Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, ich habe heute trotz gewisser Rundfunkmeldungen vom gestrigen Tage keine besonderen Ankündigungen bekanntzugeben,
({0})
sondern lediglich darauf hinzuweisen, daß der Ältestenrat in seiner gestrigen Sitzung vereinbart hat, daß die heutige Tagesordnung um die Beratung des Mündlichen Berichts über die VilshofenHilfe zu ergänzen sei. Nun ist die Frage, ob wir diesen Punkt nicht sofort behandeln, damit wir nachher den Rest der Zeit für die „Grüne Debatte" haben. Sie sind einverstanden? ({1})
- Dann werden wir die Tagesordnung vereinbarungsgemäß insoweit ergänzen, und als Punkt 1 rufe ich auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({2}) über den Antrag der Abgeordneten Unertl, Lermer, Dr. Dittrich, Höcherl und Genossen betreffend Hilfe für die Hochwassergeschädigten in Vilshofen ({3}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Ritzel.
Ritzel ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Unertl hat mit einigen Kollegen zusammen
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in der Drucksache 2091 einen Antrag gestellt, der eine Hilfe anläßlich der Hochwasserkatastrophe in Vilshofen, die aus einer Eiskatastrophe geworden ist, verlangt. Der Haushaltsausschuß hat sich mit dem Problem der rechtlichen Haftbarkeit für die Folgen dieser Katastrophe schon vor der Behandlung dieses Antrags Unertl und Genossen befaßt. Er hat einen Bericht des zuständigen Beamten des Bundesverkehrsministeriums entgegengenommen, der in der Feststellung gipfelte, daß eine juristische Verantwortung des Bundes für die Folgen dieser Katastrophe nicht bestehe.
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Meine Damen und Herren, ich bitte um ein wenig Ruhe.
Ritzel ({0}), Berichterstatter: Der Haushaltsausschuß läßt dem Plenum mitteilen, daß in dem Bundeshaushalt leider kein Katastrophenfonds zur Linderung derartiger Notfälle vorhanden ist.
Bei der Behandlung des Antrags Drucksache 2091 hat die Bundesregierung durch den Beauftragten des Herrn Bundesfinanzministers den Standpunkt vertreten lassen, daß zunächst keine Bewilligung erfolgen solle, sondern daß sich die Bundesregierung mit der bayerischen Staatsregierung ins Benehmen setzen solle, um zu prüfen, ob und welche Hilfsmaßnahmen seitens des Bundes erforderlich seien.
Als Berichterstatter habe ich im Haushaltsausschuß darauf hingewiesen, daß die bayerische Regierung zunächst 100 000 DM zur Verfügung gestellt hat, und habe vorgeschlagen, der Bund solle zunächst ebenfalls 100 000 DM mit der Maßgabe zur Verfügung stellen, daß die Bundesregierung mit der bayerischen Staatsregierung über weitere Hilfsmaßnahmen, gegebenenfalls über einen Betrag von 300 000 DM hinaus, verhandeln möge.
Die Mehrheit des Haushaltsausschusses hat eine Hilfe von 300 000 DM festgelegt. In Drucksache 2124 finden Sie den Wortlaut des Antrages des Ausschusses:
Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht,
1. im Einvernehmen mit der bayerischen Staatsregierung als Hilfe für die Hochwassergeschädigten in Vilshofen und Umgebung einen Betrag von 300 000 DM außerplanmäßig zur Verfügung zu stellen;
2. dem Haushaltsausschuß innerhalb eines halben Jahres über die Gesamtregelung der Hochwasserschäden zu. berichten.
Bevor ich das Hohe Haus um Zustimmung zu diesem Antrag des Haushaltsausschusses bitte, darf ich noch mit zwei Worten auf das Problem der außerplanmäßigen Bereitstellung der erforderlichen Mittel eingehen. Nach dem Geist und nach dem Buchstaben des § 96 ({1}) der Geschäftsordnung handelt es sich bei dem Antrag Unertl und Genossen um eine echte Finanzvorlage, die auch eine Prüfung der Haushaltslage durch den Haushaltsausschuß in bezug auf ihre Finanzierungsmöglichkeit im Gefolge haben müßte. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums hat indessen den Standpunkt vertreten, daß eine Ausgabe von 300 000 DM möglich sei, ohne daß eine Prüfung der Haushaltslage vorgenommen werden müsse.
Daraufhin hat der Ausschuß davon abgesehen, eine Prüfung nach § 96 ({2}) vorzunehmen.
Nachdem ich Ihnen auch das noch mitgeteilt habe, darf ich Sie nunmehr bitten, über den Antrag des Ausschusses, den ich im Wortlaut vorgetragen habe, zu entscheiden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Lermer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben den Bericht des Herrn Berichterstatters gehört. Ich glaube, ich brauche nicht viele Worte darüber zu verlieren. Seit Jahrzehnten ist im Raum Vilshofen bei gewissen Kälteperioden mit Hochwasser zu rechnen. Die Ursachen liegen etwas tiefer. In den Jahren 1922/24 wurde das große Kraftwerk Kachlet gebaut. Die Donau wurde dabei um 9 m angestaut. In Zeiten, in denen sich Treibeis bildet, kann das Treibeis infolge der 9 m hohen Stauung nicht mehr abfließen.
In Bayern wird ausgiebig darüber debattiert, wo die Schuld liegt. Es wird anderen Stellen überlassen bleiben müssen, die Schuldfrage zu klären. Tatsache ist nun einmal, daß die Stadt Vilshofen und die nächsten Anlieger in ungeheurer Bedrängnis sind. Über 1200 Familien mußten evakuiert werden. Die Wohnungen sind zerstört, die Häuser durch das Eis größtenteils schwer beschädigt. Es läßt sich überhaupt nicht absehen, wann die Gebäude und Wohnungen wiederhergestellt werden können.
Ich möchte deshalb das Hohe Haus bitten, ohne Rücksicht auf die Zuständigkeit oder die haushaltrechtliche Lage unserem Antrag auf Bewilligung eines vorläufigen Zuschusses in Höhe von 300 000 Mark die Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Prennel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure außerordentlich, daß eine Katastrophe mir den Anlaß gibt, das erste Mal von dem Rednerpult dieses Hohen Hauses aus zu sprechen. Ich gebe meinem Bedauern Ausdruck, daß der Antrag auf Gewährung einer Hilfe von 300 000 DM für das hochwasser- und eisgeschädigte Vilshofen nicht interfraktionell eingebracht worden ist.
Ich möchte zunächst feststellen, daß die Frage der Schuld an dieser Katastrophe einer Klärung bedarf; von der Stadt Vilshofen ist deswegen Anklage gegen Unbekannt erhoben worden. Sie wissen, daß Vilshofen erst 1954 durch das damalige große Hochwasser arg betroffen wurde. Dieselben Häuser bekamen nun durch den Eisstoß wieder das Hochwasser. Die Häuser stehen seit fast vier Wochen im Eis. Sie, meine Damen und Herren, dürfen wohl gewiß sein, daß hier Hilfe not tut. Der Notstand ist nicht auf das Verschulden der bayerischen Staatsregierung zurückzuführen. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, daß das Wasserrecht Bundesrecht ist und daß die Wasserregulierung an der Donau Aufgabe des Bundeswasserstraßenamtes ist.
