Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe die angenehme Pflicht, die Sitzung damit zu beginnen, daß ich der Frau Abgeordneten Dr. h. c. Weber ({0}) zum 75. Geburtstag am 17. März meine besonders herzlichen Glückwünsche aussprechen darf.
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Ebenso beglückwünsche ich den Herrn Abgeordneten Meitmann zu seinem 65. Geburtstag am 20. März.
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Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 20. März mitgeteilt, daß die Abgeordneten Kraft, Dr. Dr. Oberländer, Gräfin Finckenstein, Haasler, Bender, Samwer und Dr. Eckhardt seit dem 20. März 1956 Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU sind.
In der 133. Sitzung des Deutschen Bundestages am 8. März 1956 ist der Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Jochmus, Frau Strobel, Frau Dr. Dr. h. c. Lüders und Genossen betreffend Lebensmittelrecht - Drucksache 2127 - dem Ausschuß für Fragen ides Gesundheitswesens - federführend
- überwiesen worden. Die Antragsteller haben in Abänderung dieses Beschlusses beantragt, die Vorlage dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung - federführend - und dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- mitberatend - zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16. März 1956 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes;
Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten ({4});
Sechstes Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({5}).
Ich komme zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde ({6}).
Ich rufe auf die Frage 1 - Abgeordneter Dr. Leiske - betreffend Forderungen des Bundesreferendarverbandes :
Sind dem Herrn Bundesjustizminister die grundsätzlichen Entschließungen des neugegründeten Bundesreferendarverbandes ({7}) auf seiner Konferenz am 9./10. Dezember 1955 in Düsseldorf bekannt?
Ist der Herr Bundesjustizminister geneigt, diese Forderungen der juristischen Referendare anzuerkennen und den Landesjustizverwaltungen zu empfehlen, diese Forderungen zu erfüllen?
Ist der Herr Bundesjustizminister insbesondere bereit, sich für die Anerkennung eines Rechtsanspruchs aller juristischen Referendare auf Gewährung von Unterhaltszuschüssen vom Beginn des Vorbereitungsdienstes an in Höhe des Existenzminimums einzusetzen und dabei die Landesjustizverwaltungen auf die vorbildliche Verordnung des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen über die Gewährung von Unterhaltszuschüssen an Beamte im Vorbereitungsdienst vom 18. November 1955 ({8}) zu verweisen?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entschließungen des Bundesreferendarverbandes auf seiner Gründungsversammlung am 9./10. Dezember 1955 in Düsseldorf sind dem Bundesjustizministerium bekannt und in der vorigen Woche von mir in Berlin mit einem Vertreter des Referendarverbandes erörtert worden. Im einzelnen darf ich die Anfrage wie folgt beantworten.
Die Forderungen des Bundesreferendarverbandes auf Freizügigkeit des Referendars, Einheitlichkeit des Ausbildungs- und Prüfungswesens und Einheit der juristischen Ausbildung werden demnächst von einem Ausschuß sämtlicher Justizverwaltungen für die Vereinheitlichung der juristischen Ausbildung behandelt werden. Das Bundesjustizministerium wird bei diesen Beratungen wie bisher für die Freizügigkeit, die Einheitlichkeit und die Einheit der juristischen Ausbildung eintreten.
Die weiter erbetene Förderung von Studienfahrten der Referendare ist in erster Linie Sache der Länder. Der Bund wird, wie bisher schon mehrfach, im Rahmen seiner Möglichkeiten helfen.
Die Sorge der Referendare hinsichtlich des Verhältnisses zwischen juristischer Ausbildung und Wehrdienst dürften durch den Entwurf des Wehrpflichtgesetzes im wesentlichen behoben sein.
Die schließlich geforderte Regelung für die Unterhaltszuschüsse, nämlich die Anerkennung eines Rechtsanspruchs auf den Zuschuß und eine genügende Höhe der Sätze, muß, da die Referendare Landesbeamte sind, den einzelnen Ländern überlassen bleiben, bei denen hier gewisse Unterschiede in der Finanzkraft in der Vergangenheit eine erhebliche Rolle gespielt haben. Für die Beamten im Vorbereitungsdienst des Bundes soll der Rechtsanspruch in Zukunft gegeben sein. Die im Bund seit dem 9. März dieses Jahres festgelegten Sätze des Zuschusses entsprechen im wesentlichen der auch vom Fragesteller als vorbildlich bezeichneten nordrhein-westfälischen Regelung. Es ist anzunehmen, daß dies mittelbar nicht ohne Einfluß auf die Länder bleiben wird. Eines ausdrücklichen Hinweises hierauf wird es kaum bedürfen, da den Ländern die Regelungen des Bundes bekannt sind.
Keine Zusatzfrage!
Meine Damen und Herren, das Bundesministerium der Justiz bittet, wegen anschließender Verhinderung des Herrn Staatssekretärs die Frage 16 vorzuziehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall. Frage 16 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt betrifft die Verursachung eines Verkehrsunfalls durch den amerikanischen Soldaten W. Karrickhoff:
Hat der amerikanische Soldat W. Karrickhoff als Fahrer eines Tiefladers durch verbotenes und verkehrswidriges Wenden auf der Autobahn bei Ulm einen Verkehrsunfall verschuldet, dem drei Menschenleben zum Opfer fielen?
Wurde Karrickhoff von einem amerikanischen Militärgericht freigesprochen?
Was ergibt die schriftliche Urteilsbegründung über die Sachund Rechtslage?
Nach Mitteilung des Amtes für Verteidigungslasten der Stadt Ulm hat der amerikanische Soldat Donald W. Karrickhoff am 29. September 1955 auf der Autobahn Stuttgart-Ulm in der Nähe von Ulm einen Sattelschlepper der amerikanischen Streitkräfte mit einem Tiefladeanhänger gewendet und dabei den Grünstreifen zwischen den beiden Fahrbahnen überfahren. Auf der anderen Fahrbahn ist ein Personenkraftwagen auf den Tiefladeanhänger aufgefahren. Die drei deutschen Insassen des Personenkraftwagens sind bei dem Unfall tödlich verletzt worden.
Der Fahrer des Sattelschleppers ist am 17. Dezember 1955 vom General Court Martial in München rechtskräftig freigesprochen worden. Das freisprechende Urteil ist weder mündlich noch schriftlich begründet worden.
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Nach dem Truppenvertrag steht die Gerichtsbarkeit in dem Strafverfahren ausschließlich den Behörden der amerikanischen Streitkräfte in der Bundesrepublik zu, und nach den Informationen, die wir eingezogen haben, ist es bei freisprechenden Urteilen nicht üblich, mündlich oder schriftlich eine Urteilsbegründung zu geben.
Eine Zusatzfrage?
Eine Zusatzfrage! Herr Staatssekretär, ist es im Hinblick auf die Todesopfer nach Auffassung der Bundesregierung mit den Grundsätzen eines fair trial und der Rechtsstaatlichkeit eines Gerichtswesens vereinbar, solche Urteile ohne mündliche und ohne schriftliche Begründung ergehen zu lassen?
Der Herr Staatssekretär!
Ich glaube, diese Antwort könnte nur von den Grundsätzen des amerikanischen Rechts aus gegeben werden, die hier anwendbar sind, und dazu fühle ich mich nicht berufen. Aber ich darf folgendes sagen. Bei den Verhandlungen über den neu abzuschließenden Truppenvertrag wird die Bundesregierung mit Nachdruck darauf hinzuwirken bemüht sein, daß künftige Fälle dieser Art einer anderen Regelung unterworfen werden.
Ich danke.
Ich rufe auf Frage 2 des Abgeordneten Dr. Keller betreffend Wiederherstellung eines selbständigen Postamts in Amorbach:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die schnell aufstrebende Entwicklung der Stadt Amorbach ({0}) die Wiederherstellung des im Jahre 1942 in ein Zweigpostamt umgewandelten selbständigen Postamtes zweckmäßig erscheinen läßt und auch die Schwierigkeiten, welche bei der Abwicklung von Versicherungsfragen und der Rentenauszahlung aufgetreten sind, die Wiederherstellung eines selbständigen Postamtes notwendig machen?
Beabsichtigt die Bundesregierung, aus diesen Gründen für baldige Wiederherstellung eines selbständigen Postamtes in Amorbach Sorge zu tragen?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Dr. Steinmetz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beantwortung einer Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel in der Fragestunde vom 7. Dezember 1955 hat Herr Bundesminister Dr. Balke bereits ausgeführt, daß für die Entscheidung der Frage: selbständiges Postamt oder Zweigpostamt?, ausschließlich Rationalisierungsinteressen der Deutschen Bundespost maßgebend sind und daß diese Entscheidung nur die innere Betriebsverwaltung beeinflußt.
Auch im Fall der Stadt Amorbach entstehen für die Postbenutzer keine Nachteile durch die Tatsache, daß der Postdienst von einem Zweigpostamt wahrgenommen wird. Die Unterlagen für die Rentenzahlungen werden beim Zweigpostamt Amorbach bearbeitet, das auch die Renten auszahlt. Mit der „Abwicklung von Versicherungsfragen" ist die Deutsche Bundespost nur insoweit befaßt, als es sich um den Verkauf von Angestellten- und Invalidenversicherungsmarken handelt. Alle Werte dieser Marken waren aber jederzeit beim Zweigpostamt Amorbach erhältlich.
Da innerbetriebliche Gründe die Umwandlung des Zweigpostamtes Amorbach in ein selbständiges Postamt nicht erforderlich machen und eine solche Maßnahme den Rationalisierungsbestrebungen zuwiderlaufen würde, ist nicht beabsichtigt, in Amorbach ein selbständiges Postamt einzurichten.
Ich rufe Frage 3 auf
- Frau Abgeordnete Albrecht - betreffend Anschluß des südbayerischen Alpengebietes an das Fernsehnetz:
Wann kann Südbayern, vor allem das Alpengebiet, mit dem Anschluß an das Fernsehnetz rechnen?
Herr Staatssekretär Dr. Gladenbeck!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Versorgung der Bevölkerung mit Ton- und Fernsehrundfunk sind die Rundfunkanstalten jeweils für ihren Bereich verantwortlich. Ob und inwieweit der Bayerische Rundfunk Südbayern in seine Planung eines Fernsehrundfunksendernetzes einbezogen hat, ist dem Bundespostministerium nicht bekannt.
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Ich rufe Frage 4 auf
- Herr Abgeordneter Schmitt ({0}) - betreffend Anmeldung von R-Gesprächen nach Orten, die durch Fernselbstwähldienst erreichbar sind:
Ist der Herrr Bundespostminister bereit, dafür Sorge zu tra- gen, daß der Fernselbstwähldienst der Bevölkerung nicht die Möglichkeit nimmt, R-Gespräche anzumelden, weil in letzter Zeit viele Ämter es abgelehnt haben, R-Gespräche nach Orten zu vermitteln, die durch Fernselbstwähldienst erreichbar sind?
Im Selbstwählferndienst ist die Ausführung von R-Gesprächen nicht möglich, da der anrufende Teilnehmer die von ihm gewünschte Verbindung ohne Mitwirkung einer Vermittlungskraft selbst herstellt. Die Unterhaltung eines handvermittelten Ferndienstes zur Ausführung von R-Gesprächen neben dem Selbstwählferndienst kann wegen der hierdurch entstehenden Kosten nicht in Betracht gezogen werden.
Es besteht jedoch auch im Selbstwählferndienst die Möglichkeit, eine Belastung der anzurufenden Sprechstelle mit den Gesprächsgebühren zu erreichen. Der Teilnehmer kann die verlangte Sprechstelle anrufen und unter Angabe seiner eigenen Rufnummer um Rückruf bitten. Da eine solche Aufforderung kaum länger als 15 Sekunden dauern dürfte, sind die hierdurch entstehenden Gebühren niedriger als die Zusatzgebühren für R-Gespräche im handvermittelten Ferndienst.
Ich rufe Frage 5 auf
- Herr Abgeordneter Ritzel - betreffend Kraft-postlinie Erbach-Amorbach:
Billigt der Herr Bundespostminister die geplante Verlegung der Leitung der seit 30 Jahren bestehenden Kraftpostlinie Erbach-Amorbach nach Heidelberg bzw. in den Bereich der Oberpostdirektion Karlsruhe?
Ist der Herr Bundespostminister der Auffassung, daß es sich mit den Rationalisierungsbestrebungen der Bundespost verträgt, daß die geplante neue Linie mit der seit Jahrzehnten bestehenden Linie Erbach-Heppenheim auf der Straße Wegscheide-Erbach zeitlich fast parallel läuft?
Aus welchen Gründen soll die seit 30 Jahren bestens bewährte Einrichtung nunmehr über den Haufen geworfen werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Der Kraftpostverkehr zwischen Erbach und Amorbach wird nicht als besondere Linie, sondern im Rahmen der Kraftpostlinie Heppenheim-Amorbach
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betrieben. Eine Änderung in der Leitung dieser Linie ist nicht vorgesehen. Es soll lediglich im Zuge der geplanten Verlängerung der Kraftpostlinie Heidelberg-Wald Michelbach über Erbach nach Miltenberg in den Sommermonaten ein Fahrtenpaar eingestellt werden. Diese Maßnahme ist aus betrieblichen und wirtschaftlichen Gründen geboten. Die Tatsache eines Gleichlaufs der beiden Linien zwischen Wegscheide und Erbach mußte in Kauf genommen werden. Eine zeitliche Verlegung konnte für beide Linien nicht in Betracht gezogen werden, weil sich die Fahrtzeiten jeweils nach dem Verkehrsbedürfnis auf der Gesamtstrecke richten müssen, die im Fall Heidelberg-Miltenberg 85 km und im Fall Heppenheim-Erbach 24 km über den gemeinsam befahrenen Streckenabschnitt Wegscheide-Erbach hinausreicht. Eine Beendigung eines der beiden Kurse in Wegscheide würde sich für die Kraftpostbenutzer nachteilig auswirken, ohne daß für die Deutsche Bundespost ein betrieblicher Vorteil entstehen würde. Nach einer gewissen Anlaufzeit wird - wie bei allen Neueinrichtungen und Änderungen im Kraftpostverkehr - geprüft werden, ob sich die getroffenen Maßnahmen in der Praxis bewähren oder ob Änderungen zweckmäßig sind.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Will die Bundespost auch hier behaupten, daß es Maßnahmen der Rationalisierung seien, die eine seit 30 Jahren bewährte Einrichtung, die unter großen kommunalen Opfern zustande gekommen ist, nun einer Entwicklung zuführen, bei der eine zusätzliche Kraftpostlinie, die zudem auch - bei gleichen Fahrtzeiten - mit erheblichen Teilen einer gleichlaufenden Linie zusammenfällt, von einer peripher gelegenen Oberpostdirektion, nämlich Karlsruhe, aus geleitet wird, während die bisherige Situation von dem zentral gelegenen Erbach aus geleitet wurde?
Herr Abgeordneter, bei der bestehenden Linie bleibt die Leitung so, wie sie bislang war. Es ist eine zusätzliche Linie geplant, die nur auf einer kurzen Wegstrecke parallel läuft, die aber der Erschließung des Odenwaldes dienen soll.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ritzel.
Wenn ich eine weitere Zusatzfrage stelle, so möchte ich im voraus sagen, daß ich nicht etwa gegen eine Verbesserung der bestehenden Linien bin. Aber ich möchte doch fragen, ob es gerade im Zuge der Rationalisierung richtig ist, dap eine Linie, die auf einer relativ kurzen Wegstrecke über badisches, die größte Wegstrecke über hessisches und nachher ein kurzes Stück über bayrisches Gebiet führt, von Karlsruhe aus dirigiert wird.
Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, Sie haben selber die Frage angeschnitten, durch wie viele Gebietsteile diese Linie verläuft. Wir hätten die Entscheidung treffen können, wie immer wir wollten, irgend jemand hätte sich benachteiligt gefühlt. Wir mußten aber zu einer Entscheidung kommen.
Ich rufe auf Frage 6 - Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg - betreffend Aufhebung der Auflage an führende deutsche Industrieunternehmen, ihre Betriebe zu veräußern:
Hält die Bundesregierung nicht den Zeitpunkt für gekommen, in geeigneten Verhandlungen mit den beteiligten Regierungen die Aufhebung der kränkenden Verkaufsverpflichtungen herbeizuführen, die einigen führenden deutschen Industrieunternehmen, insbesondere der Firma Friedrich Krupp und der AugustThyssen-Hütte, auferlegt sind, die zu zumutbaren Bedingungen praktisch nicht durchgeführt werden können, deren psychologische, politische und wirtschaftliche Voraussetzungen längst durch die tatsächliche Entwicklung gegenstandslos geworden sind und die die wirtschaftliche Entfaltung der betreffenden Unternehmen zum Schaden der Gesamtwirtschaft lähmen und beeinträchtigen?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Hallstein.
Herr Präsident! Ich darf die Frage wie folgt beantworten.
Die Bundesregierung hat schon -in den Verhandlungen des Jahres 1954 über die Dekartellierungsbestimmungen des Überleitungsvertrages eine Aufhebung der in dem Vertragstext festgeschriebenen Verkaufsverpflichtungen angestrebt, die in der alliierten Dekartellierungspolitik einzelnen Aktionären der Montanindustrie auferlegt worden sind. Diese Bemühungen scheiterten indessen an dem hartnäckigen und geschlossenen Widerstand der Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs. Es ist aber in dem Vertrag selbst vorgesehen, daß die Fristen für die Verkaufsauflagen auf Antrag von einem gemischten Ausschuß zu überprüfen sind. Fristverlängerung ist zu gewähren, wenn innerhalb der vorgesehenen Veräußerungsfrist von fünf Jahren eine Veräußerung zu wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen und auf einer mit dem deutschen Allgemeininteresse zu vereinbarenden Grundlage ohne nachhaltige Störungen des deutschen Kapitalmarkts nicht möglich sein sollte. Derartige Fristverlängerungen können, ohne daß eine zahlenmäßige Beschränkung festgesetzt wäre, mehrfach gewährt werden.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung in den Verhandlungen in Paris im Oktober 1954 durch den Herrn Bundeskanzler folgende Erklärung abgegeben - ich zitiere -:
Ich möchte nicht erneut das ganze Problem aufrollen. Aber ich glaube, ich muß darauf hinweisen, daß bei der Durchführung der in dem Entflechtungsprogramm enthaltenen Verkaufsauflagen möglicherweise Schwierigkeiten eintreten werden, die sich im Rahmen der jetzt getroffenen Regelung nicht völlig beheben lassen. Aktienpakete in der Größenordnung, wie sie hier verkauft werden müssen, lassen sich ohne erhebliche Schwierigkeiten nicht immer absetzen. Ich darf mir deshalb vorbehalten, für den Fall, daß die von mir befürchteten Schwierigkeiten auftreten sollten, zu gegebener Zeit erneut mit Ihnen in Verbindung zu treten. Ich bitte daher, für diese meine Erklärung Verständnis zu haben, und ich hoffe, daß, falls es später notwendig werden sollte, in gemeinsamen Besprechungen eine befriedigende Lösung gefunden wird.
Die Bundesregierung glaubt, daß diese Erklärung ihr die Handhabe gibt, die Frage der Verkaufsauflagen gegenüber den drei Mächten aufzugreifen, wenn, wie befürchtet, Schwierigkeiten entstehen.
Zu einer Zusatzfrage hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg.
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß diese Auflagen angesichts der inzwischen vollzogenen Entwicklung als absurd anzusehen sind, wenn sie überhaupt jemals ausreichend gerechtfertigt gewesen sind, und daß deshalb eine dringendere Behandlung des Anliegens auch gerade im volkswirtschaftlichen Interesse notwendig wäre?
Der Herr Staatssekretär!
Wir sind der Meinung, daß die Erklärung, die ich eben verlesen habe, uns die Handhabe dafür gibt, die Frage aufzugreifen.
Ich rufe auf Frage 7 - Herr Abgeordneter Kortmann - betreffend Wiederherstellung des zweiten Gleises der Bundesbahnstrecke Rheine-Emden:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister in der Lage, anzugeben, wann mit der Wiederherstellung des nach dem Kriege streckenweise ausgebauten zweiten Gleises der Bundesbahnstrecke Rheine-Emden zu rechnen ist?
Wird die Fertigstellung der Eisenbahnbrücke über die Leda bei Leer voraussichtlich so zeitig erfolgen, daß der volle zweigleisige Betrieb über die Brücke noch für die Badesaison auf den Inseln wirksam werden kann?
Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob die Leistungsfähigkeit der eingleisigen Abschnitte der Strecke Rheine-Emden durch die Wiederherstellung des zweiten Gleises, insbesondere nördlich Neermoor, oder mit gleichem Erfolg durch den Einbau einer automatischen Streckenblockeinrichtung gesteigert werden kann, wird von der Bundesbahn geprüft. Die Bundesbahn wird die Entscheidung in Kürze treffen können.
Der Bäderverkehr wird durch die eingleisige Brücke bei Leer nicht beeinträchtigt. Die Länge des eingleisigen Abschnitts über die Ledabrücke beträgt nur rund 450 m. Nach Ansicht der Deutschen Bundesbahn genügt es, die jetzige eingleisige Behelfsbrücke durch eine feste eingleisige Brücke zu ersetzen. Sie wird voraussichtlich Ende dieses Jahres fertiggestellt sein.
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf Frage 8 - Herr Abgeordneter Dr. Rinke, vertreten durch Herrn Abgeordneten Ehren - betreffend Bezeichnung der deutschen Gebiete ostwärts der Oder-Neiße-Linie in Atlanten und Landkarten des Auslandes:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Mehrzahl der Atlanten und Landkarten des Auslandes die deutschen Gebiete ostwärts der Oder-Neiße-Linie meist ohne jede Einschränkung dem polnischen bzw. sowjetischen Staatsgebiet zurechnen und
nur polnische bzw. sowjetische Ortsnamen verwenden?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine Änderung dieser die deutschen Interessen schädigenden Handhabung, besonders soweit die NATO-Länder in Frage kommen, zu erreichen?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen.
Herr Präsident! Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten wie folgt. Das Auswärtige Amt, das die Bedeutung dieser Frage voll würdigt, ist schon seit geraumer Zeit bemüht, eine dem deutschen Standpunkt entsprechende Darstellung
Deutschlands auf Kartenwerken des Auslandes herbeizuführen. Zu diesem Zweck sind vom Geographischen Dienst des Auswärtigen Amts selbst in erheblichem Umfang Deutschlandkarten ausgearbeitet und verbreitet worden. Unsere Vertretungen im Ausland wirken bei den zuständigen Stellen darauf, daß in den dortigen Kartenpublikationen die Grenzen - wie übrigens auch die Ortsnamen - richtig wiedergegeben werden. Besonders erfolgreich hat sich dabei der direkte persönliche Kontakt zwischen dem Geographischen Dienst und den ausländischen Kartenverlegern erwiesen. Diese Bemühungen werden fortgesetzt, besonders in den NATO-Ländern.
Ichdanke für die Antwort!
Ich rufe auf Frage 9, Abgeordneter Funk, betreffend Unterstützung der deutschen Schafzucht:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, uni die deutsche Schafzucht in ihrem schweren Existenzkampf zu unterstützen, insbesondere in bezug auf Wollprelsstützung?
Ist die Bundesregierung bereit, durch geeignete Maßnahmen einen besseren Absatz der deutschen Wolle zu ermöglichen?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die mißliche Lage der deutschen Schafzucht ist der Bundesregierung bekannt. Notwendig erscheint die allmähliche Umstellung von der reinen Wollerzeugung zur kombinierten Woll-Fleisch-Erzeugung. Diese ist im Anlaufen. Zur Förderung dieser Umstellung wurden in den Jahren 1954/55 Bundeszuschüsse von je 50 000 DM zur Errichtung von Schafmastprüfungsanstalten in Hessen und Bayern bereitgestellt.
Der Anteil der deutschen Wolle an der Deckung des deutschen Wollbedarfs beläuft sich zur Zeit auf 3 %. Die Einfuhr der restlichen 97% erfolgt entweder zollfrei oder zu einem Zollsatz von 1 v. H. Dieser Zoll bzw. diese Zollfreiheit sind vertraglich gebunden. Eine autonome Heraufsetzung der Zölle ist nicht möglich.
Angestrebt wird die Beimischung inländischer Wolle bei der Herstellung von Uniformtuchen, insbesondere bei der Bundeswehr. In den Lieferbedingungen für Textilerzeugnisse für den Bedarf der Bundeswehr sowie des Bundesgrenzschutzes ist die Beimischung von 10 % inländischer Wolle empfohlen worden. Ein Beimischungszwang konnte mangels der dazu notwendigen gesetzlichen Grundlage bisher nicht herbeigeführt werden.
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist daran interessiert, daß die Schafhaltung im Bundesgebiet ungefähr im derzeitigen Umfang erhalten bleibt. Wenn ein preiswürdiger Absatz deutscher Wolle durch die Beimischung zu Uniformtuchen sich nicht realisieren läßt, wird im Zusammenhang mit dem Grünen Bericht des nächsten Jahres erwogen werden müssen, welche weiteren Maßnahmen zur Erhaltung der deutschen Schafzucht getroffen werden können.
Ich rufe auf Frage 10, Abgeordneter Dr. Menzel, betreffend Auslieferung
({0})
von fünf Deutschen an die französische Fremdenlegion durch die südafrikanische Regierung:
Sind der Bundesregierung die Gründe bekannt, die die südafrikanische Regierung unter Verletzung der von allen zivilisierten Staaten anerkannten Grundsätze über das Asylrecht und unter Übertretung aller Gesetze der Menschlichkeit veranlaßt haben, fünf Deutsche, die von dem Truppentransporter der französischen Fremdenlegion „Pasteur" auf das Hoheitsgebiet der Südafrikanischen Union geflohen waren, gefesselt und mit Gewalt wieder der französischen Fremdenlegion auszuliefern?
Was hat die Bundesregierung wegen dieses Vorfalls veranlaßt? Ist sie bereit, der Regierung der Südafrikanischen Union förmlich mitzuteilen, daß sie dieses Vorgehen - vor allem aber die Tatsache. daß man jenen fünf Männern die ausdrücklich verlangte Unterredung mit dem zuständigen deutschen Konsul entgegen allen völkerrechtlichen Gepflogenheiten versagte - als eine unfreundliche Haltung gegenüber der Bundesrepublik betrachtet?
Ist die Bundesregierung bereit, von Frankreich die Rückführung der auf solche widerrechtliche Weise ihrer Freiheit beraubten Deutschen zu fordern?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Herr Präsident! Ich antworte dem Herrn Abgeordneten: Die am 26. Januar 1956 in Durban entflohenen Fremdenlegionäre sind von den örtlichen südafrikanischen Polizeibehörden ohne Wissen der südafrikanischen Regierung wieder ausgeliefert worden. Der Grund für diese Maßnahme liegt offenbar darin, daß die Fremdenlegionäre unerlaubt südafrikanisches Hoheitsgebiet betreten und dadurch gegen die südafrikanische Einwanderungsgesetzgebung verstoßen hatten, wonach solche Personen als illegale Einwanderer in Haft zu nehmen und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wieder des Landes zu verweisen sind. Eine amtliche Stellungnahme der südafrikanischen Regierung liegt hierzu noch nicht vor.
({0})
Das Auswärtige Amt hat sofort nach den ersten Nachrichten über die Vorfälle in Durban die Botschaft in Pretoria um drahtliche Mitteilung des genauen Sachverhalts ersucht. Auf einen entsprechenden Schritt der Botschaft gab das südafrikanische Außenministerium am 7. Februar 1956 die amtliche Erklärung ab, daß keiner der in Durban aufgegriffenen Fremdenlegionäre sich als deutscher Staatsangehöriger zu erkennen gegeben und auch keiner mit der zuständigen deutschen Vertretung in Verbindung zu treten gewünscht habe.
Dennoch erhielt die Botschaft in Pretoria am 8. Februar Weisung, unter Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit, daß unter den entflohenen Legionären sich deutsche Staatsangehörige befunden hätten, dem südafrikanischen Außenministerium unseren Wunsch zu übermitteln, etwa in Zukunft auf südafrikanischem Staatsgebiet eintreffende Fremdenlegionäre deutscher Staatsangehörigkeit nicht auszuliefern, sondern durch die zuständigen deutschen Konsulate heimschaffen zu lassen. Eine Antwort der südafrikanischen Regierung steht noch aus.
Ferner wurde der südafrikanische Botschafter im Auswärtigen Amt am 9. Februar entsprechend unterrichtet. Der Botschafter wurde dabei auf die in der deutschen Öffentlichkeit entstandene Beunruhigung hingewiesen.
Da eine Antwort der südafrikanischen Regierung auf diesen Wunsch der Bundesregierung noch nicht eingegangen war, wurde am 14. März dem südafrikanischen Botschafter unter erneutem Hinweis auf die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit vom Auswärtigen Amt dargelegt, daß unsere freundschaftlichen Beziehungen zu Südafrika belastet werden würden, falls in Zukunft Fremdenlegionäre deutscher Staatsangehörigkeit durch südafrikanische Behörden ausgeliefert würden.
Von Frankreich die Rückführung der ausgelieferten Legionäre zu fordern, hat die Bundesregierung keine Möglichkeit, da die deutsche Staatsangehörigkeit dieser Legionäre nicht erwiesen ist und unabhängig hiervon die französischen Militärbehörden einen derartigen Antrag unter Hinweis auf die von den Legionären eingegangene Verpflichtung zum Dienst in der Fremdenlegion abweisen würden.
Darf, ich eine Zusatzfrage stellen?
Herr Abgeordneter Menzel zu einer Zusatzfrage!
Darf ich also aus Ihren Ausführungen entnehmen, Herr Staatssekretär, daß die Südafrikanische Union nicht das sonst in der freien Welt übliche politische Asylrecht gewährt?
Herr Staatssekretär!
Nein, das bitte ich nicht aus meiner Antwort zu entnehmen; denn es ist nicht ersichtlich und jedenfalls durch uns nicht beweisbar, daß diese Legionäre das Asylrecht in Anspruch genommen haben.
Ich rufe Frage 11 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann betreffend Capitol-Film GmbH auf:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die in die Millionen gehenden Verluste bel der bundeseigenen Capitol-Film GmbH, Berlin, unabwendbar waren, und ist die Bundesregierung bereit, die Ursache dieser Verluste untersuchen zu lassen und gegebenenfalls die Geschäftsführung dieser Firma zur Verantwortung zu ziehen?
Wie viele Personen werden nach wie vor von der Capitol-Film GmbH beschäftigt, besonders in der dramaturgischen Abteilung, obwohl der Gesellschaft die Produktionserlaubnis entzogen worden ist, und welche monatlichen Unkosten entstehen dadurch?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Capitol-Film GmbH in Berlin wurde im März 1953 - zu einer Zeit, zu der das deutsche Gesetz zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens noch nicht erlassen war - gegründet, und zwar von den Gesellschaftern Eduard Winter, Berlin, Dr. Riedel, Berlin, und Dr. Lommerzheim, Köln. 25% der Anteile hielt Kaufmann Winter für eigene Rechnung. Dr. Riedel hielt 37,5 % der Anteile für den Wirtschaftsprüfer Dr. Dorow und Dr. Lommerzheim 37,5% für die Universum-Film AG.
Die Gründung der Capitol-Film entsprach dem Wunsche, die Leerlaufmonate in den Berliner Ufa-Ateliers zu überbrücken. Die Hergabe von Sachleistungs- und Finanzkrediten an die Capitol durch die Universum-Film AG erfolgte gemäß den Weisungen der damals noch zuständigen Alliierten Hohen Kommission, deren für das Ufi-Vermögen zuständiges Gremium - das Film Reorganisation Committee - die ehemals reichseigenen Filmbetriebe in Berlin angehalten hatte, die Berliner Filmproduktion mit Krediten zu fördern, um den Leerlauf in den Ateliers und Kopieranstalten und die damit verbundenen hohen Kosten zu mindern.
