Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 20. März 1956 die Kleine Anfrage 233 der Abgeordneten Höcherl, Dr. Graf ({0}), Lang ({1}), Demmelmeier und Genossen betreffend Aufwertung bel Versicherungsaltsparern ({2}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2242 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren, ich darf das Haus darauf hinweisen, daß ich heute neben der Bundesfahne die Fahne des Europarates habe setzen lassen. Diese Anordnung habe ich nach einer Vereinbarung im Ältestenrat getroffen; wir möchten dem Hause vorschlagen, darin eine Bestätigung von Grundsätzen zu erblicken, die der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung vom 26. Juli 1950 formuliert, ausgesprochen und bekräftigt hat.
Ich glaube, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang und im Blick auf den heutigen Punkt 1 der Tagesordnung noch folgendes sagen zu dürfen. In der letzten Woche haben die deutschen Mitglieder der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einem Entschließungsentwurf zugestimmt, und zwar einmütig zugestimmt, für die Errichtung einer Europäischen Zoll- und Marktunion. In Anbetracht der Bedeutung dieses Beschlusses und auch in Anbetracht der erfreulichen Tatsache, daß dieser Beschluß einstimmig gefaßt worden ist, möchte ich den Damen und Herren, die aus unserem Hause dabei mitgewirkt haben, den Dank des Hauses ausgesprochen haben.
({3})
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Tagesordnung. Ich rufe Punkt I auf:
Europadebatte.
Vor Weiterem gebe ich das Wort dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die heutige Debatte gibt einen willkommenen Anlaß für die Bundesregierung, einige Erklärungen über ihre Europapolitik abzugeben.
Ein positives Ergebnis des letzten Krieges war die bei allen europäischen Völkern durchbrechende Überzeugung, daß die Staaten dieses Kontinents sich zu einer politischen und wirtschaftlichen Einheit zusammenschließen müßten. Dieser Gedanke hat Millionen von Menschen befähigt, die schwere
Not der Nachkriegszeit leichter zu ertragen. Er ist auch heute eine der positiven Kräfte in unserem politischen Leben. Die Bundesrepublik - ich sage bewußt nicht „die Bundesregierung", denn ich meine das deutsche Volk, die deutschen Parteien, das deutsche Parlament - hat seit ihrem Entstehen im Jahre 1949 den europäischen Gedanken zum Leitsatz ihres außenpolitischen Handelns gemacht.
Lassen Sie mich einige Beispiele anführen. Ein wichtiger Schritt war unser Beitritt zum Europarat 1950. Die Beratende Versammlung des Europarats hat viel zur Bildung eines europäischen Bewußtseins beigetragen. Ihre Debatten, in denen die Abgeordneten - führende Parlamentarier aller Mitgliedstaaten - frei und ungehindert zu den wichtigsten europäischen Fragen sprechen, stehen auf einem hohen Niveau. Zahlreiche einstimmig gefaßte Resolutionen haben den Regierungen als Richtschnur für ihre politischen Entscheidungen gedient. Ich denke dabei besonders an die Entschließung der Beratenden Versammlung vom Herbst vorigen Jahres, in der. die unlösbare Verbindung der Frage der deutschen Wiedervereinigung mit dem Problem der Sicherheit hervorgehoben wurde. Wir Deutsche haben von dieser Entschließung mit Dankbarkeit und Genugtuung Kenntnis genommen.
Aber auch in dem Organ des Europarats, in dem die Regierungen vertreten sind, im Ministerkomitee, sind wichtige Entscheidungen über eine engere Zusammenarbeit gefallen. Ich nenne hier die Konvention über Menschenrechte und Grundfreiheiten, die allen Einwohnern der Mitgliedstaaten die demokratischen Freiheiten garantiert, und die europäische Niederlassungskonvention, die einen bedeutenden Schritt in Richtung auf Freizügigkeit in Europa darstellt.
Der Europäische Wirtschaftsrat, die OEEC, befaßt sich mit den wirtschaftlichen Problemen Europas. Die Bundesrepublik hat, seit sie besteht, auch in dieser wichtigen Organisation tatkräftig mitgearbeitet. Wir verdanken es dem Europäischen Wirtschaftsrat und der mit ihm verbundenen Europäischen Zahlungsunion, wenn heute der Handel zwischen den europäischen Staaten bis zu 90 % liberalisiert ist und der Zahlungsverkehr sich reibungslos abwickelt.
Im Frühjahr 1955 trat die Westeuropäische Union ins Leben. Sie umfaßt nicht nur einen Teil der durch den Nordatlantikpakt zusammengeschlossenen Nationen und schließt sie zu einem regionalen Verteidigungsbündnis zusammen, sondern sie enthält zugleich wichtige Ansätze für eine Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit. Regelmäßige Sitzungen dienen z. B. dem Ziel, kulturelle und soziale Errungenschaften eines jeden Mitgliedstaates auch den übrigen Partnern zugänglich zu machen. Vor allem aber hat die Westeuropäische Union zum erstenmal in der Geschichte ein auf voller Gleichberechtigung beruhendes System der Rüstungsbeschränkung und Rüstungskontrolle verwirklicht. Hierin liegt nicht nur ein Beweis gegenseitigen Vertrauens, sondern zugleich ein wichtiger Ansatzpunkt für die Lösung der Fragen der Rüstungsbeschränkung in einem weiteren Rahmen.
Schließlich haben wir die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Hier wirken nicht nur die Mitglieder der sechs Regierungen zusammen, hier ist nicht nur ein eigenes wichtiges parlamen({0})
tarisches Organ, die Gemeinsame Versammlung, entstanden, - hier haben sich die sechs Mitgliedstaaten zu einem kühnen weiteren Schritt entschlossen: sie haben einen Teil ihrer Hoheitsrechte auf eine überstaatliche, von den Weisungen der Regierungen unabhängige Hohe Behörde übertragen. Das in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl erstmalig verwirklichte Prinzip eines gemeinsamen Marktes hat sich bewährt. Es sollte daher nicht auf Kohle und Stahl beschränkt bleiben, sondern mit der Zeit auf alle Wirtschaftsgüter ausgedehnt werden. Die Außenminister der sechs Mitgliedstaaten der Montangemeinschaft haben im Juni des vergangenen Jahres eine Sachverständigenkonferenz einberufen, die voraussichtlich in Kürze ihre Arbeiten abschließen und konkrete Vorschläge für die Errichtung eines allgemeinen gemeinsamen europäischen Marktes machen wird.
Zugleich beschäftigt sich diese Sachverständigenkonferenz mit dem Plan der Errichtung einer europäischen Atomgemeinschaft, die, wie wir hoffen, zu einer engen Zusammenarbeit auf dem für die zukünftige industrielle Entwicklung außerordentlich wichtigen Gebiet der Gewinnung von Kernenergie für friedliche Zwecke führen wird.
So sind eine Reihe festgefügter Institutionen entstanden, die der europäischen Zusammenarbeit dienen. Weitere sind in Vorbereitung. Die Zusammenarbeit hat einen bisher in Europa nicht verwirklichten Grad erreicht.
Wir sind aber noch nicht am Ziel. Mehr denn je ist die Bundesregierung davon überzeugt, daß die Kultur und die Freiheit, ja die Existenz Europas von seiner Fähigkeit abhängen, sich zu einer festen politischen Gemeinschaft zusammenzuschließen. Zerrissen und uneinig würde Europa früher oder später dem Ansturm der Mächte, die es bedrohen, erliegen.
({1})
Geschlossen und einig kann es seinen Platz und seine geistige Freiheit behaupten.
({2})
Ihnen, meine Damen und meine Herren, die Sie Mitglieder der Beratenden Versammlung des Europarats, der Montangemeinschaft und der Westeuropäischen Union sind, gebührt unser Dank für das Geleistete. Ihnen ist aber auch die große Aufgabe gestellt, das Bewußtsein für die Notwendigkeit des europäischen Zusammenschlusses immer von neuem zu wecken und mit allen Kräften für die Verwirklichung dieses Zieles zu arbeiten.
({3})
Sie haben die Erklärung der Bundesregierung gehört. Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen den Vorschlag, daß wir nun in den Punkt I unserer Tagesordnung eintreten und zuerst den Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Pünder hören. - Der Herr Abgeordnete Dr. Pünder hat das Wort.
Dr. Dr. h. c. Pünder ({0}), Generalberichterstatter der Deutschen Delegation der Beratenden Versammlung des Europarates: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute hat unser Deutscher Bundestag zweifellos einen ganz großen Tag. Der Herr Präsident hat bereits darauf hingewiesen, daß seit einer Stunde vor unserem Bundeshaus die neue Flagge des Europarates weht, an prominenter Stelle am Portal I und hier drüben am Präsidenteneingang. Damit ist unser Bundestag, wie ich zu wissen glaube, das erste europäische Parlament, das sich in dieser betont sichtbaren, neuartigen Weise zum Europarat und seinen Zielen bekennt. Wem es noch nicht klar war, welche Bedeutung der heutige Tag für Europa hat, dem ist es soeben klargeworden durch die Regierungserklärung, die wir aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers gehört haben, eine Erklärung, der wir alle mit brennendem Interesse gefolgt sind.
Unsere Tagesordnung, die der Herr Präsident soeben aufgerufen hat, ist dementsprechend auch besonderer Art. Unsere Delegation zur Beratenden Versammlung des Europarates, als deren Sprecher und Generalberichterstatter ich augenblicklich zu Ihnen zu sprechen die Ehre habe, hat Wert darauf gelegt, Ihnen in der Ihnen vorliegenden Mappe ein ganz lebendiges konkretes Bild über die praktische Arbeit des Europarates zu vermitteln. Auch dieser Versuch dürfte im Kreise der 14 Mitgliedstaaten des Europarates neuartig sein. Aber ein solcher Versuch ist nach der Auffassung unserer deutschen Delegation dringend geboten. Nach allen Erfahrungen der letzten zehn Jahre - da knüpfe ich an das an, was der Herr Bundeskanzler soeben auch gesagt hat - genügt es eben nicht, in allgemeiner europäischer Begeisterung zu machen, sich die Köpfe heiß und rot zu reden und dann hinterher vielleicht ernüchtert festzustellen, daß doch wieder alles beim alten geblieben ist. Dafür sind die Probleme in Europa viel zu ernst und schwierig. Das geeinte Europa, das wir alle ersehnen, kommt nicht zu uns durch einen einzelnen Verfassungsakt, sondern auf sehr, sehr vielen Wegen. Ein einziger Schritt allein genügt nicht, aber auch kein einziger Schritt ist überflüssig. Hier gibt es kein Entweder-Oder, sondern nur ein Sowohl-als-auch.
An die Spitze meines Generalberichts möchte ich zunächst den Dank der Delegation an Sie, Herr Präsident, und den Ältestenrat stellen, daß es endlich möglich geworden ist, trotz der Fülle der übrigen Probleme, vor denen der Bundestag steht, diesen heutigen Tag für diese Debatte auszusparen.
Unsere Delegation hatte schon früher einmal einen ähnlichen schüchternen Versuch unternommen, und zwar durch die Drucksache 927 vom 28. Oktober 1954. Damals hatte ich an den Herrn Präsidenten geschrieben:
Zur Vorbereitung der in Aussicht genommenen Aussprache über den Europarat gestatte ich mir auftragsgemäß, 600 Exemplare der „Mitteilungen des Euraparats" . . . zu übersenden.
Zu dieser Aussprache ist es - es ist nun schon anderthalb Jahre her - nie gekommen. Da bekanntlich nur frische Brötchen gut schmecken, möchte ich empfehlen, vielleicht unter Bezugnahme auf diese meine Anregung diese Drucksache heute als erledigt anzusehen.
Die heutige Tagesordnung befaßt sich also nicht mit allen Problemen Europas, sondern ganz konkret mit dem Europarat. Dies erscheint auch aus allgemein politischen Gesichtspunkten sehr wichtig, wenn Sie an die demoskopischen Untersuchungen denken. Eine solche Volksbefragung hat vor noch gar nicht langer Zeit das erstaunliche Ergebnis erbracht, daß von den vielen Tausenden befragter Deutscher in unserer Bundesrepublik zwar bis zu 80 % sehr für eine Einigung Europas eingenommen sind, daß dagegen gleichzeitig genau 50 % der gleichen Tausende Befragter überhaupt nicht einmal etwas von der Existenz des Europarates wußten.
({1})
Ich unterstreiche: Wir sprechen heute vom Europarat und nicht von allen augenblicklich schwebenden europäischen Problemen. Ich unterstreiche dies auch noch aus einem besonderen Grunde, den ja eben auch der Herr Präsident schon hat anklingen lassen. Ich habe leider nicht die Aufgabe, Ihnen über die Sondertagung des Montanparlaments in der vorigen Woche in Brüssel zu berichten - über den Spaak-Bericht über die Integration Europas, den Gemeinsamen Markt, die Zollunion, über die einstimmig angenommene Entschließung -, weil das nicht auf der Tagesordnung steht und auch nicht Inhalt der Ihnen in der Mappe vorliegenden Dokumente ist. Aber ich glaube, daß diese Fragen in der anschließenden Diskussion, die ich ja lediglich einleite, zur Drucksache 2152 über die Atomenergie und die Schaffung des Europäischen Marktes doch anklingen werden.
Auch noch ein anderes Problem, das uns augenblicklich im Europarat sehr angeht, steht heute nicht zur Debatte; aber ich darf es doch ganz kurz streifen, da wir ja so selten Gelegenheit haben, über den Europarat zu sprechen. Ich meine die bevorstehende Aufnahme der Bundesrepublik Österreich in den Europarat als fünfzehntes europäisches Land. Die deutsche Delegation hat vor kurzem, als sie durch das Generalsekretariat um ihre Auffassung zu dem Aufnahmeantrag gebeten wurde, ihre Zustimmung freudig erteilt, und wie ich gerade gestern aus Straßburg gehört habe, ist die Aufnahme Österreichs in voller Einmütigkeit auch von allen anderen Mitgliedstaaten gebilligt worden. So darf ich auch heute schon einen Gruß der Verbundenheit an Österreich und seine künftige Delegation im Europarat richten.
({2})
Wie zweckmäßig und notwendig die heutige Aussprache über Angelegenheiten des Europarats ist, zeigt auch die Einstellung des Generalsekretariats in Straßburg zu dieser heutigen Tagung. Auf meine Einladung an den Herrn Generalsekretär und seine Mitarbeiter in Straßburg hin ist der Herr Stellvertretende Generalsekretär, Herr Dunstan Curtis, mit fünf seiner ersten Mitarbeiter heute hier erschienen.
({3})
Es ist mir eine besondere Freude, Sie, Herr Stellvertretender Generalsekretär Dunstan Curtis, mit Ihren Herren Mitarbeitern hier herzlichst zu begrüßen. Ihr Herr Generalsekretär Marshal ist ja selber, weil er augenblicklich außerhalb Europas weilt, in diesen Tagen verhindert, persönlich zu kommen. Er hat mir aber gerade einen Brief geschrieben, und im letzten Satz schreibt er - in deutscher Übersetzung des englischen Briefes -:
Ich kann nur hoffen, daß diesem aufrüttelnden Beispiel des Deutschen Bundestages recht bald von den Parlamenten der anderen Mitgliedstaaten gefolgt werden möchte.
Ich kann mich diesem Wunsche des Herrn Generalsekretärs nur aufrichtig anschließen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie nun, einmal das Heft zur Hand zu nehmen. Sie finden gleich in unserem vorgehefteten Anschreiben vom 1. März den Ausgangspunkt der Überlegungen unserer Delegation. Es ist die Entschließung 70 der Beratenden Versammlung gewesen, die Sie gleich dahinter als Anlage in deutscher Übersetzung vorfinden. Wir haben überhaupt bei der Herstellung dieses Heftes Wert darauf gelegt, Ihnen das Einfühlen sehr leicht zu machen, indem wir hinter jeden einzelnen Antrag, jede einzelne Entschließung, oder was es auch immer sei, den Ausgangspunkt geheftet haben. Sie haben die Entschließung 70 vor sich. Danach haben wir in der Versammlung in Straßburg beschlossen:
Die Versammlung fordert die Abgeordneten aus jedem Mitgliedstaat auf, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um in geeigneten Fällen in den nationalen Parlamenten eine Aussprache über die Empfehlungen herbeizuführen, mit welchen die Beratende Versammlung das Ministerkomitee oder die nationalen Parlamente um Stellungnahmen zu bestimmten Fragen ersucht.
Um dieser uns selbst in Straßburg gestellten Aufgabe gerecht zu werden, haben wir zur Sichtung des überaus umfangreichen Materials von der Delegation aus aus unserer Mitte einen Dreierausschuß bestellt, dem die verehrten Kollegen Graf von Spreti, Dr. Mommer und Dr. Becker angehörten. Nachdem ersterer durch Übertritt in den auswärtigen Dienst aus unserem Kreise ausgeschieden ist, hat Herr Kollege Dr. Leverkuehn dankenswerterweise die weitere Arbeit übernommen. Da ich selber an diesen Arbeiten des Dreierausschusses nicht so sehr beteiligt war, ist es mir ein Herzensbedürfnis, diesen vier Kollegen den Dank der Delegation für die überaus mühselige Arbeit, die sie dabei geleistet haben, auszusprechen.
({4})
Diesen Dank dehne ich aber auch aus auf unsere Mitarbeiter im Delegationssekretariat und auf die zuständigen Stellen in Ihrer Verwaltung, Herr Präsident, für die Vorbereitung dieser etwas ungewöhnlichen und völlig neuartigen Drucksache.
Die Vorarbeiten des Dreierausschusses sind dann von der Gesamtdelegation in sehr eingehenden und sorgfältigen Sondersitzungen überprüft und abschließend genehmigt worden. Ich lege sehr großen Wert darauf, meine Damen und Herren, festzustellen, daß alle diese Entschließungen unserer Delegation in voller Einstimmigkeit gefaßt worden sind, wie sich denn überhaupt im Laufe der nun verstrichenen sechs Jahre gemeinsamer sachlicher Arbeit im Europarat eine sehr enge und harmonische Zusammenarbeit aller Delegierten herausgebildet hat. Nur in bezug auf einen einzigen Punkt, die Drucksache 2112, über die nachher sicher noch geredet werden wird - es ist aber kein grundsätzlicher, sondern nur ein finanzieller Punkt -, liegt ein Sonderantrag der SPD vor.
Ich brauche kaum hinzuzufügen, daß wir zu diesen Delegationssitzungen natürlich auch das Auswärtige Amt laufend eingeladen haben, das dann auch vertreten war. Infolgedessen war die Bundesregierung durch ihre zuständigen Stellen über den geplanten Ablauf des heutigen Tages bis ins einzelne laufend im Bilde.
Wie Ihnen das Anschreiben gleich auf der ersten Seite zeigt, haben wir der besseren Übersichtlichkeit halber die Fülle des Materials in sechs Gruppen unterteilt bzw. zusammengefaßt. Im ganzen sind es - Sie werden das feststellen, wenn Sie das Heft mit Aufmerksamkeit durchsehen, soweit Sie es nicht schon durchgesehen haben - nicht weniger als 21 Anträge, vier mündliche Ausschußberichte und zwei Große Anfragen, die eine über postalische Angelegenheiten, die andere über die Ratifizierung von Konventionen; beide werden, wie ich zuversichtlich hoffe, nachher seitens der Bundesregierung wohl in zufriedenstellender Weise beantwortet werden.
({5})
Über die vielen, beinahe 30 Probleme heute bis in die letzte Einzelheit zu diskutieren, ist natürlich unmöglich; das ist auch in keiner Weise vorgesehen. Ich bitte den verehrten Herrn Präsidenten, wenn ich nach Unterstreichung noch einiger Punkte abgetreten sein werde, entsprechend den getroffenen Verabredungen noch Herrn Dr. Mommer und Herrn Dr. Leverkuehn als Berichterstatter aufzurufen, die meinen zusammenfassenden Bericht noch ergänzen werden. Herr D r. Becker, der auch zu unserem Kreise gehört, hat mich gebeten, ihn nicht als Berichterstatter einzuteilen, weil er durch andere Dinge überlastet sei.
Die anschließende Diskussion wird dann ergeben, ob und welche Anträge gleich heute - ich hoffe, eine große Zahl - abschließend erledigt werden können und welche noch den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen. Ich darf aus der Fülle der Probleme mit wenigen Worten nur noch fünf Einzelprobleme ansprechen.
Wenn Sie bis zur dritten Seite blättern, so sehen Sie die Drucksache 2151, die, wie ich zuversichtlich glaube, nachher in der Diskussion eine besondere Rolle spielen wird; denn sie verdient es. Das ist die Entschließung der Beratenden Versammlung über die gemeinsame europäische Politik in den künftigen Ost-West-Konferenzen. Diese Entschließung - ich brauche sie wohl nicht vorzulesen - beruht auf der gleich dahinter gehefteten Entschließung der Beratenden Versammlung, aus der ich nur auf die Ziffer 3 hinweisen will.
Darin heißt es:
Die Versammlung
- des Europarats in Straßburg betont die Notwendigkeit einer raschen Wiedervereinigung Deutschlands auf Grund freier Wahlen. Sie unterstreicht die Unzulänglichkeit und Gefährlichkeit eines jeden Abkommens über Europa mit der UdSSR, das diese Wiedervereinigung nicht einschließt. Die enge gegenseitige Abhängigkeit dieser Probleme hat zwischen der deutschen Wiedervereinigung und einem System der europäischen Sicherheit einen Zusammenhang geschaffen, der einen parallelen Fortschritt im Hinblick auf die Lösung jedes dieser Probleme erfordert.
Diese Entschließung entstammt der Vorarbeit und der Feder unseres verehrten französischen Kollegen de Menthon , des angesehenen früheren Präsidenten der Beratenden Versammlung, und ich möchte schon namens der Delegation - nachher wird es gewiß noch von anderer Seite unterstrichen werden - unserem verehrten Kollegen de Menthon unseren aufrichtigsten Dank dafür aussprechen, daß er diese großzügige europäische Linie vorgeschlagen und durchgehalten hat.
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Ich überspringe nun sehr viele Punkte, über die wohl meine Herren Kollegen sprechen werden, und erwähne abschließend nur noch wenige andere Punkte, zunächst die Drucksache 2166, die Sie ungefähr am Schluß des Heftes finden, betreffend die kulturelle Zusammenarbeit im Rahmen des Europarates. Dieser Entschließungsentwurf ist gleichfalls von allen Fraktionen eingebracht worden. In ihm wird festgestellt, ganz auf der Linie einer Entschließung der Beratenden Versammlung, daß „der Europarat die am besten geeignete Einrichtung zur Förderung der kulturellen Zusammenarbeit seiner Mitgliedstaaten ist und die Tätigkeit auf kulturellem Gebiet die Einheit der Mitglieder zu stärken habe". In dieser Entschließung wird ferner angestrebt, die Arbeiten auf diesem Gebiet zwischen dem Europarat und der Westeuropäischen Union, von der eben auch der Herr Bundeskanzler gesprochen hat, aufeinander abzustimmen.
Dann darf ich gleich zu dem nächsten Punkt, der Frage der Förderung des „Europäischen Schultages" - Drucksache 2167 - kommen. Wenn man in Straßburg im Europarat sitzt, hat man manchmal das Empfinden, daß man dort in bezug auf europäische Zusammenarbeit auf einzelnen Gebieten schon weiter ist als in unserer Bundesrepublik mit ihrer föderativen Struktur. Jedenfalls haben die Delegierten der 14 Mitgliedstaaten in voller Übereinstimmung erklärt, daß unter allen Umständen trotz aller pädagogischen Schwierigkeiten ein solcher „Europäischer Schultag" in den Schulen der Länder des Europarats angestrebt werden soll. Auch diesen Antrag möchte ich wärmstens Ihrer Unterstützung empfehlen.
Damit komme ich zum vorletzten Punkt; was hier zu sagen ist, ist ganz schnell gesagt. Der Herr Präsident hat die Angelegenheit schon eingangs erwähnt. Es handelt sich um die Frage der Flagge des Europarates. Sie wissen, daß diese Flagge aus einem blauen Fahnentuch mit einem Kranz von 12 goldenen Sternen besteht. Diese 12 goldenen Sterne sollen keine bestimmte Zahl von Ländern bedeuten, sondern sie sollen die Vielfalt der europäischen Staaten symbolisieren. Wir zeigen heute als erstes europäisches Parlament diese Flagge. In dem Entschließungsentwurf Drucksache 2168 bitten wir die Bundesregierung und sämtliche deutschen Landesregierungen, genau wie wir es heute machen, bei jeder passenden Gelegenheit neben der Bundesfahne und den Länderfahnen künftig auch diese Flagge des Europarates zu zeigen.
({7})
Zum Schluß komme ich noch auf einen Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, da ich auf dem Gebiet einigermaßen sachverständig bin, weil ich Vorsitzender des Haushaltsausschusses der Beratenden Versammlung des Europarates bin. Es handelt sich hierbei um ein sehr verdrießliches Thema. Nach der Satzung des Europarates, an der wir im Augenblick nicht viel ändern können, ist die Zuständigkeit der Beratenden Versammlung in Haushaltsfragen, obgleich es sich hierbei doch um das ursprünglichste Recht eines Parlaments handelt, eigentlich gleich null. Die Zuständigkeit in Budgetfragen liegt ausschließlich beim Ministerrat. Damit müssen wir uns einstweilen abfinden. Immerhin ist ein kleiner Fortschritt insofern erzielt worden, als der Ministerrat vor anderthalb Jahren genehmigt hat, daß sich die Beratende Versammlung einen Haushaltsausschuß bilden kann. Aber dieser Haushaltsausschuß kämpft bis zu dieser Stunde noch sehr darum, wirklich aktiv tätig werden zu können. Das hat zu einer Entschließung der Beratenden Versammlung geführt, die Sie auf der Rückseite der Drucksache 2170 vorfinden. Darauf basiert auch der Antrag dieser Drucksache, um dessen Annahme ich Sie herzlich bitten möchte. Denn nur wenn wir in solchen Fragen wirklich von den nationalen Parlamenten getragen werden, können wir allmählich auch gewisse Zuständigkeiten des europäischen Parlaments in Haushaltsfragen erreichen.
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Aber ganz unabhängig von dieser Frage der Zuständigkeit, die mehr in das Gebiet des Staats-und Völkerrechts gehört, ist eine andere Frage. Sie ist auch in dieser Entschließung angesprochen. Die Etatansätze der Beratenden Versammlung für kulturelle und informatorische Zwecke sind erschreckend niedrig; sie sind viel zu gering. Trotzdem stehen wir vor der Tatsache, daß selbst diese viel zu geringen Ansätze in der letzten Zeit manchmal nicht einmal voll ausgenutzt worden sind. Das sind unmögliche Dinge. Ich sage das, ohne irgendeine Kritik üben zu wollen. Alles muß erst langsam anlaufen. Unsere verehrten Gäste aus Straßburg mögen das nicht als eine persönliche Kritik auffassen. Aber ich muß hier deutlich aussprechen: Wir legen außerordentlichen Wert darauf, daß der Europarat gerade für informatorische Zwecke im Budget mehr Mittel auswirft, als es bisher geschehen ist, und daß diese Mittel auch wirklich und zweckentsprechend angelegt werden. Sonst brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn - wie es so oft heißt - „unten nichts ankommt". Es wird gearbeitet, es wird wertvolle Arbeit geleistet - das hat vorhin auch der Herr Bundeskanzler dankbar bestätigt -, aber unten kommt nichts an. Die Bevölkerung erfährt nichts von den Dingen.
Nur ein kleines Beispiel zur Illustration: Sie alle haben gestern oder heute, sozusagen zur Feier des Tages, dieses kleine grüne Heft - eine sehr dankenswerte Zusammenstellung von der Presse-und Informationsabteilung des Europarats - „Fünf Jahre Europa" erhalten. Aber wenn Sie hineinschauen - nur auf die erste Seite -, sehen Sie, daß dieses Heft - redaktionell - Mitte Mai 1954 abschließt. Diese Ausgabe, die uns freundlicherweise heute oder dieser Tage dediziert worden ist, ist also schon recht alt und infolgedessen keineswegs mehr so interessant. Das sind tatsächlich unmögliche Dinge, und ich darf die anwesenden Herren Vertreter des Generalsekretariats sehr herzlich bitten, doch dafür zu sorgen, daß wir nicht nur reichlich, sondern auch wirklich akutes Material bekommen, das infolgedessen interessant ist. Daß es aus dem Französischen oder Englischen ins Deutsche übersetzt werden muß, wissen wir natürlich; aber wenn da Schwierigkeiten sind, wären wir zweifellos in der Lage, hier etwas zu helfen.
Damit, Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren, bin ich mit meinem Generalbericht zu Ende und darf bitten, Herr Präsident, daß Sie jetzt Herrn Dr. Mommer und Herrn Dr. Leverkuehn das Wort geben. Das Hohe Haus und damit die 'deutsche Öffentlichkeit werden dann durch diese drei Referate einen einigermaßen umfassenden Überblick über den Blütenstrauß bekommen, den unsere Delegation an diesem Frühlingstag 1956 dem Deutschen Bundestag überreicht hat. Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieser Frühlingsgruß auch zu einem guten Omen für einen kommenden europäischen Frühling werde!
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Ich danke dem Herrn Generalberichterstatter und darf den Herrn Abgeordneten Dr. Mommer als Mitberichterstatter bitten, das Wort zu nehmen.
Dr. Mommer ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, einige zusätzliche Ausführungen zu einem konkreten Thema zu machen, dazu nämlich, welche
Rolle wir, die Mitglieder der Beratenden Versammlung, dieser heutigen Diskussion und Tagesordnung beimessen.
Wir sind uns alle darüber im klaren, wie schwer die Aufgabe ist, Europa zu bauen, dieses Europa, dessen Völker vor elf Jahren noch im Kriege miteinander lagen. Außerdem gilt es, jahrhundertealte Denkweisen zu ändern und jahrhundertealte nationalstaatliche Institutionen umzuorganisieren. Es geht darum, mächtige Interessen zu überwinden. Manchmal gibt es auch das Hindernis, daß auch die Europaidee wie jede große Idee nicht dem Mißbrauch entgeht und daß sie zur Tarnung von Bestrebungen verwendet wird, die keine reinen Wurzeln haben.
Um die Widerstände zu überwinden, bedarf es eines gewaltigen politischen Druckes, nicht eines einmaligen Druckes, sondern eines ständigen, zähen, über Jahrzehnte hinweg fortgesetzten politischen Druckes.
Den Ungeduldigen, die uns fragen: Was habt ihr denn geleistet, was habt ihr realisiert?, sei dies gesagt: Zehn Jahre sind eine kurze Zeit für Bestrebungen von solchem Umfang. Der Europarat besteht seit sechseinhalb Jahren, und man kann von diesem historisch gesehen sehr jungen Bäumchen keine reifen Früchte verlangen.
Ich mache diesen Hinweis nicht deshalb, weil wir die Absicht hätten, mit dem zufrieden zu sein, was wir getan haben. Der Europarat oder zumindest die Beratende Versammlung ist nicht zufrieden mit dem, was bisher geschehen ist. Die Versammlung hat im vergangenen Jahr einmal Bilanz über das gemacht, was in den ersten Jahren der Existenz der Organisation geschehen ist, und aus der Bilanz hat sie zu erkennen versucht, was auch in ihrer Arbeitsweise geändert werden müßte und könnte, um in Zukunft wirksamer zu arbeiten, mehr zu leisten.
Ich will nur wenige Worte über das Organ des Europarates sagen, das nach dem Statut das erste, das entscheidende Organ ist, über den Ministerausschuß, in dem die Mitgliedstaaten durch ihre Außenminister vertreten sind. Nach dem Statut sollte da, beim Ministerausschuß, die motorische Kraft liegen, die zu mehr Einheit unter den Mitgliedvölkern führen sollte. Wir sind uns aber alle einig darin, daß der Ministerausschuß diese Rolle nicht gespielt, seine Aufgabe in dieser Hinsicht nicht erfüllt hat. Der Dränger ist das zweite Organ gewesen, diese parlamentsähnliche Institution der Beratenden Versammlung. Der Ministerrat hat sich vielmehr als Brems- und Verzögerungsorgan gegenüber dem Drängen der parlamentarischen Institution betätigt. Die Vorschläge der Beratenden Versammlung sind im Ministerausschuß in die bürokratische Zerhackungsmaschine gekommen. Häufig ist dabei nicht nach dem Grundsatz verfahren worden, für die vielen Schwierigkeiten, die es ohne Zweifel in der Durchführung unserer Vorschläge gibt, jeweils eine Lösung zu finden, sondern, wie man in Straßburg gesagt hat, die Experten der Regierungen haben sich bemüht, für jede Lösung eine Schwierigkeit zu finden, um in den Schwierigkeiten Entschuldigungen für die Nichtdurchführung des Vorschlags zu finden.
({1})
Ich bin nicht überzeugt, Herr Bundeskanzler - da Sie vor mir sitzen -, daß unsere Refe({2})
renten in dieser Hinsicht sehr viel besser sind als die der anderen Mitgliedstaaten. Aber wir wollen darüber nicht streiten. Vielmehr möchte ich die Bitte an Sie richten: wenn unsere Experten dort hinreisen und sich an das Zerhacken der politischen Vorschläge begeben, versehen Sie sie mit der Direktive, mit der die Experten in Brüssel jetzt im Anschluß an die Messina-Konferenz versehen wurden, nämlich nicht Schwierigkeiten, sondern Lösungen zu finden und den politischen Gesichtspunkt über das kleine technische Detail zu stellen und über die kleinen egoistischen Interessen, die der Verwirklichung des größeren politischen Plans entgegenstehen. Versehen Sie sie mit der Instruktion, unsere Empfehlungen wenn möglich zur Gänze und für alle Mitgliedstaaten zur Annahme zu bringen, wenn das nicht geht, dann zumindest für einige, und zu Abschlüssen zu kommen, die man im Europarat Teilabkommen zwischen wenigstens einigen Mitgliedstaaten nennt.
Manchmal - das hat sich gezeigt - ist es auch möglich, das, was die Beratende Versammlung vorschlägt, einseitig zu verwirklichen, ohne daß man darauf wartet, daß auch andere das Vernünftige und das Gute tun. Bisher haben nur wir Parlamentarier nach dieser Methode verfahren und haben damit auf einigen Gebieten große Erfolge gehabt. Es wäre gut, wenn sich die Bundesregierung das zu Herzen nähme und wenn auch die hohen Beamten und Fachleute der Bundesregierung diese Aufgabe bekämen, zu prüfen, wo es möglich ist, ohne daß wesentliche nationale Belange geschädigt werden, durch einseitiges Vorangehen gerade die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß die anderen nachziehen und so ein multilaterales System zusammenkommt.
Aber nun zu uns selbst, zu unserer Beratenden Versammlung. Diese Versammlung ist ein einflußreiches, aber ein völlig machtloses Gebilde. Durch keine Statutenänderung, glaube ich, kann man dieser Versammlung die Macht verleihen, die sonst echten Parlamenten eigen ist. Wenn man das versuchte, dann würde es zur Verkleinerung des Kreises führen, dann würde der Europarat sich nicht mehr von der Türkei bis nach Island in seinen Mitgliedstaaten erstrecken. Deshalb, glaube ich, sind alle Versuche, über Statutenänderung mehr Macht zu bekommen, abwegig. Sie bringen Nachteile, die die Vorteile wieder aufwiegen würden.
Es bleibt also auch der Beratenden Versammlung nur, mit dem wenig wundertätigen Wasser der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit zu operieren, und das höchste Erzeugnis, das wir in dieser Versammlung parlamentarisch zustande bringen, ist eine mit Zweidrittelmehrheit angenommene Empfehlung an den Ministerausschuß, bestimmte Dinge zu tun. Im Ministerausschuß wird nun diese Empfehlung in der Weise zerhackt, wie ich es schon dargetan habe, und wenn wir Glück haben, gibt es dann die nötige Einstimmigkeit, um die Empfehlung der Versammlung zu einer Empfehlung des Europarates an die Mitgliedregierungen zu machen.
Sie sehen, wie schwer es ist, dahin zu gelangen.
Aber das ist noch nicht alles. Keine der einzelnen Mitgliedregierungen ist - auch wenn sie im Europarat für den Vorschlag war - gezwungen, entsprechend der Empfehlung zu verfahren.
Deswegen, meine Damen und Herren, komme ich zu dem Schluß, daß die Beratende Versammlung ein machtloses Organ ist.
Aber ich sagte auch: sie ist ein einflußreiches Organ. Glücklicherweise steht dieser Einfluß der Machtlosigkeit gegenüber, und über den Einfluß, den sie hat, kann sie dann doch wieder auch politische Macht ausüben. 132 Abgeordnete kommen aus allen Parlamenten der 14, 15 Mitgliedstaaten, und sie kehren dorthin zurück. Wenn sie zu Hause die Macht ausüben, die sie dort in ihrem eigenen nationalen Parlament haben, dann können sie ihren machtlosen Straßburger Empfehlungen zu Hause Nachdruck verleihen, dann können sie ihre Regierung - wenn das nötig wäre - zwingen, das zu tun, was sie in Straßburg für europäisch notwendig gehalten haben.
Ich komme so zu dem Schluß, daß die Beratende Versammlung eben doch Macht hat, und zwar so viel Macht, wie ihre Mitglieder in ihren nationalen Parlamenten für die Straßburger Sache auszuüben bereit und in der Lage sind.