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Es wird hier von der Schuldfrage gesprochen. Das hilft aber den Betroffenen zunächst nicht. Es ist vielmehr unsere Verpflichtung, hier einzugreifen. Es steht fest, daß durch den Bau von Großstauwerken der natürliche Ablauf der Großwässer behindert worden ist. Heuer ist es zum ersten Mal - zum ersten Mal! - vorgekommen, daß der Inn kilometerweit von Passau aufwärts zugefroren ist und daß die Donau auf einer Strecke von 200 km ein Eismeer bildet. In Passau, am Auslauf dieser Gewässer, stehen heute schon Kommandos des Bundesgrenzschutzes, Sprengkommandos und amerikanische Pioniereinheiten. Sie haben sich die Sache schon angesehen. Es ist nämlich eine große Naturkatastrophe zu erwarten, wenn das Tauwetter zuerst am Oberlauf dieser Flüsse eintritt.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, folgendes zu bedenken. Die Wasserwerke, die gebaut werden, werfen doch immerhin etwas ab. Den Nachteil, den diese Bauten mit sich bringen, sollte man aber nicht auf die Zivilbevölkerung abwälzen. Dieser Nachteil sollte von denen getragen werden, die von diesen Bauten einen Profit haben oder einen Gewinn daraus ziehen.
Ich habe seinerzeit bei der Abfassung des Antrags auf Gewährung einer Hilfe von 300 000 DM erklärt, daß dieser Betrag nicht ausreicht. Ich möchte darauf hinweisen, daß 120 bis 150 Häuser unter Wasser stehen und der Schaden erst dann abgesehen werden kann, wenn das Eis aufgetaut ist. Wer die Wirkung des Eises kennt, wird wissen, daß durch das tauende Eis große Sprengungen an den Häusern zu erwarten sind.
Wir bitten also, der Bewilligung dieser 300 000 DM, als erste Rate oder als schnelle Hilfe, zuzustimmen. Ich bitte weiter, noch folgendes zu überlegen. Wenn man schon einen militärischen Verteidigungsbeitrag schafft, dann sollte man auch einen Verteidigungsbeitrag gegen Naturkatastrophen schaffen. Ich bitte also, die 300 000 DM als erste Rate zu gewähren und dann, wenn die Gesamtschäden abzusehen sind, sich noch einmal mit diesen Dingen zu beschäftigen. Die Bevölkerung wartet auf Hilfe. Der Deutsche Bundestag wird sich ein Verdienst erwerben, wenn er schnell hilft; denn wer schnell hilft, hilft doppelt.
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Weitere Wortmeldungen? - Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Auswirkungen von Katastrophen, die ein strenger Winter herbeiführt, sind nicht örtlich begrenzt. Wir haben durch die Katastrophen, die sich infolge der Eisbildung an den einzelnen Flüssen entwickelt haben, nicht nur Notstände an der Donau, sondern wir haben auch Notstände am Rhein. Auch bei diesem Fluß hat sich kilometerweit das Eis gestaut. Dadurch wurden die an den Ufern dieses Flusses gelegenen Ortschaften ebenfalls überflutet. Das Wasser ist in eine ganze Reihe von Ortschaften eingedrungen. Auch in diesen stehen die Häuser - ich will die Zahl nicht nennen - unter Wasser, und es hat sich bis weit in die Orte hinein Eis gebildet. Wenn man im Bundestag etwas zur Linderung solcher Notstände tun will, darf man sein Augenmerk nicht auf ein einzelnes Gebiet richten, sondern sollte sich die Schaffung eines Fonds überlegen, aus dem die zur Verfügung stehenden Mittel entsprechend dem Umfang der Schäden verteilt werden sollten.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel. Herr Abgeordneter, sprechen Sie als Berichterstatter?
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits im Haushaltsausschuß auf die Lage hingewiesen, die sich eventuell auch am Rhein entwickelt. Ich möchte die Debatte zum Anlaß nehmen, dem Hohen Hause den Gedanken nahezulegen, doch bei nächster Gelegenheit an die Schaffung eines Katastrophenfonds zu denken. Es ist doch unabhängig von der rechtlichen Verpflichtung, die auch im Falle Vilshofen seitens der Bundesregierung bestritten wird, notwendig, da und dort, wo sich Notstände ergeben, Hilfe zu gewähren. Wir haben im Bundeshaushalt Mittel für Katastrophen außerhalb der Bundesrepublik eingesetzt. Wir sollten aber endlich auch einmal Mittel für Katastrophen innerhalb der Bundesrepublik bereitstellen.
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Ich erinnere mich daran, daß bei einer Katastrophe in meiner engeren Heimat - im Odenwald - der Herr Bundesfinanzminister eine sehr kalte Achsel gezeigt hat. Ich bin durchaus dafür, daß da, wo Not ist, aus Mitteln der Allgemeinheit geholfen wird; aber das muß dann gegenüber allen und einigermaßen gerecht und gleichmäßig geschehen. Als hessischer Abgeordneter melde ich hier jetzt schon an: wenn sich am Rhein derartige Verhältnisse entwickeln, werde ich mir erlauben, ebenfalls einen entsprechenden Antrag einzubringen.
Ich habe den Eindruck, als ob wir nunmehr eine Debatte über sämtliche vereisten Stromgebiete bekommen werden.
Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Sabel.
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- Sie haben verzichtet? - Dann scheint das Eis der Fulda also noch nicht sehr hoch zu stehen.
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Herr Abgeordneter Vogel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das Hohe Haus hätte allen Anlaß, sich bei der Besprechung solcher Katastrophen, die von so ernsten Folgen für die Betroffenen sind, einmal folgendes vor Augen zu führen. Wir haben alljährlich derartige Katastrophen. Es gibt nicht nur Eiskatastrophen, sondern auch im Sommer können jederzeit, etwa durch ein großes Gewitter, ähnliche Katastrophen eintreten, wie es z. B. im Odenwald und woanders 1955 der Fall war. Dann ist es aber in erster Linie Pflicht des betreffenden Landes, helfend einzugreifen, und nicht von vornherein Sache des Bundes.
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Wenn wir uns im Haushaltsausschuß außergewöhnlich lange mit dem Fall Vilshofen befaßt haben, dann deswegen, weil wir der Meinung waren, daß es, wenn die Schilderungen über das Ausmaß des Unglücks von Vilshofen zutreffen, in erster Linie Sache des Landes Bayern gewesen wäre, nicht nur 100 000 DM, sondern mehr zur Verfügung zu stellen. Es hat sich langsam eingebürgert, all diese
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Dinge sofort auf den Bund abzuwälzen, während hier doch immerhin Länder von einer Größe einspringen können, deren Mittel es durchaus erlauben würden, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, als es Bayern getan hat.
Aus diesem Grunde finden Sie bei dem Antrag des Haushaltsausschusses eine zweite Ziffer angefügt, mit der, von mir gewünscht, die Bestimmung beigefügt worden ist: Wir wollen wissen, was das Land Bayern selbst getan hat, um die Folgen dieses Unglücks auszugleichen und den Betroffenen zu Hilfe zu kommen. Denn sonst kann folgendes geschehen. Das Land Bayern gibt 100 000 DM, der Bund gibt 300 000 DM, und das Land Bayern wartet dann ab, bis der dreifache Betrag des Bundes aufgebraucht ist, ehe es in seine eigene Tasche greift. Das ist föderalistisch kein gesunder Zustand. Wenn Föderalismus einen Sinn hat, dann bedeutet er - und das hat die jetzige Finanzverfassung auch festgelegt -, daß zuerst die Länder in dieser Beziehung eintreten und dann der Bund, und nicht umgekehrt. Diesen Grundsatz wollen wir bei dieser Gelegenheit auch einmal festgehalten wissen.
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Ich habe den Eindruck, daß das Subsidiaritätsprinzip des Föderalismus anders aussieht, je nachdem wo der Betroffene die Aktivseite und die Passivseite der Bilanz sieht. - Herr Abgeordneter Schoettle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob das, was ich sage, ein abschließendes Wort ist.
Sicher nicht!
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Ich möchte auch nicht schlafende Hunde wecken. Aber was Herr Vogel gesagt hat, kommt mir aus dem tiefsten Herzen. Wir sollten uns bei dieser Gelegenheit gleich einmal fragen, ob, wenn das Prinzip richtig ist, daß in Katastrophenfällen zuerst die Länder einspringen müssen, dann nicht die Bundestagsabgeordneten, ganz gleich aus welchem Wahlkreis sie kommen, die Pflicht hätten, diesen Grundsatz auch zur Kenntnis zu nehmen. Dann hätten wir nämlich manche Debatte über Katastrophen, so bedauerlich sie sind und so bedauernswert ihre Opfer sind, hier in diesem Hause nicht. Das wollte ich zum Schluß sagen; vielleicht erinnern sich später die Kollegen daran.
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Besteht noch ein Wunsch, zu sprechen? ({0})
Das scheint nicht der Fall zu sein.
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- Die Vereisung der Bundespolitik? Ich habe den
Eindruck, daß das Eis in Bewegung gekommen ist.
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Nun, meine Damen und Herren, wir müssen trotzdem abstimmen. Zur Abstimmung steht der Antrag Drucksache 2124. Herr Abgeordneter Vogel, wenn ich Sie recht verstanden habe, hat die Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses den Sinn, auch festzustellen, was eventuell die bayerische Regierung getan hat.
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Ich finde, daß man bei der Formulierung dieses Satzes sehr diskret gewesen ist. Es liegt mir nur daran, diese Feststellung zu treffen, damit die Bundesregierung - falls sie heute hier durch den zuständigen Ressortminister vertreten sein sollte - auch weiß, daß man von ihr verlangt, daß sie nicht nur über ihre eigenen Maßnahmen berichtet, sondern auch über die Maßnahmen der Länder. Habe ich Sie recht verstanden?
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- So ist es gemeint. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 2124. Wir können wohl im ganzen abstimmen. Wer für die Annahme dieser Vorlage ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist dieser eingeschobene Punkt der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen nunmehr zum Punkt 2 der Tagesordnung, zur
a) Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes ({5});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft ({6});
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Vorlage des Entwurfs eines Hilfsgesetzes für die deutsche Landwirtschaft ({7}).
Zunächst aber sollen nach einer Vereinbarung im Ältestenrat die Teile b und c im Rahmen dieser Debatte auch begründet werden. Also, die Damen und Herren, die für ihre Fraktion sprechen - Zweifel, für welche Fraktion gesprochen wird, können in diesem Fall nicht. aufkommen -,
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können gleichzeitig mit der Begründung des Antrags auch schon ihre Bemerkungen zu a machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Fassbender.
Fassbender ({9}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß, bevor ich zu den Dingen Stellung nehme, ich mich verpflichtet fühle, dem Minister und seinen Mitarbeitern dafür den Dank auszusprechen, daß sie schnelle Arbeit geleistet haben.
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Es ist ein immenses Maß von Arbeit, das das Ernährungsministerium hier in verhältnismäßig kurzer Zeit durchgeführt hat. Ich bedaure bloß, daß wir Abgeordneten nicht so lange Zeit hatten, uns mit dem Bericht, der ja ein kleines Buch geworden ist, eingehend genug zu befassen, um auch in den letzten Details klar zu sehen. Ich kann verstehen, daß der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit den Teilen 2 und 3 zurückgehalten hat. Wenn ich sage: „kurzfristig", so will ich damit bestimmt keinen Vorwurf erheben. Nur
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wäre es nötig gewesen, besonders den Teil 1 längere Zeit vorher zu versenden, damit sich diejenigen Abgeordneten, die mit agrarischen Dingen nicht so vertraut sind, ein wirkliches Bild von der Landwirtschaft und ihrer Lage hätten machen können.
Ich glaube, auch aus den Ausführungen des Herrn Ministers gestern ging mit ziemlicher Eindeutigkeit hervor, - Es ist ,dieselbe Unruhe, Herr Minister, wie gestern. Wenn über agrarische Dinge gesprochen wird, dann scheint das in diesem Hause zweitrangig zu sein.
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Ich glaube, das Haus ist stärker besetzt, als es im allgemeinen zu sein pflegt.
Fassbender ({0}), Antragsteller: Ja, aber unruhig, Herr Präsident!
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Wenn der Herr Minister uns gestern die Lage der Landwirtschaft schilderte, so darf man sagen, daß sie ernst ist, zum Teil besorgniserregend. Ernst deshalb, weil tatsächlich anscheinend auf dem platten Lande Verhältnisse eingetreten sind, die die Arbeit nicht mehr lohnen, das Brot für das deutsche Volk zu schaffen, ein Zustand, meine sehr verehrten Damen und Herren, den ich als außerordentlich gefährlich für die Fortentwicklung des gesamten deutschen Volkes ansehe.
Wenn man hört oder aus dem Bericht ersieht, daß kaum ein einziger Betrieb oder eine einzige Betriebssparte noch rentabel wirtschaftet, dann müssen wir uns, glaube ich, darüber im klaren sein, daß wir vom Bundestag aus die Pflicht haben, dafür zu sorgen, daß hier gründlichst Änderung geschaffen wird.
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- Ja, hoffentlich sind Sie dann auch bereit, den notwendigen Maßnahmen zuzustimmen.
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- Sie kommen ja nachher. Ich bin gern bereit, auch noch einmal zu antworten, wenn Sie es wünschen.
Es ist doch ein unmöglicher Zustand, daß trotz härtester Arbeit gerade unserer bäuerlichen Bevölkerung nach den Statistiken, die uns vorgelegt worden sind, die Verschuldung von Jahr zu Jahr wächst. Man überlege sich einmal: trotz Arbeitszeiten gerade im bäuerlichen Sektor, die nicht alltäglich sind, wachsende Verschuldung. Die Zinsenlast, die unsere Landwirtschaft zu tragen hat, ist heute praktisch doppelt so hoch wie im Jahre 1939,
- eine Entwicklung, die mir und auch meinen Freunden Sorge macht.
Ich glaube, man stellt nicht zuviel fest, wenn man erklärt: in den letzten Jahren ist eine dauernde Unterbewertung der ländlichen Arbeit zu einer Tatsache geworden, eine Unterbewertung, die teilweise so weit geht, daß die mithelfenden bäuerlichen Familienmitglieder - wenn sie bezahlt würden -, eine Entlohnung bekämen, die unter dem Los eines Erwerbslosen liegt.
Meine Damen und Herren, überlegen Sie, wohin es führen soll, wenn wir so weitermachen. Ich darf darauf hinweisen, daß die Folgen sozialer Natur gerade auf den deutschen Dörfern - es gibt auch dort eine soziale Frage - allerernstester Art sein werden, ja daß dieses Landvolk, auf die Dauer gesehen, nicht mehr bereit ist, diese harte Arbeit zu leisten, daß die Höfe und die Dörfer veröden, weil es billiger und bequemer ist, sich den Lebensunterhalt in der Industrie zu erwerben. Ich warne vor einer Entwicklung, die dazu führen wird, daß unsere Dörfer entvölkert werden. Haben wir nicht - gerade wir hier - ein Interesse daran, wenn wir an die großen nationalpolitischen Fragen denken, die eines Tages an uns herantreten werden, oder müssen wir nicht ein Interesse daran haben, daß der letzte Kleinbauer auf seinem Hof erhalten bleibt? Denken Sie an jenen Tag, an dem - hoffentlich kommt er recht bald - die deutschen Grenzen wieder da verlaufen, wo sie in den zwanziger Jahren verlaufen sind! Dann hätten wir vielleicht Gesamtdeutschland arealmäßig wieder, aber es würde uns dann an deutschen Bauern fehlen, um jene Flächen in Zukunft zu bestellen. Dann kann es sein - ich habe das schon einmal gesagt -, daß die schwarzrotgoldenen Grenzpfähle wieder jenseits von Ostpreußen stehen, daß aber in einem Teil Deutschlands aus Mangel an deutschen Bauern nicht mehr deutsch gesprochen werden wird. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß wir alle die ernste Aufgabe zu erfüllen haben werden, mit dem Minister in diesem Falle mitzugehen, um den Versuch zu unternehmen, Unglück und Schäden von der Landwirtschaft, aber auch vom gesamten deutschen Volke abzuwenden.
Was nun die einzelnen Maßnahmen betrifft, die die Bundesregierung nach der Ankündigung des Herrn Ministers durchzuführen bereit ist, so erkennen wir freimütig an, daß es zunächst eine Hilfe für die Landwirtschaft bedeutet, wenn man sie von der Umsatzsteuer befreit. Auch die Verbilligung der Düngemittel wird vom Landvolk dankbar anerkannt. Dasselbe gilt für die Verbilligung des Dieselkraftstoffs, für die Zinsverbilligung und für eine Reihe weiterer Maßnahmen. Wir sind uns klar darüber, daß hier ein Anfang gemacht ist;- doch mit diesen Mitteln sind wir noch nicht in der Lage, die Disparität, die Unterbewertung der Landarbeit gegenüber der gewerblichen Wirtschaft zu beseitigen. Das muß man klar sehen und auch klar aussprechen, und ich freue mich, daß die Bundesregierung hier einen Anfang gemacht hat. Ich hoffe jedoch, Herr Minister, allen Ernstes, daß Sie weiterarbeiten werden und uns in absehbarer Zeit zusätzliche Maßnahmen verkünden können, die notwendig sind, um der Landwirtschaft wieder zu dem zu verhelfen, was sie sein muß: der Nährstand des Volkes.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich zu unserm Antrag Drucksache 1848. Ich weiß, daß durch die Regierungsvorlage und die darin angekündigten Hilfsmaßnahmen eine ganze Reihe von Problemen, die wir angeschnitten haben, hinfällig geworden sind. Das betrifft die Umsatzsteuer, den Dieselkraftstoff und die Zinsverbilligungen. Zwei Dinge betrifft es allerdings nicht, und zwar erstens einmal die Freimachung landwirtschaftlicher Werkswohnungen. Ich halte es für einen unmöglichen Zustand, daß Werkswohnungen, die dazu erstellt worden sind, Arbeiter auf dem Hof zu
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haben und zu halten, werksfremd besetzt sind und bisher nicht haben frei gemacht werden können. Ich weiß, es ist schwierig, da es sich um Ländergesetze handelt. Ich glaube aber, die Bundesregierung darauf hinweisen zu sollen, daß die Länder aufgefordert werden müssen, beschleunigt dafür zu sorgen, daß der Landwirtschaft die Wohnungen für die notwendigen Fremdarbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Was wir in dem Regierungsbericht weiter vermissen, ist das, was in unserem Antrag als Kernproblem gedacht ist, nämlich die Milchpreisfrage. Wir haben in dem Antrag Drucksache 1848 verlangt, daß für eine Milch mit einem durchschnittlichen Fettgehalt von 3,2 % ein Ab-Hof-Preis von 32 Pf pro Liter bezahlt werden soll. Meine Damen und Herren, hier dreht es sich um Hilfe in allererster Linie für unsere kleinbäuerliche Bevölkerung. In unseren Kleinbetrieben machen die Einnahmen aus der Milch mindestens 35 bis teilweise 50 % aus. Gerade diesen kleinbäuerlichen Betrieben zu helfen, sollte unsere allererste Aufgabe sein, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil mit unserem Kleinbauerntum auch ein gut Teil Volksgesundheit erhalten werden kann. Wir bitten Sie - ich weiß, daß dieser Antrag an den Ausschuß gehen wird -, darauf hinzuarbeiten, daß sich der Agrarausschuß möglichst schnell mit diesen Dingen befaßt, damit wir in absehbarer Zeit über diesen von uns geforderten Milchpreis, der das Kernstück unseres Antrages ist, verhandeln können.
Weiterhin bitten wir, Herr Minister, die Möglichkeit zu untersuchen, ob nicht die Tbc-FreimachungsBeträge erhöht werden können; denn wir stehen auf dem Standpunkt, daß wir alle daran interessiert sein sollten, möglichst tbc-freie Ställe zu haben, und wir haben die Bitte, daß hier baldigst etwas unternommen wird.
Im großen und ganzen - das sagte ich schon - betrachten wir dieses Regierungsprogramm als einen Anfang. Hoffentlich ist es der Anfang zu einer Entwicklung, die dem Landvolk zu dem verhilft, worauf es Anspruch hat: zur gleichen Bewertung seiner harten Arbeit mit den übrigen Wirtschaftskreisen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es nicht der Zweck der heutigen Beratung ist, nun noch einmal in aller Breite die Lage der Landwirtschaft zu schildern, so wie wir das hier sehr oft getan haben und meinem Gefühl nach nicht immer zum Nutzen der Sache; denn wenn wir uns darüber zu beklagen hatten, daß dann ein großer Teil des Hauses sein Interesse an diesen Fragen nicht durch seine Anwesenheit bekundete, hat das vielleicht manchmal auch daran gelegen, daß wir die Kollegen, die etwas Neues erwarteten, enttäuschten, weil wir zu oft das wiederholten, was niemals bestritten worden ist.
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Ich möchte mich deshalb heute ausschließlich mit dem beschäftigen, was uns in Gestalt des Grünen Berichts und der ergänzenden Ausführungen des Herrn Landwirtschaftsministers tatsächlich zur Debatte gestellt ist, und dabei auf alle Melodramatik verzichten.
Meine Freunde begrüßen den Grünen Bericht als eine gesunde erste Grundlage für eine sachliche Diskussion der Lage der Landwirtschaft. Wir haben den dringenden Wunsch an alle, die es angeht, diesen Bericht nun nicht zu zerpflücken; denn das könnte nur auf Kosten seiner Glaubwürdigkeit geschehen. Es wird ohnehin niemand für sich in Anspruch nehmen, daß er sich jetzt schon mit all den einzelnen Berechnungen und Kalkulationen dieser sehr umfangreichen Drucksache kritisch auseinandergesetzt hat; es sei denn, daß Leute mit sehr viel besseren Beziehungen, als sie die Opposition hat, diesen Bericht in Einzelheiten schon sehr viel früher zur Kenntnis nehmen konnten. Die Materie wird uns im übrigen auch noch das ganze Jahr hindurch beschäftigen.
Ich wiederhole: man sollte sich hier nun nicht eine einzelne Zahl herauspicken und zeigen, daß zwar alles andere, das Elend nämlich, stimmt, daß aber nur diese eine Zahl nicht richtig ist. Es ist für unser Gefühl leider schon vor der Veröffentlichung des Bericht genügend geschehen, um ihn in seiner Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Damit sollte man auf keinen Fall mehr fortfahren. Schließlich müssen wir auf dem Standpunkt stehen - ich hoffe, das gilt für uns alle -, daß es sich hier nicht um eine Angelegenheit der Landwirtschaft handelt, ,sondern um eine Angelegenheit, die uns alle, die die gesamte Volkswirtschaft angeht und mit der sich alle auseinandersetzen sollen. Wir sollten nicht den Verdacht aufkommen lassen, als sei diese Geschichte für irgendeinen bestimmten Zweck zurechtgemacht und eigentlich eine mehr interne landwirtschaftliche Angelegenheit.
Zum Bericht im allgemeinen: Der Herr Minister hat gestern sehr offen darüber gesprochen, daß es in diesem Bericht natürlich noch Mängel gibt, sozusagen Kinderkrankheiten. Das kann niemanden wundern, der die Schwierigkeit der Materie kennt. Der Bericht ist ohne Vorgang in einer verhältnismäßig sehr kurzen Zeit erstellt worden. Er konnte auch nichts an der Tatsache ändern, daß in weite Bereiche der Landwirtschaft bisher überhaupt noch nicht hineingeleuchtet worden ist, und er konnte diesen sehr traurigen Zustand in der Kürze der Zeit natürlich auch nicht aus der Welt schaffen. Wir beschränken uns bei der Feststellung dieser Kinderkrankheiten nur auf den Wunsch, daß man immer mehr und immer weiter und immer besser an dieser Sache arbeiten möge, daß auch die Kosten nicht gespart werden sollen, um das Bild der Landwirtschaft in seiner unendlichen Differenziertheit immer klarer herauskommen zu lassen; denn das ist genau das, was wir brauchen.
Wir haben bei der Durchsicht des Berichts im übrigen mit besonderer Genugtuung uns an unser ständiges Bemühen erinnert, die Lage der Landwirtschaft in ihrer Vielfalt darzustellen, um endlich einmal von den verallgemeinernden Behauptungen darüber wegzukommen, ob es der Landwirtschaft gut oder ob es der Landwirtschaft schlecht geht. Zunächst kann ganz allgemein gesagt werden, daß diejenigen, die sich schon lange mit der Sache beschäftigt haben, aus dem Bericht und aus seinen letzten Resultaten, so wie sie sich etwa in der Graphik darstellen, nicht viel Neues gelernt haben. Wer sich mit der Sache gründlich beschäftigen konnte, hat schon immer gewußt, daß es in der Landwirtschaft ein sehr großes Gefälle gibt, daß also nicht von einer einheitlichen Lage gesprochen werden kann, und daß dieses Gefälle ganz ein({1})
deutig von den großen Betrieben zu den kleinen heruntergeht, von den intensiven Betrieben hin zu denen, die aus den verschiedensten, meistens naturbedingten Gründen, extensiv bewirtschaftet werden. Deshalb wünschen wir auch, daß bei der Fortführung dieser Arbeit, die wir ja jedes Jahr wieder zu erwarten haben, auf eine immer weiter getriebene Differenzierung, ich möchte sagen, auf eine immer weiter getriebene Verfeinerung des Bildes Wert gelegt wird, denn darin liegt dann ein ganz entscheidender Teil der Glaubwürdigkeit.
Vielleicht wird es schließlich dem einen oder anderen gar nicht lieb gewesen sein, daß man die Sache so genau gemacht hat. Es ist ja dabei herausgekommen, daß es erfreulicherweise in unserer Landwirtschaft auch Betriebe gibt, denen es keineswegs schlecht geht, sondern die eine ganz ordentliche Lage aufweisen können. Aber ich finde, wir haben im allgemeinen keinen Grund, darüber traurig zu sein, und die unmittelbar Betroffenen sollten eigentlich ihrem Schöpfer danken, daß er sie so viel bessergestellt hat als soundso viele ihrer Berufskollegen, und sollten nicht versuchen, den schlechten Eindruck zu vertiefen, der dadurch entstanden ist, daß manchmal gerade diejenigen, die aus Gegenden und Verhältnissen waren, in denen es keineswegs eine Krise gab, am lautesten geschrien haben. Wer von Ihnen sich mal die Mühe macht, in diesem Bericht gewissen Zusammenhängen zwischen der Häufung der größeren Betriebe, der intensiven Anbauformen, des Ertrags, der erzielt worden ist, nachzugehen, und sich dann fragt, ob gerade in diesen Gegenden die Not so groß war, daß man zu Veranstaltungen wie Käuferstreik usw. greifen mußte, der wird wieder einmal bestätigt finden, daß man nicht unter allen Umständen denen am meisten glauben muß, die am lautesten schreien. Abgesehen von einer gewissen Schadenfreude darüber, daß hier so deutlich nachzulesen ist, wie es mit der Glaubwürdigkeit der Schreier bestellt ist, bedauern wir, daß unter diesem Geschrei und dem, was man dann an Tatsachen feststellen kann, die Landwirtschaft in den Bereichen leidet, in denen zwar keineswegs so furchtbar geschrien, aber im wahrsten Sinne des Wortes gelitten wird. Für diese möchten wir Hilfe mobilisieren; deswegen habe ich diese Bemerkung gemacht. Wir wollen also ganz froh sein, daß wir in einem gewissen Bereich keine Sorgen zu haben und auch keine Maßnahmen zu treffen brauchen. Man hat ja schon gelegentlich über die Propagandareden hinweg in privatem Gespräch gehört: „Ach, sorgt man dafür, daß es nicht schlechter wird, dann ist es schon ganz gut!" Aber das gilt, wie gesagt, eben nur für einen Teil der Landwirtschaft.
Am allerwenigsten können wir eine Neuauflage jener Großagrarierpolitik gebrauchen, die die Kleinen vor sich her schiebt, auf ihr Elend hinweist und hofft, daß daraus dann ein politischer Druck entsteht, der zu Maßnahmen führt, die, wenn schon nicht den Kleinen, dann wenigstens denen helfen, die sich sozusagen zum Sprecher gemacht, die sich an die Spitze gestellt haben und es verstehen, davon einiges Wasser auf ihre Mühlen zu leiten. Das kostet der Landwirtschaft insgesamt Kredit. Ich hoffe sehr, daß mit diesem Bericht und mit dem, was hier an Tatsachen in Zahlen dargestellt ist, die Periode einer recht unsoliden, mehr auf Propaganda und auf, ich weiß nicht was, aber nicht auf Sachlichkeit abgestellten Art der Agrarpolitik ihr Ende haben möge.
Noch einmal: Man sollte hier nicht auf Einzelheften der einen oder anderen Zahlenkolonne eingehen. Wir werden uns im Laufe des Jahres immer wieder damit beschäftigen müssen, wir werden ständig auf diesen Bericht zurückzukommen haben, und wir werden das insbesondere dann tun, wenn wir uns um die Verfeinerung der Methoden bemühen, ebenso dann, wenn wir uns um die Abwägung der Zweckmäßigkeit der einzelnen Maßnahmen bemühen, die aus dem Programm der Regierung gestern angekündigt worden sind.
Zum Schluß noch eine Bemerkung zu dem Bericht. Ich habe schon gesagt, es geht hier nicht nur um die Landwirtschaft. Nicht nur die Landwirte, die Agrarpolitiker oder die Haushaltsleute sollten sich damit befassen, sondern auch alle diejenigen, die in unserer Volkswirtschaft wirtschaftliche Berechnungen anstellen, die Zusammenhänge beurteilen können. Ich knüpfe an diesen Bericht u. a. auch die Hoffnung, daß das allgemeine Interesse an Fragen der Landwirtschaft nun größer werden wird, als es leider bisher der Fall gewesen ist. Wir haben auch über mangelndes Interesse heute Klagen gehört, und ich stehe nicht an zu sagen, daß ich auch selber viele Artikel, manchmal sogar in sehr ernst zu nehmenden Zeitungen, gelesen habe, Artikel von Leuten, die für sich in Anspruch nehmen, Wirtschaftstheoretiker zu sein, denen aber das rechte Verständnis abgegangen ist. Dem einen oder anderen fehlt es vielleicht sogar auch ein bißchen am guten Willen. Aber machen wir uns doch bitte darüber nichts vor, daß vieles von dem, was wir an öffentlichem Interesse, an echter Anteilnahme, an Mitarbeit aus anderen Wirtschaftskreisen - schon weil es sich ja um deren Geld handelt - brauchen, in soundso vielen Fällen verprellt worden ist. Ich habe z. B. vor kurzem mit Entsetzen gelesen, daß sich irgend jemand, der zu den Sprechern der Landwirtschaft gehört, hinstellt und von anerkannten Wissenschaftlern sagt, daß sie bar jeden Gefühls und jeden Verständnisses für die Landwirtschaft seien, und der sie geradezu zurückweist. Ich kann nicht annehmen, daß daraus die Mitarbeit und die Zusammenarbeit erwächst, die wir brauchen. Wir können überhaupt keinen Angriff auf die Wissenschaft gebrauchen, am allerwenigsten mit Argumenten wie: die Probleme der Landwirtschaft eigneten sich nicht dazu, mit den wirtschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Methoden untersucht zu werden, die sonst üblich sind.
Daß es in der Landwirtschaft weite Bereiche gibt, die nicht in Ordnung sind, geht auch aus diesem Bericht mit aller Deutlichkeit hervor. Es soll hier mit Nachdruck ausgesprochen werden: die hier festgehaltene Tatsache, daß die 20 % der Erwerbspersonen, die in der Landwirtschaft tätig sind, nur 10 % des Sozialprodukts erzeugen, ist keineswegs die Schuld der einzelnen in der Landwirtschaft Tätigen. Wer mit offenen Augen durch das Land fährt und wer nicht geradezu verbohrt ist oder noch allzuviel an alten Ressentiments mit sich herumschleppt, kann schließlich nicht übersehen, daß man sich im großen ganzen in der Landwirtschaft individuell - ich meine, auf den einzelnen bezogen sehr viel mehr quält als in den meisten anderen Berufen. Wenn es nur darauf ankäme, ein großes Stück Arbeit zu leisten, dann würde diese Bilanz ganz anders aussehen. In den Fällen, um die es sich hier handelt, fehlen aber ganz einfach die Voraussetzungen für den
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echten wirtschaftlichen Nutzeffekt der Arbeitsleistungen; und diese Voraussetzungen zu schaffen, kann nicht den unmittelbar Betroffenen überlassen werden. Das ist in ganz großem Umfang eine öffentliche Aufgabe.
Es handelt sich hier ja doch um die schrecklichen Versäumnisse in der Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte und nach unserem Gefühl auch der letzten paar Jahre, die wir uns nun anschicken nachzuholen. Dabei dreht es sich keineswegs immer nur um die oft zitierten Strukturmängel. Es ist nicht nur das Problem, daß soundso viele Betriebe ganz einfach zu klein sind, sondern es soll bei dieser Gelegenheit auch ruhig einmal an den Umstand erinnert werden, daß sehr oft gewisse Wunder - „Wirtschaftswunder" nennt man das so allgemein - auf Kosten der Landwirtschaft erzielt worden sind und daß infolge dieser Art von Agrarpolitik auch solche Betriebe in großer Zahl in Verdrückung gekommen sind, deren strukturelle Grundlagen - ich meine ihre Größe, die Geschlossenheit ihrer Fläche usw. - durchaus in Ordnung sind und die trotzdem nicht mitkommen konnten.
Wir alle erinnern uns vielleicht noch daran, wie das „Dritte Reich" seine diversen Wirtschafts- und Aufrüstungswunder vollbracht hat. Damals hat man zum Schluß sogar zugeben müssen, daß das auf Kosten der Landwirtschaft geschah. Der eine oder andere, der heute noch so die Vorstellung hat, damals sei alles so großartig gewesen, weil alle Preise fest gewesen seien und Absatzschwierigkeiten überhaupt nicht bestanden hätten, möge sich doch auch einmal an sein Eisernes Sparkonto und an ähnliche Dinge erinnern, um zu wissen, wie sehr damals die Landwirtschaft ausgeblutet wurde, damit diese anderen Leistungen erstellt werden konnten.
Eine gewisse Parallele gibt es dafür auch in der jüngeren Zeit. Wenn man sich an die unterschiedliche Behandlung der Leute, die da, und zwar sogar mit einem gewissen offiziellen Segen, Sachwerte gehortet haben, und der Landwirtschaft, die abliefern mußte, erinnert, dann hat man den Anschluß an das, was ich Parallele nenne. Man stelle sich einmal vor, wie die Sache gelaufen wäre, wenn nicht festgehaltene niedrige Lebensmittelpreise und dadurch ermöglichte niedrige Löhne einen rasanten Aufbau anderer Wirtschaftsbereiche ermöglicht hätten, wenn man die Landwirtschaft auch gleich so auf den Markt losgelassen hätte, wie man die Leute, die vor der Währungsreform ihre Sachwerte gehortet hatten, auf den Markt losließ, und wenn die gewerbliche Wirtschaft die sich daraus über Lebensmittelpreise und Löhne naturnotwendig ergebenden Konsequenzen hätte verkraften müssen. Dann weiß man vielleicht genau, was ich meine, wenn ich sage: Es ist auch noch in der jüngsten Zeit auf Kosten der Landwirtschaft gewirtschaftet worden. Das soll gerade in einem Augenblick gesagt werden, in dem es sich um die Frage handelt, ob nennenswerte Beträge eingesetzt werden sollen, um die Folgen einer fehlerhaften Entwicklung so schnell wie möglich gutzumachen.
Ehe ich mich anderen Fragen zuwende, möchte ich noch ein Wort zu den kalkulatorischen Posten des Berichtes sagen. Wir sind uns sicherlich alle darin einig, daß bezüglich der Lohnhöhe, die hier errechnet und angesetzt worden ist, in keiner Weise von einer Übertreibung zu reden ist. Vielleicht wird manchem, der sich die Mühe macht, diesen Bericht zu lesen, jetzt erst bewußt, wie stark das Lohngefälle von der Stadt zum Lande ist. Das wird ihm erst dann völlig bewußt, wenn er weiß, daß die hier festgesetzten Löhne - die hier für notwendig gehaltenen Löhne also! - in keiner Weise dem entsprechen, was im allgemeinen bezahlt wird. Wir stehen also auch hier erst am Anfang.
Schließlich müssen wir uns darüber klar sein, daß wir weder auf die Landwirtschaft verzichten können noch daß wir die in ihr zu leistenden Arbeitsvorgänge durchweg auf eine Weise entlasten können, wie das die Technik in der Industrie erlaubt. Je mehr unser industrieller Wohlstand wächst und je besser die Lebensverhältnisse in der gewerblichen, industriellen Wirtschaft werden, desto notwendiger wird es sein, das zu tun, was mein Kollege Baade bei der dritten Lesung des Landwirtschaftsgesetzes hier schon zum Ausdruck gebracht hat: durch ganz bewußte Maßnahmen finanzielle Transferierungen in die Landwirtschaft hinein vorzunehmen, die sie über den Markt einfach nicht erzielen kann.
Wir dürfen uns im übrigen an dieser Frage des Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Leute - ob das nun familienfremde Arbeitskräfte sind oder ob es die große Zahl der familieneigenen Arbeitskräfte ist - sowieso nicht desinteressieren. Es dreht sich hier ja nicht bloß um eine Frage der sozialen Gerechtigkeit - die sowieso schon unsere Aufmerksamkeit mit vollem Recht in Anspruch nehmen würde -, es geht hier auch um Fragen des inneren Marktes und um Fragen der Kaufkraft. Sie verstehen jetzt vielleicht, warum wir bei der Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes immer wieder versucht haben, auch die Finanzpolitik anzusprechen als eines der Mittel, das eingesetzt werden muß, um der Landwirtschaft Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Der Minister hat gestern darauf hingewiesen - und ich bin ihm dankbar für jede Offenheit, die hier bei der Besprechung dieses Berichts von ihm in seinen Ausführungen an den Tag gelegt worden ist; denn hier ist gar nichts zu verstecken und hier sollte auch niemand das Gefühl haben, als gäbe es so eine gewisse Verschwörung, die sich da nicht in die Karten gucken lassen möchte -, daß man sich über die Frage des Arbeitskräftebesatzes noch nicht geeinigt hat. Ein Blick in die Tabelle zeigt, daß das tatsächlich eine der Schlüsselpositionen ist, eine der Fragestellungen, an der sich entscheidet, ob die Landwirtschaft schon rentabel oder noch nicht rentabel ist. Wer sich den Unterschied zwischen dem Arbeitskräftebesatz, wie er für die größeren Betriebe und wie er für die kleineren und kleinsten Betriebe angesetzt ist, klarmacht, der weiß, daß hier auch noch eine große Reserve bezüglich der Rentabilität liegt.
Es ist nicht so einfach, wie es sich manche Leute vorstellen, daß man nur die Leute vom Lande wegzuschaffen brauche, die heute vielleicht durch Maschinen ersetzt werden könnten. Erstens sollte man über Menschen und über das, was sie gerne möchten, sowieso nicht mit einer Handbewegung hinweggehen, und zweitens kann man niemanden aus der Tätigkeit, die er im Augenblick ausübt - wenn er noch so kümmerlich davon lebt -, herausnehmen oder herausdrängen, wenn man ihm nicht im gleichen Augenblick eine mindestens ebenso sichere und mindestens ebenso einträgliche - eigentlich noch einträglichere - Tätigkeit auf irgendeinem anderen Gebiet zuweisen kann.
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Trotzdem würde ich es dankbar begrüßen, wenn man an den Komplex „Der Mensch auf dem Lande" mit aller gebotenen Nüchternheit heranginge. Vielleicht unter dem Eindruck mancher Zahlen ist jetzt verschiedentlich gesagt worden, daß man die Landwirtschaft nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten dürfe; denn Landwirtschaft sei doch etwas anderes als gewöhnliche Wirtschaft. Dann hört man immer wieder die Anklänge an jene Zeit, die längst vorbei ist und die eigentlich auch jeder in sich schon abgeschafft und abgeschlossen haben sollte, wenn wir auch mit diesen furchtbaren Folgen in der Landwirtschaft noch nicht fertig sind. Dann wird vom „Blutquell der Nation" gesprochen und davon, daß das Volk auf dem Lande der Hort der Tugend sei und deswegen schon besonders hoch bezahlt werden müsse usw. Nun, meine Damen und Herren, ich weiß aus eigener glücklicher Erfahrung, wie viel innere Befriedigung und wie viel seelisches Gleichgewicht einem Menschen die Arbeit auf dem Lande, die Arbeit mit dem Lebendigen geben kann. Wahrscheinlich sind viele Leute in diese Arbeit trotz mancher Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten deshalb so verliebt, weil sie diese Erfahrungen auf dem Acker, mit dem Vieh einmal gemacht haben. Aber das ist eine persönliche Angelegenheit. Daraus kann man nicht volkswirtschaftliches Kapital zu schlagen versuchen, das kann man nicht zu irgendwelchen pseudomoralischen Forderungen übersteigern. Ich sage ganz deutlich: Wer mit dieser, für meinen Geschmack etwas sehr, sehr unglaubwürdigen Romantik arbeitet, der erhält vielleicht eine gewisse Zeit lang noch eine gewisse Stimmung auf dem Lande, vielleicht sogar eine Stimmung, die sich hier und da auch einmal in Wahlkämpfen parteipolitisch auszahlt, wenn man, anstatt mit Tatsachen und Zahlen und Leistungen zu arbeiten, so mit dem Gefühl an die Leute herangeht: Wir sind für die Bauern; wir wollen, daß hier alles so unzweckmäßig und so unzulänglich und so rückständig bleibt, wie es ist, weil ihr das so gewöhnt seid. Aber klarsein sollen sich diese romantischen Leute darüber, daß die Bauern das bezahlen müssen, und zwar in barem Geld,
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und das um so mehr, je dichter wir an die Probleme herankommen, die mit der europäischen Integration zusammenhängen.
Jeder von uns, der sich jenseits unserer Grenzen einmal umgesehen hit, weiß, daß in anderen Ländern die Landwirtschaft nicht einmal von den Agrarpolitikern oder von den Agrarpropagandisten als eine Weltanschauung hingestellt wird. Für sie ist das ein Teil der Volkswirtschaft, und der sichert sich seine Rechte in dieser Volkswirtschaft. Ich habe den Eindruck, daß man um so besser in der Landwirtschaft lebt, je weniger man sie weltanschaulich betreibt, und das bessere Leben sollte eigentlich unser Ziel sein. Man sollte die Leute, die sich dort schwer genug quälen müssen, möglichst in barer Münze auszahlen und sie nicht mit irgendwelchen Redensarten darüber hinwegtrösten, daß für sie halt nichts getan wird.
Noch einmal zusammenfassend zum Bericht! Er scheint uns der Anfang einer sachlichen Diskussion zu sein, weil er ein paar handfeste Tatsachen noch einmal durchleuchtet. Wir haben nur den einen Wunsch, daß in dieser Richtung weitergegangen wird, daß man nicht etwa wartet, bis der nächste 15. Februar wieder dräuend vor der Tür steht, und sich dann in aller Eile daranmacht; daß vor allen Dingen niemand daran herumzuretuschieren versucht aus Angst, das Zahlenergebnis könne sonst nicht in seine Propagandakonzepte passen. Der Bericht sollte wirklich eine von allen Seiten anerkannte und in ihrer Glaubwürdigkeit völlig unbestrittene Beweisführung sein, und alles, was dazu an Haushaltsmitteln notwendig ist, dieses Instrument zu verbessern und zu verfeinern, sollte von uns allen in aller Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt werden. Hier wäre Sparsamkeit am allerwenigsten am Platze; denn hier kann mit verhältnismäßig wenig Geld sehr viel getan werden.
Lassen Sie mich nun etwas zu den Maßnahmen sagen. Ich habe die Zusammenstellung der bisherigen Aufwendungen, wie sie gestern am Anfang der Rede des Herrn Ministers hier vorgetragen wurde und wie sie heute im Anhang zu Drucksache 2100 uns vorliegt, sehr begrüßt. Meine Freunde und ich haben nicht immer alle Aufwendungen für sehr zweckmäßig gehalten, aber wir haben Gott sei Dank nie zu den Leuten gehört, die gesagt haben, es geschehe für die Landwirtschaft nichts. Wenn man auch sehr, sehr schwer an den Punkt kommen wird, an dem man sagen kann: Nun fangen die finanziellen Leistungen aus dem Leistungsvermögen der deutschen Wirtschaft für die Landwirtschaft an, das notwendige Maß zu überschreiten, so haben wir doch immerhin schon Beträge ausgegeben, die sich durchaus sehen lassen können. Bei dem, was da im Haushalt aus Steuermitteln ausgegeben worden ist, möge man bitte auch nicht die Last zugunsten der Landwirtschaft vergessen, die von den Verbrauchern getragen worden ist, etwa in Form der Abschöpfung, in Form der Maßnahmen, die mit der Marktordnung zusammenhängen usw. Auch das sind schließlich Leistungen für die Landwirtschaft, und ich stimme mit dem Minister in seiner Entrüstung über diejenigen völlig überein, die dort draußen herumlaufen und es sich so bequem machen, zu erzählen, daß noch gar nichts geschehen sei. Ich habe gestern meine Freunde, insbesondere diejenigen, die im baden-württembergischen Wahlkampf tätig sind, sehr ernsthaft befragt, ob sich etwa einer von ihnen dieser trostlosen Demagogie schuldig gemacht habe, zu sagen, es sei nichts geschehen, es fehlten im übrigen sechs und soundso viel Milliarden. Sie haben mir auf Ehre und Gewissen versichert: Nein - also von dieser Seite ist es keiner gewesen. - Herr Minister, Sie müßten also mal gucken, ob Sie nicht ein paar finden und namhaft machen können, damit sie uns vielleicht vor einem etwas kritischeren Publikum als einer Bauernversammlung sagen können, wie sie eigentlich zu ihren Behauptungen kommen!
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Wir begrüßen es - um nun auf die Maßnahmen im einzelnen einzugehen -, daß die Regierung nicht kapituliert hat vor den zum Teil sehr törichten Forderungen und den teilweise, ich möchte sagen, lächerlichen Drohungen, die da an die Vorlage des Grünen Berichts geknüpft worden sind oder mit denen man versucht hat, hier bestimmte Wege vorzuschreiben. Wir sehen mit Genugtuung, daß die Regierung jetzt manche Maßnahmen in ihr Programm aufgenommen hat, die zum Teil schon vor längerer Zeit von uns gefordert worden sind,
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über die Anträge von uns vorliegen, deren Berechtigung aber von der Mehrheit bestritten wurde. Denken Sie an die Molkereistruktur; das steht jetzt erfreulicherweise hier drin, damals war das „noch
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gar nicht nötig", da war „alles in bester Ordnung"! Oder denken Sie an die von uns Jahre hindurch gegen Ihren Widerstand immer wieder vergeblich geforderte und von Ihnen abgelehnte Finanzierung der Milchspeisung in den Schulen!
Ich will nun nicht alle Maßnahmen im einzelnen durchgehen. Ich möchte nicht allzuviel von der Zeit wegnehmen, die wir am Freitag erfahrungsgemäß für eine solche Debatte nur haben - es ist sehr bedauerlich, daß wir diese Debatte an einem Freitag führen müssen, aber das läßt sich im Augenblick ja nicht mehr ändern -, und möchte mich deshalb so kurz fassen, wie es nur irgendwie geht. