwünsche auszusprechen. Am 24. März ist der Bundesminister Dr. h. c. Blücher 60 Jahre alt geworden, ({0}) am 27. März zu aller Erstaunen der Abgeordnete Dr. Pferdmenges 76 Jahre, ({1}) am 29. März der Abgeordnete Meyer ({2}) 60 Jahre. ({3}) Der Abgeordnete Dr. Luchtenberg hat unter dem 28. März 1956 sein Mandat als Bundestagsabgeordneter niedergelegt. Der Vorstand des Deutschen Bundestages hat gemäß § 52 in Verbindung mit § 51 des Wahlgesetzes die Wirksamkeit der Niederlegung des Mandats am 9. April 1956 beschlußmäßig anerkannt. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 23. März 1956 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt: Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Abkommen vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt und die Annahme der Vereinbarung vom 7. Dezember 1944 über den Durchflug im Internationalen Fluglinienverkehr, Bundeswahlgesetz, Zweites Gesetz zur Änderung des Geschäftsraummietengesetzes. Gesetz zur Ergänzung des Dritten D-Markbilanzergänzungsgesetzes. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Gesetz zu dem Abkommen vom 7. Juli 1955 über den Luftverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, Gesetz zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft, Gesetz über die Errichtung des Bundesversicherungsamts, die Aufsicht über die Sozialversicherungsträger und die Regelung von Verwaltungszuständigkeiten in der Sozialversicherung und der betrieblichen Altersfürsorge ({4}), Gesetz über die Lohnstatistik, Fünftes Gesetz zur Änderung des Zuckersteuergesetzes. Der Bundesrat hat weiterhin in seiner Sitzung am 23. März 1956 zum Zweiten Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit verlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Die Gründe hierzu sind in der Drucksache 2261 niedergelegt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 11. April 1956 die Kleine Anfrage 229 der Fraktion der SPD betreffend Freimachung von beschlagnahmten Wohn- und Geschäftsräumen - Drucksache 2079 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2290 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 24. März 1956 die Kleine Anfrage 234 der Abgeordneten Dr. Rinke, Schneider ({5}) und Genossen betreffend kommunistische Infiltration - Drucksache 2182 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2271 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem '7. April 1956 auf die Kleine Anfrage 235 der Fraktion der FDP betreffend Investitionsmittel für die deutsche Flugzeugindustrie - Drucksache 2184 - einen Zwischenbescheid gegeben, der als Drucksache 2278 vervielfältigt wird. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 29. März 1956 die Kleine Anfrage 256 der Fraktion der FDP betreffend Überführung von Mitteln der Industrieverwaltungsgesellschaft mbH., Bad Godesberg, in den Bundeshaushalt Drucksache 2185 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2275 vervielfältigt. ({6}) Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 27. März 1956 die Kleine Anfrage 237 der Abgeordneten Spies ({7}), Höcherl, Frau Dr. Probst, Kahn und Genossen betreffend Gehbehinderte Kriegsbeschädigte - Drucksache 2193 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2264 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat unter dem 28. März 1956 die Kleine Anfrage 238 der Abgeordneten Majonica, Pohl ({8}), Dr. Mende, Petersen, Schneider ({9}) und Genossen betreffend Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz - Drucksache 2221 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2267 vervielfältigt, Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 29, März 1956 die Kleine Anfrage 239 der Fraktion der FDP betreffend Versorgungskasse der Träger der Reichsversicherung - Drucksache 2224 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2272 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 10. April 1956 die Kleine Anfrage 240 der Abgeordneten Bender, Geiger ({10}), Donhauser und Genossen betreffend Kreditpolitische Maßnahmen der Bundesregierung - Drucksache 2241 beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2288 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 7. April 1956 die Kleine Anfrage 241 der Abgeordneten Rösing, Majonica und Genossen betreffend Ortsklassenverzeichnis - Drucksache 2254 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2291 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 24. März 1956 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 131. Sitzung über die Hilfe für die Hochwassergeschädigten in Vilshofen berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2274 vervielfältigt, Der Präsident der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hat unter dem 19. März 1956 gemäß §§ 6 und 9 des Branntweinmonopolgesetzes den Geschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein sowie die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1954/1955 vorgelegt. Der Bericht wird als Drucksache 2259 vervielfältigt. Die gleiche Vorlage hat für seinen Geschäftsbereich der Leiter der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin unter dem 27. März 1956 übersandt, die als Drucksache 2280 vervielfältigt wird. Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein. Es liegt eine interfraktionelle Vereinbarung vor, wonach der Tagesordnungspunkt 3 der gedruckten Tagesordnung zunächst behandelt werden soll. - Es erhebt sich kein Widerspruch. Ich rufe also auf als Punkt 1 der heutigen Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika ({11}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({12}) ({13}). ({14}) Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Kalbitzer. Kalbitzer ({15}), Berichterstatter: Ich verzichte auf die mündliche Berichterstattung und verweise auf den Schriftlichen Bericht.*) Ich bitte dann aber um das Wort zur Diskussion, Herr Präsident.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Haus ist damit einverstanden, daß ohne mündliche Berichterstattung und unter Verweisung auf den Schriftlichen Bericht verhandelt wird. Wir treten ein in die zweite Beratung. Ich rufe auf Art. 1. Herr Abgeordneter Kalbitzer, wollen Sie das Wort schon dazu, oder wollen Sie das Wort erst in der dritten Beratung? ({0}) *) Siehe Anlage 2. - Keine Wortmeldungen. Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist abgeschlossen. Wir treten ein in die dritte Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hierzu hat der Abgeordnete Kalbitzer.

Hellmut Kalbitzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001057, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Freundschaftsvertrag hat naturgemäß seine Probleme; denn er ist abgeschlossen zwischen ehemaligen Siegern und Besiegten. Das ein bißchen zu hochgestochene Phatos dieses Vertrags verdeutlicht eher diese Schwierigkeiten, als daß es sie verdecken würde. Man wird den Eindruck nicht ganz los, daß einige der Formulierungen in ihrer prinzipiellen Tiefe mehr die Hand der amerikanischen als der deutschen Diplomatie verraten. Man muß auch sagen, daß er in einigen Punkten auf eine Phrasenhaftigkeit ausgeht, und zwar in bezug auf die Frage des Schutzes des Privateigentums; denn der betreffende Artikel, der auf frühere Handels- und Freundschaftsverträge zwischen USA und Deutschland zurückgeht, hat nicht verhindert, daß in beiden Weltkriegen das Feindvermögen beschlagnahmt und verwertet worden ist. Allerdings haben wir erlebt, daß der Herr Bundeskanzler vor der Bundestagswahl 1953 laut erklärt hat, daß es ihm gelungen sei, auf Grund seiner guten Beziehungen zur amerikanischen Regierung, insbesondere zu seinem großen Bruder Mr. Dulles, mindestens 100 Millionen Dollar deutschen Vermögens in den Vereinigten Staaten zurückzuerhalten. Diese damalige Behauptung hat sich leider nicht verwirklichen lassen. ({0}) Bis heute sind wir nicht darüber hinausgekommen, daß man zwar Verhandlungen führt, aber keine Ergebnisse hat zeitigen können. Es drängt sich deshalb die Vermutung auf, daß die damaligen Behauptungen vor der Wahl zu ausgesprochenen Propagandazwecken lanciert worden sind. Das ist der wirklichen Lösung des Problems natürlich nicht förderlich gewesen, sondern kann die Fronten nur versteift haben. Der vorliegende Vertrag allerdings gibt der deutschen Seite für die Verhandlungen um die Rückgabe des deutschen Vermögens weitere Stützen, und insofern ist der Vertragsabschluß im Hinblick auf das deutsche Eigentum in den Vereinigten Staaten durchaus zu begrüßen. Er stützt die deutsche Forderung in zwei Punkten: einmal schon in der Überschrift dadurch, daß ja von einem Freundschaftsvertrag gesprochen wird und ein Freundschaftsvertrag natürlich sehr schlecht in die Nachkriegspraxis der Beschlagnahme von Feindvermögen hineinpaßt, zum zweiten in der in diesem Vertrag ausdrücklich garantierten Nichtdiskriminierung, wechselseitig also der Deutschen in den USA und umgekehrt. Ich habe aber gerade in den letzten Tagen erfahren, daß die Amerikaner das deutsche Vermögen als ehemaliges Feindvermögen erheblich schlechter behandeln als Vermögen anderer Mächte, die mit Nazi-Deutschland während des ({1}) zweiten Weltkrieges verbündet waren, der Länder Ungarn, Bulgarien und Rumänien. Diesen drei kleineren Ländern ist das Eigentum im Prinzip zurückgegeben worden, es befindet sich nur insoweit unter Beschlagnahme, als die wirklichen Eigenturner infolge der politisch-ökonomischen Veränderungen im Balkanraum heute physisch nicht in der Lage sind, dieses ihr Eigentum zu übernehmen. Es ist also zugunsten der Privateigentümer beschlagnahmt worden, es ist nicht enteignet. Wenn dem so ist, und zwar mit der ausdrücklichen Begründung der amerikanischen Regierung, daß man sich die Freundschaft und das Vertrauen dieser Menschen auf dem Balkan nicht verscherzen wolle, so ist es zweifellos eine ausgesprochene Diskriminierung, wenn man gegenüber der Bundesrepublik, mit der man gerade einen Freundschaftspakt abschließt, nicht ebenso handelt und also auch hier das Eigentum zurückgibt, wobei noch in Deutschland eben für die Deutschen der Vorteil darin besteht, daß sie zu ihrem großen Glück nicht physisch gehindert sind, ihr Eigentum auch tatsächlich zu übernehmen. Aber der Vertrag hat noch in zwei anderen Punkten eine gewisse Aufmerksamkeit für die deutsche Politik in ihren Beziehungen zu den befreundeten Vereinigten Staaten von Amerika verdient. Da ist einmal der Art. VIII, der den Bürgern beider Länder ausdrücklich verbietet, sich im anderen Lande politisch zu betätigen, d. h. die Deutschen dürfen in Amerika keine Fünfte Kolonne gründen, was selbstverständlich ist, und umgekehrt dürfen sich Amerikaner in Deutschland nicht in die deutsche Innenpolitik einmengen. Das wird jedoch ganz zweifellos u. a. in den Aktivitäten des Komitees Freies Europa, des Free Europe Commitee getan. Dieses Komitee, das sich bekanntlich zur Aufgabe gestellt hat, Propaganda hinter den Eisernen Vorhang zu tragen, worüber ich mich in diesem Zusammenhang nicht verbreiten will, wird in Deutschland tätig, unterhält in Deutschland Radiostationen und vertritt in seinen Rundfunksendungen und in seinen schriftlichen Äußerungen eine Politik, die der deutschen Politik in vitalen Lebensfragen entgegensteht. ({2}) Durch den Abschluß dieses Freundschaftsvertrags ist die legale Basis des Free Europe Committee aufgehoben, und ich gestatte mir deshalb die Frage an die Bundesregierung, wann und ob sie etwa sofort Schritte unternehmen wird, damit die vertraglichen Bindungen für das Free Europe Committee nun beendet werden. Es ist selbstverständlich, daß der Freundschaftsvertrag, den zu schließen wir in dieser Stunde beabsichtigen, einem privaten Vertrag mit dieser privaten Organisation amerikanischer Staatsbürger vorgehen muß. Drittens möchte ich die politische Aufmerksamkeit des Hauses und der Bundesregierung noch auf den Art. XVIII lenken, der ein gemeinsames Vorgehen beider Regierungen gegen internationale Kartellabreden vorsieht, d. h. eine Politik im internationalen Rahmen postuliert, wie sie zur Zeit gerade in der Kartelldebatte, die in diesem Hause in den Ausschüssen durchgeführt wird, zum Ausdruck kommt. Diese Absprache zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik, gemeinsam gegen internationale Kartelle und deren überhöhte Preise vorzugehen, bezieht sich - ich will keine Rundreise durch alle internationalen Kartelle antreten - zweifellos auf das de facto bestehende internationale Ölkartell, welches zum Prinzip hat, Öl z. B. aus dem Mittleren Osten, aus Arabien, Persien usw., nicht nach den Gestehungskosten in diesen Ländern zu verkaufen, sondern nach Kosten, die auf der anderen Seite der Erde, nämlich in Texas und anderen Gegenden in den Vereinigten Staaten als Gestehungskosten angesehen werden. Auf diese Art - das ist ja allgemein bekannt; denn es sind amerikanische Feststellungen, die ich hier wiederhole - ist der Rohölpreis in Deutschland künstlich außerordentlich überhöht. Das ist ein typischer Fall des Art. XVIII, und ich gestatte mir deshalb den Hinweis gegenüber der Bundesregierung, daß sie den jetzt zu bestätigenden Freundschaftsvertrag dahin anwenden sollte, diesem Mißbrauch eines internationalen Kartells in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein Ende zu bereiten. Damit habe ich meine Bemerkungen schon beendet und darf nur noch für meine sozialdemokratischen Freunde und mich feststellen, daß wir diesem Vertrag gern unsere Zustimmung geben, weil er im Interesse der internationalen Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wirtschaft, der Seeschiffahrt und in vielen anderen Punkten liegt und weil er Deutschland eine günstige, loyale Position gegenüber den Vereinigten Staaten einräumt, wie selbstverständlich auch die Bundesrepublik bereit und in der Lage ist, dasselbe gegenüber den Vereinigten Staaten zu tun. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Staatssekretär Professor Dr. Hallstein.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu drei Bemerkungen kurz Stellung nehmen, die der Herr Abgeordnete Kalbitzer soeben hier gemacht hat. Die erste war die Wiederholung einer Behauptung, die schon einmal Gegenstand der Beantwortung einer Frage des Herrn Abgeordneten Menzel in der Fragestunde dieses Hohen Hauses gebildet hat, der Behauptung nämlich, daß der Herr Bundeskanzler nach der Rückkehr von seiner Amerikareise im Jahre 1953 erklärt habe, die von dem Präsidenten Eisenhower mitgeteilte Beendigung des Beschlagnahmeverfahrens gegen deutsches Eigentum bedeute die Rettung deutschen Auslandsvermögens von mindestens 100 Millionen Dollar. Auf eine dahin zielende Frage des Herrn Abgeordneten Menzel hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen in der Sitzung dieses Flohen Hauses am 19. Oktober 1955 folgendes geantwortet: Das mir vorliegende, nach einem Tonband angefertigte Protokoll der Rede des Herrn Bundeskanzlers in der Hamburger Ernst-MerckHalle vom 21. April 1953 enthält keine Äußerung darüber, daß die erwähnte Erklärung des Präsidenten Eisenhower eine Rettung deutschen Auslandsvermögens von mindestens 100 Millionen Dollar bedeute. Vielmehr hat der Herr Bundeskanzler in dieser Rede nur die Rückgabe von etwa 350 Schiffen durch die Vereinigten Staaten erwähnt. Ich habe dieser Antwort des Herrn Bundesaußenministers nichts hinzuzufügen als den Hinweis darauf, daß der Wortlaut der von dem Herrn Bundeskanzler in Hamburg gehaltenen Rede im Bulletin ({0}) des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 23. April 1953 Seite 645 ff. abgedruckt worden ist. ({1}) - Aber nicht, Herr Abgeordneter, als eine Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, und darauf kommt es hier an! ({2}) - Nein, das ist nicht zutreffend. Es ist der Wortlaut - ich wiederhole es - der Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers abgedruckt, und zwar der ganze Wortlaut, der Wortlaut, der mit der Tonbandaufnahme übereinstimmt, und dieser Wortlaut enthält die dem Herrn Bundeskanzler heute wiederholt in den Mund gelegte Äußerung nicht. Die zweite Bemerkung, die ich machen wollte, bezieht sich auf die Erwähnung des neuen nordamerikanischen Gesetzes über die Behandlung des sogenannten Feindvermögens von Rumänen, Bulgaren und Ungarn. Es ist richtig, daß dieses Gesetz ergangen ist, wonach das Eigentum natürlicher Personen aus diesen Ländern nur blockiert und nicht konfisziert sein soll. Es ist auch richtig, daß von amerikanischer Seite selber dieses Gesetz damit begründet worden ist, man wolle durch die getroffene Regelung verhindern, daß die Hoffnungen, die von den Bürgern dieser Staaten in die Vereinigten Staaten gesetzt werden, enttäuscht werden. Wir sind - und darin sind wir sicher in Übereinstimmung mit dem Herrn Abgeordneten, der diese Tatsache erwähnt hat -der Meinung, daß die Hoffnungen deutscher Eigentümer gleiche Rücksicht verdienen, und wir glauben, daß dieses Gesetz insofern zu begrüßen ist, als es eine Entwicklung andeutet, wenn nicht einleitet, die die Hoffnung auf eine Fortsetzung des eingeschlagenen Weges rechtfertigt und die auch die Erwartung erlaubt, daß für das deutsche Eigentum eine Lösung gefunden wird, die der begründeten Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten und uns und dem gemeinsam verteidigten Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigentums entspricht. Die dritte Bemerkung bezieht sich auf das Komitee Freies Europa. Die Stellung, die dieses Komitee und die Institutionen, die es hier unterhält, innehaben, beruht auf Verträgen oder Konzessionen, die unter deutschem Recht abgeschlossen oder gewährt worden sind. Diese Verträge und Konzessionen geben uns alle Möglichkeiten des Eingreifens, die billigerweise gefordert werden können, wenn von seiten dieses Komitees etwas geschieht, was die deutsche Politik, sei es die Innenpolitik oder die Außenpolitik, beeinträchtigen könnte.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pohle.

Dr. Wolfgang Pohle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001729, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vertrag vom 29. Oktober 1954, der sogenannte Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag, mit den Vereinigten Staaten ist im Schriftlichen Bericht und in den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kalbitzer soeben richtig gewürdigt worden. Sein Prinzip ist, auf die Staatsbürger jedes der beiden Länder nicht nur den Grundsatz der Meistbegünstigung, sondern auch den der Inländerbehandlung zur Anwendung zu bringen. Das ist ein erfreulicher Fortschritt. Der Vertrag ist auch im übrigen von freundschaftlichem Geist getragen. Auf seine Einzelheiten möchte ich nicht eingehen. Meine Freunde und ich stimmen dem Abkommen in vollem Umfange zu. Wohl aber gibt mir die dritte Lesung des Ratifizierungsgesetzes und seine Verabschiedung durch das Hohe Haus Gelegenheit und Veranlassung zu Bemerkungen über einige grundsätzliche Gesichtspunkte; sie sind teilweise schon in den Ausführungen der beiden Vorredner angeklungen, ich möchte sie aber noch unter gewissen anderen Aspekten betrachten. Der Vertrag enthält die übliche Eigentumsschutzklausel. Eine Anwendung dieser Klausel auf das im zweiten Weltkrieg enteignete deutsche private Eigentum ist jedoch durch den begleitenden Schriftwechsel vom 29. Oktober 1954 ausgeschlossen. Nach ihm werden die Bestimmungen des Generalvertrags durch den neuen Vertrag nicht berührt. Der in den Pariser Verträgen aufrechterhaltene Art. 3 im Sechsten Teil des Überleitungsvertrags, der sich mit diesem beschlagnahmten deutschen Vermögen beschäftigt, bleibt also trotz des vorliegenden Freundschaftsabkommens bestehen. Wir nehmen diese Rechtslage, die an unserer grundsätzlichen Zustimmung zum Freundschaftsabkommen mit den Vereinigten Staaten nichts ändert, zur Kenntnis. Aber wir bedauern sie. Ich erinnere daran, daß das Hohe Haus nach der Verabschiedung der Pariser Verträge am 27. Februar 1955 einstimmig eine Entschließung annahm, in deren Begründung es heißt - ich möchte zwei Sätze daraus mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen -: Die juristischen und finanziellen Gründe, die man von seiten der Alliierten vorbringt, um die Rückgabe des deutschen Auslandsvermögens zu verweigern, betrachten wir als sachlich und politisch überholt. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß der Eintritt der Bundesrepublik in die Westeuropäische Union und in die Nordatlantische Vertragsorganisation für die Vereinigten Staaten Grund genug wäre, das für uns wichtige, für sie aber untergeordnete Problem der Freigabe unseres Vermögens politisch in ganz neuem Lichte zu sehen. So weit das Zitat. Die Entschließung beruhte auf der zutreffenden Erkenntnis, daß die Bundesrepublik sich durch den Überleitungsvertrag zwar verpflichtete, „keine Einwendungen gegen die Maßnahmen zu erheben, die gegen das deutsche Auslandsvermögen durchgeführt worden sind". Sie hat sich aber in ihm nicht verpflichtet, etwa nicht an die westliche Welt zu appellieren, die Diskriminierung des deutschen Eigentums fortan aufzuheben. Meine Damen und Herren, wir in der Bundesrepublik gehörten zu den ersten, denen nach dem zweiten Weltkrieg die Aufbauhilfe der Vereinigten Staaten zugute kam. Das hat nicht nur unsere Wirtschaftsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten intensiviert, sondern auch uns und unseren europäischen Nachbarn die Möglichkeit verschafft, nunmehr unsererseits anderen Gebieten wirtschaftliche Unterstützung angedeihen zu lassen, deren sie zumeist auf Grund von Verhältnissen bedürfen, die sie nicht verschuldet haben. ({0}) ({1}) Ich glaube, daß wir uns dieser Pflichten zur Hilfe durch Investitionen und Kredite an unterentwikkelte Länder allerseits durchaus bewußt sind. ({2}) Von besonderen Fällen überdimensionaler Größe abgesehen, kann hierbei auf privates Kapital und private Unternehmerleistung nicht verzichtet werden. Ich halte es nicht für ernsthaft bestreitbar, daß eine maßgebliche Beteiligung privater Initiative und Unterstützung sowohl im Lieferland wie auch im Empfangsland große Vorteile aufweist, vor allem auch von den Bevölkerungen gut aufgenommen wird, besser vielleicht als ein Monopol des Staates bei solchen Entwicklungsaufgaben. Es fehlt auch nicht an der grundsätzlichen Bereitschaft privater Personen und Unternehmungen, in dieser Weise an der Entfaltung einer freien Weltwirtschaft und an der Hebung des Lebensstandards aller Völker mitzuwirken. Aber zwei Hindernisse stehen einer vollen Entfaltung dieser Kraft im Wege. Erstens: die noch immer bestehenden verwaltungsmäßigen Vorschriften durch Zölle, Kontingente, unterschiedliche Behandlung z. B. nach der Steuerseite hin usw., Dinge, die wir aus der Montanunion kennen und die die wirtschaftliche Betätigung eines Ausländers gegenüber der eines Inländers erschweren. Zweitens: Beinahe noch wichtiger ist die immer wieder zu beobachtende Tendenz, ausländische Investitionen und Interessen durch diskriminierende Maßnahmen entweder zu verdrängen oder gar unmittelbar zu sperren und schließlich zu enteignen. Der uns vorliegende Vertrag soll dazu beitragen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Er ist geschlossen in einem Geiste, der sich in den Vereinigten Staaten durchaus verbreitet hat und sich in allen amerikanischen Meinungsäußerungen findet, des Inhalts nämlich, daß eine möglichst freie Aufnahme ausländischen Handels und ausländischer Investitionen im eigenen Land eine gesündere Hilfsmaßnahme gegenüber freien Völkern ist, als sie zu einer Abhängigkeit von fremder Hilfe zu zwingen. Bei der vielfältigen Verflechtung der Wirtschaftsräume ist es dringender als je erforderlich, auch für den Schutz privater Rechte und privater Interessen in anderen Ländern einzutreten. Solche Rechte können ein Mittel sein, nationale Grenzen zu überwinden, getrennte Wirtschaften enger zusammenzuschließen und als Brücke zur Verständigung zwischen den Völkern zu dienen. Was der Privatmann aus eigenen Mitteln und was die Unternehmungen aus eigener Leistung dem Ausland zur Verfügung stellen, ist das Produkt ihrer Anstrengungen und der Anstrengungen ihrer Mitarbeiter und Belegschaften, ebenso wie staatliche Auslandshilfen aus den Leistungen des ganzen Volkes bestehen. Nur der Osten kann es sich leisten, diese Anlagen aufs Spiel zu setzen, weil er keinerlei Rücksichten auf Privateigentum, Löhne und Lebensstandard Seiner Bevölkerung nimmt. Wir dagegen müssen und wollen solche Rücksichten nehmen. Tun wir es nicht, so stellen sich in kürzester Zeit fatale Folgen ein. Wir zersetzen die Moral und die ethischen Grundelemente unserer Ordnung und schmieden damit selbst die Waffen, mit denen wir in unserem Kampf gegen das östliche System des Kollektivismus geschlagen werden. Die Ursachen für die immer wieder anzutreffende Vogelfreiheit privater Rechte liegen - das muß anerkannt werden - großenteils in den beiden Weltkriegen mit ihren verheerenden wirtschaftlichen Folgen und Auswirkungen. Diese Kriegsfolgen haben nicht nur zur Beeinträchtigung privater Rechte auf internationalem Gebiet geführt. Auch innerhalb der einzelnen Länder ist man über diese persönlichen Rechte hinweggegangen. Wir selbst haben einen Großteil bedauerlicher Verstöße gegen das Prinzip der Unverletzlichkeit privater Rechte verursacht und müssen das Unsere zu der gemeinsamen Aufgabe des Westens beitragen, hier wieder Ordnung zu schaffen. Es ist deshalb, meine Damen und Herren, ganz besonders zu begrüßen, daß der uns vorliegende Vertrag dem Eigentum natürlicher und juristischer Personen des Vertragspartners Schutz und Sicherheit verspricht, wechselseitige Investitionen anregt und Diskriminierungen jeder Art zu beseitigen beiträgt. Doch sollten wir bei diesen Bestimmungen nicht stehenbleiben, sondern in ihrem Sinne weiter fortschreiten. Dem amerikanischen Kongreß in Washington liegen verschiedene Gesetzentwürfe vor, die sich mit dem noch immer offenen Problem des im Kriege beschlagnahmten deutschen Vermögens befassen. Ich möchte an dieser Stelle der Hoffnung und Zuversicht meiner parlamentarischen Freunde und sicherlich auch dieses gesamten Hauses, auch des gesamten deutschen Volkes Ausdruck geben, daß auch hier ohne Ansehung persönlicher Vor-oder Nachteile eine den allgemeinen Grundsätzen entsprechende gerechte Lösung gefunden wird. Hervorragende Mitglieder beider Parteien des amerikanischen Kongresses, des Senats und des Repräsentantenhauses, haben die über den konkreten Fall hinausgehende allgemeine Bedeutung wohl erkannt und sich für eine Lösung eingesetzt, die jenen Prinzipien entspricht, die in Amerika den eigenen Staatsbürgern gegenüber in größerem Umfang und mehr als die bisherigen sehr dankenswerten ersten Schritte beachtet werden, wie sie beispielsweise die Gespräche bedeuten, die vor mehr als Jahresfrist Hermann Abs in Washington geführt hat. Wie schon früher Senator Dirksen und der leider vor wenigen Wochen verstorbene Senator Kilgore, so haben in letzter Zeit die Senatoren Knowland, Johnston, Langer, Whiley und andere ihre Sorgen um den Bestand des internationalen Rechtsschutzes ausgedrückt. Ich selbst habe mich vor kurzer Zeit von der aufrechten Gesinnung aller Senatoren und Congressmen, die ich in Washington getroffen habe, ihrer positiven Einstellung hinsichtlich der Unverletzlichkeit des privaten Eigentums und ihren freundschaftlichen Gefühlen unserem Land gegenüber überzeugen können. Dabei möchte ich besonders auf die Rede des Senators Langer vor dem amerikanischen Senat im Februar dieses Jahres hinweisen, in der er mit eingehenden Belegen den sowjetischen Ursprung der Enteignungspolitik gegenüber dem deutschen Vorkriegsvermögen darlegte und einen Verstoß gegen das Prinzip der Unverletzlichkeit des Eigentums im Falle des deutschen Vermögens als einen sehr gefährlichen Präzedenzfall auch für die USA selbst bezeichnete. Ich hege die sichere Hoffnung, meine Damen und Herren, daß diese Appelle aus dem amerikanischen Volk und dem Parlament nicht ungehört verhallen, wenn es um die Beziehungen zweier Länder geht, die wieder als Partner und, ich darf sagen, Freunde zueinander gefunden haben und gemeinsame Ziele auf politischem, wirtschaftlichem und moralischem Gebiet verfolgen. ({3}) Diese Gedankengänge sollten für uns Veranlassung sein, auch unsererseits den Abschluß weitergehender internationaler Abmachungen zum Schutz privater Rechte zu befürworten. Die Initiative hierzu geht weit zurück. Ich erinnere an die Entschließungen der Internationalen Handelskammer von 1931, ich erinnere an die Entschließungen aus Schweizer Kreisen vom Jahre 1951. Ähnliche Gedanken enthält auch der Randall-Report von Präsident Eisenhower aus dem Jahre 1954 zum Auslandshilfeprogramm. In letzter Zeit ist in Fortsetzung dieser Bestrebungen der Abschluß einer internationalen Magna Charta vorgeschlagen worden, in der sich die zur freien Welt gehörenden Staaten verpflichten, rechtmäßig erworbenes Eigentum und sonstige Rechte von Ausländern zu achten und zu schützen. Man kann an internationale Schiedsgerichtsbarkeit und an Sanktionen denken. Auch die faire Behandlung ausländischer Investitionen sollte hierbei mit geregelt werden. Der Abschluß einer solchen Magna Charta würde der Wiederherstellung der internationalen Rechtssicherheit dienen. Er wäre erstens der Schlüssel zur finanziellen und wirtschaftlichen Stabilität und Verantwortlichkeit nach innen und außen. Er wäre zweitens eine entscheidende Hilfe zur Herstellung eines gesunden Verhältnisses zwischen Staat und Privatwirtschaft. Vor allem aber würde er die freie Welt in ihrem Kampf gegen die kollektivistischen und eigentumsfeindlichen und -verneinenden Kräfte des Kommunismus entscheidend stützen. Mit diesen Impulsen sollte der uns vorliegende Vertrag versehen werden, der bei seiner Verwirklichung in der täglichen Verwaltungspraxis eines fortdauernden guten Willens und einer verschärften Einsicht in die Notwendigkeit der Beibehaltung und Festigung der von ihr entwickelten Prinzipien bedürfen wird. Wir bitten das Auswärtige Amt, die weitere Entwicklung der Dinge auf diesem Gebiet mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.

Hellmut Kalbitzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001057, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Nur noch zwei Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs. Der Herr Staatssekretär hat eben gesagt, daß über die 100 Millionen Dollar, die angeblich gerettet seien, schon mein Kollege Dr. Menzel hier im Bundestag gesprochen habe. Mir sind selbstverständlich diese Diskussion des Herrn Dr. Menzel und des Herrn Bundesaußenministers sowie die darauf folgenden schriftlichen Meinungsaustausche bekannt, und gerade das Studium dieser Akte hat mich zu der Überzeugung gebracht, der ich hier Ausdruck gegeben habe. Ich will auch zum Schluß nicht darüber rechten, ob vor langer Zeit der Herr Bundeskanzler das so oder anders gesagt hat oder ob er nur seine Füllfederhalter so infiltriert hat, daß die das hinterher geschrieben haben. Jedenfalls ist in der breiten Öffentlichkeit mit Fleiß der Eindruck gepflegt worden, daß man 100 Millionen Dollar gerettet habe. - Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt, der mich außerordentlich frappiert hat, war die Darstellung des Verhältnisses zu dem Committee Free Europe. Da heißt es also, es seien freie Vereinbarungen, und die Bundesregierung könne jederzeit Äußerungen, die unter Verantwortung dieses Komitees fielen und der deutschen Politik abträglich seien, unterbinden. Da man das aber bekanntlich nicht getan hat, muß ich daraus doch wohl umgekehrt folgern, daß die Bundesregierung mit den Äußerungen des Committees Free Europe im großen und ganzen einverstanden war. ({0}) Ich will in diesem Augenblick nicht darüber diskutieren, was das Committee Free Europe alles gesagt hat, sondern ich möchte das nur für eine spätere Diskussion über eben dieses Komitee festhalten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Änderungsanträge sind nicht gestellt. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes als eines Ganzen ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich rufe nunmehr auf den ursprünglichen Punkt 1 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Lücke, Heiland und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände ({0}). Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, in dieser Sache auf eine Begründung und eine Aussprache zu verzichten und die Vorlage unmittelbar zu überweisen zunächst an den Ausschuß für Kommunalpolitik als den federführenden Ausschuß, dann an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als mitberatenden Ausschuß. - Weitere Ausschüsse werden offenbar nicht gewünscht. Dann ist, da sich kein Widerspruch erhebt, so beschlossen. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt. Ich rufe nunmehr auf Punkt 2 der Ihnen gedruckt vorliegenden Tagesordnung: a) Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung des Personalgutachterausschuß-Gesetzes ({1}); b) Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Einstellung von Soldaten für die Streitkräfte mit dem Dienstgrad vom Oberst an aufwärts ({2}). Das Wort zur Begründung beider Anträge hat der Abgeordnete Schneider ({3}). Schneider ({4}) ({5}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich es auf der einen Seite sehr bedaure, daß wir erst heute Gelegenheit nehmen können, diesen Fragenkomplex wieder zu erörtern, obwohl er schon seit Monaten auf der Tagesordnung steht, so begrüße ich es auf der andern Seite deswegen, weil die ganze Angelegenheit in einer Atmosphäre der Entspannung diskutiert werden kann, im Gegensatz zu den damaligen Auseinandersetzungen, die ja teilweise recht heftige Wogen geschlagen haben. ({6}) Ich möchte keinen Zweifel darüber lassen, daß die Fraktion der Deutschen Partei nach wie vor ernste sachliche Bedenken gegen den Personalgutachterausschuß hegt. Dabei betone ich ausdrücklich, daß ich damit nichts gegen die Integrität der Angehörigen dieses Ausschusses sagen möchte und daß ich keinem der Angehörigen dieses Ausschusses zu nahe treten möchte. Ich betone außerdem, damit wir nicht etwa in der gleichen Form wie beim letzten Mal in der Presse kommentiert werden, daß wir genau so wie das übrige Haus keine unliebsamen und keine undemokratischen Kräfte in den neuen deutschen Streitkräften haben wollen und daß auch wir der Meinung sind, daß eine Prüfung der persönlichen Eignung durchaus erfolgen kann und auch soll. Ich darf vielleicht noch einmal kurz daran erinnern, daß damals bei der Erörterung dieses Themas der Beifall in diesem Hause bei den Ausführungen derjenigen Redner, die sich für die Einsetzung des Personalgutachterausschusses ausgesprochen hatten, sicherlich stärker war als bei jenen, die sich gegen die Einrichtung ausgesprochen hatten. Ich weiß aber auch, daß in der Zwischenzeit, veranlaßt durch vielerlei unliebsame Vorkommnisse, die Bedenken in diesem Hause insgesamt in allen Fraktionen nicht etwa an Boden verloren haben, sondern ganz im Gegenteil. Sie werden auch wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die Öffentlichkeit, die diese Dinge damals sehr aufmerksam verfolgt hat, ihnen ebenfalls sehr starke Bedenken entgegengebracht hat. Wenn ich die Sache - und nur diese will ich im Auge haben - betrachte, dann kann ich mich nicht darüber freuen, daß wir mit den vielfältigen Bedenken, die wir damals geäußert haben, letzten Endes in einem gewissen Umfange recht behalten haben. Auf der andern Seite bin ich gezwungen, festzustellen, daß nach wie vor gerade von den Kreisen der ehemaligen Soldaten oder Offiziere, um die wir uns heute ganz besonders bemühen, daß sie in den neuen Streitkräften mittun, die Einsetzung dieses Personalgutachterausschusses, obgleich er nur, ich möchte sagen, die oberen Zehntausend des Offizierskorps zu überprüfen hat, als eine - ich möchte es ruhig so nennen - Diffamierung empfunden worden ist. Ich als ehemaliger aktiver Offizier kann jedenfalls die Gefühle meiner Kameraden durchaus verstehen, besonders wenn man noch hinzunimmt, daß der Soldat schlechthin nach 1945 nicht gerade immer eine liebenswürdige Behandlung erfahren hat, und das sowohl von alliierter wie leider auch von deutscher Seite. Es sind nun speziell zwei Gründe, die mich veranlassen, noch einmal auf das Thema zurückzukommen. Dabei komme ich nicht etwa noch einmal auf das Thema zurück - das schicke ich voraus -, weil der Personalgutachterausschuß vor einigen Monaten vier Angehörige des Bundesverteidigungsministeriums aus Gründen abgelehnt hat, die teilweise in der Presse bekanntgeworden sind, sondern weil durch die Einsetzung dieses Personalgutachterausschusses das Parlament, dessen Kontrollfunktion bei dem Aufbau der Streitkräfte wir über alles gestellt haben, in diesem entscheidenden Fall effektiv ausgeschaltet ist. Bestimmte Presseorgane machten uns damals zu Unrecht den Vorwurf, daß wir, die Fraktion der Deutschen Partei, das Parlament ausschalten wollten, als wir uns gegen die Einsetzung dieses Gutachterausschusses wandten. Tatsache ist aber, daß dieser Ausschuß, der praktisch niemandem außer sich selbst verantwortlich ist, nun neben dem Parlament regiert und eine erhebliche Machtstellung innehat. Wir waren damals auch der Auffassung, daß diese Aufgabe der Personalpolitik, unter die auch die Beurteilung der höheren Offiziere fällt, ausschließlich Angelegenheit des verantwortlichen Personalchefs, in diesem Falle des Herrn Bundesverteidigungsministers, sei. Ich will mich nun heute nicht mehr darüber verbreiten, welche Wirkung die bekannte Ablehnung der vier ehemaligen Soldaten, die in den letzten Jahren als Zivilisten im Verteidigungsministerium tätig waren, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Kreisen der NATO hervorgerufen hat. Ich habe ja bereits betont, daß das nicht der Grund dafür ist, daß wir heute noch einmal über das Thema sprechen. Alleiniger Anlaß ist also die Methode, die mit dem Ausschuß praktiziert wird. Da steht es fest, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß das Hin und Her, das damals nach der Einsetzung dieses Ausschusses begann, und der Umstand, daß Herr Rombach - er möge es mir nicht verübeln -, der sehr eigenwillige Herr Vorsitzende des Ausschusses, seine eigenen Vorstellungen, die teilweise über das Gesetz hinausgingen, hatte und auch noch hat, eben dazu beitrugen, daß sich solche unliebsamen Dinge ereignen konnten. Um die Verwirrung zu vollenden, hat sich damals nicht nur der Herr Bundeskanzler, sondern haben sich auch die verschiedenen Fraktionen und der Herr Vorsitzende des Verteidigungsausschusses eingeschaltet, um wieder Ordnung in die Sache zu bringen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kurz auf ein Protokoll vom 10. Dezember 1955 hinweisen, das über eine Besprechung verfaßt wurde, die zwischen dem Herrn Bundestagsvizepräsidenten Dr. Jaeger, dem Herrn Kollegen Erler, dem Herrn Bundesminister für Verteidigung, seinem Staatssekretär, dem Personalchef des Verteidigungsministeriums, Herrn Dr. Rombach als dem Vorsitzenden des Personalgutachterausschusses, dem Herrn Justizminister a. D. Renner und dem General a. D. Cuntzen stattgefunden hat. Diese Besprechung führte damals zu folgenden Ergebnissen: Alle Teilnehmer sind sich darin einig, daß die Begutachtungen des Personalgutachterausschusses in der Regel ohne Zusätze erfolgen. Nur in besonderen Fällen hält der Gutachterausschuß Einschränkungen für notwendig. Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier ist das Gesetz bereits durchbrochen, das von diesem Hause beschlossen ist; denn in diesem Gesetz steht eindeutig geschrieben, daß die Begutachtung praktisch nur mit Ja oder Nein, nicht aber mit irgendwie gearteten Zusätzen zu erfolgen hat. ({7}) - Herr Kollege Erler, nachher! ({8}) Es nimmt deswegen nicht wunder, daß der Herr Bundesminister für Verteidigung auch heute noch an seiner Auffassung festhält ({9}) ({10}) - Herr Kollege Eschmann -, daß solche einschränkenden Bemerkungen für ihn nicht rechtsverbindlich seien. Außerdem besagt das Protokoll, daß sich der Bundesminister für Verteidigung bereit erklärt, der Bundesregierung bei Vorlage des Ernennungsvorschlages den vollen Wortlaut der Stellungnahme des Gutachterausschusses mitzuteilen - dagegen ist meines Erachtens nichts einzuwenden -, und er erklärt sich weiter bereit, in Einzelfällen auf Anfrage dem Gutachterausschuß die vorgesehene Verwendung des Bewerbers mitzuteilen; jedoch habe diese Mitteilung keinerlei Rechtsverbindlichkeit. Auch hier wird nicht dem Buchstaben getreu gehandelt, und der Herr Verteidigungsminister hat sich unseres Erachtens mit Recht dagegen zur Wehr gesetzt, daß er, da der Personalgutachterausschuß ja ausschließlich die persönliche Eignung der Bewerber zu prüfen hat, nun auch noch verpflichtet sein solle, dem Gutachterausschuß die künftige Verwendung der betreffenden Personen bekanntzugeben. Meine Damen und Herren, Sie mögen schon aus diesen unterschiedlichen Auffassungen ersehen, daß dieses Gesetz, obwohl es damals mit Verve und Intensität im Verteidigungsausschuß gemacht wurde, doch auch seine Tücken hat. Meine Freunde und ich bezweifeln, ob die Einrichtung des Ausschusses dem Art. 3 des Grundgesetzes, wenn man es einmal zu einer Prüfung kommen lassen sollte, standhalten würde, und wir bezweifeln insbesondere, ob der Ausschuß selbst und sein Verfahren, auf das ich noch zu sprechen kommen werde, mit jenem rechtsstaatlichen Denken übereinstimmen, das als oberste Maxime über unserem staatlichen Leben stehen sollte und stehen muß. Ich komme, glaube ich, nicht in einen falschen Verdacht, wenn ich das, was ich auf einer Pressekonferenz vor etwa einem Vierteljahr zu dieser Frage geäußert habe, hier wiederhole, daß nämlich selbst in den sogenannten Entnazifizierungsausschüssen damals den Betroffenen die Möglichkeit gegeben war, gegen die gegen sie erhobenen Vorwürfe bzw. Anklagen Stellung zu nehmen bzw. eine Revisionsinstanz anzurufen. Ich darf noch aus den „Bremer Nachrichten" vom 13. Dezember 1955 zitieren, wo der Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen einstimmigen Beschluß veröffentlicht hat, wonach es geboten sei, daß der Personalgutachterausschuß seine Geschäftsordnung baldmöglichst dahingehend ändere, daß „den Bewerbern im Falle der Ablehnung ein begründeter Ablehnungsbescheid erteilt, ihnen zuvor rechtliches Gehör gegeben und daß die Möglichkeit einer Appellation geschaffen wird. Der CDU/CSU-Vorstand hält das bisherige Verfahren aus rechtlichen und menschlichen Gründen für anfechtbar." Meine Freunde haben diese Stellungnahme nur begrüßt, und wir befinden uns überraschenderweise sogar in der angenehmen Gesellschaft der „Welt der Arbeit", die über dieses Thema schreibt: Man kann darüber streiten, ob die -Verfahrensweise, die der Gutachterausschuß bisher praktizierte, in allen Punkten richtig ist. Er hat beispielsweise nicht nur die Bewerber beurteilt, sondern auch Empfehlungen für ihre Verwendung in den Streitkräften bzw. auch Nichtverwendung für bestimmte Aufgaben gegeben. Dabei hat er sich offensichtlich von der Arbeitsweise des vor einigen Jahren tätigen parlamentarischen Untersuchungsausschusses inspirieren lassen, der damals das Auswärtige Amt überprüfte und auch solche Empfehlungen für die Verwendung bestimmter Personen gab. Weiter kann man im Zweifel darüber sein, - schreibt die „Welt der Arbeit" ob es richtig ist, daß der Personalgutachterausschuß bei negativer Entscheidung dem Bewerber und dem Verteidigungsminister die Ablehnungsgründe nicht mitteilt und so dem Betroffenen bei einer Revisionsverhandlung das Vorbringen von Entlastungsmomenten erschwert. Der Herr Kollege Erler hat in einer Rundfunkansprache, die er Mitte Dezember gehalten hat, zu diesem Thema gesagt, man könne den Personalgutachterausschuß mit dem Personalchef einer Firma oder einer Behörde vergleichen, der aus den geeigneten Bewerbern den besten herauszusuchen und den anderen, die nicht geeignet erschienen, abzusagen habe. Ohne Ihnen, sehr verehrter Herr Kollege Erler, zu nahe treten zu wollen, finde ich doch, daß Sie ein schlechtes Beispiel gewählt haben; denn der Personalgutachterausschuß ist ja in Wahrheit nicht der Personalchef der Firma, mit der wir es hier zu tun haben, nämlich des Verteidigungsministeriums, sondern Personalchef ist der Bundesverteidigungsminister selber, der u. a. dem Ausschuß die Bewerber namhaft zu machen hat, die bereits für die Einstellung in die deutschen Streitkräfte vorgesehen sind. Der Personalchef hat sich also der Entscheidung eines unabhängigen, eines selbständigen, neben ihm fungierenden Gremiums zu unterwerfen. Der Personalchef ist, wie gesagt, der Herr Bundesverteidigungsminister. Entscheidend ist aber, daß dieses neben dem dem Parlament verantwortlichen Personalchef, also dem Herrn Bundesverteidigungsminister, tätige Gremium nicht etwa eine Prüfung der beruflichen oder fachlichen Eignung vornimmt, wogegen man sehr viel weniger einwenden könnte, sondern eine solche der persönliche Eignung; die beruflich-fachliche Eignung prüft j a das Verteidigungsministerium. Das aber ist meines Erachtens Veranlassung, zu sagen, daß mit der Übernahme dieser Funktion durch den Personalgutachterausschuß diesem praktisch richterliche Funktionen zukommen. Ich habe mich mit Juristen darüber unterhalten, die der Auffassung waren, daß der Personalgutachterausschuß demzufolge in der Rechtssystematik etwa der Strafrechtspflege einzuordnen sei, da er die härteste Strafe verhängen könne - ich lasse mich gern belehren, Herr Kollege Bausch, aber es ist mir so gesagt worden -, die überhaupt zu verhängen sei, nämlich praktisch das Verbot der Berufsausübung. Betrachte ich nun, unter welchen Umständen die Entscheide gefällt werden - ich werde mir erlauben, darauf noch kurz zu sprechen zu kommen -, so dürfen Sie es mir nicht verübeln, wenn ich meinem Fraktionsvorsitzenden Professor Brühler recht gebe, der einmal gesagt hat, daß eine solche Entscheidung in letzter Instanz ohne Begründung für die Betroffenen oder für die Öffentlichkeit praktisch in die Kabinettsjustiz des 17. Jahrhunderts gehöre und nicht in die Demokratie passe. Außerdem - und hier darf ich auf das vorhin Gesagte zurückkommen - besteht noch ein entscheidender Unterschied gegenüber jeder anderen Bewerbung, die bei einer Behörde oder einer privaten Unternehmung erfolgt. Hinsichtlich der Besetzung einer sonstigen Stelle in der Wirtschaft oder bei einer Behörde hat der Kollege Erler durchaus recht, wenn er feststellt, daß derjenige, dem ein anderer vorgezogen wird, sich nicht be({11}) sehwert fühlen kann, da es das gute Recht des Personalchefs ist, die Bewerber nach fachlichen, beruflichen, persönlichen und anderen Gesichtspunkten auszuwählen. Hier ist es aber nach Ansicht meiner politischen Freunde anders, da diese Firma, nämlich die deutschen Streitkräfte, völlig neu aufgebaut wird und jeder mit entsprechenden fachlichen Qualitäten grundsätzlich von vornherein gebraucht wird. Wenn die persönliche und die charakterliche Beurteilung von einem außenstehenden, von einem so außerhalb des Parlaments und auch der Regierung stehenden Gremium wie dem Personalgutachterausschuß erfolgt und der betreffende Bewerber abgelehnt wird, ist das - ich bitte, mir das etwas strenge Wort nachzusehen - letzten Endes, trotz der gegenteiligen Feststellungen des Personalgutachterauschusses, eine Diffamierung. Wir vermögen nicht einzusehen, daß das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen übereinstimmt. Herr Dr. Wolf, ein Mitglied des Personalgutachterausschusses, hat Mitte Dezember des vorigen Jahres in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine längere Auslassung gebracht, in der er sich u. a. gegen den Vorwurf wendet, daß das Wesen des Personalgutachterausschusses nicht rechtsstaatlich sei, indem er seinerseits feststellt, daß kein Angehöriger der ehemaligen Wehrmacht, auch kein Oberst und kein General, etwa einen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung habe. Hier stimmen wir mit Herrn Dr. Wolf völlig überein. Er scheint nur übersehen zu haben, daß sich unsere Bedenken gegen die Methode des Ausschusses und nicht etwa gegen den hier von ihm angezogenen Punkt richten. Herr Dr. Wolf schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15. Dezember 1955 weiter: Gegen die Mitteilung der Tatsachen erhebt sich noch ein anderes schweres Bedenken. - Das heißt gegen die Mitteilung der Tatsachen, die vom Personalgutachterausschuß festgestellt sind. Das Gesetz gibt dem Ausschuß das Recht, sich unmittelbar zu unterrichten, nicht jedoch die Möglichkeit, ein förmliches Beweisverfahren durchzuführen. Es verpflichtet Privatpersonen nicht zur Aussage. 13m die ihm gestellte Aufgabe erfüllen zu können, ist der Ausschuß auf freiwillige Auskünfte angewiesen, die er mit angemessener Vorsicht von geeigneten Vertrauenspersonen und Zeugen tatsächlicher Vorgänge einholt. Da der Ausschuß diesen nicht zumuten kann, - und hier bitte ich besonders aufzumerken sich wegen der nicht bestehenden gesetzlichen Aussagepflicht einem Beleidigungsprozeß auszusetzen, sichert er ihnen entsprechend dem Gesetz Verschwiegenheit zu. An diese Zusicherung ist er gebunden. Hier ergibt sich nach Auffassung meiner politischen Freunde ein weiteres schwerwiegendes Moment. Einmal kann man wohl sagen, daß durch die Äußerungen des Herrn Vorsitzenden des Personalgutachterausschusses, des Herrn Staatssekretärs Rombach, praktisch das Verlangen an die gesamte Öffentlichkeit gestellt wird, die Zeugen des Personalgutachterausschusses, die zu der persönlichen Eignung der Bewerber zu hören sind, von vornherein als absolut einwandfrei und unfehlbar zu bezeichnen. Dieses Unfehlbarkeitsdogma können wir aber weder dem Personalgutachterausschuß noch irgendeiner anderen mit Menschen besetzten Institution zubilligen. Wenn auch hier in dem zitierten Artikel gesagt wird, daß es sich nur um erstklassige Zeugen handle, so ist auch dies eine rein subjektive Feststellung, da die Entscheidung über die Frage, um welche Zeugen es sich handelt und ob sie erstklassig sind, in eigener Machtvollkommenheit ausschließlich vom Personalgutachterausschuß selbst getroffen wird. Es erzeugt bei meinen politischen Freunden von der Deutschen Partei größte Bedenken, daß den Zeugen - allerdings ist es gesetzlich nun so festgelegt - die Zusicherung gegeben wird, daß mit ihren Aussagen keine weitere Verwendung über die Ablehnung oder Bejahung des Bewerbers hinaus erfolgt. Ich will nicht behaupten, daß etwa in diesem Zusammenhang Denunziationen oder ähnliches vorgekommen seien. Immerhin werden Sie mir bei sachlicher Betrachtung konzedieren müssen, daß mit der Methode, die hier praktiziert wird, solchen Dingen grundsätzlich Tür und Tor geöffnet wird. Wenn in dem Gesetz geschrieben steht, daß die Aussagen der Zeugen ebenfalls praktisch geheim seien, d. h. daß sie nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken, dann muß ich leider feststellen, daß ich selbst über mancherlei Details aus dem Personalgutachterauschuß bzw. über bestimmte Gründe, die zur Beurteilung dieses oder jenes Bewerbers geführt haben, unterrichtet bin. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, daß auch der „Spiegel" vor einiger Zeit einen Artikel brachte, der sich mit dem General Heusinger befaßte und in dem auf diese Dinge in etwa Bezug genommen wurde. In diesem Zusammenhang erhebt sich auch die Frage, was beispielsweise mit anonymen Angaben über Bewerber geschieht, die sich dem Personalgutachterausschuß gestellt haben. Was geschieht mit unaufgefordert eingegangenen Beurteilungen über Bewerber? Spielt auch die politische Einstellung der betreffenden Bewerber - auch diese Frage möchte ich stellen - etwa eine schwerwiegende Rolle bei ihrer Beurteilung? Kurz gesagt, die Nichtbekanntgabe der Ablehnungsgründe an die Bewerber entspricht nach Auffassung der Deutschen Partei weder soldatischer noch demokratischer Tradition, da die guten, die wirklich guten Bewerber davon abgehalten werden, sich einem solchen Dunkelkammerverfahren zu unterwerfen, obgleich sie am wenigsten zu befürchten haben. Nachdem schon seit Jahren in diesem Hause mehr oder minder Einigkeit darüber bestand, daß bei der Auslese der höheren Offiziere ein gewisser Maßstab angelegt werden müsse, was auch grundsätzlich von uns bejaht wird, bin ich mir mit meinen Freunden vollkommen darüber im klaren, daß das Personalgutachterausschuß-Gesetz und die Einrichtung dieses Ausschusses doch noch etwas unter jener Animosität und jenen Ressentiments zustande gekommen sind, die vor einem Jahr in der Öffentlichkeit und auch in den Reihen dieses Hauses noch erheblich mehr geisterten, als es heute etwa der Fall wäre. Deshalb sagte ich zu Beginn meiner Ausführungen, daß ich in einer Weise froh darüber sei, daß wir heute in der Lage seien, die Dinge in einer entspannteren Atmosphäre und mit größerer Ruhe zu betrachten. Sie werden es uns aber nicht verübeln, daß wir in konsequenter Verfolgung unseres damals bekanntgegebenen Standpunktes, der durch verschiedene Dinge erhärtet ({12}) wird, von denen ich Ihnen aus zeitlichen Gründen nur einige wenige aus einer Vielzahl geschildert habe, auch heute noch darauf bestehen müssen, daß der Ausschuß seine Tätigkeit einstellt, obwohl bereits eine erhebliche Zahl von Offizieren durch diese Institution gegangen ist. Wir haben uns deswegen erlaubt, Ihnen gleichzeitig einen konkreten Gegenvorschlag zu machen. Es wäre vielleicht besser gewesen, wir hätten ihn schon zu einem früheren Zeitpunkt gemacht; vielleicht hätte er dann sogar Aussicht gehabt, anstatt des inzwischen beschlossenen Gesetzes Wirklichkeit zu werden. Der Gesetzentwurf der Fraktion der Deutschen Partei liegt Ihnen in Drucksache 2075 vor. Ich möchte dazu nur sagen, daß wir der Auffassung sind, daß ein Gremium von ehemaligen höheren Offizieren, das in der hier vorgesehenen Form zu berufen wäre, das aber - hierauf lege ich entscheidenden Wert - dem Parlament, nämlich dem Verteidigungsausschuß, verantwortlich wäre, besser geeignet ist, die Aufgabe durchzuführen, die Sie einstmals dem Personalgutachterausschuß zugedacht haben. ({13})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Heye.

Hellmuth Guido Alexander Heye (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000895, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Sprecher der CDU/CSU habe ich die Aufgabe, zu der Auffassung der DP und ihren beiden Anträgen Stellung zu nehmen. Ich glaube, bei der wechselseitigen Wertschätzung, die mich - ich hoffe es jedenfalls - mit dem Kollegen Schneider verbindet, wird er verstehen, daß ich - auch als ehemaliger Soldat - die Dinge von einem etwas anderen Standpunkt betrachte als er. Am Schluß meiner Ausführungen möchte ich einen Vorschlag machen, wie man vielleicht die Bedenken, die der Kollege Schneider hier vorgebracht hat, noch ausräumen kann, ohne daß wir hier im Hohen Hause all die Detailfragen im einzelnen durchzusprechen brauchen. Es liegt mir daran, zu diesem Thema noch einige Ausführungen zu machen, die - das möchte ich betonen - meine persönliche Auffassung zu diesem ganzen Problem wiedergeben. Wir wissen, daß die DP schon bei. den Beratungen im Ausschuß - wie das auch der Kollege Schneider betont hat - gegen die Einrichtung des Personalgutachterausschusses Bedenken erhoben hat. Ich bin überzeugt, daß die heute vorliegenden Anträge die Sorge widerspiegeln, die in den Reihen der DP, vielleicht noch auf dieser oder jener Insel des Hohen Hauses, bezüglich der Zweckmäßigkeit des Gesetzes über den Gutachterausschuß oder vielleicht besser gesagt über die Zweckmäßigkeit der Formulierung dieses Gesetzes herrscht. ({0}) Ich möchte allerdings annehmen, daß die Antragsteller selber - ich entnehme es den Worten des Kollegen Schneider - sich darüber im klaren sind, daß ihr Vorschlag auf Auflösung des Ausschusses und selbst der positivere Vorschlag, statt des Ausschusses einen Ehrenrat mit den Aufgaben des bisherigen Gutachterausschusses zu betrauen, kaum Aussicht auf Annahme durch die Mehrheit dieses Hauses haben wird, selbst wenn man die Auffassung vertritt, daß nach den heute vorliegenden Erfahrungen in diesem oder jenem Punkte eine andere Fassung oder Formulierung des Gesetzes zweckmäßiger gewesen wäre. Zur Klarstellung erscheint es mir notwendig, in der gebotenen Kürze aus unserer Sicht heraus darzutun, wie es überhaupt zu der Einrichtung des Personalgutachterausschusses gekommen ist. Nach Erörterungen, die sich im damaligen Sicherheitsausschuß und in der Dienststelle Blank über Jahre hinzogen, hat der Bundestag auf Vorschlag des Verteidigungsausschusses und in Auswirkung der guten Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium in dieser Frage das Gesetz über den Personalgutachterausschuß in seltener Einmütigkeit verabschiedet. Regierungskoalition - mit Ausnahme der DP - und Opposition hatten damit einem Gesetz zugestimmt, dem eine besondere Bedeutung für die innere Struktur, für den zeitgemäßen Aufbau und damit für den militärpolitischen Wert der kommenden Bundeswehr zugemessen wurde. Ich erinnere daran, daß im Inland wie auch im befreundeten Ausland gerade die damalige Verabschiedung des Gesetzes zusammen mit dem Freiwilligengesetz als Willenskundgebung des ganzen Bundestages besonders gewertet wurde. Der Bundestag hatte damit unmißverständlich seine Bereitschaft, seinen Willen zum Ausdruck gebracht, die Verantwortung in einer Frage zu übernehmen, die nach unserer Meinung von Einfluß auf Geist und Gehalt der Verteidigungsorganisation sein würde, also eines Instrumentes, das uns alle angeht. Ich bekenne mich nach wie vor zu der Auffassung, daß jede Verteidigungsorganisation schon durch die ihr übertragenen Funktionen im staatlichen Leben notwendigerweise den Rahmen einer ausschließlichen Zuständigkeit der Exekutive sprengt. Es mag sein, daß wir im Laufe der kommenden Jahre des Aufbaus noch andere Lösungen finden, um dem von uns damals mit dem Gutachterausschuß beabsichtigten Zweck gerecht zu werden. Aber sollten wir nicht - und das ist mein Anliegen - in dieser Zeit des politischen Wachstums unseres Staates wie auch der ersten Anfänge der Bundeswehr die Ruhe aufbringen, erst die Auswirkung eines einmal beschlossenen Gesetzes abzuwarten und den Menschen ebenso wie dem Apparat die notwendige Zeit zu lassen, um Versager und Kinderkrankheiten zu überwinden Und, was mir noch wichtiger erscheint, sich in der wechselseitigen Zusammenarbeit aufeinander einzuspielen? Bei unserem stürmischen Tempo pflegen oft neue Ideen, neue Planungen und neue Institutionen auch im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit einen Weg zu durchlaufen, der manchmal erst von der Sensation über eine schnelle und oberflächliche Kritik zur sachlichen und ruhigen Beurteilung führt. Die Ungeduld ist zweifellos eine starke Triebfeder für das Vorantreiben einer neuen Entwicklung; aber sie darf nicht so weit gehen, die notwendige Zeit der Reife abzukürzen. Ich glaube, daß manche Mißverständnisse und auch Unzuträglichkeiten, wie sie im Zusammenhang mit dem Personalgutachterausschuß in der Öffentlichkeit - nach meiner Ansicht nicht immer sachlich - erörtert wurden und durch die wahrscheinlich auch die Absicht der DP, die vorliegenden Anträge einzubringen, verstärkt worden ist, eigentlich nur psychologisch zu erklären sind. Gerade wir Deutschen in der Bundesrepublik haben ({1}) als Erben unserer Geschichte und als Bewohner eines kleinen Landes, das aber im Schnittpunkt aller Kraftlinien Europas liegt, eine besondere Neigung und bestimmt auch im Laufe der Zeit eine besondere Fähigkeit entwickelt, alles zu organisieren, alles zu regeln und in feste Formen - um nicht zu sagen: Verordnungen - zu gießen. Mir will es scheinen, als ob viele Menschen in unserem Volke heute noch zuerst danach fragen, durch welche Gesetze oder Bestimmungen das wechselseitige Verhältnis von Dienststellen oder Menschen untereinander geregelt wird, und erst in zweiter Linie danach, wie man durch eine sinnvolle Zusammenarbeit den Zweck der übertragenen Aufgabe erfüllen kann. Ich habe die Hoffnung, daß nach einer längeren politischen Entwicklung und dem stärkeren Hineinwachsen in eine wirklich demokratische Denkungsweise auch wir dahin kommen, daß der Sinn eines Gesetzes wichtiger ist als der Buchstabe eines Gesetzes. Ich möchte annehmen und ich möchte hoffen, daß ähnliche Gedankengänge bei allen an der Arbeit des Personalgutachterausschusses interessierten Stellen und vom Ausschuß selbst angestrebt werden. Wenn dies der Fall ist, besteht für mich nicht der geringste Zweifel, daß das, was Bundestag und Regierung, vor allem das Verteidigungsministerium, seinerzeit mit der Einrichtung dieses Ausschusses bezweckt haben, auch erfolgreich zu Ende geführt wird. Ich glaube, daß dann die Mitglieder dieses Personalgutachterausschusses nach Überwindung von Schwierigkeiten, die unvermeidlich waren, und nach Erledigung ihrer ja zeitlich und sachlich klar begrenzten Aufgabe die Gewißheit haben werden, an ihrer Stelle beim Aufbau der 1) Bundeswehr einen psychologisch und auch fachlich wertvollen Beitrag geleistet zu haben. Wir als Mitglieder des Verteidigungsausschusses wissen, daß der Bundesverteidigungsminister selbst schon in einem sehr frühen Stadium der sich abzeichnenden deutschen Verteidigungsorganisation den Gedanken an einen Ausschuß dieser Art gehabt hat. Und wie oft sind solche Überlegungen auch an anderen Stellen aufgetaucht! Ich persönlich habe mich - ich glaube, es ist fünf Jahre her - seinerzeit mit dem damaligen Staatssekretär Dr. Lenz über das Problem einer Art von Personalausschuß in dieser Richtung unterhalten. Ich bin mir aber durchaus bewußt, daß nicht nur Politiker, sondern auch viele früheren Soldaten den Zweck des Personalgutachterausschusses verkannt haben und möglicherweise auch heute noch verkennen. Sicherlich unterliegen manche von ihnen der in unserem Volke auch sonst weit verbreiteten Neigung, allzuschnell zu vergessen, auch zu vergessen, wie die innen- und außenpolitische Situation der Bundesrepublik, ihre politische und wirtschaftliche Kraft, noch vor wenigen Jahren zu beurteilen war und welche Schwierigkeiten zu dieser Zeit noch viele Gruppen unserer Mitbürger und nicht zuletzt auch die ehemaligen Soldaten hatten, um ihre als Recht empfundenen Ansprüche durchzusetzen. Es ist sicher gelegentlich nützlich, sich einmal vor Augen zu halten, welche Fortschritte auch in anderer als nur in pekuniärer Hinsicht durch die politische und wirtschaftliche Entwicklung und die wachsende Souveränität der Bundesrepublik erreicht worden sind. Muß man daran erinnern, daß noch vor fünf - vielleicht noch weniger - Jahren in sehr weiten Kreisen unseres Volkes - und darin stimme ich mit dem Kollegen Schneider überein - eine Art kollektiver Minderbewertung des deutschen Soldaten erkennbar war, ein Zustand, der sich zu jener Zeit noch auf die weit verbreitete unfreundliche Kritik des Auslandes dem deutschen Waffenträger gegenüber stützen konnte und der heute, wenn auch noch nicht ganz befriedigend, so doch in hohem Maße der rechtsstaatlichen Auffassung Platz gemacht hat, den einzelnen Menschen individuell zu beurteilen und nicht mehr durch die kollektive Beurteilung einer ganzen Schicht zu verdammen? Wir alle wünschen - und ich stehe nicht an, es bei dieser Gelegenheit zu erklären -, daß auch die letzten Reste einer kollektiven Verurteilung, wie sie in den Urteilen der damaligen Sieger zum Ausdruck kam, z. B. gegenüber der Waffen-SS, in unserer souveränen Bundesrepublik baldigst insoweit verschwinden, daß sie nicht mehr Bestandteil unseres rechtsstaatlichen Denkens sind. ({2}) In der Atmosphäre dieser Zeit, in der Atmosphäre des Mißtrauens, des Ressentiments entstanden angesichts der Notwendigkeit, die Bundesrepublik in die Verteidigung der westlichen Welt auch in ihrem eigenen Interesse einzugliedern, die ersten Gedanken über einen Gutachterausschuß, um für die Wehr die besten Kräfte zu gewinnen, aber auch - und das ist eine heute oft vergessene Aufgabe des Ausschusses - sich nach erfolgter Auswahl vor die ehemaligen Soldaten zu stellen, die das Knochengerüst für die Streitkräfte bilden sollen. Der verehrte Kollege Erler hat damals diese wichtige Aufgabe mit folgenden Worten umrissen - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten -: Wenn dieser Ausschuß aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens keine Bedenken gegen die persönliche Eignung erhoben hat, so müssen wir uns schützend vor diesen Mann stellen, und zwar alle politisch tragenden Kräfte Deutschlands, wenn er, von wo auch immer, angegriffen wird. Dem Ausschuß ebenso wie dem Verteidigungsminister selbst erschien es weiter durchaus zweckmäßig, einen derartigen Personalgutachterausschuß außerhalb der Organisation des Verteidigungsministeriums aufzustellen, um nicht den Minister und seine Personalpolitik mit dieser Aufgabe zu belasten; denn - wie wir es heute erleben - es ist eine Belastung. Nach reiflichen Überlegungen wurde der Ausschuß aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die von der Bundesregierung selbst vorgeschlagen wurden, gebildet. Mit voller Absicht wurde die Zusammensetzung so gewählt, daß ein wesentlicher Anteil an der Mitgliederzahl ehemaligen Offizieren zugestanden wurde, damit auch das Wort gerade dieser Offiziere, die sich als Mensch und Offizier allgemeine Achtung in der früheren Wehrmacht errungen hatten und sich diese Achtung auch in den Jahren nach dem Kriege erhalten hatten, zur Geltung kam. Parlamentarier wurden als Mitglieder des Ausschusses nicht zugelassen, um parteipolitische Interessen oder den Anschein von solchen Interessen überhaupt auszuschalten. Es wurde ferner bestimmt, daß alle Mitglieder des Ausschusses einschließlich der in ihm vertretenen ehemaligen Offiziere in der Verteidigungsorganisation nicht wieder verwandt werden dürfen, um auch den Schein einer Beeinflussung bei der Auswahl der Bewerber zu vermeiden. Per({3}) sönlich bin ich überzeugt, daß der Ausschuß in der öffentlichen Meinung gerade durch diese Art seiner Zusammensetzung ein größeres Gewicht hat, als wenn er einseitig aus Soldaten oder einseitig aus Politikern zusammengesetzt worden wäre. Man sollte ferner immer wieder unterstreichen, daß nach weitgehender Übereinstimmung der Ansichten des Verteidigungsministers und des Ausschusses dieser Ausschuß weder ein Gericht noch eine Entnazifizierungsbehörde mit allen sich daraus ergebenden Folgerungen sein sollte. Deshalb konnte und kann die Ablehnung einer Person nach unserer Auffassung auch nicht als Diffamierung gewertet werden. Wie weit die Geschäftsordnung des Gutachterausschusses, die im übrigen nach ihrer Fertigstellung dem Ausschuß des Bundestages vorgelegen hat, diesen grundlegenden Absichten des Verteidigungsausschusses Rechnung trägt oder nicht, möchte ich dahingestellt sein lassen, zumal ich mir als Nichtjurist kein Urteil darüber erlaube. Ebensowenig kann es hier unsere Aufgabe sein, eine Prüfung darüber anzustellen, ob die Praxis im Personalgutachterausschuß dem entspricht, was Verteidigungsausschuß und Verteidigungsminister von ihm erwartet haben. Eine solche Nachprüfung ist auch, wie der Kollege Schneider mit Recht betont, deswegen schwierig, weil der Ausschuß durch Gesetz zur Geheimhaltung verpflichtet ist. Ich möchte aber annehmen, daß eigentlich eine solche Nachprüfung schon deshalb unnötig sein sollte, weil diese 36 oder 37 sorgfältig ausgesuchten und allgemeines Ansehen genießenden Persönlichkeiten Gewähr genug dafür sein sollten, daß hier eine sachliche und objektive Arbeit geleistet wird und ein unbestechliches Rechtsempfinden zur Geltung kommt. Im übrigen kann ich nur wiederholen, worauf ich vorhin hingewiesen habe: daß ein enger persönlicher Kontakt zwischen allen an dieser Personalfrage interessierten Stellen auch über Unebenheiten oder Unklarheiten von Geschäftsordnung oder Auffassungen hinweghelfen sollte. Ich glaube - soweit ich das beurteilen kann - daß dieser Zustand nach Überwindung verständlicher Anfangsschwierigkeiten jetzt auch weitgehend erreicht worden ist. Es liegt mir daran, doch noch auf eine Tatsache hinzuweisen, die in ihrer Auswirkung auf den Aufbau unserer Bundeswehr oft nicht richtig eingeschätzt wird: Für diese vor uns liegende Aufgabe gibt es kein Beispiel in unserer Geschichte, nicht einmal den sonst so beliebten „Vorgang". Die bis auf heute gezogenen Vergleiche mit scheinbar ähnlichen historischen Vorgängen der Vergangenheit, wie etwa der Zeit Scharnhorsts, oder die Gleichstellung des Gutachterausschusses mit den preußischen Ehrenkammern von 1813 haben meist nur ideellen Wert, sind oft falsch und darüber hinaus gelegentlich recht gefährlich, weil die vor uns und unserer Zeit liegende Aufgabe in ihrer wirklichen Bedeutung durch das übergemalte Bild der Geschichte verschwindet. Wir stehen in der Bundesrepublik zum erstenmal in unserer Geschichte vor der Tatsache einer totalen Unterbrechung unserer Verteidigungsorganisation. Und ich behaupte, daß auch in anderen Staaten der Welt, jedenfalls in der ganzen neueren Geschichte, eine solche totale Unterbrechung der Sicherheitsmaßnahmen eines souveränen Staates von Bedeutung nicht nachweisbar ist. Möglicherweise ist in dieser Tatsache die Ursache dafür zu sehen, daß in manchen Kreisen, auch in denen des befreundeten Auslandes, die Schwierigkeiten, denen wir beim Aufbau der Bundeswehr gegenüberstehen, verkannt werden. Die uns zugestandene Fähigkeit zum Organisieren - sie ist sicher manchmal in zu hohem Maße vorhanden - hilft uns nicht über diese Schwierigkeiten hinweg. Selbst die beste Organisation kann nur Vorhandenes zweckmäßig verteilen; sie schafft aber niemals neue Werte. Auch der Vergleich unserer Situation von 1945 mit der von 1918 ist abwegig. Damals blieb ein Fundament erhalten, und der lebendige Faden des eingespielten Apparats mit sachlich und fachlich geschulten Menschen riß niemals ganz ab. Demgegenüber ist die Situation von 1945 eine völlig andere. Unter dem starken Druck der totalen Besetzung und der damaligen Entschlossenheit der Sieger, den deutschen Staat nicht mehr zu dem Kreis der souveränen und zu eigener Politik befähigten Völker zuzulassen, wurde die Verteidigungsorganisation von 1945 nicht nur zerschlagen, sondern in erstaunlich kurzer Zeit total ausgelöscht. Sehr bald nach der Kapitulation gab es nichts mehr, was noch als Wehrmacht oder als Restbestand einer Wehrmacht angesehen werden konnte. Ein verschwommenes Bild der verschwundenen deutschen Wehrmacht spiegelte sich vielleicht lediglich in den mit Millionen Deutschen gefüllten Gefangenenlagern wider. Kein Aktenstück, kein Kriegstagebuch, keine Vorschrift, keine Waffe, keine Kommandobehörde, kein Verwaltungsapparat, kein geschultes und erfahrenes Personal, kein kluges Personalamt, keine Personalpapiere, nichts war mehr vorhanden. Es war ein absolutes Vakuum. Die Wehrmacht war sogar untergegangen - wie ich schon betont habe -, ohne in Ordnung abwickeln zu können. Und wie der Apparat, so zerstäubten auch die Menschen dieser Organisation nach Schluß der Kampfhandlungen oder nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in alle Winde und alle Berufe. Unter dem Druck dieser Zeit, unter dem Druck der Ungewißheit, mit der Sorge um die eigene Zukunft und die der Familie behaftet, fiel von manchen Menschen ohne Unterschied der sozialen Stellung, des Dienstgrads und selbst der höchsten Zeichen bewiesener Tapferkeit vor dem Feind, ich möchte einmal sagen, der Lack ab. Jeder von uns hat diese Erfahrung in der Gefangenschaft gemacht, und jeder von uns weiß, wie schwer es gerade in der Gefangenschaft war, Haltung zu bewahren und sich als Persönlichkeit zu bewähren. Wahrscheinlich ist jeder von uns in dieser Zeit der einen oder anderen Schwäche aus Lebensangst unterlegen; aber ich bin überzeugt, daß die meisten Menschen sich später wieder gefangen haben. Auf der andern Seite müssen wir uns darüber klar sein, daß nach 1945 viele dieser Menschen, auch viele der ehemaligen Soldaten, politisch und in ihren persönlichen Anschauungen einen Weg eingeschlagen haben, der zur Folge hat, daß sie bei der uns gestellten schweren und einmaligen Aufgabe als verantwortliche Mitarbeiter jedenfalls für ganz bestimmte Positionen hinter anderen, besser für diese Aufgabe geeigneten Menschen zurücktreten müssen. Warum führe ich das an? Nur deshalb, um Ihnen eindringlich vor Augen zu führen, daß wir vor die({4}) ser einmaligen Aufgabe in unserer Geschichte stehen und daß wir mit den üblichen, normalen Methoden, die in früheren Zeiten über die Schwierigkeiten hinweggeholfen haben, nicht mehr auskommen. Ich bitte, auch nicht zu vergessen, daß die Dienststelle Blank, als sie nach Jahren einer totalen Unterbrechung in sehr beengtem und zahlenmäßig kleinem Rahmen mit ihrer Aufgabe beginnen mußte, weder zahlenmäßig noch fachlich in der Lage war - außer wenigen Schlüsselkräften -, ihre ständig wachsenden Aufgaben auch nur annähernd zu bewältigen. Denken Sie daran: die Dienststelle Blank war kein gewachsener Apparat. Es gab z. B. - ich komme immer wieder auf diesen Punkt zurück - kein ausreichend besetztes und über die notwendige Autorität verfügendes Personalamt. Es war nicht immer möglich, die besten und tüchtigsten Kräfte für die Arbeiten der Dienststelle unter den damaligen Arbeitsbedingungen zu bekommen, zumal sehr viele ehemalige Soldaten - und sicher nicht die schlechtesten - inzwischen einen guten Platz im Zivilleben gefunden hatten. Es war also sehr wohl nötig, nach zehn Jahren der Unterbrechung im Interesse der Bundesrepublik, im Interesse der Bundeswehr, aber auch im Interesse der deutschen Menschen selbst mit großer Sorgfalt die geeigneten Menschen aus der großen Menge früherer Soldaten auszusuchen; gerade am Anfang ist die Aufgabe einer zeitgemäßen Menschenführung besonders notwendig. Die Menschenführung ist wichtiger als das Verwalten und das Organisieren, meine Damen und Herren! Bei einem seinem Wesen nach immer konservativen Element, wie es jede Verteidigungsorganisation darstellt, kann es ausschlaggebend sein, wie die Weiche am Anfang gestellt wird, und aus diesem Grunde - und nur aus diesem Grunde - haben wir mit der Mehrheit des Hauses einen bisher neuen und ungewöhnlichen Schritt, der keinen Vorgang in der Vergangenheit hat, mit der Aufstellung des Personalgutachterausschusses unternommen, weil wir eben vor einer völlig neuen und auch in ihrer Entwicklung nach meiner Auffassung auch heute noch nicht übersehbaren Aufgabe stehen. Vielleicht war dieser Schritt ein Risiko. Möglicherweise wäre auch nach unseren heutigen Erfahrungen das damalige Gesetz etwas anders gefaßt worden, sei es, daß die Aufgaben um Zuständigkeiten des Ausschusses besser verdeutlicht worden wären, sei es, daß die Pflicht zur Geheimhaltung anders gefaßt worden wäre, oder sei es auch, daß die Festlegung der Zahl der Mitglieder des Ausschusses in anderer Weise erfolgt wäre. Das alles ist aber nicht entscheidend. Ich bin der Auffassung, daß die Mehrheit des Bundestages ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden wäre, wenn sie in einer Lage, die uns vor völlig neue und erstmalige Aufgaben gestellt hat, nicht auch den Mut zum Risiko gehabt hätte. Die DP hat im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Auflösung des Gutachterausschusses mit der Drucksache 2075 auch den Entwurf eines neuen Gesetzes über die Einstellung von Soldaten für die Bundeswehr mit dem Dienstgrad vom Oberst an aufwärts vorgelegt. Ich kann es mir versagen, auf die Einzelheiten dieses Entwurfs hier näher einzugehen. Auf eine kurze Formel gebracht, bedeutet nach meiner Ansicht der Vorschlag der DP den Ersatz des bisherigen Personalgutachterausschusses durch einen Ehrenrat, der nur aus ehemaligen Offizieren besteht. Persönlich bin ich der Auffassung, daß weder der Name Ehrenrat noch die Zusammensetzung den Gedanken Rechnung trägt, die wir damals bei der Verabschiedung des Gesetzes über den Personalgutachterausschuß unseren Überlegungen zugrunde gelegt haben. Ich möchte annehmen, daß selbst eine gründlichere Ausschußarbeit zu keinem anderen Ergebnis kommen würde. Ich halte es aber für zweckmäßig und im Interesse aller Parteien, auch im Interesse der DP liegend, wenn die Anträge der DP dem Verteidigungsausschuß überwiesen werden, damit dieses ganze, uns doch sehr berührende und beschäftigende Problem intensiver bearbeitet werden kann, als es hier im Plenum möglich ist. Vielleicht gewinnen wir auf diese Weise doch den einen oder anderen wertvollen Hinweis für ein besseres Verständnis der Aufgaben, die jetzt dem Gutachterausschuß obliegen. Unabhängig von meinem persönlichen ablehnendem Standpunkt gegenüber den Anträgen der DP schlage ich aus den von mir angeführten Gründen die Überweisung beider Anträge an den Ausschuß für Verteidigung vor. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können, glaube ich, alle miteinander dem Herrn Kollegen He y e sehr dankbar dafür sein, daß er hier in so einleuchtender Weise dargelegt hat, welche Gründe für die überwältigende Mehrheit dieses Hauses vor dreiviertel Jahren maßgebend gewesen sind, den Personalgutachterausschuß zu schaffen, und zwar im wesentlichen so zu schaffen, wie er nun einmal seine Arbeit aufgenommen und sich bewährt hat. ({0}) Ich möchte das hier ausdrücklich feststellen. Im Ergebnis teile ich also - ich werde das im einzelnen noch darzulegen haben die Gründe, die unseren Kollegen Heye dazu veranlaßt haben, für seine politischen Freunde die Ablehnung der Vorstellungen der Deutschen Partei hier auszusprechen. ({1}) - Nein. Er hat einiges persönlich gesagt; aber in der Quintessenz war das die Haltung der Fraktion. Aber wenn die Dinge so sind, meine Damen und Herren, dann können wir es uns doch auch einfacher machen. Der Verteidigungsausschuß des Bundestages hat bisher keine Gelegenheit ausgelassen, dann, wenn in einer solchen Frage die Notwendigkeit einer Beratung bestand, die Probleme zu diskutieren. Das können wir tun. Das werden wir auch künftig tun, um im Austausch von Erfahrungen und Meinungen überall dort, wo etwas geändert werden sollte, uns darüber zu unterhalten, wieweit das nötig ist und wie es etwa zu geschehen hätte. ({2}) Aber müssen wir dazu - um ein Wort des Herrn Kollegen Schneider aufzugreifen - Unruhe, neues Hin und Her schaffen, indem wir jetzt durch ({3}) Überweisung an den Verteidigungsausschuß über dem Personalgutachterausschuß das Damoklesschwert aufhängen, daß nun über ihm ständig die Drohung seiner Auflösung schwebt? Das ist eine Pression, die wir nicht ausüben sollten. ({4}) Daher bin ich der Meinung, daß sich aus den Ausführungen des Kollegen Heye eigentlich nur ein einziger logischer Schluß ergibt: gar nicht erst die Überweisung der Anträge der DP an den Verteidigungsausschuß zu beschließen. ({5}) Wir haben uns jetzt ziemlich lange über dieses Problem unterhalten. Die Meinungen sind bekannt. Wir werden über diejenigen Fragen, in denen es etwas zu klären gilt, im Verteidigungsausschuß reden können. Aber in der Richtung, in der die Deutsche Partei die Sache anfangen will, gibt es für uns nun einmal nichts zu klären. Das ist und bleibt die Meinung der überwältigenden Mehrheit dieses Hauses. ({6}) Wir sind eben nicht gewillt, an die Stelle eines aus angesehenen Persönlichkeiten der verschiedensten sozialen und politischen Herkunft bestehenden Gremiums einen Rat nur aus Berufssoldaten zu setzen. ({7}) Wir sind eben auch nicht gewillt, jene Verletzung der Gewaltenteilung vorzunehmen, die darauf hinausliefe, ein Organ des Parlaments zum Herrn der Personalpolitik zu machen, wie das j a in den Vorschlägen der DP auch enthalten ist. Es ist hier beklagt worden, daß wir erst heute zu einer Erörterung dieser Frage kommen. Ich beklage das auch. Ich habe aber in Erinnerung, daß die letzte Debatte hier auf Wunsch der Antragsteller nicht stattgefunden hat. Ich jedenfalls war für diese Auseinandersetzung bereit. Ich habe das Wort ausgesprochen: der Personalgutachterausschuß hat sich bewährt. Ich will Ihnen ein einziges Beispiel dafür bringen, mit welcher nachtwandlerischen Sicherheit dieser Ausschuß richtig gehandelt hat. Wenn es eines einzigen Beweises bedurft hätte, dann ist es jene Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in der ein vom Personalgutachterausschuß abgelehnter Oberst unter Hinweis auf diese Entscheidung des Personalgutachterausschusses sich um eine Stellung bewirbt. ({8}) - Natürlich kann er sich bewerben; aber die Sprache, die in der Anzeige aufklang, war genau die Sprache, die den Mann für den Dienst in der Bundeswehr ungeeignet machte. ({9}) Man muß doch wissen, was mit der Hervorhebung dieser Eigenschaft in der Anzeige gewollt war. ({10}) Es ist hier gesagt worden, man müsse die Frage stellen, ob der Personalgutachterausschuß vielleicht auch nach der politischen Einstellung der Bewerber frage. Wenn damit die parteipolitische Einstellung gemeint ist, dann scheidet das unumwunden aus der Debatte aus. Dieser Ausschuß besteht aus 37 Persönlichkeiten aus allen demokratischen Kräften, die in diesem Hause vertreten sind. Jeder hat sich ein Bild davon machen können, ob irgendwo einmal die parteipolitische Einstellung eines Bewerbers für das Votum des Personalgutachterausschusses eine Rolle gespielt hat. Das ist in keinem einzigen Falle geschehen. ({11}) - Wenn es geschehen wäre, dann wüßten Sie es; Sie sind ja auch in dem Ausschuß vertreten. - Aber eins will ich hier sagen: wenn es bei der persönlichen Eignung auch einen politischen Maßstab gibt, dann den der Treue zu den demokratischen Prinzipien, auf denen dieser Staat beruhen muß. ({12}) Das ist eben mehr als nur die fachliche, als nur die technische Eignung. Es gibt hervorragende Fachleute, die stellen sich jedem Regime zur Verfügung: die wollen wir nicht. Wir wollen die, die der Demokratie zu dienen entschlossen sind. ({13}) Ein Mann, der als Lehrer der politischen Wissenschaften im öffentlichen Leben unseres Staates Ansehen genießt, Professor Eschenburg, sprach im Stuttgarter Rundfunk zu der Auseinandersetzung um den Personalgutachterausschuß folgende Worte: Was anzuerkennen ist, das ist die Würde und die Sicherheit, mit der der Personalgutachterausschuß gegenüber allen Anfechtungen, Versuchungen und Einschüchterungen aufgetreten ist. Ich will hier eine Klammer einfügen: Der Gesetzentwurf der Deutschen Partei ist nichts anderes als eine solche Einschüchterung, und deshalb sollten wir ihn nicht an den Ausschuß überweisen. ({14}) Und nun wieder Professor Eschenburg: Das zeigt, daß er seiner Sache sicher ist. Wenn man einen solchen Ausschuß einsetzt und wenn man ihm gewisse Regeln gibt, dann muß man auch diese Regeln beachten, wenn es einem selber unangenehm ist. Der Ausschuß hat durch seine Würde und durch seine Sicherheit eine institutionelle Leistung vollbracht. Das ist das Urteil eines Mannes, der durch die Unabhängigkeit seines Urteils einmal der einen und dann der anderen Seite dieses Hauses unbequem ist. Wir sollten immer mit Respekt zur Kenntnis nehmen, was ein solcher sachkundiger Mann zu diesem Problem zu sagen hat. Der Personalgutachterausschuß ist eben erfreulicherweise keine Jasagemaschine geworden. ({15}) Herr Kollege Schneider hat gesagt, daß er einen etwas eigenwilligen Vorsitzenden habe. Ich finde, das ist ein hohes Lob, das damit dem Ausschuß und seinem Vorsitzenden ausgesprochen worden ) ({16}) ist. Ein bequemer Befehlsempfänger wäre fehl an diesem Platze. ({17}) - Wir haben bewußt Wert darauf gelegt, Herr Kollege Bausch, diesem Ausschuß ein hohes Maß an innerer und äußerer Unabhängigkeit zu geben. Was wir dabei, wieder im Gegensatz zu den Vorstellungen der Deutschen Partei, wollten, ist gerade keine Abkapselung innerhalb einer bestimmten Berufssparte, nämlich der der Berufssoldaten. Der Personalgutachterausschuß enthält einen erheblichen Prozentsatz an ehemaligen Berufssoldaten, weil wir die von ihnen gesammelte berufliche Erfahrung und persönliche Kenntnis unter allen Umständen auch für die Arbeit dieses Ausschusses nutzbar machen wollten. Aber im ganzen hat sich dort doch ein erfreuliches Klima der Zusammenarbeit ergeben ohne Rücksicht auf den Beruf, ohne Rücksicht auf die Konfession, ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer oder Sympathie für eine bestimmte politische Partei, eine Zusammenarbeit in Sorge um unsere junge Demokratie. Der Ausschuß hat sowohl bei den Fällen, die er selber zu bearbeiten hatte, als auch in den Richtlinien, die er für das sonstige Annahmeverfahren ausgearbeitet hat, hohe Ansprüche gestellt. Ich will hier nicht viel zu den Richtlinien sagen. Auch wir sind der Meinung, daß es heute darauf ankommt, wie es auch in der Vergangenheit darauf angekommen ist, die Menschen als Individuen zu werten und zu prüfen und unter gar keinen Umständen irgendwelche kollektiven Urteile lediglich auf der Grundlage der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen zu fällen. Das war und bleibt unsere Meinung. Aber wenn dieser Ausschuß hohe Ansprüche stellt und damit das Niveau für diejenigen, die in die Bundeswehr eintreten, bewußt hoch ansetzt, dann leistet er damit einen wertvollen Dienst an der Auslese all derer, die nun in der bewaffneten Macht Dienst tun oder weiter tun werden. Es ist hier gesagt worden, das habe doch eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Entnazifizierungsverfahren, das erinnere an strafrechtliche Prozeduren, man müsse diesem Ausschuß dann eigentlich strafrichterliche Befugnisse geben und ihm ein solches Rechtsmittelverfahren zur Verfügung stellen, wie es bei den ordentlichen Gerichten üblich ist. Sehen Sie, Kollege Schneider, trotz all Ihrer Beteuerungen, es bleibt dabei: Für uns ist, nachdem nun einmal die Mehrheit dieses Hauses gegen unseren Willen die Aufstellung der Bundeswehr beschlossen hat, diese Bundeswehr ein neuer Beginn in einem demokratischen Staatswesen. Andere haben das noch nicht richtig erkannt. Bewußt oder unbewußt ist die Bundeswehr für sie die Fortsetzung der Wehrmacht des vergangenen Staates, ({18}) und das ist der wirkliche Kern der Auseinandersetzung zwischen ihnen und uns. ({19}) Denn wer die Bundeswehr als eine Fortsetzung der alten Wehrmacht ansieht, der kommt dazu, zu sagen, daß ein solcher Gutachterausschuß eine Art Berufsverbot verhänge, während doch eigentlich jeder, der in der alten Wehrmacht war, in der neuen wieder seinen Platz finden müßte. Das geht aber gar nicht. Das geht nicht nur deshalb nicht, weil das politisch von diesem Hause erfreulicherweise nicht gewollt wird, sondern es geht auch nicht, weil das ein Rechenexempel ist, das nicht aufgeht. ({20}) - Ich weiß, Sie haben es zwar gesagt, aber nicht bis zu Ende durchgedacht, sonst müßten Sie ihren Antrag zurückziehen. ({21}) Das geht auch deswegen nicht, weil es etwa 1300 - vielleicht sind es inzwischen wieder weniger geworden - überlebende Generale der alten Wehrmacht gibt. Gebraucht werden vielleicht 40 oder 50, ein halbes Hundert. Dieses Zahlenbild erklärt doch schon, daß bei diesem Angebot der Vorhandenen, von denen ein großer Teil schon aus Altersgründen ohnehin ausschiede, nur die Allerbesten zur Wiederverwendung in der Bundeswehr gerade gut genug sind ({22}) und daß hier infolgedessen eine Auslese stattfinden muß, eine Auslese, für die ein Gerichtsverfahren das ungeeignetste Instrument wäre. Wo gibt es denn das?! Das gibt es nicht einmal in Ihrer Partei, daß Sie, wenn sich jemand um die Stellung eines Geschäftsführers in der Deutschen Partei oder eines Mitarbeiters in der Bundestagsfraktion bewirbt, mit den Bewerbern, die Sie nicht akzeptieren, nachher in eine Diskussion darüber eintreten, warum Sie sie nicht akzeptiert haben. ({23}) - Ach, warum ist das etwas anderes, wenn Sie sich Bedienstete, Mitarbeiter für eine politische Partei aussuchen und wenn sich die Bundesrepublik Deutschland qualifizierte Mitarbeiter für den Aufbau der Bundeswehr aussucht?! ({24}) Ich sehe nicht, warum wir hier von den bewährten Grundsätzen der Personalauslese im öffentlichen Dienst abgehen sollten, wonach mit dem einzelnen Bewerber, den man nicht nimmt, darüber nicht in eine Diskussion eingetreten wird. Das wollte ich hier sagen, auch an Hand des Rechenexempels, damit noch einmal klar wird, worin die wirklichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihnen und uns eigentlich bestehen. Im übrigen wurde hier - der Kollege Heye hat schon darauf hingewiesen - der Eindruck erweckt, als ob dieser Personalgutachterausschuß eine fremde Institution sei, mit der wir gar nichts zu tun hätten. Nicht nur ist das Gesetz von uns beschlossen worden, das die Grundlage für seine Arbeit gebildet hat, sondern dieser Personalgutachterausschuß ist von der Bundesregierung vorgeschlagen und Kopf für Kopf von diesem Parlament bestätigt worden. Das ist nicht ein fremder, das ist unser Personalgutachterausschuß, um den es sich hier handelt! ({25}) Ich wiederhole noch einmal, wie erfreulich es ist, daß sich dieser Ausschuß auch dann, als seine Entscheidung einmal dem Verteidigungsminister unbequem war, nicht hat beirren lassen. Man sollte die Wirksamkeit des Ausschusses auch nicht statistisch danach zu prüfen suchen: Wieviel hat er denn nun eigentlich abgelehnt? Das wäre ein völlig falscher Maßstab. Auf diese Zahl kommt es gar nicht an. Sein Vorhandensein ist wichtig; denn die Erfahrung mit dem Gutachterausschuß hat bei der Bun({26}) desregierung dazu geführt, daß man ein besonders hohes Maß an Sorgfalt anwenden muß, bevor man seine Vorschläge diesem Ausschuß unterbreitet. ({27}) Das ist eine wesentliche Aufgabe, eine erzieherische Aufgabe, möchte ich einmal sagen, gegenüber der Personalabteilung des Bundesverteidigungsministeriums. Es wird zu besonders gründlicher Prüfung der eigenen Vorschläge erzogen. Im übrigen ist der Minister deshalb noch lange nicht von jeder Verantwortung entbunden. Das Parlament ist in seiner Kontrollfunktion nach wie vor tätig. Der Personalgutachterausschuß hat ja nur die Befugnis, zu sagen, wer nicht einberufen werden darf; aber damit hat er noch lange nicht die Befugnis bekommen, zu sagen, wer einberufen wird und was man mit ihm macht. Für die gesamte positive Personalpolitik, für die Vorschläge an den Ausschuß und für die Berufung der durch den Ausschuß akzeptierten Männer in bestimmte Funktionen und Ränge trägt niemand anders als der Minister die Verantwortung; und bei Fehlgriffen, die er dort begangen hat oder begeht, haben wir nach wie vor die Möglichkeit, unsere Kontrolle zunächst durch den Verteidigungsauschuß und notfalls auf dem Wege der parlamentarisch zulässigen Mittel - etwa der Großen Anfrage - hier in diesem Hause zur Geltung zu bringen. Das ist unbestritten. Ich bin der Meinung, wir sollten keine neue Unsicherheit schaffen, sondern dem Personalgutachterausschuß Gelegenheit geben, seine bewährte Arbeit fortzusetzen. Herr Kollege Heye sprach schon davon: dieser Ausschuß soll Vertrauen schaffen. Hier hörte ich vorhin von der Deutschen Partei einen Satz, der so klang, als ob es im wesentlichen darauf ankomme, daß man für den Aufbau der Bundeswehr das Vertrauen der früheren Berufssoldaten brauche. Das ist ein grundsätzlicher Irrtum. Wenn überhaupt etwas, dann brauchen Sie für den Aufbau der Bundeswehr das Vertrauen des deutschen Volkes zu dieser Institution, ({28}) und das ist nur zu erlangen, wenn Sie der Bevölkerung sichtbar zeigen, daß alle Vorkehrungen, soweit es menschenmöglich ist, getroffen werden, um ein solches Vertrauen zu rechtfertigen und nicht etwa zu enttäuschen. Das ist der eigentliche Sinn des Personalgutachterausschusses. Der Bundesjugendring, dem mehrere Millionen junger Menschen in unserem Staate angehören, auch quer durch die Konfessionen und die politischen Meinungen und die verschiedenartigsten Interessen junger Menschen hindurch bis zum Sport hin, hat sich zu dem Problem geäußert. In einem Schreiben vom 24. Januar 1956, das Ihnen wahrscheinlich genau so zugegangen ist wie mir, heißt es: Bei den schwierigen Problemen, die sich insbesondere auch für die Jugendverbände durch die Aufstellung neuer deutscher Streitkräfte ergeben haben und die zum Teil zu erbitterten Auseinandersetzungen unter der deutschen Jugend selbst geführt haben, hat sich die Einrichtung des Personalgutachterausschusses außerordentlich bedeutsam ausgewirkt. Die Jugend sieht weithin in der Existenz und der Tätigkeit dieses Ausschusses eine Garantie für die Bestrebungen, die neuen deutschen Streitkräfte als eine demokratische Institution, der jegliche Tendenzen, sich zu einem Staat im Staate zu entwickeln, fernliegen und innerhalb derer die Menschenwürde des jungen Staatsbürgers als unantastbar gilt, zu errichten. ({29}) Welch kostbareres Gut brauchen Sie eigentlich für den Aufbau des Bundeswehr als das Zutrauen der jungen Menschen? ({30}) Das darf unter keinen Umständen aufs Spiel gesetzt werden. Um hier gar keine Zweideutigkeit aufkommen zu lassen, bitte ich Sie - wenn sich die Deutsche Partei angesichts der Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens schon nicht entschließen kann, ihren Freunden zu sagen: „Wir haben wacker gekämpft, aber wir sind unterlegen und ziehen diesen Antrag zurück!" -, wenn wir schon nicht zu dieser vernünftigsten Lösung kommen können, den vorliegenden Antrag hier und heute zu entscheiden, damit dieses Problem gelöst ist. Wir wollen eben, ich wiederhole es, keine neue Unruhe schaffen. Wer in diesem Zusammenhang das Wort „Diffamierung" aufbringt, der schafft doch nur eine neue Legende. ({31}) Wir wissen alle, was sich in den Jahren unmittelbar nach dem Kriege alles abgespielt hat. Aber wir wissen doch auch alle, was an wechselseitigem Abbau von Gefühlen inzwischen vor sich gegangen ist. Wer hier in dieser Weise von Diffamierung spricht, der baut keine Ressentiments ab, sondern der schafft neue Ressentiments, weil er sich von ihnen etwas verspricht. ({32}) Es gibt Menschen - das ist nun einmal so -, die fühlen sich bereits diffamiert, wenn lediglich erörtert wird, daß gewisse Vorrechte nicht mehr gelten sollen, die eine bestimmte Berufsgruppe einmal besessen hat. Hier, wo es um das Prinzip der gleichen Rechte aller Staatsbürger geht, wo es darum geht, daß der Soldat nicht minderen Rechtes sein soll als der andere Staatsbürger, der keine Uniform trägt, daß er aber auch keine Vorrechte genießen soll, da handelt es sich wahrhaftig nicht um Diffamierung. Wir bleiben bei unserer Vorstellung, daß der richtige Standort auch des Angehörigen dieses Berufes der sein muß, daß der Soldat weder ins Ghetto gesperrt noch unter Denkmalschutz gestellt wird ({33}), - beides wäre vom Übel -, sondern daß er lebendiger Teil dieser unserer gesamten staatlichen Gemeinschaft ist. Ich höre hier immer das Wort, gelegentlich mit mehr oder minder Pathos auch draußen ausgesprochen: Wir sprechen für die Soldaten, entweder wir von der Deutschen Partei oder wir vom Verband deutscher Soldaten oder wer alles. Entschuldigen Sie eine ganz harte Feststellung: die Sozialdemokratische Partei hat in ihren Mitgliedern und erst recht in ihren Wählern ein Mehrfaches an früheren Soldaten versammelt, als die Deutsche Partei oder gar als der Soldatenbund an Mitgliedern zählt. ({34}) Das Parlament darf sich nicht selbst diskreditieren. Wir wollen keine unnötige Zeitverschwendung betreiben. Wir alle kennen die Überlastung dieses Hauses und seiner Ausschüsse. Machen wir ({35}) Schluß mit einem unnötigen Hin und Her in einer Frage, die im wesentlichen für uns längst entschieden ist. Erörtern wir das, was zu erörtern ist, als Tagesordnungspunkt: „Bericht über die Erfahrungen des Personalgutachterausschusses" von Zeit zu Zeit im Verteidigungsausschuß. Belasten wir den Ausschuß nicht mit solchen Vorlagen und lehnen wir die Überweisung an den Ausschuß ab. Sie tun damit einen guten Dienst, erweisen diesem Hause Respekt und achten Ihre eigene Arbeit. ({36})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Feller.

Erwin Feller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000532, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks schließt sich dem soeben von der SPD-Fraktion gestellten Antrag an, die beiden Anträge der DP hier sofort abzulehnen, falls die Antragsteller sich nicht entschließen sollten, ihre beiden Anträge zurückzuziehen. ({0}) - Ich höre soeben, daß sie nicht die Absicht haben. Wir sind auch der Auffassung, daß die beiden Anträge der DP und ihre Motive einem völligen Mißverständnis dessen entspringen, was das Hohe Haus mit der Einrichtung des Personalgutachterausschusses beabsichtigt hat. Das geht wohl auch aus der Begründung des Herrn Kollegen Schneider hervor. Er hat nämlich an dem, was damals vor allem im Ausschuß darüber gesprochen worden ist, völlig vorbeiargumentiert. Als wir im vorigen Juli dieses Gesetz beschlossen, ist es erstmalig im Verlauf der Wehrgesetzgebung - und deshalb wurde es allgemein sehr beachtet - zu einer Einmütigkeit, mit Ausnahme der DP, gekommen. Ich erinnere mich nicht, daß Sie, Herr Kollege Schneider, an jenen abendlichen Sitzungen im Juli des vergangenen Jahres teilgenommen haben. Ich will es Ihnen gern zugute halten, daß Sie persönlich damals nicht dabeigewesen sind. ({1}) - Ja, das weiß ich. Denn Ihre Argumente gehen an dem, was wir damals formuliert haben, völlig vorbei. Auch sind solche damals von Ihrer Seite nicht vorgebracht worden. Interessanterweise richten Sie sich heute gegen die Methoden des Ausschusses. Damals konnte Ihre ablehnende Stellungnahme die Methoden noch nicht betreffen; denn über die Methoden war damals noch keine Urteilsmöglichkeit vorhanden. Über die Absichten, die wir bei der Einrichtung des Ausschusses gehabt haben, ist schon von den Herren Kollegen Heye und Erler gesprochen worden. Ich möchte nur noch eine negative Feststellung treffen, um kein Mißverständnis in der Öffentlichkeit aufkommen zu lassen. Die Absicht geht doch nicht dahin, die höheren Offiziere, die Obersten und Generale der neuen Streitkräfte in irgendeiner Weise einem Sonderrecht zu unterstellen. Gerade das wollten wir mit der Einrichtung des Personalgutachterausschusses nicht erreichen. Der Personalgutachterausschuß sollte vielmehr dem Offizierskorps der neuen Streitkräfte, insbesondere der Generalität, dadurch helfen, daß er ihm in der öffentlichen Meinung einen gewissen Grad von Immunität verschafft. Dies konnte und kann nicht ' besser formuliert werden als in der Wendung, die Herr Kollege Heye hier schon zitiert hat, daß durch die Entscheidungen des Personalgutachterausschusses die Generäle und Obersten der neuen Wehrmacht kugelfest gegen Angriffe und gegen Zweifel in ihre Eignung zum Dienst am demokratischen Staat gemacht werden sollen. Das hat zunächst gar nichts damit zu tun, daß man etwa die demokratische Zuverlässigkeit einer Mehrzahl der Bewerber a priori hätte anzweifeln wollen. Aber nach den geschichtlichen Erfahrungen kann niemand bestreiten, daß ein einziger ungeeigneter General oder Oberst, der in die neuen Streitkräfte hineingekommen wäre, den ganzen Stall, um einmal mit Bismarck zu sprechen, hätte „versauen" können, mindestens jedenfalls im Ansehen der neuen Wehrmacht in der Öffentlichkeit des In- und Auslandes. Das mußte im Interesse der anderen, im Interesse der gesamten Einrichtung vermieden und verhindert werden. Ein solcher Selbstschutz der Demokratie und ihrer Einrichtungen hat doch mit Entnazifizierung ebensowenig zu tun wie mit Ehrengerichtsbarkeit. Das ist vielmehr nichts anderes als das, was jeder Staat und jede Behörde hinsichtlich ihrer personellen Zusammensetzung zu tun gezwungen sind. Darüber entscheidet aber - damit wende ich mich gegen Ihren Antrag, den Personalgutachterausschuß durch einen Ehrenrat zu ersetzen - nirgendwo ein Kollegium, sondern darüber entscheiden immer die vorgesetzten Instanzen nach ihrem Ermessen. Diese Funktion hat hinsichtlich der neuen Streitkräfte in unserem Staat als einer Institution des Volkes das Parlament mit wahrzunehmen. Wenn es sie nicht selbst wahrnimmt, dann, Herr Kollege Schneider, ist das kein Anlaß zu einem Vorwurf gegen das Parlament, sondern das kann man im Gegenteil nur als eine löbliche Selbstbescheidung anerkennen und als den Ausdruck eines Bestrebens, jede Art von politischer Subjektivität zu vermeiden. Wir haben bei der Abfassung des Gesetzes nach einer Formulierung gesucht, die jedes Mißverständnis ausschließen sollte. Wir haben sie vielleicht nicht gefunden, was mit der Hast zusammenhing, in der das Gesetz gemacht werden mußte. Über die Auslegung des Ausdrucks „persönliche Eignung", den ich selber damals vorgeschlagen habe, ist es zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Diese Meinungsverschiedenheiten sind inzwischen im großen und ganzen überwunden, und sie können uns nicht veranlassen, die ganze Einrichtung überhaupt in Frage zu stellen, die doch inzwischen hervorragende Arbeit geleistet, die sich, wie Herr Kollege Erler soeben festgestellt hat, ausgezeichnet bewährt hat. Wenn ein Zweifel an der Zweckmäßigkeit dieser Einrichtung und wegen der personellen Zusammensetzung bestanden haben sollte, dann müßte er durch die Erfahrung der vergangenen Monate überwunden worden sein, und das hätte eigentlich schon längst zur Zurückziehung dieses Antrags führen müssen, ({2}) schon mit Rücksicht auf die Persönlichkeiten, die sich für die Arbeit im Ausschuß zur Verfügung gestellt haben. Auch ich halte es angesichts der Kritik, die in der Öffentlichkeit gegen sie laut geworden ist, für notwendig, daß wir diesen Frauen und Männern für ihre mühevolle Arbeit im Personal({3}) gutachterausschuß unseren Dank und unsere Anerkennung aussprechen. ({4}) Daß sich die Kritik vor allem an dem Umstand entzündet hat, daß einige Bewerber abgelehnt worden sind, ist geradezu paradox. Das kann nur aus einer völligen Unausgegorenheit unserer politischen Meinungsbildung erklärt werden; denn zu den Bewerbern ja oder nein zu sagen, dazu ist der Ausschuß doch überhaupt geschaffen worden. ({5}) Es ist auch kritisiert worden, daß der Personalgutachterausschuß sich nicht bereit erklärt habe, Gründe für die Ablehnung der Bewerber bekanntzugeben. Herr Kollege Schneider hat gesagt, die Nichtbekanntgabe der Ablehnungsgründe entspreche nach Auffassung der DP weder soldatischen noch demokratischen Traditionen. Herr Kollege Schneider, Sie können doch nicht als einen Verstoß gegen demokratische Traditionen bezeichnen, was nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Verwaltung aller Länder und des Bundes so gehandhabt wird, nämlich daß man einem Beamten, der sich um eine Stelle bewirbt, wenn er sie nicht erhält, nicht bekanntgibt, warum er sie nicht erhalten hat. Was einem Oberregierungsrat recht ist, der sich um eine Regierungsdirektorstelle bewirbt, das muß schließlich einem TO.A-II-Angestellten im Verteidigungsministerium billig sein. Man kann hier nicht von einem Verstoß gegen demokratische Traditionen sprechen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier gewisse Ehrenstandpunkte eine Rolle spielen bei Vorgängen, die die persönliche Ehrenhaftigkeit überhaupt nicht tangieren, und daß hier von den Antragstellern Begriffe angewandt werden, die mit den Grundsätzen und mit der Nüchternheit, mit der ein moderner Staat seine Exekutivmaßnahmen zu vollziehen hat, in keinen Zusammenhang mehr gebracht werden können. Wir stehen keineswegs an, festzustellen, daß für den Soldaten, insbesondere den Offizier, ein hohes Maß von Ehr- und Pflichtgefühl erforderlich ist, wenn er seinen Beruf entsprechend ausfüllen will. Aber ich frage: Was hat das damit zu tun, daß er sich von einem ausgewählten Gremium unabhängiger und lebenserfahrener Männer bestätigen lassen muß, daß sie ihm die persönliche Eignung zuerkennen, diesen Beruf, den er einmal unter ganz anderen Umständen durchaus ehrenhaft ausgeübt hat, auch in unserem neuen Staat unter völlig anderen Verhältnissen auszuüben? Und selbst wenn ihm die Eignung abgesprochen werden sollte, berührt das doch seine Ehrenhaftigkeit in keiner Weise. Da aber der Personalgutachterausschuß auch bei Ablehnung dies zu tun weder die Aufgabe noch die Absicht haben kann, sollte man ihn auch nicht veranlassen, seine Gründe bekanntzugeben. Wenn wir dem Personalgutachterausschuß die Aufgabe gegeben haben, die persönliche Eignung der Bewerber zu überprüfen, dann bedeutet das doch nicht - wie von manchen Kritikern behauptet worden ist und offenbar auch bei dem Verlangen der DP mitspielt -, daß damit in irgendeiner Weise die Ehre der sich bewerbenden Offiziere berührt werden kann. Das müßte dann doch bei jedem Bewerber um irgendeine Stellung im öffentlichen Dienst der Fall sein, wenn er einer Überprüfung auf seine Eignung unterzogen wird. Aber daran denkt ja im normalen öffentlichen Leben kein Mensch, und kein Mensch findet sich inseiner Ehre gekränkt, wenn er als ungeeignet für irgendeinen Posten abgelehnt wird. Im Gegenteil, ich glaube, viele Bewerber um irgendwelche Stellungen im öffentlichen Leben würden sich sehr glücklich schätzen, wenn die Überprüfung ihrer Eignung für diese Positionen von einem solchen Ausschuß in der Zusammensetzung wie der Personalgutachterausschuß vorgenommen würde. Die Antragsteller scheinen aber davon auszugehen, daß die Ehrenhaftigkeit der Offiziere anderen Maßstäben unterworfen sein müßte als die der anderen Staatsbürger. ({6}) Sonst könnten Sie nicht verlangen, Herr Kollege Schneider, daß der Personalgutachterausschuß durch einen Offiziersehrenrat ersetzt wird. Gerade darin liegt meines Erachtens die Verkennung des Problems. Denn der neuen Bundeswehr soll doch gerade alles erspart bleiben, was bei Armeen früherer Zeit das Odium einer separaten Stellung gegenüber Volk und Staat hervorgerufen hat. Gerade dadurch, daß die führenden Männer unserer neuen Streitkräfte das Plazet eines von der Volksvertretung eingesetzten Ausschusses unabhängiger Persönlichkeiten erhalten, sollen sie im Volk die Stellung der Beauftragten des Volkes erhalten, deren Ehre in dieser Stellung und in sonst gar nichts besteht. Wenn wir aber einen Offiziersehrenrat schaffen, dann schaffen wir damit notwendigerweise auch eine Art Offiziersehre. Herr Kollege Heye hat mit Recht darauf hingewiesen, daß historische Vergleiche fehl am Platze seien, und er hat die Heeresorganisationskommission Scharnhorsts aus dem Jahre 1809 genannt. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß sie sogar richterliche Funktionen hatte, darüber zu entscheiden hatte, ob ein aktiver Offizier der preußischen Armee noch geeignet war, in dem reorganisierten preußischen Heer verwendet zu werden. Wieviel mehr haben wir die Pflicht, das bei einem völligen Neubeginn zu überprüfen, wie wir ihn heute haben. Wir meinen also, es gäbe sehr gute Gründe, die die Antragsteller hätten veranlassen können, ihre Anträge zurückzuziehen. ({7}) Wenn Sie es nicht tun, dann muß allerdings bei uns der Eindruck entstehen, als ob Sie mit der Aufrechterhaltung Ihrer Anträge an ein Ressentiment appellieren, das vielleicht bei einigen wenigen Offizieren der früheren Wehrmacht gegen den Personalgutachterausschuß, gegen die neuen Streitkräfte und vielleicht auch gegen den demokratischen Staat vorhanden sein mag, entweder weil sie den Personalgutachterausschuß zu fürchten haben oder weil sie das Wesen der Demokratie nicht begriffen haben. An der Bildung und an der Förderung solcher Ressentiments würden wir mitwirken, wenn wir Ihrem Antrag zustimmten, oder auch schon dann, wenn wir ihn an den Ausschuß verwiesen. Wir werden ihn daher hier ablehnen. ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Schneider.

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gestehe ehrlich: ich hatte, als ich meine Rede vorhin ({0}) begann, nicht die Absicht, noch einmal zu dem Thema zu sprechen; aber die Auslassungen meiner Herren Vorredner veranlassen mich, doch noch einige Worte zu sagen. Ich beginne mit dem, was Herr Kollege Erler zum Schluß gesagt hat. Ich kann es nicht verstehen, wie man auf der einen Seite Toleranz und Demokratie, Aussprache und freie Meinungsäußerung im Munde führen und auf der andern Seite das Hohe Haus bei einem solchen Punkt auffordern kann, praktisch zur Tagesordnung überzugehen und sich nicht über eine Sache zu unterhalten, die letzten Endes nicht nur ein paar Offiziere, sondern die gesamte deutsche Öffentlichkeit angeht. ({1}) Dieses Haus, meine sehr geehrten Damen und Herren, vergibt seiner Achtung und seinem Respekt nicht das Mindeste, wenn es über solche Dinge hier frei seine Meinung äußert und die Dinge ausdiskutiert. ({2}) - Doch, ich habe es sehr genau verstanden, verehrter Herr Kollege. Ich stehe jetzt seit zehn Jahren auf der Parlamentstribüne und kenne diese Zwischenrufe. ({3}) Ich kenne diese Zwischenrufe genau. Sie machen mich also nicht weich.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Nein, ich möchte jetzt erst meine Rede halten. ({0}) Meine Damen und Herren! Es ist verständlich: der Personalgutachterausschuß ist natürlich das Lieblingskind des Herrn Kollegen Erler, mit dem ich mich im übrigen in der Sache ausgezeichnet verstehe. ({1}) Auf der andern Seite, meine Damen und Herren, haben wir in der Tat andere Vorstellungen, und Sie haben ganz recht gehabt, daß Sie an die Dinge gerührt haben. Allerdings dürfen Sie mir nicht unterstellen, verehrter Herr Kollege Erler, daß ich, der ich jetzt zehn Jahre im politischen Leben stehe, etwa mit einem Brett vor dem Kopf herumlaufe oder mich noch in einer Uniform befindlich fühle. ({2}) Ich bin genau so ein guter Zivilist geworden, wie es die meisten oder sogar alle Kollegen hier im Hause sind, und ich sehe die Dinge, glaube ich, mit der nötigen Aufgeschlossenheit. Aber eins trennt uns tatsächlich von Ihnen. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß der Aufbau der Streitkräfte effektiv von vorn losgeht, und der Kollege Heye hat mit dem, was er vorhin zu diesem Thema gesagt hat, auch absolut recht. Aber wir sind nicht der Auffassung, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß das gleichbedeutend damit sein kann, daß mit allen, aber auch mit allen guten Traditionen einfach gebrochen werden kann. Die neue Bundeswehr ist mehr als nur ein Söldnerheer, das seinen Sold empfängt und dafür eine bestimmte Tätigkeit ausüben soll. Ich erinnere Sie daran, daß vor kurzem eine Tagung in der Evangelischen Akademie in Loccum stattgefunden hat, auf der uns ausländische Militärs und Politiker ihr Erstaunen, um nicht zu sagen: Entsetzen, darüber zum Ausdruck bringen mußten, daß wir heute praktisch alles, was an guten Traditionen in der ehemaligen deutschen Wehrmacht oder Reichswehr war, mit einer Handbewegung über Bord zu werfen gewillt sind. ({3}) Und es ist doch auch ein erstaunliches Faktum, wenn ausgerechnet die Sozialdemokratische Partei, die seit eh und je das Volksheer auf ihre Fahnen geschrieben hat, heute für eine freiwillige Berufswehrmacht eintritt und auf der andern Seite schon wieder in Kassandrarufe über einen angeblichen Staat im Staate ausbricht. ({4}) Das paßt nicht zueinander. ({5}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn der Kollege Erler hier vorhin gesagt hat ({6}) - nein, das ist mir gar nicht zu hoch -, wenn der Kollege Erler hier vorhin ein Beispiel genannt hat, das Beispiel eines Offiziers, der in einer Zeitungsinsertion darauf hingewiesen hat, daß er vom Personalgutachterausschuß abgelehnt worden sei, und wenn der Kollege Erler das zum Anlaß nimmt, hier festzustellen, daß aus diesem Grunde es notwendig sei, einen solchen Ausschuß zu haben, dann muß ich ihm darauf erwidern, ({7}) daß dies eine ganz natürliche Reaktion auf etwas ist, was eben nicht von allen ehemaligen Soldaten ohne weiteres akzeptiert wird. ({8}) - Das haben wir, werter Kollege Eschmann, damals schon bei der Begründung zum Personalgutachterausschußgesetz hier zum Ausdruck gebracht. ({9}) Seien wir uns doch darüber im klaren: Wer ist denn hier im Hause, der nicht ohne weiteres von vornherein die Treue zu demokratischen Prinzipien dem Staate gegenüber fordert? ({10}) - Herr Kollege, seien Sie bitte mit solchen Äußerungen vorsichtig! Wenn ich dorthin schaue, dann sehe ich manchmal die Zwiebeltürme des Kreml! ({11}) Ja, ja, Herr Wehr! Oder wollen Sie - -({12})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Schneider, ich unterstelle, daß Sie bei dieser Blickrichtung nicht eine anwesende Fraktion gemeint haben!

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Ich darf das erläutern. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, so geht es nicht. Wenn der Abgeordnete Schneider sich jetzt entschuldigen will, lassen Sie ihm die Möglichkeit. ({0}) -- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, mich jetzt sprechen zu lassen. ({1}) - Meine Damen und Herren, wenn ich als amtierender Präsident jetzt spreche, dann bitte ich Sie, solange zu schweigen. Ich habe hier nur mein Amt auszuüben. Ich habe folgende Frage an den Kollegen Schneider gerichtet. Ich habe gesagt, ich unterstelle, daß er sich mit der Blickrichtung vertan und keine anwesende Fraktion dieses Hauses gemeint hat. ({2}) - Wahrscheinlich hatte er Erinnerungen an den 1. Bundestag. Ich gebe ihm Gelegenheit, das richtigzustellen. ({3}) - Meine Damen und Herren, wenn der Herr Kollege Schneider das nicht richtigstellen kann, - Schneider ({4}) ({5}): Nein, ich habe ja keine Gelegenheit dazu! ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich bitte, diese Erklärung abzugeben! ({0}) - Sprechen Sie!

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen diese Bemerkung gerne näher erläutern. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Schneider, sind Sie in der Lage, zu erklären, daß Sie keine anwesende Fraktion gemeint haben?

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Ich bitte, die Erklärung abgeben zu dürfen, die ich hier abgeben will.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Nein, so kann ich mit mir nicht handeln lassen!

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Wenn meine Fraktion immer wieder des Neofaschismus verdächtigt wird, dann bin ich gezwungen, daran zu erinnern, daß in den Reihen der Fraktion der SPD einige ehemalige Kommunisten sitzen. So ist das zu verstehen. ({0}) - „Das Bekenntnis" kann ich auch sagen! Ich muß es mir verbitten, - ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Schneider, nunmehr ist der Sinn Ihrer Worte völlig klar. Sie haben mit dieser Blickrichtung also eine anwesende Fraktion gemeint. Ich rufe Sie zur Ordnung! ({0})

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Dann rufen Sie bitte auch die Herren zur Ordnung, die mich hier „unverschämter Lümmel!" genannt haben!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wenn Sie hier jemand „Neofaschist" genannt hat, bin ich bereit, ihn auch zur Ordnung zu rufen. Ich habe den Ruf aber nicht gehört. ({0})

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Ich bitte, die Frage an die Fraktion zu stellen, wer das gesagt hat, Herr Präsident! ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ist der Zwischenruf „Neofaschist" hier gefallen? ({0})

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Jawohl, der Zwischenruf „Neofaschist" ist hier gefallen, und hier wurde eben „unverschämter Lümmel" gesagt. Ich bitte, das auch zu -

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich werde das an Hand des stenographischen Protokolls prüfen lassen. ({0}) - Herr Abgeordneter Hermsdorf, ich rufe Sie zur Ordnung wegen dieses Ausdrucks! ({1})

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Meine sehr geehrten Damen- und Herren, ich darf fortfahren. ({0}) - Ich habe ja die Erklärung gegeben, Herr Menzel! ({1}) Auf die Tatsache, daß der Personalgutachterausschuß die Ablehnungsgründe nicht bekanntgibt, ist der Kollege Erler leider nicht eingegangen. Das bedauere ich um so mehr, als das offizielle Organ des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die „Welt der Arbeit", auch seinerseits festgestellt hat, dies sei ein Moment, das einer Überprüfung bedürfe. Herr Kollege Erler hat dann weiter gesagt, daß der Ausschuß hohe Ansprüche an die betreffenden ({2}) Bewerber stelle. Meine Damen und Herren, da wir über die interne Arbeitsweise des Ausschusses und über die Quellen, aus denen er sich seine Informationen besorgt, nicht unterrichtet sind, kann ich dies nur als eine subjektive Feststellung werten. Wenn hier dann außerdem von einem meiner Herren Vorredner gesagt worden ist, daß mit dem Wort „Diffamierung" eine neue Legende geschaffen würde, dann erkläre ich ausdrücklich, daß das nicht der Fall sein sollte. Darüber hinaus habe ich die Formulierung auch so gewählt: daß es von den ehemaligen Soldaten zumindest als eine Diffamierung empfunden wird. Und ich durfte wahrhaftig eine solche Äußerung tun, da ich in Gesprächen mit ehemaligen Soldaten immer wieder gesagt bekomme, daß man die Einrichtung als solche und auch die Tatsache, daß diese Dinge unter totalem Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt würden, eben als Diffamierung empfinde. Dazu braucht man nicht eine sogenannte Offiziersehre zu verteidigen. Ich erkläre hier auch ausdrücklich, daß meine politischen Freunde und ich der Auffassung sind, daß selbstverständlich der ehemalige und auch der künftige Offizier genau die gleiche Ehre haben wie jeder andere zivile Bürger. An sich dürfte eine solche Erklärung gar nicht notwendig sein. Ich muß es aber hier sagen, da wir auch in dieser Form hier verdächtigt worden sind. Meine Freunde sind der Meinung, daß die Treue zum demokratischen Staat, die wir selbstverständlich vom Soldaten fordern, nicht durch einen Fragebogen festgestellt werden kann. Treue ist etwas, was zumindest nicht in einem schriftlichen Verfahren und auch nicht in einer kurzen Anhörung geprüft werden kann. Der Herr Kollege Erler hat dann weiter gesagt, daß die Bundeswehr qualifizierte Mitarbeiter suche. Grund zu der Einbringung unseres Antrages und zu der Begründung des vorhergehenden Antrages war für uns aber die Sorge darum, daß sich bei dem derzeitigen Verfahren diese qualifizierten Mitarbeiter nicht in ausreichender Zahl melden würden. Selbstverständlich muß die Bundeswehr vom Vertrauen des Volkes - wie hier richtig gesagt wurde - getragen sein. Ich befürchte aber - und spreche es offen aus -, daß der Personalgutachterausschuß als Institution nicht vom Vertrauen des gesamten Volkes getragen ist. Es ist nicht angängig, daß eine gespaltene Personalpolitik praktiziert wird, wie sie hier vom Kollegen Erler vorgeschlagen wurde, daß nämlich im einen Fall die Entscheidung beim Herrn Bundesverteidigungsminister und im andern Fall beim Personalgutachterausschuß liegt. Es gibt nur eine Verantwortung, eine ungeteilte Verantwortung für die Personalpolitik, und diese ruht auf dem Bundesverteidigungsminister, den wir uns für teures Geld halten. ({3}) - Herr Kollege, gestatten Sie doch eine so freundschaftliche Bemerkung! Warum nehmen Sie es mir krumm? Meine Freunde und ich sind nicht der Meinung, daß die Gefahr des Staates im Staate gegeben ist, wenn dieser Ausschuß etwa seine Tätigkeit einmal einstellen sollte. Aber wir haben leider den Eindruck, daß die Schaffung dieses Ausschusses nicht zuletzt aus einer gewissen, nun, sagen wir einmal: Angst der Politiker vor den Militärs geschehen ist; und die, meine Damen und Herren, ist nicht am Platze!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.

Dr. Hans Joachim Merkatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001477, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei erkläre ich: Wir legen Wert darauf, daß in diesem Hause nicht der Eindruck einer Beleidigung einer Fraktion bestehenbleibt. ({0}) Ich habe selbst anläßlich der Regierungserklärung, die die Legislaturperiode einleitete, sehr deutlich einmal zum Ausdruck gebracht - es ist sogar in Bremen wiederholt worden -, daß ich es für im staatspolitischen Sinn verderblich halte, wenn die Kräfte, die zur Verteidigung der Freiheit in diesem Lande stehen - und dazu gehört, auch nach Auffassung von uns Konservativen, die sozialdemokratische Fraktion; das ist kein Zweifel -, in einer Form gegeneinander aufgebracht werden, die der Würde dieses Hauses nicht dienlich ist. ({1}) Ich bitte, einmal in einer ruhigen Betrachtung die Dinge objektiv zu sehen. Nicht selten kommt auch aus Ihren ({2}) Reihen eine Bemerkung gegen uns, die auch wir als beleidigend empfinden müssen. Ich glaube, es ist der Verhandlung nicht dienlich, daß aus der Art der Wortung einer Ansicht, mit der ja nicht auf bestimmte Personen oder Gruppen gezielt wird, sondern in der Vorstellungen angesprochen und Urteile gefällt werden, gleich ein Zwischenfall gemacht wird. Ich stehe nicht an, zugleich für den Kollegen Schneider und für meine Fraktion ein Bedauern auszusprechen, soweit aus seinen Worten ein Zweifel an irgendeiner Fraktion dieses Hauses gefolgert werden könnte, daß sie nicht in dem innersten Antrieb ihres politischen Wollens zur Verteidigung der Freiheit und der Demokratie dieses Landes steht. Sollte solcher Zweifel aus den Worten entnommen worden sein, die nicht zuletzt aus der Schärfe der Debatte hervorgegangen sind, wie sie auch von Ihrer Seite geführt wurde, ({3}) so bin ich bereit - und das sollte damit den Zwischenfall erledigt sein lassen -, ausdrücklich namens der Deutschen Partei dies zu erklären, daß im letzten und Grundsätzlichen alle, die hier im Hause sind, in der Verteidigung der Freiheit miteinander verbunden sind. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh darüber, daß Herr Bundesminister von Merkatz die Gelegenheit wahrgenommen hat, um in der Sprache, wie sie nun einmal unter Angehörigen der gleichen Partei möglich ist, vor diesem Hause eindeutig und ohne Ausschluß eines Zweifels von dem abzurücken, was ({0}) Herr Kollege Schneider der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion soeben angetan hat. ({1}) Wir begrüßen diese Erklärung. Vorhin hat Herr Kollege Schneider davon gesprochen, wie undemokratisch es sei, wenn man einen Antrag einer Fraktion, über den mehrere Stunden debattiert worden ist und der seit Monaten in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist, nun nicht an einen Ausschuß überweist. Vielleicht entsinnt er sich, daß er hier einmal mitgewirkt hat, in einer anderen Frage, die für unser Staatsganzes auch von einem erheblichen Gewicht gewesen ist, nicht einmal die Diskussion in diesem Hause zuzulassen, sondern „Übergang zur Tagesordnung" zu beschließen. ({2}) Ich hielt es auch für einen seltsamen Widerspruch, im gleichen Atemzug die Diskussionsfreiheit zu fordern und dann nicht einmal einem Kollegen die Gelegenheit zur Stellung einer Zwischenfrage zu geben, auf die man doch mit gutem Gewissen hätte eingehen können. Das verträgt sich auch nicht miteinander. Aber noch einmal zur Sache! Sie sagen, man darf nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und man soll bei dem Aufbau der Bundeswehr nun nicht alle Traditionen - die guten wie die schlechten - über Bord werfen. Das unterscheidet uns gar nicht. Sie können kein Volk und keinen Staat in der Wüste bauen. Jeder ist gegründet auf der Vergangenheit, die er nun einmal mitbekommen hat, auf den guten wie auf den schlechten Traditionen, und da kommt es darauf an, die guten zu entwickeln und die schlechten an der Weiterentwicklung zu hindern. Dazu muß man sich eben auch die Träger bestimmter Traditionen einmal ansehen. Vielleicht erklärt das auch etwas die traditionsformende Kraft des Personalgutachterausschusses, in dem man sich einmal die Menschen daraufhin ansieht, welche Art Tradition sie verkörpern, die gute oder die schlechte. Es ist richtig, nicht alles, was einstens Gold war, soll man heute als Blech behandeln. Aber vieles von dem, was manche Leute heute als Gold betrachten, hat sich in der Vergangenheit als Blech enthüllt. Sollten wir uns hier nicht darum bemühen, einmal zu scheiden, wo die gute Tradition, die es zu pflegen und zu entwickeln gilt, aufhört und wo die schlechte anfängt? Zur schlechten Tradition - das möchte ich als Nachklang zu dem kleinen Zwischenfall soeben noch einmal sagen -, die wir eben noch in einer bösen Erinnerung haben, gehört es, die Anhänger der freiheitlichen sozialistischen Demokratie in Parallele zu setzen mit den Verfechtern einer blutigen Gewaltherrschaft. ({3}) Sie sagen, man solle die Menschen nicht nur nach der Vergangenheit betrachten Jawohl, es gibt viele uns allen bekannte Fälle, wo jemand aus dem Irrtum der Vergangenheit die richtigen Schlüsse gezogen hat. Aber der Maßstab, den wir anlegen müssen, ist der, ob jemand, der heute fest gegründet auf dem Boden der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie steht, das nicht nur in der Auseinandersetzung mit der totalitären Gewaltherrschaft des Bolschewismus tut, sondern ob er das in der gleichen Entschlossenheit auch in der Auseinandersetzung mit jener Gewaltherrschaft zu sagen wagt, die unser Volk ins Unglück gestürzt hat und die Spaltung unseres Landes damit verschuldete. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. ({0}) - Frau Abgeordnete Kalinke!

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich weiß, daß es sehr oft zu heftigem Kampf führt, wenn ich hier in der sozialpolitischen Auseinandersetzung das Wort nehme. Ich spreche jetzt zu Ihnen als eine der deutschen Frauen, die diese Jahrzehnte so bewußt erlebt hat wie Sie auch. Ich glaube, wir sollten diese Debatte nicht abschließen, ohne anschließend an das, was Herr Kollege Erler soeben gesagt hat, festzustellen, daß es für uns alle, die im Herzen und im Kopf die Probleme unserer Zeit bewegen, mit denen wir in unserer Generation noch lange nicht fertig werden, sehr schwer sein wird, mit Fragebogen, Ausschüssen und Organisationen zu werten, was Charakter ist, was Treue ist und was echte Haltung zur Demokratie ist. Denn wir alle sind innerlich tief bewegt von dem, was die Demokratie überhaupt sein sollte, und müßten mit dem Apostel Paulus sagen, daß wir es noch lange nicht erreicht haben, sondern ihm nachzujagen auf dem Wege sind. Lassen Sie mich zum Schluß noch eins sagen in voller Übereinstimmung mit dem, was mein Kollege Dr. von Merkatz gesagt hat. Der feste und entschiedene Wille, sich gegen alle Vergewaltigung der Freiheit und der demokratischen Tugenden zu wehren, sollte bei uns allen vorhanden sein - darüber gibt es keinen Zweifel -, der Wille, gegen alle diejenigen zusammenzustehen, stünden sie rechts oder links, die diese Freiheit untergraben wollen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, es liegen nun wirklich keine Wortmeldungen mehr vor; ich schließe die Aussprache. Es ist beantragt, die beiden Gesetzentwürfe dem Ausschuß für Verteidigung zu überweisen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Punkt 2 der Tagesordnung ist abgeschlossen. Punkt 3 der Tagesordnung ist bereits erledigt worden. Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über ein Moratorium für in wirtschaftliche Not geratene Personen, die anerkannte Forderungen gegen Behörden der früheren Besatzungsmächte haben ({0}). Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht - federführend - und an den Ausschuß für Besatzungsfolgen zur Mitberatung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. ({1}) Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Tuberkulosehilfe ({2}) ({3}). Auf Begründung - ({4}) - In den Beratungen des Ältestenrats hat es geheißen, die Bundesregierung verzichte auf Begründung. - Das Wort hat Herr Bundesminister Schröder.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Meine Damen und Herren! Ich habe hier zwar eine längere Begründungsrede zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Tuberkulosehilfe vor mir; da das Hohe Haus aber im Augenblick vielleicht nicht die nötige Aufmerksamkeit für diesen Gegenstand aufbringen kann - was ich verstehe -, möchte ich mich auf zwei Sätze beschränken. Dieses Gesetz bringt eine Verbesserung der Tuberkulosehilfe in doppelter Beziehung: erstens durch Erweiterung des Personenkreises, zweitens durch Erhöhung der Leistungen. Die Bundesregierung hat den Wunsch, daß es möglichst bald verabschiedet wird. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge - federführend - und an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens zur Mitberatung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Fortgeltung der Inanspruchnahme von Gegenständen für Zwecke der ausländischen Streitkräfte und ihrer Mitglieder ({0}). Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich hier leider nicht ganz so kurz fassen, wie ich das zu Punkt 5 der Tagesordnung getan habe, weil dies ein Gegenstand ist, der sehr eilbedürftig ist und über den heute wohl doch eingehender gesprochen werden muß. Der Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Fortgeltung der Inanspruchnahme von Gegenständen für Zwecke der ausländischen Streitkräfte und ihrer Mitglieder beschränkt sich darauf, die weitere Inanspruchnahme von Gegenständen, die nach Art. 48 Abs. 1 des Truppenvertrags bis zum 5. Mai 1956 als in Anspruch genommen erklärt worden waren, bis zum 31. Dezember 1956 zu verlängern. Sie wissen aus der Vorlage Drucksache 2268, daß der Bundesrat sich gegen den Entwurf ausgesprochen hat. Die Bundesregierung hält ihn dennoch aus rechtlichen, tatsächlichen und außenpolitischen Gründen für notwendig. In rechtlicher Beziehung ist davon auszugehen, daß mit dem Inkrafttreten der Bonner Verträge die Zuständigkeit der ehemaligen Besatzungsmächte aufgehört hat, Requisitionen in Form von eigenen Maßnahmen durchzuführen. Die Bundesrepublik hat jedoch in dem Truppenvertrag die Verpflichtung übernommen, durch eigene Maßnahmen für den Bedarf der ausländischen Streitkräfte zu sorgen. Die Vorschrift des Art. 48 Abs. 1 des Truppenvertrags, wonach Sachen, Werkleistungen oder Liegenschaften, die vor Inkrafttreten des Truppenvertrags durch die Behörden der beteiligten Macht in Anspruch genommen worden waren und deren Inanspruchnahme durch die Streitkräfte noch andauert, für die Dauer eines Jahres nach Inkrafttreten des Truppenvertrags als unanfechtbar in Anspruch genommen gelten, war als eine Übergangsregelung gedacht. Diese endet, wie Sie wissen, am 5. Mai dieses Jahres. Nach Art. 48 Abs. 2 des Truppenvertrags besteht jedoch eine weitergehende Verpflichtung. Diese Bestimmung lautet: Sofern die Inanspruchnahme von Sachen, Werkleistungen oder Liegenschaften für Zwecke der Streitkräfte oder ihrer Mitglieder über die in Absatz ({0}) dieses Artikels genannte Frist hinaus - das ist der 5. Mai 1956 erforderlich ist, gewährleistet die Bundesrepublik die weitere Zurverfügungstellung nach Maßgabe des Verfahrens der einschlägigen Bundesgesetze. Einschlägige Bundesgesetze sind das Bundesleistungsgesetz, das Landbeschaffungsgesetz und das Schutzbereichgesetz. Die Entwürfe dieser Gesetze haben dem Hohen Haus in erster Lesung bereits vorgelegen und befinden sich in der Beratung der Ausschüsse. Nach dem Stand dieser Beratungen kann jedoch nicht damit gerechnet werden, daß sie noch vor dem 5. Mai dieses Jahres verabschiedet werden können. Da diese drei Gesetze also nicht vor diesem Termin in Kraft treten, muß der Bedarf der ausländischen Streikräfte auf andere Weise sichergestellt werden. Nun ist in Art. 37 Abs. 4 des Truppenvertrags vorsorglich bestimmt, daß das Reichsleistungsgesetzt von 1939, das Landbeschaffungsgesetz von 1935 und das Schutzbereichgesetz von 1935 fortgelten, wenn die Bundesrepublik keine neuen Gesetze zur Regelung dieser Sachgebiete erläßt. Es ist jedoch kaum wünschenswert, daß wir kurz vor dem Inkrafttreten neuer Gesetzesbestimmungen auf Gesetze zurückgreifen, die unter ganz anderen staatsrechtlichen Voraussetzungen erlassen worden sind. Außer rechtlichen Erwägungen sprechen aber auch die tatsächlichen Verhältnisse für die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Übergangslösung. In der letzten Zeit ist zwar von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen worden - auch der Bundesrat scheint zum Teil dieser Ansicht zu 'rein -, daß kein praktisches Bedürfnis für die vorgesehene Übergangsregelung vorliege, weil die ausländischen Streitkräfte und ihre Mitglieder auf andere Weise untergebracht werden könnten. Diese Erwägungen treffen aber nach Auffassung der Bundesregierung leider nicht zu. Nach den Feststellungen des Herrn Bundesministers der Finanzen sind zur Unterbringung der ausländischen Streitkräfte, ihrer Mitglieder und deren Angehörigen unter der Geltung des Besatzungsregimes in großem Umfang Wohnungen der deutschen Bevölkerung in Anspruch genommen worden. Die Zahl dieser Wohnungen ist inzwischen durch die Errrichtung von neuen Wohngebäuden entscheidend vermindert worden. Trotzdem werden im Bundesgebiet am 5. Mai dieses Jahres voraussichtlich noch rund 15 700 Wohnungen gemäß Art. 48 Abs. 1 des Truppenvertrages in Anspruch genommen sein und über die({1}) sen Zeitpunkt hinaus einstweilen noch weiter benötigt werden. Die Bundesregierung weiß, welche schwere Belastung die fortdauernde Inanspruchnahme besonders der Wohnungen für die davon Betroffenen bedeutet. Sie wird daher alles daransetzen, eine Freimachung der einstweilen noch weiterhin beanspruchten Wohnungen durch anderweitige Unterbringung der ausländischen Insassen zu ermöglichen. Als Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels kommen in Betracht: der Neubau von Wohnungen und Unterkünften für die ausländischen Streitkräfte, die volle Ausnutzung der den ausländischen Streitkräften bereits zur Verfügung gestellten Wohnungen, die freie Anmietung von bisher beanspruchten Wohnungen und schließlich die Neuanmietung von Wohnungen auf dem freien Markt. Bisher sind - ich darf das in die Erinnerung rufen - bereits 70 000 Ersatzwohnungen erstellt worden. Über die Planung und Fertigstellung des Restvolumens von zirka 15 700 Ersatzbauten kann Ihnen der Herr Bundesminister der Finanzen nähere Einzelheiten mitteilen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf eine wichtige Bestimmung des Gesetzentwurfs, der Ihnen vorliegt, besonders hinweisen. Dieser Entwurf enthält in § 1 Satz 2 folgende Vorschrift: Die Inanspruchnahme ist aufzuheben, sofern der Gegenstand nicht mehr für Zwecke der ausländischen Streitkräfte und ihrer Mitglieder benötigt wird. ({2}) - Herr Kollege, ich fange an, das zu begründen. - Diese Vorschrift begründet einen Anspruch auf Freigabe der Objekte. Der Gesetzentwurf schafft damit erstmalig die Möglichkeit einer rechtsstaatlichen Überprüfung der fortgeltenden Inanspruchnahmen. Sollte ein Antrag, der auf § 1 Satz 2 gestützt ist und die Freigabe nach dieser Vorschrift fordert, von den zuständigen deutschen Behörden abgelehnt werden, könnte gegen diesen ablehnenden Bescheid der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden. Ich hoffe, daß diese Ausführung Sie befriedigen wird, Herr Kollege Atzenroth. Das Fortgeltungsgesetz betrifft auch Gewerbebetriebe und nicht Wohnzwecken dienende Liegenschaften. Rund 1000 Objekte dieser Art sind in früherer Zeit in Anspruch genommen worden und kommen auch für den fortgeltenden Bedarf in Betracht. Ihre Freigabe bereitet trotz der verhältnismäßig geringen Zahl große Schwierigkeiten, so daß auch hier das Fortgeltungsgesetz benötigt wird. Die Übergangsregelung erfaßt auch die während der Besatzungszeit requirierten Liegenschaften für Flugplätze, Truppenübungsplätze und sonstige Anlagen. Diese Liegenschaften sind ihrem ursprünglichen Verwendungszweck in der Zwischenzeit auf die Dauer entzogen worden. Sie müssen daher entweder angekauft oder, falls freihändiger Erwerb nicht möglich ist, enteignet werden. Die Vorhaben dieser Art umfassen Grundstücke mit einer Fläche von rund 50 000 ha. Nach den Erfahrungen aus den bisherigen Ankäufen sind zahlenmäßig noch mindestens 40 000 Einzelfälle abzuwickeln. Eine so große Zahl von Fällen erfordert eine Fülle von Verwaltungsarbeit, die nicht in Kürze erledigt werden kann. Auch hieraus ergibt sich die Notwendigkeit des Fortgeltungsgesetzes. Schließlich, meine Damen und Herren, sind für die Anwendung der Übergangsregelung noch die Schutzbereiche um militärische Anlagen zu erwähnen, die auf Grund von Requisitionen gebildet worden sind und gemäß Art. 48 Abs. 2 des Truppenvertrags beibehalten werden müssen. Wenn wir nach dem 5. Mai dieses Jahres keine rechtliche Handhabe hätten, die Versorgung der ausländischen Streitkräfte, zu der wir uns verpflichtet haben, zu gewährleisten, müßte mit' unliebsamen Zwischenfällen gerechnet werden; diese zu vermeiden - ich brauche das, glaube ich, kaum weiter auszuführen - ist außenpolitisch unbedingt geboten. Noch ein kurzes Wort zur Entschädigungsfrage, über deren große Bedeutung sich die Bundesregierung klar ist. Die Entschädigungsfrage wird in dem Entwurf bewußt nicht angesprochen. Ihre Lösung hat bei den Beratungen des Bundesleistungsgesetzes, des Schutzbereichgesetzes und des Landbeschaffungsgesetzes die Ausschüsse des Bundestags bereits eingehend beschäftigt. Die Verhandlungen über dieses Problem sind, wie die damit befaßten Damen und Herren wissen, noch nicht abgeschlossen. Es erschien daher nicht zweckmäßig, die gleiche Problematik nun auch noch im Rahmen dieses Gesetzentwurfs anzusprechen. Andererseits war es aber auch nicht erforderlich, sie aufzuwerfen. Für die Dauer der Übergangslösung nach dem Fortgeltungsgesetz bietet sich für die Entschädigungsfrage der noch fortgeltende Art. 12 des Finanzvertrags als vorläufige Regelung an. Ein Widerspruch zu Art. 14 des Grundgesetzes scheidet aus, denn diese Bestimmung des Grundgesetzes läßt es durchaus zu, daß die das Eigentum beschränkenden Gesetze auf die Entschädigungsregelung in anderen Gesetzen verweisen oder diese Regelung zur Grundlage haben. Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend im Namen der Bundesregierung an das Hohe Haus die Bitte richten, diesen - das geht ja aus dem Termin schon hervor - äußerst dringlichen Gesetzentwurf möglichst noch termingerecht zu verabschieden, um damit eine für die Praxis brauchbare Übergangsregelung zu schaffen. Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß es weit befriedigender wäre, wenn die drei anderen Gesetze, die ich genannt habe, schon zu diesem Zeitpunkt in Kraft treten könnten. Das ist leider nicht möglich. Aber das hohe Haus wird sich sicher darüber klar sein, daß es einfach unser nationales und internationales Ansehen verbietet, einen rechtlich ungeregelten Zustand eintreten zu lassen. Ich glaube, diese Erwägungen sollten dazu führen, daß wir uns über eine Übergangsregelung verständigen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Buchka.

Dr. Karl Buchka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000289, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um den Entwurf eines Gesetzes mit einem sehr langen Namen. Gestatten Sie mir, daß ich der Einfachheit halber diesen Namen durch den Begriff des Zwischengesetzes abkürze. ({0}) Wie stets bei einer ersten Beratung in diesem Hohen Hause handelt es sich nur darum, das Wesentlichste zu sagen und tunlichst wenig in die Einzelheiten zu gehen. Ganz allgemein darf ich zum Ausdruck bringen, daß dieser Gesetzentwurf, glaube ich, bei keiner ({1}) Fraktion des Hohen Hauses besondere Freude erregt hat. Die Bedenken und die Schwierigkeiten, die mit dem Gesetzentwurf verbunden sind, hat soeben ja auch der Herr Bundesminister des Innern gebührend gewürdigt. Die gleiche Stellungnahme ist aus dem ersichtlich, was die Bundesregierung unter II in ihrer Stellungnahme - Drucksache 2268 - ausgeführt hat. Ich darf auch daran erinnern, daß Herr Staatssekretär Ritter von Lex in der 156. Sitzung des Bundesrats am 23. vorigen Monats entsprechende Bedenken geäußert hat. Alle Fraktionen würden es zweifellos begrüßen, wenn eine andere Lösung möglich wäre. Länger als zehn Jahre dauert nun schon die Inanspruchnahme der Gegenstände. Es handelt sich um Sachen, um Werkleistungen und vor allem um Liegenschaften einschließlich der Wohnungen. Dabei ist zu bedenken, daß diese Inanspruchnahme zur Hauptsache auf Grund des Besatzungsrechts erfolgt ist, daß teilweise sogar noch Fälle von Inanspruchnahmen auf Grund des Reichsleistungsgesetzes vom 1. September 1939 vorhanden sind. Hieraus haben sich - das muß an dieser Stelle auch einmal offen ausgesprochen werden - unerträgliche Zustände in allen Teilen des Gebiets der Bundesrepublik ergeben, und es ist durchaus verständlich, daß im Bundesrat Länder gegen diese Vorlage aufgetreten sind. Ich darf allerdings als bekannt voraussetzen, daß die Ablehnung im Bundesrat nicht einstimmig erfolgt ist, sondern daß der Ablehnungsantrag von Rheinland-Pfalz mit 26 gegen 8 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen angenommen worden ist. Es waren Baden-Württemberg und Hamburg, die gegen den Antrag von Rheinland-Pfalz gestimmt haben, während Berlin und Schleswig-Holstein sich der Stimme enthalten haben. Die Ablehnung des Bundesrats nach Art. '76 Abs. 2 des Grundgesetzes wird damit begründet, es sei vom politischen Standpunkt aus nicht tragbar, wenn eine Verlängerung der Inanspruchnahme bis zum 31. Dezember 1956 erfolge. Dabei ist es nicht uninteressant, daß in der Begründung des Bundesrats lediglich von politischer Untragbarkeit die Rede ist, daß aber nicht darin gesagt wird, es seien rechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf geltend zu machen. Das ist um so bemerkenswerter, als im Bundesrat von einigen Ländern auch rechtliche Bedenken geltend gemacht worden sind. Weiter möchte ich darauf hinweisen, daß das, was der Bundesrat gesagt hat, im wesentlichen negativ ist. Daraus ist kein positiver Verbesserungsvorschlag zu ersehen. Ich persönlich wäre jederzeit gerne bereit, einen besseren Vorschlag an die Stelle dieser Vorlage zu setzen. Eine frühere Erledigung des Bundesleistungsgesetzes, des Schutzbereichgesetzes und des Landbeschaffungsgesetzes ist - das muß noch einmal hervorgehoben werden - leider unmöglich. Die drei Gesetzentwürfe ergeben eine Fülle von schwierigsten Sach- und Rechtsfragen. Es ist sorgsamste Prüfung geboten. Wir wissen, daß gerade durch diese Gesetzentwürfe tiefgehende Eingriffe in Privatrechte erfolgen sollen. Ein besonderes Kapitel ist die schon vom Herrn Bundesminister des Innern erwähnte Entschädigungsfrage, über die ganz besonders zu reden sein wird. Ich begrüße es, daß diese schwierige Entschädigungsfrage in dem vorliegenden Entwurf des Zwischengesetzes nicht behandelt ist. Ich möchte also feststellen, daß auch nach meiner Ansicht eine Verabschiedung der drei Gesetze vor dem 5. Mai dieses Jahres nach Lage der Dinge völlig ausgeschlosen ist. Was würde nun geschehen - auch darüber müssen wir uns klarwerden -, wenn nach dem 5. Mai 1956 ein Zwischengesetz nicht bestehen sollte? Ich darf hierbei auf die rechtlichen, tatsächlichen und außenpolitischen Erwägungen der Bundesregierung hinweisen, die in ihrer Stellungnahme zu dem ablehnenden Beschluß des Bundesrates enthalten sind. Selbstverständlich werden die Ausschüsse und wird auch dieses Hohe Haus selber alle diese Bedenken sehr sorgsam zu prüfen haben. Eines kann vielleicht schon jetzt gesagt werden: rechtliche Schwierigkeiten würden wohl auf keinen Fall zu vermeiden sein, wenn ein Zwischengesetz nicht erlassen werden sollte. Andererseits entsteht die Frage, ob die Schwierigkeiten rechtlicher Art vermeidbar sind, wenn ein solches Zwischengesetz kommt. Ich persönlich neige zu der Auffassung, daß, wenn dieses Zwischengesetz kommt, die rechtlichen Schwierigkeiten ab 5. Mai dieses Jahres vermeidbar sind. Ich persönlich bin nach eingehender Prüfung schon jetzt überzeugt, daß rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche, und auch rechtspolitische Bedenken gegen die Vorlage nicht bestehen. Es wird Aufgabe der Ausschüsse, insbesondere des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, sein, diese Frage genauestens zu prüfen. Immer aber wird dieses Zwischengesetz nur ein Notbehelf sein dürfen. Daß etwas Besseres jederzeit durchaus zu akzeptieren sein wird, habe ich bereits betont. Dieses Zwischengesetz kann eben nur eine Überbrückung darstellen. Gerade unter dem Gesichtspunkt der Überbrückung sollten wir uns auch ernstlich überlegen, ob nicht der in dem Entwurf vorgesehene Termin „bis zum 31. Dezember 1956" wesentlich abgekürzt werden müßte. Ich möchte zur Erwägung geben - mehr kann ja im Augenblick nicht gesagt werden -, daß diese Vorschrift durch eine Norm ersetzt wird, in der es etwa heißt: Dieses Gesetz gilt nur bis zur Verabschiedung der drei anderen Hauptgesetze, längstens aber ein halbes, vielleicht sogar nur ein Vierteljahr. Auf alle Fälle erscheint mir die Terminierung mit dem 31. Dezember 1956 doch zu weit gegriffen. Wir wollen ganz offen sein. Ich glaube, es würde auch eine ganz erfreuliche Antriebskraft für den Gesetzgeber, also auch für uns selbst sein, wenn wir die Frist nicht allzulange hinausschieben, sondern sie vielleicht in der von mir vorgeschlagenen Art erwägen, wobei selbstverständlich trotzdem jede Sorgfalt beobachtet werden muß, um dieses Gesetz ordnungsmäßig durchzuberaten und zu verabschieden. Genau so, wie ich in der 112. Sitzung des Bundestages bei der Beratung des Bundesleistungsgesetzes beantragt hatte, die Ausschußberatung drei Ausschüssen zu übertragen, möchte ich hier den gleichen Vorschlag machen und das Hohe Haus bitten, diese Vorlage dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung - federführend - und dem Ausschuß für Verteidigung sowie dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht -mitberatend - zu überweisen. Gestatten Sie mir noch eine kurze Schlußbemerkung. Wenn in der Öffentlichkeit - ich glaube, das ist vielfach der Fall - die Auffassung verbreitet sein sollte, ohne ein solches Zwischengesetz würde ab 5. Mai dieses Jahres jede Inanspruchnahme gewissermaßen automatisch aufgehoben, so ist das ({2}) - das muß mit aller Deutlichkeit herausgestellt werden - leider ein Irrtum. (Abg. Dr. Stammberger: Wozu dann ein Zwischengesetz? Mit oder ohne Zwischengesetz ist das leider unmöglich. ({3}) Selbstverständlich muß es aber unser Ziel bleiben, solche Besatzungsmaßnahmen ({4}) so schnell wie möglich abzubauen. Ich glaube, der Bundesrat hat in dieser Hinsicht das richtige Wort geprägt: Dem Staatsbürger kann eine weitere Beeinträchtigung seiner Eigentumsrechte nicht mehr zugemutet werden. ({5}) So wie ich die Verhältnisse sehe, muß das Zwischengesetz aus den von der Bundesregierung und auch von mir angeführten Gründen seinen Weg nehmen. Ich möchte es aber nicht unterlassen, ganz unabhängig hiervon, bei dieser Gelegenheit einen dringenden Appell an die Bundesregierung zu richten, alles, aber auch alles weiterhin zu tun, ({6}) um den Besatzungsgeschädigten zu helfen. Die Betroffenen, die Besatzungsgeschädigten müssen endlich ihre drückenden Lasten loswerden. Im übrigen wird es Aufgabe des Gesetzgebers, also auch dieses Hohen Hauses sein, die drei Gesetze, das Bundesleistungsgesetz, das Schutzbereichsgesetz und das Landbeschaffungsgesetz schnellstmöglich zu verabschieden. Im Interesse einer beschleunigten Verabschiedung auch des Zwischengesetzes, das nur für kürzeste Zeit gelten darf, halte ich es für unerläßlich, daß dieser Entwurf nur einigen wenigen Ausschüssen überwiesen wird, die ich mir vorhin vorzuschlagen erlaubte. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute hier den Entwurf eines Fortgeltungsgesetzes zu beraten haben, dann müssen wir uns doch noch einmal auch mit dem Fragenkomplex beschäftigen, der für die Beratung dieses Gesetzes von so entscheidender Bedeutung ist, dem Komplex der von den früheren Besatzungsmächten beschlagnahmten Häuser, Wohnungen und Gewerbebetriebe. Dieser Personenkreis hat nun elf Jahre lang die Quartierlasten der Besatzung getragen, und es ergibt sich natürlich für uns die Frage, ob es dahin kommen mußte, daß die Bundesregierung heute hier ein derartiges Gesetz vorlegt. ({0}) Meine Damen und Herren, ich sage dazu: Nein! nenn dieges Fortgeltungsgesetz ist ja mir ein sehr dünner Schleier, um das Versagen der Bundesregierung auf diesem Gebiet zu verhüllen. ({1}) - Herr Minister, das war nicht Ihr Ressort, sondern das Finanzministerium war in all diesen Jahren zuständig. Die Unterbringung der alliierten Streitkräfte und ihrer Familien ist für die Bundesregierung heute kein neues Problem. Sie kann auch nicht behaupten, es komme urplötzlich auf sie zu. Sie kann auch nicht sagen, es habe an Mitteln gefehlt oder die Baukapazität sei nicht vorhanden gewesen. Es werden jetzt noch etwa 15 000 Wohnungen in Anspruch genommen. Ich bezweifle sehr, ob ein echter Bedarf der Alliierten in dieser Höhe überhaupt noch vorhanden ist. ({2}) Ich bin der Überzeugung: wenn man in den fünf Jahren, die zur Verfügung gestanden haben, mit dem nötigen Ernst und dem dazugehörigen Druck vorgegangen wäre, brauchten wir uns um diese 15 000 Wohnungen heute keine Gedanken mehr zu machen. Der Herr Bundesfinanzminister hat in mehr als einer Rede seine Programme - den Schäffer-Plan, den Generalfreimachungsplan usw. - verkündet. Ich habe mir heute morgen noch einmal die Protokolle durchgesehen und darf nur an seine Ausführungen vom 23. 3. 1955 erinnern. Wenn aber heute in der Begründung des Regierungsentwurfs von Wohnungen gesprochen wird, die sich im Bau oder in der Planung befinden, ist es sehr verständlich, wenn die Betroffenen und die deutsche Öffentlichkeit kein Vertrauen mehr zu den Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers über die Freimachuneg dieser belegten Wohnungen haben. Der Herr Bundesfinanzminister hat ja leider - übrigens ist die Antwort auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion offiziell immer noch nicht eingegangen - zusätzlich gesagt, daß die Alliierten noch weiteren Bedarf angemeldet haben, der ursprünglich nicht vorgesehen war und der auch wieder zu Lasten der Menschen geht, die so große Opfer gebracht haben. Die vorsichtigen Schätzungen des Herrn Bundesfinanzministers, die wir heute in der Begründung zur Regierungsvorlage und auch in der inoffiziellen Antwort auf die Kleine Anfrage gefunden haben, stehen vor allem in einem beredten Gegensatz zu den Ausführungen der Bundesregierung in der Frage der Freimachung von Kasernen für das Verteidigungsministerium durch Schaffung von Ersatzwohnungen usw. Da sollen die sonst so langsam fließenden Geldquellen offensichtlich also sehr schnell zum Fließen kommen; vielleicht natürlich auch deswegen, weil sich das Verteidigungsministerium allmählich zu einem Kreditinstitut besonderer Art entwickelt; ich denke an Post, Straßenbau und anderes mehr. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, meine Damen und Herren: wenn man die Bauten für die Besatzungsverdrängten mit dem Tempo angepackt hätte, mit dem die Regierung jetzt die Kasernen freimacht, dann hätte der 2. Deutsche Bundestag sich mit diesem Problem überhaupt nicht mehr zu beschäftigen brauchen. ({3}) Ich habe leider das Gefühl, daß, wenn ein kleiner Kreis von Menschen um seine Sache ringt, er gewissermaßen für eine verlorene Sache kämpft und seine Rufe ungehört verhallen, vor allem dann, wenn seine Mitglieder nicht zu dem Personenkreis gehören, die durch die Einkommensteuernovelle von 1954 ein besonderes Verhältnis zur Politik bekommen haben. ({4}) Nur um das Bild abzurunden, möchte ich sagen, daß wir bei den Verhandlungen über die Pariser ({5}) Verträge hier immer wieder gehört haben, auch der Truppenvertrag solle schnellstens durch einen neuen NATO- Stationierungsvertrag abgelöst werden, der ja auch eine Erleichterung auf diesem Gebiet gebracht hätte. Meine Damen und Herren, um so erschütternder war es für uns, von den Vertretern der Bundesregierung hören zu müssen, daß die Verhandlungen über diesen NATO-Stationierungsvertrag erst im Oktober 1955 aufgenommen worden sind. Eine derartige Verschleppung und Verzögerung ist beim besten Willen nicht zu vertreten. Ähnlich ist es natürlich, wenn die Regierung heute klagt, daß die drei Gesetze nicht rechtzeitig zur Verabschiedung kommen. Ich darf darauf hinweisen, Herr Minister, daß das Schutzbereichgesetz im September, das Leistungsgesetz im Oktober und das Landbeschaffungsgesetz erst im Dezember uns zugegangen sind. Nun zur Vorlage selbst, die praktisch die alliierten Requisitionen aufrechterhält. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich einmal in die Lage der betroffenen Bürger, vor allem in der früheren amerikanisch besetzten Zone, zu versetzen, die sagen: Wirhaben die Souveränität, aber den Wildwuchs unserer Gärten müssen wir nach wie vor von draußen ansehen, und auch bei gutem Willen der Zwangsmieter wird uns grundsätzlich verweigert, daß wir mit diesen unter einem Dach wohnen. Ich glaube, daß es keine Gründe gibt die durchschlagend sind, um diesen Zustand auch noch durch ein deutsches Gesetz zu verlängern. Der Innenminister hat ja, ohne sachlich bisher damit befaßt zu sein, vom Kabinett den Schwarzen Peter in die Hand gedrückt bekommen, um diese Vorlage zu vertreten. § 29 Abs. 2 der Geschäftsordnung steht dem entgegen, sonst hätten wir - viele meiner Kollegen haben sich das ernsthaft überlegt - vielleicht einen Antrag auf Übergang zur Tagesordnung zu dieser Vorlage gestellt, weil sie uns im Hinblick auf die Gesamtsituation der betroffenen Kreise als völlig unzureichend erscheint. Der Bundesrat hat das auch klar erkannt, und der Kollege von Buchka hat ja freundlicherweise den wesentlichen Wortlaut des Beschlusses des Bundesrates zitiert. Ich bin nur von seinen Schlußfolgerungen überrascht. Im ersten Teil kann er ihn nicht billigen, weil er ihm politisch unbequem ist; im zweiten Teil hält er ihn durchaus für akzeptabel. Im zweiten Teil werden die allgemeinen Feststellungen getroffen, mit denen wir uns selbstverständlich auch einverstanden erklären können. Die Gründe für den Beschluß des Bundesrates sind ganz offenkundig. Es ist bekannt, daß eine nicht unerhebliche Zahl von beschlagnahmten Grundstücken und Häusern von den alliierten Truppen gar nicht mehr benötigt werden, sondern als stille Reserve betrachtet werden, und dem hilft ja leider auch der Entwurf nicht ab, weil nach meiner Auffassung die Vorschriften noch zu unbestimmt sind. Träte der Entwurf in der vorgelegten Form in Kraft, würde es wieder Wochen dauern, bis die einzelnen Freigaben vorgenommen werden müßten. Und ob dann noch ein sachliches Interesse an dieser Beschlagnahme besteht?! Nun kommt hinzu, das zahlreiche Wohnungen und Grundstücke vertragswidrig von den alliierten Familienangehörigen benutzt werden. ({6}) Die Truppenangehörigen sind seit Jahr und Tag längst sonstwo -; aber die Familienangehörigen bleiben hier in Deutschland. Das ist nach Art. 37 des Truppenvertrages nicht zulässig, und die Regierung muß darauf drängen, daß diese vertragswidrige Benutzung aufhört. Wir können dem beim besten Willen nicht durch ein Fortgeltungsgesetz noch gewissermaßen Vorschub leisten. Schließlich, meine Damen und Herren, stehen auch zahlreiche Wohnungen leer, die für die Alliierten gebaut, von ihnen aber nicht bezogen worden sind. Ich will gar nicht im einzelnen auf die Gründe eingehen; die Größe oder der Fußboden, und was weiß ich, hat ihnen nicht gepaßt. Jedenfalls werden da zum Teil Gründe vorgebracht, die bei näherer Betrachtung wirklich nicht zu rechtfertigen sind, und wir müssen auch hier auf der völligen Ausnutzung des Wohnraums bestehen. Der noch verbleibende Bedarf bewegt sich in Größenordnungen, die für den freien Wohnungsmarkt keine Rolle spielen. So gibt es eine ganze Reihe von Hausbesitzern, die sagen: Nun habe ich mein Haus elf Jahre lang nicht gehabt, gebt mir Geld; ich habe mir inzwischen ein neues Haus gebaut. Es müßte möglich sein, dieses Problem in kürzester Zeit zu bereinigen. Die Bundesregierung hat es hier an der notwendigen Aktivität fehlen lassen. Man hat sich auf das Bundesleistungsgesetz und seine Beschlagnahmemöglichkeiten verlassen. Der Entwurf war ja hier sehr großzügig. Man wollte zunächst noch einmal zwei Jahre lang beschlagnahmen und dann nochmals zwei weitere Jahre, so daß man bis zum Jahre 1960 gekommen wäre; dann hätte man das Problem gelöst gehabt. Jetzt soll es eben das Fortgeltungsgesetz machen. Unter diesem Gesichtspunkt wird meine Fraktion es beim besten Willen nicht vertreten können, daß der von der Regierung vorgeschlagene Termin angenommen wird. Wir legen unter allen Umständen Wert darauf, daß das Gesamtproblem mit allen anstehenden Fragen noch vor den Sommerferien geklärt wird. Nun hat der Herr Minister auf die außenpolitischen Gründe hingewiesen, warum die Regierung in der vorliegenden Form auf dem Gesetz bestehen müsse. Ich halte diesen Gesichtspunkt nicht für so durchschlagend, und zwar deshalb, weil ich überzeugt bin, daß die Regierung keinen Vorwurf von den NATO-Mächten bekommt, sie sei nicht vertragstreu genug. Ich bin im Gegenteil der Überzeugung, daß der Herr Bundeskanzler eher im Sinne eines Übersolls dafür bekannt ist, daß er vertragstreu ist. Ich glaube, wir brauchen uns hier keine Sorgen zu machen. Wenn die Bundesregierung bei den Verhandlungen mit den Alliierten klar darlegt, daß der Deutsche Bundestag besonderen Wert darauf legt, diese Gesetze gründlich zu prüfen, dann werden unsere Vertragspartner dafür volles Verständnis haben, weil sie selbst eine parlamentarische Demokratie haben und wissen, wie notwendig es ist, gerade solche Vorlagen mit ihren tiefgehenden Einwirkungen in das Privateigentum und die private Rechtssphäre des Staatsbürgers gründlich und sorgfältig in den Ausschüssen durchzuberaten. Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß kommen. Wir sind bereit, im Ausschuß an der Lösung der Probleme mitzuarbeiten, bitten aber, uns nicht etwa mit einem Hinweis auf das nationale Ansehen gewissermaßen unter Druck setzen zu wollen. Davon hören wir nämlich im allgemeinen ({7}) nur dann, wenn die Regierung ein Passivgeschäft hat und wir daran beteiligt werden sollen. ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Diese Vorlage ist dem Hohen Hause sehr überraschend vorgelegt worden, so überraschend, daß wir nicht in der Lage waren, in der Fraktion darüber zu debattieren. Man hat uns .auch mitgeteilt, daß über diese Vorlage keine Aussprache stattfinden sollte. Wir sind also überrascht, daß es dennoch der Fall war. Wir hatten uns auf eine kurze Erklärung beschränken wollen, die ich im Auftrage meiner Fraktion verlesen möchte: Die FDP-Fraktion bedauert, daß uns - dem Bundestag dieser Gesetzentwurf, den der Bundesrat abgelehnt hat, überhaupt vorgelegt wird. Wir machen uns die Stellungnahme des Bundesrats zu eigen. Wir können nicht verstehen, daß dem deutschen Parlament zugemutet wird, einen Gesetzentwurf zu beraten, durch den die Belastungen verlängert würden, denen bestimmte Kreise der deutschen Bevölkerung viele Jahre hindurch ausgesetzt waren. Ich darf noch einige kurze Worte hinzufügen. Der Vertreter der CDU hat von rechtlichen Gründen gesprochen. Er hat erklärt, daß es sich hier um eine Inanspruchnahme von Gegenständen handle. Er hat aber nicht klar und deutlich herausgestellt, daß es sich hier in allererster Linie um Menschen handelt, um Familien mit Kindern, die seit elf Jahren aus ihrem Heim vertrieben sind und die nun - und da muß ich ihm auch wieder widersprechen - seit mindestens einem Jahr der festen Ansicht waren: Der 4. Mai ist für uns ein entscheidender Stichtag; am 4. Mai hört das Unrecht auf und beginnt wieder ein Rechtszustand einzutreten. Diese in der ganzen deutschen Bevölkerung allgemein vertretene Ansicht soll nun durch dieses Gesetz widerlegt werden. Es soll noch einmal und nunmehr durch deutsches Recht ein Zustand des Unrechts und der Belastungen eingeführt werden, der nach unserer Meinung nicht notwendig ist. Die Pariser Verträge sind so alt, daß sowohl von seiten der Bundesregierung als auch von seiten der alliierten Mächte Gelegenheit genug vorhanden war, in dieser Zeit die erforderlichen Regelungen zu treffen. Mein Vorredner hat darüber hinaus ausgeführt: die Verhältnisse sind tatsächlich so, daß wahrscheinlich, wenn von der anderen Seite auch der echte gute Wille gezeigt wird, eine Inanspruchnahme von deutschen Wohnungen gar nicht mehr notwendig ist; es müssen nur die erforderlichen Einschränkungen auf der anderen Seite durchgeführt werden. Und das müssen wir nunmehr, da wir mit ihnen gleichberechtigt sind von ihnen auch fordern. Nunmehr sind solche Maßnahmen, wie sie in diesem Gesetz vorgesehen sind, nicht mehr erforderlich. ({0}) - Na also, dann brauchen wir ja das Gesetz nicht. Etwas später steht ein Punkt auf der Tagesordnung, der von Verwaltungsvereinfachungen spricht. Hier sollen wir ein Gesetz für ein halbes oder dreiviertel Jahr machen. Der Vertreter der CDU hat erklärt: Auch wenn wir das Gesetz nicht machen, werden solche Maßnahmen zwangsläufig notwendig sein. Gut, dann wollen wir es doch darauf ankommen lassen und wollen ein deutsches Recht dazu nicht schaffen. Wir werden selbstverständlich an den Ausschußberatungen mitarbeiten, erklären aber schon jetzt, daß wir das Gesetz in dieser Form unter keinen Umständen annehmen können. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Schlick.

Josef Schlick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001983, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von dem Herrn Bundesinnenminister begründete Entwurf auf Drucksache 2268 findet bei einem Teil meiner Fraktionsfreunde keine Gegenliebe. ({0}) Wir möchten diesen Entwurf ablehnen. Ich sage das ausdrücklich im Anschluß an die Ausführungen meines Fraktionskollegen Dr. von Buchka. Wir nehmen diesen ablehnenden Standpunkt aber nicht etwa unter dem Gesichtspunkt des Schleiers ein, von dem Herr Kollege Schmitt hier sprach, sondern wir sind der Meinung, daß von der Bundesregierung und auch von den Länderregierungen zur Regelung dieser brennenden Frage im Laufe der letzten Jahre doch vielfach sehr energische Schritte unternommen worden sind, ({1}) die leider bei den Alliierten nach unserer Ansicht l nicht auf die nötige Sorgfalt und das notwendige Entgegenkommen gestoßen sind. Ich möchte zu den Einzelheiten dieses Gesetzes nicht Stellung nehmen. Aber auch mir scheint die Befristung bis zum 31. Dezember außerordentlich lang. Im übrigen besteht nun einmal die Befürchtung, daß ein solches Gesetz, wenn es überhaupt geschaffen wird und befristet ist, im gegebenen Moment, wenn die Dinge noch nicht in Ordnung sind, erneut verlängert wird. ({2}) Deshalb bin ich trotz der Ausführungen meines Kollegen von Buchka der Meinung, daß man noch einmal sehr gründlich prüfen sollte, ob man diese Frage nicht auf Grund der vorhandenen Gesetze, Reichsleistungsgesetz usw., regeln kann. Wir erkennen die Verpflichtungen aus dem Truppenvertrag, besonders aus den Artikeln 37 und 48, ausdrücklich an. Aber wir sind der Meinung, daß die Bundesregierung das Finanzministerium noch dringender als bisher veranlassen sollte, für eine Verstärkung und Beschleunigung der Bauten für die Besatzungsverdrängten - denn es sind praktisch Bauten für die Besatzungsverdrängten, die wir für die Alliierten errichten - zu sorgen. Wir wissen, daß nicht etwa die wenigen Wochen Frostperiode dieses Problem bis jetzt unlösbar machten. Vielmehr hätte nach unserer Überzeugung in dieser Hinsicht schon vorher etwas mehr geschehen können. Meine Herren Vorredner haben schon darauf hingewiesen, daß elf Jahre Besatzungsverdrängung ({3}) wirklich ausreichen. Wie ich schon sagte, fehlt es teilweise am guten Willen und in tragischen Härtefällen bei den Alliierten auch an einem ganz geringen Entgegenkommen, wo mit einer nur bescheidenen Abgabe von Wohnraum wirklich die elendesten Wohnungsverhältnisse der Verdrängten hätten gebessert werden können. Es sind zum Teil alte, kranke Leute, die durch diese Maßnahmen ihres Heimes beraubt worden sind und die praktisch nur darauf warten, daß sie die letzten Tage ihres Lebens noch in ihrem Heim verbringen können. Wir müssen die Regierung auffordern, dafür zu sorgen - das hat auch der Herr Kollege Schmitt hier gefordert -, daß endlich die Wohnungen frei gemacht und freigegeben werden, die seit Monaten überhaupt nicht mehr bewohnt sind, ({4}) weil die Angehörigen dieser ausländischen Familien längst in Nordafrika oder sonstwo sind. Wir haben bestimmt keinen Grund, für Stationierungstruppen in Nordafrika in der Bundesrepublik die Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Ebenso müssen auch noch die Wohnungsen freigegeben werden, die bis heute noch von den Familien derjenigen Angehörigen der ausländischen Streitkräfte besetzt gehalten werden, die ebenfalls nicht mehr in der Bundesrepublik stehen. Es geht auch nicht, daß z. B. wie jetzt bei der Räumung einer deutschen Kaserne in Idar-Oberstein wohl die Truppen - oder wenigstens der größte Teil der Truppen - aus der Kaserne herausgenommen werden, gleichzeitig aber die Familien restlos in den Privatwohnungen bleiben. Auf diese Weise wird der Bedarf für Wohnungen der Stationierungsangehörigen nicht vermindert, sondern verstärkt. Die Frage des Eigentums möchte ich nicht berühren. Mein Kollege von Buchka hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß es nach einer so langen Zeit notwendig wird, auch auf der andern Seite wieder etwas mehr Respekt vor dem Begriff des Eigentums zu bekommen. Die Situation, wie sie augenblicklich besteht, hat sich auch deshalb so entwickelt, weil in bestimmten Gebieten der Bundesrepublik von den Alliierten und ihren Stationierungstruppen nicht das getan wurde, was ihrerseits nach Inkrafttreten der Pariser Verträge hätte unbedingt geschehen müssen und auch können. Ich verschließe mich im Gegensatz zu Herrn Kollegen Schmitt nicht der Meinung des Herrn Innenministers, daß unser nationales Ansehen es verlangt, diese Frage in einer sauberen Weise zu regeln. Aber, Herr Kollege Schmitt, es ist doch nicht so, wie Sie sagten, daß wir, wenn wir diese Angelegenheit nunmehr in ordnungsmäßiger Weise regeln, zu einem sogenannten „Übersoll" noch einmal ein Soll leisten. Denn ich glaube, Herr Kollege Schmitt, das, was die Bundesrepublik im Laufe der letzten Jahre außen- und innenpolitisch in Verbindung mit den Alliierten erreicht hat, rechtfertigt durchaus die Opfer, die die Bundesrepublik in dieser Hinsicht gebracht hat. ({5}) - Wenn Sie etwa darüber einen Zweifel haben, verehrte Zwischenruferin, dann sehen Sie sich einmal die Freiheiten und den Lebensstandard in der Bundesrepublik, unser außenpolitisches Ansehen und demgegenüber die Verhältnisse der „Deutschen Demokratischen Republik" an. ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eine ganze Menge juristischer und politischer Ausführungen von dem verehrten Kollegen von Buchka gehört. Ganz zweifellos sind viele dieser Begründungen und Ausführungen nicht von der Hand zu weisen. Aber mir scheint, sie gehen doch an dem eigentlichen Kern der Sache vorbei. Der Kern der Sache ist und bleibt die menschliche Seite der Angelegenheit. Darum handelt es sich hier. Ich kann Ihnen ein Erlebnis aus meiner eigenen Verwandtschaft berichten. Ich habe mich jahrelang bemüht, die Wohnung einer Witwe mit sechs Kindern wieder freizubekommen, und konnte und konnte nicht vorwärtskommen, bis ich schließlich meine persönlichen Beziehungen zu einer der höchsten alliierten Stellen ausgenutzt habe, um dieser Frau wieder zu ihrer Wohnung zu verhelfen, die Eigentum der Familie war. Es sind ja nicht nur, wie hier gesagt worden ist, etwa 15 000 Wohnungen, um die es sich handelt, sondern wir können normalerweise noch die Anzahl der Menschen mit vier multiplizieren. Das gibt 60 000 Menschen, und in Wirklichkeit sind es noch weit mehr. Ich habe schon früher immer große Bedenken gegen Verlängerungen von Gesetzen gehabt. Es ist sehr merkwürdig, wie zählebig gerade verlängerte Gesetze sind. Die können und können absolut nicht sterben. Ich sehe schon den Tag kommen, an dem uns ein neues Verlängerungsgesetz auf anderen Gebieten hier serviert wird, und dann kriegen wir wieder dieselben Gründe vorgesetzt und sollen dann wieder zu allem Ja und Amen sagen. Ich kann dem nicht zustimmen, Kollege von Buchka, wenn so stark das Nichteingreifen in die Eigentumsrechte unterstrichen wird. Für mich ist und bleibt die Hauptsache das Nichteingreifen in die menschlichen Rechte der Leute, die wieder in diese Wohnungen kommen sollen. In gar nicht wenigen Fällen sind die männlichen Angehörigen der in den Wohnungen einquartierten Familien längst aus diesem Wehrbezirk, oder wie man es heute nennt, heraus in weit entlegene Garnisonen versetzt. Die Familien bleiben nichtsdestoweniger in diesen Wohnungen sitzen. So kann das meines Erachtens nicht weitergehen. Ich möchte dringend bitten, daß wir überaus vorsichtig sind bei der Behandlung dieser Vorlage im Ausschuß, insbesondere damit wir nicht über kurz oder lang ein Verlängerungsgesetz vorgelegt bekommen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Engell.

Hans Egon Engell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000473, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier keine weiteren Aus({0}) führungen über das Problem an sich machen und auch keine Einzelheiten vortragen, die uns allen bekannt sind. Ich möchte auch nicht das Register der Versäumnisse vermehren und die Schuldfrage eingehend erörtern. Ich möchte dabei nur feststellen, daß wir für die Situation der Verdrängten volles Verständnis haben und daß uns keinerlei Verantwortung trifft für die peinliche Situation, in die wir heute gekommen sind. Aber was nützt nun die Betrachtung der Vergangenheit, wenn nicht klipp und klar gesagt ist, was wir tun wollen? Dabei ist noch zu überlegen, wie wir durch diese Entscheidung, die jetzt unausweichbar vor uns steht, dem Personenkreis, um den es sich hier handelt, helfen können. Ich bin der Meinung, daß wir uns im Ausschuß überlegen sollten - der Termin 31. Dezember scheint auch uns nicht vertretbar zu- sein -, ob es möglich ist, bis zum Beginn der Ferien die erforderlichen Gesetze zu schaffen und eine Verlängerung nicht über dieses Datum hinaus vorzunehmen. Meine Damen und Herren, es hat nicht an dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung gelegen, daß wir mit diesen Gesetzen nicht weiterkommen, sondern sie hängen in den anderen, mitberatenden Ausschüssen, insbesondere im Rechtsausschuß, wo noch alle möglichen Gutachten von Sachverständigen eingeholt werden. Wir müssen bei der Beratung in unserem Ausschuß feststellen, ob es nun möglich ist, mit Hilfe der Regierung und vor allem mit Hilfe der stärksten Regierungsfraktion, die die Mehrheit im Hause und in den Ausschüssen hat, sicherzustellen, daß wir die Termine tatsächlich innehalten können. Eine nochmalige Verlängerung würde für uns selbstverständlich völlig undiskutabel sein. Man würde dann mit Recht über uns herfallen und sagen: Der Bundestag ist nicht einmal in der Lage, zu übersehen, in welcher Zeit er so dringende Vorlagen verabschieden kann. Ich bedaure besonders, daß diese Situation entstanden ist, weil wir doch wissen mußten und gewußt haben, daß auf Grund der vertraglichen Abkommen diese Angelegenheit vorrangig durchgezogen werden mußte. Ich bedaure auch, daß die Beratung in den mitberatenden Ausschüssen, besonders im Rechtsausschuß, zu einer Verzögerung in diesem Umfang geführt hat. Wenn wir nicht die Gewähr dafür haben, daß hier ein Wandel eintritt, daß die Regierung und die große Regierungsfraktion dafür sorgen, daß die zügige Beratung und Verabschiedung der Gesetze durchgeführt werden können, dann vermögen wir auch dieser Vorlage nicht zuzustimmen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer der Herren Vorredner - ich weiß nicht, welcher es war - hat so sehr schön formuliert das Bundeskabinett habe hier dem Innenminister den Schwarzen Peter zugeschoben. Meine Damen und Herren, ich freue mich immer, wenn ich auf so viel Verständnis stoße. Offenbar eignet sich der Innenminister besonders gut dafür, die Rolle des Schwarzen Peters zu übernehmen, weil er einen gewissen Sinn für Solidarhaftung hat. Das, was ich jetzt sage, bitte ich auch aus dem Gesichtspunkt der Solidarhaftung zu betrachten. Selbstverständlich weiß ich so gut wie irgend jemand hier aus dem Hause, was auch für menschliche und persönliche Probleme hinter dieser Sache stecken. Schließlich bin ich ein direkt gewählter Abgeordneter, der außer seiner ministeriellen Korrespondenz auch eine ganze Menge anderer Dinge zu erledigen hat. Ich habe mich in den letzten Jahren in vielen solchen Wohnungsfreimachungsfällen verwenden müssen und mit mehr oder weniger großem Erfolg auch verwandt. Das alles ändert nichts daran, daß wir es hier noch mit einem Restproblem zu tun haben. Sie wissen j a aus den Unterlagen, daß 70 000 Wohnungen gebaut worden sind, und jemandem, der 70 000 Wohnungen gebaut hat, sollte man auch zutrauen, daß er noch die restlichen 15 700 dazuschaffen wird. Man sieht doch daraus, daß es offensichtlich ein zu Ende gehendes Restproblem ist. Der Frau Kollegin Lüders kann ich nicht ganz folgen. Sie hat ihre Zahlenrechnungen etwas - wie soll ich mich mit Respekt ausdrücken - zu überschlägig vorgenommen. Wenn sie noch einmal die Freundlichkeit hat, auf Seite 4 der Drucksache nachzusehen, wird sie finden, daß die Wohnungen, die von natürlichen Personen in Anspruch genommen worden sind, 9400 ausmachen. Da sie liebenswürdigerweise einer Familie eine Durchschnittsstärke von vier Köpfen zugebilligt hat, bringt uns das unterhalb einer Zahl von 40 000 und nicht der von ihr genannten Zahl von 60 000. Ich sage das nur, damit nicht auch in der Größenordnung falsche Zahlen in die Öffentlichkeit dringen. Das Problem ist offensichtlich begrenzter, als man es manchmal darstellen möchte. Ich bedaure auch dem Kollegen Atzenroth von der FDP sagen zu müssen, daß ich die kurze Erklärung, die er abgegeben hat, eigentlich - er nimmt mir den Ausdruck nicht übel - etwas billig finde, wenn er sagt: Dann muß man es darauf ankommen lassen. Herr Kollege Atzenroth, ich bin völlig anderer Auffassung. Wir haben hier nicht die Aufgabe, es einmal darauf ankommen zu lassen, um zu sehen, was die anderen tun werden, sondern die Bundesregierung und in erster Linie dieses Hohe Haus sind dazu da, Recht zu schaffen und dafür zu sorgen, daß es bei uns nicht „darauf ankommt". ({0}) Ich habe auseinandergesetzt, wie es aussieht. Dieses Recht, das geschaffen werden soll, ist in Vorbereitung in den Ausschüssen. Es ist halt nicht - ohne daß ich die Schuldfrage in irgendeiner Weise erörtern möchte - termingemäß fertig, und wenn man mit einer bestimmten rechtlichen Regelung nicht termingemäß zu Rande kommt, aber eine rechtliche Regelung braucht, dann ist es die Verpflichtung dieses Hohen Hauses - und davon werde ich mich auch nicht abdrängen lassen -, eine Übergangsregelung zu schaffen, wie sie ihm erträglich scheinen mag. Ich freue mich, aus der Debatte entnehmen zu können daß hier eine ganze Reihe von Anregungen gegeben worden sind, die vielleicht doch eine Lösung eingermaßen im Einvernehmen mit den verschiedenen Auffassungen als möglich erscheinen lassen, da man j a die Sicherheit haben kann, es ist ein begrenztes Übergangsstadium. Es ist nicht so, daß dieses Verlängerungsgesetz der Anfang einer Kette von Verlängerungsgesetzen sein sollte. Wenn es das aber nicht werden soll, dann muß man natürlich auch darauf Bedacht nehmen, einen Ter({1}) min zu wählen, der sich mit den übrigen Arbeiten dieses Hohen Hauses an den drei anderen Gesetzen in sinnvoller Weise vereinbaren läßt. Darf ich mir eine Bemerkung erlauben: wenn es tatsächlich so ist, daß die Arbeit an bestimmten Gesetzen wegen irgendeines mitbeteiligten Ausschusses weiter zurück ist, nun, dann muß man in solchen Notfällen - und da stimme ich Herrn Kollegen Engell durchaus zu - einfach dazu greifen, daß der mitbeteiligte Ausschuß sich unter Umständen auch verschweigen kann, wenn er nicht rechtzeitig fertig wird, und daß der Haupt- und federführende Ausschuß eine Vorlage einbringt. Das haben wir früher schon erlebt, und warum sollte das bei dringlichen Sachen nicht auch heute möglich sein?! Ich darf zum andern bemerken, daß die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 7. Februar 1956 wegen der Freimachung von beschlagnahmten Wohn- und Geschäftsräumen von dem Herrn Bundesfinanzminister unter dem 12. April beantwortet ist, so daß die Antwort, die einige interessante Einzelheiten enthält, dem Hause in den nächsten Tagen als Drucksache zur Verfügung stehen wird. Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich habe gesagt: wir sind es unserem nationalen und unserem internationalen Ansehen schuldig, hier eine Regelung zu treffen. Ich meine das wortwörtlich. Ich habe schon ausgeführt, daß es unsere Aufgabe ist, Recht zu schaffen, weil wir ein Rechtsstaat sind. Das Hohe Haus hat, gleichgültig was dieses Recht regelt, darüber zu befinden. Wir können es, auch wenn es sich nur um Tage handelt, nicht darauf ankommen lassen, sondern brauchen rechtlich fundierte Regelungen. Der Herr Kollege Schmitt ({2}) ist zu pessimistisch gewesen. Er hat geglaubt, er und seine Freunde sollten am nationalen Ansehen nur dann beteiligt werden, wenn es sich um Passivgeschäfte handele. Herr Kollege Schmitt, das Nationale besteht eben darin, daß es alle in guten und in bösen Tagen betrifft. Niemand hat die Absicht, die einen nur an den guten und die anderen nur an den bösen Tagen zu beteiligen. Aber bitte, kommen auch Sie nicht auf den Gedanken, uns etwa nur an den bösen Tagen beteiligen zu wollen. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren! Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung als federführenden Ausschuß und an die Ausschüsse für Verteidigung und für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung vorgeschlagen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Handwerkszählung 1956 ({0}) ({1}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({2}) ({3}). ({4}) Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Maier ({5}). Maier ({6}) ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes über die Handwerkszählung 1956, Drucksache 2179, soll statistische Unterlagen für eine Handwerkspolitik im Rahmen der Gesamtwirtschaft gewinnen lassen. Die letzte Zählung dieser Art hat im Jahre 1949 stattgefunden. Bei der Beratung der Vorlage im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung wurde die Anregung gegeben, das dem Entwurf beiliegende Formblatt für die Erhebungen durch eine Betriebsstättenanalyse zu ergänzen. Außerdem wurde beantragt, die Zählung auch. auf Handelsbetriebe auszudehnen. Seitens der zuständigen Regierungsvertreter wurde dazu erklärt, daß zwar das Bundeswirtschaftsministerium Verständnis für die gewünschte Erweiterung der statistischen Erhebungen habe, daß aber das Statistische Bundesamt überfordert wäre, wenn es gleichzeitig beide Begehren durchführen sollte. Der Herr Bundesfinanzminister habe den dringenden Wunsch, solche umfangreichen Zählungen zeitlich zu verteilen. Das vorgebrachte Anliegen auf eine Zählung der Handelsbetriebe begegne einem gleichlaufenden Interesse des Bundeswirtschaftsministeriums, das bereits Unterhaltungen mit den Verbänden in der Richtung führe, wie etwa eine solche Zählung des Handels aussehen sollte. Eine von Mitgliedern des Ausschusses angeregte Verquickung der Statistiken für Handel und Gewerbe sei ebenso unmöglich wie die Einbeziehung der Großindustrie in die Statistik für Handwerksbetriebe, weil es zwischen beiden Gruppen keine Vergleichsmaßstäbe gebe. Ein Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums wies darauf hin, daß die in zehnjährigen Abständen durchgeführten Arbeitsstättenzählungen, die wieder für 1960 vorgesehen seien, den geäußerten Wünschen weitgehend Rechnung tragen. Da die statistischen Ämter für die nächsten beiden Jahre durch die Durchführung der Wohnungs- und der Handwerkszählung ausgelastet sind und zusätzliche Statistiker auf dem Arbeitsmarkt nicht zu haben sind, müssen komplizierte Erhebungen hintereinandergeschaltet werden; sie können also nicht gleichzeitig durchgeführt werden. Ein Sprecher der CDU machte auf die Bedeutung des raschen Vorliegens der Ergebnisse im Hinblick auf die Vergebung von Rüstungsaufträgen für das Handwerk aufmerksam. Seitens der zuständigen Regierungsvertreter wurde versichert, daß solche Ergebnisse bereits zum Herbst dieses Jahres zu erwarten seien. Von SPD-Seite wurde die Notwendigkeit der Feststellung der Kapazität des Handwerks im Hinblick auf die aufgelegten Bauprogramme betont. Das Verlangen eines SPD-Vertreters, den vorliegenden Erhebungsbogen in ähnlicher Weise zu erweitern, wie es bei der Wohnungsstatistik geschehen sei, stieß bei den Regierungsvertretern deshalb auf keine Gegenliebe, weil sie allzugroße technische Schwierigkeiten darin sahen. Von Ausschußvertretern wurde dem Berichterstatter die Anregung gegeben, die zuständigen Ministerien zu bitten, auf dem Verordnungswege zusätzliche Repräsentativfragen zu stellen. Im übrigen wurde die Vorlage vom Ausschuß unverändert angenommen, und der Ausschuß bittet Sie, dem Gesetz ebenfalls Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe in zweiter Beratung auf: §§ 1, - 2, -3, - 4, - 5, - 6, - 7, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es es so beschlossen. Wir kommen. zur dritten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({0}) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Vereinfachung der Verwaltung ({1}). Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Huth. Huth ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Vereinfachung der Verwaltung Drucksache 1383 ({3}) war am 28. Oktober 1955 Gegenstand der Beratungen in diesem Hohen Hause. Nach einer langen Debatte wurde dieser Antrag an die Ausschüsse für Angelegenheiten der inneren Verwaltung - federführend -, an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Kommunalpolitik überwiesen. In diesen drei Ausschüssen wurde der Antrag sehr eingehend beraten. Das Für und Wider einer Durchführungsmöglichkeit einer Vereinfachung wurde erörtert. Im Gegensatz zu den Antragstellern waren sich die Mitglieder aller drei Ausschüsse darüber einig, daß das Initiativrecht bei dem Parlament bleiben müsse. Um nun gewisse Richtlinien aufzustellen, beschloß man, eine kleine Kommission einzusetzen. Es wurde eine 7er-Kommission gebildet. Der Berichterstatter wurde zum Vorsitzenden dieser Kommission bestimmt. Das Ergebnis der Beratungen dieser 7er-Kommission, das von den drei. Ausschüssen genehmigt wurde, finden Sie in der Drucksache 2220. Sie gestatten mir, daß ich Ihnen diese Drucksache nicht verlese, sondern nur die Notwendigkeit einer kleinen Korrektur bekanntgebe. Es muß in Ziffer 2 in der vierten Zeile statt „kommunalen Spitzenverbände" heißen „Kommunalverbände". Im übrigen haben Sie die Drucksache vor sich liegen. Namens des federführenden Ausschusses darf ich Sie bitten, dieser Drucksache Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung ({0}) betreffend Stellenanteil der Fraktionen in den Ausschüssen ({1}). Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Ritzel. Ritzel ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur eine kurze Ergänzung zu dem Ihnen vorliegenden Antrag Drucksache 2205 zu geben. In § 12 der Geschäftsordnung ist bestimmt, daß sich die Zusammensetzung der Ausschüsse im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen regelt. Der Bundestag hat im November 1953 der Drucksache 45 zugestimmt, wonach die Überprüfung der Ausschußstärke nach der Stärke der einzelnen Fraktionen jeweils am 6. Oktober jedes Jahres stattfinden soll. Damals ging der Bundestag davon aus, daß keine großen Veränderungen stattfinden würden. Große Veränderungen sind aber in der Zwischenzeit eingetreten. Unter anderem kam es auch zur Bildung einer vollkommen neuen Fraktion. Das hat dazu geführt, daß sich der Ausschuß für Geschäftsordnung mit der Sache befaßte und Ihnen bei Beibehaltung des gleichen Systems der Besetzung der Ausschüsse nach den Prinzipien, die der Belgier d'Hondt aufgestellt hat, vorschlägt, einen neuen Stichtag zu wählen, und zwar den 17. März 1956. Das ist der Kern dessen, was der Beschlußfassung des Hohen Hauses untersteht. Ich darf ergänzend noch bemerken, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung sich auch einig darüber war, daß die Berliner Abgeordneten des Hauses bei der Berechnung der Stärkeanteile mitgezählt werden sollen. Ich wäre dankbar, wenn die Vorschläge, die hier gemacht worden sind und die der heutigen Situation Rechnung tragen, die Zustimmung des Hauses fänden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen ohne Enthaltungen angenommen. Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf. Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({0}). Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 140. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 18. April 1956, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.