Deshalb haben wir in Straßburg den Vorschlag gemacht, die Empfehlungen und Entschließungen, die wir dort fassen, in die Sprache der Anträge, Gesetzentwürfe, Anfragen usw. unserer nationalen Parlamente zu übersetzen und das nationale Parlament und die nationale Regierung für die europäische Aufgabe einzusetzen. Das war der Sinn des Vorschlags, der zur Erstellung der heutigen Tagesordnung und zu dieser Debatte führte: über den Umweg des Parlaments doch europäische Leistungen in diesem sehr lockeren Rahmen des Europarates zustande zu bringen.
In dem Bündel, das wir Ihnen vorlegen, gibt es natürlich große und kleine Dinge; es gibt dabei Sofortmaßnahmen und es gibt solche, die ihre Wirkung erst in der Zukunft tun können.
Allen gemeinsam ist dieser Grundgedanke: wir wollen hier keine großen europäischen Beteuerungen von uns geben, wir wollen uns nicht mit Proklamationen begnügen, sondern wir wollen das hier und jetzt Mögliche, das nötigenfalls ohne Gegenseitigkeit Mögliche, tun, um Europa zu verändern, um Europa in Richtung auf mehr Einheit zu verändern, auf eine Einheit, die der Mehrung der Freiheit und des Wohlstandes der europäischen Völker dienen wird.
({3})
Als dritter Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Leverkuehn das Wort.
Dr. Leverkuehn ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Teil der Berichterstattung geht auf meine Mitgliedschaft im Wirtschaftspolitischen Ausschuß des Europarates zurück. Er ist also durchaus konkret und soll sich kurz mit dem beschäftigten, was an praktischen Vorschlägen vor Ihnen liegt. Das sind, wie Herr Kollege Mommer eben schon gesagt hat, zum Teil Dinge, die klein erscheinen, wie Paßformalitäten, Formalitäten in Flughäfen, Fragen des Führerscheins, Autobahnsymbole und dergleichen. Aber, meine Damen und Herren, für den europäischen Staatsbürger sind diese Dinge, wenn er von Land zu Land reist und wenn er sich zu dem entwickeln soll, was uns vorschwebt - vom Angehörigen seines Staates zu einem Europäer -, von
({1})
Bedeutung, und wir sollten ihnen unsere Aufmerksamkeit nicht versagen. Auch das Paßwesen und die Zollgesetzgebung gehören in diesen Rahmen.
Ein weiteres Wort ist, glaube ich, zu dem umfangreichen wirtschaftlichen Programm notwendig, das aus einigen der Anträge zu Ihnen spricht. Einer der leitenden Herren der Montanunion hat einmal den Zweck der ganzen Montanunion in Luxemburg dahin zusammengefaßt: eine fünfprozentige Hebung des Lebensstandards in den Montanunionsländern in jedem Jahre. Das ist ein sehr konkret und einfach formuliertes Ziel, und, meine Damen und Herren, es ist das soziale Ziel. Ob und wann es verwirklicht werden kann, wissen wir nicht; aber wir wissen immerhin aus dem letzten, dem siebenten Bericht der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit, der uns gerade zugegangen ist, daß in den Jahren 1953 und 1954 die Produktivität in den europäischen Ländern um 5 % und im Jahre 1955 sogar noch etwas mehr gestiegen ist. Nun, die Steigerung der Produktivität ist etwas anderes als die Steigerung der Lebenshaltung; aber sie stehen in enger Beziehung zueinander. Ohne eine Steigerung der Produktivität gibt es keine Steigerung der Lebenshaltung.
Warum ist eigentlich von dem gemeinsamen Markt soviel die Rede? Ich glaube, wir sollten uns das bei einer solchen Diskussion doch noch einmal vor Augen führen. Was uns dabei vorschwebt, ist eigentlich immer das Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika mit seinem ungeheuren Umfang, mit seinen natürlichen Schätzen und mit seiner sehr großen Einwohnerzahl. Daß die Lebenshaltung in keinem Teil der Erde höher ist als in den Vereinigten Staaten, ist bekannt, und wenn wir den Gegenpol, die Sowjetunion betrachten, so ist festzustellen, daß auch dort in den letzten Jahrzehnten erhebliche Steigerungen der Produktivität zu verzeichnen sind. Aber gerade hier ist das Verhältnis zwischen der Steigerung der Produktivität und der Steigerung der Lebenshaltung noch keineswegs das, was von russischer Seite in Anspruch genommen wird.
Hier, meine Damen und Herren, müssen wir uns nun überlegen, ob und inwieweit dieser gemeinsame Markt zur Steigerung der Lebenshaltung in den einzelnen Teilen Europas beitragen kann und beigetragen hat. Wir kommen zu dem Ergebnis, daß das in sehr verschiedenem Grade der Fall ist. Es gibt auch in Europa Wirtschaftsgebiete, welche den Einwohnern keineswegs eine befriedigende Lebenshaltung gewähren. In diesem Zusammenhang ist man an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß des Europarates mit der Bitte herangetreten, diejenigen Gebiete, welche am wenigsten an der Steigerung der Lebenshaltung in Europa teilgenommen haben, einer Untersuchung zu unterwerfen und Vorschläge zur Besserung zu machen. Es handelt sich um Süditalien, Griechenland und die Türkei. Gruppen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses sind in diesen Ländern gewesen und haben umfangreiche Berichte erstattet. Sie machten, besonders in Italien, schon Vorarbeiten bedeutungsvoller Art, vor allen Dingen durch den jüngst verstorbenen Senator und früheren Minister Vanoni.
Nun steht vor uns die Frage: Welche Möglichkeiten bietet die heutige Apparatur des Europarates oder der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Vorschläge und Pläne, die auf diese Weise entwickelt werden, in die Tat umzusetzen? Da sieht es noch sehr schlecht aus. Wenn wir warten wollen, bis eine Organisation, die in etwa der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit entsprechen würde, gestaltet worden ist, werden wir sehr lange warten müssen.
Der Sinn der Anträge, die heute vor Ihnen liegen, geht dahin, zu prüfen, ob es nicht richtiger ist, daß wir praktisch von einem Lande aus anfangen, und zwar von der Bundesrepublik aus.
In dem Antrag Drucksache 2154 betreffend Wirtschaftshilfe für Südeuropa ist die Frage angesprochen, ob und inwieweit zu solchen Zwecken die Mittel des ERP-Sondervermögens oder Mittel des Bundeshaushalts herangezogen werden können. Zwischen dem ERP-Sondervermögen, also dem, was wir als Marshallplanhilfe bekommen haben - im breiten Sinn gesprochen -, und den europäischen Belangen besteht ein sehr enger Zusammenhang. In dem Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 15. Dezember 1949, das die Basis für das ERP-Sondervermögen bildet, ist ausdrücklich gesagt, daß die Regierung der Bundesrepublik Deutschland der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit, die auf Grund der am 16. April 1948 in Paris unterzeichneten Konvention über europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit gebildet wurde, als Mitglied beigetreten ist. Diese Abmachungen sind später gelegentlich der Schuldenregelung in die Abmachungen zwischen der Bundesrepublik und der Regierung der Vereinigten Staaten über die Abtragung des Teils der Nachkriegshilfe übernommen worden, der von den Vereinigten Staaten angefordert worden ist. Auch im Eingang dieses Abkommens wird darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik in dem mit den Vereinigten Staaten abgeschlossenen und am 15. Dezember 1949 unterzeichneten Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit bestimmte Dinge anerkannt und durchzuführen unternommen hat. Wenn man sich also jetzt entschließt, daß die Marshallplanhilfe, die den europäischen Ländern gewährt worden ist, umgewandelt wird in eine Marshallplanhilfe für die Teile Europas, die bisher der wirtschaftlichen Entwicklung nicht in vollem Umfang haben folgen können, so ist das eine logische Weiterentwicklung, und es sollte nicht schwerfallen, die gewissen kleinen Hemmungen, die durch die bisherigen Abmachungen in bezug auf die Verwendung der Gelder und die Laufzeit von Krediten usw. noch vorhanden sind, nunmehr zu beseitigen.
Darf ich Sie abschließend zur Illustration dessen, was hier gemeint ist, an eine Anekdote aus der Bismarckschen Zeit erinnern: Bismarck steht mit zwei seiner Freunde am Fenster eines Hauses, und unten auf der Straße geschieht ein Unglück. Nun wird gesagt: der erste der Freunde machte dazu eine geistvolle Bemerkung, der zweite gab eine Empfehlung, wie dort zu helfen sei, und nur der dritte - Bismarck selbst - stürzte hinunter, um zu helfen.
Meine Damen und Herren, hier wird gebeten, daß wir nicht nur geistvolle Bemerkungen machen, daß wir nicht nur Empfehlungen geben, sondern daß wir nunmehr mit der Tat eingreifen!
({2})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter Dr. Leverkuehn.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zu der Begründung und Aussprache. Im Ältesten({0})
rat haben wir uns darüber unterhalten, wie wir verfahren wollen. Ich habe Ihnen auf Grund dieser Aussprache den Vorschlag zu machen, daß wir zunächst im Rahmen der Unterabschnitte der arabischen Ziffern, also der Ziffern 1, 2, 3, 4 und 5, diskutieren; wenn notwendig, müssen diese Unterabschnitte wieder in die besonderen Anträge aufgeteilt werden, die mit Buchstaben bezeichnet sind. Ich hoffe, daß wir einige Kapitel dennoch verbinden können, etwa die Unterabschnitte 3 und 4; vielleicht ist es sogar möglich, die Unterabschnitte 2 und 3 miteinander zu verbinden.
Meine Damen und Herren, ich gehe weiter davon aus, daß das Haus damit einverstanden ist, daß wir die Begründung und die Aussprache, soweit möglich, immer miteinander verbinden. - Ich höre keinen Widerspruch und gebe deshalb zunächst das Wort zur Begründung und gleichzeitig zur Aussprache dem Herrn Abgeordneten Professor Dr. Schmid zu der ganzen Ziffer 1.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Beratende Versammlung des Europarates am 26. Oktober des letzten Jahres ihre Entschließung 87 über eine gemeinsame europäische Politik in den künftigen Ost-West-Konferenzen faßte, stand die Genfer Außenministerkonferenz vor der Tür. Der Geist von Genf wehte durch die Staatskanzleien. Die Großen der Welt lächelten sich an. Die Menschheit faßte neue Hoffnung. Diese Konferenz hat nicht die Ergebnisse gezeitigt, die man von ihr erhofft hatte. Die Völker sind enttäuscht worden. Die großen Mächte vermochten sich nicht über die Bereinigung der Differenzen zu verständigen, die sie in so verhängnisvoller Weise trennen und sie im Kalten Krieg verharren lassen. Manch einer könnte darum denken, die in der Entschließung 87 der Beratenden Versammlung ausgesprochenen Grundsätze seien damit gegenstandslos geworden und verdienten nur, in den Papierkorb der Weltgeschichte geworfen zu werden. Dem ist aber nicht so. Die Erklärung 87 enthält ein ganzes politisches Programm, das über die jeweiligen Wechselfälle der Zeit hinaus Gültigkeit behält, bis es endlich einmal zum Friedensschluß im Kalten Krieg gekommen sein wird. Man könnte vielleicht sagen, daß es zum mindesten einige der wichtigsten Voraussetzungen einer jeden möglichen Friedenspolitik in einer Welt, die wie die unsere in zwei Blöcke aufgeteilt ist, aufstellt. In dieser Erklärung hat die Beratende Versammlung - und ich möchte betonen, daß ihr das zur Ehre gereicht - mit einer Reihe von Dogmen gebrochen, die jahrelang die Grundlage der politischen Äußerungen der Mehrheit der Beratenden Versammlung gewesen waren, als da sind der Glaube, es genüge, Europa selbst zu einer Militärmacht zu machen, um die Welt dem Frieden näherzubringen; die Vorstellung, ein engerer Zusammenschluß der europäischen Staaten einschließlich der Bundesrepublik werde mit Sicherheit durch sein bloßes Schwergewicht die Wiedervereinigung Deutschlands im Gefolge haben; die Meinung, mit der Herstellung eines besseren, eines guten Verhältnisses zwischen Deutschland und Frankreich seien die entscheidenden und letzten Hürden genommen. Ja, es fanden sich gelegentlich Stimmen, die in Straßburg uns Deutschen vorwarfen, wir seien schlechte Europäer, weil wir die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes zum obersten Ziel unserer Politik machen wollten.
Das ist nun anders geworden. Man begnügt sich jetzt in Straßburg nicht mehr mit europäischer Euphorie, man nimmt die Probleme mehr als bisher als Funktion der Fakten, man durchdenkt sie besser und nähert sich so bestimmten Vorstellungen an, von denen man früher sagte, daß sie nur verneinende Kritik enthielten. Es ist in Straßburg klargeworden - und das ist gut so -, daß das Wort, das Cavour einmal in die Geburtswehen Italiens hineinrief: „Italia farà da se - Italien wird sich selber schaffen", für Europa nicht gelten kann. Man hat erkannt, daß Europa nicht aus sich selbst heraus und durch sich allein gemacht werden kann, sondern daß es nur im Zusammenhang mit einer von allen Beteiligten anerkannten Neuordnung der Welt entstehen kann, wenn es sich nicht darauf beschränken will, eines der Heerlager im Kalten Kriege zu sein und zu bleiben - und wenn es das wollte, so wäre das ein schlimmer Entschluß. Man hat erkannt, daß eine Politik der Verschärfung der Gegensätze, der Versteifung der Positionen nicht zur Verständigung der Gegner im Kalten Weltkrieg führen kann, sondern daß nur eine Politik der Entspannung dies zu leisten vermag. Entspannung läßt sich aber nicht nur durch bloße verbale Versicherungen herbeiführen; sie ist wie jede Wendung im Bereich des Politischen nur möglich auf Grund eines Wandels der Tatsachen oder auf Grund eines Wandels in der Bewertung von Tatsachen. Diese Tatsachen müssen geschaffen werden, sie bilden sich nicht von selbst.
Die Spannungen, unter denen die Welt so bitter leidet, die ihr so teuer zu stehen kommen, sind die Folge des Mißtrauens des einen gegen den andern. Mißtrauen entsteht, wenn Staaten sich bedroht fühlen oder wenn Nationen glauben, daß man ihnen die Verwirklichung ihres Lebensinteresses unmöglich machen will. In diesem Zustand versuchen die Staaten, sich im Wettrüsten zu übertrumpfen, oder sie verschließen sich in ihrem Groll, und beides ist schlecht. Es entsteht ein Circulus vitiosus: dieses Mißtrauen erzeugt Wettrüsten, und das Wettrüsten verstärkt das Mißtrauen, und so geht es weiter.
Darum meine ich, daß die Resolution 87 recht hat, wenn sie feststellt, daß eine Politik der Entspannung wirksam nur parallel mit einer Politik der Abrüstung geführt werden könne. Entspannung und Abrüstung bedingen sich gegenseitig. Ich habe manchmal den Eindruck, daß man bei uns in Deutschland nicht genügend orientiert ist über alles, was schon im Bereich der Vereinten Nationen geschehen ist, um einer Lösung des Problems der Abrüstung näherzukommen. Der Unterausschuß, den die Vereinten Nationen eingesetzt haben, hat wirksame Arbeit geleistet. Es sind dort nicht nur unvereinbare Standpunkte einander konfrontiert worden, sondern auf manchen Gebieten des Problems ist man sich tatsächlich von beiden Seiten nähergekommen und hat man sich sogar partiell zu einigen vermocht, wenngleich auf wichtigen Gebieten dieses Problems die Einigung noch aussteht. Hier hat ein Vorschlag der britischen und der französischen Regierung einen besonderen Beitrag geleistet, und mir scheint es richtig und gerecht zu sein, daß die Resolution, von der ich spreche, diesen Regierungen einen besonderen Dank ausspricht. Man sollte hier noch einen Namen nennen, den Namen des Mannes, der für die französische Regierung in dieser Kommission die Verhandlungen führt und von dem wohl die meisten schöpfe({0})
rischen Gedanken gekommen sind, die einen Kompromiß wenigstens als möglich erscheinen lassen, den Namen Jules Moch, und man sollte diesem Manne danken.
Der Herr Bundeskanzler hat im Zusammenhang mit dem Abrüstungsproblem von der Westeuropäischen Union gesprochen und sie als eine Art Modell für eine mögliche allgemeine Rüstungsbeschränkung dargestellt. Ich weiß nicht, ob man ihm bei dieser Beurteilung unbedingt folgen muß. Ich habe Zweifel, ob wir heute in Deutschland auf dem rechten Wege sind, wenn wir jetzt, wo die Abrüstungsverhandlungen in eine entscheidende Phase treten, daran gehen, eine Bundeswehr aufzustellen, deren Mannschaftsbestand weit über das hinausgehen soll, was uns im Falle eines Abrüstungsabkommens im höchsten Falle zugestanden werden würde.
({1})
Versäumen wir denn wirklich so viel, wenn wir warten? Glaubt man, daß die paar deutschen Divisionen, die wir in den nächsten Jahren aufstellen können, wirklich etwas zu unserem und anderer Schutz beitragen können, zu einer Zeit, da zahlreiche Streitkräfte der NATO offenbar dafür verwendet werden sollen, den Einfluß des weißen Mannes im südlichen Teil des Mittelmeerbeckens aufrechtzuerhalten?
({2})
Ich glaube es nicht. Ich glaube aber, daß wir durch unser Verhalten der Sowjetunion Vorwände liefern, ohne die sie es auf der Abrüstungskonferenz und in den Verhandlungen des Unterausschusses der UNO erheblich schwerer hätte, sich den französisch-britischen Vorschlägen zu widersetzen. Ich meine auch nicht, daß der hauptsächliche Zweck der Schaffung der Westeuropäischen Union gewesen sei, Rüstungsbeschränkungen einzuführen, sondern der hauptsächliche Zweck war doch der, den bisherigen Rüstungen in Europa noch deutsche Rüstungen hinzuzufügen,
({3})
Rüstungen, die allerdings quantitativ und qualitativ beschränkt sein sollen. Aber Abrüstung war weiß Gott nicht der primäre Zweck der WEU!
Die Entschließung der Beratenden Versammlung stellt fest, daß sich die Sicherheit Europas, der Welt nicht auf der Grundlage der Teilung Europas verwirklichen lasse. Damit ist nichts anderes gesagt, als daß die Wiedervereinigung Deutschlands ein unverzichtbarer Faktor einer jeden Sicherheitspolitik sein muß.
({4})
Hier möchte ich eine Warnung aussprechen. Manche glauben, daß man mit einer konkreten Wiedervereinigungspolitik erst dann beginnen könne, wenn die Abrüstungspolitik schon zum Erfolg geführt habe. Das ist nicht richtig und wäre verhängnisvoll.
({5})
Beide Ziele müssen gleichzeitig und gemeinsam angegangen werden.
({6})
Bei der Komplexität der politischen Verhältnisse, wie sie unsere Welt heute aufweist, kann man Politik gar nicht anders treiben, als daß man auf verschiedenen Ebenen verhandelt, um dann schließlich in Parallelverhandlungen zu einer Einigung über
ein Ganzes zu kommen. Manche Erklärungen einiger französischer und auch britischer Staatsmänner, die in letzter Zeit gefallen sind, haben mich mit Sorge erfüllt. Man kann der Welt nicht laut genug zurufen: In diesen Dingen gibt es kein Nacheinander, sondern nur ein Miteinander und Nebeneinander!
({7})
Wenn die Resolution in diesem Zusammenhang von Festigkeit und Wachsamkeit spricht, so ist das zu begrüßen. Doch darf man unter Festigkeit nicht Phantasielosigkeit verstehen; man sollte darunter den Willen verstehen, sein politisches Vermögen zu immer neuen Initiativen einzusetzen. Die Wachsamkeit darf nicht die des Kettenhundes sein, sondern sollte eher der des Geburtshelfers gleichen, der sich bereit hält, dem Neuen, das entstehen will, die nötigen Hilfen zu geben.
({8})
Wir begrüßen es auch, wenn in der Resolution davon gesprochen wird, daß die europäische Solidarität nicht gelockert werden soll. Ja, wir möchten, daß sie immer mehr verstärkt werde. Aber Erhaltung und Verstärkung der europäischen Solidarität schließen doch nicht aus, daß bestehende politische Vertragssysteme durch bessere ersetzt werden, wenn sie uns eher dem Ziele zuführen können, das doch unser aller gemeinsames Ziel ist.
Wenn wir von Solidarität sprechen, sollten wir eines nicht vergessen: Demokratie verpflichtet zu Solidarität über die Grenzen hinweg. Man hat - die Herren Berichterstatter haben es getan - von den „unterentwickelten Gebieten" in Europa gesprochen. Ich mag dieses Wort „unterentwickelte Gebiete" nicht; denn im Verhältnis zu diesen Gebieten, die wir heute die „unterentwickelten" nennen, sind wir vor Jahrhunderten die „Unterentwickelten" gewesen, und wir sollten doch auch nicht vergessen, daß in diesen Gebieten die Wiege unserer europäischen Kultur gestanden hat!
({9})
Ich meine, daß es zu den Postulaten der demokratischen Solidarität in Europa gehören sollte, daß wir von uns aus alles tun, um den Völkern, die bei der ersten industriellen Revolution schlechter weggekommen sind als wir, zu helfen, sich selber weiterhelfen zu können.
({10})
Opfer, die wir hier bringen, werden reiche Früchte tragen. Warum sollte es denn nicht einen innereuropäischen Marshallplan geben können, und warum sollte dabei nicht ein Land - die Bundesrepublik- die Initiative ergreifen können? Niemand wird ihr das dahin auslegen, als wolle sie dabei eine großmannssüchtige Rolle spielen und sich als den Besten der guten Europäer hinstellen. Man wird vielleicht sogar begreifen, daß gerade wir Deutschen eine besondere Verpflichtung empfinden, in Europa anderen Europäern zu helfen, gerade wir Deutschen, in deren Namen so manchem europäischen Lande Böses angetan worden ist.
Man sollte das Problem der Hilfe für diese Gebiete nicht so sehr als ein nur ökonomisches Problem betrachten, wir sollten darin eine der großen Aufgaben und Verpflichtungen gerade des Europäertums in uns sehen. Ich werte als eine der wichtigsten Feststellungen der Resolution den Satz, daß kein Abkommen mit der Sowjetunion getroffen werden dürfe, das die Wiedervereinigung Deutsch({11})
lands nicht einbeschließt, also daß es keine Einigung der Großen auf der Grundlage des Status quo in Deutschland geben dürfe.
Konsequenterweise wird weiter festgestellt, daß die Wiedervereinigungspolitik und die Sicherheitspolitik parallel nebeneinander geführt werden müßten und daß dabei die Fortschritte in der Abrüstungspolitik ein wichtiger Beweger dieser gesamten Politik werden könnten.
In der Tat - ohne ein Sicherheitsabkommen wird es keine Wiedervereinigung geben, ohne Wiedervereinigung wird es an der wichtigsten Voraussetzung für das Zustandekommen eines allgemeinen Sicherheitsabkommens fehlen, und ohne Abrüstung kann kein Sicherheitssystem wirksam funktionieren.
({12})
Wenn man ernsthaft von Sicherheit spricht, sollte man nur Vorhaben ins Auge fassen, die dem Westen wie dem Osten die gleichen Sicherheitschancen geben. Hierzu ein allgemeines Wort. Es hat keinen Sinn, darüber zu streiten, ob sich der Osten zu Recht oder zu Unrecht bedroht fühlt. Entscheidend ist, daß er sich offenbar bedroht fühlt und sich entsprechend einrichtet. Das gleiche gilt natürlich auch für den Westen. Es ist schade, aber es ist so, daß in diesen Bereichen der Politik die Subjektivität vor der objektiven Situation den Vorrang hat. Man muß dem Rechnung tragen. Der Westen wird nicht zulassen, daß ein wiedervereinigtes Deutschland Teil eines sowjetischen Machtblockes wird, und die Sowjetunion wird nicht zulassen, daß ein wiedervereinigtes Deutschland Teil eines atlantischen Machtblockes wird, den sie als gegen sich gerichtet betrachtet.
Die Lösung kann nicht die Neutralisierung Deutschlands sein, sondern die Lösung kann nur die Schaffung eines Sicherheitssystems sein, das allen Beteiligten Sicherheit gibt und jedem Partner dieses Vertragssystems die Funktionen zuordnet, die er bei der Aufrechterhaltung der eigenen Sicherheit und der Sicherheit der anderen auszuüben hat. Dabei können diese Funktionen durchaus verschieden sein. Sie brauchen weder qualitativ noch quantitativ gleichartig zu sein.
Die Resolution spricht davon, daß ein wiedervereinigtes Deutschland die gleichen Rechte haben müsse wie alle anderen Staaten und daß kein Zwang bestehen dürfe, irgendwelchen Militärbündnissen beizutreten. Aber, meine Damen und Herren, es ist doch - leider, sage ich - sehr unwahrscheinlich, daß irgendeine Macht, die die Wiedervereinigung Deutschlands verhindern könnte, der Wiedervereinigung zustimmt, solange nicht wenigstens eine vage Einigung über den militärischen Status eines wiedervereinigten Deutschlands erfolgt ist! Auch das bedingt die Parallelität von Sicherheits- und Wiedervereinigungspolitik. Denn was notwendig ist, kann nur auf den drei Ebenen ausgemacht werden, von denen ich gesprochen habe.
Die Resolution spricht noch weiter von der besonderen Rolle, die die Großmächte bei dieser Politik spielen sollen. Die Großmächte sollen die Grundlinien dieser Politik feststellen. Ich glaube, daß es richtig ist, das auszusprechen. Denn in der Tat, seit es ein rationales politisches System in der Welt gibt, hat es immer besondere Funktionen gegeben, die nur von Staaten ausgeübt werden konnten, die entsprechende Machtmittel zur Verfügung hatten - das sind die Großmächte -, dieanderen Staaten hatten Geschichte mehr oder weniger zu erleiden. Aber die Resolution fährt fort, daß bei der endgültigen Einigung die Zustimmung aller Beteiligten herbeizuführen sei.
Man sollte nicht glauben, die Resolution meine, daß den Nicht-Großmächten nichts anderes übrigbleibe als passives Verhalten. Die Nicht-Großmächte können in diesem Prozeß durchaus etwas tun. Sie können dabei eine sehr wichtige Rolle spielen. Sie können nämlich durch die ihnen mögliche Politik, die Politik der Großmächte in Bewegung und in die richtige Richtung bringen. Diese Aufgabe und Möglichkeit sollte man in der Bundesrepublik nicht übersehen. Die Bundesregierung, die Bundesrepublik hat die Möglichkeit, auf die Politik der Großmächte Einfluß zu nehmen; sie kann ihre Richtung zum mindesten mit bestimmen.
Diese Sätze sind der wesentliche Inhalt der Resolution, der zuzustimmen wir Sie bitten. Diese Resolution ist geboren aus der Erkenntnis, daß es im Feld der großen Politik im Grunde keine Einzelprobleme gibt, die für sich allein und aus sich allein heraus gelöst werden könnten, sondern daß alle diese Dinge im Verhältnis kommunizierender Röhren zueinander stehen und daß alle „Spaltungen" in der Welt, die Spaltung Deutschlands, Koreas, Indochinas und anderswo nichts anderes sind als Erscheinungsformen des Kalten Krieges; daß die Positionen, die die Mächte darin einnehmen, strategische Positionen sind und daß keine Macht eine strategische Position räumt, solange dieser Kalte Krieg dauert. Deswegen ist das primäre aller Ziele, ohne dessen Erreichung wahrscheinlich keines dieser brennenden Probleme wird voll gelöst werden können, der Friedensschluß im Kalten Krieg.
Das setzt voraus, daß man zunächst einmal feststellt, was sich denn in der Welt seit einem Jahrzehnt geändert hat, und es setzt voraus, daß man den Mut hat, die Völker zu befragen, welche Inhalte und welche Formen sie ihrer nationalen Existenz geben wollen, mit anderen Worten, daß man den Völkern freie Wahlen gestattet.
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Dafür muß eine allgemein anerkannte Ordnung gefunden werden, und diese Ordnung muß gesichert werden durch ein System kollektiver Sicherheit, das ohne Abrüstung nicht funktionieren kann; ich habe schon ausgeführt, warum. Hier kann man ernsthaft nur verhandeln, wenn man bereit ist, in die Verhandlung gerade die Dinge hineinzunehmen, die den Konflikt schaffen und die Trennung herbeiführen. Es hat keinen Sinn, zu verhandeln, wenn man gerade das, was den Konflikt aufrechterhält, aus den Verhandlungen heraushält.
Eines soll hier in aller Deutlichkeit ausgesprochen werden: Die Schaffung der Voraussetzungen für die Wiedervereinigung Deutschlands ist nicht die Sache der Regierungen in Bonn und in der sowjetischen Zone, sondern ist Sache der Mächte, die die Spaltung Deutschlands verursacht haben und aufrechterhalten. Aus dieser Verantwortung können sie sich nicht selber entlassen, auch nicht dadurch, daß sie Souveränitäten verleihen, mit denen die Völker nichts zu tun haben.
({14})
Was die Abrüstung so schwierig macht, ist der Umstand, daß der Mensch neue Energiequellen erschlossen hat, Energiequellen, die er zu Waffen
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umzubilden vermag. Deswegen ist es richtig und zu begrüßen, daß die Beratende Versammlung des Europarates in ihrer Entschließung 89 sich zu dem Problem der Organisation der Herstellung atomarer Energie geäußert hat. In dieser Resolution wird auch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes empfohlen. Darin ist der Erkenntnis Ausdruck gegeben, daß eine optimale Ausweitung der europäischen Wirtschaft nur möglich ist durch ein gemeinsames Vorgehen auf dem neuen Gebiet, das allen Staaten die Möglichkeit gibt, die atomare Energie für industrielle Bestrebungen zu nutzen. Außerdem empfiehlt diese Resolution die Errichtung einer europäischen Energiekommission und bezeichnet deren Errichtung als dringlich.
Auf der Grundlage dieser Resolution haben sich im Januar dieses Jahres politisch verantwortliche Männer aus einer Reihe europäischer Länder versammelt. Sie haben auf die Initiative Jean Monnets hin das Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa gebildet, und sie haben am 18. Januar dieses Jahres einstimmig eine Resolution beschlossen. Fünf Fraktionen dieses Hauses empfehlen Ihnen, meine Damen und Herren, dieser Resolution durch Ihren Beschluß Ihre Zustimmung zu geben und die Bundesregierung zu ersuchen, entsprechend zu handeln.
Diese Resolution will ein Aktionsprogramm für die Staaten Europas schaffen, damit Europa in der zweiten industriellen Revolution, die nunmehr über unseren Kontinent kommt, nicht verliert, damit es nicht industrieller Hinterwald wird, damit nicht ein sinnloser Wettbewerb zu bösen Fehlleistungen führt, damit keine neuen Gründerjahre mit allen politischen, ökonomischen und sozialen Schäden entstehen, die in solchen wildwuchernden Gründerjahren aufzutreten pflegen.
Der wesentliche Inhalt dieser Resolution ist: Es sollen Anlagen zur Erzeugung atomarer Energie nur geschaffen werden, um atomare Energie ausschließlich für friedliche Zwecke und in keinem Falle für kriegerische Zwecke auszunutzen.
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Damit ist freilich der territoriale Anwendungsraum beschränkt. Es gibt in Europa Staaten, die nicht bereit sind, darauf zu verzichten, Atomwaffen herzustellen. Diese Staaten werden nicht ordentliche Mitglieder der zu schaffenden Euratom-Organisation werden können.
Jüngst hat es in Brüssel auf einer anderen Konferenz Meinungsverschiedenheiten gegeben, so daß es dort nicht zu einer einstimmigen Annahme der Pariser Resolution gekommen ist. Es wurde geltend gemacht, der Verzicht auf militärische Verwendung der atomaren Energie bedeute eine Art von Entmannung Europas. Ich glaube nicht, daß das der Fall ist. Ich glaube, daß der Verzicht auf militärische Ausnutzung der atomaren Energie einen wesentlichen Beitrag für die Entspannung der politischen Atmosphäre in der Welt leisten wird!
({17})
Ich bin der Meinung, daß dieser Verzicht ein sehr wirksames Mittel wäre, um etwas von dem Mißtrauen abzubauen, das alle Dinge auf dieser Welt vergiftet. Und ich glaube an den Nutzen eines Bekenntnisses, daß nicht alles, was für den Krieg tauglich ist, auch für den Krieg bereitgestellt werden muß! Wenn Europa selber atomare Waffen herstellt, wird die eine oder die andere der
sagen wir - „ursprünglichen" Atommächte darin vielleicht eine Bedrohung des bisherigen Gleichgewichts fürchten. Wer weiß, welche Maßnahmen sie dann treffen wird! Ich glaube, daß es von entscheidender Bedeutung für die politische Entspannung ist, daß gerade wir Europäer erklären, die atomare Energie ausschließlich für friedliche Zwecke nutzen zu wollen.
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Die Resolution sieht weiter vor, daß eine Europäische Kommission für die Atomenergie errichtet werden soll, eine Kommission, die nicht nur ein Koordinationsorgan sein soll, sondern eigene Befugnisse haben und sich auf ein gemeinsames Mandat stützen können soll. Der Grund für die Errichtung dieser Kommission liegt nicht etwa in einer Art von dirigistischem Fanatismus der Urheber der Resolution von Paris. Der Grund ist ein anderer. Man will eine solche Kommission schaffen, weil die Erfahrung böser Jahrzehnte gezeigt hat, daß im Bereich lebenswichtiger Schlüsselindustrien mit Monopolcharakter eine wirksame Kontrolle nur durch Übertragung der Verfügungsgewalt auf parlamentarisch kontrollierte Organe möglich ist. Das ist der entscheidende Sinn des Verlangens, die Kommission zu errichten.
Zum Zwecke der Kontrolle soll diese Kommission alle Kernbrennstoffe in den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Vertragspartner fallen, erwerben können. Unter die Zuständigkeit der Vertragspartner fallen auch ihre Kolonien und ihre überseeischen Mandatsgebiete. Die Kommission soll das Eigentum an diesen Kernbrennstoffen auf jeder Stufe der Verantwortung behalten, und sie soll sie an die Verbraucher ohne irgendwelchen Unterschied verteilen. Außerdem soll sie das Recht haben, die Lizenz für die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung atomarer Energie zu vergeben.
Das dritte Anliegen der Resolution ist, daß eine echte parlamentarische Kontrolle errichtet werden soll, eine internationale parlamentarische Kontrolle, ausgeübt durch eine Gemeinsame Versammlung, die echte parlamentarische Kompetenzen haben soll. Neben ihr soll ein Ministerrat und neben diesem ein Beratender Ausschuß stehen.
Diese neue Gemeinschaft will sich nicht abschließen, sie will die Tür für jeden offenhalten, der sich ihr anschließen will. Staaten, die, weil sie atomare Energie auch für militärische Zwecke gebrauchen wollen - die also deswegen nicht ordentliche Mitglieder werden können -, sollen die Möglichkeit haben, sich der neuen Gemeinschaft zu assoziieren.
Weiter soll diese Kommission alleiniger Vertragspartner sein, wenn mit dritten Ländern Verträge über den Erwerb von Kernbrennstoffen abgeschlossen werden sollen. Das bedeutet - und das muß man sich ganz klarmachen -, daß kein Staat und keine nationale Industriegruppe mehr Kernbrennstoffe für sich allein wird erwerben können.
Man sollte den Text der Resolution ernst nehmen. Man sollte die Worte so nehmen, wie sie gemeint sind, und sollte nicht meinen, sie interpretieren zu müssen. Es ist ganz offensichtlich so, daß die Urheber der Erklärung wollten, daß die Kommission ein Monopol auf Bestimmung der Verfügungsrechte über die Kernbrennstoffe haben soll. Man hat geglaubt, daß damit ein gefährlicher Einbruch in das Prinzip des Privateigentums erfolge. Ich glaube, daß man so ein Scheinproblem
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aufstellt. Herr René Mayer, der Präsident der Hohen Behörde der Montanunion, hat in seiner Rede vom 16. März dieses Jahres sich ähnlich geäußert. Es hat doch noch immer in der Rechtsgeschichte Dinge gegeben, die nicht in den allgemeinen Verkehr gegeben wurden, die res extra commercium. Warum sollte dann nicht eine so gefährliche Materie, wie es die Kernbrennstoffe sind, zu einer Sache erklärt werden, die nicht dem allgemeinen Warenverkehr zur Verfügung steht, sondern nur unter Kontrolle dafür zuständiger Organe verwandt und weitergegeben werden kann?
Fünf Fraktionen des Hauses ersuchen die Bundesregierung, mit den in Frage kommenden Regierungen Verhandlungen auf der Grundlage der Erklärung des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa vom 18. Januar 1956 zu führen und dafür zu sorgen, daß die Voraussetzungen geschaffen werden, daß möglichst viele europäische Staaten unter Annahme dieser Prinzipien sich zu der Gemeinschaft „Euratom" zusammenschließen.
Gleichzeitig ist in dieser Resolution der Wunsch ausgesprochen, daß ein europäischer Markt gebildet werden solle. Hier möchte ich warnend sagen: die Schaffung des Gemeinsamen Marktes soll nicht die Voraussetzung für die Einrichtung von „Euratom" sein. „Euratom" soll nach der Resolution, die die Grundlage unserer Anträge ist, auf jeden Fall geschaffen werden. Hoffen wir, daß es dann den Gemeinsamen Markt nach sich ziehen wird.
Es wurde davon gesprochen, daß heute eine entscheidende Sitzung unseres Parlaments stattfinde; es wurde darauf hingewiesen, daß die Europaflagge aufgezogen worden ist. Ich möchte das als ein Sinnbild dafür deuten, daß wir uns klar darüber sind, daß Europa nur in unseren Parlamenten geschaffen werden kann, geschaffen auf der Grundlage frei gefaßter Entscheidungen der frei gewählten Vertretungen der freien Nationen dieses Kontinents.
Wir Sozialdemokraten sind zu Beginn dem Europarat mißtrauisch gegenübergetreten. Es hat uns nicht gefallen, daß man mit uns zusammen offenbar das Saargebiet als selbständigen Staat in die Völkergemeinschaft einschmuggeln wollte. Es hat uns auch nicht gefallen, daß man zu allererst von militärischen Dingen gesprochen hat, als wir nach Straßburg gehen sollten. Aber es hat sich in Straßburg einiges geändert. Es herrscht dort heute ein realistischerer Geist, ein offenerer Geist als in dem Jahre, da man uns aufgefordert hat, dem Europarat beizutreten. Mit vielem, das in den letzten Jahren geschaffen wurde, ist man aus dem Bereich der Illusionen und der Dogmen herausgetreten, ist man auch herausgetreten aus dem Bereich der Deklamationen.
Mit der Annahme der Resolutionen, die uns vorgelegt worden sind, verlassen wir das bloße Projekteschmieden und machen wir uns ans Bauen, ans Bauen nicht mit Stoffen, die uns in den Händen zerrinnen könnten, nein, diesmal mit Stoffen, die fest genug sind, das Fundament für Europa zu mauern. Und hier sollten wir alle zufassen!
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Einbringung und Begründung der Anträge unter Ziffer 1 gehört. Gleichzeitig haben wir damit die Beratung verbunden.
Ich gebe nun das Wort für den Tagesordnungspunkt 1 a dem Herrn Abgeordneten Kiesinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat dem Kollegen Professor Schmid das Wort zu gleicher Zeit zur Begründung und zur Aussprache gegeben. Es ist etwas ungewöhnlich. Ich habe keinen Grund, die Maßnahme des Herrn Präsidenten zu kritisieren; ich möchte nur, um Mißverständnisse zu vermeiden, und bei allem Respekt für die Begründung, die der Herr Kollege Schmid gegeben hat, annehmen, daß diese Begründung doch wohl nur in seinem Namen und im Namen seiner Fraktion abgegeben wurde, so daß das, was ich nun zu sagen habe, etwas Ähnliches in meiner Position darstellen wird.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Das ist ganz sinngemäß und richtig. Wenn wir schon ein so ungewöhnliches Verfahren einschlagen - das aber in Anbetracht der Fülle von 28 Anträgen und Gesetzentwürfen notwendig geworden ist -, dann muß natürlich das, was dem einen recht ist, dem andern billig sein. Insofern bestehen ganz sicher von seiten des Hauses keine Bedenken dagegen, wenn der Herr Abgeordnete Kiesinger seinerseits etwas zur Begründung der Anträge sagt.
Bitte, fahren Sie fort!
Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahren in Europa so viele Motionen, Resolutionen, europäische Werktags- und Sonntagsreden zu hören bekommen, daß jeder Politiker, der auf seinen guten Ruf achtet, sich vorsieht, nicht in den Fehler zu verfallen, die plätschernde Flut permanenter europäischer Beredsamkeit fortzusetzen. Es gibt immer noch hochgemute Leute, die glauben - wie etwa Herr Spinelli -, man könne durch einen Sturm - wie er sich ausdrückte - „des europäischen Volkes auf die Bastionen der Nationalstaaten" die europäische Sache weitertragen. Ich will Herrn Spinelli nicht korrigieren; aber ich glaube doch, daß es besser ist, das Problem nüchtern zu sehen und erst einmal dafür zu sorgen, daß die europäischen Völker - den s i e gibt es und leider noch kein europäisches Volk - sich für die europäische Sache bereit machen. Gewiß, es gibt auf der anderen Seite auch jene „Realisten" - wie sie sich nennen -, die es immer gegeben hat, wenn etwas Großes und Neues begann, jene „Realisten", die, als das Eisenbahnwesen in Europa sich ausbreiten wollte, ausrechneten, daß das eine Angelegenheit sei, die niemals zu Ende gedeihen könne, jene „Realisten", die dem Plan einer deutschen Zollunion entgegengehalten haben, so etwas lasse sich nicht realisieren. Friedrich List, der im vergangenen Jahrhundert gegen sie das Wort gesprochen hat vom Mautner. vom Zöllner, der der schlimmste Feind der Deutschen sei, hat recht behalten. Wir könnten sein Wort heute auf Europa übertragen und sauen, der Mautner. der Zöllner - nichts gegen unsere braven Zollbeamten selbst! - sei der schlimmste Feind der Europäer.
Wir haben ein Bündel von Drucksachen vorliegen, die heute von diesem Hohen Hause entschieden werden sollen. Zu diesem Bündel, das eine außerordentlich wertvolle Arbeit von Mitgliedern der Beratenden Versammlung des Europarates
({0})
darstellt, hat sich die Drucksache 2151 gesellt, die uns, wohl etwas unversehens, in eine kleine außenpolitische und gesamtdeutsche Debatte hineingeleitet hat. Aber da nun einmal diese Drucksache mit dabei war, mußte man ja auch zu ihr Stellung nehmen, und es war nicht zu verwundern, daß der Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion seine Interpretation der Billigung der Entschließung 87 der Beratenden Versammlung des Europarates über eine gemeinsame europäische Politik in den künftigen Ost-West-Konferenzen dargelegt hat. Soweit er Gedanken ausgesprochen hat, die gemeinsam sind, will ich nichts wiederholen. Ich werde also im wesentlichen versuchen, zu den Punkten Stellung zu nehmen, die er besonders hervorgehoben hat und in denen ich in der Beurteilung von ihm abweiche. Ich darf darauf hinweisen, daß es sich dabei keineswegs nur um das allgemeine Problem der Ost-West-Beziehungen handelt, und greife den Satz der Entschließung heraus, der sagt:
Die Versammlung ist der Auffassung, daß die Verwirklichung eines vereinigten Europas mehr denn je eine Notwendigkeit ist.
Darum geht es uns auch heute, und zwar gerade mit unseren konkreten und manchmal trockenen und nüchternen Anträgen.
Nun haben wir in den letzten Jahren in der Verwirklichung eines vereinigten Europas mancherlei Enttäuschungen - ich sagte es schon - und Rückschläge erlebt. Der Ausdruck schon: „Verwirklichung eines vereinigten Europas", wird ja von den Mitgliedern der Beratenden Versammlung des Europarats und wird in den einzelnen europäischen Ländern sehr verschieden interpretiert. Das ist nun einmal nicht anders; die Ansichten gehen auseinander, und man muß sich in einer Formel zusammenfinden. Ich will nicht verschweigen, daß meine politischen Freunde in dieser Formel nach wie vor das sehen, was wir immer gesehen haben, nämlich die Herbeiführung einer so engen Vereinigung und Verbindung der europäischen Staaten, daß man eines Tages wirklich von den vereinigten Staaten von Europa sprechen kann.
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Man muß das einmal wieder deutlich sagen; denn es ist so gefährlich, unter dem Ausdruck „Vereinigtes Europa" ganz einfach alles verstehen zu können, ja sogar, daß man ein vereinigtes Europa in Wahrheit nicht will. Es gibt in der Tat manche Leute in Europa, die diese Formel im Munde führen und trotzdem das vereinigte Europa nicht wollen.
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- Herr Mommer, Ihnen brauche ich das nicht zu erzählen.
Wir haben Rückschläge auf dem Gebiete des Versuches einer militärischen Integration Westeuropas erlebt, aber auch bei dem Versuch, eine politische Gemeinschaft zu bilden. Die derzeitigen Anstrengungen konzentrieren sich nunmehr auf eine wirtschaftliche Integration, wenn dieses Wort auch manchmal lieber nicht gebraucht wird, um Leute, die gegenüber dem Begriff Integration allzu empfindlich geworden sind, nicht abzuschrekken. Wenn wir also das Wort Integration auf das, was in Brüssel beraten und beschlosseen worden ist, auch nicht anwenden wollen, so lassen wir doch keinen Zweifel darüber, daß wir auch hier eine europäische Verbindung erstreben, die so eng wie nur irgend möglich ist.
Wir haben uns in dieser Sache die Aufgaben geteilt. Zu dem Problem „Gemeinsamer Markt und Euratom" wird nachher mein Kollege Professor Furler Stellung nehmen, der ja der Vorsitzende des Politischen Ausschusses der Gemeinsamen Versammlung der Montanunion ist und die Dinge dort eingehend mitberaten hat.
Man begegnet häufig in Europa dem Vorwurf: Ihr Anhänger einer besonders engen europäischen Vereinigung bemüht euch gar nicht um Argumente; für euch ist das Wort Integration selbst ein Argument. Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, daß das nicht stimmt, und ich muß der Gegenseite, die diesen Vorwurf gelegentlich erhebt, einen andern Vorwurf machen, nämlich den, daß, wenn man sich gelegentlich gegen die europäische Integration ausspricht, die Gründe für diese Gegnerschaft sehr viel spärlicher ausgebreitet werden, als wir unsere Gründe für die Integration darlegen. In einem Gespräch mit englischen Kollegen haben diese mir jüngst freimütig zugestanden, wenn man etwa von Großbritannien aus gegen den Gemeinsamen Markt Stellung nehme, dann müsse man andererseits zugeben, daß man sich in Großbritannien noch nicht sehr viele Gedanken darüber gemacht habe, warum man eigentlich dagegen Stellung nehme und welches die guten Gründe für diese ablehnende Stellungnahme seien. Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn in der kommenden europäischen Diskussion über den Gemeinsamen Markt derartige Argumentationen nachgeliefert würden.
Für die Notwendigkeit des europäischen Zusammenschlusses heute noch einmal die Gründe zu wiederholen, ist wirklich überflüssig. Aber ich möchte doch betonen, daß seit der Genfer Konferenz, zu der die Entschließung 87 der Beratenden Versammlung des Europarats gefaßt worden ist, wiederum einiges geschehen ist. Ich bin mit Professor Schmid durchaus der Meinung, daß wir hier nicht zu einem in der Vergangenheit liegenden Faktum noch nachträglich unser Ja sagen, sondern daß diese Entschließung nicht überholt ist. Sie gilt weiter, und zwar so, daß wir sie zusammen sehen müssen mit den Ereignissen, die inzwischen stattgefunden haben. Oder bezweifelt jemand in diesem Hause, daß uns die Ereignisse seit Genf keinen Anlaß geben, die Dinge optimistischer zu betrachten, als es in der Resolution 87 geschehen ist, ja daß das Wort, der europäische Zusammenschluß sei notwendiger denn je, heute, in dieser Stunde, noch mehr gilt als damals in den Tagen von Genf?
Wir haben in der Zwischenzeit das Schauspiel des 20. Parteitages der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gesehen. Wir haben große programmatische Erklärungen der Führer der Sowjetunion gehört, darunter vor allen Dingen auch die beiden Versicherungen, daß es zwar die Möglichkeit der friedlichen Koexistenz, wie sie in den vergangenen Monaten immer wieder verkündet worden ist, gebe, daß man aber überzeugt sei, daß sich die Weltrevolution durchsetzen werde und daß es vor allen Dingen keinerlei ideologische Koexistenz gebe, d. h. daß man sich zur Durchsetzung der Weltrevolution des ideologischen und propagandistischen Kampfes bedienen werde. Das läßt
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die Mahnung zur europäischen Einigung durch die Repräsentanten der gesamten europäischen öffentlichen Meinung noch bedeutsamer erscheinen als im vergangenen Jahr.
Professor Schmid hat gemeint, diese Entschließung zeige einen Wandel des Denkens in der Beratenden Versammlung des Europarats an; man habe dort mit früheren Dogmen gebrochen, die etwa den Inhalt gehabt hätten, es genüge, Europa zu bauen, um der Probleme Herr zu werden, es genüge, Europa aufzurüsten, um dadurch ein Schwergewicht zu schaffen, dessen Druck die uns quälenden Probleme zur Lösung drängen werde, und dergleichen mehr. Ich glaube nicht, Herr Kollege Schmid, daß Sie mit dieser Interpretation recht haben. Wenn man die Arbeit der Beratenden Versammlung des Europarats in den vergangenen Jahren unvoreingenommen betrachtet, läßt sich selbstverständlich eine Entwicklung feststellen. Aber diese Entwicklung erklärt sich ganz einfach daraus, daß die Zeit vorangeschritten ist und daß sie neue Probleme gestellt hat. In der Grundhaltung stellt die Entschließung eine ganz logische und konsequente Entwicklung des politischen Denkens der öffentlichen Meinung Europas dar. Nach meiner Auffassung hat kein Bruch mit veralteten Dogmen stattgefunden. Deswegen glaube ich auch, Ihre Bemerkungen darüber, daß nunmehr ein realistischerer Geist im Europarat eingekehrt sei und daß man infolgedessen das alte Mißtrauen, das die sozialdemokratische Fraktion dem Europarat gegenüber gezeigt habe, nun nicht mehr zu zeigen brauche, auf meine Weise verstehen zu dürfen. Man hätte vielleicht auch sagen können: Ihr von der CDU und von den anderen Parteien habt seinerzeit stürmisch unseren Eintritt in die Beratende Versammlung des Europarates gefordert, wir waren dagegen; inzwischen haben wir eingesehen, daß wir unrecht hatten.
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- Nun ja, Sie müssen mir erlauben, die Dinge von der andern Seite zu sehen. Aber darüber will ich gar nicht mehr lange streiten, sondern ich will Ihnen ganz einfach meine Freude darüber ausdrücken, daß die Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Europarat und bei anderen europäischen Unternehmungen nun da ist.
Meine Damen und Herren, ich muß ein Wort zum Problem der Sicherheit sagen und zu all dem, was damit zusammenhängt. Aus den Worten von Professor Carlo Schmid klang so ein wenig heraus, als ob in der wichtigen Resolution 87 eine Änderung der politischen Grundstimmung der Beratenden Versammlung des Europarats zum Problem der Sicherheit herausgelesen werden könnte, eine Änderung - so war es doch wohl gemeint - in Richtung auf die von der sozialdemokratischen Fraktion seit langem vertretene politische Konzeption. Auch das kann ich nicht billigen. Ich glaube nicht, daß die Resolution, so vorsichtig sie in einzelnen Sätzen natürlich gehalten sein mußte, diesen Sinn hat. Sie sagt an einer Stelle ausdrücklich:
Eine gemeinsame versöhnliche, jedoch feste und wachsame Haltung der demokratischen Staaten ist unbedingt erforderlich, um dieses Ziel
- nämlich die Entspannung und die Sicherheit für alle zu erreichen. Die Wachsamkeit muß in einer fortdauernden Festigung der europäischen Solidarität zum Ausdruck kommen. Sollte sie dagegen auf Kosten einer gelockerten europäischen Solidarität erreicht werden, so wäre zu befürchten, daß die Entspannung nicht von Bestand ist und zu einer Verschlimmerung der Lage führt.
Meine Damen und Herren, diese europäische Solidarität ist nun aber unteilbar. Es gibt nicht getrennte Solidaritäten, etwa auf wirtschaftlichem oder kulturellem Gebiet, es gibt eben auch - und gerade da - eine Solidarität in all jenen Dingen, die zur Verteidigung Westeuropas gegenüber der großen Bedrohung unserer Zeit erforderlich sind.
Ich will nicht mehr auf die hundertmal wiederholten Argumente und Gegenargumente zu diesem Thema eingehen, weil wir heute eine solche Debatte nicht führen wollen. Selbstverständlich ist es uns um Abrüstung zu tun. Selbstverständlich geht es uns um Entspannung, weil wir ganz genau wissen, daß es ohne das zu einer Einigung nicht kommen wird und daß wir ohne das schließlich auch nicht die Lösung unseres wichtigsten deutschen Problems erreichen werden. Aber es ist ein irreführendes Argument, wenn man glaubt sagen zu müssen, eine Politik, die sich der allgemeinen Tendenz zur Weltabrüstung anschließt, könne nicht zu gleicher Zeit in Erfüllung der Verpflichtungen, die wir in den Pariser Verträgen übernommen haben, dafür eintreten, daß in Deutschland ein Heer aufgestellt wird. Das ist nur ein scheinbarer, bei oberflächlicher Betrachtung sich ergebender Widerspruch.
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Nach wie vor besteht ja für uns das Problem, nicht nur uns selbst zu verteidigen, sondern im Rahmen der vertraglichen Verpflichtungen, vor allen Dingen im Rahmen der Westeuropäischen Union und in Verbindung mit der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft, jene Pflicht und Schuldigkeit. die uns als deutschen Politikern obliegt, zu erfüllen und dafür zu sorgen, daß die Freiheit unseres Vaterlandes und Westeuropas nicht bedroht werden kann.
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Professor Carlo Schmid sagte. der Osten fühle sich nun einmal bedroht. der Westen natürlich mich. In einem gewissen Sinne ist das richtig, obwohl gerade die Kundgebungen auf. dem 20 Parteikongreß der Kommunistischen Partei der Sowietunion nicht sehr viel von einem Gefühl des Bedrobtseins gezeigt haben. Das Problem der allgemeinen Abrüstung und der damit in Zusammenhang stehenden Entspannung muß verfolgt werden. Aber glaubt jemand in diesem Hanse. daß trotz gewisser Erfolge. die sich anbahnen könnten, dieses Problem so bald und in so kurzer Zeit gelöst werden könnte. daß Westeuropa es sich leisten könnte, schutz- und schildlos zu bleiben? Das wäre ein furchtbarer. ein lebensgefährlicher Irrtum.
Herr Kollege Schmid. es ist eine Vermutung von Ihnen, die. glaube ich. durch keinerlei Fakten gectiitzt wird. daß. wenn es zu einem Abrüstungsübereinkommen käme, notwendig die Zahl der der Bundesrepublik zugestandenen Truppen verringert werden müßte.
({7}) - Bitte!
Herr Kollege Kiesinger, ist Ihnen nicht bekannt, daß man sich in dem Unterausschuß der NATO auf folgende Ziffern geeinigt hat: die ganz großen Staaten 1,5 Millionen Soldaten, Frankreich und England 650 000, die übrigen Staaten, darunter auch Deutschland - ein wiedervereinigtes Deutschland nota bene -, maximal 200 000?
Ich glaube nicht, daß das eine feste Einigung ist, Herr Kollege Schmid.
Auf diese Zahlen hat man sich geeinigt; sie werden publiziert.
Eine Einigung, die sich bei einem endgültigen Abrüstungsakkord herausstellen sollte. Wenn in diesem Unterausschuß wirklich eine solche Einigung zustande kommen sollte - ich kann Ihnen tatsächlich im Augenblick nicht sagen, ob eine solche vorliegt -, dann ist weiterhin nicht gesagt, daß bei einer endgültigen globalen Bereinigung des Problems notwendigerweise die Zahl der Truppen der Bundesrepublik derart reduziert werden wird. Es gibt aber auch noch ein anderes Argument, nämlich das Argument, daß drüben in der sogenannten DDR, wenn ich recht unterrichtet bin, bereits etwa 300 000 Bewaffnete stehen. Davon wird leider nur allzu selten gesprochen.
Wir können das Problem der Abrüstung gewiß nicht behandeln, ohne dabei, wie es geschehen ist, des Problems der Wiedervereinigung zu gedenken. Was Professor Schmid darüber gesagt hat, kann ich zum großen Teil unterstützen. Es ist tatsächlich so, daß das Problem der Wiedervereinigung I nicht getrennt von den großen europäischen Problemen behandelt werden kann, weil es zu den großen europäischen Problemen selbst gehört. Es darf also unter keinen Umständen in die Schublade geschoben werden, und gerade deswegen sind wir besonders dankbar, daß die Entschließung 87 auf diesen Gesichtspunkt mit solchem Nachdruck hingewiesen hat.
Wir haben - das gehört ja auch zur Frage der Entwicklung der Dinge - den jüngsten Briefwechsel zwischen dem sowjetischen Ministerpräsidenten Marschall Bulganin und Präsident Eisenhower zur Kenntnis genommen und sind dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Nordamerika außerordentlich dankbar dafür, daß er in seiner Antwort auf das Schreiben des Marschalls Bulganin sofort darauf hingewiesen hat, daß er sich eine Lösung der großen Probleme ohne das sofortige Anpacken des Problems der deutschen Wiedervereinigung in Freiheit nicht denken könne. Herr Kollege Mommer hat vollkommen recht gehabt, wenn er darauf hinwies, daß diese großen Probleme, die uns noch lange, leider noch sehr lange beschäftigen werden, uns nicht daran hindern dürfen, andere Probleme, die früher gelöst werden können, anzupacken und zu lösen. Ich stimme in diesem Punkte vollkommen mit ihm überein und bin ihm persönlich auch für die Initiativen, die er auf diesem Gebiete ergriffen hat, herzlich dankbar. Wir müssen tatsächlich den Weg gehen, dann, wenn in den europäischen Gesprächen die großen europäischen Probleme nicht recht vorwärtskommen, über die Möglichkeiten, die wir haben, d. h. über die Entscheidungsmöglichkeiten unseres Parlaments - und andere mögen es uns dann nachtun; wir wären sogar froh, wenn sie es uns vormachten -, die praktischen Regelungen zu treffen, die heute schon zu einer Überwindung der nationalstaatlichen Barrieren Europas führen können.
Ich habe bei einer anderen Gelegenheit in diesem Hause jener großartigen und zugleich düsteren Prophetie Alexis de Tocquevilles gedacht, in der er über Rußland und die Vereinigten Staaten von Amerika schon im Jahre 1835 sagte: Der Ursprung dieser Länder ist verschieden wie ihre Wege, und doch scheint jedes von ihnen nach einem geheimen Plan der Vorsehung berufen zu sein, eines Tages in seinen Händen die Geschicke der halben Welt zu halten. - Heute, nach so langer Zeit, läuft uns bei dieser Prophetie eine leichte Gänsehaut über den Rücken. Aber, meine Damen und Herren, wir bekennen uns nicht zu dem Fatalismus, daß dies so sein müsse. So gewaltig die Riesenmächte um uns herum herangewachsen sind und so gewaltig neue Riesenmächte in anderen Gegenden unseres Planeten in den kommenden Jahrzehnten erstarken werden, so sicher ist es, daß es in unsere Hände gegeben ist, dieses Europa, von dem einmal die Prägung unseres Planeten ausgegangen ist, durch Zusammenfassung aller seiner Kräfte wiederum in eine Position unserer Welt zu rücken, die der Ehre und dem Ruhm seines alten Namens, der Intelligenz und Kultur seiner Bevölkerung würdig ist. Diesem großen Ziele dient auch der verhältnismäßig bescheidene, aber konkrete Beitrag, den wir hier heute leisten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Freien Demokraten brauchen ein europäisches Alibi nicht zu beweisen. Sie haben von jeher im Europarat, in der Westeuropäischen Union, in der Montanunion und auch in den Verfassungsausschüssen, die die europäische Verfassung hatten schaffen sollen, mitgearbeitet. In der außenpolitischen Debatte vom 2. Dezember vergangenen Jahres habe ich namens der Freien Demokraten deren Standpunkt gerade zur Europafrage dargetan. Ich brauche deshalb heute nicht sehr viel darüber zu sagen.
Wir werden nach wie vor mit Hingabe, aber mit dem durch die Ereignisse der letzten Jahre - Ablehnung der EVG und Zurücktreten des Enthusiasmus für Europa - nun gebotenen Realismus - Herr Kiesinger wird den Realismus richtig verstehen; er beruht auf Erfahrung und nicht auf Voreingenommenheit - unser Ziel weiterverfolgen.
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Ich bin überzeugt, daß gerade in der deutschen Jugend manche glauben, es gehe nicht schnell genug mit der europäischen Einigung. Denen möchte ich wie schon so manchmal zurufen, daß sie sich an das Beispiel und die Entwicklung anderer Staaten halten möchten. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind auch nicht von heute auf morgen geworden, und bis aus den vier Waldstätten der Schweiz die große jetzige Eidgenossenschaft der Schweiz entstanden ist, ging viele Zeit hin. Bis das Königreich Italien sich im 19. Jahrhundert gefunden hat, dauerte es seine Zeit, und auch in unserem deutschen Vaterland hat es im 19. Jahrhundert von jenem ersten Auftreten deutscher Studenten auf der Wartburg im Jahre 1817 bis
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zum Jahre 1871, als das Reich entstand, seine Zeit gedauert. Die Entwicklung ging über Höhen und durch Tiefen, und wir erreichten doch unser Ziel. Geduld und Ausdauer werden hier nötig sein.
Nun zu der uns vorliegenden Drucksache Nr. 87 des Europarates noch zwei kurze Bemerkungen, auf die ich mich beschränken möchte. Wenn wir bei internationalen Zusammenkünften sind, dann haben wir trotz aller Verständnisbereitschaft, die wir bei unseren Gesprächspartnern finden, sehr oft das Gefühl, daß im Hintergrund doch immer noch die Erinnerung an die letzten beiden Weltkriege steht. Es ist ja natürlich, daß Narben schmerzen, und trotzdem werden wir Deutschen immer darauf verweisen dürfen, daß wir trotz dieser Erfahrung, die die Welt mit uns gemacht hat, als Volk absolut friedfertig sind und nichts sehnlicher als den Frieden wünschen.
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Der zweite Weltkrieg geht formell auf Konto Deutschland, aber tatsächlich nur auf das Konto einer Herrschaftsclique, die uns damals in Gewalt hatte. Die Folge dieses Krieges ist leider, daß wir als Volk die Konsequenzen tragen müssen. Aber wir können nach der psychologischen Seite hin immer darauf verweisen, daß dieser Krieg nie das Werk des deutschen Volkes war, sondern nur das Werk einer Gewaltherrschaft. Über den ersten Weltkrieg zitiere ich das bekannte Wort von Lloyd George, der gesagt hat - und er muß es ja wissen; er war dabei -, „daß diese Welt in den ersten Weltkrieg hineingeschlittert ist".
Wenn wir aber weiter in der geschichtlichen Vergangenheit zurückschauen, dann wird klar, daß dieses deutsche Volk zu den friedfertigsten Völkern der Welt gehört. Wir haben zwar auch im 19. Jahrhundert hie und da Kriege auf dem europäischen Kontinent geführt, aber wenn man das einmal mit den Kriegen vergleicht, die andere Völker geführt haben, stehen wir durchaus nicht an der Spitze, sondern in der Reihenfolge erst ganz weit hinten. Und wenn ich an die drei großen Mächte denke, dann darf ich feststellen: gegenüber Großbritannien und Irland hat dieses deutsche Volk überhaupt nie einen Krieg geführt, sondern es war sehr oft sogar mit ihm verbündet.
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- Jawohl, darauf lege ich Wert. - Mit den USA haben wir selbstverständlich auch nie Krieg gehabt.
Ich will daraus schließen und folgern, daß dieses deutsche Volk den Frieden will und damit auch seinerseits nach der subjektiven Seite hin den Voraussetzungen Rechnung tragen will, die hier in dieser Entschließung mit den Worten genannt sind, daß jedes Abkommen in Europa im Osten und im Westen die gleiche Sicherheit bieten soll. Wenn wir nach Osten schauen, unserem östlichen Nachbar zu, dann können wir feststellen, daß wir in der Vergangenheit, in der Zeit vor den beiden Weltkriegen auch mit Rußland 150 Jahre lang Frieden gehabt haben. Das ist die erste Feststellung, die ich treffen möchte.
Die zweite bezieht sich auf die Frage der Wiedervereinigung. Wir haben aus der Presse entnommen, daß man in der Sowjetunion in den letzten Tagen das Vorhandensein „schrecklicher
Irrtümer" hat feststellen können, „schrecklicher Irrtümer" auf dem Gebiet der Innenpolitik, zurückzuführen auf die Wesensart eines Mannes, der durch Jahrzehnte hindurch in einsamer Höhe an der Spitze einer großen Macht thronte. Es steht uns nicht an, uns in die innenpolitischen Fragen eines anderen Landes einzumischen; aber wir können doch die Frage aufwerfen, ob nicht diese „schrecklichen Irrtümer" - hervorgerufen aus der Wesensart ein es Mannes -, die jetzt auf dem Gebiet der Innenpolitik in Rußland an das Tageslicht gezogen worden sind, nicht auch auf dem Gebiete der Außenpolitik aus dem gleichen Grunde begangen worden sind. Ist es nicht ein schrecklicher Irrtum der russischen Seite, zu glauben, man könne ein Volk auf die Dauer zerreißen? Ist es nicht ein schrecklicher Irrtum, zu glauben, man könne ein Volk spalten und damit dem Frieden dienen? Ist es nicht ein schrecklicher Irrtum - um in dem Wortbild aus dem Osten zu bleiben -, zu glauben, daß man Völker anderer Nationalität, anderen Wesens dauernd unterjochen könne? Und ist nicht der Osten der Meinung, daß er gewissermaßen im Kreuzzug gegen den Kolonialismus alten Stils an der Spitze steht und dabei selbst in innerer Unwahrhaftigkeit einen Kolonialismus neuen Stils mit der Schaffung der Satellitenstaaten des Ostens schafft? Ich habe das Gefühl, daß man diese Frage, ob nicht auf dem Gebiet der Außenpolitik schreckliche Irrtümer - um in dem Jargon zu bleiben - vorgekommen sind, in absehbarer Zeit doch auch einmal prüfen könnte. Wir sind bereit, darüber zu debattieren. Ich glaube, daß auf der Abrüstungskonferenz und bei der Zusammenkunft, die in London bald stattfinden wird, auch mit den Herren, die die Sowjetunion vertreten, einmal über diese Frage debattiert werden könnte im Lichte der Erkenntnis, die sie jetzt auf dem Gebiete der Innenpolitik selbst gewonnen haben. Denn die Resolution 87 schließt mit den Worten, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind, daß die Versammlung des Europarats daran erinnert, daß sich der Westen nicht endgültig mit der Unterdrückung der nationalen Unabhängigkeit und der politischen Freiheit vieler Völker Mittel-und Osteuropas abfinden könne.
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Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen uns bei jeder Europadebatte und außenpolitischen Debatte bewußt sein, daß sich in diesen Jahren das künftige Schicksal der europäischen Völker entscheidet. Es sind Jahre der Vorbereitung, die das Gesicht der künftigen Entscheidungen bestimmen. Darüber darf die relative Stille nicht hinwegtäuschen, die nach einer langen Periode sowjetischer Aggressionen nunmehr im Zeichen der von Moskau aus gegebenen Koexistenzparole entstanden ist. Diese Stille ist trügerisch. Sie verleitet den Westen zur Unterschätzung der in der Situation liegenden Gefahren, und sie verleitet insbesondere zur falschen Einschätzung des sowjetischen Willens, der sich eingestandenermaßen - was man gerade erkennt, wenn man die Deklamationen und Reden des Moskauer Parteikongresses verfolgt - jetzt darauf konzentriert, im friedlichen Wettbewerb der Koexistenz, wie das nun genannt wird, neue Machtpositionen zu gewinnen oder deren Gewinnung vorzubereiten.
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Dabei zielt die demonstrativ zur Schau getragene Friedfertigkeit auf die Einschläferung des Widerstandswillens und auf die Aufweichung der Widerstandsfront ab, die die Sowjets während ihrer letzten aggressiven Phase selbst gegen sich geschaffen haben. Den europäischen Völkern - das muß in dieser Lage ins Gedächtnis zurückgerufen werden - war es schon nach dem Ersten Weltkrieg aufgegeben, die europäische Föderation hervorzubringen, den Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa hin anzutreten. Die Verfehlung dieser Aufgabe in den zwanziger und dreißiger Jahren führte zum Zweiten Weltkrieg. Die Verfehlung der europäischen Aufgabe in den vor uns liegenden Jahren müßte den Untergang der europäischen Völker besiegeln, und keines bliebe wahrscheinlich davon ausgenommen.
Nichts Schlimmeres könnte geschehen, als in diesen Jahren das zu tun, worauf die Sowjets spekulieren, nämlich einen Rückfall in das nationalstaatliche Denken und seine auf den einzelnen Nationalstaat abgestellte Machtpolitik des neunzehnten Jahrhunderts zu vollziehen. Das liefe auf die Verleugnung aller Erfahrungen des 20. Jahrhunderts hinaus, sowohl der negativen Erfahrungen vor dem Zweiten Weltkrieg wie der positiven Erfahrungen seit dem Beginn der Hervorbringung der europäischen Einheit in den Jahren nach 1948.
Wenn wir die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts deuten, so tritt uns doch die selbstverschuldete Enge Europas, die Abriegelung der einzelnen Nationalstaaten hinter trennenden Grenzwällen als furchtbare Warnung entgegen. Die Politik der aus eifersüchtigem Machtstreben geborenen gegenseitigen Absperrungen ist im Kulturellen und Wirtschaftlichen nichts anderes als ein Programm der künstlichen Selbstverarmung der europäischen Völker, die, wenn sie wieder Platz griffe, das Elend und die permanente Krise zur Katastrophe der europäischen Staaten verdichten müßte, zur Katastrophe von Staaten, die in der heutigen weltpolitischen Sicht nur Kleinstaaten sind gegenüber der Kraft der kontinentalen Riesenräume, über die die USA und die Sowjetunion verfügen. Die gründlich verwandelte Welt würde die Integration und Föderation Europas auch dann notwendig machen, wenn die sowjetische Gefahr überhaupt nicht bestünde. Das wird nur allzu selten ausgesprochen, was allerdings verständlich ist in Anbetracht der Tatsache, daß sich die Erfahrungen aufdrängen, die gerade aus der Gefährdung Europas vom Osten her auftreten. Aber es würde auch ohne diese östliche Gefahr gelten, daß Europa aus der über sich selbst verhängten Enge und Armut nur herauskommt, wenn es durch die Beseitigung der nationalstaatlichen Barrikaden eine wirtschaftliche und kulturelle Einheit wird, deren große Leistungsfähigkeit allein einen Massenwohlstand erzeugt, der in der nationalstaatlichen Vereinzelung, im Zustand der balkanisierten Zerstückelung Europas niemals erreichbar ist. So hängt es von den europäischen Völkern selbst ab, ob sie weit hinter dem Wohlstand zurückbleiben wollen, der die Vereinigten Staaten von Amerika auszeichnet, oder ob sie den Anschluß an die amerikanischen Lebensmöglichkeiten finden wollen.
Andererseits dürfen wir selbstverständlich niemals die Erfahrung der Jahre nach 1945 verleugnen, die darin liegt, daß die bürgerliche und politische Freiheit der europäischen Völker in dem heute vorhandenen Umfange nur durch die solidarische Anstrengung der gesamten freiheitlichen Welt errungen und bewahrt wurde. Daß das künftige Festhalten der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens an einer konsequenten Friedenspolitik zur Bewahrung und Ausdehnung des freiheitlichen Raums in Europa nur sichergestellt ist, wenn die europäischen Völker selbst ihre Kraft für diesen Zweck vereinen und gemeinsam einsetzen, sollte eine unantastbare Grundwahrheit bleiben. Wer sie verleugnet, der steckt tiefer, als er sich eingestehen will, in einem parasitären Denken, das von anderen kostspielige Anstrengungen erwartet, deren man im Vertrauen auf diese anderen selbst enthoben sein möchte. Dabei wird verkannt - und wir stehen immer wieder in der Gefahr dieses Verkennens -, daß ein Volk wie das amerikanische nicht allein die Schutzwehraufgabe für den Frieden und für die Sicherheit der europäischen Völker auf die Dauer übernehmen kann und übernehmen wird, wenn die europäischen Völker nicht aus ihrem eigenen Lebensinteresse heraus das tun wollen, was zur Erhaltung des Friedens und der Sicherheit in ihrem engsten Lebensbereich erforderlich ist.
Wir haben nun aus dem Munde des Herrn Kollegen Schmid erneut den alten Rat der Sozialdemokratie gehört, mit der Aufstellung der Bundeswehr zu warten. Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder gehört, es sei richtig, zu warten. Wenn wir diesen Ratschlägen gefolgt wären, dann wären wir seinerzeit nicht dem Europarat beigetreten, wir wären nicht der Montanunion beigetreten,
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wir wären wahrscheinlich auch nicht der OEEC beigetreten, und es wäre weder die EVG noch, nach deren Scheitern am französischen Widerstand, ersatzweise die Westeuropäische Union zustande gekommen.
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Alles, was inzwischen in Europa geschehen ist zur Vereinigung Europas, zur Vorbereitung seiner Föderation, zur Verwirklichung der Vereinigten Staaten von Europa als eines gerade auch von uns angestrebten Endzustandes, all das wäre unterblieben. Und man muß sich fragen: Wie wäre dann die Situation der europäischen Völker, einmal im Verhältnis untereinander und zum andern im Verhältnis gegenüber der Sowjetunion? Wie wäre dann die Verhandlungslage gegenüber der Sowjetunion inzwischen geworden?
Herr Abgeordneter, gestatten Sie mir eine Frage?
Erlauben Sie eine Frage?
Bitte schön!
Herr Abgeordneter Euler, ist Ihnen nicht bekannt, daß sich die Sozialdemokratische Partei jederzeit für die Zusammenarbeit im Europäischen Wirtschaftsrat in Paris, in der OEEC ausgesprochen hat, daß sie tatkräftig dafür eingetreten ist, die wirtschaftliche Zusammenarbeit in dem großen Bereich der OEEC mit allen Mitteln zu fördern und daß es nicht eine einzige Abstimmung oder Erklärung im Bundestag gegeben hat, in der sich die Sozialdemokratie gegen die OEEC ausge({0})
sprochen hat? Sie haben eben das Gegenteil behauptet. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?
Es ist doch gewiß, Herr Kollege Erler, daß die Sozialdemokratie hier all den Maßnahmen, die durch gesetzliche Akte - Erler ({0}): Ich frage nach der OEEC, Herr Kollege Euler. Äußern Sie sich bitte dazu.
Wir haben auch in den Debatten über die OEEC feindliche Stellungnahmen gehört, auch wenn keine Abstimmungen über diese Fragen stattfanden.
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Herr Abgeordneter Euler, einen Augenblick. Herr Abgeordneter Wehner, ich rufe Sie zur Ordnung. Der Ausdruck ist nicht parlamentarisch.
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- Ich rufe Sie zum zweitenmal zur Ordnung, Herr Abgeordneter,
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und mache Sie auf die Folgen eines dritten Ordnungsrufes aufmerksam.
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Fahren Sie fort, Herr Abgeordneter.
Ich habe auf all die Tatsachen hingewiesen, die völlig feststehen, die Sie in keiner Weise abstreiten können.
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Ich bin allerdings der Auffassung, daß auch im Zuge dieser Debatten hier Ausführungen gemacht worden sind, die zumindest die Auffassung zulassen, daß eine Gegnerschaft der Sozialdemokratie auch auf diesem Gebiet vorhanden ist.
({1})
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Herr Abgeordneter Erler, ich rufe Sie zur Ordnung.
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- Ich mache darauf aufmerksam, meine Damen und Herren, daß der Präsident nicht dazu da ist, in Kontroversen sachlich Stellung zu nehmen, sondern daß er ausschließlich dafür zu sorgen hat, daß der parlamentarische Stil nicht verletzt wird.
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Wenn Sie anderer Meinung sind, dann steht Ihnen hier das Wort zu, und Sie können im Rahmen der parlamentarischen Debatte Ihre gegenteilige Auffassung vertreten.
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Herr Abgeordneter Euler, fahren Sie bitte fort.
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Ich darf mich nun der entscheidenden Argumentation des Herrn Kollegen Dr. Schmid zuwenden. Er hat erneut davor gewarnt, die Ausführung der Pariser Verträge fortzusetzen. Er möchte mit der Vollziehung der Aufstellung deutscher Divisionen erneut zuwarten. Ich darf doch die Frage stellen: wieviel Truppen haben wir eigentlich aufgestellt? Besteht eigentlich in näherer Zeit die Gefahr, daß wir bei unseren Defensivmaßnahmen jenes Maß erreichen oder überschreiten, das bei internationalen Abrüstungsabreden für uns gesetzt werden könnte? Wir haben jetzt 6000 Mann gegenüber den fast 300 000, die in Ostdeutschland stehen. Wir erleben alle Tage, daß im sowjetisch besetzten Bereich Bürgerwehren aufgestellt und bewaffnet werden. Sollen wir warten, die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung abgeschlossener Verträge zu ergreifen,
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bis Einigungen zustande gekommen sind? Nein, wir sollten schnellstens nachholen, was schon allzu sehr verzögert wurde.
Herr Abgeordneter Euler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Sie sprachen von den 6000 Mann, die niemanden bedrohten. Wollen Sie es dabei belassen?
Nein; aber bis wir in die Größenordnung kommen, die von dem Unterausschuß der Vereinten Nationen jetzt genannt worden ist, bis also die 200 000 Mann stehen, vergeht leider noch erhebliche Zeit.
Halten Sie es dann für richtig, daß man die Planung auf der Grundlage von 500 000 Mann durchführt?
Auch diese Planung halte ich für richtig, weil noch nicht abzusehen ist, welche Wendungen die Abrüstungsverhandlungen gerade unter dem Gesichtspunkt nehmen, daß wir ja in einer besonders gefährdeten geographischen Lage sind und außerdem die Aufstellung konventioneller Truppen ein anderes Gesicht gewinnt, wenn es zu der Bannung des Atomkrieges kommt.
Glauben Sie, daß man die Chancen der Abrüstungskonferenz damit fördert?
Ich glaube, daß man die Bemühungen, in der Abrüstung überhaupt zu einem konkreten Verhandlungsergebnis zu kommen, damit in keiner Weise erschwert,
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vielmehr könnten oder müßten die Bemühungen des Westens eigentlich gerade zur Folge haben, daß die Sowjets bereit werden, konkrete Kontrollen zuzugestehen, an deren Verweigerung die Abrüstungsverhandlungen bisher gescheitert sind.
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Es ist schließlich nicht zu verkennen, daß gerade durch die Pariser Verträge wie überhaupt durch alles, was bisher zur Konsolidierung und Vereinheitlichung Europas geschah, die Vorbedingungen dafür verbessert werden, im Zuge einer geschlossenen Friedenspolitik des Westens optimale Lösungen in den Verhandlungen mit den Sowjets über die europäischen Probleme und über das wichtigste von ihnen - die deutsche Wiedervereinigung - zu erreichen, die besten Lösungen, die überhaupt denkbar sind, wenn die europäischen Staaten ein in kultureller, wirtschaftlicher, politischer und nicht zuletzt militärischer Hinsicht krisenfestes, leistungsfähiges Europa bauen.
Der Gedanke, der in der Entschließung ausgesprochen ist, ist völlig richtig, daß heute mehr denn je die Schaffung Europas erforderlich ist. Deshalb ist es ganz falsch zu behaupten, daß die Bemühungen um die Fortsetzung der europäischen Integration das gemeinsame Bemühen der westliche Welt um Durchsetzung der auf Freiheit gegründeten Einheit Europas die deutsche Wiedervereinigung erschweren könnte. Die Sowjets warten nur darauf, daß die europäischen Völker den Erkenntnissen der letzten Jahre abtrünnig werden. Jeder Rückfall in das überkommene, traditionelle europäische Denken, wie es insbesondere im 18. und 19. Jahrundert mit der Tendenz zur nationalstaatlichen Isolierung in Europa seine Ausprägung erfuhr, verstärkt die sowjetischen Hoffnungen, die europäischen Staaten außerhalb ihres Machtbereichs gegeneinander ausspielen, sie entgegen ihrem wahren Lebensinteresse in eine Situation bringen zu können, in der sie sowjetischen Pressionen nachgeben müssen.
Die Spekulation auf den Zerfall der europäischen und darüber hinaus der gesamten westlichen Widerstandsfront hat die Sowjets zu der Haltung gebracht, aus der heraus sie seit Genf erklären, für die deutsche Wiedervereinigung sei jetzt die Zeit noch nicht reif. Die Zeit wird nach sowjetischer Auffassung dann gekommen sein, wenn sich die Bereitschaft des Westens einstellt, einen Preis für die Wiedervereinigung zu zahlen, der ganz Deutschland in die Situation brächte, dem sowjetischen Einfluß auf verhängnisvolle Weise ausgeliefert zu sein.
"Aus diesen Erwägungen halten wir eisern daran fest, daß der Weg zur europäischen Integration fortgesetzt werden muß, damit ein echter Friede
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und in diesem Frieden eine Sicherheit für die europäischen Völker erreichbar wird, und dies in der Weite eines Raumes, der allein Gewähr für eine erhebliche Entfaltung des Wohlstandes aller beteiligten Völker gibt. Dabei sind wir durchaus von der Überzeugung durchdrungen, daß der Weg mühevoll sein wird, daß immer wieder gegen Fehlentwicklungen, Fehlkonstruktionen mit ihren momentanen Ermattungen und Enttäuschungen anzukämpfen sein wird. Aber gerade deshalb brauchen wir nicht schwankende und verzweifelte Europäer, sondern entschiedene und mutige Verfechter des Europagedankens. Deshalb brauchen wir gerade keine Europäer, die nach der ersten Enttäuschung, wie sie durch das Scheitern der EVG in Frankreich eintrat, lamentieren, wie das ja Herr Dr. Dehler in den letzten Monaten mehrfach tat:
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Europa habe seine Sternstunde verpaßt, sondern wir müssen daran festhalten, unbeirrt das Ziel Europa zu verfolgen,
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weil wir glauben, daß nur dadurch Europa seine Sternstunde noch einmal erreicht.
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Die aus momentanen Fehlschlägen erwachsene Hoffnungslosigkeit gegenüber Europa verstärkt die Hoffnungen der Sowjets auf Europa. Je zahlreicher die Sprecher in Westdeutschland werden, die, wie Herr Dr. Dehler, Rückfällen in das 19. Jahrhundert erliegen, um so geringer werden die Chancen für gute europäische Lösungen und für die Erreichung der gesamtdeutschen Freiheit im Rahmen solcher Lösungen.
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- Doch, das habe ich schon vor dem Landesverband gesagt.
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Ein Satz aus der Uelzener Rede des Herrn Dr. Dehler vom September vorigen Jahres:
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„Die europäischen Pläne waren zu hoch, und alle Integrationsversuche haben gezeigt, daß der Glaube an die Nation unüberwindlich ist", gerade ein solcher Satz zeigt, worum es geht, denn der Glaube an die Nation, von dem wir allerdings sehr viel halten,
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setzt voraus, daß die europäischen Völker in gemeinsamen Bemühungen den Weg finden, der ihre Existenz sichert und ihre Erhaltung ermöglicht.
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Der Glaube an die Nation und der Glaube an die Einigung Europas schließen einander nicht aus, sondern sie rufen einander; sie stehen im Verhältnis der wechselseitigen Abhängigkeit.
Wenn Herr Dr. Dehler neuerdings, Anfang März, in Hamburg sagen konnte:
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„Wir erlagen der Mystik, dem Glauben an einen europäischen Staatenbund; unter Verleugnung unserer Grundsätze haben wir geglaubt, die Europapläne mitmachen zu sollen",
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so legen meine Freunde von der Demokratischen Arbeitsgemeinschaft
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großen Wert darauf, klarzulegen, daß wir nicht zu denen gehören, von denen hier in majestätischem Plural die Rede war,
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und wir setzen dem sehr vernehmlich unsere andere Auffassung entgegen.
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Meine Damen und Herren, ich muß bitten, den Redner aussprechen zu lassen.
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Auch wenn Sie noch viel lauter dazwischenrufen, werde ich mich nicht hindern lassen, unsere Überzeugung sehr deutlich auszusprechen, indem ich sage: Es bleibt das Ruhmesblatt der Koalition, der die Demokratische Arbeitsgemeinschaft angehört und deren Arbeit wir weiterhin nach unserer besten Überzeugung mit tragen werden, wie wir das in den vergangenen Jahren getan haben, - es bleibt das Ruhmesblatt der gemeinsamen Politik der Koalitionsparteien,
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daß wir eine Wirtschafts- und Außenpolitik verfolgt haben, die unablässig und stetig darauf gerichtet blieb, die Bundesrepublik zu einem nicht zu erschütternden Bollwerk der Freiheit zu machen,
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die Bundesrepublik zu einem Stabilisierungsfaktor für das Europa und für die gesamte westliche Welt werden zu lassen.
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Nur diese Politik hat das Vertrauen in der Welt zum deutschen Volk geschaffen, daß es sich noch lohne, auf das neue Deutschland zu setzen, und nur diese Politik konnte andererseits jene Entfesselung der Schaffenskraft erreichen, die die beste Antwort auf die vorangegangene Hilfe der westlichen Welt war.
Wir setzen uns mit Nachdruck ein für die gradlinige Fortsetzung dieser Außen- und Wirtschaftspolitik der Koalition; denn nur in der Linie dieser Außenpolitik kann ein Europa und ein Deutschland erreicht werden, das ebenso einig wie frei ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir vor einigen Stunden unter der Fahne des Europarates die große Europadebatte im Deutschen Bundestag begannen, haben wir alle wohl nicht erwartet, daß sie einen derartigen Verlauf nehmen würde, wie wir ihn in den letzten Minuten erlebt haben.
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Es ist doch möglich, zum Thema „Europa" zu sprechen und so viel zu sagen, ohne innenpolitische, völlig nebensächliche Streitfragen in die Debatte hineinzutragen.
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Ich bin auch nicht der Meinung, daß es den Zielen und dem Ergebnis dieser Aussprache im Deutschen Bundestag gedient hat, daß wir etwas zu sehr in die Linie einer allgemeinen außenpolitischen Debatte gekommen sind.
Ich habe nicht die Ehre, der deutschen Delegation in Straßburg anzugehören. Ich glaube aber doch, hier sprechen zu dürfen. Denn das soll ja eigentlich auch so etwas wie ein Leistungsbericht der deutschen Delegation sein, der heute dem Hause vorgelegt wird. Ich will mich bemühen, in wenigen Bemerkungen das zum Ausdruck zu bringen, was ich im Namen meiner politischen Freunde zum Gedanken Europa und zu den Dingen, die uns hier konkret vorliegen, zu sagen habe.
Meine Damen und Herren! Als am 26. Oktober 1955 der Europarat seine Entschließung 87 annahm, war das schon ein Ereignis von einer Bedeutung, die nicht leicht übersehen werden konnte. Es war wenige Tage vor dem Beginn der zweiten Genfer Konferenz. Als man damals den Wortlaut das erstemal vor Augen bekam, erfüllte einen doch ein Gefühl der Genugtuung, wie weit und immerhin erfolgreich der Weg gewesen ist, der bei den Bemühungen um die Schaffung eines einigen Europa inzwischen zurückgelegt werden konnte.
Wir wollen dem Europarat auch noch nachträglich dafür danken, daß er in dieser - wie wir damals hofften - sehr entscheidenden Situation so deutlich aussprach, daß eine Sicherheit und eine Befriedung in Europa ohne eine Wiedervereinigung des gespaltenen Deutschland nicht möglich sei.
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Wir wollen dafür danken, daß dieses Wort damals gefallen ist. Wir wollen auch dafür danken, daß man in jener Stunde den Gedanken der europäischen Solidarität, der Solidarität aller europäischen Völker herausstellte. Wir freuten uns besonders, daß man in dieser Entschließung nicht nur von einer Teilung Deutschlands, sondern von einer Teilung Europas sprach, und mit ebenso großer Genugtuung empfanden wir die Formulierung, die darauf hinwies, daß im Osten Europas, wo auch die Heimat vieler Millionen Deutscher ist, heute Unfreiheit und Sklaverei herrscht und daß der Europarat sich zu der Auffassung bekenne, daß dies eines Tages im gesamten Raum Osteuropas anders werden müsse.
Meine Damen und Herren! Das Reizvolle des Umstandes, daß wir fünf Monate nach dieser Entschließung heute in einer Europadebatte zu diesen Dingen Stellung nehmen, liegt darin, daß - wie Herr Kiesinger ganz richtig bemerkte - inzwischen ja einiges geschehen ist.
Und nun ganz wenige Bemerkungen zu dem, was geschehen ist und worauf es jetzt nach unserer Auffassung entscheidend ankommen sollte.
Die Abrüstungsbesprechungen in London haben begonnen. Das Ergebnis ist noch nicht abzusehen. Aber wenn man die ersten Pressenachrichten in den heutigen Morgenzeitungen liest, wenn man von mehreren Phasen liest, innerhalb deren man große, weitreichende Pläe durchführen will, und dann weiter liest, daß die Frage der Wiedervereinigung frühestens in der zweiten Phase wieder einmal akut werden könne - meine Damen und Herren, dann können wir hier im deutschen Par({3})
lament nur zum Ausdruck bringen, daß wir über diese Zeiträume und Terminpläne, die man sich dort offenbar setzt, auf das tiefste bestürzt sind. Denn wie lange die erste Phase des Abrüstungsplans dauern wird, ist noch nicht abzusehen.
Ich freue mich, daß eine Reihe von Rednern, und zwar völlig unabhängig von der parteipolitischen Einstellung, heute betont haben - und ich möchte mich dem anschließen -, daß wir unter allen Umständen daran festhalten müssen, daß jeder Schritt zur Sicherheit, zur Entspannung und auch zur Abrüstung nur gemeinsam mit den Plänen zur deutschen Wiedervereinigung von uns gesehen und gutgeheißen werden kann.
({4}) Wenn wir den Inhalt und die Bedeutung der Entschließung des Europarats vom 26. Oktober 1955 richtig sehen und richtig werten, können wir der Auffassung sein, daß der Europarat zu dieser von mir eben angeschnittenen Frage gar keinen anderen Standpunkt einnehmen kann. Ich möchte meinen, daß die deutsche Auffassung im Europarat einen Eideshelfer hat, dessen Einfluß in voller Wirksamkeit zur rechten Zeit angesprochen und eingeschaltet werden sollte. Wir haben in unserem schweren Ringen nicht so viele echte Mitkämpfer, die die Dinge im Grunde genau so sehen wie wir. Der Europarat hat sich in der Öffentlichkeit Europas zu diesem Zusammenklingen aller Entspannungsbemühungen mit den Schritten zur deutschen Wiedervereinigung, die auch die Teilung Europas auflösen und überwinden soll, bekannt. Wir möchten hoffen, daß der Europarat die nächste Gelegenheit nicht vorübergehen lassen möge, um auch nach all dem, was seit Oktober geschehen ist, noch einmal nachdrücklich zu bekunden, daß er mit dem deutschen Parlament und seiner Regierung auf dem Standpunkt steht: Jeder Schritt Entspannung gemeinsam mit einem Schritt zur Wiedervereinigung!
Meine Damen und Herren, einen zweiten, ganz kurzen Gedanken! Ich hoffe, daß ich nicht den Zwischenruf bekomme, ich versuchte jetzt eine kleine Suppe zu wärmen. Herr Professor Carlo Schmid hat heute, indem er die Wirkungsmöglichkeiten der gegenwärtigen Organisation des Europarats schilderte, den Satz ausgesprochen: „Europa kann nur in unseren Parlamenten geschaffen werden". Ich darf an diese prägnante Formulierung des gegenwärtigen Organisationsstandes anknüpfen und an das Haus die ernste Frage richten, ob man es für möglich hält, daß eine Fraktion dieses Hauses von der aktiven Mitarbeit im Europarat ausgeschlossen bleiben soll. Ich möchte hoffen, daß aus der Stimmung und aus den Erfahrungen der heutigen Debatte heraus das Haus sich in dem dafür zuständigen Gremium einmal überlegen wird, ob es wirklich, da die Arbeit für Europa in den Parlamenten geleistet werden muß, auf die Dauer erträglich ist, eine Fraktion von dieser Arbeit auszuschließen.
Im übrigen, meine Damen und Herren, bekenne ich mich namens meiner politischen Freunde ohne jeden Vorbehalt zu dem Gedanken „Europa". Wir werden jeden Schritt begrüßen und mitgehen, der durch praktische Taten und Handlungen diesen zerrissenen Erdteil zu einem immer festeren Gefüge zusammenschließt.
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Damit, meine Damen und Herren, ist die Beratung zu Punkt 1 a erledigt. Ich glaube, wir verfahren am besten so, daß wir die Abstimmungen dann durchführen, wenn die Unterabteilung 1, die Unterabteilung 2 usw. beendet sind.
Zunächst kommen wir zu Punkt 1 b, der mit dem Punkt 1 c verbunden ist, also zu den Atomfragen. Nach der Beratung dieser Punkt Punkte 1 b und 1 c wird noch einmal das Wort zum ganzen Unterabschnitt 1 erteilt.
Zunächst hat das Wort zu den Punkten 1 b und 1 c der Herr Bundesminister für Atomfragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der grundsätzlichen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers darf ich zu den Punkten 1 b und 1 c der Tagesordnung von heute Stellung nehmen.
Die Bundesregierung nimmt auf Grund der Entschließung von Messina vom 2. Juni 1955 an den Arbeiten des Regierungsausschusses der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Brüssel teil. Nach den Ergebnissen der Außenministerkonferenz der sechs Länder am 11. und 12. Februar dieses Jahres ist mit einem abschließenden Bericht des Regierungsausschusses bald zu rechnen. Der Leiter der Brüsseler Sachverständigenkommission, Außenminister Spaak, hat mitgeteilt, daß dieser endgültige Bericht in der Zeit zwischen dem 18. und 20. April den Delegationsleitern zur Verabschiedung vorgelegt und am 25. April den Außenministern zugestellt werden soll. Für die zweite Hälfte des Monats Mai ist eine weitere Außenministerkonferenz vorgesehen, auf der die Beschlüsse für die Ausarbeitung eines Vertrags gefaßt werden sollen.
Daneben ist die Bundesregierung auch im Rahmen der OEEC an den Vorbereitungen für eine Zusamenarbeit auf dem Atomenergiegebiet in einem größeren europäischen Rahmen beteiligt. Auf die Entschließung des Ministerrates der OEEC vom 29. Februar 1956, in der die Bildung eines Sonderausschusses für Fragen der Atomenergie vorgesehen ist, darf ich in diesem Zusammenhang verweisen.
Die Bundesregierung ist mit den übrigen Mitgliedern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und mit den Mitgliedstaaten der OEEC darin einig, daß die Arbeiten in Brüssel zu denen der OEEC nicht in Gegensatz stehen, sondern vielmehr beide in sorgsamer Koordinierung gefördert werden sollen.
Ich darf einige Sätze aus der Erklärung, die aus diesem Anlaß von der Bundesregierung am 29. Februar in Paris abgegeben worden ist, verlesen. Es heißt dort:
Unsere Regierung war immer der Meinung, daß die zwei Atomprojekte, das Euratom und das OEEC-Projekt, keine Alternative im Sinne eines Entweder-Oder darstellen, sondern daß sie Raum lassen für eine Lösung des Sowohlals-Auch, d. h. für eine enge Zusammenarbeit der sechs Messina-Mächte auf dem Gebiet der Atomkraft, durch die eine Verwirklichung des OEEC-Plans nicht unmöglich gemacht, sondern im Gegenteil gefördert werden sollte.
Ich habe weiter ausgeführt:
Ich bin wirklich davon überzeugt, daß beide
Lösungen in Einklang gebracht werden können, wenn der Wille hierzu vorhanden ist. Ich
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persönlich glaube, daß der Euratom-Plan, der bis jetzt noch nicht im einzelnen ausgearbeitet ist, derart angepaßt werden kann, daß auch diejenigen Länder, die nicht zu den MessinaStaaten zählen, aufgefordert werden können, an der Verwirklichung des Euratom-Plans wenigstens in Teilen mitzuarbeiten. Wir sind davon überzeugt, daß die Erforschung und Entwicklung der Atomkraft für friedliche Zwecke um so schneller zu praktischen Ergebnissen führen wird, je mehr europäische Völker für diesen gemeinsamen Zweck ihre wissenschaftlichen Kenntnisse und ihre finanziellen Mittel zusammenlegen. Deshalb halten wir es für richtig, um das Sowohl-als-Auch zu erreichen und das Entweder-Oder zu vermeiden, daß die zukünftige Arbeit am Euratom- und am OEEC-Projekt bei voller gegenseitiger Unterrichtung durchgeführt wird, wobei immer zu beachten ist, daß die beiden Pläne in Einklang gebracht werden müssen. Ich glaube sogar,
- heißt es schließlich in dieser Erklärung von Paris daß wir einen gemeinsamen Ausschuß zu gegebener Zeit einsetzen sollten, dessen Aufgabe es wäre, die beiden Pläne zu koordinieren.
Sowohl im Rahmen der Arbeiten in Brüssel als auch derjenigen der OEEC werden die in dem Antrag Drucksache 2152 und in der in deren Anlage 1 aufgeführten Entschließung 89 der Beratenden Versammlung des Europarates vom 26. Oktober 1955 sowie die in dem Antrag Drucksache 2229 geforderten Maßnahmen, im besonderen die Fragen der institutionellen Ordnung einer künftigen europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kernenergie geprüft und erörtert. Die Ergebnisse dieser Arbeiten, die von der Bundesregierung nachdrücklich gefördert worden sind und auch weiterhin gefördert werden, müssen abgewartet werden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch nicht auf die Einzelfragen eingehen, zu denen die Bundesregierung bei der parlamentarischen Beratung der geplanten Verträge noch ausführlich Stellung nehmen wird.
Ich darf mit einigen allgemeinen Bemerkungen schließen. Erforschung und Verwertung der Atomenergie für friedliche Zwecke ist für die politische und wirtschaftliche Stellung der einzelnen beteiligten Nationen und des gesamten europäischen Kontinents von einer in der Zukunft dauernd wachsenden, in ihrer Tragweite noch nicht übersehbaren Bedeutung. Diese Aufgabe erfordert internationale und teilweise übernationale Zusammenarbeit, d. h. Zusammenlegung der finanziellen, technischen, wissenschaftlichen und personellen Mittel. Nicht zuletzt erfordert sie auch den gemeinsamen Markt auf dem gesamten Atomgebiet. Dieser gemeinsame Markt soll aber nach Auffassung der Bundesregierung nicht für sich allein nach dem Muster des Gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl, sondern als Bestandteil eines allgemeinen gemeinsamen Marktes, der in Stufen verwirklicht werden kann, errichtet werden.
Die Bundesregierung wird die Verhandlungen in den genannten Gremien in der Überzeugung und von dem Standpunkt aus führen, daß europäische Zusammenarbeit und freie nationale Entfaltung auf dem Gebiet der Verwendung der Atomenergie für friedliche Zwecke keinen Gegensatz darstellen und keinen Gegensatz darstellen dürfen. Sie wird den Grundsatz vertreten: So viel Freiheit wie möglich, so viel Bindung wie nötig, - um den Zweck einer raschen Auswertung der Atomkraft und einer ausreichenden Kontrolle gegen Gefahr und Mißbrauch für alle europäischen Völker zu erreichen, um damit gleichzeitig aber auch auf das politische Ziel der Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa hin einen weiteren Schritt vorwärts zu tun.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die auf die Errichtung eines gemeinsamen Marktes hinzielende Entschließung der Beratenden Versammlung des Europarates entspricht den Grundsätzen und Zielen der von der Bundesregierung seit dem Jahre 1949 verfolgten politischen Grundlinie sowie der konsequent verfolgten wirtschafts-und handelspolitischen Konzeption. Die freie Zusammenfassung der sachlichen und menschlichen Produktivkräfte auf übernationaler Grundlage - das ist der ökonomische Ausdruck eines gemeinsamen Marktes -- schafft die besten Voraussetzungen, um durch eine weit gespannte Arbeitsteilung zu einer höheren Leistungsergiebigkeit aller beteiligten Volkswirtschaften und damit zu einer freieren und besseren Lebensgestaltung der Menschen zu kommen. Die Verwirklichung einer solchen Politik wird das Gefühl der Solidarität zwischen den Völkern verstärken und geeignet sein, Notstände zu überwinden. Die sittliche Verpflichtung, mit der Erhöhung des Lebensstandards und der Schaffung materiellen Wohlstandes gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, daß Menschen nicht unter unwürdigen Lebensbedingungen verkümmern, ist zugleich auch geeignet, den freien Völkern Europas eine neue Aufgabe und neue Ideale zu setzen. Diese Politik wird darum auch im politischen Bereich wesentlich zu einer inneren Befriedung und zum Bewußtsein der unlösbaren Zusammengehörigkeit führen.
Dieses große Ziel einer immer engeren Verflechtung der nationalen Volkswirtschaften zu einem gemeinsamen Markt wird um so vollkommener und erfolgreicher verwirklicht werden können, wenn dieser selbst sich über alle ökonomischen Beziehungen und Funktionen erstreckt. Mag für eine Übergangszeit auch an Einzel- oder Teillösungen gedacht sein, so darf doch niemals außer acht gelassen werden, daß ein die Volkswirtschaften zergliederndes, atomisierendes Verfahren mit der Vorstellung eines gemeinsamen Marktes sogar in Widerspruch stehen würde. Unsere Anstrengungen müssen deshalb darauf gerichtet sein, über die Annäherung der heute noch uneinheitlichen Wirtschafts- und Handelspolitik, der Statuierung gleicher Spielregeln und der Beseitigung diskriminierender und protektionistischer Praktiken einen echten Leistungswettbewerb mit allen seinen segensreichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen sicherzustellen.
Die Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes wird unter den beteiligten Ländern auch die Sozialpolitik auf neue und gedeihliche Grundlagen stellen. Um der Sorge zu begegnen, daß mit einer Zusammenführung oder Zusammenfügung der Volkswirtschaften der eine oder andere Wirtschafts- oder Gewerbezweig in diesem oder jenem Lande in Bedrängnis geraten würde und vorübergehend soziale Härten in Er({0})
scheinung treten könnten, ist bei den Messina-Beschlüssen bereits vorgesehen worden, für Zwecke notwendig werdender Umschulung oder Umsiedlung einen Anpassungsfonds und für Zwecke der Schaffung neuer produktiver Erwerbsmöglichkeiten einen gemeinsamen Investitionsfonds zu errichten. Selbstverständlich muß auch die Verwendung dieser Fonds der gemeinsamen Politik einer fruchtbaren Arbeitsteilung im freien Leistungswettbewerb Rechnung tragen und darf darum nicht Züge einer bloßen Subventionierung annehmen.
Die Bundesregierung wird diese Ziele nicht nur aus Gründen wirtschaftlicher Vernunft und politischer Zweckmäßigkeit mit allen Kräften zu fördern suchen, sondern sie fühlt sich der europäischen Idee auch aus geistiger und sittlicher Haltung heraus verpflichtet. Die Bundesregierung hat diese ihre Haltung in allen der internationalen Solidarität und Zusammenarbeit dienenden Institutionen, wie z. B. im Rahmen der OEEC, der Europäischen Zahlungsunion, des Internationalen Währungsfonds, des GATT, und bei der Schaffung der Montanunion eindeutig bekundet. Sie hat den international gesetzten Richtlinien und Empfehlungen wie z. B. der Ausweitung der Liberalisierung, der Beseitigung von Subventionen im zwischenstaatlichen Handel, der zunehmenden Befreiung des Zahlungsverkehrs, der Überwindung bilateraler Beziehungen und anderem mehr in weitgehendem Umfang entsprochen und sogar - ich erinnere an die konjunkturpolitischen Zollsenkungen - selbst einseitige Maßnahmen in Richtung auf eine Intensivierung des Warenverkehrs ergriffen. Ich darf darauf verweisen, daß ich mehr als jeder andere Staatsmann in Europa immer wieder die Forderung nach frei konvertierbaren Währungen als der Krönung einer echten und organischen Integration erhoben habe. Wir spüren es heute deutlich genug, daß die unzureichende Ordnung und Verbindung der Volkswirtschaften die Wirkung konjunkturpolitischer Maßnahmen in bedauerlicher Weise abschwächt. Die starke Initiative der Bundesregierung ist jedenfalls unbestreitbar. Sie wird auch mit größter Energie und Zielstrebigkeit an der Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes mitarbeiten und alle Bestrebungen unterstützen, den Kreis der solcherart zusammenarbeitenden Länder zu erweitern. Aus dieser Sicht wird die Bundesregierung bei den Beratungen über einen gemeinsamen Markt ihren Einfluß dahin geltend machen, daß dieses neue ökonomische Gebilde nicht nur im Innenverhältnis größere Freizügigkeiten setzt, sondern auch nach außen jedwede diskriminierende oder protektionistische Politik vermeidet. Der gemeinsame Markt soll innerhalb der freien Welt keine Trennungsstriche ziehen, keine neuen Kontraste setzen, sondern die Zusammenarbeit auf weltweiter Grundlage fördern und erleichtern. Der gemeinsame Markt wird auch unter politischem Aspekt seine Aufgabe dann am besten erfüllen, wenn dieser neben den hier beschriebenen ökonomischen und sozialen Wirkungen ein geistiger Hort der Freiheit wird und den Menschen neben dem Gefühl wachsender sozialer, ökonomischer und politischer Sicherheit den Glauben an die Erfüllung einer großen Aufgabe und an eine glückliche Zukunft vermittelt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Furler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf mein eigentliches Thema, nämlich auf die europäische Organisation für Atomenergie und die Errichtung eines gemeinsamen Marktes, eingehe, möchte ich einer Bitte meines Fraktionsfreundes Kiesinger entsprechend kurz auf die großen außenpolitischen Auseinandersetzungen zurückkommen, von denen wir vorhin im Zusammenhang mit der ersten Entschließung des Europarates gehört haben. Sie erinnern sich, daß eine dramatische Situation insofern entstanden war, als Herr Kollege Professor Schmid an Herrn Kiesinger die Frage richtete, ob ihm bekannt sei, daß in der UNO-Kommission eine Einigung über die Zahl der klassischen Streitkräfte erzielt worden sei. Es wurden für die Großmächte 1 bis 1,5 Millionen und für Frankreich 650 000 Mann genannt, und es wurde gesagt, daß sich die übrigen Staaten dann mit einer Stärke bis zu 200 000 Mann begnügen müßten.
Nach den letzten vorliegenden Nachrichten ist eine Einigung über Zahlen in dieser Kommission weder früher noch heute erfolgt. Der neueste Stand ist der, daß nach dem britisch-französischen Abrüstungsvorschlag im Gegensatz zu früheren Vorschlägen keine Höchstziffern für konventionelle Streikräfte vorgesehen sind. Es ist vorgesehen, daß die Höchststärken auf einer späteren Konferenz, in der alle Länder ihre Auffassungen geltend machen können, festgesetzt werden. Es wurde früher auf Grund gegenseitiger Vorschläge über die Zahlen gesprochen, auch über die 1 bis 1,5 Millionen und die 650 000, die einmal von der britisch-französischen Delegation vorgeschlagen wurden. Dieser Vorschlag wurde später von der russischen Seite mit gewissen Modifikationen und Abänderungen, darunter der sowjetrussische Gegenvorschlag, die Stärke der Streitkräfte der übrigen Staaten auf bis zu 200 000 Mann zu begrenzen, aufgegriffen. Aber eine Einigung ist nicht erzielt worden. Da Herr Kiesinger vorhin hier eine Erklärung nicht abgeben konnte, habe ich dies in seinem Auftrag getan.
Nun zu den weiteren Resolutionen des Europarates und zu der Erklärung des Monnet-Komitees, die Gegenstand der gegenwärtigen Debatte sind. Sie wissen, daß der Gedanke, die friedliche Verwertung der Atomkraft in einer Gemeinschaft durchzuführen, und der Gedanke, diese Gemeinschaft auf eine wirtschaftliche Gemeinschaft auszudehnen, der vor allem ein gemeinsamer Markt zugrunde liegen soll, auf zwei Ursprünge zurückgeht, einmal auf anregende Beschlüsse, die die Gemeinsame Versammlung der Montanunion schon Ende 1954, und zwar auf Anregung des französischen Delegierten Teitgen gefaßt hat, zum anderen auf Anregungen aus der Messina-Konferenz vom Juni vergangenen Jahres. Beide Wege wurden begangen. Die Gemeinsame Versammlung hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die nunmehr in Brüssel umfangreiche Berichte vorgelegt hat, in denen beide Probleme, Euratom, wie man es später nannte, und Gemeinsamer Markt, behandelt werden. Die Messina-Konferenz hat eine Sachverständigenkommission gebildet, deren Arbeiten Monate hindurch sehr intensiv waren und deren Ergebnisse inzwischen von dem die Kommission leitenden belgischen Außenminister Spaak mehrfach
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mündlich dargestellt worden sind und die demnächst in einem schriftlichen Bericht niedergelegt werden.
Die Gemeinsame Versammlung der Montanunion hat sich mit beiden Fragen auf ihrer Brüsseler Sitzung in der vergangenen Woche befaßt. Der Europarat nimmt nicht Bezug auf eigene Tätigkeiten, sondern auf diese beiden Motivierungen, die ich soeben dargelegt habe. Die Entschließungen unterstützten sowohl die Bestrebungen einer gemeinsamen Organisierung der Atomkraft als auch die Entwicklung eines gemeinsamen Marktes.
Zunächst zu Euratom. Die Idee, von der sowohl die Arbeiten der Messina-Konferenz wie die der Gemeinsamen Versammlung ausgehen, ist die, daß wir in Europa, wenn wir die Dinge getrennt in den einzelnen Staaten behandeln, aus dem Rückstand, der ganz offensichtlich gegenüber den großen Mächten besteht, überhaupt nicht mehr herauskommen werden. Der konkrete Gedanke war: die sechs Staaten, die schon in der Montanunion verbunden sind, sollen sich auch zusammenfinden, um die friedliche Verwertung der Atomkraft durch Zusammenlegung ihrer Kräfte zu aktivieren. Man war sowohl bei den Sachverständigen der MessinaKonferenz wie in der Gemeinsamen Versammlung der Auffassung, es genüge hierzu nicht, daß sich alle europäischen Staaten in einer internationalen Form wie etwa in der der OEEC zusammenschlössen, sondern man müsse eine Gemeinschaft gründen, und zwar nicht der Organisation wegen, nicht der Institutionen wegen, sondern deshalb, weil nur die engste gemeinsame Arbeit und nur eine eigene Handlungsfähigkeit dieser Gemeinschaft die notwendigen wirtschaftlichen Erfolge bringen, die höchste Leistungsfähigkeit erzielen könne.
Dieses Euratom-Projekt, dieses Zusammenfügen der Kräfte der sechs westeuropäischen Kontinentalstaaten, sollte nicht ausschließlich sein und gegen irgend jemanden gerichtet sein. Auch die Monnet-Erklärung - die ja der Initiative von Messina und der Gemeinsamen Versammlung neuen Antrieb geben will - sagt: Natürlich steht der Beitritt oder die Assoziierung zu dieser Gemeinschaft allen anderen europäischen Staaten offen. Was soeben Herr Minister Strauß festgestellt hat, ist auch die Auffassung des Monnet-Komitees: daß nämlich die beiden Gestaltungen sich nicht ausschließen, daß man sehr wohl innerhalb der großen europäischen Organisation der 17 oder 18 Staaten, die die OEEC bilden, diese engere, kraftvollere, wirkungsvollere Gemeinschaft gründen könne, die sich dann in die anderen Beziehungen einfüge.
Es ist interessant, daß auch die Entschließung des Europarates, die schon einige Zeit zurückliegt und vor dem OEEC-Projekt gefaßt wurde, sagt, die Organisation, die man für die friedliche Auswertung der Atomkraft schaffe, müsse zu diesem Zweck diejenigen wirklichen Befugnisse erhalten, die sie zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgabe benötige. Also auch da wird eine handlungsfähige Gemeinschaft gefordert.
Nun ist man sich über eine Reihe von Punkten völlig einig. Man ist sich darüber klar - ich brauche das im einzelnen nicht zu wiederholen -, daß diese Gemeinschaft der Forschung materiellen und ideellen Auftrieb geben müsse, daß sie die
Forschungsprogramme koordinieren, daß sie Doppelarbeit und unrationelles Vorgehen verhindern solle. Man ist sich auch darüber einig, daß gewisse besonders teure und besonders risikovolle Anlagen gemeinschaftlich zu errichten sind, so z. B. eine Anlage zur Isotopentrennung. Eine solche Anlage ist außerordentlich teuer und trägt das große Risiko des technischen Überholtwerdens in sich. Man will auch das Recht der sechs Staaten koordinieren. Man will ein wirkungsvolles Sicherheitssystem - ich komme darauf noch zurück -, und man fordert eine parlamentarische Kontrolle der Institutionen, die entstehen. Man schlägt im Interesse einer rationellen Gestaltung vor, diese parlamentarische Kontrolle durch die schon vorhandene Gemeinsame Versammlung der Länder der Montanunion durchzuführen.
Allerdings sind drei Probleme noch offen, die ich kurz behandeln will. Zwei von ihnen haben verhindert, daß man in Brüssel zu einer einheitlichen Resolution über Euratom kam. Es ist meines Erachtens notwendig, diese Dinge weiter zu klären, um zu einer Einigung zu gelangen. Wir dürfen nicht an irgendwelchen Formulierungen festhalten und doktrinäre Streite führen. Wir wollen zu einem Ergebnis gelangen. Ich betone, es kam in Brüssel zwar keine gemeinschaftliche Entschließung zustande; aber alle Fraktionen haben erklärt: Wir wünschen, daß sich die Sachverständigen mit diesen Problemen weiter befassen und daß sie endgültige Berichte vorlegen. Daß man sich noch nicht gemeinsam entschließen konnte, besagt nicht, daß man sich überhaupt nicht entschließen will. Im Gegenteil, man will dies. Man möchte versuchen, die Standpunkte anzunähern und sie möglichst auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Worin lagen die Differenzen? Die erste Frage war: soll diese Gemeinschaft der sechs Staaten die Atomenergie ausschließlich zu friedlichen Zwecken verwerten? Mit anderen Worten: soll die Gemeinschaft sich auf die Ausnutzung dieser ungeheuren Kräfte für die Schaffung von Kraftwerken beschränken oder soll sie auch die Möglichkeit haben, die großen Vernichtungswaffen zu erzeugen? Die Monnet-Resolution stellt sich eindeutig auf den Standpunkt: ausschließlich friedliche Verwertung. Ich gebe zu, daß dieser Standpunkt eine gewisse Folgerichtigkeit hat. Ich möchte aber betonen - um jedes Mißverständnis auszuschließen -, daß die ausschließlich friedliche Verwertung nichts zu tun hat mit einer Neutralisierung und allen Dingen, die damit zusammenhängen. Dies ist völlig klar. Die Monnet-Entschließung ist hier zunächst nur wirtschaftlich zu verstehen. Selbstverständlich bestehen für die Staaten der Gemeinschaft die Bindungen der atlantischen Verteidigungsgemeinschaft, der NATO, der Westeuropäischen Union usw. eindeutig weiter. Es ist also nicht möglich, zu sagen, hier werde irgendeiner Neutralisierung Vorschub geleistet.
Ich will zur Klarstellung - mein Bemühen ist der Versuch, zu einer Einigung hinzuführen - auch sagen, daß die Differenz zwischen dem einen Standpunkt - ausschließlich friedliche Verwertung - und dem anderen nicht so groß zu sein scheint. Auch wenn ein Euratomprojekt mit der Formulierung einer ausschließlich friedlichen Verwertung zustandekommt, schließt dies nicht aus, daß man durch einen gemeinschaftlichen, einstim({1})
migen Beschluß später von diesem Grundsatz wieder abgeht, wenn die außenpolitische Situation etwas Derartiges erfordert. Es ist nicht vorgesehen, daß die Atomgemeinschaft gegenüber dritten Staaten Bindungen übernimmt. Dieser Entschluß bleibt in ihrer souveränen Entscheidung. Ich will nur noch sagen: Welchen Weg man auch geht, es ist nötig, klarzustellen, daß auf jeden Fall die nicht friedliche Fertigung niemals durch einzelne Mitglieder der Gemeinschaft durchgeführt werden darf, sondern ausschließlich durch die Gemeinschaft.
Ich brauche nur darauf hinzuweisen, daß für die Bundesrepublik insofern eine besondere Situation besteht, eine schwierige Lage auch der Gemeinschaft gegenüber, als sie im Zusammenhang mit den Pariser Verträgen eindeutig auf eine Atomwaffenfertigung verzichtet hat. Bei uns ist diese Frage also von dem einzelstaatlichen Gesichtspunkt aus erledigt.
Auf alle Fälle ist folgendes sicher. Diese sechs Staaten wollen sich nicht zusammenschließen, weil sie allein nicht die Kraft haben, die großen Vernichtungswaffen herzustellen. Das ist nicht das Ziel der Gemeinschaft. Das Ziel ist, die Kräfte zu koordinieren, um wirtschaftlich weiterzukommen. Die Staaten wollen sich zusammentun, um die Atomkraft für die Entwicklung ihrer Wirtschaft einzusetzen, um ihren Völkern einen höheren materiellen Wohlstand erreichbar zu machen.
Nun zur zweiten offenen Frage, der Frage des Eigentums an den Kernbrennstoffen. Um hier klar zu sehen, ist von folgendem auszugehen. Das Eigentum an den Kernbrennstoffen wird in der Monnet-Deklaration ausdrücklich in Zusammenhang gebracht mit der notwendigen Kontrolle, die über die Betriebe ausgeübt werden muß, die mit solchen Kernbrennstoffen arbeiten. Man ist sich völlig darüber einig, daß es nicht möglich ist, diese Kernbrennstoffe irgend jemandem, sei es dem Staat, sei es Privaten, ohne eine ständige und wirksame Kontrolle zu überlassen. Das ist ein oberster Grundsatz: Kontrolle und Eingriffsmöglichkeiten müssen gegeben sein.
Die Frage ist nur: Ist es zur Durchführung dieser Kontrolle und für die Möglichkeit eines wirksamen Eingriffs nötig, daß die Gemeinschaft das Eigentum an den Kernbrennstoffen hat? Die Monnet-Erklärung ist der Meinung, dies sei nötig. Sie sagt aber ausdrücklich, daß das Eigentum auf die Gemeinschaft nur übertragen werden solle wegen des zu errichtenden Kontrollsystems. Nach langen Auseinandersetzungen innerhalb des Komitees wurde noch der klärende Satz hineingefügt, daß das Eigentum .,ausschließlich zu diesem Zweck", nämlich zum Zwecke der Kontrolle, zu übertragen ist.
Nun fragt sich: Ist es zur Kontrolle und zur Sicherstellung notwendig, das Eigentum zu übertragen? Scheinbar ist das notwendig. Ich sage scheinbar deshalb, weil in den Vereinigten Staaten von Amerika dieses öffentliche Eigentum auch besteht. Aber dort war eine ganz andere Situation gegeben. Man hat mit dieser Fertigung im Krieg zu kriegerischen Zwecken begonnen, und das schuf, auch wegen der Geheimhaltung, eine ganz andere Lage.
Das Zweite ist folgendes. Ich glaube - einmal rein juristisch gesehen -, daß man im angloamerikanischen Rechtsdenken von anderen Vorstellungen ausgeht. Man sagt sich dort: ein wirksamer Eingriff setzt private Rechtstitel voraus. Ich nehme an, mit Herrn Kollegen Schmid darüber einig zu sein, daß wir Kontinentaleuropäer hier anders denken. Wir sagen: zum Eingriff und zur Kontrolle sind nur hoheitliche Befugnisse notwendig. Selbstverständlich müssen in der Fabrik Leute stehen, die darüber wachen, daß mit diesen Rohstoffen kein Mißbrauch getrieben wird. Selbstverständlich muß die entscheidende Behörde die Möglichkeit haben, sofort den Betrieb zu schließen, das Material sicherzustellen und alle Maßnahmen zu ergreifen, die verhindern, daß ein beginnender Mißbrauch fortgesetzt wird. Aber nach unserer Meinung ist es dazu nicht notwendig, einen privatrechtlichen Titel, das Eigentum in der Hand Zu haben. Denn dieser Eingriff geht über das Eigentum hinweg. Dieser Eingriff erfolgt, gleichgültig, wem die Kernbrennstoffe gehören, die Gegenstand dieses Mißbrauches sind.
Wenn ich also zu dem Ergebnis komme, daß es für die Durchführung der Kontrolle und für die Eingriffsmöglichkeiten, die wir alle wollen, gar nicht nötig ist, das Eigentum zu übertragen, dann glaube ich auch, daß es dem Sinn und dem Grundsatz der Monnet-Erklärung nicht widerspricht, wenn man hieraus Konsequenzen zieht. Es wäre also dann zur Durchführung des Grundsatzes der Kontrolle und des Eingriffs die Modalität des Eigentummonopols nicht erforderlich.
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- Nein! Ich sage das deshalb so deutlich, weil es ganz klar ist, daß in diesem Zusammenhang noch andere Gedankengänge eine Rolle spielen, und ich sage dies auch deshalb, weil ich glaube, daß wir alles versuchen müssen, Herr Kollege Wehner, um hier zu einem Zusammenführen der Gegensätze zu kommen. Wir wollen nicht über doktrinäre Streitigkeiten am Schluß in eine Situation geraten, in der irgendein Partner nicht mehr weiter mitgeht. Wir haben es ja in Brüssel gesehen; man ist wenigstens so weit zu sagen: Setzt euch noch einmal zusammen und prüft diese Dinge wirklich. Wir wollen ja zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen.
Das Dritte, das im Augenblick noch erörtert wird, ist die Frage: welcher Zusammenhang besteht zwischen der Entstehung von Euratom und der Entstehung ,des gemeinsamen Marktes? Beide Projekte kommen aus den gleichen Quellen. Sicher besteht ein sehr starker sachlicher Zusammenhang zwischen der friedlichen Ausnutzung der Atomkraft und der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung Europas. Die Atomkraft ist ein Teil des Kraftsystems überhaupt. Sie soll eingesetzt werden, um die klassischen Energiequellen zu ergänzen, um weitere wirtschaftliche Expansionsmöglichkeiten in Europa zu schaffen. Richtig ist auch, daß davon ausgegangen wird, daß für Euratom ein spezieller gemeinsamer Markt zu errichten ist, der sich natürlich viel leichter durchführen läßt, wenn er in den allgemeinen gemeinsamen Markt eingefügt wird. Ich glaube also, daß sachliche, psychologische und politische Gesichtspunkte, der wirtschaftliche Zusammenhang und die gemeinsame Entstehungsgeschichte dafür sprechen, mit dem Vertrag über die Atomgemeinschaft auch die rechtlichen Grundlagen für den gemeinsamen Markt zu schaffen. Selbstverständlich wollen wir nicht abwarten, bis
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der gemeinsame Markt realisiert ist. In diesem Sinne wurde die Resolution Monnet dem Bundestag vorgelegt. Die Fraktionen verlangen, daß Verhandlungen über die Schaffung von Euratom geführt werden. Sie wünschen aber auch, daß der allgemeine gemeinsame Markt mindestens in seinen rechtlichen Grundlagen zur Entstehung kommt. Um zu verhindern, daß wir uns über diese Dinge auseinanderleben, wurde ausdrücklich gesagt, daß wir die Entschließung Monnet hinsichtlich ihrer Grundsätze billigen. Wir bejahen die Aktivität, die in dem Komitee für die Vereinigten Staaten von Europa entfaltet wird. Das Komitee befaßt sich aber - ich betone das - nicht nur mit Euratom, sondern von vornherein und in der nächsten Sitzung weiter auch mit dem gemeinsamen Markt.
Damit bin ich bei dem gemeinsamen Markt, dem zweiten, wohl noch größeren, noch tiefergreifenden Projekt, das gegenwärtig diejenigen bewegt, die mit den europäischen Dingen zu tun haben. Was ist das, der gemeinsame Markt? Ich kann auf die technischen Dinge nicht näher eingehen. Ich will nur sagen: der Grundgedanke, der sowohl von der Gemeinsamen Versammlung und ihren Berichterstattern als auch von den Sachverständigen der Messina-Konferenz entwickelt wurde, ist klar. Er ist einfach, aber in seiner Bedeutung von einer großen Tragweite. Er sagt nämlich, diese sechs westeuropäischen Staaten sollen eine Zollunion bilden, und sie sollen über diese Zollunion hinaus einen gemeinsamen Markt schaffen, d. h. ein einziges Gebiet des freien wirtschaftlichen Austausches, also des Austausches von Waren, von Dienstleistungen, von Kapital und der Freizügigkeit der Arbeitskräfte.
Daß ein solches Projekt bei so verschiedenartiger Entwicklung dieser sechs Staaten nicht von heute auf morgen vollzogen werden kann, ist offensichtlich und einleuchtend. Aber auch die historisch verschiedenen Entwicklungen dürfen uns nicht entmutigen. Wir dürfen nicht sagen: Das ist einfach so geworden, das muß so bleiben. Nein; man ist im Begriff, wenn die nötigen politischen Voraussetzungen geschaffen werden können, einen großen neuen Weg zu gehen und in langen Etappen zum Ziele zu gelangen. Es sind drei Stufen von je vier Jahren, zusammen also zwölf Jahre, vorgeschlagen. Weiterhin ist vorgesehen, daß, wenn nach zwölf Jahren die völlige Zollunion und die völlige Gemeinschaft des Marktes noch nicht erreicht sind, noch einmal drei Jahre als Übergangszeit anzuhängen. Aber in spätestens 15 Jahren muß das ganze Projekt durchgeführt sein. In dieser Zeit sollen die Binnenzölle, die ganzen Kontingentierungen und Ausfuhrbeschränkungen völlig fallen.
Es ist nun nicht so, daß dies Spekulationen wären. Zu diesen sehr schwierigen Fragen der Aufhebung der Zölle, der Beseitigung der Kontingente usw. liegen ganz konkrete, realisierbare Vorschläge in Gutachten vor, die sich nicht in einem Wolkenkuckucksheim bewegen, sondern die geprüft sind und die nunmehr den Regierungen zur Entscheidung vorgelegt werden. Man kann natürlich nicht die Dinge völlig automatisch durchführen. Man will eine große Elastizität und einen gewissen Spielraum lassen. Aber dies ist wichtig: es darf keine endgültigen Durchbrechungen geben.
Solche Projekte lassen sich nicht ohne gewisse Anpassungen durchführen. Wie Herr Wirtschaftsminister Erhard soeben sagte, sind zu diesem
Zweck verschiedene Maßnahmen vorgesehen. Man hat einen Anpassungsfonds vorgeschlagen, der bei Betriebsstillegungen helfen soll, mit dessen Hilfe also die menschlichen und betrieblichen Schäden oder auch Schäden, die in den Wirtschaften der Länder entstehen können, von der Gemeinschaft ausgeglichen werden. Man hat einen Investitionsfonds vorgeschlagen, der mit sehr großen Mitteln arbeiten und dazu dienen soll, Projekte durchzuführen, die die Kräfte des Einzelnen übersteigen. Mit seiner Hilfe sollen in weniger entwickelten oder in solchen Gebieten, die in Schwierigkeiten kommen, Neuinvestitionen durchgeführt werden. Man hat vor allem großzügige Sicherheitsklauseln vorgesehen, die es ermöglichen, eine gewisse Übergangszeit ohne allzu große schmerzliche Eingriffe zu überwinden.
Was ich für sehr wesentlich halte, ist, daß diese Gemeinschaft, diese Zollunion - und das ist ein Faktum, das sehr stark gemeinschaftsbildend wirkt - nach außen, dritten Staaten gegenüber einen einheitlichen Zolltarif haben soll, wodurch sich ohne weiteres eine Verbindung der Zollpolitik der Mitgliedstaaten ergeben muß.
Man will auf keinen Fall eine Autarkie anstreben. Man will diese Gemeinschaft nicht dazu ausnützen, irgendwelche Kampfzölle gegen dritte große Gebiete zu schaffen. Das hindert schon das Bestehen des GATT, in dem sich diese Gemeinschaft, diese Zollunion befindet. Die Vorschriften des GATT schließen eine Erhöhung der Außenzölle aus. Die Gemeinschaft kann in ihren Zöllen nie höher gehen als der bisherige Durchschnitt. Sie kann nach unten variieren, was im Interesse der wirtschaftlichen Verflechtung mit der übrigen Welt sehr erwünscht ist.
Nur nebenbei will ich bemerken, daß auch die Landwirtschaft in diese Gesamtbindung, in diese Zollunion, in diesen gemeinschaftlichen Markt eingeschlossen werden soll. Dies wirft natürlich schwierige Probleme auf. Besonders umfassende Anpassungsmöglichkeiten werden hier notwendig werden.
Daß diese Gemeinschaft, wenn sie politisch durchgeführt werden kann, gemeinsamer Organe bedarf, versteht sich von selbst. Es ist unmöglich, Derartiges automatisch vor sich gehen zu lassen. Man will aber nicht in doktrinäre Auseinandersetzungen darüber eintreten: supranationaler Charakter - nicht supranationaler Charakter. Man will einen Ausschuß schaffen, der die Befugnis hat, im Rahmen der zu schließenden Verträge einzugreifen, der den Übergang, den Vollzug überwacht, der hier sachlich begrenzte, aber wirkliche Entscheidungen treffen kann. Diese Organe sollen unter einer parlamentarischen Kontrolle stehen.
Wichtig an dem Ganzen ist folgendes. Bei allen Anpassungsmöglichkeiten, bei allen Investitionshilfen ist es so, daß es kein Zurück geben darf. Der Plan muß als Einheit angenommen werden. Man kann also nicht nach vier Jahren sagen: Nun hört es auf, wir betreiben wieder eine andere Politik! Man kann auch nicht Gebiete herausnehmen, reservieren, außerhalb des gemeinsamen Marktes lassen. Die Einheit ist schon deshalb dringend erforderlich, weil sonst die Kraft, der heilsame Zwang verlorengehen. Wenn sich jeder, der betroffen wird, sagen kann: ich warte eine Zeit ab, es wird sich schon wieder alles ändern, dann würde der notwendige Strukturwandel, der erwünscht ist, nicht eintreten.
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Meine Damen und Herren, ich will mich nicht mehr lange mit diesem Projekt auseinandersetzen. Ich will in dieser Diskussion nur noch einige konkrete Bemerkungen machen. Es ist erstaunlich, daß eine Kritik kommt, die sagt: Das alles geht nicht weit genug, wir müssen eigentlich viel mehr zugleich tun. Wir müssen die Zollpolitik, die Wirtschaftspolitik harmonisieren und ähnliches mehr.
Ich glaube, man sollte die Kritik nicht hier ansetzen, sondern sich darauf verlassen, daß gewisse Dinge mit Notwendigkeit eintreten. Die Harmonisierung der Wirtschaftspolitik wird die notwendige Folge dieser Gemeinschaft sein. Und so sagt auch die Entschließung, die in Brüssel von allen Fraktionen des Montanparlaments einstimmig angenommen worden ist, daß der gemeinsame Markt „die Koordinierung der Wirtschafts-, Sozial-, Währungs- und Steuerpolitik der Mitgliedstaaten notwendig macht". Die .Folgerungen aus dem Faktum des gemeinsamen Markts und der Zollunion werden sich im Laufe der Jahre ohne weiteres ergeben. Man soll diese realistische Haltung, nicht zu viel zu verlangen und nur das Mögliche zu erstreben, nicht dadurch in Gefahr bringen, daß man Bedingungen aufstellt, die einfach unerfüllbar und die aber auch nicht notwendig sind.
Eine besondere Rolle spielt hier immer die Frage der sozialen Lasten. Ich glaube, wir müssen hier ganz offen zusagen, daß wir von der Bundesrepublik aus im Interesse des großen Zieles selbstverständlich damit einverstanden sind, daß diese sozialen Lasten nicht differierend sein können. Wir wollen die Gemeinschaft nicht in einer solchen Form, daß der eine den anderen dadurch konkurrenziert, daß in den Lasten, die hier zu tragen sind,
gewisse Verschiedenartigkeiten bestehen. Ich glaube, wir müssen sagen, daß wir jede paritätische Formel aufnehmen, die für notwendig gehalten wird, um das große Ziel des Gemeinsamen Marktes zu erreichen.
Nun am Schluß ein paar kurze allgemeine Bemerkungen.
Nachdem die EVG gescheitert ist, nachdem auch die politische Integration nicht weitergeführt werden konnte, haben wir gegenwärtig Ansatzpunkte dafür, daß die Bestrebungen, eine Gemeinschaft und eine Einigung auf wirtschaftlichem Gebiet herbeizuführen, weiterkommen. Ich glaube, es ist realistisch, diese Ziele zunächst auf die sechs Staaten der Montanunion zu beschränken. Ein Darüberhinausgehen führt zu so großen Schwierigkeiten, daß es hoffnungslos wäre, das Projekt auszuweiten. Ich betone aber, daß diese Gemeinschaft nicht gegen das größere Europa gerichtet ist. Im Gegenteil: sie arbeitet für dieses größere Europa deshalb, weil, wenn in einem Teilgebiet eine stärkere Kraft entsteht, dies auch ohne weiteres der Gesamtheit zugute kommt.
Alte Vorstellungen wie die einer kontinentalen Hegemonie, eines Übergewichts, eines notwendigen Gleichgewichts sind durch die weltpolitische Situation völlig überholt. Wir können in unserem kontinentalen Europa nur noch erwarten, daß wir gemeinsam die Kraft finden, uns zu erhalten. Wir können. selbst wenn wir uns noch so eng zusammenschließen, gegenüber den großen Weltmächten nicht mehr führend werden und auch nicht daran denken, irgendwelche anderen europäischen Staaten zu konkurrenzieren. Wir wollen nur ein Zentrum der Einigkeit, ein Zentrum der Überwindung der Spaltung und der Isolierung schaffen. Denn das ist sicher: wir kommen, so gut die wirtschaftliche Entwicklung auch heute ist, über einen gewissen Stand der wirtschaftlichen Expansion nicht hinaus, wenn wir getrennt bleiben. Nur diese Zollunion, nur der Gemeinsame Markt schafft die Möglichkeit eines weiteren Fortschreitens. Wenn wir auch nicht so stark werden wie die Vereinigten Staaten von Amerika, so ist doch einleuchtend, daß ein Gebiet von 150 Millionen Menschen, selbst wenn es räumlich nicht so ausgedehnt und nicht so reich ist, eben weiter kommt als die getrennten Staaten.
Wir wissen genau, daß große Schwierigkeiten zu überwinden sind. Wir wissen genau, daß die Realisierung nicht allein von uns abhängt. Es wäre falsch, einem wirklichkeitsfremden Optimismus das Wort zu reden. Es wäre aber genauso verfehlt, gegenüber der europäischen Entwicklung in einen Pessimismus zu verfallen, der jedes Streben, jedes Handeln hindert.
Ich möchte am Schluß nur eines sagen. Sicher scheint mir das zu sein: Wir können nicht wieder Jahre der Ungewißheit auf uns nehmen, Jahre, in denen völlig offen ist, ob die Pläne realisiert werden können oder ob sie zum Scheitern verurteilt sind. Wir haben Verständnis dafür, daß es Hemmungen gibt - bei uns und bei anderen. Wir haben Verständnis dafür, daß die Kräfte des Alten sich wehren gegen den großen neuen Gedanken. Aber ich glaube, wir müssen die Entschlußkraft aufbringen, und wir müssen sie bald aufbringen. Denn die Zeit arbeitet nicht für uns. Noch haben wir in diesen westeuropäischen Staaten eine relativ günstige Wirtschaftssituation, eine Situation, die es leichter macht, die Opfer zu bringen, die notwendig sind. Wenn eine Krise käme oder wenn nur politische Veränderungen stattfänden, so würde das ganze geplante Werk in Gefahr kommen.
Deshalb meinen meine Freunde und ich, daß es unsere Aufgabe ist - und das entspricht auch den Entschließungen, die Ihnen vorliegen -, die Regierungen zu drängen, bald die notwendigen Verträge abzuschließen. Wenn aber diese Verträge da sind, müssen wir und die anderen Länder alles tun, um die endgültige Entscheidung der Parlamente schnellstens herbeizuführen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Drechsel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sei mir zunächst gestattet, darauf hinzuweisen, daß es mir außerordentlich bedauerlich erscheint, daß wir heute erstmalig in diesem Hause über all die Fragen, die mit der Atomenergie in Zusammenhang stehen, sprechen. Es hätte meiner Auffassung nach schon eher die Notwendigkeit bestanden, und auch die Möglichkeit wäre gegeben gewesen. Ich erinnere, daß uns hier zwei Anfragen - vom 10. September und vom 3. Oktober 1955 -, die von Mitgliedern aller Fraktionen dieses Hauses unterzeichnet waren, vorgelegen haben. Die Beantwortung dieser Anfragen hätte zweifellos beste Gelegenheit gegeben, endlich einmal diese Dinge hier zur Sprache zu bringen, für die ja schließlich die Bundesrepublik seit der Ratifikation der Pariser Verträge, seit Mai 1955, auch zuständig ist. Wenn wir uns schon eher über diese Dinge ausgesprochen hätten, wären auch manche Unklarheiten hier im Hause und in der ganzen Bundesrepublik nicht aufgetreten.
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Ich habe mit großer Freude die Äußerungen von Herrn Bundesminister Strauß gehört, daß die beiden Lösungen, die uns hier vorgetragen werden, Euratom und OEEC, irgendwie in Einklang gebracht werden könnten. So ohne weiteres kann man das eigentlich nicht einsehen; denn die Auffassung von Euratom scheint mir doch in erheblichem Gegensatz zu den Auffassungen zu stehen, die in der OEEC erarbeitet worden sind. Ich erinnere an die Übertragung des Eigentumsrechtes an allen Kernbrennstoffen, auch während der Umwandlung, an das Genehmigungsrecht für Einrichtung und Betrieb von Atomanlagen und an den Übergang aller Rechte, die aus bereits abgeschlossenen Verträgen einzelner Staaten hervorgegangen sind.
Wohl ist gesagt worden, daß Euratom nun allen anderen Ländern offensteht. Aber Herr Kollege Furler hat eben erklärt, er glaube, man sollte sich zunächst einmal auf die sechs Staaten der Montan-Union beschränken, während unserer Auffassung nach der Rahmen besser von vornherein größer gehalten werden sollte, nämlich, was eben möglich ist im Rahmen von OEEC, unter Beteiligung auch der Vereinigten Staaten und Kanadas, die das meines Wissens ja auch in Aussicht gestellt haben.
Ich halte die Lösung von OEEC auch in anderen Dingen für wesentlich glücklicher, weil sie nur eine Koordinierung vorsieht, die auf etwas freiwilligerer Grundlage beruht und einzelnen Ländern die Möglichkeit läßt, sich an Einzelprojekten zu beteiligen oder nicht zu beteiligen. Bei Euratom ist diese Möglichkeit wohl nicht so ohne weiteres gegeben; denn dort wird man zum Gesamten ja sagen müssen, sich aber nicht zu einzelnen Projekten getrennt entscheiden können.
Ich verkenne nicht, daß Euratom gewisse Vorteile hat, gerade durch die beweglichere Form der Organisation, indem man sich dort eine supranationale Behörde schaffen kann, die von der Bürokratie oder von der engeren Betrachtung der einzelnen Staaten unabhängig ist. Das ist zweifellos ein Vorteil.
Ich bin also sehr einverstanden damit, daß man jetzt versucht, in Verhandlungen - wie es gesagt worden ist - irgendeine Zusammenführung der beiden Ansichten zu erreichen und sich dann vielleicht auf einer gemeinsamen Basis zu finden.
Grundsätzlich scheint mir aber notwendig zu sein, bei allen Überlegungen davon auszugehen, daß die Freiheit der technischen Entwicklung gesichert sein muß. Diese Freiheit ist auch unerläßlich - das haben wir doch nun im Laufe der Zeit erfahren -, um wirklich neue Entwicklungen zu finden. Trotzdem muß natürlich eine Ordnung im Rahmen des Gemeinschaftslebens im einzelnen Staat und auch im zwischenstaatlichen Verkehr gegeben sein. Die Aufgabe wird sein, hierfür die günstigsten Bedingungen zu schaffen.
Es ist nur die Frage, ob man heute schon so weit gehen kann, die hier vorgelegte Drucksache 2229 mit zu unterzeichnen und schon als eine Grundlage für die weiteren Maßnahmen der Bundesregierung zu beschließen. Mir scheint gerade aus der Diskussion, die hier stattgefunden hat, aus den Äußerungen von Herrn Kollegen Schmid, aus den etwas gegensätzlichen Äußerungen des Herrn Bundesatomministers und auch von Herrn Kollegen Furler sich herauszukristallisieren, daß man sich selbst hier in diesem Hause noch nicht ganz klar ist. Das ist kein Wunder; denn auch die Herren in Brüssel sind ja mit ihren endgültigen Besprechungegn durchaus noch nicht am Ende, und es ist gesagt worden, daß die Berichte von OEEC und von Euratom in Arbeit sind und vorgelegt werden sollen. Unserer Auffassung nach sollte man, bevor man in diesem Hause zu einer Entscheidung darüber kommt, welcher Weg nun gegangen werden soll - wobei wir doch von vornherein wissen müssen, daß der erste Schritt auch weitere Schritte nach sich ziehen wird, man sich also den ersten Schritt besonders gut zu überlegen hat -, zunächst einmal abwarten, die Berichte prüfen und sie dann in ausführlichen Unterhaltungen in eine Übereinstimmung mit den etwas verschiedenen Auffassungen auch hier in den einzelnen Fraktionen bringen.
Es ist demnach die Frage, ob wir heute schon so weit gehen sollen. Wir in Deutschland beginnen ja - das ist auch gesagt worden - in der Atomenergiefrage eigentlich etwa bei Null. Wir sind überhaupt noch nicht die gewichtigen Partner, die etwas bieten können. Wir haben wahrscheinlich Mühe, die Organisationen und die vielen Komitees, die gebildet worden sind, mit Sachverständigen zu besetzen. Wir haben eine Handvoll Wissenschaftler, eine Handvoll Techniker, eine Handvoll Physiker, die sich mit diesen Fragen beschäftigt haben und über das nötige Sachverständnis verfügen, um uns in diesen notwendigen Ausschüssen zu vertreten. Wir haben eigentlich praktisch noch gar nicht begonnen.
Wir haben uns im letzten Jahre in der Bundesrepublik sehr viel über Organisationen unterhalten. Wir haben manchmal den Eindruck, daß wir die Organisationen für wichtiger halten als die eigentliche Arbeit. Wir haben hier in der Bundesrepublik viele Fachzeitschriften bekommen. Aber wir haben eins noch nicht in die Wege geleitet: die Ausbildung der Fachkräfte, die notwendig sind, um im Laufe der Jahre, und zwar in kürzester Zeit, zur Verfügung zu stehen. Bevor wir diese Grundlagen nicht geschaffen haben, sollten wir, glaube ich, bei einer internationalen Zusammenarbeit zurückhaltend sein; denn erst muß im eigenen Lande ein organisatorisches und auch gesetzlich gesichertes Fundament vorhanden sein. Hier ist die Frage, ob wir dieses Fundament haben, und ich meine, wir werden wohl sagen müssen, daß wir es nicht haben.
Wir müssen uns also selbst etwas konsolidieren. Deshalb haben wir die Bitte, die beiden Anträge Drucksachen 2152 und 2229 zunächst dem Ausschuß für Atomenergiefragen zur weiteren Überprüfung und vielleicht zur Neuformulierung zu überweisen. Herr Kollege Furler hat auf die zwei Punkte hingewiesen, die auch uns bei diesem Gemeinschaftsantrag bedenklich erscheinen. Dies ist einmal der Gesichtspunkt der ausschließlich friedlichen Entwicklung, der darin festgelegt werden soll. Auch wir sind der Auffassung, daß man das in den Vordergrund stellen soll. Aber für mich bestehen Zweifel, ob man sich bei den sechs Mitgliedstaaten von Euratom auf die ausschließlich friedliche Entwicklung der Atomenergie beschränken wird. Bisher jedenfalls hat wenigstens einer dieser Mitgliedstaaten eine andere Auffassung vertreten, und es würde nun zu klären sein, ob er sich jetzt offiziell verpflichten will, ausschließlich die friedliche Entwicklung der Atomenergie zu betreiben. Dann ist doch sehr die Frage, wie man die
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militärische Verwendungsmöglichkeit der Atomenergie von ihrer friedlichen Verwendungsmöglichkeit trennen kann. Meiner Ansicht nach kann man das nicht; das greift weitgehend ineinander über, und es wird sehr schwer sein, irgendwelche bestimmten Begrenzungen zu ziehen.
Weiterhin hat Herr Kollege Furler auf ein Bedenken hingewiesen, das ich teile: die Übertragung der Eigentumsrechte an die Kommission. Wir sind der Auffassung, daß das absolut nicht notwendig ist.
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Wir haben im Kernenergiegesetzentwurf, der von meinen Freunden vorgelegt worden ist, auch einen Weg gewiesen, wie man ohne Übertragung der Eigentumsrechte genügend Kontrollfunktionen ausüben kann. Auch Herr Kollege Furler ist der Auffassung, daß man ausreichende Kontrollen ohne Eigentumsübertragung durchführen kann. Diese Kontrollen müssen aber dann bei den einzelnen Staaten liegen. Es ist gar nicht notwendig, daß man nun einer supranationalen Behörde die Kontrollen bis in die einzelnen Betriebe jedes Landes überträgt. Diese Aufgabe könnte durchaus im Lande zusammengefaßt werden, und eine Kommission oder eine hoheitliche Stelle könnte die Verantwortung dafür übernehmen, daß die Kontrollen im Lande auch richtig durchgeführt werden. Dazu bedarf es keiner Eigentumsübertragung auf eine Organisation oder etwa gar auf eine supranationale Kommission. Diese Fragen sollten wir uns etwas näher überlegen.
Wir sind der Auffassung, daß man die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Kernenergie sehr ernsthaft betreiben sollte. Wir sollten uns aber hüten, uns bei der Verwirklichung einer so hervorragenden Idee von politischer Leidenschaft leiten zu lassen und die nüchternen Überlegungen in den Hintergrund zu stellen. Zweifellos handelt es sich nicht allein um eine ökonomische Frage, die hier zu behandeln ist, sondern auch um eine politische, und man sollte deshalb gerade die realpolitischen Überlegungen mit in den Vordergrund stellen. Selbstverständlich muß Europa auf diesem Gebiet seine Kräfte und Mittel zusammenfassen, um mit der Entwicklung in der Welt Schritt halten zu können. Hierin stimme ich den Vorrednern absolut zu. Es erscheint mir nur zweifelhaft, ob es dabei notwendig ist, so weit zu gehen, wie es der Antrag vorsieht. Herr Kollege Furler hat erklärt, daß es sich eigentlich nur um Grundsätze handelt, die angenommen werden sollten. Je nach dem Ergebnis der Brüsseler Verhandlungen oder nach sonst sich ergebenden Gesichtspunkten könne man dann noch ändern und modifizieren. Für einen unbefangenen Leser werden in diesem Antrag aber immerhin Grundsätze festgelegt und anerkannt. Beispielsweise steht unter Ziffer 2 a ausdrücklich, daß die Kernbrennstoffe, die hergestellt werden, der Kommission ausschließlich als Eigentum übertragen werden sollen, und unter Ziffer 2 b, daß die Errichtung und der Betrieb von Atomanlagen der Kommission zur vorherigen Genehmigung unterbreitet werden müssen. Hierin sind also zweifellos Grundsätze enthalten, die eine unterschiedliche Auffassung zulassen, wie es auch in der Debatte zum Ausdruck gekommen ist. Herr Kollege Schmid hat daraus die absolut kollektivistische und dirigistische Methode herausgelesen, während Sie, Herr Kollege Furler, eine etwas lockere Form in den Vordergrund gestellt haben.
Ich möchte damit abschließend noch einmal unsere Bedenken gegen den Antrag Drucksache 2229 zum Ausdruck gebracht und begründet haben, warum dieser Antrag von uns nicht unterzeichnet worden ist, obwohl wir grundsätzlich sehr wohl auf dem Standpunkt stehen, daß auf diesem Gebiet eine europäische Zusammenarbeit erreicht werden muß. Wir fürchten nur, daß schon diese Formulierung eine Voraussetzung schafft, die uns vielleicht in irgendeiner Phase Schwierigkeiten machen und Spannungen verursachen kann, was nicht im Interesse des europäischen Zusammenschlusses liegt. Deshalb nochmals meine Bitte, daß wir diesen Antrag zunächst dem Ausschuß überweisen, um ihn dort zu überprüfen und, wenn notwendig, zu ändern.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Blank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, die uns unter 1 b und 1 c der heutigen Tagesordnung beschäftigt, ist, wie mir scheint, nun schon sehr gründlich erörtert worden. Ich glaube, daß ich mich daher auf einige ganz kurze Bemerkungen beschränken kann. Sie sollen sich insbesondere damit befassen, daß der Kollege Drechsel nach meiner Meinung aus der Drucksache 2229 etwas mehr herausliest, als bei dem tatsächlichen Stand der Dinge darin steht. Der Vordersatz dieses Entschließungsentwurfs mit den Grundsätzen zeigt, daß im weiteren Verlauf nicht etwa Festlegungen erfolgen, die irrevisibel wären. Der Herr Bundesminister für Atomfragen hat vorhin mit Recht gesagt, daß zwei wirklich abschließende und in Sachen Atom zweifellos sachverständigere Berichte demnächst vorliegen werden als das, was in einem relativ frühen Zeitpunkt, nämlich Mitte Januar, das Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa in Paris überhaupt beschließen konnte.
Ich bin mit den Vorbehalten, die Herr Kollege Furler bezüglich des Eigentums gemacht hat - im Hinblick auf das, was in der Entschließung steht - völlig einverstanden und unterstreiche noch einmal, daß das Eigentum an den Kernbrennstoffen hier nur zum Zwecke der Kontrolle gefordert wird. Die Kontrolle kann, davon sind wir überzeugt, auf anderem Wege genauso gut und wirkungsvoll sichergestellt werden. Daß die Kontrolle aber erforderlich ist, wollen wir uns doch einmal, bitte, angesichts der ungeheuerlichen Gefahren klarmachen, die für die Gesundheit der Bevölkerung entstehen können, wenn nicht die zum Teil noch gar nicht entwickelten Sicherheitsvorschriften eines Tages wirklich so durchgeführt werden, daß der Bevölkerung auch bei der friedlichen Verwendung von Kernbrennstoffen keine Schäden erwachsen.
Zu der Ausgestaltung der europäischen Kommission - oder wie immer man es nennen will -, die nun eines Tages die Befugnisse der Kontrolle auf der einen Seite und die Zuständigkeiten für die Förderung im Rahmen der Gemeinschaft Euratom - oder wie immer sie heißen wird - auf der anderen Seite haben soll, möchte ich gern etwas aussprechen, was mir sehr wichtig erscheint. Viele Leute sind vielleicht geneigt, in dem Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
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ein Vorbild für einen Vertrag zu erblicken, der auch über die europäische Atomkommission zu schließen wäre. Ich bitte, doch einmal zu bedenken, wie außerordentlich verschieden die Verhältnisse hier liegen. Einerseits ist es durchaus unerwünscht, daß neben eine vorhandene und - wie heute gesagt wurde - auch funktionierende Teilintegration auf dem Gebiet von Kohle und Stahl nun eine weitere Teilintegration auf dem Gebiete der Atomenergie gestellt würde. Außerdem haben wir im Vertrag über die Montanunion ein Vertragswerk vor uns - es war erstmalig in seiner Art in der Weltgeschichte, wir haben aber inzwischen 31/2 Jahre Erfahrungen sammeln können -, in dem man es für richtig gehalten hat, eine mit allen entscheidenden Vollmachten ausgestattete zentrale Autorität, die Hohe Behörde, zu schaffen. Außerdem wurde dieser Hohen Behörde in dem auf 50 Jahre bemessenen Vertrag eine Vollmacht übertragen, die mit tausend Einzelvorschriften in einer ganz besonders kasuistischen Form festgelegt war. Das sollten wir auf keinen Fall bei einem technisch, wirtschaftlich und wissenschaftlich so neuen und nach allem, was man darüber erfährt, so wenig entwickelten Gebiet wie dem der Kernenergie tun. Hier werden wir eine sehr viel elastischere Form finden müssen. Daß das notwendig ist, ist in erfreulicher Weise auch gelegentlich der Tagung der Gemeinsamen Versammlung in der vorigen Woche in Brüssel von allen Seiten in gleicher Weise zum Ausdruck gekommen.
Wir wollen aber - das wird auch sehr wichtig sein - niemals Atomenergie als ein Ding an sich betrachten. Die Atomenergie gehört auch in den Rahmen der klassischen, der allgemeinen Energiewirtschaft.
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- Sicherlich; von der Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen und Kontrollen habe ich ja eben ziemlich ausführlich gesprochen. Sie gehört, wenn man es wirtschaftlich betrachtet, in diesen Rahmen mit hinein, und das Ganze gehört - alle Kontrollen selbstverständlich zugestanden - in den Rahmen der Gesamtwirtschaft der Länder, die sich hier zusammentun wollen und sollen.
Wir wollen und müssen auf dem Gebiet der Atomenergie ebenso einen gemeinsamen Markt schaffen, wie wir es möglichst auf dem ganzen wirtschaftlichen Gebiet erreichen wollen. Die zeitliche Abfolge wird voraussichtlich etwas verschieden sein, weil es durchaus denkbar und möglich erscheint, bezüglich der Atomenergie verhältnismäßig schnell zu einem Einverständnis zu gelangen, möglichst mit der von mir soeben geforderten Elastizität, während - das ist ja alles im einzelnen vorgetragen worden - die Schaffung des allgemeinen europäischen gemeinsamen Marktes nach den jetzigen Überlegungen eine Zeitspanne von 12 bis vielleicht sogar 15 Jahren einnehmen wird. Hier glauben wir, daß eine vernünftige Verbindung des Euratom-Projekts und des Projekts des gemeinsamen Marktes in der Weise hergestellt werden sollte, daß man sich, wenn man verhältnismäßig bald zu einer Einigung über die Kernenergie kommen sollte, gleichzeitig zum mindesten in der Form eines pactum de contrahendo dazu verpflichten sollte, daß der gemeinsame Markt, dessen Zweck hier auch schon nachdrücklich erläutert worden ist, nicht in den Hintergrund tritt und in Vergessenheit gerät.
Der Kollege Drechsel hat Bedenken geäußert, daß wir praktisch als nichtgewichtiger Partner, der von Null ausgehen muß, in die europäische Atomgemeinschaft eintreten würden. Demgegenüber möchte ich betonen, daß wir nach meiner Überzeugung kaum erwarten dürfen, daß, wenn wir uns in stolzer Isolierung allein entwickeln wollen, wir etwa schneller weiterkommen, als wenn wir uns der besonderen Möglichkeiten der gemeinsamen Anstrengung bedienen.
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- Er hat ernste Bedenken geäußert, daß wir von Null ausgehen, und hat gesagt, wir seien kein gewichtiger Partner und müßten uns allein entwikkeln. Ich habe ihn so verstanden. Ich weiß nicht, ob das Haus den Herrn Drechsel anders verstanden hat. Jedenfalls glaube ich, daß das gemeinsame Interesse der sechs Länder, die sich bisher vorgenommen haben, auf diesem Gebiet gemeinsam zu arbeiten, doch darin liegt, alle geistigen und materiellen Kräfte in einem wirklich auf den Fortschritt gerichteten Geist zu vereinigen, und daß daraus erheblich mehr hervorgehen kann.
Unter diesen Gesichtspunkten haben meine Freunde und ich auch keine Bedenken getragen, uns dem Antrag auf Drucksache 2229 anzuschließen. Ich glaube, es wird alle Gelegenheit bestehen, den auch uns natürlich auftauchenden Bedenken in der weiteren Gestaltung - von den Staatsverträgen, zu denen es ja schließlich kommen muß, sind wir noch weit entfernt - Rechnung zu tragen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, die Vorbehalte zu wiederholen, die mein Freund Drechsel und mehrere Vertreter der Koalition, insbesondere auch die Herren Bundesminister, hier ausgesprochen haben. Ich möchte gegenüber der Bemerkung, die der Herr Kollege Blank eben gemacht hat, doch sagen: Es ist nicht so, daß man, wenn man nun nicht alles, was in dieser Resolution niedergeschrieben ist, für richtig hält - und Sie selbst halten es ja nicht für richtig -, gar nichts will. Das war ja nicht gemeint. Gemeint ist: wir wollen uns die Möglichkeit, zu einer Verbindung der beiden Projekte zu kommen, die beide wertvolle Gesichtspunkte enthalten, nicht verbauen. Wozu uns also festlegen auf Elemente der einen Seite, die unter Umständen ein Hindernis für die Synthese beider Projekte darstellen? Der Wunsch, den ich hier wiederhole, das im Ausschuß noch einmal zu überprüfen, scheint mir schon deshalb sehr berechtigt zu sein, weil ja auch in anderen Gremien noch keine richtige Verhandlungsgrundlage vorgelegen hat. Ich erinnere mich an die Unterhaltung, die vor einigen Tagen in Brüssel in der Commission des affaires générales stattgefunden hat, wo wir ja sogar in bezug auf die Berichterstattung der Meinung gewesen sind, daß, solange nicht die endgültigen Formulierungen der Projekte und ihre Begründungen vorliegen, im Grunde genommen nicht einmal ein wirklich für die Diskussion brauchbarer Bericht vorgelegt werden kann; wieviel weniger also eine Entschließung, die uns in ganz bestimmten Punkten festlegt und bei der wir sogar von der Regierungsseite hören,
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daß gerade in diesen Punkten eine Festlegung eigentlich gar nicht erwünscht ist!
Aber ich wollte im Grunde genommen nur in Ergänzung der Ausführungen meines Freundes Drechsel etwas über den gemeinsamen Markt sagen. Die merkwürdige Verbindung des Themas Euratom auf der einen Seite mit dem Thema gemeinsamer Markt auf der anderen Seite ist ja nicht ganz zufällig. Es geht, wie eben auch vom Herrn Kollegen Blank gesagt worden ist, nicht nur um den gemeinsamen Markt für die Verwertung der Kernenergie, sondern es geht um den gemeinsamen Markt überhaupt. Lassen Sie mich hier noch einmal auf eines hinweisen. Ich höre die Ausführungen, die in dieser Beziehung gemacht werden, manchmal mit einer gewissen Wehmut, weil sie mich an gewisse Ausführungen in der Weimarer Zeit erinnern, wo jede Regierung, jede deutsche Reichsregierung, jede französische, jede andere Regierung beim Amtsantritt in einer Regierungserklärung sich feierlich vor der Welt verpflichtete, an dem Abbau der internationalen Handelsschranken tatkräftig mitzuwirken. Das, was in Wirklichkeit geschah, veranlaßte einen klugen Berliner Bankier zu dem Scherzwort: „Schutzzoll per Kasse, Freihandel auf Termin!"
Ich habe manchmal die Befürchtung, als gäbe es Kreise in Europa, die den Wunsch haben, es möge wieder ebenso sein, und ich glaube, dieser Wunsch ist angesichts der bevorstehenden Möglichkeiten einer zweiten industriellen Revolution durch die Verwertung der Kernenergie nicht mehr am Platze. Ich bin wirklich und aufrichtig der Meinung - und das ist auch die Meinung meiner Freunde -, daß eine so weitgehende Entwicklung der Verwertung der Kernenergie in einer sich entwickelnden europäischen Wirtschaft -- wie wir sie wünschen müssen, wenn wir nicht eines Tages in den Rang eines unterentwickelten Gebietes kommen wollen - organisch überhaupt nur möglich ist, wenn sie sich gleichzeitig mit der Entwicklung des gemeinsamen Marktes überhaupt vollzieht, eines gemeinsamen Marktes, der nicht auf den Markt der sechs beteiligten Länder der Montanunion beschränkt bleiben kann, sondern der - mit welchen Mitteln auch immer - der wirkliche gemeinsame europäische Markt sein muß und auch sein kann.
Ich darf vielleicht einmal daran erinnern, daß man so gerne und so oft die Geschichte des Deutschen Zollvereins als Vorstufe nicht nur der Reichsgründung, sondern auch als Instrument zur Entwicklung einer deutschen Volkswirtschaft ansieht. Eine Seite des Beispiels ist vielleicht nicht ganz brauchbar; denn jene Zeit war eben die Zeit, in der die Grundlagen der industriellen Entwicklung gelegt wurden. Das Beispiel ist aber nach einer anderen Richtung hin doch sehr brauchbar, weil es nämlich bestätigt, daß sich die Grundlagen der europäischen Industriealisierung - d. h. die Standortverteilung der industriellen Produktion in Europa - im Grunde genommen im Zeichen des Freihandels entwickelt haben. Das heißt: Wir haben schon einmal so etwas wie eine integrierte europäische Wirtschaft gehabt, - nicht eine Integration, die man macht, sondern eine, die man zuläßt, und Freihandel ist nicht anderes, als die Integration des großen Marktes zuzulassen.
Die Periode des nationalstaatlichen Imperialismus, die uns dann in den ersten Weltkrieg gebracht hat, und die verzweifelten Bemühungen einsichtiger Frauen und Männer nach dem ersten Weltkrieg, die Folgen dieser Entwicklung durch einen allgemeinen Abbau der Handelsschranken wieder zu beseitigen, kennen wir ja alle.
Nun stehen wir wieder vor dieser Aufgabe. Wiederum geht es darum, diesem Europa die Möglichkeit zu geben, eine Entwicklung nun endlich wieder zu vollziehen, deren Grundlagen ja längst vorhanden sind, und sich damit gleichzeitig auf eine industrielle Entwicklung vorzubereiten, die uns bevorsteht und die wir wollen, weil sie die Entwicklung der Zukunft ist.
Nun weiß ich auch, meine Damen und Herren, daß man so argumentieren kann: Vielleicht schaffen wir zunächst einmal im Raum der sechs an der Montanunion beteiligten Länder den gemeinsamen Markt!
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Ich weiß aber auch, daß sich hier unter Umständen Differenzierungen vollziehen können, die eine Erweiterung später erschweren. Ich bin deshalb durchaus der Meinung - die ja der Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard immer vertritt -, daß wir beides gleichzeitig versuchen müssen. Bei allen Bemühungen, dem gemeinsamen Markt Europa durch den gemeinsamen Markt der Montanunion-Länder sozusagen eine Brücke zu bauen, dürfen wir niemals vergessen, daß das nur eine Vorstufe sein kann und sein darf. Die Entwicklung der nuklearen Energie in der industriellen Produktion, die uns eines Tages in dieser Welt als Europäer industriell gleichwertig macht, ist nur möglich, wenn die markttechnischen Voraussetzungen dieser Entwicklung ganz Europa umfassen. Deshalb bin ich etwas vorsichtig in der Bewertung dessen, was jetzt im Zusammenhang mit Euratom, diesem Projekt, das nun von Messina ausgeht und uns vorgelegt ist, unter Umständen riskiert wird. Ich weiß, daß eine Gefahr nicht besteht, wenn wir wachsam sind. Aber ich glaube, diese Wachsamkeit ist dringend vonnöten, wenn wir gerade dem, was durch die friedliche Entwicklung der atomaren Energie geschaffen werden soll, nicht den Weg verbauen wollen.
Ein allerletztes Wort, meine Damen und Herren, und eine Warnung! Wir wissen alle, daß die Herstellung eines gemeinsamen Marktes im Raume der Sechs oder in größerem Raume hier und da zu Schwierigkeiten führen wird. Es ist davon gesprochen worden, daß es genau wie in der Montanunion, sagen wir, einen Härtefonds geben sollte, ja, geben muß. Meine Damen und Herren, ich darf Sie vielleicht daran erinnern, daß wir über einen solchen Härtefonds schon einmal verfügt haben. Es war sehr wenig erfreulich, als eines Tages eine Delegation des amerikanischen Kongresses in Straßburg war und den Europäern sagte: Was habt ihr denn eigentlich mit den Marshallplangeldern gemacht? Denn die ursprüngliche Idee der Marshallplanhilfe war doch, Hilfestellung zur Überwindung derjenigen Schwierigkeiten zu leisten, die sich bei der Herstellung eines gemeinsamen europäischen Marktes nach jahrzehntelanger Differenzierung selbstverständlich ergeben. Der nationalstaatliche Egoismus hat daraus etwas völlig anderes gemacht.
Ich möchte aus zwei Gründen, daß wir jetzt nicht noch einmal in diesen Fehler verfallen, einmal, weil es so eben nicht geht und wir nicht zur Gemeinsamkeit kommen, und zweitens, weil der größte Bundesgenosse oder, ich möchte beinahe sagen, der größte Europäer, den es heute gibt - mindestens also der stärkste Bundesgenosse der europäischen Integration -, durch die Vereinigten Staaten von Amerika dargestellt wird. Es wäre sehr bedauer({2})
lieh, wenn die Vereinigten Staaten in dieser Beziehung an uns zweifelten; sie haben aus ihrem Verhalten zwischen den beiden Weltkriegen gelernt, als Stärkste berufen zu sein, denen, die durch die Entwicklung zurückgedrängt worden sind, zu der Entwicklung zu verhelfen, die allein in der Zukunft dieser Erde ihnen einen Bestand ermöglicht.
Aus all diesen Gründen möchte ich, daß wir, gerade weil wir über Euratom und ähnliche Dinge sprechen, die Frage der gleichzeitigen Entwicklung des gemeinsamen- Marktes außerordentlich ernst nehmen.
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Herr Abgeordneter Dr. Kreyssig, ich habe eine Wortmeldung von Ihnen. Wollen Sie nur zu dieser Atom- und Energiefrage, den Punkten 1 b und 1 c, sprechen?
({0}) - Dann bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Furler sehr dankbar, daß er dem Hause gegenüber einen Teil der Berichterstattung über die Arbeit des Montanparlaments in Brüssel in der letzten Woche übernommen hat. Aber trotz der Courtoisie, die wir uns in diesem Montan-Parlament angewöhnt haben, weil wir dort ein sehr sympathisches internationales Klima vorfinden, das sehr viel Verständnis für die Nationalitäten, Gruppen und Individualitäten verlangt, muß ich dem Herrn Kollegen Furler sagen, daß er in einem Punkt zumindest nicht ganz korrekt berichtet hat. Es hat sich in Brüssel nicht darum gedreht, daß die drei politischen Gruppen des Montanparlaments eine gemeinsame Resolution zu den Atomfragen fassen wollten, sondern es war die Frage gestellt worden, ob man es tun solle. Die sozialistische Gruppe jedenfalls hat erklärt: Wir halten das aus mehreren Gründen für voreilig und für viel zu früh. Erstens wußten wir nicht, in welcher exakten Form die Arbeiten der Messina-Kommission eines Tages in Erscheinung treten werden. Zweitens war uns im Montan-Parlament ein Bericht vorgelegt worden, der die persönliche Meinung eines Berichterstatters wiedergab, dem wir aber mit der Höflichkeit, die bei uns ab und zu herrscht, gestattet hatten, seine persönliche Meinung als Diskussionsgrundlage vorzulegen. Wir haben uns dann, weil wir, ohne eine konkrete, echte Diskussionsgrundlage zu haben, unsererseits dazu nicht Stellung nehmen konnten, darauf beschränkt, eine Erklärung abzugeben. Es ist eine gute Sitte in diesem Montan-Parlament, daß die einzelnen politischen Gruppen ihre Meinung in einer Stellungnahme bekanntgeben, die dieses Hohe Parlament sich in vorbildlicher Weise angewöhnt hat zur Kenntnis zu nehmen, damit man weiß, was der einzelne Partner über eine Sache denkt. Das wird sich hier wahrscheinlich niemals realisieren lassen. Ich wollte es aber hier einmal erwähnen, damit man sieht, daß es Parlamentsformen gibt, die ausgezeichnet sind, ohne daß es etwa dahin führt, daß die echte Gegnerschaft in grundsätzlichen Fragen verwischt würde.
Die sozialistische Gruppe jedenfalls hat zu der entscheidenden Frage des Eigentums an den Kernbrennstoffen erklärt, daß die sozialistischen Mitglieder des Montan-Parlaments - und ich kann das hier zugleich für die ganze sozialdemokratische Bundestagsfraktion sagen - der Meinung sind: Wenn man öffentliche Gelder in erheblichem Umfange dafür in Anspruch nimmt, die Forschung durchzuführen und die Pionieranlagen zu schaffen, dann haben wir in einer Sache, bei der das allgemeine Interesse so absolut vorrangig ist, kein Verständnis dafür, daß nachher die Privatindustrie die Möglichkeit haben soll, mit dieser gefährlichen Materie erhebliche Profite zu machen. Das ist eine entscheidende Frage, vielleicht auch eine grundsätzliche Frage.
Ich darf Sie zu Ihrer weiteren Informierung über die Vorgänge im Montan-Parlament noch auf folgendes hinweisen, und Kollege Furler wird mir das sicher nicht übelnehmen, sondern eher sogar dankbar sein. In der ursprünglichen Fassung der Erklärung, die die Christlich-Soziale Gruppe in Brüssel abgeben wollte, war ein Passus enthalten, der der freien Initiative ausdrücklich freie Hand geben und sie fördern sollte. Ich weiß, zumal ich mit so manchem dieser Kollegen wegen der gemeinsamen Resolution über den gemeinsamen Markt gesprochen habe, daß es auch innerhalb dieser Gruppe bei dieser Eigentumsfrage sehr erhebliche Unterschiede und Vorbehalte, jedenfalls Meinungsdifferenzen gegeben hat. Die ChristlichSoziale Gruppe im Montan-Parlament hat sich dann klugerweise darauf beschränkt, zu sagen, daß die „konstruktiven Bemühungen der Privatinitiative" ermöglicht werden sollten. Nun, dagegen ist wenig einzuwenden. Herr Furler schmunzelt; er kennt genau die kleine Finesse: gegen „Initiative" der Privatindustrie ist nichts einzuwenden. Die Frage ist nur, ob sie das machen kann mit Brennstoffen, die ihr gehören, oder mit Brennstoffen, die sie zur Dienstleistung geliehen bekommt. Ich erinnere daran, daß der sehr kluge Präsident der Hohen Behörde, Herr René Mayer, sich in einer sehr kurzen, knappen Schlußansprache zu diesem Thema ausgezeichnet geäußert hat, und ich empfehle vor allem den Kollegen der FDP, das einmal nachzulesen. Es besteht die Hoffnung, daß sie dann vielleicht zu der Auffassung kommen, daß die Lösungen, die da vorgesehen sind, möglicherweise zweckmäßiger sind als das, was in ihrem Gesetzentwurf steht. - So weit zu den Fragen der Atomenergie und der damit zusammenhängenden Probleme.
Ich bedaure außerordentlich - und das sind wieder Dinge, die wir aus anderen Parlamenten kennen -, daß die beiden Herren Bundesminister, die hier offizielle Erklärungen abgegeben haben, nicht auf den eigentlich selbstverständlichen Gedanken gekommen sind, uns die Texte ihrer Ausführungen, während sie sie vorlasen, auf den Tisch legen zu lassen. Es ist sehr schwer, sofort den Inhalt der Rede, die man nur hört, zu erfassen oder gar darüber zu diskutieren. Ich will mich deshalb nicht darauf einlassen; ich könnte falsch gehört haben. Aber wenn der Herr Atomminister in seiner Erklärung gesagt haben sollte, man solle zunächst alles laufen lassen, um es dann möglicherweise in Etappen zurückzuentwickeln, dann hätte ich doch starke Bedenken.
Viel stärker aber sind meine Bedenken gegenüber dem, was ich vom Herrn Bundeswirtschaftsminister gehört habe, der sich heute mit der an ihm gewohnten Bescheidenheit als „Staatsmann mit besonderen Qualitäten" charakterisiert hat. Er hat erklärt, welche Prinzipien über den gemeinsamen Markt die Bundesregierung verfolgen will oder verfolgt. Er hat einiges gesagt, was vollkommen richtig ist. Er hat sehr viel schöne Worte gebraucht, mit denen die Praktiker aus dem Montanparlament, die mit Kohle und Stahl zu tun haben,
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wenig anfangen können. Ich möchte zu dem, was Kollege Reif gesagt hat, zu dem, was Kollege Furler ausgeführt hat, und zu dem, was in der Tagespresse und in vielen Zeitschriften zu diesem Problem des gemeinsamen Marktes geschrieben und gesagt wird, doch auf folgendes hinweisen. Ich teile die Besorgnis, die einer der Kollegen hier ausgesprochen hat, daß es heute schon wieder sehr viele merkwürdige Europäer gibt, die sagen: wir sind für den gemeinsamen Markt, und die dann das Gefühl haben: da haben wir eine schöne Visitenkarte herausgesteckt und brauchen nicht mehr sehr viel zu machen, um dieses Europa zu vereinigen.
Es gibt hier einige entscheidende Notwendigkeiten, und ich möchte zwei, drei Dinge, die ich in der Erklärung der Bundesregierung vermißt habe und die Herr Professor Erhard vergessen oder an die er offensichtlich nicht gedacht hat, mit knappen Sätzen sagen. Es ist zunächst einmal eine absolute Selbstverständlichkeit - darüber war auch erfreulicherweise eine übereinstimmende Meinung im Montanparlament vorige Woche in Brüssel vorhanden, wo wir uns in den Sitzungen der Arbeitsgruppe und in den verschiedenen Fachausschüssen mit diesen Fragen sehr gründlich und mit relativ viel Sachkenntnis unterhalten haben -, daß sich der gemeinsame Markt unter keinen Umständen darin erschöpfen kann, daß man die Freizügigkeit von Gütern, Sachleistungen, Menschen und Kapital herbeiführt. Diese Freizügigkeit ist mehr oder minder auch heute gegeben; dazu braucht man keinen gemeinsamen Markt. Aber viele Leute sagen: wenn wir ihn proklamieren und sozusagen die Liberalisierung noch weiterführen, ist alles Notwendige geschehen. Das Entscheidende, was für den gemeinsamen Markt und für das Gelingen eines gemeinsamen Marktes notwendig ist, ist jedoch die Harmonisierung der Wirtschafts- und der Währungspolitik und die Koordinierung der Sozial-und Fiskalpolitik. Sonst geht die Sache nicht, oder sie geht schief.
Dann möchte ich auf ein Zweites hinweisen; ich habe das in Brüssel getan, und es scheint mir notwendig zu sein, das auch hier in unserem eigenen Parlament zu tun. Wer die Vorstellung hat, daß der gemeinsame Markt irgendwie zu der mechanischen Maximierung des Sozialproduktes führen müßte, wie wir das aus einer jahrzehntelangen Entwicklung in Amerika kennen, begeht ebenfalls wieder einen Riesenfehler; denn das kann nicht das Ziel des gemeinsamen Marktes in Europa sein. Warum nicht? Damit komme ich zum dritten Punkt: Weil dieses Europa ein Erdteil ist, in dem die Völker durch jahrzehnte-, oft jahrhundertelange Traditionen gewachsen sind, wo sie „Persönlichkeiten" und Individualitäten geworden sind. Das muß man bewahren können. Es kann also für Europa, auch wenn es zunächst nur sechs Staaten sind - wir alle hoffen, daß die Zahl möglichst bald über sechs hinausgeht -, bei der Schaffung eines gemeinsamen Marktes nicht darauf ankommen, zu einer mechanischen Gleichmacherei zu kommen.
Damit komme ich zu dem letzten Anliegen, das ich hier noch vortragen möchte. Wenn ich die Zeitungen und Zeitschriften lese - und auch in der Diskussion mit vielen, sogar gutwilligen Menschen -, habe ich immer - und sicherlich auch der eine oder andere von Ihnen - den Eindruck: man sagt: „wir wollen den gemeinsamen Markt", und man hat das Gefühl, als sei das schon wieder ein Dogmageworden, - man brauche nur den gemeinsamen Markt zu schaffen, und alles werde automatisch schöner und besser. Die Schaffung des gemeinsamen Marktes bringt keineswegs automatisch die Besserung der Lebenshaltung. Sie bringt keineswegs die Steigerung der Produktion. Wer das annimmt und glaubt, begeht einen großen Fehler. Um zu einer wirklichen Produktivitätssteigerung zu kommen, ist es Voraussetzung, daß die Dinge, die ich vorher erwähnt habe, beachtet und auch wirklich praktiziert werden.
Einer der Punkte jedenfalls, auf die wir Sozialdemokraten entscheidendes Gewicht legen, ist die Position und die Stellung des Menschen in diesem gemeinsamen Markt. Wir haben aus den dreieinhalb Jahren Praxis der Montangemeinschaft doch gerade diesen einen entscheidenden Punkt in aller Klarheit erkannt, daß nämlich der schöne Vertrag nicht ausreichend war, um die Hebung der Lebenshaltung der Menschen der beteiligten Länder wirklich herbeizuführen. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, die Stahlarbeiter und die Bergarbeiter in diesen sechs Ländern haben bisher nicht den Eindruck bekommen, daß sich durch die Schaffung des gemeinsamen Markts für diese beiden Grundstoffe ihre persönliche und menschliche Lage so gebessert hat, daß sie in dieser Gemeinschaft wirklich einen großen Fortschritt sehen.
Wir sind uns im Montanparlament in dieser Frage alle einig. Daher die Bemühung, durch die Vertragsänderung und -erweiterung der Hohen Behörde die Vollmachten und Möglichkeiten auf dem sozialen Gebiet zu geben, die sie bisher nicht gehabt hat.
Aber daß es in diesem gemeinsamen Markt noch auf etwas ankommt: daß man dahin kommt, den Menschen die Angst zu nehmen, jemals wieder nicht beschäftigt zu sein, darüber habe ich in der Erklärung von Professor Erhard nichts gehört. Daß man das Prinzip der Vollbeschäftigung, der Aufrechterhaltung der Beschäftigung verfolgt, die Notwendigkeit des Konjunkturausgleichs beachtet und eine laufend steigende Beschäftigung sichert, wenn der gemeinsame Markt funktionieren soll, das sind entscheidende Notwendigkeiten, über die ich, wie ich sagte, in der Erklärung nichts gehört habe.
Das sei als Letztes gesagt: Der Weg, der gegangen werden soll, ist klar. Er soll über die Zollunion zu der Wirtschaftseinheit der sechs Länder führen und, wenn die andern mitmachen, möglichst bald darüber hinausgehen. Nach dem bisher Gesagten war es notwendig, das klar auszusprechen.
Zum Schluß möchte ich mir einen Hinweis gestatten, nämlich bezüglich des Antrags Drucksache 2229. Es ist hier von einem Kollegen gesagt worden, man solle den Antrag in einen Ausschuß verweisen und dort besprechen lassen. Meine Damen und Herren, wollen wir uns doch darüber klar sein, was hier geschieht. Erstens haben die großen Fraktionen diesen Antrag gemeinsam eingebracht, und zweitens dreht es sich hier doch gewissermaßen darum, daß wir als Bundestag etwas ratifizieren, was in Paris festgelegt worden ist, und daß kein Ausschuß des Deutschen Bundestags die Möglichkeit hat, an dieser Festlegung von Paris etwas zu ändern. Ich plädiere also dafür, daß wir heute diesen Antrag annehmen.
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Der Herr Bundesminister für Atomfragen hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einen kleinen Irrtum des Kollegen Kreyssig richtigstellen, der meine Ausführungen offensichtlich entweder mißverstanden oder im Augenblick nicht verfolgt hat. Ich habe erklärt, daß die Bundesregierung an den Arbeiten beider Gremien, des Brüsseler Regierungsausschusses und der OEEC, termingerecht und programmgemäß teilnimmt. Von einem Laufenlassen der Entwicklung kann überhaupt keine Rede sein.
Ich habe allerdings erklärt, daß die Bundesregierung in der Frage der Verwirklichung einer europäischen Atomgemeinschaft nicht nur auf . einen gemeinsamen Markt auf dem Atomgebiet, sondern gleichzeitig auf einen allgemeinen gemeinsamen Markt Wert legt, wenn dessen Verwirklichung auch nur in Stufen erfolgen kann.
Das ist der genaue Sinn und Inhalt meiner Ausführungen gewesen, Kollege Kreyssig.
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Im Protokoll haben Sie es schriftlich, meine Damen und Herren.
Nun hat das Wort zu Ziffer 1 a, b und c im ganzen der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der Fraktion der Deutschen Partei zu Punkt 1 a, b und c Stellung zu nehmen. Die Zeit ist vorgeschritten, und ich will mich bemühen, unsere Ansicht so kurz wie möglich darzulegen.
Wir begrüßen das Verfahren, das hier im Bundestag eingeschlagen worden ist. Ich glaube, in der Geschichte dieses Hauses wird diese Verhandlung einmal als ein großer Tag bezeichnet werden; denn hier wird zum erstenmal Hand angelegt, europäische Beschlüsse zu verwirklichen. Herr Kollege Mommer hat mit Recht gesagt, die Zeit der Proklamationen und der großen europäischen Rhetorik sei vorbei, man müsse mit den bescheidenen, aber sehr wirksamen Maßnahmen das kommende Europa gestalten.
Gestatten Sie mir eine kleine Nebenbemerkung. Es ist allmählich zur Phrase geworden, daß jeder beteuert, er wolle auf große europäische Deklarationen verzichten, man müsse das nüchtern und realistisch betrachten. Entschuldigen Sie, meine Herren, jemand, der Politik nicht realistisch und nüchtern betrachtet, geht, glaube ich, am politischen Problem überhaupt vorbei. Insofern wäre ich glücklich, wenn diese Phrase aus unserem europäischen Gespräch verschwinden wollte.
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- Ja, sie war sehr nötig. Aber nun hat immerhin Brüssel stattgefunden. Wir haben uns Jahre hindurch in der praktischen Arbeit durchaus bewährt, und der Deutsche Bundestag hat sich bereitgefunden, zur Gestaltung zu schreiten.
Ich möchte namens der Fraktion der Deutschen Partei zum Ausdruck bringen, daß nach unserer konservativen Auffassung der europäische Gedanke nicht ein Gedanke einer bestimmten Außenpolitik, nicht der Gedanke einer bestimmten Regierung oder einer bestimmten Zeitlage ist, sondern daß er eine objektive Tatsache ist, die aus dem geschichtlichen Geschehen der letzten Dezennien zur praktischen Verwirklichung drängt. Insofern wird sich an dieser Grundlinie, die eine objektive Entwicklung der Welt darstellt, auch in der Zukunft nichts ändern.
Ich darf vor dem Ausland und vor unseren europäischen Freunden dies als einen sehr entschlossenen Willen meiner Fraktion zum Ausdruck bringen. Was auch sein möge: wir gehören nicht zu den Enttäuschten oder zu jenen, denen es nicht schnell genug geht. Es ist eine absolute Sicherheit gegeben, gleichgültig, was in den einzelnen Völkern gewollt wird: diese europäische Einheit wird entstehen. Es fragt sich nur, ob die Zeitgenossen aufgeschlossenen Geistes und Willens sind, dieser Entwicklung den Weg zu erleichtern.
Es ist eigentlich etwas Merkwürdiges. Wir haben im letzten Jahrhundert eine große gesellschaftliche Revolution hinter uns und vor allen Dingen als Folgewirkung der beiden letzten Weltkriege eine große wirtschaftliche, eine große technische Revolution. Das Atomzeitalter hat begonnen. Nur in einem Punkt hat sich die Welt nicht verändert: in den Auffassungen über die Staatenordnung im Völkerrecht und in den Konzeptionen, wie man eine Völkerfamilie begreift. Daran hat sich seit dem 19. Jahrhundert eigentlich nichts geändert. Das ist merkwürdig angesichts der drängenden Kräfte, die auf den Gebieten unseres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens zu größeren Zusammenschlüssen hinzielen. Tatsächlich wird es nicht gelingen, die Befriedung der Welt herzustellen, wenn sich nicht in den Auffassungen über die Staaten- und Völkerordnung neue Erkenntnisse Bahn brechen. Das gilt vor allen Dingen im Hinblick auf die Betrachtung der Dinge aus dem nationalstaatlichen Interesse heraus. Das gilt aber auch für die Lehre von der Souveränität. Tatsächlich haben die politische Souveränität - ich spreche nicht von der Souveränität im Rechtssinne - heute nur noch die Weltmächte, die über alle Machtmittel verfügen, ihr Dasein aus eigener Kraft zu bewahren. Das gilt für die europäischen Nationalstaaten nicht mehr, gilt selbst nicht mehr für die Staaten, die in der Geschichte des 19. Jahrhunderts als Großmächte angesehen wurden.
Dieser europäische Gedanke ist im Gegensatz zwischen Ost und West erwachsen. Ich glaube, daß man ihn in seiner eigentlichen Tragweite nicht allein unter diesem Gegensatz zwischen Ost und West betrachten darf.
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Die Tendenzen, die in ihm leben, die in ihm sind, haben sich schon viel früher gezeigt: in der Fortentwicklung der europäischen Staatenwelt, in der Fortentwicklung der Situation, die sich vor allen Dingen daraus ergibt, daß die ehemaligen Kolonialstaaten nunmehr zu eigenen staatlichen Entitäten geworden sind. Dennoch wäre es eine Illusion, nicht wahrhaben zu wollen, daß der Gegensatz zwischen Ost und West auch im Mittelpunkt der Frage des Werdens der europäischen Einheit steht.
Ich selbst habe - ich glaube, zu einem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt - in diesem Bundestag das Wort von der Politik der Entspannung gebraucht. Die geschichtliche Entwicklung der letzten drei Jahre läßt aber erkennen, daß wir dieses Wort von der Entspannungspolitik nicht übermäßig strapazieren sollten. Es sollte eigentlich durch ein
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konkreteres Wort ersetzt werden, nämlich: Politik des Ausgleichs zwischen Ost und West. In dem Begriff „Entspannungspolitik" steckt sehr viel von einem nur wörtlichen Bekenntnis, einem Beschönigen der eigentlichen Machtgegensätze, die bestehen. In der Politik des Ausgleichs, die wir im Gesamtinteresse des Friedens der Welt erstreben müssen, steckt mehr; darin steckt nämlich eine Leistung, eine erstrebte Leistung auch der Sowjetunion, eine Leistung, die darauf gerichtet ist, die Ursachen der Spannungen zu beseitigen. Ich muß zu meinem größten Bedauern feststellen, daß ungeachtet aller auf den Frieden und auf die Entspannung gerichteten Worte der Sprecher der Sowjetunion eine Leistung auf diesem Gebiet oder auch nur irgendein konkretes Angebot noch nicht gemacht worden ist.
Das ist die besorgniserregende Situation.
Kein vernünftiger Mensch wird in dieser Lage - wir stehen an der Grenze des Machtgegensatzes - irgendwelche Kreuzzugsideen in sich tragen; jeder vernünftige Mensch, der den Frieden will, wird dem russischen Volke den Wohlstand und das Gedeihen wünschen. Aber wenn wir schon über die Politik der Entspannung und des Ausgleichs sprechen, dann sind Tatsachen, Anerbieten oder auch nur Vorstellungen des Ausgleichs von dieser Seite zu machen und notwendig.
Herr Professor Schmid hat heute in sehr beredten Worten von dem Ziel gesprochen, daß das Ende des Kalten Krieges herbeigeführt werden müsse. Gewiß ist das unser heißes Wollen, eine wirkliche Sehnsucht. Aber ich glaube, ohne daß man einmal zu einem Anerbieten einer Leistung zur Beseitigung der Ursachen der Spannung in der Welt - die man weltweit sehen muß - kommt, ohne daß das vorliegt, wird alles Bemühen - das wir sehr bejahen! - doch immer bloß an den Symptomen herumkurieren, aber nicht an die Wurzel kommen. Ich vermag bisher noch nicht zu sehen, worin wirkliche Tatsachen der Entspannung und des Ausgleichs gegeben sind, die es zuließen, die Aussicht auf eine Beendigung des Kalten Krieges zu konstatieren.
Hierbei ist nach unserer Auffassung noch eines zu sagen. Wenn wir von der Freiheit in Europa sprechen, wenn wir vom europäischen Zusammenschluß sprechen, dann meinen wir damit auch die Freiheit der osteuropäischen Völker. Denn die Freiheit ist etwas Unteilbares. Und wenn wir von der Wiedervereinigung Deutschlands sprechen, dann vergessen wir dabei nicht, daß auch die Spaltung Koreas und Indochinas und der sonstigen geteilten Welt überwunden werden muß. Niemand im Ausland soll etwa der Auffassung sein, wir betrachteten - bei dieser weltweiten Anschauung der Dinge - nur unsere eigenen Sachen und vergäßen über dem Leid der Unfreiheit unseres eigenen Volkes die Tatsache der Zerrissenheit der Welt und der Versklavung ganzer Völker. Das erregt uns genau so wie das, was uns geschehen ist. Denn wenn dort ein Wandel eintreten kann, tritt er auch bei uns ein. Die Welt ist ein unteilbares Ganzes geworden.
Ich darf sagen, daß die Tätigkeit des Europarates gerade auf diesem Gebiet wesentlich zur Erarbeitung einer gemeinsamen Auffassung über die Grundlagen, auf denen ein Frieden in der Welt gebaut werden könnte, beigetragen hat. Die Publizistik hat sich ihm nicht zur Verfügung gestellt, die Gespräche wurden für eine breitere Öffentlichkeit langweilig. Aber wenn man die Substanz überblickt, muß man feststellen, daß sehr viel getan
worden ist. Denn das Prinzip der europäischen Solidarität ist in der Praxis bei allen großen politischen Fragen der letzten Jahre betätigt worden, und zwar nicht nur im Rahmen des Kleineuropas, sondern im Rahmen des ganzen freien Europas. Aber vergessen wir nie, halten wir bei allen Überlegungen daran fest, daß nicht ein Kleineuropa und auch nicht ein Westeuropa das Ziel ist! Das Ziel muß letzthin ganz Europa sein. Man darf die Fragen des Gegensatzes zwischen Ost und West nicht allein unter den militärischen Gesichtspunkten betrachten. Die strategischen Gegebenheiten und Machtpotentiale ändern sich. Das, worum es bei allem geht, ist letzthin eine politische Frage. Mit den politischen Problemen haben wir uns zu beschäftigen.
Nun ist in den letzten Jahren das Verhältnis der europäischen Politik zur Politik der Wiederherstellung der Einheit unseres Landes viel diskutiert worden. Es hat Leute gegeben, die die Europapolitik und die Tätigkeit des Europarates mit der Wiedervereinigungspolitik, unserem nationalen Streben, in einen Gegensatz gebracht haben. Es gibt sogar heute eine Formel, die dem Sinn nach sagt: Europa nur soviel, als es die Wiedervereinigung nicht hindert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die politische Sprache versteht, die ja nicht immer das ausdrückt, was sie sagt, sondern einen anderen Inhalt in sich schließt, hat den dringenden Verdacht, daß diejenigen, die dies sagen: Europa nur soviel, als es die Wiedervereinigung nicht hindert, in Wirklichkeit den europäischen Gedanken, indem sie ihn in einen Gegensatz zu der Einheit, zu dem Einheitsstreben Deutschlands bringen, praktisch verneinen; denn die Gedanken und die Triebkräfte, die zur Einheit Europas führen, sind genau die Triebkräfte, die uns helfen, die Einheit Deutschlands in Freiheit wieder zu gewinnen. Das war der ganze Sinn der deutschen Außenpolitik. Ich halte es nicht für eine gute Methode für ein Parlament, daß Fragen der Diplomatie, d. h. der Methode im einzelnen zum Gegenstand politischer und vor allem innenpolitischer Auseinandersetzungen gemacht werden, weil Fragen der Diplomatie - das ist die reine Technik zur Erreichung eines politischen Zieles - der Diskretion bedürfen und nicht vorzeitig zerredet werden dürfen. Vor allem ist es ein sehr schlechter Stil, die Frage der Wiederherstellung der Einheit unseres Landes zu einem Konkurrenzkampf zu machen, indem die einzelnen Parteien und Fraktionen sich in der Beteuerung ihres Wiedervereinigungswillens gegenseitig zu überbieten trachten. Damit kann man nur schaden.
Denn über eins müssen wir uns klar sein: Gewiß hat die Welt eingesehen - und daran hat die deutsche Delegation im Europarat keinen geringen Anteil -, daß ein sehr wesentliches Moment der Entspannung in der Welt die Wiedervereinigung Deutschlands ist. Sie hat sich dafür eingesetzt, und die Entschließung 87 ist einer der wichtigsten Marksteine europäischer Politik. Ich stimme Herrn Professor Schmid absolut zu, wenn er sagt, daß diese Entschließung 87 nicht allein ein Instrument gewesen ist, das ad hoc zur Lage der Genfer Konferenz beschlossen worden ist, sondern daß diese bedeutsame Entschließung die Prinzipien einer Politik der Zukunft beinhaltet. Aber wir dürfen dabei auch nicht verkennen, daß schließlich die Welt als solche viele Anliegen hat, um die Spannungen zwischen Ost und West zu beseitigen, um die tiefe Sorge aller Völker um die Aufrechterhal({3})
tung des Friedens auszuräumen. In der Welt sind viele Interessen, und ich glaube, daß man durch eine allzu starke Überspannung unseres politischen Gehabens in dieser Frage, unseres rein rhetorischen Gehabens, mehr Schaden stiften kann, als man Nützliches erreicht. Wir wollen das Reale in der Bündnispolitik des Westens und in der Bedeutung der Wiederherstellung der deutschen Einheit für die Entspannung in Europa anerkannt sehen als ein echtes politisches Ziel nicht allein von uns, sondern auch von den Mächten, mit denen wir verbündet sind, und vom Europarat. Wir wollen diese Grundlage sehr pfleglich behandeln. Ich persönlich bin der Auffassung, und mit mir ist es meine Fraktion, daß die einzig reale Politik einer Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf diesem Boden erwachsen kann und erwachsen muß.
Ich habe mit einer gewissen Besorgnis die Ausführungen von Herrn Professor Schmid über die Frage der Abrüstung im Verhältnis zu den politischen Ursachen, die zu einem Wettrüsten geführt haben, gehört. Ich glaube, kein vernünftiger Mensch, keine Fraktion dieses Hauses, kein nachdenklicher Deutscher wird nicht von jedem Fortschritt, der auf dem Gebiet der Abrüstung erreicht wird, höchst befriedigt sein. Ich gebe dem Professor Schmid auch zu, daß Fortschritte, die auf dem Gebiet der Abrüstung erreicht werden, ein gewisses bewegendes Moment auch für die Lösung der politischen Fragen, die die Ursachen der Spannung sind, hervorbringen können. Dieses bewegende Moment wollen wir unter keinen Umständen durch eine falsche Betrachtung der Dinge stören. Wir freuen uns über jeden Erfolg der Abrüstung. Aber man darf doch auch nicht verkennen, daß wir die großen Chancen, die uns die Entschließung 87 des Europarates bietet, damit nicht preisgeben dürfen. Hier ist zwischen Ursache und Symptom zu unterscheiden. Abrüstungsbesprechungen, wie sie im Rahmen der UNO stattfinden, sind letzthin militärtechnische Besprechungen. Ohne eine Beseitigung der Ursachen der Spannung wird man zu keinem durchschlagenden Erfolg bei den Abrüstungsbesprechungen kommen, wird man nicht zu der letzthin tragenden Grundeinigung kommen. Der Grundgedanke der Entschließung 87, daß ein Gleichzeitig, ein Nebeneinander stattzufinden hat, dürfte von höchster Wichtigkeit sein; denn nichts wäre schlimmer, als daß über ein Abrüstungsgespräch die Frage der eigentlichen Ursachen der Spannung zwischen Ost und West verschwindet, die Frage der Sicherheit in Europa und im Rahmen der Sicherheit in Europa auch die Frage der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands.
Es ist heute bereits Widerspruch gegen die Darlegungen des Herrn Professors Schmid hinsichtlich der Bedeutung der deutschen Nachrüstung erhoben worden. Ich will nicht von Aufrüstung sprechen; denn das, was . hier ganz bescheiden geschieht, ist ein Nachziehen insofern, als man ein Vakuum an Potential im Rahmen eines westlichen Bündnisses wieder aufzufüllen bestrebt ist. Ich darf als Auffassung meiner Fraktion noch sagen, daß wir hinsichtlich der Entwicklung der letzten Jahre auch an der Politik des Westens einige Kritik zu üben haben. Man hat die Entspannungspolitik zu einem Zeitpunkt begonnen, als die Frage der Sicherheit noch gar nicht geklärt war und noch in keiner Weise zu tatsächlichen Grundlagen geführt hatte. Zu der Frage der europäischen Sicherheit gehört nun einmal unlöslich der deutsche Verteidigungsbeitrag. Das alles war durch vielerlei Verzögerungen, über die ich in diesem Augenblick nicht rechten will, noch nicht vollendet. Ich glaube, es war keine richtige Methode, eine Entspannungspolitik zu versuchen, bevor ein Gleichgewicht der Kräfte hergestellt war; denn nur auf der Grundlage des Gleichgewichts der Kräfte läßt sich eine echte Politik der Entspannung im Sinne des echten Ausgleichs, wie ich eingangs bemerkte, vollziehen.
Allen Zweifeln gegenüber möchte ich hier klar den Willen meiner Fraktion zum Ausdruck bringen: Wir sind nicht gewillt, in der künftigen Entwicklung im Rahmen einer Entspannungs- und Ausgleichspolitik Kompromisse einzugehen, die auf Kosten der deutschen Freiheit geschehen. Wir sind nicht gewillt, Verhandlungen mit Pankow zu führen. Warum nicht? Weil solche Verhandlungen de facto und dann eines Tages de jure die Spaltung Deutschlands, die ja bloß eine Spaltung der staatlichen Organisation, aber in gar keiner Weise eine Spaltung des Volkes ist, bestätigen würden. Wir sind nicht bereit, Zugeständnisse auf Kosten der freiheitlichen Lebensordnung zu machen. Über die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung muß ein freies deutsches Volk in seiner Gesamtheit entscheiden. Wir gehen noch einen Schritt weiter: auch die Bewahrung der Grundrechte und der rechtsstaatlichen Grundlagen unseres deutschen Staates sind selbst einem Mehrheitsbeschluß entzogen, siehe Grundgesetz! Wir haben insofern bei manchen Punkten der Annäherung, die sich in den Auffassungen auch der Opposition vollzogen hat oder zu vollziehen scheint, doch - wenigstens wir von der Deutschen Partei - noch eine Reihe ganz deutlicher Vorbehalte zu machen, die Ihnen die Ehrlichkeit unseres Wollens vor Augen stellen sollen.
Die Verwirklichung Europas ist durch die Ergebnisse der letzten Brüsseler Tagung einen guten Schritt weitergekommen. Gescheitert ist der Versuch, der im Europarat eine sehr große Rolle gespielt hat, auf dem Wege des Funktionalismus zu einer Vereinigung zu kommen; gescheitert ist die EVG mit ihren Methoden, gescheitert ist auch der Gedanke einer europäischen politischen Gemeinschaft
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- über die Saar möchte ich jetzt nicht sprechen; dafür wird, Herr Kollege Mommer, noch viel Gelegenheit gegeben sein -, die alle auf der supranationalen Grundkonzeption aufgebaut haben. Nunmehr hat man doch auf dem Gebiet des gemeinsamen Marktes, der ja nicht nur rein wirtschaftspolitische Vorgänge in sich schließt, den Weg angetreten, eine konkrete Form des europäischen Zusammenschlusses zu versuchen. Allerdings erheben sich auch da bereits wieder die pessimistischen Stimmen, die davor warnen, zu weit zu gehen. Vor allen Dingen werden, wenn die Frage der Institutionen aufkommt, sämtliche Skeptizismen und Schwierigkeiten gesucht, die da nur möglich sind. Es gibt natürlich eine sehr sichere Methode, einen guten Gedanken zu zerstören: indem man zuviel verlangt,
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indem man zu schnell vorwärtsgeht. Darüber ist kein Zweifel. Das hat ja die europäische Arbeit in jeder Weise herausgestellt. Was aber der belgische Außenminister, Herr Spaak, zu den Institutionen in seiner grundlegenden Rede ausgeführt hat, in der er die Beschlüsse der Brüsseler Sachverständi({6})
genkonferenz ankündigte, dürfte genau in der realistischen Mitte des Möglichen liegen. Dabei ist es interessant, daß Herr Spaak gesagt hat: Wir wollen gar nicht darüber rechten, ob diese Befugnisse der Institutionen, die man ins Auge gefaßt hat, supranational oder international sind, sondern wir wollen das den Professoren überlassen, wie sie diese besondere Regelung bezeichnen wollen. Tatsächlich hat auch Herr Spaak bei aller Vorsicht deutlich herausgestellt, daß es im gemeinsamen Markt, der, wie gesagt, nicht nur eine Zollunion ist, sondern sehr viel mehr sein muß, auch Entscheidungsbefugnisse geben muß, die nicht in den internationalen Methoden gefunden werden können. Ich persönlich habe mich schon früher einmal gegen die allzu häufige Verwendung des Wortes supranational gewandt, weil es für Menschen, die sich nicht sehr viel mit den konkreten Fragen beschäftigt haben, den Verzicht auf Souveränitätsrechte in den Vordergrund stellt. In Wirklichkeit hat es solche Behörden, die über der nationalen Ebene auf Grund eines internationalen Vertrags und seiner vertraglichen Bindung entscheiden müssen, von jeher gegeben. Ich erinnere nur an die Donau-Schiffahrts-Kommission oder an die RheinSchiffahrts-Kommission, bei denen ja auch eine überstaatliche Gerichtsbarkeit und Entscheidungsgewalt geschaffen wurden. Auch das Wort der Integration ist, weil es einen irgendwie politisch unklaren Begriff darstellt, so abgegriffen, daß man es kaum noch benutzen kann.
Sehr großen Erfolg dürfte die letzte Brüsseler Tagung und dürften die dort besonders von den Sachverständigen angewandten Methoden dadurch gebracht haben, daß die Probleme des gemeinsamen Marktes und der Energiewirtschaft, auch die sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Voraussetzungen, alle in ihrem richtigen Gewicht herausgestellt worden sind. Meine Fraktion begrüßt diesen Weg und würde es besonders wünschenswert finden, wenn nun auf der parlamentarischen Ebene nicht etwa ein Widerspruch zu den Sachverständigenergebnissen der Brüsseler Konferenz, der Herr Spaak vorsitzt, herausgearbeitet wird.
Interessant ist vor allen Dingen auch der Vorschlag, wie die parlamentarische Kontrolle der Institution des gemeinsamen Marktes aufgebaut werden soll. Ich glaube, daß augenblicklich in den Ergebnissen der Sachverständigenkommission gedanklich und praktisch der höchstmögliche Fortschritt erzielt worden ist, der zu einem europäischen Zusammenschluß führen kann. Ich gebe denjenigen Rednern vollkommen recht, die da sagen: aus der Institution des gemeinsamen Marktes als solchen heraus muß nicht eine Steigerung des Lebensstandards kommen; es wird auch nicht unbedingt ein Fortschritt im Hinblick auf eine politische Einheit der europäischen Völker daraus erzielt werden können. Das beweist unsere eigene Geschichte. Wir haben eine Zollunion gehabt, und diese Zollunion hat nicht unmittelbar zur Einheit des Reiches geführt. Man darf sich damit nicht zufriedengeben. Wenn - und das wird beim gemeinsamen Markt nach Errichtung der vollkommenen Zollunion sehr deutlich zutage treten - sich die Frage einer gemeinsamen Wirtschafts-, Sozial-und Finanzpolitik deutlich stellt, dann ist in der Praxis dieser gemeinsamen Wirtschafts-, Sozial-und Finanzpolitik allerdings wirklich ein integrierender Faktor für die Vollendung einer politischen Gemeinschaft gegeben.
In der Frage des Euratoms, zu dessen Errichtung zunächst eigentlich eine allgemeine Zustimmung in der europäischen Welt bestand, sind gewisse Rückschläge oder eine gewisse Distanzierung von den grundlegenden Ideen zu verzeichnen. Ich habe von seiten meiner Fraktion zunächst einmal zu erklären, daß die Frage des Verzichts oder Nichtverzichts auf die Verwendung der Atomkraft zur Herstellung von Waffen, also zu militärischen Zwekken, keine Frage ist, die das deutsche Interesse noch wesentlich berührt. Diesen Verzicht auf die militärische Verwendung hat Deutschland ja ausgesprochen. Allerdings ergeben sich praktische Schwierigkeiten hinsichtlich einer gerechten Verteilung und der Anwendung der atomaren Kräfte, wenn eine Ungleichheit der Staaten besteht. Hier müssen wir mit einer gewissen Geduld die weiteren Verhandlungen abwarten.
Die zweite Frage, hinter der ja mehr steckt als bloß eine juristische Konstruktion, ist die Frage, ob dieses Euratom Eigentum oder nur Kontrollrecht und Verfügungsgewalt über den Kernbrennstoff haben soll. Ich glaube, es war der Herr Kollege Furler, der in dem Komitee Monnet die Frage etwas geklärt hat, dahingehend, daß der angelsächsische Eigentumsbegriff und der kontinentale Eigentumsbegriff verschieden sind. Die Figur von der res extra commercium stimmt nicht; denn es ist ja keine res extra commercium, sondern eine res, die in das commercium hineingeführt werden soll. Gleichgültig wie die Konstruktion ist, nach unserer Auffassung kommt es auf die Kontrollrechte an, die von einer in diesem Fall allerdings mit überstaatlicher Entscheidungsgewalt ausgerüsteten Behörde ausgeübt werden müssen. Ob man darüber hinaus auch noch eine Konstruktion der Verfügungsrechte machen soll, muß ein näheres Durchdenken des Problems ergeben. Auf keinen Fall aber sind wir gewillt, der von dem Kollegen Kreyssig vertretenen Auffassung zuzustimmen, daß ein privates Eigentum an den Kernbrennstoffen überhaupt nicht möglich sei. Ich glaube, man kann sich hier mit Beschränkung der Verfügungsrechte und mit Kontrollrechten verständigen und zu demselben Ziel kommen, das angestrebt wird.
Ich möchte diese Frage namens meiner Fraktion aber noch nicht in einem festlegenden Sinne abschließen; denn auch da bedarf es noch eines sehr viel tieferen Durchprüfens des Tatbestandes, und wir brauchen hier noch etwas Zeit und ein bißchen mehr Geduld.
Wir sind auch im Rahmen des Euratom für Zusammenarbeit. Aber diese Zusammenarbeit im europäischen Rahmen hat ja nur dann einen Sinn, wenn sie den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt nicht hemmt. Es ist durchaus möglich, hier zu einer Lösung zu kommen. Verstehen Sie also unsere Unterschrift unter diesen gemeinsamen Antrag richtig! Das Grundziel, das dieser Antrag auf Drucksache 2229 zu erreichen bestrebt ist, wird von uns bejaht. Deshalb haben wir unsere Unterschrift gegeben. In den technischen Einzelheiten aber möchten wir uns heute noch nicht festlegen, weil uns tatsächlich die gesellschaftspolitische und industrielle Tragweite dieser Bestimmungen noch nicht restlos geklärt zu sein scheint.
Ich wiederhole den Hauptsatz, den wir hier zu sprechen haben: Bezüglich der Anwendung der Atomkräfte müssen die Voraussetzungen des Wettwerbs sicherlich in einem größeren- Rahmen geplant werden. Dieser Wettbewerb muß den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt fördern;
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er darf nicht durch eine übermächtige Bürokratie gehemmt werden.
Wir sind uns vor allen Dingen bewußt, daß die Fragen der Einheit Europas, des gemeinsamen Marktes und einer später entstehenden engen politischen Gemeinschaft wesentlich von einer Gemeinsamkeit der Sozialpolitik und der sozialpolitischen Grundvorstellungen abhängen. Hier sind wir nach einem alten konservativen Grundsatz gewillt, mahnend zu sagen: was als sozialer Fortschritt kommt, unabweisbar kommen wird, soll man rechtzeitig, großzügig und mit einem starken Willen gewähren. So sind stabile Regierungssysteme geschaffen worden. Wir werden vom konservativen, also entwicklungsfreudigen Standpunkt aus unser Augenmerk besonders darauf richten, daß als einer der Kernpunkte im Funktionieren des gemeinsamen Marktes die europäischen sozialpolitischen Anliegen gefördert werden. Wir wollen nicht eine Nivellierung der sozialpolitischen Voraussetzungen; denn wir sind als Völker und nationale Einheiten gewachsen, und es gibt auch in den nationalen Wirtschaftsgebieten gewisse Gefälle. Aber gewisse Grundkonzeptionen müssen gemeinsam geschaffen werden. Wir glauben, daß gerade auch diese Hinwendung des europäischen Denkens zum sozialen Fortschritt einer wahrhaft modernen Gesellschaft sehr viel dazu beitragen wird, eine Integration im Geiste und im Willen zu erreichen.
Ich darf abschließend namens meiner Fraktion sagen, daß wir sehr glücklich über diese im Bundestag unternommene Initiative sind und daß wir nach wie vor unbeirrbar festhalten werden an unserer Mitarbeit an der Schaffung eines freiheitlichen Europas. Ich betone das Wort „freiheitlich". Darauf kommt es uns an!
({8})
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache über den Punkt 1 a, b und c der Tagesordnung beendet.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag unter Punkt 1 a, den Entschließungsantrag betreffend gemeinsame Politik in den künftigen Ost-West-Konferenzen, Drucksache 2151. Hier wird vom Ältestenrat Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vorgeschlagen. - Herr Abgeordneter Dr. Pünder hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe natürlich großen Respekt vor der Weisheit des Ältestenrates; aber ich darf mir doch erlauben, namens der Delegation auf folgendes hinzuweisen: Dieser Antrag Drucksache 2151 trägt die Unterschrift von maßgeblichen Vertretern aller Fraktionen dieses Hauses, und unter den Mitgliedern, die unterzeichnet haben, sind sogar sehr viele, die auch gleichzeitig im Auswärtigen Ausschuß sind. Außerdem ist die Formulierung so gewählt, daß sie fast wörtlich der Entschließung der Beratenden Versammlung des Europarates entspricht. Nach meinem bescheidenen Empfinden ist es also ganz ausgeschlossen, daß im Auswärtigen Ausschuß auch nur die kleinste Änderung von irgendeiner Seite vorgeschlagen wird.
Außerdem aber, Herr Präsident, darf ich darauf hinweisen, daß es nach meiner Meinung, sozusagen als Abschluß des heutigen Tages, innenpolitisch und außenpolitisch eine ganz große Wirkung hätte, wenn gerade diese Entschließung jetzt gleichohne Ausschußüberweisung einstimmig angenommen würde. Das möchte ich beantragen.
({0})
Meine Damen und Herren, nach der Übung dieses Hauses müßte ich zunächst über den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten abstimmen lassen. Wenn aber diese Überweisung nicht gewünscht wird, dann lasse ich unmittelbar über den Entschließungsantrag abstimmen und frage, wer ihm zustimmen will. Die Damen und Herren, die zustimmen wollen, bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Dann stelle ich fest, daß dieser Entschließungsantrag auf Drucksache 2151 vom Hause einstimmig angenommen worden ist.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 2152. Hier ist Überweisung an den Ausschuß für Atomenergiefragen und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vorgesehen. Herr Abgeordneter Pünder, wünschen Sie auch hier sofortige Verabschiedung?
Jawohl, Herr Präsident. Auch bezüglich dieses Antrags liegen keinerlei Bedenken von irgendeiner Seite vor.
Da ich keinen Widerspruch höre, stelle ich auch diesen Antrag Drucksache 2152 zur Abstimmung. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen ist dieser Antrag mit großer Mehrheit angenommen.
Ich komme zu dem Antrag auf Drucksache 2229. Auch hier ist zunächst Überweisung an den Ausschuß für Atomenergiefragen - und zwar als federführenden Ausschuß - und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vorgesehen. - Herr Abgeordneter Erler?
({0})
Wollen Sie sofort, ohne Überweisung, entscheiden?
- Herr Abgeordneter Furler!
Ich bitte, hier eine Überweisung vorzunehmen, und zwar - federführend
- an den Auswärtigen Ausschuß. Es soll noch einmal durchgeprüft werden. So war es besprochen.
Der Herr Abgeordnete Furler schlägt also Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - federführend - und an den Ausschuß für Atomfragen zur Mitberatung vor.
({0})
- Ja nun, „abgesprochen".
({1})
- Entschuldigen Sie, das Haus ist frei. Wir werden also zunächst darüber abstimmen lassen, ob diese Ausschußüberweisung durchgeführt werden soll. Sie beantragen, daß der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten federführend sein soll. Ich muß zunächst darüber abstimmen lassen, weil über Anträge auf Ausschußüberweisung zuerst abgestimmt werden muß. Wer für diese Ausschußüber({2})
Weisung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! ({3})
- Meine Damen und Herren, vielleicht habe ich mich nicht genügend klar ausgedrückt. Wer für die sofortige Annahme ist - die Gegenprobe bedeutet in diesem Fall die sofortige Annahme -, den bitte ich um ein Handzeichen. - Es ist ungewöhnlich schwierig, zu sagen, wie 'die Mehrheitsverhältnisse sind. Ich muß Sie bitten, daß sich die Damen und Herren erheben, die für die sofortige Annahme sind. - Eine Sekunde, meine Damen und Herren, es werden immer mehr.
({4})
- Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Damit ist die Ziffer 1 erledigt.
Ich rufe nun die Ziffer 2 der Tagesordnung auf. Wird hier das Wort allgemein gewünscht?
({5})
- Herr Abgeordneter Paul zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schlage vor, daß bei der weiteren Behandlung der Vorlagen auf alle Reden zur Begründung der Anträge und zur Aussprache verzichtet wird.
({0})
Ich schlage ferner vor, daß wir nur die Beantwortung der Großen Anfragen sowie die kurzen mündlichen Berichte entgegennehmen und daß sodann über die vorliegenden Anträge kapitelweise der Geschäftsordnung gemäß abgestimmt wird.
({1})
Wenn ich recht verstehe, meine Damen und Herren, findet dieser Vorschlag allseitige Zustimmung. Wir werden deshalb entsprechend verfahren.
Ich rufe also zunächst die Ziffern 2 a und b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Hellwig, Graf von Spreti, Dr. Mommer, Dr. Becker ({0}) und Genossen betreffend Gemeinsame Senkung der Einfuhrzölle bei den Mitgliedstaaten des Europarates ({1});
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Leverkuehn, Kalbitzer, Graf von Spreti, Dr. Mommer, Dr. Becker ({2}) und Genossen betreffend Wirtschaftshilfe für Südeuropa ({3}).
Hier wünscht der Herr Staatssekretär für Wirtschaft das Wort. Herr Staatssekretär, bitte, Sie haben das Wort.
({4})
- Sie verzichten? Ausgezeichnet! Der Herr Staatssekretär für Wirtschaft verzichtet.
({5})
Meine Damen und Herren, dann kommen wir unverzüglich zur Abstimmung. Es ist Überweisung des Antrags Drucksache 2153 an den Ausschuß für Außenhandelsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen - mitberatend - beantragt.
({6})
- Herr Abgeordneter Dr. Pünder?
({7})
- Sie möchten auch hier sofortige Annahme? ({8})
- Dann ist der Ältestenrat in einem bedauerlichen Irrtum gewesen, als er dem Hause diesen Vorschlag machte. Ich lasse diesen Vorschlag fallen.
Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache 2153 zustimmen wollen, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 2154.
({9})
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Nun rufe ich die Große Anfrage, Ziffer 2 c, auf:
Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Mommer, Dr. Dr. h. c. Pünder, Graf von Spreti, Dr. Becker ({10}) und Genossen betreffend Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Postverkehrs ({11}).
Auf Begründung wird verzichtet. - Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im ersten Teil der Großen Anfrage Drucksache 2155 werden gleich zwei Fragen gestellt, erstens, ob die Bundesregierung erstrebe, daß der europäische Postverkehr auf die Grundsätze des Inlandverkehrs umgestellt werde, und zweitens, wie sie sich zu den Vorschlägen des französischen Postministers auf der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates im Juli 1955 stelle.
Gestatten Sie mir, die zweite Frage zuerst zu beantworten. Die Bundesregierung hat sich mit den Vorschlägen des französischen Postministers eingehend beschäftigt. Der auf Grund der Beschlüsse \der Messina-Konferenz im Herbst 1955 in Brüssel zusammengetretene Regierungsausschuß benutzte bei seinen Besprechungen über Fragen des Postverkehrs diese Vorschläge als Arbeitsunterlagen. Die Vertreter der Bundesregierung haben sich dort zu den Vorschlägen des französischen Ministers zustimmend geäußert.
Für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Postwesens sind bereits jetzt nennenswerte Fortschritte erzielt worden. Zwar nicht de jure, wohl aber de facto besteht bereits eine ständige Konferenz europäischer Postminister. Am 1. Juli 1955 und zuletzt am 20. Januar 1956 haben in Paris Konferenzen der Postminister der Montanunion-Länder und Großbritanniens stattgefunden, auf denen die ersten Maßnahmen zur Verwirklichung der Vorschläge des französischen Postministers beschlossen wurden. Die Postminister der Länder der Montanunion sind sich darin einig, daß alle anderen europäischen Staaten sich jederzeit den bereits getroffenen und noch zu treffenden Vereinbarungen anschließen können.
({0})
Lassen Sie mich kurz auf das Erreichte eingehen! In Paris beschlossen die Postminister der Montanunion die Herausgabe einer gemeinsamen europäischen Marke für die Länder der Montanunion. Jede der sechs Postverwaltungen soll einen Entwurf oder mehrere Entwürfe für die EuropaMarke vorlegen. Eine aus Vertretern dieser Verwaltungen gebildete Jury sollte am 20. März 1956 in Paris zusammentreten, um sich aus den vorliegenden Entwürfen auf ein gemeinsames Motiv zu einigen. Dieses Motiv soll in gleichem Format, aber in den verschiedensten Werten und Auflagen, die den Verwaltungen freigestellt sind, für die Europa-Marke verwendet werden.
Am 20. März ist nun diese Jury zusammengetreten, um das für die Europa-Marke zu verwendende Motiv auszuwählen. Mit Freude und Genugtuung darf ich dem Hohen Hause ihren Beschluß zur Kenntnis bringen. Sie wählte von den 23 vorgelegten Entwürfen, darunter auch deutschen Entwürfen, den Entwurf des Franzosen Gonzague, in dem die Idee des europäischen Aufbaues symbolisch dargestellt wird. Er zeigt ein Gerüst mit sechs Bausteinen, die zusammengesetzt das Wort „Europa" ergeben, und im Hintergrund die wehende Europafahne mit einem großen „E". Die Briefmarke soll zum erstenmal am 15. September 1956 ausgegeben werden. So werden also die Länder der Montanunion demnächst Briefmarken oder auch Briefmarkenserien herausgeben, die das gleiche Markenbild tragen; ein erstes Symbol, so dürfen wir feststellen, der werdenden Einheit Europas. Mit dem Erscheinen dieser Postwertzeichen wird endlich der vom Europarat und auch von diesem Hohen Hause lange gehegte Wunsch nach einer Europa-Marke erfüllt. Die Tragweite dieses Vorgangs kann kaum hoch genug eingeschätzt werden, bedeutet doch die Einigung auf ein gemeinsames Markenbild bereits den freiwilligen Verzicht auf nationale Hoheitsrechte durch die Postverwaltungen.
Die Postminister haben ferner eine Arbeitsgruppe „Post" und eine Arbeitsgruppe „Fernmeldewesen" eingesetzt. Diese beiden Arbeitsgruppen tagen ebenfalls seit dem 20. März in Paris, um die ersten Maßnahmen zur Vereinfachung des Post-und Fernmeldeverkehrs und zur engeren Zusammenarbeit der beteiligten Postverwaltungen einzuleiten.
Auf der Tagesordnung der Arbeitsgruppe „Post" stehen u. a. folgende Beratungspunkte: Erstens Vereinfachung des Postaustausches zwischen den beteiligten Ländern, zweitens Verbesserung der Leitung der Postsendungen, drittens regelmäßige Zusammenkünfte und zeitweiser Austausch von Beamten der Postverwaltungen und schließlich viertens Einrichtung eines Studienausschusses für Postmaterial.
Von der Arbeitsgruppe „Fernmeldewesen" werden insbesondere behandelt: Erstens Maßnahmen zur Entwicklung des Fernsprech- und TelexNetzes in Europa und zur Abstimmung der nationalen Programme, zweitens Vereinbarungen über den vollautomatischen Fernsprechdienst in Europa, vorläufiges Studium der Gebührenberechnung und der Bestimmung der Gebührenanteile der einzelnen Verwaltungen und drittens Tarifrevisionen nach den allgemeinen Tarifempfehlungen des Internationalen Fernmeldevereins mit dem Ziel der Herabsetzung und Vereinfachung der internationalen Fernsprech-, Telegraphen- und Telex-Gebühren.
Außerdem wird sich demnächst eine besondere Arbeitsgruppe „Postscheckwesen" um die Vereinheitlichung und Vereinfachung des Postscheckverkehrs bemühen.
Die Bundesregierung ist bestrebt, die angebahnte Entwicklung mit allen Mitteln zu fördern. Das Ziel wäre ohne Zweifel dann erreicht, wenn die beteiligten Länder ein einheitliches Postgebiet bildeten, in dem die gleichen Bedingungen für den Inlandspostverkehr und den Postverkehr der Länder untereinander gelten würden. Gegenwärtig sind für den Postverkehr der Länder untereinander die Bestimmungen der Verträge des Weltpostvereins maßgebend, deren Normen für alle Länder verbindlich sind und den Postbenutzern gleiche Bedingungen bieten. Dagegen weisen die Inlandsbestimmungen für den Postverkehr der einzelnen Länder Unterschiedlichkeiten auf, deren Angleichung zur Zeit noch auf größere Schwierigkeiten stößt. Das Ziel, ein einheitlicher Inlandverkehr, kann nur dadurch erreicht werden, daß die beteiligten Postverwaltungen die Inlandbestimmungen schrittweise aneinander angleichen.
Ich weise darauf hin, daß die Bundesregierung nicht von sich aus allein den jetzigen Zustand ändern kann. Zu ihrer Bereitschaft, die wir zum wiederholten Male in aller Form versichern, muß auch die der übrigen Postverwaltungen hinzukommen, wenn wir zu den erwünschten erfolgreichen Ergebnissen gelangen wollen. Es ist Aufgabe der bereits laufenden Verhandlungen und Konferenzen, hier übereinstimmende Meinungen zu erzielen. Vieles läßt sich z. B. im Postpaketverkehr oder im Postzahlungsverkehr erst vereinfachen und vereinheitlichen, wenn gewisse Zoll- und Devisenbestimmungen geändert werden.
Die Umstellung des europäischen Postverkehrs auf die Grundsätze des Inlandverkehrs ist bei den unterschiedlichen Verhältnissen der einzelnen Länder nicht in Tagen oder in wenigen Wochen zu verwirklichen. Die Bundesregierung wird in dieser Frage alles tun, um weitere Fortschritte zu dem gemeinsamen europäischen Ziel zu erreichen. Damit hoffe ich, die erste Frage hinreichend beantwortet zu haben.
Darf ich mich nun der letzten Frage, der Beförderung zuschlagfreier Post auf dem Luftwege, zuwenden. Nach den Vorschriften des Weltpostvertrags von Brüssel über den Luftpostverkehr mit Briefsendungen ist für das Befördern von Sendungen auf dem Luftweg neben den gewöhnlichen Postgebühren im allgemeinen ein besonderer Luftpostzuschlag zu entrichten. Ausnahmsweise können die Verwaltungen unter bestimmten Voraussetzungen davon absehen.
Aus der Formulierung der Anfrage könnte geschlossen werden, daß die meisten europäischen Länder Briefe im internationalen Verkehr, also auch nach Übersee, ohne den besonderen Zuschlag auf dem Luftweg befördern. Dies ist jedoch nicht so. Lediglich eine Gruppe europäischer Länder befördert im Gegenseitigkeitsverkehr oder auch uneingeschränkt nach allen Ländern Europas Luftpostbriefe ohne Zuschlag, wenn diese dadurch früher zugestellt werden können als bei einer Beförderung auf dem Schienenweg. Ich möchte deshalb annehmen, daß sich die große Anfrage nur auf den Verkehr innerhalb Europas beziehen soll, und darf
({1})
bei meiner Antwort von dieser einschränkenden Auslegung ausgehen.
Der Gedanke, zuschlagfreie Briefe auf dem Luftweg zu befördern, ist der Deutschen Bundespost nicht neu. Bereits vor dem Krieg und bis zum Jahre 1945 wurde von der ehemaligen Deutschen Reichspost in der jetzt wieder angestrebten Weise verfahren. Die Deutsche Reichspost war allerdings in einer günstigeren Lage. Ihr stand ein ausgedehntes europäisches Flugnetz ,der alten Deutschen Lufthansa, also einer deutschen Gesellschaft, zur Verfügung. Wenn die Deutsche Bundespost sich bisher nicht dazu entschließen konnte, wieder zuschlagfreie Briefpost auf dem Luftweg weiterzuleiten, so waren dafür neben der Tatsache, daß im Luftpostverkehr erst 1952 die letzten alliierten Beschränkungen fielen, vor allem drei Gesichtspunkte maßgebend.
Erstens. Die Beförderung zuschlagfreier Briefe auf dem Luftweg innerhalb der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin und nach den europäischen Ländern würde nach überschlägigen Berechnungen den Etat der Deutschen Bundespost mit rund 10 Millionen DM jährlich belasten, die sich aus dem Wegfall der Einnahmen an Luftpostzuschlägen und aus den Kosten für die Luftbeförderung der bisher auf dem Schienenweg beförderten Briefe ergeben. Auf diese 10 Millionen DM sollte unseres Erachtens nur verzichtet werden, wenn ein dringendes volkswirtschaftliches oder politisches Bedürfnis dazu zwänge. Dies scheint uns aber nicht der Fall zu sein.
Denn zweitens bestehen nach zahlreichen europäischen Ländern, insbesondere nach allen angrenzenden Staaten seit geraumer Zeit gute bis sehr gute Zugverbindungen, die eine rasche Überkunft der Sendungen an die Empfänger gewährleisten. Da die benutzten Züge weitgehend in den Abend- und Nachtstunden verkehren, die Flüge im europäischen Raum dagegen durchweg in den Tagesstunden liegen, erschien es bislang nicht notwendig, die beachtlichen Postmengen auf den Luftweg zu verweisen.
Drittens. Die Bundesrepublik ist zwar in der glücklichen Lage, in der neuen Deutschen Lufthansa wieder ihre eigene, nationale Luftverkehrsgesellschaft zu besitzen. Das europäische Streckennetz der Lufthansa aber, das erst seit knapp elf Monaten aufgebaut wird, ist noch so klein, daß zur Beförderung der Sendungen fast ausschließlich fremde Luftverkehrsgesellschaften herangezogen werden müßten.
Zahlungen für Sonderdienste, denen keine Einnahmen gegenüberstehen, haben im Verhältnis von Postverwaltungen zu Luftverkehrsgesellschaften den Charakter von Subventionen. Während bei fast allen Postverwaltungen diese Subsidien der eigenen, nationalen Fluggesellschaft zugute kommen, weil sie über ein ausgedehntes Europanetz verfügt, würde die Deutsche Bundespost bei einer Beförderung ihrer zuschlagfreien Briefpost bedeutende Summen in Devisen an die fremden Luftverkehrsgesellschaften zahlen müssen.
Die Deutsche Bundespost wendet seit längerem dem Problem der zuschlagfreien Briefbeförderung auf dem Luftweg innerhalb Europas und damit in erster Linie auch innerhalb Deutschlands die größte Aufmerksamkeit zu. Sie ist gewillt, sich der Übung der anderen europäischen Postverwaltungen anzuschließen, sobald günstigere Verhältnisseund ein größeres Streckennetz der Deutschen Lufthansa ihr dies gestatten.
Zusammenfassend sei festgestellt: Die Bundesregierung begrüßt jeden Vorschlag und jede Maßnahme zur Europäisierung des Post- und Fernmeldewesens. Ihre Vertreter, insbesondere die Vertreter der Deutschen Bundespost, nehmen an allen Beratungen aktiven Anteil, so auch bei den zur Zeit laufenden Pariser Verhandlungen. Wo und wie immer nur möglich, arbeiten sie mit befruchtenden Vorschlägen für das gemeinsame Ziel: die Europäische Postunion.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage gehört. Auf eine Aussprache dazu wird verzichtet. Damit ist Punkt 2 c der Tagesordnung erledigt.
Ich komme zu Punkt 2 d:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Postverkehr mit dem Ausland ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein. Herr Abgeordneter, wünschen Sie als Berichterstatter das Wort dazu? - Bitte sehr.
Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde meinen Bericht ganz kurz fassen. Ich habe vom Auswärtigen Ausschuß den Auftrag erhalten, über Drucksache 1787 betreffs Postverkehr mit dem Ausland zu berichten. Die Grundlage hierzu findet sich auf Drucksache 436 im Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vom 6. April 1954. Dieser Antrag wurde in der 28. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. Mai 1954 dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - federführend - und - mitberatend - dem Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen zur weiteren Bearbeitung überwiesen. In seiner 15. Sitzung am 14. Juni 1954 beschloß der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten die Gründung eines Unterausschusses, der sich mit Drucksache 436 und verwandten Materien befassen sollte.
Ganz allgemein darf ja gesagt werden, daß Drucksache 436 in organischem Zusammenhang mit mehreren Anträgen der sozialdemokratischen Fraktion steht, materiell den Verkehr zwischen den europäischen Staaten zu erleichtern und politisch - nach den Äußerungen der Antragsteller - einen Fortschritt in der Entwicklung zur europäischen Einheit zu erzielen.
Dieser Unterausschuß hat fünf Sitzungen abgehalten, in denen er sich auf das ausführlichste mit allen zur Erwägung stehenden Problemen befaßte. Hierbei ist im Zusammenwirken der Vertreter aller Parteien und der zuständigen Bundesministerien in Überwindung mancher technischer und allgemeiner Bedenken und als Ergebnis vieler konstruktiver Diskussionen das diesem Hohen Hause nun vorliegende Ergebnis erarbeitet worden.
Von seiten der Antragsteller, denen sich weitere Ausschußmitglieder anschlossen, wurde des öfteren betont, daß eine deutsche Initiative auch dann zu bejahen sei, wenn gleichlautende Maßnahmen anderer Staaten vorläufig noch nicht erwartet werden können. Es wurde hierbei auf die günstige
({3})
Auswirkung der deutschen Initiative bei der Beseitigung der Sichtvermerke im Reiseverkehr hingewiesen. Brieflich und dann im mündlichen Vortrag hatten die Vertreter des Bundespostministeriums in der zweiten Sitzung des Unterausschusses vom 11. November 1955 gewisse Bedenken zur Erwägung gestellt, ob nämlich bilaterale Abkommen überhaupt möglich und zweckdienlich seien und ob nicht vielmehr das Zustandekommen umfassender postalischer Unionen dadurch ungünstig beeinflußt werden könne, ferner, ob nicht erhebliche finanzielle Verluste bei einer Durchführung der vorgeschlagenen Regelungen zu erwarten seien. Der Herr Abgeordnete Dr. Karl Mommer, der sich in besonders aktiver Weise dieser Arbeiten im Unterausschuß und im Hauptausschuß annahm, brachte demgegenüber wiederholt zum Ausdruck, daß zur Erreichung eines wirklich europäischen Zieles gewisse finanzielle Opfer nicht gescheut werden dürften.
In seiner dritten Sitzung vom 18. Mai 1955 hat sich der Unterausschuß dieser Meinung angeschlossen. Auch ist es die Ansicht des Unterausschusses gewesen, daß irgendwo ein Anfang gemacht werden müsse, daß also bilaterale und sonstige Teilabkommen durchaus einen Weg darstellen, um schließlich zur Europäischen Postunion zu gelangen. Bis diese verwirklicht sei, könnten bi- und multilaterale Abkommen von erheblichem ideellen und materiellen Nutzen sein.
In der dritten Sitzung des Unterausschusses haben dann die Behördenvertreter ihre Bedenken zwar nicht zur Gänze fallenlassen, aber doch zurückgestellt, darunter auch die Erwägung, ob eine Initiative der Bundesrepublik, die noch nicht formell Mitglied des Weltpostvereins sei, außenpolitische Ressentiments hervorrufen könne. Damit waren die Vertreter der Regierung und die Mitglieder des Unterausschusses darüber einig geworden, daß der wahre, nämlich der auf wirklicher Gleichheit und brüderlicher Zusammenarbeit zwischen den Völkern ruhende Europagedanke neuer belebender Impulse bedürfe.
In dieser gleichen Sitzung kam es zu ,dem ergänzenden Vorschlag Punkt c auf Drucksache 1787, „die Voraussetzungen zur Schaffung einer europäischen Briefmarke zu prüfen". Dies ist die Wiederaufnahme eines Gedankens, der zum erstenmal am 9. September 1929 vom Reichsaußenminister Dr. Gustav Stresemann bei seiner letzten Rede vor dem Völkerbund in Genf ausgesprochen wurde. Wir würden dem Geiste Europas und dem Andenken dieses großen deutschen und europäischen Staatsmannes dienen, wenn wir im Deutschen Bundestag uns diese Forderung zu eigen machten. Nach dem, was wir soeben vom Herrn Staatssekretär im Postministerium erfahren haben, scheinen die Aussichten dafür auch in der Praxis sehr günstig zu sein.
Bereits in der dritten Sitzung des Unterausschusses kam es demnach zu einer Einigung zwischen allen Mitgliedern und Teilnehmern an den Beratungen. In der Form der nun vorliegenden Drucksache 1787 wurde in der fünften Sitzung am 12. Oktober 1955 der Antrag dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zur Annahme empfohlen. Noch am selben Tag hat der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten in seiner 51. Sitzung nach Berichterstattung durch den Herrn Abgeordneten Dr. Gille auf Empfehlung des Vorsitzenden des Ausschusses, des Herrn Abgeordneten Kiesinger, die vom Unterausschuß erarbeiteten und vorgeschlagenen Anträge einstimmig angenommen.
Am 14. Oktober hat der Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen die Drucksache 436 abschließend behandelt und dem Auswärtigen Ausschuß durch Schreiben vom gleichen Tage mitgeteilt, daß er einstimmig beschlossen habe, dem federführenden Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu empfehlen, die vom Unterausschuß erarbeitete Fassung unverändert dem Plenum zur Beschlußfassung vorzulegen. Der Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen bat, diesen Beschluß bei der Berichterstattung im Plenum bekanntzugeben.
Ich bin ferner vom Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten beauftragt worden, dem Plenum mitzuteilen, daß der Abgeordnete Herr Dr. Karl Mommer im Laufe der Beratungen die höchst wertvolle Anregung gab, mit der Europa-Briefmarke eine Spendenmarke zu verbinden; ihr Erlös solle dem Europarat für Notfälle besonderer Art zur Verfügung gestellt werden. Außerdem möge ich bei der Berichterstattung auf die überaus dankenswerte erneute Initiative des französischen Postministers und auf den Schritt hinweisen, der von ihm gerade in dieser Richtung unternommen wurde, nämlich eine Konferenz der Postminister zu einer ständigen Einrichtung zu gestalten, zweifellos etwas, was von deutscher Seite jeder Unterstützung würdig ist.
Im Auftrag des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten darf ich daher diesem Hohen Hause die Bitte vortragen, den Anträgen auf Drucksache 1787 seine Zustimmung zu erteilen.
({4})
Sie haben den Bericht gehört. Ich eröffne die Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1787 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zu Punkt 3. Die Punkte 3 a und 3 b können verbunden werden, nachdem die Herren Berichterstatter auf das Wort verzichtet haben.
({0})
- Sie haben nicht verzichtet, Herr Abgeordneter? Einen kurzen Satz? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Maier als Berichterstatter zu Punkt 3 a:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({1}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende ({2}). .
Maier ({3}) ({4}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren, ich werde mich wirklich kurz fassen und Ihnen nur empfehlen, den Mündlichen Bericht - Drucksache 2011 -, wie ihn der Ausschuß für innere Verwaltung nach einstimmigem Gutheißen durch den Auswärtigen Ausschuß Ihnen vorschlägt, anzunehmen.
Im Zusammenhang mit dieser Drucksache 2011 steht ein Initiativentwurf, der aus den beiden Ausschußberatungen herausgewachsen ist und der sich mit der Änderung des Paßgesetzes befaßt. Ich möchte Ihnen empfehlen, auch diesen Initiativentwurf in drei Lesungen heute anzunehmen.
Sie haben den Bericht gehört. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache 2011 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 3 b auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Mommer, Dr. Dr. h. c. Pünder und Genossen betreffend Vereinfachung der Grenzformalitäten für private Kraftfahrzeuge und über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vereinfachung der Zollkontrolle ({1}).
Wünscht der Herr Berichterstatter dazu das Wort? - Herr Abgeordneter Dr. Brühler als Berichterstatter.
({2})
Dr. Brühler ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde versuchen, mich so kurz als möglich zu fassen. Aber das Thema ist auf der anderen Seite so interessant, daß es auch das müde Hohe Haus vielleicht etwas wieder aufmuntern wird.
Die Entstehung der Anträge der Fraktion der SPD Drucksache 338 - Vereinfachung der Zollkontrolle - und Drucksache 576 - Vereinfachung der Grenzformalitäten für private Kraftfahrzeuge -, die diesem Bericht zugrunde liegen, ist eng verknüpft mit dem Ursprung der Anträge Drucksache 198 - betreffend Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende - und Drucksache 436 - betreffend Postverkehr mit dem Ausland -, zu denen zuvor die Herren Kollegen Maier und Dr. Prinz zu Löwenstein berichtet haben.
Alle diese Anträge gehen zurück auf Beratungen des Unterausschusses „Grenzformalitäten" im Rechtsausschuß des Europarates, der schon im Mai 1954 gerade hinsichtlich der Vereinfachung der Grenzformalitäten für private Kraftfahrzeuge - zunächst in der Recommendation Nr. 59 - sehr detaillierte Empfehlungen vorlegte, die - um das vorwegzunehmen - allerdings in ihren einzelnen Vorschlägen bei weitem noch nicht eine solche Vereinfachung erreichten, wie sie als Ergebnis der Beratungen des Auswärtigen Ausschusses und des Ausschusses für Verkehrswesen in vollem Einvernehmen mit den zuständigen Ressorts der Bundesregierung dem Bundestag in diesem Mündlichen Bericht empfohlen werden sollen. Es darf angemerkt werden, daß der Europaratsausschuß im übrigen seine Vorschläge inzwischen durch weitere Rekommendationen ergänzte und die Bundesregierung kürzlich einen Beschluß des Ministerkomitees im Europarat herbeiführen konnte, wonach das Generalsekretariat des Europarates gemeinsam mit Sachverständigen der Regierungen den gesamten Komplex der Empfehlungen zum Problem der Grenzformalitäten überprüfen und ordnen soll.
Damit, meine Damen und Herren, ist über die von mir im weiteren zu unterbreitenden Empfehlungen des Ausschusses zugleich eine Antwort auf Ziffer 1 des Antrags der SPD, Drucksache 576, vorweggenommen, in der es heißt, daß die Bundesregierung beauftragt werden solle, im Ministerausschuß des Europarates die Annahme der Empfehlung Nr. 59 über die Vereinfachung der Grenzformalitäten für private Kraftfahrzeuge zu befürworten.
Die zweite Empfehlung des SPD-Antrags ging dahin, die Bundesregierung zu beauftragen, diejenigen Vorschläge dieser Europaratsempfehlungen, die gegenüber der gegenwärtigen deutschen Verwaltungspraxis eine Vereinfachung bedeuten, unverzüglich und von sich aus in Kraft zu setzen. Hier war zunächst zu untersuchen, wie das Verfahren bei der Abfertigung privater Kraftfahrzeuge an den Grenzen auf Grund der zur Zeit geltenden deutschen Vorschriften durchgeführt wird und wie sich diese Praxis zu den Vorschlägen des Europaratsausschusses verhält.
Dem Unterausschuß, den der Auswärtige Ausschuß mit der Behandlung all dieser von mir genannten, auf die Erleichterung der Grenzformalitäten hinausgehenden Anträge beauftragt hatte, wurde nach seinen ersten Beratungen hierzu vom Bundesfinanzministerium im August 1955 eine ganz ausgezeichnete Ubersicht vorgelegt, die - um es kurz zu machen - schließlich ganz konkrete Vorschläge umfaßte, wie im Sinne der Antragsteller unter den besonderen Gegebenheiten der Abfertigung an den deutschen Grenzen das Anliegen der Rekommendationen des Europarates verwirklicht werden könne. Tatsächlich wurden die Vorschläge in den Empfehlungen, die der Auswärtige Ausschuß mit diesem Bericht dem Hohen Hause vorlegt, fast völlig unverändert übernommen.
Um zu verdeutlichen, welche Vereinfachungen eine Annahme dieser Empfehlungen tatsächlich bringen würde, lassen Sie mich einen kurzen Abriß der bestehenden Vorschriften geben. Inländische private Kraftfahrzeuge, die vorübergehend in das Ausland mitgeführt werden, bleiben bei der Rückkehr auch im Sinne der geltenden Bestimmungen als sogenannte „Rückware" zollfrei. Ein Nachweis dafür, daß diese Kraftwagen nur vorübergehend im Zollausland gewesen sind, wird schon allein darin erblickt, daß diese Wagen eine inländische Zulassungsnummer führen. Es werden also keine besonderen Zollpapiere gefordert und nur in Zweifelsfällen die Zulassungspapiere überprüft. Mit dieser Regelung wird den Empfehlungen des Europaratsausschusses in vollem Maße entsprochen.
Bei ausländischen Kraftfahrzeugen, die in gleicher Weise vorübergehend eingeführt werden, besteht bisher unter der Bedingung der Einhaltung bestimmter Fristen ebenfalls Zollfreiheit. Die Überwachung findet hier durch das sogenannte Zollvormerkverfahren statt. Durch die Abfertigung einer Ware zum Zollvormerkverkehr entsteht eine bedingte Zollschuld, die bei fristgerechter Wiedergestellung der Ware - wie es in den Vorschriften heißt - wegfällt, jedoch unbedingt und fällig wird, wenn eine solche fristgerechte Wiedergestellung nicht nachgewiesen wird. Für diese bedingte Zollschuld ist bei der Einfuhr der Ware Sicherheit zu leisten.
Kraftfahrzeuge können nun auf Antrag durch einen Einfuhrzollvormerkschein abgefertigt werden oder auf besonders für den Kraftfahrzeugverkehr geschaffene Zollpapiere eingeführt werden. Der erwähnte Einfuhrzollvormerkschein ist nur für eine einmalige Ein- und Ausfuhr gültig und erfordert eine persönliche Sicherheitsleistung.
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Als besonders für den Kraftfahrzeugverkehr entwickelte Zollpapiere bestehen in der Bundesrepublik als nationales Zollpapier der Kraftfahrzeugvormerkschein und als internationale Zollpapiere der Zollpassierschein, das Triptyk und das Zollpassierscheinheft - Carnet de passage en douanes -.
Zur Erfüllung der geforderten Sicherheitsleistungen und zur Ausstellung und Überwachung der geforderten Papiere sind neben den zuständigen Staatsbehörden internationale Automobilklubs und Versicherungsgesellschaften eingeschaltet, und im ganzen ist ein noch sehr beschwerliches Verfahren zu durchlaufen.
Der Europaratsausschuß hatte in seinen Empfehlungen nun vorgeschlagen, daß für eine solche vorübergehende Einfuhr von Privatkraftwagen von Touristen a) keine finanziellen Garantien mehr gefordert werden sollen, b) alle Zollpapiere abgeschafft werden und c), falls der Empfehlung zu b) nicht in vollem Umfange entsprochen werden kann, für eine Übergangszeit kostenlose europäische Papiere für die vorübergehende Einfuhr geschaffen werden.
Da das Ergebnis der Beratungen in den Ausschüssen, die sich an diese Vorstellungen knüpften, zu einer sehr einfachen, sehr einleuchtenden und einhellig von allen Beteiligten unterstützten Empfehlung führte, kann ich Ihnen ersparen, die einzelnen Phasen der Erwägungen darzustellen, die ja zwangsläufig mit der Absicht zur Vereinfachung eines so heterogenen Komplexes von Vorschriften verbunden sein mußten.
Ich glaube aber, mich zum Sprecher der Antragsteller und aller Kollegen, die an diesen Beratungen beteiligt waren, zu machen, wenn ich insbesondere dem Bundesfinanzministerium gegenüber nachdrücklich der Befriedigung darüber Ausdruck gebe, daß - trotz mehrfacher administrativer Bedenken, die sich insbesondere auf eine erhebliche Vermehrung der Verwaltungsarbeit bezogen, die unter Umständen für die Zollverwaltungen mit den Vorschlägen der Ausschüsse verbunden sein könnte - durch die sehr intensive und konstruktive Zusammenarbeit der zuständigen Referate die Ausarbeitung nachfolgender Vorschläge möglich wurde.
Der Auswärtige Ausschuß und der bei den Beratungen der Drucksache 576 beteiligte Ausschuß für Verkehrsfragen schlägt Ihnen vor, die Bundesregierung zu ersuchen, in der Zollabfertigung von Kraftfahrzeugen im Reiseverkehr künftig wie folgt zu verfahren.
Personenkraftfahrzeuge, die in einem anderen Land ordnungsmäßig zum Verkehr zugelassen sind, eine nationale Zulassungsnummer tragen und für die bei der Einfuhr das darüber erteilte nationale Zulassungspapier vorgelegt wird, werden jeweils für die Dauer von drei Monaten vorübergehend zum persönlichen Gebrauch durch den Einführenden ohne Erhebung der Eingangsabgaben und ohne Leistung einer Zollsicherheit zugelassen.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter, verzeihen Sie, daß ich unterbreche: der Text des Antrags liegt dem ganzen Hause vor. Ich glaube, wir können darauf verzichten, daß er verlesen wird. Das kürzt das Verfahren etwas ab.
Dr. Brühler ({0}), Berichterstatter: Das ist jetzt wohl auch erledigt; ich habe ihn schon verlesen.
Bitte?
Dr. Brühler ({0}), Berichterstatter: Den Antrag habe ich jetzt verlesen. Das ist jetzt -
Ich kann Sie nicht verstehen. Weicht der Antrag, den Sie mündlich vortragen, von dem Antrag des Ausschusses ab, Herr Abgeordneter?
Dr. Brühler ({0}), Berichterstatter: Nein!
Die Zulassung wird dadurch erteilt, daß das Eingangszollamt auf einer Zusatzkarte - ({1})
Herr Abgeordneter, ich muß doch bitten, daß Sie nach Möglichkeit abkürzen. Der Text liegt vor, und das Haus ist ohnehin in Zeitbedrängnis.
Dr. Brühler ({0}), Berichterstatter: Die vorgeschlagene Regelung wird - ich darf hierbei auf die guten Erfahrungen verweisen, die Sie mit der Aufhebung des Visumszwangs machten - es der Bundesrepublik ermöglichen, zunächst einseitig, also ohne Rücksicht auf die Verhandlungen, die auch nach Absicht der Bundesregierung selbstverständlich mit anderen europäischen Staaten und auf der Ebene des Europarats fortgeführt werden sollen, auf jedes Zolldokument zu verzichten und lediglich eine lockere Kontrolle über die Wiederausfuhr der ausländischen Kraftfahrzeuge dadurch zu handhaben, daß bei der Einreise auf dem Einlegeblatt zu der Zulassungskarte vermerkt wird, daß sich das Fahrzeug von einem solchen Datum an drei Monate lang in der Bundesrepublik aufhalten kann. Das ist die größte Vereinfachung, die es seither auf diesem Gebiet nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt gibt; denn soweit ich unterrichtet bin, hat sich außer Dänemark noch kein anderer Staat entschlossen, auf ein Dokument zu verzichten, das in der Hand des Staates bzw. der Verwaltung bleibt, in deren Gebiet das Fahrzeug einreist. Unser Vorschlag machte allerdings - hierauf darf ich an dieser Stelle hinweisen - ({1})
Nun, Herr Abgeordneter Ritzel, darauf können wir bei den Berichterstattern am wenigsten bestehen. Aber ich appelliere noch einmal auch an die Herren Berichterstatter, sich kurz zu fassen.
({0})
Dr. Brühler ({1}), Berichterstatter: Ich bin gleich fertig, Herr Präsident, ich habe noch eine Seite zu lesen.
Unser Vorschlag machte allerdings - hierauf darf ich an dieser Stelle hinweisen - eine Ergänzung des deutschen Zollgesetzes notwendig, wonach die Entnahme der im erleichterten Verfahren eingeführten Kraftfahrzeuge in den freien Verkehr, die bisher gestattet war, mit Rücksicht auf die geleistete Sicherheit ohne zollamtliche Mitwirkung verboten wird. Im Einvernehmen und mit der Amtshilfe des Bundesfinanzministeriums wird dem Hohen Hause in dieser Sitzung ein entsprechender interfraktioneller Gesetzesinitiativantrag zur Beschlußfassung vorgelegt. Der Aus({2})
schuß wurde überdies dahingehend unterrichtet, daß die Bundesregierung in Aussicht genommen habe, in geeigneter Weise mit anderen europäischen Staaten in Verbindung zu treten, um die Einführung einer solchen erleichterten Grenzabfertigung unter entsprechender Verwendung und gegebenenfalls Ausgestaltung der nationalen Zulassungspapiere zu erreichen. Im Ausschuß wurde ferner vorgeschlagen, daß die Bundesregierung im Falle der Annahme der Ausschußempfehlungen die Neuregelung dem Europäischen Wirtschaftsrat, dem Europarat sowie deren Mitgliedstaaten einzeln mitteilen solle. Eine entsprechende Empfehlung ist dem Hohen Hause unter Buchstabe B des Ausschußantrags zur Beschlußfassung vorgelegt.
Am Rande darf ich mich noch mit dem Einwand auseinandersetzen, der darauf verwies, daß die zunächst unvermeidliche einseitige Einführung der Zusatzkarte auf jeden Fall ein neues Papier im Grenzverkehr bedeute. Diesem Einwand kann leicht dadurch begegnet werden, daß man übereinkommt, daß diese Zusatzkarte nicht unbedingt vorhanden sein muß. Wenn jemand z. B. ein Carnet de passage besitzt, weil er auch in andere Länder einreisen will, in idenendieses internationale Zollpapier verlangt wird, sollte er die erforderliche Abstempelung natürlich auch in seinem Carnet erhalten können. Es dürfte für die Verwaltung eine Sache von einiger Wichtigkeit sein, daß hier so schnell als möglich Klarheit geschaffen wird. Das Bundesfinanzministerium hat diesen Gedanken in seiner Vorlage selbst ausgesprochen und Vereinbarungen mit den für die Verkehrskontrolle zuständigen deutschen Behörden in all diesen Dingen empfohlen.
Schließlich hat sich mein Bericht der Erledigung des gemeinsam mit dem Antrag zur Vereinfachung der Grenzformalitäten für private Kraftfahrzeuge vorgelegten Antrages der SPD Drucksache 338 zur Vereinfachung der Zollkontrolle zuzuwenden. Ziffer 1 dieses Antrages, wonach die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, die in der Empfehlung Nr. 51 des Europarates unter Teil D geforderten Erleichterungen bei der Zollkontrolle der Reisenden von sich aus in Kraft zu setzen, wurde vom Antragsteller in einer Sitzung des Finanz- und Steuerausschusses vom 26. Mai 1954 zurückgezogen. Ziffer 2 des Antrages entspricht in ihrem materiellen Inhalt der Empfehlung der Drucksache 576 zur Vereinfachung der Zollkontrolle für Kraftwagen und wurde daher vom Auswärtigen Ausschuß durch seine in diesem Zusammenhang beschlossene Empfehlung als erledigt betrachtet.
({3})
- Meine Damen und Herren, ich habe noch drei oder vier Sätze zu lesen; Sie werden die Geduld aufbringen, auch noch bis dorthin zuzuhören.
({4})
Der mitbeteiligte Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, der zunächst die Annahme dieser Ziffer des SPD-Antrags empfohlen hatte, erklärte sich mit dieser Auffassung einverstanden.
In diesem Sinne darf ich namens des Auswärtigen Ausschusses dem Hohen Hause vorschlagen, den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vereinfachung der Zollkontrolle - Drucksache 338 - durch die Beschlußfassung zu den Buchstaben Aund B des Ausschußantrags für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
({0})
Ich eröffne die Beratung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1788 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Punkt 3 c auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der -CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes ({1}) ({2}).
Auf das Wort zur Einbringung wird verzichtet. Ich eröffne die Beratung der ersten Lesung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung der ersten Lesung.
Ich eröffne die zweite Beratung. Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - In der zweiten Lesung einstimmig angenommen. ({3})
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 2038 zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe!- Einstimmig angenommen.
Punkt 3 d:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Paßwesen ({4}).
Ich eröffne die Beratung der ersten Lesung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung erster Lesung.
Ich komme zur zweiten Beratung. Ich rufe auf Art. 1. Hier ist ein Änderungsantrag auf Umdruck 551 gestellt. - Herr Abgeordneter, wünschen Sie den Änderungsantrag Umdruck 551 zu begründen?
({5})
- Zur Begründung des Antrags Umdruck 551 hat das Wort der Abgeordnete Dr. von Buchka.
Meine Damen und Herren! Seien Sie unbesorgt! Ich werde Sie nicht durch lange Ausführungen strapazieren, zumal es schade wäre um den Europagedanken.
Es handelt sich hierbei um keinerlei materielle Änderungen, sondern lediglich um redaktionelle Klarstellungen. - Ich darf noch bitten, den Antrag Umdruck 551*) unter Ziffer 2 wie folgt zu ändern: In § 11 Abs. 1 Nr. 1 werden hinter den Worten „des § 3 Abs. 1" die Worte „oder 2" gestrichen.
*) Siehe Anlage 2.
({0})
Ich bitte das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, das Wort dazu wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag, den Sie soeben gehört haben. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Art. 1 in der durch diesen Änderungsantrag geänderten Fassung. Wer diesem Art. 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Art. 1 ist angenommen.
Ich rufe auf die Art. 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist mit den im Antrag Umdruck 551. enthaltenen Änderungen in zweiter Lesung angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Beratung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 2044 mit den in der zweiten Lesung angenommenen Änderungen in der dritten Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 3 e:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mommer, Dr. Dr. h. c. Pünder, Graf von Spreti, Dr. Becker ({0}) und Genossen betreffend Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende ({1}).
Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht?
- Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache 2156 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 3f:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mommer, Kiesinger, Dr. Becker ({2}), Dr. Schranz und Genossen betreffend Beschlüsse des Unterausschusses 3 des Ausschusses des Deutschen Bundestages für auswärtige Angelegenheiten und der interparlamentarischen französischen Kommission für Fragen der Grenzformalitäten über die Vereinfachung der Grenzformalitäten im deutschfranzösischen Reiseverkehr ({3}).
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 3g:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.
Mommer, Dr. Dr. h. c. Pünder, Graf von
Spreti, Dr. Becker ({4}) und Genossen
betreffend Vereinfachung der Formalitäten in Flughäfen ({5}).
Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Bei diesem Antrag ist wieder vorgesehen Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Wird dem widersprochen? ({6})
- Abstimmen? Gut, wenn nicht auf Ausschußüberweisung bestanden wird, stimmen wir darüber ab.
Wer dem Antrag Drucksache 2158 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich komme zu Punkt 3h:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mommer, Dr. Dr. h. c. Pünder, Graf von Spreti, Dr. Becker ({7}) und Genossen betreffend Verzicht auf den internationalen Führerschein ({8}).
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Wird hier ein Überweisungsantrag gestellt?
({9})
- Herr Abgeordneter Rümmele, Sie wollen beantragen, daß dieser Antrag an den Verkehrsausschuß kommt?
({10})
- Eine Sekunde! - Herr Abgeordneter Mommer, wollen Sie dazu etwas sagen?
({11})
- Der Überweisung wird widersprochen. Herr Abgeordneter Rümmele, können Sie Ihren Antrag zurückziehen?
({12})
- Sie haben ihn schon. Also keine Überweisung.
Wer dem Antrag Drucksache 2159 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, den Punkt 3 i stellen wir zurück, da es sich um eine Große Anfrage handelt und der Herr Staatssekretär des Auswärtigen dann zum Schluß zu Punkt 3 sprechen und dabei die Große Anfrage beantworten wird.
Ich fahre fort mit Punkt 3 j:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mommer, Graf von Spreti, Dr. Becker ({13}) und Genossen betreffend Zollbefreiung für Betriebsstoffe der Landkraftfahrzeuge ({14}):
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Soll verabschiedet werden oder wird ein Überweisungsantrag gestellt?
({15})
- Überweisung wird nicht gewünscht. Also we diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich un ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag is angenommen.
({16}) Ich komme zu Punkt 3 k:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Gräfin Finckenstein, Dr. Leverkuehn, Dr. Becker ({17}) und Genossen betreffend Erleichterung des europäischen Reiseverkehrs durch Autobahnsymbol ({18}).
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Der Antrag ist angenommen.
Punkt 3 1:
Beratung des Schriftlichen Berichts*) des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({19}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zollfreie Einfuhr von Kaffee und Tee im Reiseverkehr ({20}).
Berichterstatter: Abgeordneter Krammig.
Auf mündliche Berichterstattung wird verzichtet. Ich eröffne die Beratung. - Das Wort wird nicht gewünscht.
({21})
- Sie wollen dazu das Wort nehmen? Zur Abstimmung?
({22}) Herr Abgeordneter Mommer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Ausschußbericht wird dem Hause vorgeschlagen, den Antrag meiner Fraktion abzulehnen. Dieser Antrag lautete, daß es in Zukunft so sein soll wie in der Vergangenheit, daß Reisende aus dem Ausland die bescheidene Quantität Kaffe und Tee mitbringen dürfen, ohne daß sie deswegen belästigt werden. Ich bitte Sie, den Antrag des Ausschusses abzulehnen und dem Antrag meiner Fraktion auf zollfreie Einfuhr von einem halben Pfund Kaffee im Monat zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer, ich bedaure, im Augenblick liegt mir nur dieser Ausschußantrag vor. Dann müßte der Antrag auf Drucksache 1773 wieder aufgenommen werden. Wenn der Ausschußantrag abgelehnt werden sollte, dann müßte das Haus erneut über den Antrag auf Drucksache 1773 entscheiden. - Zunächst hat das Wort der Herr Staatssekretär der Finanzen.
Hartmann, Staatsekretär im Bundesministerium der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich in Anbetracht der vorgerückten Stunde sehr kurz fassen. Auf der letzten Seite des Schriftlichen Berichts des Ausschusses zu Drucksache 1969 sind die Ausführungen des Regierungsvertreters zusammengefaßt worden. Es heißt
*) Siehe Anlage 3. dort, daß die Wiedereinführung des früheren Zustandes im großen Reiseverkehr mit dem Gesetz nicht im Einklang stehe, daß die Wiedergewährung der Abgabebefreiung, wie sie vorübergehend bestanden hat, weiterhin eine Abstempelung der Reisepässe erforderlich machen würde, und wir sind doch alle froh, daß das nicht mehr notwendig ist. Daher hat sich die Mehrheit des Ausschusses dem Standpunkt des Bundesfinanzministeriums angeschlossen. Ich darf Sie bitten, sich im Plenum des Hohen Hauses dem Votum des Ausschusses anzuschließen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Abgeordneter Dr. Mommer.
Der Herr Staatssekretär hat sicher recht. Aber im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen ist diese Sache eben unter fiskalischen Aspekten geprüft worden, und wir meinen, daß das Finanzministerium unsere Maßnahmen zur Befreiung des Grenzübergangs von den vielen Formalitäten nicht benutzen sollte, seinerseits Erschwerungen des Grenzübergangs einzuführen.
Weiter wird das Wort nicht gewünscht.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
({0})
- Meine Damen und Herren, bei dieser Besetzung
des Hauses ist schwer zu entscheiden. Wir wiederholen die Abstimmung. Wer für den Antrag des
Ausschusses ist, d. h. dafür, den SPD-Antrag abzulehnen, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, es bleibt uns
nichts erspart; wir kommen zum Hammelsprung.
Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß
nunmehr über das Ja oder Nein zu dem Ausschußantrag abgestimmt wird.
({1})
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, die Türen zu öffnen. Die Auszählung beginnt.
({2})
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Auszählung: 85 Ja, 135 Nein. Das ergibt eine Gesamtzahl von 221 Mitgliedern des Hauses.
Ich stelle fest, daß das Haus bei Anwesenheit von 221 Mitgliedern nicht beschlußfähig ist. Ich hebe deshalb nach § 51 der Geschäftsordnung die Sitzung auf.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Freitag vormittag, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.