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Die Universum-Film AG hat die Gesellschaftsanteile des Dr. Dorow an der Capitol im Jahre 1955, die Anteile des Kaufmanns Winter im September 1955 erworben. Der Anteilserwerb ist erfolgt, weil das wirtschaftliche Risiko der Capitol ohnehin weitgehend von der Universum-Film AG als Hauptgläubigerin getragen wurde.
Durch den Erwerb der bisher in Fremdbesitz befindlichen Mehrheitsbeteiligung erlangte die Universum-Film AG den entscheidenden kapitalmäßigen Einfluß auf die Capitol-Film GmbH.
Der Ufi-Abwicklungsausschuß hat die Deutsche Revisions- und Treuhand-Aktiengesellschaft mit der Prüfung der Vorgänge, die zur Gründung der Capitol geführt haben, beauftragt. Sobald der Prüfungsbericht vorliegt, wird sich der Ausschuß darüber schlüssig werden müssen, ob jemand und gegebenenfalls wer für die in Höhe von 4,6 Millionen DM entstandenen Verluste verantwortlich gemacht werden kann.
Die Capitol-Film GmbH beschäftigte während ihrer Produktionstätigkeit 20 Mitarbeiter. Zur Zeit sind nur noch 8 Mitarbeiter einschließlich der Geschäftsführung mit Abwicklungsarbeiten beschäftigt; auch ihnen ist seit längerer Zeit zum 31. März 1956 gekündigt.
Der Capitol-Film GmbH ist eine Produktionserlaubnis weder erteilt noch entzogen worden. Auf Grund eines Beschlusses des Ufi-Abwicklungsausschusses hat sie nach Fertigstellung des Films „Ein Mädchen aus Flandern" ihre Produktionstätigkeit eingestellt.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Kahn-Ackermann.
Ist dem Herrn Bundeswirtschaftsminister bekannt, daß der Liquidations-ausschuß im Herbst 1954 erstmals davon unterrichtet wurde, daß außergewöhnliche Querverbindungen zwischen der damals noch nicht im Besitz der Ufa befindlichen Capitol-Gesellschaft und der Ufa Berlin bestanden, und daß ganz überraschend klar wurde, daß die Capitol mit 4 Millionen DM bei der Ufa im Obligo stand? Ist dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft außerdem bekannt, daß zu diesem Zeitpunkt die verantwortlichen Liquidatoren bei den zuständigen Ministerien, dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesfinanzministerium, auf eine personelle Veränderung im Vorstand der Capitol und der Ufa hingewirkt haben, weil sie in der personellen Zusammensetzung dieser Gremien eine Ursache für die großen Verluste sahen, die dort entstanden sind?
Ich kann diese Fragen hier nicht exakt beantworten. Ich werde sie prüfen und dann beantworten.
Ich rufe auf Frage 12 - Herr Abgeordneter Eschmann - betreffend Tarifabkommen für die bei den Stationierungsmächten beschäftigten Dienstgruppen:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß, nachdem die Stationierungsmächte am 10. Februar 1956 den Tarifpartnern ({0}) einen Gegenvorschlag für ein Tarifabkommen für die Dienstgruppen, der noch viel schlechter als alle vorhergegangenen Vorschläge war, gemacht hatten, bis heute noch immer kein Tarifabkommen, das die Dienstgruppen unter deutsches Arbeitsrecht stellen würde, abgeschlossen worden ist?
Ist der Bundesregierung weiter bekannt, daß auf Grund dieser Tatsachen in den Dienstgruppen der Bundesrepublik einschließlich Berlin ({1}) erhebliche Unruhe entstanden ist, und ist sie mit mir der Meinung, daß Verhandlungen in dieser Sache so gut wie zwecklos geworden sind, da anscheinend die Stationierungsmächte ihre schon immer geübte Verzögerungstaktik jetzt auch auf die strittige Frage der weiteren Bezahlung der Besatzungskosten durch die Bundesrepublik ausdehnen?
Hat die Bundesregierung bereits Maßnahmen getroffen oder ist sie bereit, solche zu treffen, die Stationierungsmächte darauf hinzuweisen, daß für die Dienstgruppen nun aber endlich Arbeitsbedingungen zu schaffen sind, die mit überholten Anschauungen der Besatzungszeit nicht zu vereinbaren sind und die die Dienstgruppen ab sofort unter arbeitsrechtliche Bedingungen stellen, die für die Menschen eines souveränen Staates angebracht sind?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium der Finanzen hatte dem Hohen Hause bereits in der Sitzung am 1. Dezember 1955 mitgeteilt, daß die Verhandlungen über den Abschluß eines Tarifabkommens für die Angehörigen der Dienstgruppen von den deutschen Vertragsparteien, nämlich der Bundesregierung, der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, mit besonderer Beschleunigung geführt wurden, um die Arbeitsbedingungen dieser Arbeitnehmer auf eine deutschrechtliche Grundlage zu stellen. Die seitdem mit den Stationierungsmächten geführten Verhandlungen sind leider nicht so verlaufen, wie es wünschenswert gewesen wäre.
Es trifft zu, daß die Stationierungsmächte sich in wesentlichen materiellen Bestimmungen des Tarifabkommens der Auffassung der deutschen Vertragspartner nicht angeschlossen haben. Der Gegenvorschlag der Stationierungsmächte vom 10. Februar 1956 hatte bei den deutschen Vertragsparteien die berechtigte Frage ausgelöst, ob weitere Verhandlungen auf dieser Ebene überhaupt noch vertretbar seien. Im Interesse des betroffenen Personenkreises sind die Verhandlungspartner jedoch zu der Auffassung gelangt, daß es notwendig sei, zunächst alle technischen Möglichkeiten für den Abschluß dieses Tarifabkommens voll auszuschöpfen.
Es darf erhofft werden, daß der in den deutschen Gegenvorschlägen zum Ausdruck gebrachten Kompromißbereitschaft von den Stationierungsmächten Verständnis entgegengebracht wird und daß in einer Abschlußverhandlung, die für die nächsten Tage vorgesehen ist, eine gemeinsame Auffassung über die noch strittigen Bestimmungen gefunden werden kann. Da die Meinungsverschiedenheiten zwischen den deutschen Vertragsparteien und den Stationierungsmächten sich vorwiegend auf tarifrechtliche Fragen beziehen, glaubt die Bundesregierung keinen Anlaß zu der Annahme zu haben, daß die Stationierungsmächte die Regelung der tarifrechtlichen Bestimmungen, zu der sie im Hinblick auf Art. 45 Abs. 5 des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik verpflichtet sind, verzögern.
Die Bundesregierung bedauert, daß für die Arbeitnehmer bei den Dienstgruppen etwa zehn Monate nach Inkrafttreten des Truppenvertrages noch immer Arbeitsbedingungen gelten, die in der Besatzungszeit entwickelt worden sind. Auch diese Tatsache sollte von den Stationierungsmächten bei den Abschlußverhandlungen nicht übersehen werden,
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Die Bundesregierung hat die Verhandlungen unter voller Wahrung ihrer Souveränitätsrechte geführt und alle Möglichkeiten im Zusammenwirken mit den Gewerkschaften voll ausgeschöpft. Falls sich der Abschluß eines Abkommens zu an- gemessenen Bedingungen wider Erwarten nicht ermöglichen lassen sollte, wird das Hohe Haus über den Ausgang dieser Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.
Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Herr Abgeordneter Eschmann zu einer Zusatzfrage!
In der 114. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages am 1. Dezember 1955 wurde die Bundesregierung aufgefordert, nunmehr als Hoheitsträger bei den Alliierten vorstellig zu werden. Kann die Bundesregierung mitteilen, welche Schritte auf Grund der damaligen Aufforderung in dieser Hinsicht unternommen wurden und inwieweit das Auswärtige Amt tätig wurde?
Der Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter! Ich hatte mir eben auszuführen erlaubt, daß die Bundesregierung auf hoher Ebene noch keine Schritte unternommen hat, weil sie im Interesse der beteiligten Arbeitnehmer zunächst versucht hat, auf der bisherigen Verhandlungsebene zu den angemessenen Resultaten zu kommen, die hier notwendig sind. Ich darf aber hinzufügen, daß, wenn sich weitere Verhandlungen als aussichtslos herausstellen, die Bundesregierung auf der Rechtsgrundlage des Truppenvertrages in geeigneter Form gegenüber den Entsendestaaten vorstellig werden wird.
Ich rufe auf Frage 13, Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg, betreffend dynamische Leistungsrente:
Weshalb hat das Sozialkabinett am 18. Januar 1956 die sogenannte dynamische Leistungsrente als Kernstück der Neuordnung der Alters- und Invaliditätssicherung bezeichnet, jedoch am 17. Februar 1956 den Ausdruck „dynamische Rente" als sprachlich falsch abgelehnt und durch den der ..Produktivitätsrente" ersetzt?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage ist folgendermaßen zu beantworten: Das Sozialkabinett hat sich in seiner Sitzung am 17. Februar dafür entschieden, zur Charakterisierung der zukünftigen Rente aus der Invaliditäts- und Altersversicherung statt der Bezeichnung „dynamische Rente" die Bezeichnung „Produktivitätsrente" zu wählen, weil dieser Ausdruck den beabsichtigten Zweck besser kennzeichnet. Dynamisch ist etwas, was sich aus sich selbst heraus weiterentwickelt. Das trifft für die vorgesehenen Renten nicht zu. Diese sollen nach den Beschlüssen des Sozialkabinetts an die steigende Produktivität unserer Volkswirtschaft angepaßt werden. Also nicht die Renten selbst bewirken eine Veränderung, nicht sie sind also dynamisch, sondern sie folgen durch die Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung der Produktivitätssteigerung.
Eine Zusatzfrage!
Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg zu einer Zusatzfrage!
Da der Leistungsinhalt entscheidend ist, frage ich den Herrn Minister: Soll die Anpassung der Renten nach diesem sogenannten Produktivitätsprinzip nur bei der erstmaligen Feststellung der Rente erfolgen oder soll auch eine ständige Anpassung aller festgesetzten Renten durchgeführt werden? Wenn ja, in welchen Zeitabständen und in welcher Weise soll diese Anpassung erfolgen?
Der Herr Bundesminister!
Herr Professor, dazu kann ich Ihnen nur sagen: Es ist vorgesehen, daß wir in Zukunft in Zeitabständen von 3 oder 5 Jahren zu prüfen haben: Inwieweit hat sich der Teuerungsindex verändert? Inwieweit haben sich die Löhne verändert? Inwieweit ist eine Erhöhung des Sozialproduktes eingetreten? Unter Würdigung dieser Tatbestände soll dann eine Angleichung, und zwar auf der Basis der Verbesserung bei den Löhnen, durchgeführt werden, weil sich hier am besten zeigt, inwieweit die erhöhte Produktivität in der Lage war, den am Wirtschaftsleben Beteiligten eine größere Verbrauchsquote zuzubilligen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Habe ich recht verstanden: Soll nur eine Überprüfung in Zeitabständen von drei bis fünf Jahren erfolgen, oder soll durch den Gesetzentwurf eine automatische Kopplung der Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung oder an die Steigerung der Produktivität vorgesehen werden?
Eine automatische Anpassung der Renten an die Entwicklung der Löhne ist nicht vorgesehen. Das wäre die sogenannte Indexrente, und die wollen wir nicht.
({0})
Ich rufe auf Frage 14 - Abgeordneter Dr. Schellenberg - betreffend Festsetzung der Rentenhöhe nach der Versicherungsdauer und nach Vomhundertsätzen des Einkommens vergleichbarer Arbeitnehmer:
Was versteht das Sozialkabinett unter einer Festsetzung der Rentenhöhe nach Versicherungsdauer und nach Vomhundertsätzen des Einkommens vergleichbarer Arbeitnehmer?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Auf diese Frage habe ich folgendes zu antworten. Bemessung der Rente nach der Versicherungsdauer bedeutet, daß nicht für alle Versicherten gleiche Renten gewährt und die Renten nicht nach einem irgendwie bestimmten Bedarf bemessen werden, sondern daß die individuelle Arbeits- und Beitragsleistung des Versicherten für die Rentenhöhe entscheidend sein soll. Diese individuelle Leistung wird bei den Rentenfestsetzungen gemessen einmal an der Dauer der Beitragsleistung, d. h. an den mit Beiträgen oder Ersatzzeiten belegten Versicherungszeiten, und zum andern an dem Arbeitseinkommen, für das der Versicherte Beiträge geleistet hat.
({0})
Das Arbeitseinkommen vergleichbarer Arbeitnehmer, an das die Rente im Zeitpunkt der Festsetzung angepaßt werden soll, ist dasjenige Einkommen, das im Zeitpunkt der Rentenfestsetzung für einen gleichwertigen Arbeitnehmer gezahlt wird.
Zu einer Zusatzfrage hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Bitte, Herr Minister, verdeutlichen Sie das. Wie sollen die Altersrenten, die Invaliditätsrenten und die Hinterbliebenenrenten konkret berechnet werden? Um es kurz zu sagen: Wie lautet die Rentenformel?
Herr Professor, ich glaube nicht, daß die Fragestunde dazu da ist, ein ganz großes Problem zu behandeln.
({0})
Wenn ich Ihnen das vortragen sollte, hätte diese Frage allein auf der Tagesordnung der Fragestunde stehen müssen. Um über diese Dinge eine ausreichende Antwort zu geben, braucht man mindestens eine halbe Stunde.
Zu einer zweiten Zusatzfrage hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Minister, wie ist es mit dieser Antwort zu vereinbaren, daß - nach Ihren eigenen Mitteilungen im Bulletin vom 17. März - ein Grundentwurf für die Rentengesetzgebung bereits fertiggestellt ist? Die Aufstellung eines solchen Grundentwurfs ist doch nur möglich, wenn die Rentenformel bereits im einzelnen festgelegt ist. Ich bitte Sie, diese Rentenformel mitzuteilen. Die Öffentlichkeit hat daran ein großes Interesse.
Herr Professor Schellenberg, ich möchte Ihnen noch einmal sagen, daß die Gesamtheit dessen, was in Beantwortung Ihrer Zusatzfrage vorzutragen wäre, zur Zeit nicht gesagt werden kann.
Ich rufe auf Frage 15 - Abgeordneter Paul - betreffend Neckartalstraße zwischen Eßlingen und Plochingen:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf der nur zehn Kilometer langen Neckartalatraße zwischen Eßlingen und Plochingen ({0}) innerhalb von drei Jahren bei Verkehrsunfällen 17 Menschen ums Leben gekommen sind, Hunderte verletzt wurden und großer Sachschaden entstanden ist?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um auf dieser Bundesstraße die Verkehrssicherheit zu erhöhen? Ist die Bundesregierung insbesondere bereit, die Errichtung eines abschirmenden Walls entlang dem Neckar in Erwägung zu ziehen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Neckartalstrecke bei Eßlingen wurde erst 1952 dem Verkehr übergeben. Sie hat einen zügigen Verlauf und besitzt keine Ortsdurchfahrten. Die gestreckte, hindernisfreie Linienführung verleitet viele Kraftfahrer zu übertrieben schneller Fahrt. Erneute Nachprüfungen haben ergeben, daß die Straße keine technischen Mängel aufweist. Die Unfälle sind überwiegend auf unvorsichtiges Fahren zurückzuführen. Die Errichtung eines Erdwalls zwischen Straße und Kanal ist aus Raummangel nicht möglich. Da die Straße streckenweise unmittelbar
neben dem Neckarkanal verläuft, ist vorgesehen, auf der Wasserseite Schutzplanken anzubringen, die das Abirren der Fahrzeuge verhindern sollen. Die für diesen Zweck wirksamste Bauart wird zur Zeit von der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg erprobt.
Das Wort zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Paul.
Ist der Herr Bundesverkehrsminister nicht der Meinung, daß angesichts des wachsenden Verkehrs auf dieser Bundesstraße eine Verminderung der Gefahren nur durch Errichtung einer zweiten Fahrbahn gewährleistet werden kann, und, wenn ja, wann kann mit der Errichtung einer solchen zweiten Fahrbahn gerechnet werden?
Herr Kollege Paul, ich bin nicht der Meinung, daß eine zweite Fahrbahn die Gefahren vermindert, sondern glaube eher, daß sie verstärkt werden, weil die Leute noch schneller fahren. Das einzige, was hier helfen kann, ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung.
Ich rufe, nachdem Frage 16 bereits erledigt ist, Frage 17 des Abgeordneten Schneider ({0}) auf betreffend Berücksichtigung Schwerkriegsbeschädigter ehemaliger Soldaten beim Aufbau des Bundesverteidigungsministeriums.
Ist der Herr Bundesverteidigungsminister bereit, beim Aufbau seines Ministeriums in angemessenem Umfange schwerkriegsbeschädigte ehemalige Soldaten zu berücksichtigen?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Frage mit Ja beantworten und folgendes hinzusetzen. Obwohl die zweite Verordnung zur Durchführung des Schwerbeschädigtengesetzes die einzelnen Tatbestände des Verteidigungsbereichs noch nicht berücksichtigt, halte ich mich sowohl gesetzlich als auch moralisch für verpflichtet, Schwerbeschädigte in meinem Geschäftsbereich zu verwenden. Ich bin sogar der Auffassung, daß gerade das Verteidigungsministerium bei der Unterbringung schwerkriegsbeschädigter ehemaliger Soldaten vorbildlich wirken muß. Die zuständigen Stellen meines Hauses sind daher angewiesen, bei der Beurteilung der Verwendungsmöglichkeit für diese Versehrten diesem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen. Das gilt sowohl für das Ministerium selbst als auch für den Aufbau der nachgeordneten Stellen der Bundeswehr und der Bundeswehrverwaltung.
Aus den Kreisen der' Bediensteten sind im Ministerium mehrere Herren als Vertrauensleute der Schwerbeschädigten tätig. Die Betreuung wird dabei auch auf diejenigen ausgedehnt, die eingestellt zu werden wünschen. Mein Haus steht ferner in Verbindung mit dem Bund Deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegshinterbliebener. Bei einer kürzlichen Besprechung wurde insbesondere die Einstellung und Beschäftigung von Ohnhändern behandelt. Ständige Fühlungnahme besteht mit der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung und Vermittlungsausgleich in Frankfurt.
Verbindung besteht ebenfalls zur Niedersächsischen Landesversehrten-Berufsfachschule in Bad Pyrmont. Die dortigen Schüler sind vornehmlich Schwerbeschädigte des letzten Krieges.
({0})
In meinem Ministerium beträgt der Anteil der männlichen Schwerbeschädigten des zivilen Personals unter Außerachtlassung der weiblichen Dienstkräfte zur Zeit 8,5 %. Der Anteil der schwerbeschädigten Soldaten an diesen Schwerbeschädigten beträgt 93,2%. 201 Angestellte des zivilen Personals, die in dem eben genannten Hundertsatz nicht enthalten sind, wurden zum militärischen Personal übernommen. Unter diesen 201 Freiwilligen befanden sich 26 Schwerbeschädigte, d. h. 12,9 % diese 26 Schwerbeschädigten sind schwerbeschädigte Soldaten.
Ich bin gern bereit, zu gegebener Zeit weitere Zahlen über den Anteil der Schwerbeschädigten aus den im Aufbau befindlichen nachgeordneten Stellen meines Geschäftsbereichs zu nennen.
Ich rufe Frage 18 des Herrn Abgeordneten Schneider ({0}) auf betreffend Unterbrechung der Verhandlung en über die Aufbesserung der Löhne und Gehälter der bei den amerikanischen Dienststellen Beschäftigten.
Aus welchem Grunde wurden die zwischen der Bundesregierung und den Gewerkschaften einerseits und den amerikanischen Streitkräften andererseits angebahnten Verhandlungen betreffend die Aufbesserung der Löhne und Gehälter der bei den amerikanischen Dienststellen Beschäftigten unterbrochen? 1st mit einer Wiederaufnahme dieser Verhandlungen zu rechnen, und wie werden die Aussichten auf die Verbesserung der Bezüge von der Bundesregierung beurteilt?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gewerkschaften haben die Lohn- und Gehaltsbestimmungen des am 1. Februar 1955 in ) Kraft getretenen Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei Dienststellen der Stationierungsmächte fristgemäß zum 1. Dezember 1955 gekündigt, um die im Jahre 1955 in der gewerblichen Wirtschaft durchgeführten Lohn- und Gehaltserhöhungen auf die Löhne und Gehälter dieses Personenkreises zu übertragen.
Die daraufhin eingeleiteten Tarifverhandlungen zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und den Gewerkschaften haben am 19. Januar 1956 zu einem vorläufigen Ergebnis geführt, das den Vertretern der Stationierungsmächte mit Schreiben vom 28. Januar 1956 mitgeteilt worden ist. Die von den Tarifvertragsparteien vorgesehene Fortsetzung der Tarifverhandlungen mußte jedoch zunächst zurückgestellt werden, weil die Vertreter der Stationierungsmächte einen eingehenden schriftlichen Nachweis der vorgeschlagenen Tariferhöhungen wünschten.
Das Bundesministerium der Finanzen ist mit Unterstützung der beteiligten Gewerkschaften zur Zeit noch bemüht, die Einzelnachweise für die verschiedenen Gewerbegruppen und Wirtschaftsbereiche zu ergänzen und für die Zwecke der Stationierungsmächte auszuwerten. Ein erheblicher Teil der in Betracht kommenden Tarifunterlagen ist den Stationierungsmächten inzwischen bereits vorgelegt worden, so daß angenommen werden darf, daß die Tarifverhandlungen noch im Lauf des Monats März fortgesetzt werden können.
Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß die Verhandlungen beschleunigt durchgeführt werden müssen. Sie rechnet damit, daß auf Grund der Lohn- und Gehaltsbewegungen in der gewerblichen Wirtschaft auch für die Bediensteten bei den Stationierungsmächten eine ,allerdings in den einzelnen Berufszweigen unterschiedliche Erhöhung der bisherigen Bezüge erfolgen wird.
Ich rufe auf Frage 19 - Herr Abgeordneter Spies ({0}) - über Vorräte an Brot- und Futtergetreide:
Glaubt die Bundesregierung, daß die Vorräte an Brot- und Futtergetreide groß genug sind, um alle Preissteigerungen im Falle von Mißernten und anderen Katastrophen aufzufangen und die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Sonne-mann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage ist mit Ja zu beantworten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spies?
Die Frage ist etwas zu kurz beantwortet. Herr Staatssekretär, mich interessiert, für welche Zeit Bevorratung vorhanden ist.
In der Bundesreserve befinden sich 1 300 000 t Brotgetreide und 360 000 t Futtergetreide, in der Hand der Landwirtschaft, des Handels und der Genossenschaften 1 300 000 t Brotgetreide und 1 600 000 t Futter- und Industriegetreide, bei den Verarbeitungsbetrieben - Mühlen und dergleichen - 1 000 000 t Brotgetreide und 600 000 t Industriegetreide. Die planmäßig auf uns zukommenden Einfuhren sind dabei nicht mitgerechnet.
Ich danke. Diese Antwort war erschöpfender.
Die Fragen 20 und 21 sind zurückgestellt.
Ich rufe auf Frage 22 - Herr Abgeordneter Dr. Mommer - betreffend Äußerungen des Herrn Bundesministers Dr. Strauß in einer Versammlung in Erlangen:
Was hat Herr Bundesminister Strauß am 3. März 1956 in einer Versammlung in Erlangen über den akkreditierten diplomatischen Vertreter einer der Vier Möchte gesagt?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Atomfragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Offensichtlich meint der Fragesteller den Botschafter der Sowjetregierung, Herrn Valerian Sorin, wenn er von dem „akkreditierten diplomatischen Vertreter einer der Vier Mächte" spricht. Ohne über den Begriff der Vier Mächte als einer völkerrechtlichen Einheit oder einer politischen Gemeinschaft mich in diesem Zusammenhang äußern zu wollen, erwidere ich folgendes.
1. Bundesminister Strauß hat am 4. März 1956 in einer Versammlung in Erlangen bei seinen Ausführungen über die Gefahren der kommunistischen Infiltration auf einen Zuruf hin sinngemäß geäußert, daß durch die Errichtung einer sowjetischën Botschaft in Bonn für das deutsche Volk nach den in Kanada, Australien und anderswo gemachten Erfahrungen Anlaß zu erhöhter Wachsamkeit gegeben sei.
({0})
({1})
Er hat darauf hingewiesen, daß der von dem Fragesteller so bezeichnete „akkreditierte diplomatische Vertreter einer der Vier Mächte" in den entscheidenden zwei Jahren vor der Umwandlung der Tschechoslowakei in einen Satellitenstaat dort Botschafter der Sowjetunion gewesen ist und sich während der Tage des Umsturzes wieder in Prag aufgehalten hat. Er glaubt nicht die internationale Höflichkeit verletzt zu haben, wenn er dem Wunsche Ausdruck gegeben hat, daß die Tätigkeit desselben Botschafters in der Bundesrepublik nicht zu demselben Ergebnis wie in der Tschechoslowakei führen möge.
({2})
2. Die Bundesregierung ist der festen Überzeugung, daß sie sich mit dieser Auffassung in völliger Übereinstimmung mit allen demokratischen Kräften in der Bundesrepublik befindet.
({3})
Das schließt nicht aus, daß die Bundesregierung eine Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion im Wege einer Lösung der noch zwischen den beiden Völkern schwebenden Fragen aufrichtig wünscht.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Minister Strauß, waren Ihnen seit der Erteilung des Agréments an diesen Herrn Botschafter neue Tatsachen über sein politisches Vorleben bekanntgeworden?
Es sind seit der Erteilung des Agréments ohne Zweifel keine neuen Tatsachen über sein politisches Vorleben bekanntgeworden. Die von mir erwähnten Tatsachen sind in der Zwischenzeit so häufig publiziert worden, daß sie beinahe Gegenstand allgemeinen Wissens geworden sind.
({0})
Zu einer zweiten Zusatzfrage hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Minister Strauß,. hatten Sie das Einverständnis des Herrn Bundesaußenministers, als Sie jene Äußerungen in Erlangen taten?
({0})
Ich pflege in Wahlversammlungen in Ausübung meiner Redetätigkeit als stellvertretender Vorsitzender meiner Partei und im Gebrauch der demokratischen Redefreiheit - ({0})
Ich pflege - ({1})
Ich bitte, dem Herrn Bundesminister die Möglichkeit zu geben, die Frage, die ihm gestellt wurde, zu beantworten.
({0})
Herr Kollege Arndt, über das „Können" könnten wir uns unterhalten.
({0})
Ich pflege in Ausübung meiner Redetätigkeit und insbesondere bei der Beantwortung von Zwischenrufen in Versammlungen mir angesichts meiner Einstellung gegenüber dem Grundsatz der demokratischen Redefreiheit nicht vorher die schriftliche Genehmigung des Herrn Bundesaußenministers geben zu lassen. Diese Methoden sind bei uns unbekannt.
({1})
Die Angelegenheit ist damit erledigt.
({0})
Ich rufe Frage 23 - des Herrn Abgeordneten Matthes - betreffend Übungsgelände für Verbände der deutschen Bundeswehr auf.
Wird der Truppenübungsplatz Bergen-Belsen-Munster in Niedersachsen neben den Einheiten der NATO auch Verbänden der deutschen Bundeswehr als Übungsgelände zur Verfügung stehen, oder ist dafür nur der Teilübungsplatz Munster-Nord vorgesehen, nachdem die vorgesehene Entgiftung der sogenannten „Raubkammer" durchgeführt Ist?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die gestellte Frage wie folgt beantworten.
Bei den in Niedersachsen gelegenen Truppenübungsplätzen Bergen und Munster-Nord handelt es sich um zwei räumlich voneinander getrennte, selbständige Anlagen. Der Platz Bergen - rund 350 Quadratkilometer - dient NATO-Verbänden als Panzerschießplatz. Da die Bundesrepublik der NATO angehört, wird der Platz den Verbänden der deutschen Bundeswehr ebenfalls als Übungsgelände zur Verfügung stehen. Daneben wird Munster-Nord - rund 110 Quadratkilometer - nach seiner Entgiftung von den Verbänden der deutschen Bundeswehr als weiteres Übungsgelände benutzt werden.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Matthes.
Wann wird die Entgiftung durchgeführt sein?
Die Vorbereitungen für die Durchführung der Entgiftungsarbeiten sind so weit gediehen, daß Anfang April nach Entfrostung des Bodens mit den praktischen Arbeiten begonnen werden kann. Bei günstiger Wetterlage werden die Arbeiten in dem bisher voraussehbaren Umfang mindestens bis zum Herbst dieses Jahres dauern. Beim Auffinden größerer Kampfstoffreste würde sich die Beendigung der Arbeiten entsprechend hinauszögern.
Danke!
Ich rufe auf Frage 24 - Herr Abgeordneter Dr. Arndt - betreffend Zahlungen an den früheren Oberbürgermeister Dr. Lippert auf Grund des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes.
Trifft es zu, daß der frühere „Oberbürgermeister" Berlins, Lippert, auf Grund des Gesetzes zu Art. 131 GG Nachzahlungen von etwa 100 000 DM sowie für die Zukunft ein Ruhegehalt fordert?
({0})
Das Wort hat Herr Staatssekretär Bleek vom Bundesministerium des Innern.
Herr Abgeordneter, unsere Ermittlungen haben ergeben, daß der ehemalige Oberbürgermeister und Stadtpräsident von Berlin - wie die damalige Amtsbezeichnung lautete - Dr. Lippert 1944 in den Wartestand versetzt worden ist. Er hat dann vor dem Zusammenbruch Versorgungsbezüge von der Preußischen Bau- und Finanzdirektion in Berlin erhalten. Der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Versorgung nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes ist vom Senator für Inneres in Berlin nach § 7 dieses Gesetzes mit der Begründung abgelehnt worden, daß die Ernennung wegen enger Verbindung zum Nationalsozialismus vorgenommen und daher nicht zu berücksichtigen sei. Der Senator für Inneres in Berlin hat dann allerdings aus Zuständigkeitsgründen diese Entscheidung später aufgehoben, da er zu der Auffassung gelangte, daß für Dr. Lippert nicht Berlin, sondern das Wohnsitzland zuständig sei.
In Hessen, wo Dr. Lippert seinen Wohnsitz hat, wird die Angelegenheit zur Zeit von der obersten Dienstbehörde, dem Landespersonalamt, überprüft. Eine Entscheidung ist nach unseren Feststellungen noch nicht ergangen. Unsere Feststellungen haben weiter ergeben, daß Zahlungen nach Mitteilung des Landespersonalamtes bisher nicht geleistet werden.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Ich habe nur eine Zusatzfrage, Herr Staatssekretär. Ich habe auch gefragt, ob Herr Lippert für die Vergangenheit 100 000 DM verlangt.
Herr Abgeordneter, da die Zuständigkeit für die Entscheidung bei Hessen liegt, sind wir nicht genau unterrichtet, in welchen Summen sich sein Anspruch bewegt. Er beansprucht die Versorgung nach Art. 131.
Danke schön!
Ich rufe auf Frage 25 - Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann - betreffend Unterbringung und Ausbildung von Praktikanten aus den wirtschaftlich unterentwickelten Ländern in der Bundesrepublik:
Ist dem Herrn Bundeswirtschaftsminister bekannt, daß bei der zunehmenden Zahl von Praktikanten aus den wirtschaftlich unterentwickelten Ländern in der Bundesrepublik Schwierigkeiten bei der Unterbringung und Ausbildung in Wirtschaft und Industrie entstanden sind, die den Regierungen der Herkunftsländer große Sorgen bereiten?
Sieht der Herr Bundeswirtschaftsminister Mittel und Wege, auch bei der hohen Zahl von Praktikanten, die auf eigenes Risiko in die Bundesrepublik einreisen, Vorsorge für eine Unterbringung in der Wirtschaft und für eine Ausbildung zu treffen, die nicht nur den Interessen der Regierungen der Heimatländer, sondern auch der Bundesrepublik entspricht?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausbau der Beziehungen zu den wirtschaftlich noch in der Entwicklung begriffenen Ländern ist eine besonders wichtige handelspolitische Aufgabe. Sie entspricht nicht nur den ausländischen
Wünschen, sondern dient auch - auf lange Sicht gesehen - den Interessen der deutschen Ausfuhrwirtschaft. Die Schaffung von Möglichkeiten für die praktische und theoretische Ausbildung von geeigneten Ausländern stellt einen erfolgversprechenden Weg zu diesem Ziel dar. Erfreulicherweise nimmt die deutsche Wirtschaft eine beachtliche Zahl von Ausländern als Praktikanten bei sich auf und zahlt diesen jungen Leuten auch ein Entgelt, welches ausreicht, um ihren Lebensunterhalt in der Bundesrepublik zu bestreiten. Bei diesen Praktikanten, deren Zahl man mit 4- bis 5000 jährlich annehmen kann, handelt es sich zu einem wesentlichen Teil um Angehörige der wirtschaftlich weniger entwickelten Länder.
Wenn hier und da bei der Unterbringung der Anwärter auf Praktikantenstellen Schwierigkeiten aufgetreten sind, so war dies in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die Ausländer zum Teil auf eigenes Risiko in die Bundesrepublik reisten, ohne vorher sichergestellt zu haben, daß sie den gewünschten Arbeitsplatz erhalten. Naturgemäß entstehen Komplikationen auch dann, wenn diese Anwärter nicht die Qualifikation aufweisen, welche man billigerweise bei einem Praktikanten voraussetzen muß. Den Ausländern stehen bei den deutschen diplomatischen Vertretungen Möglichkeiten zur Vermittlung von Praktikantenstellen zur Verfügung.
Das Auswärtige Amt, das Arbeitsministerium und mein Haus arbeiten auf diesem Gebiet eng zusammen, um geeignet e Ausländer zur Ausbildung in der Bundesrepublik heranzuziehen. Auch die Spitzenverbände der Wirtschaft und zahlreiche Organisationen bemühen sich nicht nur um die Beschaffung der Arbeitsstellen, sondern auch um die Betreuung der Ausländer im Inland. Auf diesem Gebiet ist allerdings ein organisatorischer Ausbau der bestehenden Einrichtungen bei den Spitzenverbänden notwendig; die erforderlichen Schritte sind eingeleitet.
Gelegentlich muß dann und wann auch eine gewisse Abneigung innerhalb der Wirtschaft gegen die Beschäftigung von Ausländern als Praktikanten überwunden werden, und insbesondere sind Klein-und Mittelbetriebe manchmal nicht in der Lage, die mit der Einstellung von ausländischen Praktikanten verbundenen finanziellen Aufwendungen zu tragen, oder es stehen keine sprachkundigen Ausbilder zur Verfügung.
Um hier helfend eingreifen zu können, ist auf meinen Antrag im Haushalt 1956 des Bundeswirtschaftsministeriums im Kap. 09 02 ein neuer Ansatz Titel 613 - aufgenommen worden, durch welchen im Rahmen eines Gesamtprogramms für Hilfsmaßnahmen bei dem wirtschaftlichen Aufbau von weniger entwickelten Ländern ein Betrag von rund 1,8 Millionen DM für die Vergabe von Stipendien und Beihilfen für ausländische Praktikanten und Studenten in der Bundesrepublik bereitgestellt worden ist; u. a. ist die Übernahme von Reisekosten für diesen Personenkreis vorgesehen. Ich beabsichtige, die Mittel zur Förderung solcher Ausländer einzusetzen, von denen erwartet werden kann, daß sie später in ihrer Heimat Positionen bekleiden werden, welche für den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu diesen Ländern wichtig sind.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Kahn-Ackermann.
7020 2.
Herr Bundeswirtschaftsminister, ist Ihnen bekannt, daß die Missionen der betreffenden Länder in der Bundesrepublik darüber klagen, daß in zunehmendem Maße Praktikanten aus ihren Ländern, die, wie Sie zutreffend angeführt haben, für den Beruf, den sie ausüben wollten, nicht geeignet waren, oder auch solche, die geeignet sind, in der Bundesrepublik keine richtige Ausbildung oder nur teilweise eine richtige Ausbildung erhalten und dann manchmal in Sparten, die keineswegs im Interesse der Herkunftsländer liegen? Da ich annehme, daß die Betreffenden, bevor sie in die Bundesrepublik einreisen, in den meisten Fällen ein Visum erhalten, möchte ich weiter fragen, ob nicht eine organisatorische Zusammenarbeit am Platze wäre, damit diese Leute, befragt werden, zu welchem Zweck sie in die Bundesrepublik kommen, und vorher darüber aufgeklärt werden, ob eine Möglichkeit für die Unterbringung gegeben ist. Nach den Auskünften der Missionen beträgt die Zahl solcher Praktikanten, die unzureichend ausgebildet sind, mehrere Tausend, so daß man hier doch nach Mitteln suchen sollte, diese Frage etwas besser als bisher zu lösen.
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß zweifellos noch organisatorische Verbesserungen möglich sind. Ich habe mich dieser Frage sogar besonders angenommen und stehe auch persönlich in Verbindung mit den Botschaften vieler ausländischer Staaten, um hier eine Besserung zu erreichen. Aber im ganzen gesehen darf neben den Mißhelligkeiten doch nicht verkannt werden, daß auf dem Gebiete der Ausbildung ausländischer Praktikanten gute Ansätze und auch schon gute Erfolge erzielt worden sind.
Damit stehen wir am Ende der Fragestunde. Ich gebe bekannt: die nächste Fragestunde ist am Mittwoch, dem 18. April; Sperrfrist für eingehende Fragen ist Freitag, der 13. April, 12 Uhr.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. Oktober 1955 über die Gründung der „Eurofima" Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial ({0}).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen - federführend - und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen - mitberatend - vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger ({1}).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall.
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Abkommen vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt und die Annahme der Vereinbarung vom 7. Dezember 1944 über den Durchflug im Internationalen Fluglinienverkehr ({2}).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Zur Aussprache? - Das ist auch nicht der Fall.
Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Juli 1955 über den Luftverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika ({3}).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({4}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Abkommen,- das uns hier vorgelegt wird, ist für uns und für die deutsche Luftfahrt sachlich durchaus erfreulich, und wegen des sachlichen Inhalts dieses Abkommens wäre es nicht notwendig, hier in erster Lesung dazu zu sprechen. Das Abkommen ist ein sehr dringliches Abkommen. Das Bundesverkehrsministerium bemüht sich darum, daß dieses Abkommen bereits morgen im Verkehrsausschuß möglichst abschließend beraten und dann umgehend dem Plenum zur zweiten und dritten Lesung wieder zugeleitet wird. Diese Eile ist durchaus begründet; denn in dem Abkommen werden der deutschen Verkehrsfliegerei sogenannte Luftverkehrsrechte in den Vereinigten Staaten zugestanden, auf die die Deutsche Lufthansa seit ungefähr drei viertel Jahren mit Schmerzen wartet. Es handelt sich darum, daß die Lufthansa bereits Maschinen beschafft hat, die startfertig in Deutschland stehen, und einstweilen nicht die Erlaubnis hat, gewisse Häfen in Amerika anzufliegen, für die man bereits Buchungen vorgenommen hat. Eine Reihe von amerikanischen und deutschen Fluggästen haben also bereits ihre Tickets gekauft und nehmen mit Sicherheit an, demnächst in deutschen Maschinen von Chikago nach Düsseldorf fliegen zu können, und sie wissen natürlich nicht, daß die Rechtsgrundlage dafür einstweilen noch gar nicht besteht. Es handelt sich hier darum, daß das Abkommen am 7. Juli vorigen Jahres geschlossen wurde und infolge eines Verfahrens, das man eigentlich, wenn man gutwillig ist, nur als Bummelei bezeichnen kann, drei Vierteljahre zwischen zwei Bundesressorts hin- und hergegangen ist.
Damit könnte es noch sein Bewenden haben, wenn nicht eine Pointe hinzukäme. Ich habe zufällig vor einigen Wochen in den Vereinigten Staaten Gelegenheit gehabt, die großen Sorgen kennenzulernen, welche sich deutsche Dienststellen, aber auch amerikanische Dienststellen darum machen,
({0})
wie man im April der Deutschen Lufthansa das Anfliegen dieser amerikanischen Flughäfen ermöglichen soll, wenn bis dahin dieses Abkommen noch nicht ratifiziert ist. Die deutschen Stellen haben in diesen Verhandlungen den Amerikanern erklärt: Selbstverständlich werden wir Deutschen das Abkommen ratifizieren, aber leider ist unser deutsches Parlament so überaus mit Arbeit belastet; es war bisher einfach nicht möglich, dieses Abkommen auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages unterzubringen.
({1})
Die amerikanischen Gesprächspartner der deutschen Unterhändler haben mit einer bewunderungswürdigen Geduld und Höflichkeit dieses Argument zur Kenntnis genommen.
Was zugrunde liegt, ist nichts weiter als ein bei Behörden ja nun mal vorkommender Kompetenzstreit zwischen zwei Ministerien. Um welche beiden es sich handelt, ersehen Sie aus der Drucksache, auf der unten steht: Federführend sind der Bundesminister für . . . und der Bundesminister des . . ., die sich nicht einigen konnten, unter wessen Firma die Sache im Bundestag eingebracht werden sollte. Nun ist sie in letzter Minute doch eingebracht worden, und man entschuldigt im Ausland die Bummelei von deutschen Bürokraten mit der angeblichen Bummelei des deutschen Parlaments. Das zu kritisieren, habe ich mich hierher bemüht.
({2})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zu der Bemerkung des Herrn Kollegen Schmidt auf folgendes hinweisen. Ich will gar nicht darüber diskutieren, daß dieses Gesetz zwei Monate früher hätte vorliegen können, wenn es möglich gewesen wäre, all die Schwierigkeiten auszuräumen, die bei der Erstmaligkeit der Materie zwischen den Ressorts natürlich auftreten. Dieses Abkommen ist gewissermaßen eine Art Musterabkommen für eine ganze Reihe von anderen, die jetzt abgeschlossen werden, und infolgedessen ist auch das Ratifikationsgesetz eine Art Mustergesetz und bedarf einer entsprechend sorgfältigen Vorbereitung. Aber es ist mir nicht bekannt - jedenfalls war es nicht von uns aus veranlaßt -, daß derartige Auskünfte, wie sie der Herr Kollege Schmidt von seiner Amerikareise berichtet, drüben von unserer Vertretung oder von wem auch sonst gegeben werden. Denn es ist ja nicht unbedingt erforderlich, daß diese Verträge ratifiziert sind, um die Flugrechte zu bekommen. Wir fliegen bekanntlich seit einem Dreivierteljahr nach New York, auch ohne daß dieser Vertrag ratifiziert und in Kraft getreten ist; ja, wir sind geflogen, bevor wir den Vertrag in Amerika abschließen konnten. Das gleiche gilt natürlich auch für die anderen Zwischenlandepunkte. Die Gewährung der Rechte zugunsten der Deutschen Lufthansa, z. B. Chicago über Zwischenlandepunkte anzufliegen, ist inzwischen im Vorwege beantragt. Wir haben keine Bedenken, daß wir diese Rechte so frühzeitig zugesichert erhalten, daß etwa schon jetzt erfolgte Buchungen auch pünktlich ausgeführt werden können und daß die Flugzeuge nach dem vorgesehenen Plan auch fliegen können.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, ich bin fertig.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Erlauben Sie eine Frage, Herr Minister Seebohm! Ist Ihnen bekannt, daß deutsche Stellen in Amerika wegen der Tatsache, daß dieser Vertrag nicht rechtzeitig von Deutschland ratifiziert wurde, eine Reihe sehr schwieriger Rechtsüberlegungen angestellt haben, Rechtsgutachten eingeholt und amerikanische Anwälte beschäftigt haben mit der Frage, wie man es anstellen könne, eventuell zu einer vorläufigen Genehmigung zu kommen, wenn die Ratifikation nicht rechtzeitig zustande käme?
Dies ist mir nicht bekannt, Herr Kollege Schmidt. Im übrigen darf ich bemerken: ich würde mich sehr wundern, wenn dieser ganze Zirkus, von dem Sie eben gesprochen haben, aufgeführt worden wäre, denn wir haben das ja alles exerziert, bevor wir das erste Mal in New York gelandet sind. Wir kennen also die Wege und die Möglichkeiten und brauchen weder Rechtsgutachten noch sonst etwas.
Gestatten Sie eine weitere Frage?
Bitte!
Ich werde Ihnen diese Rechtsgutachten innerhalb von 24 Stunden zuschicken!
Sehr nett! Es gibt ja immer Leute, die, auch wenn sie mit ihrem gesunden Menschenverstand durchkommen können, noch ein Rechtsgutachten brauchen.
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von den Abgeordneten Stegner und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zulassung von Wirtschaftswerbung an Autobahnüberführungen ({0});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses fur Verkehrswesen ({1}) ({2}).
({3})
Es liegt der Schriftliche Bericht*) des Abgeordneten Höhne vor. Wird eine Ergänzung vorgeschlagen?
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- Sie beziehen sich auf den Schriftlichen Bericht. *) Siehe Anlage 2.
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In dem Schriftlichen Bericht des Abgeordneten Höhne ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich muß nach den Gepflogenheiten dieses Hauses nunmehr das Gesetz als solches in zweiter Lesung aufrufen. Ich rufe auf die §§ 1, -2, - 3, - 4, - 5, - 6, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben das Ergebnis der Ausschußberatungen gehört. Ich möchte darauf hinweisen, daß der Ausschuß den Gesetzentwurf nur im Prinzip behandelt hat, aber nicht im einzelnen. Ich darf mir deswegen erlauben, noch einige grundsätzliche Erklärungen dazu abzugeben. Ich möchte bei dieser Stellungnahme nicht auf die Schreiben eingehen, die auch Sie bekommen haben, z. B. auf den Nachrichtendienst der Arbeitsgemeinschaft gegen Auswüchse der Außenreklame. Diese Schrift ist nämlich ein typisches Beispiel dafür, wie man Falsches und Richtiges in psychologisch raffinierter Vermengung dem Leser so darbieten kann, daß er zwangsläufig irregeführt wird. Eine solche Schrift ist also ein schlechtes Verteidigungsmittel gegen Auswüchse der Werbung schlechthin. Wenn eine Privatfirma etwas Derartiges gemacht hätte, würde das einen Verstoß gegen die §§ 3 bis 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb darstellen. Ich werde mich in meinen Ausführungen als Grundlage lediglich an das Schreiben halten, das der Herr Bundesminister für Verkehr am 1. 8. 1955 an den Verkehrsausschuß in Sachen des Gesetzentwurfes gesandt hat.
Der Herr Bundesminister für Verkehr geht im Punkt 1 seines Schreibens davon aus, daß es zwei Werbemöglichkeiten an der Bundesautobahn gibt, die gegeneinander konkurrieren und gleichbehandelt werden müssen. Es handelt sich einmal um die Werbung neben den Autobahnen, also innerhalb der 40-Metergrenze neben den Autobahnen. Eine solche Werbung ist nie vorgesehen gewesen, auch im Reichsautobahngesetz nicht. Im Gegenteil, sie war verboten. Sie hat sich infolgedessen auch nie entwickelt und kann daher auch gar nicht zu einer andern Werbung in Vergleich gesetzt werden. Ganz anders ist es mit der Werbung an Autobahnüberwegsbrücken, und nur damit befaßt sich unser Gesetzentwurf. Für Autobahnüberwegsbrücken hat es ein besonderes Werbeverbot niemals gegeben. Demgemäß hat sich eine solche Werbung in den letzten fünf Jahren in Hessen und Baden-Württemberg entwickelt. Man kann also beide Werbearten nicht vergleichen, schon deswegen nicht, weil eine Werbung neben den Autobahnen weder vom Fiskus noch von der werbungtreibenden Wirtschaft jemals gewünscht worden ist.
Nun kommt der Herr Bundesminister für Verkehr zu dem Schluß, daß der Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt würde, wenn diese beiden Werbemöglichkeiten ungleich behandelt würden. Ich habe schon gesagt, sie liegen nicht gleich, infolgedessen können sie auch nicht gleichbehandelt werden. Es handelt sich hier also um keinen Verstoß gegen das Grundgesetz. Aber ich befürchte, daß eine Ablehnung der Werbemöglichkeiten an den Autobahnüberwegsbrücken sehr viel eher einen Verstoß gegen den Art. 3 des Grundgesetzes, nämlich den Gleichheitsgrundsatz, darstellt, und zwar aus folgendem Grunde. Man kann nur Gleiches vergleichen, d. h. man kann Autobahnüberwegsbrücken, die über die Autobahnen führen, z. B. nur vergleichen mit den Eisenbahnüberwegsbrücken, die über die normalen Fernstraßen führen.
Die Eisenbahnüberwegsbrücken sind in vollem Umfang für die Werbung freigegeben, wobei nicht der Fiskus als solcher, sondern die Deutsche Bundesbahn als der Vermieter auftritt, während auf der anderen Seite die Werbung an den Autobahnüberwegsbrücken - die einen absoluten Parallelfall darstellen - ausgeschlossen sein soll. Hier werden gleiche Dinge ungleich behandelt.
Nun noch ein paar Worte zu dem Abs. 2. Der Herr Bundesverkehrsminister kommt zu der Feststellung, daß im Deutschen Bundestage schon einmal die Frage der Autobahnwerbung behandelt worden ist, und zwar auf Grund des berühmten Antrags Frommhold und Genossen, Bundestagsdrucksache Nr. 1688 der 1. Legislaturperiode. Damals hat der Deutsche Bundestag den Antrag Frommhold, der übrigens etwas ganz anderes beinhaltete als unser Gesetzentwurf, abgelehnt. Nun sagt der Bundesverkehrsminister: Die Gründe für die Ablehnung haben auch heute noch Geltung. - Ich habe bereits im Ausschuß dargelegt, daß das Gegenteil der Fall ist.
Der Herr Bundesverkehrsminister nennt als ersten Grund für seine Ablehnung die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Hier darf einmal etwas eingeschaltet werden. Als der Deutsche Bundestag damals in der 1. Legislaturperiode die Autobahnwerbung ablehnte, gab es noch keine durchgreifende Rechtsprechung über die Autobahnwerbung bzw. über die Außenwerbung an Verkehrsstraßen. Seit dem damaligen Beschluß des Deutschen Bundestages ist eine Fülle von Verwaltungsgerichtsurteilen in der mittleren und höchsten Instanz ergangen, an denen man einfach nicht vorbeigehen kann. Diese Rechtsprechung stellt eindeutig fest, daß die Verkehrsreklame, wie sie sich an den Autobahnüberwegsbrücken befindet, in keinem Fall in der Lage ist, die Verkehrssicherheit zu gefährden, da diese Werbung ja nur aus zwei bis vier Worten besteht und viel weniger geeignet ist, den Kraftfahrer abzulenken als beispielsweise ein Kraftwagenradiogerät.
In Hessen und Baden-Württemberg befindet sich die Werbung. seit fünf Jahren an den Autobahnüberwegsbrücken, und es ist in dieser Zeit nicht ein einziger Fall bekanntgeworden, in dem diese Werbung irgendeinen Kraftfahrer beeinträchtigt oder zu irgendeinem Verkehrsunfall geführt hätte. Es darf also sehr deutlich gesagt werden, daß die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch eine derartige Werbung ausscheiden muß. Gerade die Verwaltungsgerichte haben ihre Entscheidungen in den Urteilen nach sehr gründlichen Erwägungen und nach Anhörung vieler Sachverständiger getroffen. Der Deutsche Bundestag kann an der herrschenden Rechtsprechung nicht einfach vorbeigehen. Ich darf überhaupt sagen, daß die Frage der Werbung, gerade der Außenwerbung, die hier zur Debatte steht, häufig nicht von verstandesmäßigen Überlegungen, sondern von gefühlsmäßigen Motiven aus beurteilt wird. Ich selber habe volles Verständnis für solche gefühlsmäßigen Motive: sie können aber niemals die Grundlage für eine Entscheidung dieses Hohen Hauses bilden.
Als zweiter Grund für die Ablehnung wird die Ablehnung der Autobahnreklame durch die Wirtschaftskommission der UN genannt. Ich selbst habe diese Ablehnung nie gesehen. Ich wäre dem Herrn Bundesverkehrsminister dankbar, wenn er mich einmal mit dem Wortlaut vertraut machen könnte. Es ist mir nur bekannt, daß es eine Resolution der Europasektion der UNO gegen Auswüchse der
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Fernstraßenreklame gibt. Wenn es sich um diese Resolution handelt, dann muß ich sagen, daß sie für dieses Gesetz keine Bedeutung hat, weil die dort monierten Auswüchse durch dieses Gesetz nicht hervorgerufen werden können.
Drittens wird als gegen das Gesetz sprechend angeführt die Störung des Landschaftsbildes und der Architektur. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich einmal mit der Materie der Landschaftspflege und des Landschaftsschutzes befassen, dann werden Sie feststellen, daß sich in den Ländern des alten Deutschen Reiches vor 1914, beginnend im Jahre 1902, eine sehr intensive Landesgesetzgebung entwickelt hat, die durchaus in der Lage ist, das Landschaftsbild zu schützen. In der Tat, das deutsche Landschaftsbild ist ja geschützt worden. Wir haben keine entscheidenden Auswüchse einer Außenwerbung, aber nicht wegen des Reichsautobahngesetzes, sondern wegen der sehr subtilen Landesgesetzgebung zur Landschaftspflege. Auch bei Annahme unseres Gesetzentwurfs kann niemals eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes stattfinden.
Der Herr Bundesminister sagt weiter unter Punkt 4, der geringe Ertrag lohne sich nicht recht. Nun, man kann ja eine Freigabe von Bundeseigentum für Wirtschaftszwecke nicht davon abhängig machen, ob der Ertrag sich lohnt oder nicht lohnt. Darüber hinaus sind in dem Schreiben des Bundesverkehrsministeriums keine eindeutigen Zahlen über die Erträge gegeben worden.
Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, bei den Firmen, die die Autobahnreklame in Hessen und Baden-Württemberg durchgeführt haben, festzustellen - soweit sie mir Auskunft gegeben haben -, wie die Erträge waren. Die Erträge sind nicht unerheblich. Sie sind natürlich gemessen am Etat des Bundesverkehrsministeriums gering; es ist aber nicht so, wie der Herr Bundesminister für Verkehr hier sagt, daß die Erträge durch die Verwaltungsmaßnahmen, die unser Gesetz hervorrufen würde, aufgezehrt würden. Man braucht überhaupt keine Verwaltungsmaßnahmen; denn es hat sich gezeigt, daß in Baden-Württemberg und in Hessen die Autobahnämter durchaus in der Lage waren, die Autobahnüberwegsbrückenreklame zu beobachten, zu überprüfen und zu genehmigen, ohne daß deswegen ein Mensch mehr eingestellt werden mußte. Es wurde im Zuge des Üblichen miterledigt. Der Einwand der geringen Erträge ist also nicht sehr überzeugend.
Nun macht sich der Herr Bundesminister für Verkehr in Punkt 6 noch folgendes Argument zu eigen: Er sagt, dieses Gesetz widerspreche den Richtlinien des Zentralausschusses der Werbewirtschaft, wonach Daueranschläge außerhalb geschlossener Ortsteile grundsätzlich unzulässig seien. Nun, wenn der Zentralausschuß für Werbewirtschaft eine derartige Meinung vertritt, dann soll er sie doch äußern! Es ist mir aber nicht bekannt, daß der Zentralausschuß für Werbewirtschaft nach der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs auch nur ein Wort gegen dieses Gesetz gesagt hat. Im Gegenteil, er hat eine Broschüre herausgegeben, „Die Außenwerbung", in der er sich die Mühe gemacht hat, die Rechtsprechung der Außenwerbung, die für das Schicksal dieses Gesetzes wesentlich bestimmend ist, herauszustellen und der Öffentlichkeit bekanntzumachen.
Ich stehe auf dem Standpunkt, es ist keine Angelegenheit des Bundesverkehrsministeriums, sich
hier zum Fürsprecher einer Organisation zu machen, die sich selber zu den Dingen äußern kann. Darüber hinaus sind diese Leute in public relations-Dingen Fachleute; sie können ihre Interessen vielleicht sogar besser vertreten als der Bundesverkehrsminister.
Ich darf aber darauf hinweisen, daß eine gegenteilige Äußerung zu unserem Gesetzentwurf vom ZAW bisher nicht bekanntgeworden ist.
Ich brauche auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfs nicht einzugehen - obwohl es sich hier um die zweite Lesung handelt -, weil sie im Ausschuß gar nicht behandelt worden sind. Es geht also hier um das Grundsätzliche. Die Antragsteller haben sich bemüht, zwischen den zweifellos bestehenden Schwierigkeiten, in denen sich die Öffentlichkeit befindet, und den berechtigten Wünschen der Werbung treibenden Wirtschaft einen goldenen Mittelweg zu finden. Diesen goldenen Mittelweg haben sie zur Grundlage dieses Gesetzesvorschlags gemacht. Wir gingen davon aus, daß die Aktualität für ein solches Gesetz, das die Verfügung über Bundeseigentum zu wirtschaftlichen Zwecken ermöglicht, gegeben ist, weil die Verwaltungsrechtsprechung die Wege dafür geebnet hat.
Es ist sehr viel über die Grundrechte in dieser Frage gesprochen worden, von Freiheit des Wortes und all diesen Dingen. Ich will darauf nicht eingehen. Aber es ist vielleicht für dieses Hohe Haus absolut nicht uninteressant, zu hören, daß sich das Bundesverwaltungsgericht in Berlin vor einigen Tagen dahin entschieden hat, daß die Werbefreiheit unter den Begriff des durch das Grundgesetz geschützten Eigentums fällt, also wieder eine Fundierung nach der grundgesetz-rechtlichen Seite hin. Ich darf hier auf ein Urteil des bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 6. Dezember 1952 hinweisen, wo man ausdrücklich die rechtsstaatliche Seite der Außenwerbungsfrage intensiv behandelt. Man kommt zu dem Ergebnis, daß man sagt: Jawohl, Auswüchse beseitigen, aber ein grundsätzliches Werbungsverbot an Stellen, wo die Werbung weder mit der Landschaftspflege noch mit der Verkehrssicherheit kollidiert, ist mit dem Gedanken des Rechtsstaates nicht vereinbar.
Es wird immer ins Feld geführt, daß die Autobahnen in Skandinavien und in der Schweiz von Reklame frei sind. Das ist ja wohl eine Selbstverständlichkeit; denn sowohl Skandinavien wie die Schweiz leben zu entscheidenden Teilen vom Fremdenverkehr. Die Autobahnen sind in einer schönen Landschaft ein wesentliches Werbungsmoment für den Teil des Sozialproduktes, der durch den Fremdenverkehr erzielt wird.
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- Warten Sie! Ich bin gerade dabei, den Vergleich zu ziehen.
Auch bei uns ist ein Teil der Autobahn in einer landschaftlich schönen Umgebung ein wesentlicher Teil der Fremdenverkehrswerbung. Gerade unser Gesetzentwurf sieht vor, daß diese Autobahnteile von jeder Werbung ausgenommen werden. Aber nun haben wir auch Autobahnen, bei denen der landschaftliche Faktor nicht erheblich ist. Ich empfehle Ihnen, einmal die Autobahn Köln-Hannover zu befahren. Sie ist an manchen Stellen kreuz und quer von Überlandleitungen und von unschönen Zivilisationsbauten rechts und links derart verziert, daß durch eine Werbung an den
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Überwegbrücken der Gedanke des Landschaftsschutzes überhaupt nicht berührt wird. Meine Damen und Herren, Sie können doch auch bei diesem Gesetz nicht in Extremen denken. Landschaftsschutz da, wo er hingehört! Aber auch die Möglichkeit der Werbungsausübung dahin, wo sie hingehört!
Die Werbewirtschaft ist ein ebenso integrierender Faktor der gesamten deutschen Volkswirtschaft wie die Verkehrswirtschaft. Wohin ein extremes Denken führt, darauf darf ich Sie zum Schluß meiner Ausführungen noch einmal hinweisen. In der von mir bereits vorhin zitierten Schrift der Arbeitsgemeinschaft gegen Auswüchse der Außenwerbung steht folgender fundamentaler Satz:
Die Reklame vergiftet penetrant die Atmosphäre.
Sie verfolgt uns. Wir sind unfrei.
Wenn man im Jahre 1956 zu derartigen Schlüssen kommt, dann darf man sich nicht wundern, wenn daraus resultierende Maßnahmen nicht gerade als wirtschaftsfreundlich angesehen werden.
Gerade die ausländische Wirtschaft, die in Deutschland kauft, gerade deren Einkäufer befahren die Autobahnen besonders im Ruhrgebiet an entscheidenden Stellen. Ihnen immer wieder die deutschen Marken vor Augen zu führen, ist ein wesentlicher Teil volkswirtschaftlicher Betätigung. Darin liegen eben bei uns die Dinge anders als in der Schweiz und Skandinavien.
Dieses Gesetz, das eigentlich eine lange Rede gar nicht notwendig machen sollte, ist wirklich nichts, woran sich die Leidenschaften entzünden sollten, und schon gar nichts, was gefühlsmäßig erledigt werden sollte. Ich bitte Sie nochmals, den Gesetzentwurf mit kühlem Verstande einer Prüfung zu unterziehen und den Antragstellern
zustimmen, damit endlich eine Regelung gefunden wird, die gewissermaßen ,den goldenen Schnitt zwischen den Interessen der Öffentlichkeit und denen der werbenden Wirtschaft darstellt. Ich bitte Sie, den Antrag des Ausschusses für Verkehrswesen abzulehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Schwarzhaupt.
Ich stimme dem Herrn Vorredner darin zu, daß der Gegenstand seiner Rede eigentlich eine lange Rede im Bundestag nicht notwendig machen sollte.
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Im übrigen bitte ich im Namen der CDU/CSU-Fraktion, den Antrag abzulehnen, und zwar aus folgenden Gründen.
Wir stehen im Bundestag immer wieder vor der Frage, ob die Gegenstände, um die es sich handelt, wirklich ein B u n de s Besetz notwendig machen.
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Hier handelt es sich unter anderem darum, daß die Überlassung von Flächen zur Werbung öffentlich auszuschreiben ist, daß das Entgelt 60 % bestimmter Beträge nicht übersteigen darf, daß die Werbungen Geschmack und Sitte nicht verletzen dürfen, und anderes. Ich glaube nicht, daß es, dem deutschen Staatsbürger ohne weiteres einleuchtend zu machen ist, daß diese Dinge durch ein Bundesgesetz geregelt werden müssen.
Dazu kommt aber noch etwas anderes. Ich glaube, daß der wesentliche Inhalt dieses Gesetzentwurfs überhaupt nicht Gegenstand eines Bundesgesetzes sein darf, weil es sich nicht um Gegenstände der Gesetzgebung handelt. Es handelt sich nicht um Gebote an den Staatsbürger oder um die Organisation der staatlichen Ordnung, sondern es handelt sich um Weisungen an die Verwaltung für die Ausübung ihres Ermessens. Daß die Flächen, die da zur Werbung überlassen werden sollen, öffentlich auszuschreiben sind, daß bestimmte Regeln bei der Preisbildung befolgt werden müssen, daß Einwendungen nur aus bestimmten Gründen erhoben werden dürfen, das alles sind Gegenstände des Verwaltungsermessens, aber nicht Gegenstände der Gesetzgebung. Es wird gesagt, daß der Verkehrsminister zuständig sei. An einer anderen Stelle wird aber gesagt, daß er selber gegen die Entscheidungen seiner Verwaltung Einwendungen zu erheben habe; etwas, was im Grunde genommen ein Widerspruch ist.
Drittens habe ich gegen diesen Gesetzentwurf einzuwenden, daß er von der Annahme ausgeht, der Staatsbürger habe von vornherein ein Recht auf diese Werbung. In einer der Unterlagen wird dabei auf Art. 12 des Grundgesetzes, also auf das Recht der freien Berufsausübung, Bezug genommen. Der Herr Antragsteller hat sich soeben auf das Recht der Gewerbefreiheit als eines Ausflusses des Eigentumsrechtes bezogen. Ich glaube, diese Rechtsauffassungen sind abwegig. Das Grundgesetz gibt zwar in Art. 12 dem einzelnen das Recht, seinen Beruf, seinen Arbeitsplatz und seine Ausbildungsstätte frei zu wählen. Es gibt ihm aber nicht das Recht, seinen Beruf unbeschränkt und unter Inanspruchnahme des Eigentums anderer, nämlieh hier des Eigentums des Fiskus, auszuüben.
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Ebenso ist dieses Recht der Werbefreiheit doch dadurch begrenzt, daß das Eigentum anderer, nämlich hier das Eigentum des Bundes an den Autobahn-Überbrücken, in Anspruch genommen wird. Hier ist eine Begrenzung, die keineswegs im Gegensatz zu diesen Grundrechten steht.
Schließlich zu dem, was Sie über den Gleichheitsgrundsatz im Vergleich mit den Überbrücken bei Eisenbahnen ausgeführt haben. Es handelt sich hier keineswegs um im Grunde gleiche Tatbestände. Es ist etwas ganz anderes, ob man eine Werbung über einem Schienenweg oder über einer Straße anbringt. Der Lokomotivführer kennt diesen Weg, er fährt ihn immer wieder. Er wird nicht abgelenkt durch die Werbung, die ihm täglich vor Augen kommt. Aber bei der Autobahn handelt es sich doch gerade darum, daß der Autofahrer, der diesen ihm fremden Weg fährt und dessen Aufmerksamkeit absichtlich auf diese Werbung hingezogen werden soll, dadurch abgelenkt wird und daß damit die Verkehrssicherheit gefährdet wird. Der Gleichheitsgrundsatz hat mit diesem Problem wirklich nichts zu tun.
Ich glaube, ein Interesse der Allgemeinheit, durch ein besonderes Gesetz diese Werbung zuzulassen, besteht keineswegs. Das Interesse der Allgemeinheit an der Werbung kann nur in dem Interesse des Fiskus bestehen, bestimmte Einnahmen zu erhalten. Das muß seinen Erwägungen überlassen bleiben. Ein Interesse der Allgemeinheit besteht höchstens daran, diese Möglichkeiten um der Verkehrssicherheit willen zu beschränken.
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Wenn also hier irgendein gesetzliches Gebot ausgesprochen werden sollte, könnte es höchstens in der Richtung gehen, daß die Möglichkeiten, derartige Werbungen zuzulassen, beschränkt werden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und um eine Verunstaltung der Landschaft zu verhindern. Außerdem wäre, wenn hier ein Gebot ausgesprochen werden sollte, noch zu prüfen, ob damit nicht in die Verantwortung der Länder für die Sicherheit auf den Autobahnen eingegriffen würde.
Ich bitte deshalb, den Gesetzentwurf abzulehnen.
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Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist- nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Abstimmung über die §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6, die Einleitung und die Überschrift. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf abzulehnen. Wer entgegen der Ausschußempfehlung dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; alle Paragraphen des Gesetzentwurfs sind in zweiter Lesung abgelehnt.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Gutachten zur Verkehrspolitik ({1}).
Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) des Abgeordneten Lermer vor. Wird das Wort gewünscht? -Das ist nicht der Fall.
Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, den Antrag - Drucksache 183 - auf Grund der inzwischen erfolgten Maßnahmen für erledigt zu erklären. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({2}) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Reservierung von Abteilen in den Reisezügen der Deutschen Bundesbahn für Mütter mit Kleinkindern ({3}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr.-Ing. Drechsel. Er hat einen Schriftlichen Bericht**) vorgelegt.
Das Wort wird von Herrn Abgeordneten Donhauser gewünscht. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zur Debatte stehende Frage ist nicht welterschütternd. Es ist eine Frage von ziemlich untergeordneter Bedeutung; das soll und muß zugegeben werden. Sie ist weder wirtschaftspolitisch noch sozialpolitisch von erheblichem Belang. Die Art und Weise aber, wie wir diese Frage erledigen, ist nach meinem Dafürhalten symptomatisch für unseren Geist, und zwar nicht nur hier im Hohen Hause, sondern darüber hinaus auch für den Geist in der ganzen deutschen Öffentlichkeit.
*) Siehe Anlage 3.
**) Siehe Anlage 4.
Die Antragsteller haben mit der Drucksache 1296 das Hohe Haus gebeten, den früher bei der ehemaligen Deutschen Reichsbahn üblichen Zustand auch bei der Deutschen Bundesbahn wiederherzustellen und die Reservierung von Abteilen in den Reisezügen der Deutschen Bundesbahn für Mütter und Kleinkinder wieder anzuordnen. Der Verkehrsausschuß hat .sich wiederholt mit dieser Frage befaßt. Es liegt uns heute ein Schriftlicher Bericht des 30. Ausschusses vor, der sich im wesentlichen auf eine Stellungnahme der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn bezieht. Ich will Sie mit der in dieser Stellungnahme der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn zum Ausdruck gekommenen Auffassung nicht sehr lange aufhalten. Gestatten Sie mir aber doch, ein paar Minuten Zeit dafür in Anspruch zu nehmen, um die wichtigsten Punkte, die von der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn für ihre ablehnende Haltung angeführt werden, kurz mit Ihnen zu besprechen.
Die Hauptverwaltung meint erstens, sie müsse deshalb zu einem ablehnenden Bescheid kommen, weil erhebliche Erschwernisse bei der Zugbildung unvermeidlich wären. Meine Damen und Herren, ich spreche hier zu Ihnen nicht etwa in meiner Eigenschaft als Mitglied des Verkehrsausschusses; das hat damit so gut wie nichts zu tun. Aber ich darf vielleicht einmal als ehemaliger langjähriger Bundesbahnbeamter zu Ihnen reden. Ich glaube, schon einiges Verständnis für diese Dinge mitzubringen. Man kann im Zusammenhang mit der Reservierung von Abteilen für Mütter und Kleinkinder nicht von einem Erschwernis bei der Zugbildung sprechen. Das ist doch erheblich übertrieben und erschüttert auch die Glaubwürdigkeit der ganzen Begründung. Was versteht man denn unter Zugbildung? Unter Zugbildung wird ein ziemlich schwieriger und technisch komplizierter Vorgang verstanden, bei dem es sich darum handelt, unter Rücksichtnahme auf Fahrplangestaltung und Kursläufe größere Wageneinheiten zusammenzufassen und zu Zuggarnituren zusammenzustellen. Das hat aber mit der Reservierung eines kleinen Abteils wirklich nichts zu tun. Ich bin der Meinung: dieser Grund ist an den Haaren herbeigezogen.
Die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn meint dann weiter. es sei eine unerträgliche Mehrbelastung des Zugbegleitpersonals. Das ist vor allen Dingen der Grund, warum ich mich gerade als ehemaliger Bundesbahnbeamter zu diesem Punkt zu Wort melden muß. Wir, die Antragsteller, sind der Meinung, daß genau das Gegenteil ausgelöst wird. Wenn es nämlich so ist, daß sich ein verantwortungsbewußtes Zugbegleitpersonal gerade der physisch und psychisch schwächeren Reisenden annimmt oder annehmen soll, dann gehören, glaube ich, gerade Mutter und Kleinkind in erster Linie zu dieser Kategorie. Wenn Sie aber schon einmal beobachtet haben - und Sie hatten gerade in den letzten Wochen gelegentlich der Frostperiode ausreichend Gelegenheit dazu -, wie sich so ein Zugbegleiter abmühen muß, den letzten halbverhinderten Ritter in einem überbelegten Zug zu finden, um ihn zu veranlassen, einer Mutter mit Kleinkind seinen Platz freizugeben, dann werden Sie mit mir finden, daß das leider oft ein klägliches Schauspiel ist. Ja, es ist an sich bedauerlich, daß wir in der Zeit der langsam vorwärtsschleichenden Gleichberechtigung von Mann und Frau feststellen müssen, daß im Quadrat dazu die Ritterlichkeit beim starken Geschlecht abzunehmen
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scheint. Weil das leider so ist, deshalb sollte man dem Bundesbahnpersonal die Arbeit erleichtern und ihm einen Anhalt, eine zwingende Vorschrift dafür an die Hand geben, wenn es beim starken Geschlecht da und dort etwas nachhelfen muß. Aber ohne eine Vorschrift, meine Damen und Herren, tut sich ein Zugbegleiter, Zugschaffner wirklich schwer.
Man kann in diesem Zusammenhang auch nicht von einer erheblichen Verzögerung in der Abfertigung der Züge auf Unterwegsbahnhöfen reden. Wenn Sie einmal beobachtet haben, wie sich eine vom Reisefieber und von mancherlei Belastungen und Unannehmlichkeiten geplagte Mutter auf einem Bahnsteig, vor allem bei großem Gedränge, zurechtfinden muß, dann werden Sie mir zugeben, daß es wesentlich leichter ist, sie unterzubringen, wenn die Aufsichts- und Bahnsteigbeamten einer Mutter von vornherein sagen können, wo sie sich ungefähr aufstellen soll, um in kürzester Frist unterzukommen.
Die Bundesbahn ist ferner noch der Meinung, daß Schwierigkeiten im internationalen Reiseverkehr hingenommen werden müßten und unter Umständen sogar erheblich seien. Auch das ist - meine Damen und Herren, verzeihen Sie - mindestens stark übertrieben. Man weist in diesem Zusammenhang vor allem auch noch darauf hin, daß fremde Bahnverwaltungen eine derartige Einrichtung nicht kennen. Das stimmt nicht. Ich kann der Hauptverwaltung der Bundesbahn mit einigen sehr naheliegenden Beispielen dienen.
Schließlich und endlich meint die Begründung, mit der diese Bitte abgelehnt worden ist, es sei unwirtschaftlich, Sitzplätze für Mutter und Kind
vorzuhalten. Die Arbeiter, Angestellten und Beamten der Deutschen Bundesbahn haben in den letzten Jahren wirklich Imponierendes auf dem Gebiet der Rationalisierung geleistet. Aber diese gewaltige Arbeit, ich möchte fast sagen, ins Lächerliche ziehen zu wollen, indem man hier unterstellt, es sei in nennenswertem Umfange unwirtschaftlich, derartige Abteile vorzuhalten, das geht doch nicht an. Ich glaube nicht, daß die Herren, die diesen ablehnenden Bescheid verfaßt haben, damit indirekt behaupten wollen, daß es die Bundesbahn noch notwendig habe, sich auch noch an Mutter und Kleinkind gesund zu rationalisieren.
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Meine Damen und Herren, Kinder sind natürlich immer unwirtschaftlich für diejenigen, die sie haben. Ich meine, man sollte sich in den höheren Verwaltungs- und Führungsstäben der Deutschen Bundesbahn Gedanken darüber machen, ob nicht unter dem quäkenden und schreienden Etwas, das heute auf ihre reservierten Polster zu liegen käme, morgen vielleicht sogar einmal ein Generaldirektor oder ein Präsident der Deutschen Bundesbahn sein könnte.
Aber Spaß beiseite! Ganz konkret will unser Anliegen folgendes, meine Damen und Herren. Wenn die Frage untersucht wird, ob ein Bedürfnis besteht, ob es notwendig und zweckmäßig ist, wieder reservierte Abteile für Mutter und Kind einzurichten, dann darf man nicht nur die Hauptverwaltung der Bundesbahn fragen, ob das zweckmäßig ist. Meinem Dafürhalten nach - ich hoffe, daß mir das die Herren von der Hauptverwaltung der Bundesbahn in Frankfurt nicht übelnehmen werden - ist dafür die Hauptverwaltung der
Deutschen Bundesbahn nicht sehr zuständig. Ich möchte noch weitergehen. Ich möchte sagen: sie ist dafür nicht kompetent. Man müßte dabei auch diejenigen fragen, die es unmittelbar angeht. Man müßte insbesondere die Organisationen fragen, die, sich seit Jahr und Tag dankenswerterweise mit der Betreuung von Mutter und Kind abgeben, z. B. die Bahnhofsmissionen der beiden Konfessionen oder auch die großen Wohlfahrtsorganisationen.
Unsere Bitte, die ich im Namen der Antragsteller zu einem Antrag verdichten möchte, geht dahin: den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen nach Drucksache 2201 zur Kenntnis zu nehmen und diesen Bericht zusammen mit dem Antrag Drucksache 1296 an den Ausschuß zurückzuverweisen mit der gleichzeitigen Bitte, der Verkehrsausschuß möge, um die Bedürfnisfrage zweifelsfrei zu klären, die von mir empfohlenen Organisationen kurz hören.
Ich glaube, daß das eine durchaus angemessene Bitte ist und daß es auch keine unzuträgliche Zumutung für unsere Kollegen und Kolleginnen im Verkehrsausschuß ist. Sie werden damit höchstens vielleicht noch eine zusätzliche Stunde Arbeit haben. Ich bin aber der Meinung: weil diese Frage so symptomatisch für den Geist ist, der bei uns herrscht, müßte man sich einer solchen kleinen Mühe schon unterziehen. Ich bitte, diesen meinen Antrag anzunehmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Drechsel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund der soeben gehörten Äußerungen unseres Kollegen Donhauser könnte man den Eindruck gewinnen, als ob der Verkehrsausschuß über diese Materie etwas zu oberflächlich und schnell hinweggegangen sei. Ich kann feststellen, daß wir uns immerhin in zwei ausgiebigen Sitzungen hiermit beschäftigt und auch alles gründlich zu prüfen versucht haben.
Es ist richtig, daß bei der Entscheidung des Verkehrsausschusses in erster Linie das Urteil der Bundesbahn zugrunde gelegt werden mußte. Ich glaube, man wird über dieses Urteil nicht so ohne weiteres hinweggehen können, wenn man die Bundesbahn verpflichten will, Abteile einzurichten, da es technisch sehr schwer ist und besondere Kosten verursachen würde. Für Mutter und Kind würde es eine außerordentliche Erleichterung bedeuten, wenn für sie in jedem Wagen zwei Plätze reserviert würden - in j e dem Wagen, betone ich -, so daß Mutter und Kind gar nicht erst das für sie reservierte Abteil zu suchen brauchen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Reise nicht am Ausgangspunkt des Zuges beginnt, sondern wenn unterwegs umgestiegen wird. Bei einer solchen Regelung würden Mutter und Kind nicht vom Vater oder von den "anderen Kindern getrennt, sondern die Familie könnte zusammen in einem Abteil sitzen.
Wenn wir dem Antrag des Kollegen Donhauser folgten, würde die Regelung, die der Verkehrsausschuß vorgeschlagen hat, nicht in Kraft treten, und es müßten neuere Prüfungen vorgenommen werden, während doch die Bundesbahn bereit ist, die vom Verkehrsausschuß vorgeschlagenen Maßnahmen sofort zu treffen. Es bleibt ja überlassen,
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nach einer gewissen Zeit zu prüfen, ob die Dinge in Ordnung kommen. Im übrigen sind Klagen über eine ungenügende Betreuung durch das- Zugpersonal oder über Schwierigkeiten, Plätze zu finden, bisher noch nicht eingegangen. Ich weiß, daß auch die Mütter in meiner Fraktion mit der jetzigen Regelung durchaus nicht einverstanden sind und ebenfalls besondere Abteile wünschen.
Ich möchte dem Hohen Hause trotzdem vorschlagen, zunächst einmal den Beschluß des Verkehrsausschusses zu billigen. Sollten irgendwelche Klagen eingehen, könnte ein neuer Antrag zwecks weiterer Verbesserung gestellt werden, wobei wir dann auch prüfen können, ob die Bundesbahn inzwischen durch andere internationale Abmachungen in der Lage ist, gegebenenfalls Sonderabteile in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen.
Mein Antrag geht also dahin, den Antrag des Verkehrsausschusses in der vorgeschlagenen Form anzunehmen.
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Das Wort hat Frau Abgeornete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß leider der Ansicht meines Freundes Drechsel widersprechen. Ich halte die Entscheidung, die der Ausschuß getroffen hat, nicht für richtig. Stellen Sie sich einmal die Situation vor, die entsteht, wenn in einem überfüllten Zuge irgendein Reisender, sei es Mann oder Frau, einen der beiden Plätze, die in jedem Wagen für Mutter und Kind vorbehalten werden sollen, eingenommen hat und nun wieder aufgeben soll, weil
eine Mutter mit Kleinkind kommt, oder aber wenn die zwei Plätze von vornherein nicht besetzt werden dürfen, weil sie für Mutter und Kind reserviert sind. Außerdem ist ja dem Gedanken gar nicht Rechnung getragen, daß die Frauen den Wunsch haben, ihre Kinder, besonders die kleinen Kinder, entsprechend zu versorgen. Es ist doch nun einmal nicht zu vermeiden, daß ein Kind bei längerer Reise unterwegs frisch gewickelt oder vielleicht auch einmal gestillt werden muß. Man kann doch der Frau nicht zumuten, das in einem Abteil zu tun, in dem vielleicht noch sechs andere Personen sitzen, ganz abgesehen davon, daß diese anderen, die darin sitzen, vielleicht auch durch das Kind, das schreit, gestört werden.
Wir sollten also doch wirklich darauf zurückkommen, ein Abteil für Mutter und Kind zu schaffen. Der Antrag sieht ja vor, daß z. B. in Fernschnellzügen, die relativ wenige Wagen haben, von der Bereitstellung eines solchen besonderen Abteils abgesehen wird. In den großen Zügen gibt es aber doch so viele Abteile, daß man wirklich ein Abteil für Mutter und Kind vorbehalten kann.
Herr Kollege Drechsel wendet ein, daß dann der Vater nicht dazu kann. Na ja - also ,bei allem Respekt: der Vater kann ja einmal auf Besuch kommen, kann ja einmal nach seiner Familie sehen, auch wenn er nicht in dem Abteil sitzt. Wenn das Abteil nicht voll ist, wird sicherlich auch niemand etwas dagegen haben, wenn der Vater auch mal einige Zeit in dem Abteil für Mutter und Kind sitzt. Darin sehe ich also keine Schwierigkeit.
Man redet immer wieder davon, was man für die Familie tun will. Nun, dies ist wirklich ein Fall, wo man einmal zeigen sollte, daß auch eine kleine technische Schwierigkeit überwunden werden kann zugunsten der Familie, zugunsten von Mutter und Kind.
Ich bitte also, dem Antrag zuzustimmen. ({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Brück.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind im Verkehrsausschuß zu einem Ergebnis gekommen, das sicherlich nicht ganz befriedigend ist; und dem Herrn Kollegen Donhauser möchte ich sagen: lieber Kollege Donhauser, wenn das eine Arbeit über Zugbildung in der Prüfung gewesen wäre, dann hätten Sie nicht gerade das Prädikat „Gut" bekommen.
Es sind schon Schwierigkeiten da. Sie sind zum Teil auch auf die Praxis zurückzuführen. Das wird jeder beurteilen können, der mit diesen praktischen Dingen zu tun hat. Wir haben ja dieses Abteil schon einmal gehabt, und es hat tatsächlich - das darf ich Ihnen aus meiner Tätigkeit als Dienstvorsteher draußen sagen - Schwierigkeiten ausgelöst: Ich habe im Ausschuß einmal die Meinung vertreten, daß wir zu einer Regelung kommen müssen, die dem Anliegen der Antragsteller Rechnung trägt. Ich habe auch nicht alle Argumente, die die Deutsche Bundesbahn angeführt hat, gutheißen können. Diese Regelung - das sage ich ganz offen - ist nicht ganz gut.
Nun haben Sie, Frau Dr. Ilk , gesagt, man müßte im Zuge ein Sonderabteil einrichten, um insbesondere dem Anliegen der stillenden Mutter z. B. Rechnung zu tragen. Verehrte Frau Dr. Ilk, es gibt eine ganze Menge Züge auch im Fernverkehr, in denen wir gar keine Abteilwagen haben, in denen der Wagen nur ein großes Abteil ist, und da kann man diese Dinge z. B. auch wieder nicht machen.
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- Ja, lieber Kollege Krammig, dazu ist aber doch zu sagen, daß die Bahn genügend Abteilwagen haben müßte, um die Dinge zu ändern.
Ich möchte meinen, daß wir zunächst einmal mit dieser Regelung anfangen sollten. Wenn jetzt dem Antrag auf Rückverweisung an den Verkehrsausschuß entsprochen wird, dann dauert es eine gewisse Zeit, bis wir das wieder auf die Tagesordnung bekommen; dann werden wir wieder hin und her diskutieren, und damit vergeht nochmals viel. Zeit. Wir sollten im Augenblick einmal beginnen, und dann wird sich sicherlich auch die Bahn bei der Beschaffung ihres Wagenparks auf diese Dinge in der Zukunft besser einstellen können, so daß wird vielleicht beim übernächsten Fahrplanwechsel zu einer anderen Regelung kommen können. Wenn wir aber der vorgeschlagenen Regelung nicht zustimmen, ist es praktisch so, daß beim kommenden Fahrplanwechsel unseren Wünschen in keiner Weise Rechnung getragen werden wird.
Kein Baum fällt auf den ersten Streich. Genau so wie bei unserer Fahrpreisermäßigung für kinderreiche Familien, die noch nicht ganz befriedigend, aber ein Anfang ist - wir hoffen, daß sie in Zukunft verbessert werden wird -, muß es auch hier sein. Deshalb möchte ich Sie bitten, dem Beschluß des Verkehrsausschusses zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich glaube, es hat für uns Frauen außerordentlich sympathisch gewirkt, daß heute ein Kollege dieses Hohen Hauses sich eines solchen Anliegens so warmherzig angenommen hat, und ich glaube, daß wir auch dem Wunsch des Kollegen Donhauser Rechnung tragen sollten. Ebenso unterstütze ich das, was von Frau Dr. Ilk so sehr warmherzig gesagt worden ist, daß wir diese Angelegenheit an den Verkehrsausschuß zurückverweisen sollten. Es bestehen Möglichkeiten, den Müttern, die sich mit Kindern auf Reisen befinden, zu helfen, und ich bin der Meinung, daß gerade eine solche Angelegenheit, die zwar nicht weltbewegend ist, aber für eine Familie und vor allem für die Mutter, die mit Kindern auf Reisen gehen muß, von Bedeutung ist, von Anfang an voll und ganz gelöst werden sollte. Ich bin auch überzeugt davon, daß Herr Bundesverkehrsminister Seebohm und Herr Bundesfamilienminister Wuermeling, die heute anwesend sind, ihren Einfluß als Bundesminister in dieser Frage geltend machen werden, damit die Bundesbahn den Wünschen, die die Antragsteller ausgesprochen haben, entspricht.
Ich möchte mich also für meine politischen Freunde vom Gesamtdeutschen Block/BHE durchaus den hier vorgetragenen Wünschen des Kollegen Donhauser, die von Frau Dr. Ilk von der FDP unterstützt worden sind, anschließen. Wir wünschen deshalb auch, daß die Angelegenheit an den Verkehrsausschuß zurückverwiesen wird.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hält es - ich darf das im Namen meiner Freunde sagen - für angebracht, daß wir uns im Verkehrsausschuß nochmals mit der Materie beschäftigen. Die Schwierigkeiten in der Wagenstellung sind uns bekannt. Vielleicht wird die Bundesbahn nicht in der Lage sein, die Abteile, die notwendig sind, zur Verfügung zu stellen. Aber ich glaube, wir sollten noch einmal einen ernsthaften Versuch machen und prüfen, ob es der Bundesbahn nicht trotzdem möglich ist, den dringenden Anliegen Rechnung zu tragen. Da meine Fraktion es also für notwendig hält, im Ausschuß nochmals darüber zu sprechen, wird sie dem Antrag des Herrn Kollegen Donhauser zustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie war es denn früher? Was früher war, muß doch auch heute möglich sein! Früher gab es solche Abteile. Ich will keine Begründung mehr geben. Frau Dr. Ilk hat sie schon gebracht. Ich stehe auf dem Standpunkt des Herrn Abgeordneten Donhauser und bitte darum, dem Antrag des Herrn Abgeordneten Donhauser zuzustimmen.
({0})
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Zur Geschäftsordnung ist vom Abgeordneten Donhauser folgender Antrag gestellt:
Die Drucksache 2201 wird zur Kenntnis genommen und zusammen mit der Drucksache 1296 zur erneuten Beratung an den Verkehrsausschuß zurückverwiesen. Der Verkehrsausschuß wird gebeten, die Bedürfnisfrage durch Anhörung der einschlägigen Organisation für Mutter und Kind zu prüfen.
Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs ({0});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({1}) ({2}).
({3})
Der Schriftliche Bericht *) des Abgeordneten Richarts liegt vor. Wird das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Frau Kollegin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache 2052 empfiehlt der Außenhandelsausschuß die Ablehnung des von uns gestellten Antrages zur Änderung des Zolltarifs. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hatte für die konjunkturpolitische Debatte in Berlin insgesamt zwölf Gesetzentwürfe und Anträge eingebracht, wozu auch dieser gehört, und hat insofern ein Konjunkturprogramm aus einem Guß vorgelegt. Mit diesen Anträgen wollten wir erreichen, daß die für den Verbraucher wesentlichen Verbrauchsteuern sowie die Zölle auf Kaffee, Tee und Kakaobohnen beseitigt werden. Bei Annahme unserer Anträge wäre erreicht worden, daß der Preis für ein Pfund Zucker von 68 Pf auf 55 Pf hätte gesenkt werden können. Die Preissenkung für eine Schachtel Zündhölzer von 10 auf 5 Pf ist inzwischen ermöglicht worden. Uns ist es gleichgültig, ob die Senkung der Verbraucherpreise für Kaffee, Tee und Kakao auf dem Wege über die Zölle oder auf dem Wege über die Verbrauchsteuern herbeigeführt wird. Uns kommt es eben nur darauf an, eine effektive Senkung der Verbraucherpreise zu erreichen.
Was ist nun bisher von den eingebrachten Gesetzentwürfen und Anträgen verwirklicht worden? Bei diesem ganzen Bündel von Gesetzesanträgen muß es als eine geradezu heroische Tat bezeichnet werden, daß sich der Bundestag bereit gefunden hat, die Zündwarensteuer zu senken. Leider hat sich die Mehrheit des Hauses zur Aufhebung der Zuckersteuer nicht verstehen können. Sie werden heute noch mehr darüber hören. Wie so häufig ist uns die Bundesregierung durch eine eigene Vorlage nur auf halbem Wege gefolgt und erhebt dann vor der Öffentlichkeit noch Anspruch auf Beifall für dieses zweifelhafte Beginnen.
Unseren vorliegenden Antrag auf Aufhebung der Zölle für Kaffee, Tee und Kakaobohnen hat der Ausschuß, wie ich schon sagte, mit Mehrheit abgelehnt. Ich bitte Sie aber, sich schon jetzt darauf vorzubereiten, daß ein weitergehender Antrag auf Aufhebung der Kaffee- und Teesteuer von uns dem
*) Siehe Anlage 5.
({0})
Hause vorgelegt werden wird. Wir hoffen hierbei sehr auf die Unterstützung der FDP, die dankenswerterweise auch unseren Antrag auf Aufhebung der Zuckersteuer unterstützt hat.
Ich möchte noch etwas zur Kaffeesteuer selbst sagen. Es ist nicht zu leugnen, daß die Kaffeesteuer eine ausgesprochene Luxussteuer ist und sich mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung den Genuß dieses Volksgetränks nicht in dem Maße leisten kann, wie sie es gern möchte. Vor dem Kriege belief sich der deutsche Kaffeeverbrauch auf 2,9 Kilo pro Kopf der Bevölkerung, während er sich jetzt nur noch auf 2,1 Kilo pro Kopf stellt. Die Ursache dieses Rückgangs ist nun nicht etwa in der allgemeinen Mindernachfrage nach Kaffee begründet, sondern einzig und allein in der hohen fiskalischen Belastung, die es einem großen Teil der arbeitenden Bevölkerung und vor allen Dingen den Rentnern unmöglich macht, sich Kaffee in den erwünschten Mengen zu kaufen.
Die Richtigkeit dieser Behauptung wird durch offizielle Erklärungen der zuständigen Ministerien und vor allem durch die Veröffentlichung der monatlichen Verzollungsziffern durch das Statistische Bundesamt bestätigt, die eindeutig davon sprechen, daß der Kaffeverbrauch eine steigende Tendenz aufweist. Bei richtiger Auswertung dieser offiziellen Erklärungen muß man sogar zu dem Schluß kommen, daß der Kaffeeverbrauch bei dem gut verdienenden Teil der Bevölkerung jetzt schon wieder die Vorkriegsziffer von 2,9 Kilo erreicht und sogar überschritten hat. Wenn nun Verbrauchsteuer und Zollbelastung der ärmeren Bevölkerung verwehren, so viel Kaffee zu trinken, wie es ihr behagt, so wäre es doch jetzt an der Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, daß beide Formen der Belastung reformbedürftig sind oder das eine oder andere hätte abgebaut werden müssen.
Es ist uns vorgerechnet worden, daß die Beseitigung des Zolles auf Kaffee, Tee und Kakaobohnen einen Zollausfall von 315 Millionen DM zur Folge haben würde. Dabei ist aber nicht berücksichtigt, daß durch den zu erwartenden erheblichen Mehrverbrauch bei den Verbrauchsteuern, der Umsatzausgleichsteuer und anderen indirekten Steuern Mehreinnahmen entstehen werden, die den Finanzausfall wesentlich verringern.
Ich muß noch darauf hinweisen, daß in dem Unterausschuß „Verbrauchsteuern" auch der Kollege Dr. Dollinger von der CDU eine Senkung der Verbrauchsteuer an Stelle der Aufhebung des Zolles auf Kaffee und Tee vorgeschlagen hatte. Er erinnerte daran, daß die Senkung der Kaffeesteuer im August 1953 praktisch zu einer Verdoppelung des Kaffeeverbrauchs geführt hat, und er glaubte, daß bei einer weiteren Senkung der Kaffeesteuer mit einer weiteren Konsumausdehnung gerechnet werden könne. Mit Recht machte Kollege Dr. Dollinger darauf aufmerksam, daß in Anbetracht der preispolitischen Wirkung einer Steuersenkung ein Haushaltsausfall zu verantworten sei.
({1})
Wir können uns nicht vorstellen, daß der Herr Finanzminister im Hinblick auf die gemachten Erfahrungen uns wiederum vorhalten wird, es bestehe keinerlei Gewähr dafür, daß eine geringere fiskalische Belastung zu einer Preissenkung führen werde. Unser wichtigstes Anliegen - hier wie bei allen Anträgen, die wir gestellt haben - ist aber,
den Weg für Preissenkungen bei den wichtigsten Konsumgütern frei zu machen. Das bedeutet zugleich eine Ausweitung des Konsums und die Ermöglichung eines gleichmäßigeren Zuganges zu solchen Konsumgütern, die gerechterweise allen Schichten der Bevölkerung zugänglich gemacht werden sollten.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Serres.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, dem Ausschußantrag Drucksache 2052 Ihre Zustimmung zu geben, d. h. den Gesetzentwurf Drucksache 1673 abzulehnen.
Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich mit den hier aufgeworfenen Fragen eingehend befaßt, wie auch in dem Schriftlichen Bericht dargelegt ist. Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion befaßt sich mit drei Themen, zunächst in Nr. 1 des Art. 1 mit der linearen Senkung der Zollsätze um 40 °/o, und zwar für sämtliche gewerbliche Zölle, in Nr. 2 mit einer Senkung gewisser Finanzzölle - auf Kaffee, Tee und Kakaobohnen - und in Nr. 3 mit der Aufhebung von Zollsätzen für einige wichtige Artikel, nämlich Baustoffe, Kunstdüngemittel, Landmaschinen und Haushaltsmaschinen.
Wir haben im Ausschuß für Außenhandelsfragen zum Ausdruck gebracht, daß uns eine lineare Zollsenkung in diesem Augenblick und vor allen Dingen auch in diesem Ausmaß, wie es von der sozialdemokratischen Fraktion beantragt wird, nicht erwünscht ist. Dafür haben wir in der konjunkturpolitischen Zollsenkung mit den beiden auch im Bericht erwähnten Verordnungen, nämlich der Achtundvierzigsten und der Einundfünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen, in erheblichem Umfang Zollsenkungen vorgenommen. Wir glauben, daß damit dem Anliegen Rechnung getragen ist.
Zu Nr. 2, zu der Senkung der Finanzzölle, ist zu bemerken, daß der Ausschuß für Außenhandelsfragen in seiner Mehrheit und in Übereinstimmung mit dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen sich nicht entschließen konnte, in diesem Augenblick zumindest, die hier beantragte Senkung der Finanzzölle durchzuführen. Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß diese Frage, wenn ich recht unterrichtet bin, am Freitag dieser Woche bei der Behandlung der Freimengen im Reiseverkehr noch einmal zur Diskussion stehen wird.
Auf jeden Fall war die Mehrheit des Ausschusses für Außenhandelsfragen der Meinung, daß dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion unter Ziffer 2 nicht stattzugeben sei.
Ich darf schließlich noch zu Ziffer 3 bemerken, daß die dort verlangte Zollsenkung weitgehend durch die beiden konjunkturpolitischen Zollsenkungen herbeigeführt worden ist. Wir haben allerdings darauf verzichtet, diese Zölle in den beiden Verordnungen völlig aufzuheben, sondern haben nur eine erhebliche Zollsenkung beschlossen.
Ich darf zusammenfassend feststellen, daß dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion in einigen Teilen bereits durch die bisher erlassenen Verordnungen Rechnung getragen ist. Darüber hinaus sind wir nicht in der Lage, dem Antrag zuzustim({0})
men. Ich darf Sie daher bitten, dem Ausschußantrag Ihre Zustimmung zu geben, d. h. den Gesetzentwurf abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir treten in die Einzelberatung des Gesetzentwurfs' Drucksache 1673 ein. Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Letzteres war die Mehrheit; diese Artikel sind abgelehnt. Damit ist der Gesetzentwurf erledigt.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({1}) ({2})
({3});
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Zuckersteuergesetzes ({4});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({5}) ({6}).
({7})
Für beide Vorlagen liegen getrennte Anträge des Ausschusses vor. Ich nehme aber an, das Haus ist damit einverstanden, daß man über beide Vorlagen zusammen berichtet. Es ist wohl ein Bericht
notwendig.
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Krammig.
Krammig ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes wurde in der 131. Sitzung des Bundestages am 8. dieses Monats dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen - federführend - und dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung überwiesen. Beide Ausschüsse traten noch am gleichen Tage in die Beratung des Gesetzentwurfs ein. Der federführende Ausschuß schloß seine Beratungen in der Sitzung am 14. dieses Monats ab.
Der mitberatende Ausschuß - das möchte ich vorwegnehmen - hatte zu den einzelnen Artikeln des Gesetzes folgende Beschlüsse gefaßt. Zu Art. 1 stimmte er einem Antrag des Abgeordneten Dr. Dr. Müller mit Mehrheit bei einer Enthaltung zu, die Senkung der Zuckersteuer nicht auf 10,50 DM, wie in der Regierungsvorlage vorgeschlagen war,
sondern auf 8 DM pro Doppelzentner mit der Maßgabe vorzunehmen, daß der Unterschiedsbetrag von 2,50 DM zugunsten der Verarbeitungsspanne der zuckerrübenverarbeitenden Industrie verwendet und damit der festgesetzte Zuckerrübenpreis gewährleistet werde. Zu Art. 2 schlug der mitberatende Ausschuß vor, bei der Erstattung bereits entrichteter Zuckersteuer nach Senkung des Steuersatzes auch die Inhaber von zuckerverarbeitenden Betrieben einzubeziehen. Er änderte außerdem die erstattungsfähige Menge von 300 auf 100 kg ab. Einem weitergehenden Antrage, die erstattungsfähige Menge auf 50 kg versteuerten
Zuckers herabzusetzen, versagte der Ausschuß seine Zustimmung. Die Art. 3 und 4 beantragte der mitberatende Ausschuß zu streichen, und zwar mit der gleichen Begründung, wie sie sich aus der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf ergibt.
Bei der abschließenden Beratung der Vorlage im federführenden Ausschuß am 14. März wurden unter Einbeziehung der Vorschläge des mitberatenden Ausschusses folgende Anträge gestellt und beschieden. Die Abgeordneten Seuffert und Dr. Miessner griffen die Anträge ihrer Fraktionen auf Drucksachen 578 und 1762 erneut auf und begehrten die Aufhebung des Zuckersteuergesetzes. Für den Fall, daß dies im Ausschuß abgelehnt werden sollte, beantragte Dr. Miessner die Senkung des Zuckersteuersatzes von 26,50 DM auf 8 DM pro Doppelzentner. Der Abgeordnete Eickhoff von der Deutschen Partei stellte den Antrag, den Zuckersteuersatz auf 9 DM pro Doppelzentner zu senken, während der Abgeordnete Neuburger von der CDU/CSU-Fraktion eine Senkung auf 10 DM pro Doppelzentner begehrte.
Der Ausschuß griff in der Debatte zu den Aufhebungsanträgen nicht noch einmal das Für und Wider einer völligen Aufhebung des Zuckersteuergesetzes auf, weil hierüber bei der Behandlung des Antrags auf Drucksache 578 ausgiebig beraten worden war. Ich darf mich zur Darlegung der Begründung der Antragsteller auf die Darstellung im Schriftlichen Bericht, zu Drucksache 1947, beziehen. Die Aufhebungsanträge wurden aus den in dem soeben erwähnten Schriftlichen Bericht genannten Gründen mit Mehrheit abgelehnt.
' Der Antrag, die Zuckersteuer auf 8 DM pro Doppelzentner zu senken, wurde ebenso wie im mitberatenden Ausschuß im wesentlichen damit begründet, daß der über die Vorlage der Regierung hinausgehende Senkungsbetrag von 2,50 DM pro Doppelzentner dazu dienen solle, die Verarbeitungsspanne der Zuckerrüben verarbeitenden Industrie zu bessern und den festgesetzten Zuckerrübenpreis zu gewährleisten. Hierbei wurde insbesondere auf die schlechte Ertragslage der Zuckerrüben verarbeitenden Industrie im niedersächsischen Raum verwiesen, die zur Aufrechterhaltung ihrer Rentabilität unbedingt auf eine Erlösbesserung angewiesen sei, um notwendige Investitionen zur Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen vornehmen zu können. Nachdem im Ausschuß geklärt worden war, daß eine gesetzliche Möglichkeit, die Belassung des Betrages von 2,50 DM pro Doppelzentner bei der Zuckerindustrie sicherzustellen, weder vorhanden sei noch geschaffen werden könne, und der Abgeordnete Seuffert dem noch hinzugefügt hatte, daß jede Zuckersteuersenkung dem Verbraucher zugute kommen müsse, wurde dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt. Ebenso erging es dem Antrag des Abgeordneten Eickhoff, der einen Steuersatz von 9 DM zum Gegenstand hatte und der Zuckerindustrie zu den vorgenannten Zwecken 1,50 DM pro Doppelzentner belassen wollte.
Die Regierungsvorlage hatte eine Senkung der Zuckersteuer auf 10,50 DM je ,Doppelzentner vorgesehen. Diesen Vorschlag erweiterte, wie ich bereits erwähnte, der Antrag des Abgeordneten Neuburger, in dem er für eine Senkung des Steuersatzes auf 10 DM plädierte. Der Ausschuß gab diesem Senkungsantrag statt, zumal auch der Regierungsvertreter schon bei der Behandlung des An({9})
trages der Fraktion der SPD auf Drucksache 578 eine solche Senkung angekündigt hatte.
Die damit 16,50 DM pro Doppelzentner betragende Senkung des Satzes soll nach Meinung des Ausschusses mit 16 DM pro Doppelzentner dem Verbraucher und mit 0,50 DM je Doppelzentner zuzüglich der Umsatzsteuerersparnis, die mit 0,48 DM pro Doppelzentner beziffert wurde, den Zuckerrüben verarbeitenden Fabriken zugute kommen. Dies folgt aus dem Umstand, daß die zuletzt genannten beiden Beträge von zusammen 0,98 DM pro Doppelzentner sich bei der Preisbildung für den Haushaltszucker nicht auswirken können.
Bei Art. 2 wurde der Anregung des mitberatenden Ausschusses, den Kreis der Erstattungsberechtigten auf die Inhaber von Zucker verarbeitenden Betrieben zu erweitern und die erstattungsfähige Menge von 300 auf 100 kg herabzusetzen, einstimmig zugestimmt.
Die Artikel 3 und 4 des Regierungsentwurfs sehen die Erhebung einer Zusatzumsatzsteuer bei der Zucker verarbeitenden Industrie für den Fall vor, daß die Zuckersteuersenkung in den Verbraucherpreisen nicht spürbar in Erscheinung trete. Der Finanz- und Steuerausschuß hatte bereits in seiner Sitzung am 8. März grundsätzlich die Ablehnung der Zusatzumsatzsteuer in der vorgeschlagenen Form beschlossen. Auch der mitberatende Ausschuß lehnte, wie ich bereits angedeutet habe, die Zusatzumsatzsteuer ab. Die Streichung der Artikel 3 und 4 wurde in der Sitzung des Finanz- und Steuerausschusses am 14. März erneut beantragt und einstimmig gutgeheißen. Auch ein Eventualantrag des Abgeordneten Krammig verfiel gegen die Stimme des Antragstellers der Ablehnung. Er sah eine Ermächtigung für den Bundesminister der Finanzen vor, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß auf die Lieferungen und die Einfuhr bestimmter zuckerhaltiger Gegenstände ein Zuschlag zur Umsatzsteuer erhoben werden könne, wenn bei einer Mehrzahl von Unternehmern, die diese Gegenstände herstellen, durch die für die Preisüberwachung zuständigen Stellen oder in anderer Weise festgestellt würde, daß die durch die Zuckersteuersenkung eingetretene Minderung des Zuckerpreises bei der Preisberechnung für die zuckerhaltigen Gegenstände nicht berücksichtigt würde.
Die Senkung der Zuckersteuer um 16,50 DM je dz bedeutet für den Bundeshaushalt einen Steuerausfall von rund 250 Millionen DM. Hiervon entfallen auf den Haushaltszucker rund zwei Drittel, auf den Verarbeitungszucker der Rest des Betrages.
Die Verpfändung der Zuckersteuer für die Bedienung der Verpflichtungen aus der Young- und Dawes-Anleihe wurde sowohl im federführenden als auch im mitberatenden Ausschuß erörtert.
Als Tag des Inkrafttretens des Gesetzes wird vom Ausschuß der 1. April 1956 vorgeschlagen.
Ich habe Sie namens des federführenden Ausschusses zu bitten, den Gesetzentwurf in der Fassung der Drucksache 2214 anzunehmen.
Hinsichtlich des Antrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 578, das Zuckersteuergesetz aufzuheben, darf ich mich, die Zustimmung des Hohen Hauses vorausgesetzt, auf den Schriftlichen Bericht*) zu Drucksache 1947 beziehen. Der Ausschuß schlägt Ihnen hierzu auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses vor, den Antrag auf Drucksache 578 abzulehnen.
*) Siehe Anlage 6.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe zunächst Art. 1 des Entwurfs Drucksache 2214 auf. Es sind eine Reihe von Änderungsanträgen zu dieser Vorlage gestellt, die teils von der FDP, teils von der SPD stammen. Materiell sind sie jedenfalls gleich. Vielleicht können die Damen und Herren, die die Anträge ihrer Fraktion zu begründen haben, darauf Rücksicht nehmen.
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 550*) Ziffer 1 hat Frau Abgeordnete Strobel.
Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen in Umdruck 550 wiederum einen Antrag auf völlige Aufhebung der Zuckersteuer vor. Ziel dieses Antrags ist es, den Preis für das Kilo Zucker nicht nur um 16 Pf, wie im Ausschußbericht vorgeschlagen, sondern um mindestens 26 Pf für den Verbraucher zu senken.
Solange der Deutsche Bundestag existiert, haben wir uns darum bemüht, die Zuckersteuer abzubauen und sie zugunsten des Verbrauchers vollkommen verschwinden zu lassen. Es hat in diesem Hause schon eine ganze Anzahl diesbezüglicher Debatten gegeben. Sie haben unsere Anträge immer aus fiskalischen Gründen abgelehnt. Das geht auch aus dem Bericht zu unserem Gesetzentwurf betreffend Streichung der Zuckersteuer hervor. Sie haben diese Anträge abgelehnt, obwohl auch in den Debattereden Ihrer eigenen Fraktionskollegen immer wieder gesagt worden ist, daß es sich hier eigentlich um eine unmoralische Steuer handelt, um eine Steuer, die man geradezu als eine Kopfsteuer bezeichnen muß.
Es tut mir leid: vorhin war der Herr Familienminister noch da; ich sehe, er ist eben weggegangen. Ich wollte gerade in seiner Anwesenheit darauf aufmerksam machen, daß durch diese Zuckersteuer insbesondere die Mehrkinderfamilien in einem sehr hohen Maße belastet sind. Die Senkung der Zuckersteuer, wie sie von der Regierung vorgeschlagen und vom Ausschuß angenommen worden ist, wird dem Anliegen der kinderreichen Familien keinesfalls gerecht.
Auch die Fürsorgeempfänger und die Rentner drückt diese Steuer ganz besonders. Ich brauche Ihnen nicht eigens zu sagen, daß auf Zucker eben niemand verzichten kann und daß man von Zucker nicht ausweichen kann. Insbesondere für die Ernährung der Kinder ist Zucker eben unbedingt notwendig. Falls jemand von Ihnen auf den Gedanken kommen sollte, daß die Rentner ja, wenn ihnen der Zucker zu teuer ist, Süßstoff verwenden könnten, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß es bei uns ja leider auch eine Süßstoffsteuer gibt.
Im übrigen ist heute nicht mehr davon die Rede gewesen - aber doch in der der Öffentlichkeit gegebenen Begründung -, daß die Zuckersteuersenkung beabsichtigt ist, um die für den Verbraucher ab 1. April eintretende Milchpreiserhöhung auszugleichen. Ich habe mit einer Unzahl von Frauen gesprochen, vor allem mit Frauen, die kleine Kinder haben, die viele Kinder haben. Sie alle machen eine Rechnung auf, daß die Ersparnis aus der Zuckersteuersenkung die Milchpreiserhöhung nicht ausgleicht. Bestenfalls durch eine völlige Streichung der Zuckersteuer könnte man hier einen wirklichen Ausgleich schaffen.
*) Siehe Anlage 7.
({0})
Ich habe mich in den Ausschüssen davon überzeugt, daß es auch heute rein fiskalische Gründe sind, die die Mehrheit in den Ausschüssen veranlaßt haben, unsere Anträge auf Streichung abzulehnen. Ich glaube, die Herren Kollegen können mir darin zustimmen, daß sich in keinem der beiden Ausschüsse die Abgeordneten welcher Fraktion auch immer von dem Hinweis auf die Verpfändung der Zuckersteuer für die Dawes-Anleihe haben besonders beeindrucken lassen.
Im übrigen hat Herr Kollege Müller sowohl im Ausschuß als auch hier wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß sich auch die deutschen Vertreter bei den internationalen Zuckerverhandlungen dafür ausgesprochen haben, ja sich geradezu dazu verpflichtet haben, die Zuckersteuer vor allen Dingen auch in ihrer eigenen Heimat abzubauen.
Nun möchte ich aber noch eine Nebenerscheinung zur Sprache bringen, von der ich sagen muß, daß sie mich geradezu erschüttert hat. Bei den Verhandlungen im Ernährungsausschuß war von einem Kollegen beantragt worden, wenigstens eine Senkung der Zuckersteuer auf 8 DM vorzunehmen. Damit war der Antrag verbunden, der Zuckerindustrie einen Ausgleich für notwendige Rationalisierungsmaßnahmen und Ähnliches zukommen zu lassen. Im Finanz- und Steuerausschuß hat man sich, ich glaube, aus guten Gründen, nicht entschließen können, eine Zweckbindung des Betrages der Zuckersteuersenkung vorzunehmen.
Ich bin hier übrigens anderer Meinung als der Herr Berichterstatter. Ich bin der Auffassung, daß der Finanz- und Steuerausschuß auch bezüglich der 50 Pf der Meinung war, es gehöre nicht zu seiner Aufgabe, eine Zweckbindung des Betrages der Senkung vorzunehmen. Zumindest unsere Kollegen waren der Auffassung, daß wir jede Zuckersteuersenkung ausschließlich dem Verbraucher zugute kommen lassen sollten. Eine Abstimmung darüber, wofür die 50 Pf verwendet werden sollen, hat es nicht gegeben. So habe ich es jedenfalls aufgefaßt. Aber das ist nicht das Entscheidende.
Das Erschütternde für mich war, daß dieselben Kollegen, die im Ernährungsausschuß für die Senkung auf 8 DM gestimmt haben, wenn der Unterschied von 2,50 DM den Zuckerfabriken zugute kommt, im Finanzausschuß gegen diesen Antrag stimmten, als erklärt wurde, daß die Senkung dem Verbraucher zugute kommen soll. Das ist ein Standpunkt, den man keinesfalls begreifen kann, vor allen Dingen, da man draußen immer wieder davon spricht, daß der Verbraucher unbedingt entlastet werden muß.
Ich frage mich immer wieder, warum Sie eigentlich die völlige Streichung der Zuckersteuer ablehnen, gerade heute noch ablehnen, wo die Haushaltslage und die Kassenlage des Bundes die Streichung erlauben. Sie versäumen damit vielleicht eine einmalige Gelegenheit, eine Kopfsteuer zu beseitigen, die niemand moralisch verantworten kann.
({1})
- Ich habe Sie leider nicht verstanden, Herr Kollege Neuburger.
Eben ist hier gesagt worden, daß der Steuerausfall bei der Senkung der Zuckersteuer 250 Millionen DM beträgt. Bei der Streichung würde er etwa 380 bis 400 Millionen DM ausmachen, wenn man den Ausfall an Umsatzsteuer noch dazu rechnet. Die Zeitungen berichten zur Zeit, daß es auch in der CDU/CSU einen Ausschuß gibt, der sich damit befaßt, wie man die Milliardenüberschüsse im Haushalt in Zukunft verwenden soll. Es hätte diesem Ausschuß sehr zur Ehre gereicht, wenn er auch auf den Gedanken gekommen wäre, jetzt endlich die Zuckersteuer vollkommen zu streichen. Statt dessen sind Sie ({2}) auch in dieser Situation in den Ausschüssen immer wieder bereit gewesen, einen solchen Antrag von uns abzulehnen, obwohl z. B. auch der Herr Bundeswirtschaftsminister in den letzten Tagen in Frankfurt gesagt haben soll, die Verbraucher sollten sich weitere Preissteigerungen nicht gefallen lassen. Ich möchte gerne wissen, wie sich die Verbraucher nach seiner Vorstellung gegen die von der Bundesregierung beschlossene Milchpreiserhöhung wehren sollen, ob er damit vielleicht die Verbraucher dazu aufrufen will und warum er ihnen nicht, wenn er schon nicht verhindern kann, daß die Regierung, in der er ist, die Milchpreiserhöhung beschließt, wenigstens das Äquivalent der vollen Zuckersteuerstreichung zugute kommen läßt.
({3})
- Ich bin dagegen, daß man den Verbraucher nur immer belastet und daß man, wenn man ihn entlasten kann, das nicht tut. Hier wäre eine Gelegenheit, es wirklich zu tun.
Im übrigen freuen wir uns außerordentlich, daß die FDP den gleichen Änderungsantrag vorgelegt hat wie wir. Wir haben auch große Hoffnung, daß unsere Kollegen der BHE-Fraktion diesem Antrag zustimmen werden. Dann hätten wir wieder einmal die Situation, wie wir sie bei dem unglücklichen Kindergeldgesetz gehabt haben. Hier müßte die CDU/CSU allein die Verantwortung dafür übernehmen, daß der Verbraucher, obwohl es nicht notwendig ist, weiterhin einen höheren Zukkerpreis zahlt.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist etwas schwierig, jetzt schon wieder über die Zuckersteuer zu sprechen. Alle Fraktionen haben gerade erst vor zwei Wochen, in der Sitzung vom 8. März 1956, bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes ihren Standpunkt dargelegt. Ich darf mich daher vor allem auf die Ausführungen, die ich damals namens meiner Fraktion gemacht habe, beziehen.
Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat den Antrag auf volle Streichung der Zuckersteuer am 11. Oktober 1955 gestellt und ist der Meinung, daß die Streichung deshalb erfolgen muß, weil es sich hier um ein echtes Volksnahrungsmittel handelt, dessen steuerlicher Belastung die Hausfrau mit ihren Haushaltungsgeld nicht ausweichen kann. Es ist hier festzustellen - um es nur mit ganz kurzen Worten zu beleuchten -, daß die steuerliche Belastung die breitesten Schichten der Verbraucherschaft in voller Härte trifft, insbesondere naturgemäß die kinderreichen Familien. Es it wirklich etwas betrüblich, daß der Herr Bundesfamilienminister sich hier nicht als Bundesgenosse derjenigen erweist, die die Steuer ganz beseitigen wollen.
({0})
({1})
- Ich hatte mir ja erlaubt, ihn in der ersten Lesung etwas anzuzapfen, muß aber leider feststellen, daß er auch heute nicht auf den „Barrikaden" der Regierungsbank zu sehen ist, wie ich damals sagte.
({2})
Nun, meine Damen und Herren, ein kurzes Beispiel für die Härte, die sich aus dieser Steuer für eine kinderreiche Familie ergibt. Nach Angaben des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat die Bevölkerung des Bundesgebietes im Zuckerwirtschaftsjahr 1953/54 je Kopf rund 26 kg Zucker verbraucht. Das bedeutet eine Mehrbelastung von 62 Pf je Kopf und Monat. Nehmen Sie nun einmal eine kinderreiche Familie, sagen wir, Eltern mit fünf Kindern, also sieben Personen! Diese Familie trifft eine Steuerbelastung von 4,34 DM gegenüber der Belastung einer Einzelperson von 62 Pf. Die kinderreiche Familie ist also ganz erheblich, mit 3,72 DM im Monat, mehr belastet. Das ist eine ganze Menge für diejenigen, bei denen das Geld nicht so flüssig ist, und auf diese kommt es hier an. Kämen wir jetzt zu einer Senkung der Zuckersteuer auf nur 10 DM, dann würde sich für diese Familie immer noch eine Mehrbelastung von rund 1,50 DM im Monat ergeben. Das ist eine ganze Menge allein für dieses notwendige Volksnahrungsmittel. Hier bliebe also weiter eine Härte bestehen. Deshalb sind wir der Meinung, daß man einen Schritt weiter gehen und die Zuckersteuer ganz streichen sollte.
Der Ausfall bei einer Senkung der Zuckersteuer auf 10 DM wurde von dem Herrn Berichterstatter mit etwa 250 Millionen DM beziffert. Ich darf diese Angabe ergänzen: Wenn wir die Steuer ganz streichen, würde sich der Ausfall allerdings noch um gut 100 Millionen DM erhöhen. Das aber sollte uns die Sache wert sein.
Nur noch ein kurzes Wort zu dem besonderen Problem der Zuckerrübenfabriken. Frau Kollegin Strobel, Sie bezweifelten, daß es der Wille des Ausschusses sei, die in der Ausschußvorlage vorgesehene Differenz von 50 Pf den Zuckerrübenfabriken zugute kommen zu lassen. Sie haben da- mit insofern recht, als dieser Beschluß nicht in der letzten Ausschußsitzung, sondern in einer vorhergehenden Sitzung gefaßt worden ist, als wir uns gewissermaßen vorweg schon einmal mit dieser Frage befaßt haben. Da war es allerdings der Wille der weit überwiegenden Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses, so vorzugehen. Eine offizielle Abstimmung darüber hat allerdings nicht stattgefunden. Insofern haben Sie auch wieder recht.
Falls die Mehrheit des Hauses die Streichung ablehnt, sollten wir daher nicht auf 10,50 DM gemäß der Regierungsvorlage, sondern auf 10 DM zurückgehen, wie es der Ausschuß vorgeschlagen hat. Die rübenverarbeitenden Fabriken gerade in Norddeutschland sind so notleidend, daß hier irgendein Ausgleich geschaffen werden muß. Sie arbeiten mit festen Anfangs- und Endpreisen, die seit Jahren nicht mehr geändert worden sind. Andererseits sind aber die Kosten durch Lohnerhöhungen und Preisänderungen bei Kohle so gestiegen, daß die Rübenfabriken mit der ihnen vor Jahren einmal zugewiesenen Spanne nicht mehr auskommen. Ich darf also klarstellen, daß wir in diesem Fall dafür wären, daß die 50 Pf den Rübenfabriken zugute kommen.
In erster Linie bitte ich jedoch namens meiner Fraktion, unserem Antrag auf völlige Beseitigung der Zuckersteuer zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Elsner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter und die Herren Vorredner haben bereits eingehend zur Drucksache 2178 und zu den Änderungsanträgen Stellung genommen, so daß ich mich auf wenige Ausführungen beschränken kann.
Die Zuckersteuer stammt aus der Zeit vor über 100 Jahren, wo Zucker noch ein Luxusartikel war. Inzwischen ist ein grundlegender Wandel eingetreten. Heute ist Zucker weder ein Luxusartikel noch ein Genußmittel, sondern er zählt zu unseren wertvollsten Nahrungsgütern. Leider ist die Belastung des Verbrauchers durch die Zuckersteuer unangemessen hoch; sie ist weit höher als in anderen Ländern. Sie ist - einschließlich der Umsatzsteuer - so hoch, daß sie die industriellen Herstellungskosten noch um ein Drittel übersteigt.
Hierin liegt auch die Ursache, daß der Verbrauch in der Bundesrepublik mit rund 27 Kilo pro Kopf und Jahr weit unter dem Verbrauch unserer europäischen Nachbarländer liegt. Selbst Österreich liegt mit 28 Kilo höher im Verbrauch als wir. Es folgen die Tschechoslowakei mit 30 Kilo, Holland mit 37, Norwegen mit 39, die Schweiz mit 40, Schweden mit 43,2, England mit 43,3, Irland mit 45 und Dänemark mit 54 Kilo pro Kopf und Jahr. Diese Verbrauchsziffern beweisen eindeutig, wie steigerungsfähig der Zuckerkonsum ist und in welchem Ausmaße der steuerlich überhöhte Preis die Verbrauchsentwicklung hemmt. Die Zuckersteuer trifft, wie hier mehrfach ausgeführt, die kinderreichen Familien sowie die sozial schwachen Schichten am stärksten und wirkt sich darum im hohen Grade unsozial aus.
Ein restloser Abbau dieser Steuer würde den Verbrauch wesentlich heben und damit zu einer Erweiterung des Ausdehnungsspielraums für den inländischen Zuckerrübenanbau führen, aber auch den Einfuhrbedarf ,für Zucker erheblich steigern. Eine erhöhte Zuckereinfuhr aber wäre ein wichtiges außenhandelspolitisches Kompensationsobjekt in Verhandlungen mit den zuckererzeugenden Ländern.
Das von der Regierung vorgebrachte Argument, daß bei Wegfall der Zuckersteuer wahrscheinlich keine Konsumausweitung eintreten werde, weil im Verlauf einiger Jahre bei wechselnder Steuerhöhe der Zuckerverbrauch konstant geblieben sei, überzeugt nicht. Auch das Argument, das die Ursache für den konstant gebliebenen Zuckerverbrauch in anderen Ernährungsgewohnheiten oder Geschmacksrichtungen sucht, ist abwegig. Die wirkliche Ursache liegt unseres Erachtens ausschließlich in der Tatsache, daß die steuerliche Belastung des Zuckers bei uns die höchste in der Welt ist und auch nach der geplanten Senkung die höchste bleibt. Diese steuerliche Belastung hindert uns, den Konsumpreis des Zuckers an die Kaufkraft der Schichten heranzuführen, bei denen eine Verbrauchssteigerung möglich ist und bei denen sich die Zuckersteuer bisher am drückendsten ausgewirkt hat. Das sind die Bezieher der kleinen und kleinsten Einkommen, kurz, die sozial schwächsten Schichten unseres Volkes, ein Verbraucherkreis, der 18 bis 20 Milionen Menschen umfaßt. Hier lie({0})
gen noch große Verbrauchsreserven, die im Interesse einer besseren Volksernährung aktiviert werden sollten.
Der augenblickliche Verbrauch liegt bei 1,4 Millionen t jährlich. Davon werden 1,2 Millionen t im Inland erzeugt, während 200 000 t eingeführt werden müssen. Gelänge es, den Zuckerverbrauch nur um 10 kg pro Kopf und Jahr, d. h. von 27 auf 37 kg zu heben - eine solche Steigerung dürfte bei Wegfall der gesamten Zuckersteuer erreichbar sein -, so bedeutete dies einen Mehrverbrauch bzw. eine Mehreinfuhr von 500 000 t jährlich. Eine solche Mehreinfuhr ermöglichte dem Herrn Bundesfinanzminister eine zusätzliche Abschöpfung von rund 100 Millionen DM jährlich und ergäbe im weiteren eine Erhöhung des Umsatzsteueraufkommens um 40 Millionen DM jährlich; das sind insgesamt 140 Millionen DM. Damit würde der Wegfall der restlichen Zuckersteuer in Höhe von 150 Millionen DM fast ausgeglichen sein.
Darüber hinaus würde eine solche Maßnahme den preissteigernden Tendenzen entschieden entgegenwirken und einen echten Beitrag zu den Bestrebungen der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik liefern, deren Aufgabe es ist, unsere Wirtschaftskraft zu steigern und zu stärken, uns aber auch vor allen gefährlichen Tendenzen der Preisentwicklung zu schützen.
Die Notierungen an der Hamburger Zuckerterminbörse betragen für Zucker zur Zeit 43 DM je dz. Der Inlandspreis für Kleinverbraucher beträgt dagegen 132 DM je dz. Durch fixe Kosten, Groß- und Kleinhandelsspannen, Umsatzsteuer und Abschöpfungsbeträge und schließlich die Zuckersteuer entstehen zum Importpreis zusätzliche Belastungen in Höhe von 89 DM je dz; davon entfällt allein die reichliche Hälfte auf das Bundesfinanzministerium.
Meine Damen und Herren, da meine Fraktion die geplante Senkung der Zuckersteuer für unzureichend hält, wird sie den vorgelegten Änderungsanträgen ihre Zustimmung geben.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich genötigt, zu den Ausführungen der Kollegin Strobel einige Bemerkungen zu machen, weil sie hier Dinge behauptet hat, die nicht ganz zutreffend sind. Sie hat mitgeteilt, im Ernährungsausschuß hätte ich den Antrag gestellt, die Zuckersteuer auf 8 Mark zu ermäßigen, um sie der Zuckerindustrie für Rationalisierungsmaßnahmen zuzuführen. Diese Behauptung ist unrichtig. Denn ich habe mich während der Debatte darüber sehr energisch gegen den Herrn Ministerialdirektor Schillinger vom Finanzministerium gewandt, der auch mit dieser Behauptung kam, und habe erklärt, diese Erhöhung der Fabrikationsspannen sei notwendig, um der Industrie zu ermöglichen, im Herbst den amtlich festgesetzten Rübenpreis herauszuwirtschaften und zu zahlen. Laut Protokoll des Ausschusses auf Seite 2 habe ich beantragt: „die Senkung der Zuckersteuer . . . auf 8 DM vorzunehmen mit der Maßgabe, daß der Unterschiedsbetrag von 2,50 DM zugunsten der Verarbeitungsspanne der Zuckerindustrie verwendet und der festgesetzte Zuckerrübenpreis gewährleistet wird".
Über die Notwendigkeit der Erhöhung der Verarbeitungsspanne brauche ich hier nichts zu sagen. Denn seit drei Jahren ist die Verarbeitungsspanne
der Zuckerindustrie nicht geändert worden. Nach Feststellungen und Berechnungen des Ernährungsministeriums haben sich allein im letzten Jahr die Verarbeitungskosten pro Doppelzentner um 1,36 DM erhöht. Wenn man in der Marktwirtschaft beim Zucker die Preise für den Rohstoff als Mindestpreis amtlich festsetzt und wenn man den Preis für das Fertigprodukt festsetzt, dann hat die Regierung auch die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die arbeitende Industrie bei der Verarbeitung auf ihre Kosten kommt und nicht mit Unterbilanz arbeitet.
Meine Damen und Herren, ein zweites. Frau Strobel hat Klage darüber geführt, daß im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen auch ich gegen den Antrag auf Senkung auf 8 Mark gestimmt habe. Im Ernährungsausschuß haben die Vertreter der SPD für meinen Antrag auf Senkung auf 8 Mark gestimmt mit der Maßgabe, daß diese Gelder für die Industrie benutzt würden.
({0})
- Im Steuer- und Finanzausschuß, Herr Seuffert, haben Sie dargelegt, daß eine solche Zweckbindung unmöglich sei.
({1})
- Aber, Herr Seuffert, es ist bei der Senkung vor zwei Jahren, die vorgenommen wurde, um den Rübenpreis zu erhöhen, nicht unmöglich gewesen. Da steht es im Gesetz drin.
({2})
Aber wir haben uns nach Ihrer Auffassung gerichtet, und nachdem Ihre Fraktion im Ernährungsausschuß meinem Antrag zugestimmt hatte und jetzt den gegensätzlichen Antrag stellt, werden Sie verstehen, daß Sie mir nicht zumuten können, dem von Ihnen gestellten Antrag zuzustimmen.
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Frau Strobel lehnte dann mit einer Handbewegung den Zusammenhang zwischen der Dawes-Anleihe und der Zuckersteuer ab. Im Ernährungsausschuß hat Ihre Kollegin Frau Keilhack einen Antrag gestellt, der mit 9 :4 Stimmen angenommen worden ist, nach dem die Bundesregierung aufgefordert wird, sich um die Ablösung der Verpfändung der Zuckersteuer für die Dawes-Anleihe durch eine andere Sicherheit zu bemühen und bis zum 30. September 1956 über das Ergebnis Bericht zu erstatten. Da hat man also die Verbindung zwischen der Zuckersteuer und ihrer Verwendung für die Dawes-Anleihe sehr ernst genommen, und jetzt will man sie nicht wahrhaben. Meine Damen und Herren, eine Politik mit solch doppeltem Boden sind wir nicht bereit und nicht in der Lage mitzumachen.
({4})
Deshalb stimmen wir dem Antrag des Ausschusses zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur noch einige wenige Bemerkungen.
Es ist hier die Rede davon gewesen, daß die Zuckersteuer eine unsoziale Steuer sei. Ich darf vielleicht noch einmal auf den Bericht Drucksache zu 1947 verweisen, in dem ausgeführt worden ist, daß die Mehrheit des Ausschusses keineswegs der Auffassung gewesen sei, daß die Zuckersteuer aus
({0})
grundsätzlichen Erwägungen ganz abgeschafft werden sollte. Sie war vielmehr der Meinung, daß eine ihrer Höhe nach weniger fühlbar in Erscheinung tretende Zuckersteuerbelastung von Haushaltszucker in einem ausgewogenen System direkter und indirekter Besteuerung durchaus am Platze sei, zumal der Bundeshaushalt bei der derzeitigen Verteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern zur Deckung seines Bedarfs ganz überwiegend auf die Verbrauchsteuern einschließlich der Umsatzsteuer angewiesen sei. Dies gelte in erhöhtem Maße für Verarbeitungszucker, denn Süßwaren seien Genußmittel und steuerbelastungsfähig.
Und nun, meine Damen und Herren, wollen wir uns doch einmal vor Augen halten, wie es, wenn wir den Zuckersteuersatz auf 10 DM senken, bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 16,5 Kilogramm Haushaltszucker je Kopf der Bevölkerung beim Verbraucher aussieht. Herr Kollege Elsner, Sie gingen davon aus, daß wir vielleicht eine Steigerung um 10 Kilogramm erreichen könnten. Das scheint mir noch mehr zu sein als Optimismus. Denn wenn wir zur Zeit 16,5 Kilogramm haben, wird ja kaum damit zu rechnen sein, daß zwei Drittel zusätzlichen Verbrauchs durch eine Zuckersteuersenkung zu erreichen seien. Ich weiß von sehr vielen Verbrauchern, daß sie ihren Zuckerverbrauch aus gesundheitlichen Gründen einschränken, weil sie nicht dicker werden wollen - um das einmal zu erwähnen.
({1})
Die Belastung an Zuckersteuer nach der Herabsetzung des Steuersatzes auf 10 DM beträgt 13,75 Pfennig im Monat pro Kopf. Das entspricht etwa der in letzter Zeit in manchen Industriezweigen vereinbarten Erhöhung eines Stundenlohns. Diese Pfennigbelastung ist so gering, daß sie als allgemein tragbar angesehen werden kann. Von unsozialen Auswirkungen der Zuckersteuer bei der jetzt vorgeschlagenen Senkung des Satzes kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden.
Und dann, meine Damen und Herren, ist doch wirklich nicht einzusehen, daß feinste Süßwaren, Pralinen und ähnliche Waren nun auch noch von der Zuckersteuer befreit werden sollen. Sie sind doch in einem hohen Maße Genußmittel und durchaus belastungsfähig.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege, Sie haben davon gesprochen, daß Süßwaren Luxusartikel seien. Haben Sie dabei auch daran gedacht, daß nach dem Entwurf der Bundesregierung zu den Süßwaren auch Kunsthonig, Gelees, Marmeladen und sogar Mus gehören? Sind Sie der Meinung, daß auch das Luxuswaren sind?
Aber, Herr Kollege Arnholz, das hat doch damit gar nichts zu tun. Mit der Zusatzumsatzsteuer war beabsichtigt, abzuschöpfen, wenn die Zuckersteuersenkung nicht an den Verbraucher weitergegeben wird; und da sind die Artikel wie Kunsthonig mit aufgeführt. Was die Bundesregierung wollte, war ja gerade, daß die Senkung der Zuckersteuer sich voll im Preise für diese Artikel auswirkt. Das hat doch gar nichts damit zu tun. Außerdem habe ich von feinsten Süßwaren gesprochen und nicht von den gewöhnlichen Bonbons. Ich bitte, das sehr wohl zu unterscheiden.
Wir würden, wenn wir die Zuckersteuer ganz streichen, nicht nur, wie Herr Kollege Dr. Miessner ausführte, auf 100 Millionen DM im Haushalt, sondern zusätzlich zu den 250 Millionen DM Ausfall aus der vorgeschlagenen Senkung auf weitere 150 Millionen DM verzichten. Auch aus diesem Grunde bitte ich Sie, die Änderungsanträge abzulehnen.
Meine Damen und Herren! Nur wenige Worte. Zunächst, Herr Kollege Krammig, steht die Zusatzumsatzsteuer, wie Sie selber gesagt haben, überhaupt nicht mehr zur Debatte, da beide Ausschüsse einstimmig ihre Streichung beschlossen haben. Ich weiß also nicht, inwiefern der Kollege Krammig begründen will, daß wir durch die völlige Streichung der Zuckersteuer nun etwa den Genuß von besonders feinen Pralinen befürworten und verbilligen wollten:
({0})
Es handelt sich doch um die Streichung der Steuer zugunsten des Verbrauchszuckers und damit selbstverständlich auch für alle aus Zucker hergestellten Waren. Sie waren im Ausschuß mit uns der Meinung, daß es unmöglich ist, für die zuckerverarbeitende Industrie eine besondere zusätzliche Umsatzsteuer zu schaffen, und haben dem Antrag auf Streichung zugestimmt. Also das steht überhaupt nicht mehr zur Debatte.
Nun' zu den wenigen Ausführungen des Herrn ( Kollegen Müller. Herr Kollege Müller, ich war allerdings der Meinung, wenn man eine Senkung der Zuckersteuer zugunsten der Erhöhung der Fabrikationsspanne verlangt, dann könnte man damit auch die Hoffnung verbinden, daß die Erhöhung der Fabrikationsspanne zur Rationalisierung und somit zur Verbilligung der Herstellung benutzt wird. Denn ich habe den leisen Verdacht, daß man auf die Zuckersteuer heute nicht völlig verzichten will, weil man nach und nach in jedem Jahr mit einer Senkung um weitere 2 DM zugunsten der Fabrikationsspanne kommen möchte. Der Verbraucher wäre dabei der Ausgeschmierte.
({1})
- Sie lachen darüber. Bisher haben wir das leider, sooft die Zuckersteuer gesenkt worden ist, erfahren, und wir ziehen eben aus diesen Erfahrungen gewisse Konsequenzen.
({2})
Im übrigen war es für meine Kollegen im Ernährungsausschuß, die diesem Antrag zugestimmt haben - ich habe selber daran nicht mitgewirkt; ich konnte leider nicht mehr anwesend sein -, auch interessant, festzustellen, daß, während man sich vorher darauf berufen hatte, daß wegen der Dawesanleihe eine weitere Senkung nicht möglich sei, auf einmal, als die Senkung zugunsten der Zuckerfabriken erfolgen sollte, ein Einbruch in diese Anleihe vom Ausschuß mitgemacht worden ist.
({3})
- Herr Dr. Müller, ich habe ja nicht gesagt, daß
Sie das behauptet haben; ich habe gesagt: während
({4})
man vorher diese Auffassung vertreten hat. Darauf mußte ich unbedingt noch aufmerksam machen; denn diese Dinge haben uns bei den Abstimmungen im Ernährungs- und im Finanzausschuß geleitet.
({5})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Oder wünscht noch jemand das Wort? - Das scheint nicht der Fall zu sein.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Die Anträge auf Umdruck 550*) Ziffer 1 und Umdruck 560**) Ziffer 1 sind materiell gleich. Ich schlage Ihnen vor, wir stellen lediglich einen zur Abstimmung, und zwar den umfangreicheren Text. Dann ist bestimmt alles, was in dem weniger umfangreichen gemeint ist, mit enthalten. Wenn dieser eine Antrag abgelehnt wird, kann wohl auch der andere Antrag als abgelehnt gelten. Sind Sie einverstanden, Herr Miessner?
({0})
- Über beide zugleich kann ich nicht abstimmen lassen; ich kann nur nacheinander abstimmen lassen. Aber ich. kann Ihrem Antrag die Ehre antun, auch gesondert über ihn abstimmen zu lassen. Wir werden dann so verfahren.
Zunächst der Antrag Umdruck 550 Ziffer 1. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Meine Damen und Herren, es ist nicht auszumachen, wo die Mehrheit liegt.
({1})
- Ich nehme an, daß die Damen und Herren, die sich nicht für diesen Antrag ausgesprochen haben, dagegen sind.
({2})
Bei der Gewohnheit der Mitglieder dieses Hauses, sich klar zu entscheiden, nehme ich an, daß kaum jemand sich der Stimme enthalten würde. Aber ich kann wirklich auch feststellen, wer dagegen ist. Wer ist gegen diesen Antrag?
({3})
- Es wird gesagt: Ein ganzer Wald! Für so hölzern hätte ich eigentlich unser Haus nicht gehalten!
({4})
Das amtierende Präsidium kann sich nicht einigen, wo die Mehrheit liegt. Ich muß Sie bitten, zum Hammelsprung anzutreten.
({5})
Meine Damen und Herren, ich bitte, den Saal zu räumen. - Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Türen sind geschlossen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({6})
Die Auszählung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen. - Dies ist das Ergebnis der Abstimmung: an der Abstimmung haben sich beteiligt 340 Mitglieder des Hauses; mit Ja haben gestimmt 159, mit Nein 178, der Stimme enthalten
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 8.
haben sich 3 Mitglieder dieses Hauses. Damit ist der Antrag Umdruck 550 Ziffer 1 abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über den Antrag Umdruck 560 Ziffer 1 abstimmen, der materiell gleichlautend ist.
({7})
- Wollen Sie einen Antrag stellen?
Namens der Fraktion der FDP beantrage ich namentliche Abstimmung.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe zunächst zu fragen, ob 50 Mitglieder des Hauses diesen Antrag unterstützen. - Das ist der Fall. Dann werden wir über diesen Antrag namentlich abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren des Vorstandes, die Stimmzettel einzusammeln. - Meine Damen und Herren, ich bitte sich bei der Abstimmung zu beeilen, wir haben noch über sehr viele Anträge abzustimmen.
({0})
Hat ein Mitglied des Hauses, das sich an der Abstimmung beteiligen will, seine Karte noch nicht abgegeben? Alle Stimmkarten sind abgegeben.
({1})
- Ich bitte sich zu beeilen. - Dann schließe ich die Abstimmung.
Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen. Wir können leider über die nächsten Anträge erst abstimmen, nachdem das Resultat feststeht.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Das vorläufige Resultat*) der Abstimmung ist: An der Abstimmung haben teilgenommen 376 Mitglieder des Hauses. Mit Ja haben gestimmt 171, mit Nein 200, 5 haben sich enthalten. Von den 18 Berliner Abgeordneten haben 11 mit Ja und 7 mit Nein gestimmt. Damit ist der Antrag abgelehnt.
({2})
Mit der Ablehnung der Ziffer 1 fallen, wie mir die sachkundigen Herren Mitglieder des Hauses gesagt haben, die Ziffern 2 und 3 der Anträge automatisch weg. - Darüber sind sich alle Mitglieder des Hauses einig.
Nun lasse ich abstimmen über Art. 1, - Art. 2,
- Art. 3 und Art. 4 entfallen, Art. 5, - Art. 6, - Art. 7, - Einleitung und Überschrift. - Wer diese Bestimmungen annehmen will
({3})
- in der Ausschußfassung, natürlich, man stimmt nie anders ab als über die Ausschußfassung -, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 7068.
({4})
Wir kommen zur Abstimmung. Wer das Gesetz in der Ausschußfassung als Ganzes annehmen will, der möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Dritten Teiles der Reichsabgabenordnung ({5});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({6}) ({7}), Umdrucke 552 bis 559, 561, 562).
({8})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Lindrath. Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam, daß zu dieser Vorlage neun Änderungsanträge vorliegen.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Dr. Lindrath ({9}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat in seiner ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Dritten Teiles der Reichsabgabenordnung gemäß Drucksache 1593 in seiner 98. Sitzung am 14. Juli 1955 die Überweisung dieses Entwurfs an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen - federführend - und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht - mitberatend - beschlossen. Der mitberatende Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat den vorliegenden Entwurf in seinen Sitzungen vom 11. und 12. Januar 1956 unter Zugrundelegung der Beschlüsse des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen abschließend beraten. Er hat Änderungsvorschläge gemacht, auf die ich im einzelnen im folgenden Bericht hinweisen werde.
Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat den Entwurf in seiner 70. Sitzung am 15. September 1955 und in seiner 83. Sitzung am 1. Februar 1956 behandelt. Die Beschlüsse, die der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen unter Berücksichtigung der Änderungsvorschläge des Bundesrates im ersten Durchgang gefaßt hat, sind aus der Drucksache 1731 ersichtlich, die endgültigen Beschlüsse unter Berücksichtigung des Beratungsergebnisses des mitberatenden Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht aus der Drucksache 1731 ({10}).
Im allgemeinen ist zu diesem Gesetzentwurf folgendes zu berichten. Der im Bundesfinanzministerium gefertigte Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Dritten Teiles der Reichsabgabenordnung nebst Begründung ist nach der Verabschiedung durch das Bundeskabinett am 22. März 1955 dem Bundesrat gemäß Bundesratsdrucksache Nr. 89/55 zugeleitet worden. Der Finanzausschuß und der Rechtsausschuß des Bundesrates haben dem Plenum einige Änderungen vorgeschlagen. Durch Beschluß vom 6. Mai 1955 stimmte der Bundesrat dem Gesetzentwurf im ersten Durchgang zu und leitete ihn mit den bereits erwähnten Änderungsvorschlägen an die Bundesregierung zurück. Gemäß Drucksache 1593 hat die Bundesregierung den Entwurf mit Schreiben vom 11. Juli 1955 an den Herrn Präsidenten dieses
Hohen Hauses mit der Bitte übersandt, die Beschlösse des Deutschen Bundestages herbeizuführen.
Der Dritte Teil der Reichsabgabenordnung befaßt sich mit dem Steuerstrafrecht und dem Steuerstrafverfahrensrecht. Das Steuerstrafrecht hängt gemäß den §§ 391 und 420 der Reichsabgabenordnung eng mit dem allgemeinen Strafrecht zusammen. Es weist jedoch eine Reihe von Besonderheiten auf, die in dieser Rechtsmaterie und dem Zweck, dem sie dient, begründet sind. An der großen Strafrechtsreform wird zur Zeit intensiv gearbeitet. Mit ihrer Fertigstellung ist deshalb in vielleicht nicht allzu langer Zeit zu rechnen. Mit Rücksicht darauf erscheint es nicht tunlich, gegenwärtig den Entwurf eines umfangreichen Gesetzes zur Änderung des Steuerstrafrechts und des Steuerstrafverfahrensrechts vorzulegen.
Einige Änderungen des Steuerstrafrechts sind jedoch sehr dringlich. Es handelt sich um die Änderung der Strafandrohung für die Fälle der Steuerhinterziehung nach § 396 der Abgabenordnung, um eine Einschränkung des Straftatbestandes der fahrlässigen Steuerverkürzung nach § 402 der Abgabenordnung auf diejenigen Fälle, die leichtfertig begangen werden, und insbesondere auch um die Milderung der Vorschrift des § 404 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung, die für den Rückfall von Steuerhinterziehung, Bannbruch oder Steuerhehlerei in jedem Falle Gefängnis nicht unter drei Monaten neben einer Geldstrafe vorsieht. Weiter sind in Anpassung an die gewandelten staatsrechtlichen Verhältnisse nicht nur die Beseitigung des mißverständlichen Wortes „Steuerordnungswidrigkeit", sondern auch die Streichung des erheblich zu weit gefaßten Steuerstraftatbestandes des § 413 Abs. 1 Ziffer 1 der Abgabenordnung und eine Einschränkung und Präzisierung der Vorschriften des § 413 Abs. 1 Ziffer 2 der Abgabenordnung erforderlich. Außerdem hat sich auch die Einfügung einer neuen steuerstrafrechtlichen Vorschrift als notwendig erwiesen, die besonders schwerwiegende absichtliche Gefährdungen des Steueraufkommens, besonders im Wege der sogenannten „Ohne-Rechnung-Geschäfte", unter Strafdrohung stellt. Das bisherige Fehlen einer solchen Vorschrift hat sich auch gegenüber ausländischen Rechten als ein empfindlicher Mangel herausgestellt.
Auf dem Gebiete des Steuerstrafverfahrensrechts ist die Konzentration der gerichtlichen Steuerstrafsachen auf der Amtsgerichtsebene dringlich. Es erschien daher geboten, einen besonderen § 476 a in die Reichsabgabenordnung einzufügen. Dadurch wird das Steuerstrafrecht eine noch gleichmäßigere und damit auch gerechtere Anwendung finden.
Im einzelnen sieht der Gesetzentwurf folgende Änderungen vor. Erstens zur Frage der Steuerhinterziehung. Der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist in § 396 der Abgabenordnung geregelt. Dieser Tatbestand soll durch dieses Änderungsgesetz nicht verändert werden. Jedoch erscheint hinsichtlich der Strafandrohung eine Erleichterung angebracht. In der jetzt geltenden Fassung des § 396 ist zwingend vorgeschrieben, daß die Steuerhinterziehung grundsätzlich mit einer Gefängnisstrafe zu ahnden ist. Neben der Gefängnisstrafe ist auf eine Geldstrafe, deren Höchstbetrag unbeschränkt ist, zu erkennen. Nur bei mildernden Umständen, insbesondere bei geringen Vergehen, kann ausschließlich auf Geldstrafe erkannt werden.
({11})
Diese Verschärfung ist in die Reichsabgabenordnung durch das Zweite Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. April 1949 für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet eingeführt worden. Der Gesetzgeber glaubte damals, nach der Währungsumstellung, offenbar, die Rückkehr zu normalen Verhältnissen mit der Androhung verschärfter Strafen erzwingen zu können. In der Praxis hat sich aber gezeigt, daß von der Sondervorschrift über mildernde Umstände sehr häufig hat Gebrauch gemacht werden müssen. Die Neufassung des § 396 soll daher die Rechtsprechung von dieser Fiktion der mildernden Umstände befreien. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat eine allgemeine Besserung der Steuermoral durchaus anerkannt und daher der Regierungsvorlage grundsätzlich zugestimmt. Die neue Strafandrohung nähert sich dem Zustand, der vor der Währungsumstellung bestand. Steuerhinterziehung wird jetzt grundsätzlich mit Geldstrafe oder mit Gefängnis und mit Geldstrafe geahndet.
Der Ausschuß hat auch die Frage geprüft, ob es empfehlenswert ist, eine Höchstfreiheitsstrafe in das Gesetz aufzunehmen, wie das früher der Fall gewesen ist. Er ist jedoch zu der Überzeugung gekommen, daß dies nicht zweckmäßig sei. Wohl aber ist der Ausschuß der redaktionellen Anregung des Bundesrates gefolgt, vor dem zweitletzten Wort des ersten Satzes das Wort „mit" einzufügen und zu schreiben: „. . . oder mit Gefängnis und mit Geldstrafe . . .".
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hatte eine andere Formulierung insofern vorgeschlagen, als er die Steuerhinterziehung in der Regel mit einer der Höhe nach unbeschränkten Geldstrafe geahndet wissen wollte. Auf Gefängnis
bis zu zwei Jahren und in besonders schweren Fällen bis zu fünf Jahren sollte nur neben einer Geldstrafe erkannt werden können. Während der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen die Wahl zwischen einer Geldstrafe oder aber einer Gefängnis- und Geldstrafe dem Gericht als gewissermaßen gleichwertig überlassen will und in der Höhe der Gefängnisstrafe dem richterlichen Ermessen freien Spielraum läßt, will der mitberatende Ausschuß die vorrangige Bedeutung der Geldstrafe stärker herausstellen. Der federführende Ausschuß hat sich mit Mehrheit gegen diesen Vorschlag des Rechtsausschusses ausgesprochen und empfiehlt die Fassung zu Art. I Ziffer 1 gemäß der Drucksache 1731 ({12}).
Zweitens. Zur sogenannten Steuergefährdung ist folgendes zu sagen. Das Steuerstrafrechtsdelikt der Steuergefährdung ist in § 402 der Abgabenordnung geregelt. Mit der Neufassung dieser Bestimmung verfolgt der Gesetzentwurf lediglich eine Korrektur der bisherigen Terminologie insofern, als der Ausdruck „Steuergefährdung", der auf die in § 402 der Abgabenordnung behandelten Steuervergehen tatsächlich nicht zutrifft, durch den Begriff der fahrlässigen Steuerverkürzung ersetzt werden soll. Da aber nicht jede solche Steuerverkürzung unter Strafandrohung gestellt werden soll, wird vorgeschlagen, hier nur für leichtfertige Steuerverkürzungen eine Strafe vorzusehen. Die Ausschüsse haben diesem Vorschlag ihre Zustimmung gegeben. Der Bundesrat schlägt zu diesem Paragraphen weiterhin vor, die Terminologie des bisherigen Abs. 2 der der Neufassung des Abs. 1 anzupassen.
Bei der Erörterung dieser Frage ist auch geprüft worden, ob man den Abs. 2, der praktisch ziemlich bedeutungslos ist, streichen soll. Die Ausschüsse haben sich einer solchen Anregung nicht anschließen können. Statt dessen sind sie dem Bundesrat gefolgt und haben dem Abs. 2 die vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung gegeben.
Drittens zur Frage der Bestrafung des Rückfalls. Die Bestrafung des Rückfalls bei Steuerhinterziehung, Bannbruch oder Steuerhehlerei ist in § 404 der Abgabenordnung geregelt. Diese Bestimmungen waren durch das Zweite Steuerneuordnungsgesetz vom 20. April 1949 und durch, die entsprechenden Gesetze in den Ländern Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern verschärft worden. Wenn der Regierungsentwurf jetzt versucht, die durch diese Neuregelungen in den einzelnen deutschen Bundesländern eingetretene Rechtszersplitterung wieder zu beseitigen, dann ist dies zu begrüßen. Der federführende Ausschuß stimmt der Neufassung, die im Strafmaß eine Milderung gegenüber der Fassung von 1949 darstellt, zu. Die Anregung des mitberatenden Ausschusses, erst den zweiten Rückfall für strafbar zu erklären, greift der federführende Ausschuß insbesondere mit Rücksicht auf die kurze Zeit, innerhalb derer der Rückfall eingetreten sein muß, nicht auf. Während nach dem bisherigen Recht auch für geringfügige Zollhinterziehungen im Rückfall - man denke beispielsweise an den Schwarzhandel mit ausländischen Zigaretten - eine Gefängnisstrafe in Höhe von mindestens drei Monaten verhängt werden mußte, gibt die jetzige Fassung dem Strafrichter auch die Möglichkeit, in leichten Fällen auf Gefängnisstrafe unter drei Monaten und Geldstrafe oder nur auf Geldstrafe zu erkennen. Der Vorschlag des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht sah weiterhin eine Verschlechterung in bezug auf die Verjährungsfrist im Abs. 2 des § 404 dadurch vor, daß bis zur Begehung der neuen Tat fünf Jahre - anstatt jetzt drei Jahre - verstrichen sein müssen, wenn der Tatbestand des Rückfalls nicht gegeben sein soll. Der federführende Ausschuß hat diese Vorschläge des mitberatenden Ausschusses einstimmig abgelehnt.
Viertens zur Frage der Strafbarkeit der Ausstellung falscher Belege sowie der Falschbuchungen von Geschäftsvorfällen: Zu dieser Frage enthält der Entwurf den Vorschlag, nach § 405 der Abgabenordnung einen neuen § 406 einzufügen. Der § 406 soll mit einigen bisher im § 413 Abs. 1 Ziffer 1 erfaßten Tatbeständen ausgefüllt werden. Jedoch sollen diese Tatbestände um eine Strafandrohung für sogenannte „Ohne-Rechnung-Geschäfte" und für die Ausstellung unrichtiger Belege erweitert werden.
Beide Ausschüsse haben dem Abs. 1 des neuen § 406 in der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Fassung zugestimmt. Derartige Delikte, also vornehmlich das Nicht- oder Falschbuchen von Geschäftsvorfällen oder die Ausstellung unrichtiger Belege werden mit einer Geldstrafe bis zu 100 000 DM oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und einer Geldstrafe bis 100 000 DM bedroht. Durch die Bestimmungen des Abs. 2 dieses Paragraphen soll in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die tätige Reue einem Täter die Möglichkeit gegeben werden, Straflosigkeit zu erlangen.
Der federführende Ausschuß war bei der Prüfung des Regierungsentwurfs zunächst zu der Auffassung gekommen, daß dem Änderungsvorschlag des Bundesrats zu Abs. 2 des § 406 der Abgabenordnung der Vorzug zu geben sei. Der mitberatende Ausschuß hat jedoch für den ersten Satz des Abs. 2 des § 406 eine andere Fassung vorgeschlagen, der sich der federführende Ausschuß angeschlossen hat. Nach der neuen Fassung tritt nicht
({13})
nur für den Täter, sondern auch für den Teilnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Straflosigkeit ein. Außerdem sind in dem jetzt empfohlenen Wortlaut die Straflosigkeitsvoraussetzungen generalisiert. Beide Ausschüsse empfehlen die Annahme in der Fassung der Drucksache 1731 ({14}).
Fünftens, zur Frage der Steuerordnungswidrigkeiten: Die sogenannten Steuerordnungswidrigkeiten sind in § 413 der Abgabenordnung geregelt. Die im jetzt geltenden § 413 normierten Straftatbestände sind zu ungenau substantiiert. Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ist es nicht vereinbar, zu bestimmen, daß strafbar ist, wer einer im Besteuerungsverfahren ergangenen Verfügung, die einen Hinweis auf die Strafbarkeit enthält, vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt. Auch umfassen die jetzt geltenden Normen Tatbestände, bei denen andere Mittel ausreichen würden, um den gebotenen Zweck zu erreichen. Es sei in diesem Zusammenhang auf die §§ 168, 202, 325 ff. der Abgabenordnung hingewiesen. Es schien daher auch dem Ausschuß grundsätzlich zweckmäßig, den § 413 neu zu fassen.
Bei dieser Neufassung verdient besonders die Bestimmung über die Bestrafung der Nichtabführung von Lohnsteuerbeträgen Beachtung. Die Formulierung im Abs. 1 Ziffer 1 a des Regierungsentwurfs konnte den Ausschuß jedoch nicht befriedigen. Der Ausschuß lehnte daher die im Regierungsentwurf an dieser Stelle vorgesehene Fassung ab und dehnte den zunächst nur für die Lohnsteuer vorgesehenen Tatbestand auf alle Steuerabzugsbeträge, also neben der Lohnsteuer z. B. auch auf die Kapitalertragsteuer und die Aufsichtsratsteuer, aus. Außerdem wollte er durch diese Neufassung verhindern, daß eine Verschärfung der Bestimmungen über die Abführung der Lohnsteuer eintritt, da ihm eine Bestrafung nur bei ernstlicher Gefährdung des Steueranspruchs berechtigt erschien.
Aus diesem Grunde schlägt der Ausschuß die Annahme des § 413 Abs. 1 Ziffer 1 a in der von ihm beschlossenen Fassung vor. Der mitberatende Ausschuß hatte hierzu folgende Fassung empfohlen: „einzubehaltende Steuerabzugsbeträge nicht an das Finanzamt abführt". Der federführende Ausschuß hat diesen Vorschlag als zu unklar gefaßt abgelehnt.
In Ziffer 1 b schlägt er lediglich eine redaktionelle Änderung vor; das Wort „dort" soll durch die Worte „in diesen Vorschriften" ersetzt werden. Der mitberatende Ausschuß hat keine Änderungswünsche geäußert.
Weiter macht der Ausschuß dem Hohen Hause den Vorschlag, die Gesetzesnorm zu Buchstabe d des Abs. 1 Ziffer 1 anders zu fassen. Der Zusammenhang zwischen Devisenvergehen und Steuervergehen läßt es als erwünscht erscheinen, daß Verstöße gegen ein Gesetz, das die Einfuhr, die Ausfuhr oder die Durchfuhr von Waren verbietet, nicht nur dann als ordnungswidrig bestraft werden können, wenn sie, ohne den Tatbestand eines andern Steuervergehens zu erfüllen, vorsätzlich oder fahrlässig begangen sind, sondern auch, wenn sie, wie es richtiger ist, ohne den Tatbestand einer anderen strafbaren Handlung zu erfüllen, vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sind. Der mitberatende Ausschuß schlägt eine klarere Formulierung vor, der sich der federführende Ausschuß angeschlossen hat. Sie ist in Drucksache 1731 ({15}) enthalten. Deshalb schlagen Ihnen beide Ausschüsse vor, in einer besonderen Ziffer 1 a des Abs. 1 zu § 413 der Abgabenordnung diese Regelung zu normieren. In der endgültigen Fassung dieses Paragraphen müßte die Ziffer 1 a Ziffer 2 und die jetzige Ziffer 2 des Abs. 1 Ziffer 3 werden.
Und schließlich sechstens zur Frage der gerichtlichen Zuständigkeit in Steuerstrafsachen: Zu dieser Frage empfiehlt der Regierungsentwurf auf der Ebene des Amtsgerichts eine Konzentration der gerichtlichen Behandlung von Steuerdelikten. Steuerstrafsachen sollen künftig beim Amtsgericht am Sitze des Landgerichts behandelt werden. Der Ausschuß begrüßt diese Neuregelung und stimmt der Regierungsvorlage zu. Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gegebenenfalls abweichend regeln. Beim Landgericht sollen Steuerstrafsachen einer bestimmten Strafkammer zugewiesen werden.
Der mitberatende Ausschuß hat die Streichung des zweiten Satzes im Abs. 2 des § 476 a der Abgabenordnung empfohlen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat dem zugestimmt.
Es wird empfohlen, diese Vorschrift in der jetzigen Fassung der Beschlüsse der beiden Ausschüsse anzunehmen.
Art. II des Gesetzentwurfs ist vom Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen dem Grundsatz nach angenommen worden. Der mitberatende Ausschuß hat zu Art. II keine Anregungen gegeben. Durch eine redaktionelle Neufassung der beiden §§ 1 und 2 des Art. II glaubt jedoch der Ausschuß dem Hohen Hause dieses Gesetz in besserer Form vorschlagen zu sollen.
Zu Art. III, Berlin-Klausel, hat der Bundesrat den Vorschlag gemacht, in den Regierungsentwurf noch die Worte „und des § 13 Abs. 1" aufzunehmen. Da im Art. II des Entwurfs nicht nur auf Bundesabgabenrecht, sondern auch auf sonstiges Bundesrecht Bezug genommen wurde, hat sich der Ausschuß dem Vorschlag des Bundesrats angeschlossen. Irgendwelche Änderungswünsche hat der mitberatende Rechts- und Verfassungsausschuß nicht geäußert.
Zu Art. IV hat der mitberatende Ausschuß vorgeschlagen, aus technischen Gründen die neuen Bestimmungen über die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit gemäß § 476 a der Abgabenordnung erst am 1. Juli 1956 in Kraft treten zu lassen. Der federführende Ausschuß hat sich diesem Entschluß angeschlossen. Beide Ausschüsse empfehlen daher die Annahme in der Fassung der Drucksache 1731 ({16}).
Namens des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen habe ich nach Erstattung dieses mündlichen Berichts die Pflicht und die Ehre, dem Hohen Hause folgenden Antrag des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen vorzutragen: Das Hohe Haus wolle beschließen, den Gesetzentwurf zur Änderung von Vorschriften des Dritten Teiles der Reichsabgabenordnung gemäß Drucksache 1593 in der Fassung der Beschlüsse des 19. Ausschusses, wie sie aus der Drucksache 1731 ({17}) ersichtlich sind, anzunehmen.
({18})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Lesung ein. Ich möchte nicht versäumen, das Haus darauf hinzuweisen, daß die Geschäftsordnung nicht vorschreibt, daß zu jedem Antrag sämtliche Fraktionen sprechen müssen.
({0})
({1})
Es sind, wie gesagt, neun Änderungsanträge und ein Entschließungsantrag vorgelegt. Von diesen Änderungsanträgen decken sich einige gegenseitig, so daß mit Erledigung des einen auch der andere erledigt ist. Ich werde bei Gelegenheit das Haus darauf aufmerksam machen.
Zunächst Art. I Ziffer 1. Hierzu liegen zwei Anträge vor, Umdruck 552 und Umdruck 559 Ziffer 1. Der Antrag Umdruck 552*) ist der weitergehende, weil er den Ausschußvorschlag nicht nur hinsichtlich der Gefängnis-, sondern auch hinsichtlich der Geldstrafen einengen will. Wird der Antrag begründet? - Bitte sehr! - Sie kommen mit einer ganzen Bibliothek bewaffnet.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Reichsabgabenordnung von 1919 bestrafte die einfache Steuerzuwiderhandlung -haben Sie keine Angst; Sie erhalten keine historischen Ausführungen - in der Form, die dem Antrag entspricht, den ich heute zusammen mit meinen Genossen dem Hohen Hause als Änderungsantrag vorlege.
Die Änderung vom 20. April 1949 enthielt eine wesentliche Verschärfung dieser Bestimmungen. Die Verschärfung lag darin, daß die Regelstrafe Gefängnis wurde. Das Finanzministerium hat, offensichtlich unter dem Druck der öffentlichen Meinung und unter dem Mißbehagen, das diese verschärften Bestimmungen hervorgerufen haben, in seinem Entwurf eine Milderung vorgenommen, die uns aber nicht weit genug geht. Wir haben uns daher entschlossen, das Haus zu bitten, wieder zu der Regelung zurückzugehen, die wir bis 1949 gehabt haben. Wir haben das in der Erwägung getan, daß wir, wenn ein Strafgesetz in der Zeit von 1919 bis 1933 und, was ich betonen möchte, auch in der Zeit von 1933 bis 1945 ausgereicht hat, wo man im Umgang mit Steuerzuwiderhandelnden wirklich nicht sehr zaghaft war, diese Fassung auch jetzt wieder nehmen sollten. Ich sehe augenblicklich auch keinen Grund, warum man das nicht tun sollte. Denn irgendeine Bedrohung unseres Steuerrechts, unseres ganzen Steuersystems durch eine zunehmende Kette von Steuerzuwiderhandlungen, die allein derartige drakonische Strafen, wie sie 1949 vorgesehen waren und wie sie jetzt nur in unzulänglicher Weise gemildert worden sind, rechtfertigen würde, liegt nicht vor.
Ich habe am 10. November 1955 in der Fragestunde von dem Herrn Finanzminister eine Statistik über die Steuerzuwiderhandlungen erbeten. Ich habe einerseits mit Erstaunen, andererseits auch mit Freude vernehmen müssen, daß eine solche Statistik überhaupt nicht geführt wird. Ich schließe aus der Tatsache, daß sie nicht geführt wird, daß eine ernste Bedrohung der Öffentlichkeit durch eine Menge von Steuerzuwiderhandlungen, durch eine schlechte Steuermoral nicht gegeben ist. Ich sehe aus diesem Grunde nicht ein, warum man nicht die bewährten Vorschriften, die von 1919 bis 1949, also eine lange Zeit, dreißig Jahre lang, gegolten haben, wieder aufnehmen sollte.
Der Unterschied zwischen unserem Vorschlag und dem der Regierung ist folgender. Nach dem Vorschlag der Regierung soll der Richter die Wahl haben zwischen Geldstrafe und Gefängnis. Wir sagen dem Richter: Regelstrafe ist Geldstrafe, du
*) Siehe Anlage 9. kannst zwar, wenn es dir eine besonders ernste Sache zu sein scheint, Gefängnis bis zu zwei Jahren verhängen und in ganz besonders schweren Fällen - das ist eine Konzession, die wir gegenüber der Regelung von 1919 machen - sogar Gefängnis bis zu fünf Jahren. Wir sind der Meinung, daß das eine völlig ausreichende Bestrafung ist. Wir sind der Meinung, daß man, wenn man ein demokratisches Strafrecht schafft, daran denken sollte, so wenig zu bestrafen, wie irgend möglich, und nur so viel, wie sich nicht vermeiden läßt.
Deswegen bitte ich das Hohe Haus, diesem Antrage zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Lindrath.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge, die in den verschiedenen Umdrucken vorliegen, sollen dazu dienen, noch einige andere Änderungen oder weitere Erleichterungen, wie man annimmt, in das Steuerstrafrecht hineinzubringen. Ich habe bereits als Berichterstatter ausgeführt, daß es sich bei diesem Gesetz um Stückwerk handelt. Nur bruchstückweise sollten die dringlichsten Dinge geändert werden, weil ja eine größere Strafrechtsreform vor der Tür steht.
({0})
Wenn wir heute all die Anträge, die hier vorliegen, im einzelnen annähmen, würde aus dem Stückwerk noch nicht ein Ganzes werden.
Ich stelle daher namens meiner Fraktion den Antrag - obwohl manches in den Anträgen ist, was wir billigen -, die Anträge Umdrucke 552, 553, 554, 555, 556, 557, 558, 559*) insgesamt abzulehnen und in der dritten Lesung dem Entschließungsantrag der FDP Umdruck 562**) zuzustimmen. Diese Entschließung beauftragt die Bundesregierung, eine zusammenhängende Arbeit vorzulegen. Ich beantrage, die abgelehnten Umdrucke der Bundesregierung als Material für die Erledigung der Entschließung mit vorzulegen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Antrag, den Herr Kollege Lindrath soeben eingebracht hat, will ich namens meiner Fraktion gern zustimmen. Erlauben Sie mir nur, da ich nicht weiß, ob doch Einzelabstimmungen notwendig sein werden, einige kurze grundsätzliche Bemerkungen zu dem Änderungsantrag Umdruck 552; und dazu gehört der Antrag Umdruck 559 Ziffer 1 und gehören auch andere Anträge in derselben Richtung.
Die Grundtendenz des Änderungsgesetzes, das wir heute beraten, ist eine Milderung des Steuerstrafrechts, eine Milderung in den Strafrahmen und zum Teil auch in den Straftatbeständen. Es ist richtig, daß wir 1949 relativ scharfe Strafen für Steuervergehen eingeführt haben. Rückschauend wird man, glaube ich, nicht leugnen können, daß das notwendig war. Aber man wird heute sagen können, daß sich einiges verbessert hat. Deswegen stimmen auch wir der Grundtendenz der Milde-
*) Siehe Anlagen 9 bis 16. **) Siehe Anlage 18.
({0})
rung zu, insbesondere wenn dabei einige in der Praxis störende Ecken abgerundet werden.
Man darf jedoch in der Milderung nicht zu weit gehen. Der Grundsatz, von dem wir uns bei der Beurteilung von Steuervergehen haben leiten lassen - und ich glaube, auch die Mehrheit des Steuerausschusses oder fast der ganze Ausschuß -, ist, daß man hier von den entsprechenden Straftatbeständen beim Betrug auszugehen hat. Steuerhinterziehung ist Betrug,
({1})
nicht etwa Betrug zu Lasten des Fiskus, sondern in erster Linie und materiell Betrug zu Lasten des steuerwilligen Steuerpflichtigen.
({2})
Dieser hat ja die Steuer zu ersetzen, und es gibt mehr als einen Fall, es gibt viele Fälle, in denen der Steuerehrliche durch die Konkurrenz des Steuerhinterziehers ruiniert worden ist. Steuerhinterziehung ist Betrug zu Lasten des Konkurrenten und des ehrlichen Steuerpflichtigen, eines jeden, der irgendeine Steuer zu zahlen hat, insbesondere des Lohnsteuerpflichtigen.
Betrug wird nach unserem Recht auf Grund des § 263 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich mit Gefängnis bestraft, d. h. mit Gefängnis bis zu fünf Jahren. Nur bei mildernden Umständen kann auf Geldstrafe erkannt werden. In besonders schweren Fällen gibt es Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Daneben ist grundsätzlich Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte vorgesehen. Dem entsprach die Bestrafung, die wir bisher für die gewöhnliche, gemeine Steuerhinterziehung hatten, nur daß keine Zuchthausdrohung im Gesetz enthalten und daß auch der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte nicht vorgesehen war.
Wenn wir nunmehr in allen Fällen der Steuerhinterziehung Geldstrafe und Gefängnis zur Wahl stellen, so ist das schon eine wesentliche Milderung gegenüber der Bestrafung des gemeinen Betruges. Wenn man aber darüber hinausgehen will, wenn man statt Gefängnis bis zu fünf Jahren normalerweise nur Gefängnis bis zu zwei Jahren vorsehen will, wenn man für den schweren Fall der Steuerhinterziehung nur fünf Jahre Gefängnis statt wie für den schweren Fall des Betrugs zehn Jahre Zuchthaus vorsehen will, dann ist das eine Unterbewertung der Steuerhinterziehung, die zu Lasten des ehrlichen Steuerpflichtigen begangen wird. Das kann man nicht mitmachen. Das ist keine Frage der strafrechtlichen Zweckmäßigkeit mehr, sondern eine grundsätzliche Frage der Einschätzung dieses Vergehens, das sich gegen den wirtschaftlichen Nächsten und gegen die Allgemeinheit richtet.
Ich darf, weil es hiermit zusammenhängt, gleich zu dem Änderungsantrag Umdruck 554, der sich mit der Steuerhinterziehung im Rückfall beschäftigt, folgendes sagen. Es ist richtig, daß wir beim Betrug nur den zweimaligen Rückfall schärfer bestrafen, während hier der einmalige Rückfall schärfer bestraft werden soll. Aber bei Betrug wird der zweimalige Rückfall innerhalb von zehn Jahren verschärft bestraft, während hier die Frist, innerhalb deren die Rückfallverschärfung eintritt, nur drei Jahre beträgt. Ich glaube, es ist überhaupt nicht sachgemäß, vorzusehen, daß erst der zweimalige Rückfall innerhalb von drei Jahren verschärft bestraft werden soll. Ich muß schon sagen: wenn sich jemand innerhalb von drei Jahren dreimal eines vorsätzlichen Steuervergehens schuldig macht - und sich dabei erwischen läßt -, ist das schon ein hartgesottener Sünder.
({3})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Halten Sie es für richtig, Herr Kollege Seuffert, daß ein Seemann, der einmal eine Flasche Rum geschmuggelt hat und schließlich das nächste Mal 10 Zigaretten, dafür drei Monate eingesperrt wird?
Herr Kollege, das ist nicht vorgesehen.
({0})
Nach der Ausschußfassung kann in allen leichten Fällen auch bei Steuerhinterziehung im Rückfall nur auf Geldstrafe erkannt werden. Ich bitte Sie, die Ausschußfassung nachzulesen, Herr Kollege. Der Rückfall bei Betrug wird mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren und mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis bestraft. Der Rückfall bei Steuerhinterziehung soll hier allenfalls auch mit Gefängnis, unter Umständen ausschließlich mit Geldstrafe geahndet werden. Für die leichten Fälle ist das auch in der Ausschußfassung vorgesehen. Aber die Höchststrafen sind hier, glaube ich, in der Bewertung einfach zu tief gegriffen.
Ich bitte Sie deswegen mit dem Kollegen Lindrath, diese und alle anderen einschlägigen Anträge abzulehnen.
({1})
Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Herr Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, daß der Herr Abgeordnete Seuffert die Rechtssituation nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums in das rechte Licht gerückt hat. Wir hatten bisher aus der Zeit von vor fünf oder sechs Jahren sehr scharfe Strafrahmen. Der Entwurf, den Ihnen die Bundesregierung vorgelegt hat, versucht, einen mittleren Weg zu gehen, von der obligatorischen Gefängnisstrafe abzusehen und generell neben Gefängnisstrafe immer Geldstrafe vorzusehen. Der Herr Abgeordnete Lotze und die Mitunterzeichner seines Antrags wollen aber, wenn ich das so kurz zusammenfassen darf, in erster Linie nur Geldstrafe vorsehen. Ich möchte in allen Punkten dem beitreten, was der Herr Abgeordnete Seuffert gesagt hat: Diese Steuervergehen sind Betrug, und die Vorschriften der Abgabenordnung sind schon Erleichterungen gegenüber dem allgemeinen Strafrecht. Es handelt sich hier um Vergehen, die nicht nur gegenüber dem wenig beliebten Fiskus begangen werden; es handelt sich um einen Betrug auch gegenüber der ganz großen Überzahl der Steuerpflichtigen, die ihre Steuern nach bestem Wissen und Gewissen ordnungsgemäß entrichten, und es ist zugleich eine Übervorteilung des Staates, der in gewissem Umfang außerstande gesetzt wird, seinen gesetzlichen Verpflichtungen, wie sie das
({0})
Parlament in den Haushaltsplänen beschlossen hat, nachzukommen. Ich möchte daher dringend bitten, die Anträge, die der Herr Abgeordnete Lotze gestellt hat, nicht weiter zu verfolgen. Wir sind uns bewußt, daß Ihnen in gewissem Maße noch nicht ein systematisch völlig neues Werk vorgelegt werden konnte. Wir wollten aber die Milderung der Bestimmungen, wie sie die Bundesregierung glaubt verantworten zu können, nicht länger zurückstellen. Daher diese Vorlage. Ich könnte mir aber denken - wenn ich damit auch der Erörterung in dritter Lesung vorgreife -, daß das Hohe Haus, wie es der Herr Abgeordnete Lindrath eben angeregt hat, dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 562 zustimmt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den dort näher bezeichneten Erfordernissen genügt, und daß dabei die Anträge des Herrn Abgeordneten Lotze von uns als Material mitverwendet werden. Dagegen sollten in diesem Augenblick weitere einschneidende Milderungen der Strafdrohungen, wie sie in den Anträgen des Herrn Abgeordneten Lotze vorgesehen sind, unterbleiben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß unser Entschließungsantrag*) sowohl bei der Regierung wie bei der Fraktion der CDU/CSU auf Zustimmung stößt. Aber das sollte kein Grund sein, die Änderungsanträge, die nun vorligen, abzulehnen; so war unser Antrag nicht gemeint. Denn dieser Entschließungsantrag ging von folgendem aus. Im Rechtsausschuß war ein Teil der Mitglieder der Ansicht, man sollte bei dieser Gelegenheit eine, sagen wir einmal, größere Steuerstrafrechtsreform machen, z. B. das Unterwerfungsverfahren unter die Lupe nehmen, inwieweit es mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Mehrheit des Rechtsausschusses lehnte aber diese Ansicht ab, und hieraus ist der Entschließungsentwurf geboren. Wenn wir hören, daß man bis zur großen Strafrechtsreform warten will, so wird vollends klar, daß die Anträge, die hier vorgelegt worden sind, doch dringlich sind. Denn die Strafrechtsreform ist ja ein Werk, das bereits seit Jahrzehnten in Arbeit ist, von dem man nicht absehen kann, wann es fertig wird.
Nun noch ein Wort zu dem Antrag zu § 396**). Unser Antrag, der Antrag der FDP, unterscheidet sich ja kaum von dem des Herrn Kollegen Lotze. Es ist aber trotzdem zweckmäßig, daß er aufrechterhalten wird, allerdings nicht, um nachher namentliche Abstimmung zu beantragen,
({0})
sondern aus einem sachlichen Grund. Wir haben uns nämlich bei unseren Anträgen grundsätzlich an den Text der früheren Reichsabgabenordnung gehalten, wie sie von 1931 bis 1949, also auch während des „Dritten Reiches", bestand. Wir glauben, daß die Strafbestimmungen, die in dieser Zeit gegolten haben, hinreichend hohe Strafen vorsehen. Grundsätzlich stimme ich dem Kollegen Seuffert darin zu, daß Steuerhinterziehung eine Unterart des Betruges ist. Aber damit ist ja nicht
*) Siehe Anlage 18. **) Siehe Anlage 16.
gesagt, daß sie nicht im Strafmaß wesentlich unter dem Betrug liegen sollte. Wir haben also die alte Fassung gewählt, die sich von der Fassung Lotze durch den Satz unterscheidet: Der Höchstbetrag der Geldstrafe ist unbeschränkt. Wir gehen also über die Grenzen des allgemeinen Strafrechts hinaus. Ich kann mir denken, daß einigen Mitgliedern des Hauses, die dem Antrag Lotze nicht zustimmen wollen, nun doch die Möglichkeit eröffnet ist, einer stärkeren Bestrafung von Steuersündern, vor allem von kapitalkräftigen Steuersündern, zuzustimmen.
({1})
-Es steht auch in der Ausschußfassung; das haben wir aus der Ausschußfassung nicht gestrichen.
Ich darf, nachdem schon von dem Rückfall gesprochen worden ist, auch noch hierzu etwas sagen, um damit dem Hause eine weitere Wortmeldung zu ersparen. Auch in diesem Fall sind wir dafür, daß man auf die alte Fassung zurückgreift, die den Rückfall ebenso wie bei Betrug und Diebstahl erst dann als gegeben erachtet, wenn zwei Vortaten vorliegen. Wir haben noch ein Übriges getan, ebenfalls um solchen Mitgliedern des Hauses, die Bedenken tragen, dieser Erleichterung zuzustimmen, doch eine Möglichkeit zur Zustimmung zu geben. Wir haben in Abs. 2 die Frist, die zwischen den Rückfalltaten, d. h. zwischen der Verurteilung und der nächsten Tat, liegen muß, von drei auf fünf Jahre erhöht. Im übrigen ist auch dieser unser Antrag identisch mit dem Antrag des Kollegen Lotze.
Das Wort hat der Abgeornete Lotze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin jetzt seit über 30 Jahren Jurist, und in diesen 30 Jahren höre ich von Jahr zu Jahr, daß im nächsten Jahre nun wirklich die große Strafrechtsreform kommt. Ich glaube, daß Sie es mir nicht verübeln werden, wenn ich mich nach dieser Lebenserfahrung nicht auf eine große Strafrechtsreform vertrösten lasse.
Zu dem, was hier zu § 396 gesagt worden ist, möchte ich noch einmal ganz kurz Stellung nehmen. Sicherlich ist die Steuerhinterziehung ein Tatbestand, der in der Nähe des Betruges liegt. Sicherlich ist aber die Sache, vom Vorsatz her gesehen, wenn man sie als Jurist und nicht als Steuerfachmann ansieht, doch wesentlich anders als ein Betrug zu beurteilen. Sicher ist vor allen Dingen auch eines - und jetzt glauben Sie mir, wenn ich das als Anwalt mit mehr als 25 Berufsjahren sage -: Ich kenne genug Leute des Mittelstandes, des Handwerks, der Kaufmannschaft, der Bauernschaft, ehrliche brave kleine Leute, die sich in die Maschen des Steuernetzes verstrickt haben und auch noch angeklagt worden sind, weil sie angeblich eine Steuerzuwiderhandlung begangen hatten. Aus den Erfahrungen der Praxis heraus bin ich für die Milderung. Ich bin einfach deshalb dafür, weil gerade beim Steuerverfahren die Verquickung von Schuld, Ungeschicklichkeit, Nachlässigkeit und unglücklichen Umständen derart ist, daß man schwer sagen kann, wer hier schuld ist und wer nicht. Ich bin der Überzeugung, daß mindestens 30% der Leute, die man einer Steuerzuwiderhandlung beschuldigt und des({0})
halb verurteilt hat, zu Unrecht verurteilt worden sind.
Meine Damen und Herren, welches ist denn der Kreis der Steuerzahler, den ich durch ein mildes Strafrecht geschützt wissen will? Es ist jener Kreis des gewerblichen Mittelstandes, der heute am schlechtesten dran ist,
({1})
dem es am schlechtesten geht unter allen. Das sind die Leute, die am meisten in Gefahr sind. Die großen Firmen, Herr Seuffert, haben ihre Fachleute, und die sorgen schon dafür, daß nichts passiert und alles in Ordnung kommt. Es ist die breite Masse der kleinen Existenzen, gegen die sich das Steuerstrafrecht mit seiner ganzen Schwere richtet.
({2})
Das glauben Sie mir als Anwalt, der ich 25 Jahre lang in landwirtschaftlichen Gegenden tätig gewesen bin!
({3})
Wenn der Herr Präsident gestattet, begründe ich gleich auch meinen Änderungsantrag zu § 404*), und da bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit. Der Gesetzentwurf, wie ihn der Ausschuß für Finanzen und Steuern vorlegt, ist insofern sehr gefährlich, als er bei Rückfall die Bestrafung mit mindestens drei Monaten Gefängnis vorsieht, es sei denn, daß der Fall leicht ist. Es steht nicht etwa darin: es sei denn, daß mildernde Umstände vorliegen, sondern: es sei denn, daß es ein leichter Fall ist. Jetzt darf ich das Haus bitten, sich folgendes Beispiel zu überlegen. Der Seemann Piefke hat irgendwo 10 Zigaretten durchgeschmuggelt und ist dabei aufgefallen. Das war ein leichter Fall, zweifellos. Das war sein erster Fall, und jetzt kommt der zweite Fall.
({4})
- Das ist keine Verschiebung, sondern ich will Ihnen klarmachen, welche Gefahr Sie heraufbeschwören. - Jetzt kommt der zweite Fall, und das ist eine ganz normale Zuwiderhandlung. Dann ist der Richter gezwungen, weil dieser Fall kein leichter ist - das Adjektiv „leicht" ist im Gesetzentwurf nur auf den zweiten Fall abgestellt -, auf drei Monate Gefängnis zu erkennen, obwohl der erste Fall ein anderer war.
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- So steht es aber drin! Es ist mir ganz egal, wie es gemeint war; es steht so drin.
Ich möchte das Hohe Haus daran erinnern, daß schon der vorige Bundestag ein erhebliches Mißbehagen wegen des § 404 der Reichsabgabenordnung hatte und daß er schon damals die Bundesregierung ersucht hat, in eine Überprüfung des § 404 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung einzutreten mit dem Ziel einer Milderung der Rückfallvoraussetzungen und der Anpassung an die Rückfallbestimmungen des Strafgesetzbuches. Das war der Antrag Drucksache Nr. 1572. Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß auch der Antrag von 1952, der allerdings niemals vor das Plenum gekommen ist, im Gegensatz zu den heutigen Bestimmungen sagt, der Richter solle sich alle Fälle ansehen und prüfen, ob die Gesamtheit der Fälle eine milde Beurteilung rechtfertige.
* Siehe Anlage 11.
Aber nach der Regierungsvorlage ist es ganz eindeutig so, daß der Richter nur den Fall ansehen darf, den er aburteilt, den sogenannten Rückfall, und der Richter hat, wenn dieser Rückfall kein leichter ist, ganz egal, ob der vorherige Fall leicht war oder nicht, auf drei Monate Gefängnis zu erkennen, falls es sich um einen Normalfall handelt. Das ist die große Gefahr, in die sich das Haus begibt, wenn es der Fassung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen zustimmt. Ich bitte daher gerade im Interesse der Schichten, die ich vertreten habe, noch einmal: Kommen Sie zu dem zweiten Rückfall! Wollen Sie denn wirklich sagen, daß es schlimmer ist, mit der Steuer in Konflikt zu kommen,
Herr Abgeordneter, Sie meinen wohl: Steuern zu hinterziehen!
jawohl, Steuern zu hinterziehen,
({0})
als einen Mann zu betrügen oder zu stehlen? Ich möchte Ihnen noch einmal ausdrücklich sagen, daß ich der Meinung bin: es ist weniger schlimm, wenn man Steuern hinterzieht, als wenn man als Dieb oder als Betrüger Straftaten begeht. Ich glaube, wir sollten daran denken, daß gerade bei den Steuerstrafsachen häufig die erste Strafe im Unterwerfungsverfahren ohne richterliche Kontrolle oder durch Strafbescheid ohne richterliche Kontrolle erledigt wird und als Vorstrafe erwächst, ohne daß sich der Steuerpflichtige darüber im klaren ist. Das gibt es nämlich beim Diebstahl und das gibt es beim Betrug nicht. Auch das müssen wir in Rechnung stellen. Weil es das Unterwerfungsverfahren gibt
- noch gibt - und weil es den Strafbefehl gibt, auch darum müssen wir darauf zurückkommen und auch darum müssen wir sagen: wir dürfen die Strafe erst nach dem zweiten Rückfall geben.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Änderungsantrag nicht vor. Wir stimmen nunmehr ab über den Änderungsantrag auf Umdruck 552*). Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Bei dieser Besetzung des Hauses ist es sehr schwierig, Mehrheit und Minderheit auszumachen.
({0})
- Vielleicht kann man durch Aufstehen ein besseres Bild bekommen. - Meine Damen und Herren, ich bitte, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer für den Änderungsantrag Ist, der möge sich erheben. - Gegenprobe!
- Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über den Änderungsantrag auf Umdruck 559**) Ziffer 1 ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit stimmen wir ab über Art. I Nr. 1. - Ich schlage Ihnen vor, wir stimmen darüber dann ab, sobald ein Änderungsantrag positiv beschieden werden sollte.
Zu Art. I Nr. 2 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 553***) vor. Wird dazu das Wort ge-
*) Siehe Anlage 9.
**) Siehe Anlage 16.
***) Siehe Anlage 10.
({1})
wünscht? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag auf Umdruck 553 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr Ziffer 3 des Art. I, Änderungsantrag auf Umdruck 559 Ziffer 2. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrages ist, der im übrigen mit dem Antrag auf Umdruck 554****) identisch ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr Nr. 4 des Art. I, Umdruck 555*) Ziffer 1. - Auch hier wird das Wort nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nächster Antrag: Umdruck 555 Ziffer 2. Dieser Antrag ist identisch mit dem Antrag Umdruck 559 Ziffer 3. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wird der Antrag Umdruck 559 Ziffer 3 zurückgezogen?
({2})
- Der Antrag wird zurückgezogen.
Nunmehr kommen die Anträge Umdrucke 556 und 561, zuerst 561**). - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer für die Annahme des Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wer für die bisher aufgerufenen Bestimmungen einschließlich der eben aufgerufenen, durch die Annahme des Antrags Umdruck 561 geänderten ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen angenommen.
Nunmehr der Antrag Umdruck 556***)! - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung.
({3})
- Ich habe ihn hier. Er lautet:
In Artikel I wird die folgende neue Nr. 5 a eingeführt: „5 a. § 456 wird aufgehoben."
({4})
- Ich nehme an, da ich diese Vorlage habe, werden Sie sie wohl auch haben. Ich sehe hier eine ganze Reiche von Mitgliedern des Hauses, die mit dem Umdruck auf rosa Papier winken. Sie haben also offenbar den Umdruck bekommen. Ich nehme an, daß es genügt, wenn ich ihn noch einmal verlese. Bei der Kenntnis der Materie, die wir alle haben,
({5})
wird es nicht die geringsten Schwierigkeiten
machen, die Bedeutung des Antrages richtig ein-
*) Siehe Anlage 12. **) Siehe Anlage 17. ***) Siehe Anlage 13. ****) Siehe Anlage 11.
zuschätzen. Ich verlese den Antrag also noch einmal:
In Artikel I wird die folgende neue Nr. 5 a eingeführt: „5 a. § 456 wird aufgehoben."
Wer dafür ist, der möge ein Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Umdruck 557*). Ist dieser Antrag in Ihrem Besitz?
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Herr Abgeordneter Lotze bittet ums Wort. Ich erteile es ihm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren.! Der § 467 steht zwar schon seit 1920 in der Reichsabgabenordnung; trotzdem ist die Aufhebung dieser Bestimmung dringend erforderlich. Sie besagt folgendes: Das Finanzamt kann in einem Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten als Nebenkläger zugelassen werden. Und nun kommt etwas geradezu Unerhörtes, was auf dem Gebiet des deutschen Strafprozesses einmalig ist: das Finanzamt hat, wenn es als Nebenkläger tätig ist, auch wenn es in der Verhandlung anwesend ist, das Recht, die Zustellung des Urteils an sich zu verlangen, und die Berufungsfrist für das Finanzamt - und zwar allein für das Finanzamt - läuft erst von dem Moment an, wo dem Finanzamt das Urteil zugestellt wird. Während also der Angeklagte und der Staatsanwalt in allen Strafprozessen auf allen Gebieten nur sieben Tage vom Augenblick der Verkündung des Urteils an Zeit haben, die Berufung einzulegen, hat das Finanzamt das Sonderrecht, diese Berufung zu einer ihm viel genehmeren Zeit, nämlich sieben Tage nach Kenntnis der schriftlichen Urteilsgründe, einzulegen.
Auch der zweite Punkt stellt eine durch nichts gerechtfertigte und besonders in einem Rechtsstaat nicht gerechtfertigte einseitige Bevorzugung der Finanzämter in Strafverfahren dar. Das Finanzamt hat das Recht, zur Begründung seiner Revisionsanträge eine Zeit von vier Wochen in Anspruch zu nehmen, während der Angeklagte und der Staatsanwalt früher nur sieben Tage hatten und jetzt nur vierzehn Tage für die Revisionsbegründung haben, auch wenn das Urteil 300 Seiten umfaßt.
Meine Damen und Herren, diese Vorschriften sind so ungeheuerlich, daß wir es uns' meines Erachtens nicht leisten können, sie auch nur einen Tag länger in unseren Gesetzbüchern stehen zu haben, wenn wir einen Anspruch darauf erheben, ein demokratisch regierter Staat zu sein. Deshalb bitte ich Sie, meinem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Seuffert hat sich zum Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was der Herr Kollege Lotze jetzt gesagt hat, mag richtig sein oder nicht, das Finanzamt mag diese Frist zu Recht haben oder nicht; es kann nicht Sinn der Beratung in diesem Stadium sein, einen derartigen Antrag, der meines Wissens in keinem Ausschuß behandelt worden ist, jedenfalls in keinem Ausschuß angenommen worden ist, hier im Plenum zur Debatte zu stellen. So kommen wir weder zur großen Strafrechts-
*) Siehe Anlage 14.
({0})
reform noch zu irgend etwas anderem Gescheitem, Herr Kollege Lotze!
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Antrags Umdruck 557*) ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Die Damen und Herren, die für die Annahme des Antrags sind, bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Umdruck 558*), der mit Umdruck 559 Ziffer 4 identisch ist!
({0})
- Herr Abgeordneter Lotze hat das Wort zur Begründung des Antrages.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 476 a, der in die Reichsabgabenordnung neu eingefügt werden soll, bestimmt, daß die Strafsachen in Steuersachen, soweit sie sachlich dem Amtsgericht zufallen, bei dem Amtsgericht am Sitz des Landgerichts konzentriert werden.
Ich bin der Auffassung, daß es nicht angeht, in steuerstrafrechtlichen Nebengesetzen Vorschriften einzuflechten, die die Geschäftsordnung bei den Gerichten betreffen. Man sollte auch an die Belange der Justizminister der einzelnen Länder denken und es den Landesjustizministern überlassen, wie sie die Geschäftsordnung ihrer eigenen Gerichte bestimmen. Darüber hinaus ist es nicht richtig, ohne Not die Angeklagten ihrem angestammten Richter und ihren angestammten Schöffen zu entziehen; denn der Sinn der Schöffengerichte ist ja der, daß der Angeklagte von seinen eigenen Leuten verurteilt wird, die seine Verhältnisse kennen.
Das alles fällt weg, und die Steuerstrafsachen werden an einer ganz bestimmten Stelle konzentriert. Der Grund, den das Finanzministerium hierfür angibt, ist nicht stichhaltig. Das Finanzministerium sagt, das Steuerstrafrecht sei so schwierig, daß man besonders geschulte Richter benötige, um überhaupt dieser schwierigen Materie Herr zu werden. Meine Damen und Herren, ich habe doch das Gefühl, daß die Strafrechtsabteilung des Finanzministeriums sich dabei ganz gewaltig überschätzt und den gesunden Menschenverstand eines deutschen Amtsrichters ganz gewaltig unterschätzt. Ich bin der Meinung, daß jeder Amtsrichter mit dem Steuerstrafrecht fertig werden kann und daß die Schwierigkeit beim Steuerstrafrecht nur daran liegt, allerdings in einem erheblichen Maße, daß das Steuerstrafrecht zum Teil sehr, sehr unlogisch ist, daß es zum Teil Bestimmungen hat, die wegen der schlechten Gesetzestechnik schwer zu verstehen sind. Aber das ist auch die einzige Schwierigkeit. Die eigentliche Schwierigkeit, die das Steuerstrafrecht überhaupt hat, nämlich die Entscheidung über die Frage, ob ein Steueranspruch besteht oder nicht, ist dem Richter ohnehin durch eine Bestimmung der Reichsabgabenordnung abgenommen. Denn der Richter kann ja doch, und wenn er Zweifel darüber hat, muß er dem Bundesfinanzgericht die Sache zur Begutachtung vorlegen. Also diese Hauptschwierigkeit ist damit ohnehin aus dem Verfahren ausgeklammert. Es ist daher nicht einzusehen, warum man nicht jedem Richter diese
*) Siehe Anlage 14.
**) Siehe Anlage 15.
Arbeit auferlegt, die jeder Richter verstehen kann. Überhaupt verstehe ich das nicht: der Steuerzahler, der einfache Mann soll das Steuerrecht aller Sparten beherrschen, und auf der anderen Seite behauptet man, der Richter sei dazu nicht imstande!
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Damit ich das verstehe, muß jemand kommen, der klüger ist als ich und der mir das erst einmal klarmachen kann. Ich halte es jedenfalls für völlig ausgeschlossen, daß man auf der einen Seite an den Steuerzahler die schärfsten Anforderungen stellt und auf der andern Seite sagt: der arme Amtsrichter, der kann das nicht; von dem können wir das nicht verlangen!
Allerdings ist dabei nun noch eine Frage, die in den Beratungen des Rechtsausschusses aufgetaucht ist und die mich etwas bedenklich gestimmt hat. Da sagte nämlich der Vertreter des Finanzministeriums: Wenn wir dann einige wenige Steuerrichter haben, dann können wir die Steuerrichter natürlich auch auf die Bundesfinanzschule in Siegburg holen und können sie dort schulen! - Ich will nur hoffen, daß man, wenn man es zu dieser Schulung kommen läßt, den Richtern nicht nur Steuerfachleute und Staatsanwälte vorsetzt, sondern dann dafür sorgt, daß auch Anwälte, Steuerberater und andere Leute, die erhebliches Fachwissen von der andern Seite her haben, den Richtern ihre Meinung sagen und daß hier nicht etwa auf diese Weise ein einseitig vorgebildeter Richterstand herangezogen wird.
Im übrigen, meine Damen und Herren, bin ich grundsätzlich gegen jedes Spezialistentum bei Juristen. Es geht nicht an, daß man einen Juristen spezialisiert. Es geht nicht an, daß man eine Rechtsprechung spezialisiert. Und es geht nicht an - und diese Gefahr sehe ich hier -, daß besondere Finanzstrafgerichte innerhalb der Justiz aufgebaut werden. Das sind alles Gefahren, vor denen wir uns hüten müssen. Denn wohin führt dieser Weg? Dann dauert es nicht lange: dann kommen die Verkehrssondergerichte, dann kommen die Sondergerichte für Wald- und Forstdiebstahl und für Wilderer, und dann haben wir lauter Sondergerichte, und der arme Richter hat nur noch den Rückfalldiebstahl und die Beleidigung. Das ist doch die Gefahr!
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- Das Prinzip gilt auch für die Anwälte! ({2})
Ich halte es für durchaus richtig, daß der Anwalt kein Spezialist ist. Die meisten deutschen Anwälte sind es nicht. Sehen Sie einmal an, wie wenig der Anwalt - Sie sind selber Anwalt, glaube ich ({3})
auf dem flachen Land Spezialist ist! Sehen Sie sich einmal an, welche Anforderungen man an ihn stellt! Wenn Sie es genau wissen wollen, welche Anforderungen man an einen Anwalt stellt, dann gehen Sie mal zu einem Versicherungsfachmann von der Allianz oder von der Winterthur und lassen Sie sich da die Rechtsprechung in Regreßsachen geben! Dann können Sie sehen, welch hohe Ansprüche man an die Kenntnisse und an das Ver({4})
antwortungsbewußtsein eines Anwaltes stellt im Gegensatz zu denen eines Beamten. Das nebenbei.
({5})
Ich bitte Sie daher dringend: Lassen Sie es nicht dahin kommen, daß der Angeklagte im Steuerstrafrecht seinem ihm vom Gesetz bestimmten Richter entzogen wird zugunsten einiger Spezialkammern. Ich sehe schwere Gefahren in dieser Möglichkeit.
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Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Lotze hat es für richtig gehalten, dem Bundesfinanzministerium vorzuwerfen, daß es sich selbst überschätze und daß es die Arbeit unserer Amtsrichter unterschätze. Ich möchte dazu nur ein Wort sagen.
Diese Vorschrift beruht auf Gedankengängen des Bundesjustizministeriums, und das Bundesjustizministerium wird wohl die wertvolle Arbeit unserer Amtsrichter und unserer Landrichter richtig einschätzen. Das ist der Tatbestand.
Im übrigen gibt es überall Spezialgerichte und Spezialkammern. Es gibt Kammern für Handelssachen, und es gibt auch sonst Spezialkammern, z. B. für Verkehrsunfälle und für Verkehrsdelikte. Die Richter und Staatsanwälte werden in Verkehrssachen ganz besonders geschult.
Ich bitte also dringend, an dieser Vorschrift festzuhalten. Ich darf auch noch auf die Begründung verweisen, in der es heißt, daß es dringend erwünscht ist, daß in den Dingen Richter entscheiden, die auch das Steuerrecht kennen. Es handelt sich nämlich nicht nur um das Steuerstrafrecht, sondern vor allem um die Kenntnis des materiellen Steuerrechts, und es ist für den Steuerpflichtigen nur vorteilhaft, wenn sein Richter die Rechtsmaterie kennt, über die er urteilt, und nicht, wie es hier in der Begründung steht, von Gutachten Dritter abhängig ist.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme der beiden Änderungsanträge, die identisch sind, auf den Umdrucken 558*) und 559**) Ziffer 4 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für die Änderungsanträge ist, der möge sich von seinem Platz erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt. Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor.
Damit rufe ich noch auf die zu Art. I gehörenden Bestimmungen, die bisher nicht aufgerufen worden sind, sowie die Artikel II, III, IV und die Einleitung und die Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
*) Siehe Anlage 15. **) Siehe Anlage 16.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Widerspruch erhebt sich nicht.
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- Sie widersprechen? Der Widerspruch ist nur gültig, wenn zehn Mitglieder des Hauses widersprechen. Darf ich fragen, wer noch widerspricht? - Ich sehe nur sieben Hände; damit ist der Widerspruch gegenstandslos.
Wir treten in die dritte Beratung ein. Ich rufe auf zur allgemeinen Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Änderungsanträge zur dritten Lesung liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes als eines Ganzen ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen wenige Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Wir haben nunmehr noch über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 562 *) abzustimmen. - Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Der Antrag ist schon begründet. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, ehe ich den nächsten Punkt aufrufe, habe ich ein Versäumnis gutzumachen. Ich habe versäumt, bei Punkt 10 b der Tagesordnung über den in Drucksache 1947 enthaltenen Antrag, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zum Zuckersteuergesetz abzulehnen, abstimmen zu lassen. Der Gesetzentwurf ist durch die Abstimmung zu Punkt 10 a gegenstandslos geworden. Aber nach den Vorschriften der Geschäftsordnung muß dieser Gesetzentwurf durch besondere Abstimmung erledigt werden.
Wir treten ein in die zweite Beratung dieses Gesetzentwurfs. Ich rufe auf die Artikel 1, - 2, -3, - die Einleitung und die Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; die Bestimmungen sind abgelehnt. Damit ist dieser Antrag erledigt.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 12 und Ziffer 13, die nach dem Vorschlag des Ältestenrats verbunden werden sollen:
12. Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Dritten Überleitungsgesetzes ({1});
Schriftlicher Bericht"*) des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({2}) ({3}) ({4});
13. Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({5}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Änderung des Einzelplans 45 - Finanzielle Hilfe für Berlin - in den Bundeshaushaltsplänen vom Rechnungsjahr 1956 an ({6}).
Berichterstatter ist im einem Fall der Kollege Dr. Lindrath, im anderen der Kollege Klingelhöfer.
*) Siehe Anlage 18. **) Siehe Anlage 19.
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Verzichtet das Haus auf Berichterstattung?
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Verzichten auch die Herren Berichterstatter? Dann treten wir unmittelbar in die Einzelberatung von Drucksache 2139 ein. Hier liegt ein Änderungsantrag Dr. Krone und Fraktion, Dr. Brühler und Fraktion zu Abs. 4 des § 16 in Art. 1 vor. Ich rufe Art. 1 auf. Wird der Änderungsantrag Umdruck 563 begründet? - Das ist nicht der Fall.
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- Verzeihung, ich habe Ihre Wortmeldung nicht gesehen. Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Änderungsantrag auf Umdruck 563*) beantragen die Antragsteller die Wiederherstellung der Fassung des Abs. 4, wie sie im Unterausschuß des Ausschusses für Finanz-und Steuerfragen und wie sie vom Haushaltsausschuß beschlossen worden ist, und zwar wünschen wir die Wiederherstellung der alten Fassung, weil wir der Meinung sind, daß die jetzt vorgelegte Fassung die Gefahr einer Mißdeutung in sich birgt. Alle Sprecher aller Fraktionen in den Ausschüssen waren darüber einig, daß durch diese Fassung des Abs. 4 keine Bindung des Gesetzgebers eintreten sollte und daß auch die Einnahmeausfälle aus den Steuerpräferenzen und aus den Straßenbenutzungsgebühren und ähnlichen Tatbeständen aus dem Notopfer gedeckt werden sollten. Die jetzt vorgelegte Fassung läßt die Verwirklichung dieser Wünsche nicht zu. Die starre Bindung des Notopfers an die Bundeshilfe gestattet nicht, daß aus dem Notopfer noch andere Aufwendungen gedeckt werden können. Es bleibt kein Raum für eine Regelung im Haushaltsgesetz, wie jetzt in dem angefügten Halbsatz steht, weil ja gesagt wird, daß das Notopfer der Deckung der Bundeshilfe dient; das heißt in lapidaren Worten: es dient der Deckung des Bundeszuschusses und der Bundesdarlehen. Es ist also nicht die Möglichkeit gegeben, noch andere Aufwendungen aus dem Notopfer zu bezahlen, die nach übereinstimmender Meinung aller Beteiligten daraus gezahlt werden sollen, so daß also das Ausführungsgesetz höchstens einen technischen Charakter haben könnte, in dem festgestellt wird, über welche Kapitel etwas verbucht wird oder wie sich die Beträge auf Zuschuß und Darlehen verteilen. Außerdem verbietet diese Fassung eben doch die Einbeziehung, wie ich schon sagte, der Mittel für die Steuerpräferenzen und Straßenbenutzungsbeiträge in das Aufkommen aus dem Notopfer.
Die vorgeschlagene Regelung ist elastischer; sie hat gewisse Vorteile. Sie garantiert zunächst einmal eine weitgehende Bindung des Gesamtaufkommens des Notopfers zugunsten von Berlin und schließt die gesetzliche Verwendung etwaiger Überschüsse im Sinne der jetzigen Regelung, was ja gerade nicht sein soll, aus. Die vorgeschlagene Regelung in unserem Antrag beläßt aber auf der andern Seite dem Parlament die Entschlußfreiheit; es wird bestimmt, daß die Regelung allein durch das Parlament erfolgt.
Schließlich ermöglicht die vorgeschlagene Regelung die Deckung von Ausfällen bei Steuerpräferenzen, Straßenbenutzungsgebühren und ähnlichem aus den Notopferaufkommen, und endlich
S) Siehe Anlage 20.
gestattet die vorgeschlagene Regelung auch noch, die haushaltsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in der Form auszunutzen, wie sie die jetzige Fassung vorsieht, die allein die zuletzt genannte Möglichkeit gestatten würde und die sonst keine Möglichkeiten zur Beseitigung einer Deckungslücke mit sich bringt.
Ich bitte Sie daher, dem Änderungsantrag auf Umdruck 563 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat für das Land Berlin Senator Dr. Klein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin ist an der Neufassung des § 16 des Dritten Überleitungsgesetzes stärkstens interessiert. Es ist der verständliche Wunsch des Senats von Berlin, daß das in Westdeutschland erhobene Notopfer Berlin möglichst vollkommen für die unmittelbaren und besonderen Bedürfnisse Berlins verwandt wird. Die dem Hohen Hause zugeleiteten Vorschläge des Gesamtdeutschen und Berliner Ausschusses und die des federführenden Finanz- und Steuerausschusses erfüllen zwar nicht alle Wünsche Berlins, aber sie stellen doch zwischen dem, was wir in Berlin gewünscht haben, und der Meinung des Bundesfinanzministers ein erträgliches Kompromiß dar.
Die in der Bundestagsdrucksache 1706 niedergelegte Fassung des § 16 würde es auch ermöglichen, die der Berliner Wirtschaft und den sonstigen Steuerpflichtigen gewährten Steuerpräferenzen auf das Aufkommen des Notopfers Berlin anzurechnen. Ob allerdings Straßenbenutzungsgebühren und andere von der Sowjetzonenregierung auf den Verkehr zwischen Westdeutschland und Berlin erhobene Abgaben abzugsfähig sein sollen, ist mehr als fraglich.
Wenn jetzt buchstäblich in letzter Minute ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei vorgelegt wird, in dem dem Bundestag empfohlen wird, den Vorschlägen der beteiligten Ausschüsse nicht zu folgen, sondern zu beschließen, daß die Abgabe Notopfer Berlin nur nach Maßgabe des Bundeshaushaltsplans der Dekkung der Bundeshilfe dienen soll, so wird damit nach unserer Ansicht ein bedauerlicher Rückschritt vollzogen, mit dem die Berliner nicht mehr gerechnet haben. Die Berliner konnten nach dem Gang der bisherigen Verhandlungen glauben, daß die in den Ausschüssen ausgearbeiteten Empfehlungen unwidersprochen vom Hohen Hause angenommen würden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte gehofft, daß diese Vorlage, die eingehend und wiederholt in den Ausschüssen beraten worden ist, heute ohne weitere Diskussion angenommen worden wäre. Ich bedaure, daß infolge des Antrags des Kollegen Lindrath die Diskussion noch einmal aufgenommen werden muß. Ich werde mich auf das Wesentliche beschränken.
Zunächst war es überhaupt sehr schwierig, diese Vorlage, die am 26. Oktober 1955 nach eingehender Aussprache im Plenum dem Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen als federführendem Ausschuß, dem Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen und dem Ausschuß für Haushaltswesen zur Mitberatung überwiesen worden ist, in die Aus({0})
schußberatung zu bekommen. Dann stand sie endlich auf der Tagesordnung der 80. Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen am 14. Dezember 1955 und am 12. Januar 1956, und sie wurde jedesmal wieder abgesetzt. Schließlich wurde sie am 18. Januar zum ersten Male beraten.
Es drehte sich immer um die Frage, ob das Notopfer Berlin nun zweckgebunden sein solle oder ob es ein allgemeines Deckungsmittel sei wie andere Steuern. Ich will nichts von dem hier behandeln, als eben diese Kernfrage. Daß im Einzelplan 60 unter allen besonderen Abgaben - Vermögensabgabe, Kohlenabgabe, Hypothekengewinnabgabe, Kreditgewinnabgabe -, die alle zweckgebunden sind, die eine Abgabe, die den schweren und verpflichtenden Namen „Notopfer Berlin" trägt, nicht zweckgebunden, sondern allgemeines Deckungsmittel ist, das empfinden wir einfach als nicht in Ordnung, und wir bemühen uns seit Jahren, dieses Notopfer Berlin zu dem zu machen, was es seiner Idee nach sein soll.
Der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen hat nach eingehender Diskussion am 7. Dezember vorigen Jahres die Vorlage angenommen, nur eine kleine Änderung in § 16 Abs. 3 des Dritten Überleitungsgesetzes vorgeschlagen; und nun stehen wir - nachdem wir uns darauf schließlich in mehreren Sitzungen geeinigt hatten - wieder da, daß ein Vertreter der größten Fraktion dieses Hauses den Wunsch des Bundesfinanzministers - denn um einen solchen handelt es sich - noch einmal vorträgt. Dazu können wir nicht schweigen.
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Wir begrüßen es, daß jetzt gesetzlich eine Bundeshilfe für Berlin festgelegt werden soll. Diese Bundeshilfe ist entweder ein Bundeszuschuß für den Landeshaushalt Berlin oder ein Bundesdarlehen; und das ist etwas ganz Neues in der Vorlage, daß der Bund unter bestimmten Voraussetzungen Darlehen an Berlin geben soll.
In allen Debatten im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, Herr Kollege Lindrath, ist klar gewesen, daß die Steuerpräferenzen für Berlin, sowohl die Präferenzen der Einkommensteuer wie die Nichterhebung der Abgabe Notopfer Berlin in Berlin, natürlich hierauf angerechnet werden sollen. Ich möchte noch einmal ausdrücklich bundestagsaktenkundig machen, daß das die einmütige Auffassung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen gewesen ist.
Wenn es sich aber darum handelte, die Kernfrage zu behandeln, haben Sie, meine Damen und Herren, immer Ausflüchte gesucht, und der Herr Bundesfinanzminister hat immer wieder Zahlenwerke vorgelegt, die einer kritischen Nachprüfung nicht standhalten. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seinen verschiedenartigsten Darlegungen über das Aufkommen Notopfer Berlin dem Land Berlin alle möglichen Ausgaben zur Last geschrieben, die auch in anderen Bundesländern erwachsen, bis zu den Ausgaben für den Bundesjugendplan. Das ist ein unmögliches Verfahren. Er kommt dann zu einem Rechenexempel, in dem er nicht addier-bare Leistungen addiert, und er behauptet zum Schluß: „Somit bekommt Berlin mehr, als aus dem Notopfer aufkommt." Wir müssen doch nun zu dieser Frage, nachdem wir uns endlich im Ausschuß für Finanzen und Steuern zu einem annehmbaren Ergebnis durchgerungen haben, auch heute Farbe bekennen.
Worum hat es sich denn schließlich gehandelt? Die Antragsteller haben gesagt: Solange das Notopfer Berlin erhoben wird, dient sein Aufkommen ausschließlich der Deckung der Bundeshilfe. Wir sind schließlich zu der Formulierung in Abs. 4 gekommen:
Solange die Abgabe „Notopfer Berlin" erhoben wird, dient ihr Aufkommen der Deckung der Bundeshilfe; das Nähere bestimmt das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans.
Dieser zweite Satz wäre an sich überflüssig gewesen; denn es ist ja ganz klar, daß die finanziellen Leistungen durch den Bundeshaushaltsplan festgestellt werden müssen. Aber wir haben machgegeben, daß wir hier diese Feststellung noch einmal ausdrücklich treffen wollten. Im ersten Satz wird immerhin die Idee postuliert: das Aufkommen dient der Bundeshilfe. Im zweiten Satz wird es etwas modifiziert, nicht im Grundsatz, aber die technische Ausführung wird ausdrücklich dem Bundeshaushaltsplan überlassen. Bei dieser Formulierung sollte man es jetzt lassen.
Was für einen Grund gibt es denn überhaupt, diese Formulierung nicht zu wollen? Die Bedenken, die Herr Kollege Lindrath vorgetragen hat, habe ich entkräftet. Es ist klar festgestellt, daß niemand daran denkt, den durch die Steuerpräferenzen und die Nichterhebung der Abgabe „Notopfer Berlin" entstehenden Ausfall nicht aus der Bundeshilfe zu decken. Wenn das festgestellt ist und wenn sich das ganze Haus darüber einig ist, wozu dann noch ein Änderungsantrag? Es ist ganz klar, welchen Sinn der Änderungsantrag hat. Der Bundesfinanzminister wünscht, sich durchzusetzen; er wünscht, daß das Notopfer Berlin ein allgemeines Deckungsmittel für den Bundeshaushalt ist; und das, meine Damen und Herren, ist im Interesse der Ordnung unseres Bundeshaushalts nicht richtig. Es ist nicht ehrlich gegenüber dem Steuerzahler, welcher glaubt, mit seinem Notopfer Berlin nun wirklich auch uneingeschränkt Berlin zu dienen.
Es ist schade, daß diese Diskussion noch einmal begonnen worden ist. Aber ich bitte Sie, meine Damen und Herren, dringend, darüber nachzudenken lind jetzt nicht wieder einen solchen Rückschritt zu tun, indem Sie dem Antrag des Kollegen Lindrath zustimmen.
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Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Senator Klein hat hier beanstandet, daß der Antrag der CDU, den Herr Abgeordneter Lindrath begründet hat, sozusagen auf einmal aus der Versenkung kommt. So ist es ja nun nicht. Ich weiß nicht, ob der Herr Senator oder seine Herren Mitarbeiter immer in der Lage waren, an den Arbeiten der Ausschüsse teilzunehmen.
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Was Herr Abgeordneter Lindrath hier beantragt hat, ist das, was der Unterausschuß des Finanzausschusses und was der Haushaltsausschuß beschlossen hatten,
({1})
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aber nicht etwa eine subjektive Meinung des Bundesfinanzministeriums. Wenn es der Haushaltsausschuß beschlossen hat, kann es ja doch nicht so ganz schlecht sein. Ich glaube, der Haushaltsausschuß ist gerade der Ausschuß, der sich auf dem Gebiete des Haushalts - und darum handelt es sich ja hier - am besten auskennt. Also es ist nicht eine Überrumpelung aus dem Hinterhalt, sondern es ist etwas, was in monatelangen Beratungen in den zuständigen Ausschüssen erörtert worden ist und was gegenüber der unklaren Fassung des Finanzausschusses - darauf hat Herr Abgeordneter Dr. Lindrath hingewiesen - den Vorteil der größeren Präzision hat.
Nun hat Herr Professor Gülich zur Sache auch eine Reihe von Ausführungen gemacht, auf die ich nicht ausführlicher antworten will, weil das sehr viel Zeit beanspruchen würde. Aber vielleicht sind mir zwei Sätze gestattet. Das Notopfer Berlin - und daran werden sich die Damen und Herren erinnern, die das erstmalige Gesetz im Wirtschaftsrat in Frankfurt beschlossen haben - war ursprünglich dazu bestimmt, die Kriegsfolge-. und Soziallasten Berlins zu tragen, und hinterher ist dann erst der Zuschuß an den Berliner Haushalt gekommen. Die Tatsache, daß auch die Zuschüsse für die Kriegsfolge- und Soziallasten daraus gedeckt werden sollen, ist später durch § 16 Abs. 3 des Dritten Überleitungsgesetzes in der Fassung vom März 1953 bestätigt worden und schließlich noch einmal im Notopfergesetz in der Fassung vom 16. Dezember 1954. Worum das Finanzministerium bittet, ist nichts anderes, als daß es bei dieser Praxis bleibt. Dem entspricht der Antrag in der Form, wie ihn der Haushaltsausschuß angenommen und wie ihn die Fraktion der CDU/CSU jetzt aufgegriffen hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, wir waren im Finanz- und Steuerausschuß eigentlich recht glücklich darüber, daß wir nach sehr langen Beratungen und immer erneutem Zurückstellen dieses Punktes schließlich zu der Regelung in der Ausschußvorlage kamen.
Ich möchte sachlich weiter nichts sagen. Herr Kollege Gülich hat alles Notwendige gesagt. Es geht einfach um folgendes. Der Bundesfinanzminister wünscht, daß das Notopfer ein allgemeines Deckungsmittel sein und bleiben soll, und wir wünschen, daß seine Verwendung für seinen speziellen Zweck entsprechend dem Namen sichergestellt wird. Wir werden daher den Antrag der CDU und DP ablehnen, da wir die Ausschußfassung für einen echten Fortschritt halten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 563 *) ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es besteht keine Klarheit. Wir müssen durch Auszählung entscheiden. Meine Damen und Herren, ich bitte, den Saal zu räumen.
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Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Türen sind geschlossen. - Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
*) Siehe Anlage 20.
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Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet. - Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung ist: an der Abstimmung haben sich beteiligt 305 Mitglieder des Hauses, mit Ja haben gestimmt 169 Mitglieder des Hauses, mit Nein 135, 1 Mitglied hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Änderungsantrag angenommen.
Wir stimmen nunmehr über Art. 1 in der abgeänderten Fassung ab. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Art. 1 ist angenommen.
Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift.
- Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer für die Annahme des Gesetzes als eines Ganzen ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme des Gesetzes fest.
Wir haben nunmehr über die Drucksache 1710 abzustimmen, über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Änderung des Einzelplans 45. Der Ausschuß hat empfohlen:
Der Bundestag wolle beschließen, den Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 1710 - abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige kurze Erklärungen. Die Tatsache, daß das Notopfer Berlin im Einzelplan 60 als Einnahme verzeichnet ist, im Einzelplan 45 hingegen nicht erwähnt wird, hat uns bewogen, hier eine haushaltsrechtliche Klarheit zu beantragen. Wir haben gewünscht, daß das Aufkommen Notopfer Berlin, dessen Zweckbindung wir wollen, auch in einem Haushaltsplan ausgewiesen wird. Nun hören Sie bitte zu, was in den „Allgemeinen Vorbemerkungen zum Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1956" dazu gesagt wird:
Bei den Beratungen des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages ist angeregt worden, das Aufkommen der Abgabe „Notopfer Berlin" in dem gleichen Einzelplan zu veranschlagen, der auch die finanzielle Hilfe für Berlin enthält. Der Antrag der Fraktion der SPD vom 28. September 1955 . . . hat diese Anregung aufgegriffen. Die Bundesregierung entspricht ihr durch eine Vereinfachung des Bundeshaushaltsplans. Die finanzielle Hilfe für Berlin ist nicht mehr in einem besonderen Einzelplan - dem bisherigen Einzelplan 45 - veranschlagt, sondern in den Einzelplan 60 . . . aufgenommen worden.
Mir fehlt einfach der parlamentarische Ausdruck für diese Rabulistik.
Herr Abgeordneter, „Rabulistik" ist kein parlamentarischer Ausdruck!
Herr Präsident, ich bitte um Verzeihung, ich war mir wohl über den Charakter dieses Ausdrucks nicht ganz klar.
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Ich mildere ihn in dem Sinne ab, der erforderlich ist: Ich halte diese Darstellung einfach für unerhört; dieser Ausdruck ist hoffentlich parlamentarisch.
Die Anregung im Haushaltsausschuß ist natürlich von der SPD gegeben worden, und es ist nicht so, daß eine Anregung von der Fraktion der SPD aufgegriffen worden wäre. Es ist schon gar nicht so, daß das Bundesfinanzministerium diesem Anliegen Rechnung trägt, sondern es ist genau so, daß es beim alten bleiben soll, wie Sie vorhin durch die Annahme des Antrags Lindrath leider bestätigt haben. Damit wird die Ordnung in den finanziellen Beziehungen zwischen Berlin und dem Bund nicht herbeigeführt. Wir haben ja über diese Fragen im Haushaltsausschuß eingehend verhandelt. Nun zeigt sich wieder ganz genau, was der Herr Bundesfinanzminister will. Sie haben seinem Willen treu und brav entsprochen.
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Der Abgeordnete Klingelhöfer hat im Haushaltsausschuß den Antrag gestellt, nunmehr den Bundeszuschuß im Einzelplan 60 wenigstens nicht mehr als Titel, sondern als besonderes Kapitel auszubringen, wozu Herr Ministerialdirigent Dr. Vialon ausdrücklich erklärte, daß Bedenken dagegen nicht bestünden. Der Vorsitzende hat dann auf Anregung des Abgeordneten Ritzel festgestellt, daß die Ausbringung eines besonderen Ausgabekapitels bei der Behandlung des Einzelplans 60 beschlossen werden solle; die Frage sei in grundsätzlicher Hinsicht aber heute entschieden. Ich prophezeie - und es gehört nicht viel dazu, das zu prophezeien -, daß sich der Herr Bundesfinanzminister wieder durchsetzen wird und daß die Verschleierung im Notopfer Berlin auch im Haushaltsplan 1956 fortgesetzt werden wird.
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Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, um die es sich hier dreht, ist von nicht gerade sehr großer materieller Bedeutung. Es handelt sich einfach darum, ob das Notopfer Berlin in dem Einzelplan 45 enthalten sein sollte, der jetzt vom 1. April 1956 an nicht mehr besteht, oder ob es in dem Einzelplan 60 enthalten
sein soll, in den es jetzt aufgenommen worden ist.
({0})
- Keine rein haushaltstechnische Frage! Wenn wir von der Vorstellung ausgehen, daß das Notopfer Berlin eine Zwecksteuer für Berlin sein soll, dann würde die Beibehaltung des Einzelplans 45 die klarere und bessere Lösung gewesen sein. Aber im Grunde kommt es uns natürlich in Berlin darauf an, statt der 800 Millionen, die jetzt im Einzelplan 45 stehen, die Milliarde im Einzelplan 60 zu bekommen, die wir nämlich brauchen. Das ist das, worum es sich materiell dreht, und das ist die Lösung, von der ich hoffe, daß sie auch erreicht werden kann. Rein äußerlich möchte ich für richtig halten, daß jetzt, wenn auch schon etwas verspätet - vielleicht auch vergeblich -, der Anspruch angemeldet wird, das Berliner Notopfer als eine zweckgebundene Einnahme für Berlin anzusehen. Aus diesem Grunde wird meine Fraktion dem Antrag der SPD-Fraktion ihre Zustimmung geben.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Wir können nicht über den Antrag der SPD abstimmen, sondern wir müssen über den Antrag des Ausschusses abstimmen. Der Antrag des Ausschusses geht dahin:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen.
Wer also für die Ablehnung dieses Antrags der SPD ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
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- Bitte, ich werde es noch einmal erklären.
({1})
- Sie haben recht, Herr Kollege Gengler, das ist die richtige Formulierung. Wer für die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Ausschußantrag ist angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erledigt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 22. März 1956, 14 Uhr, und schließe die 136. Sitzung.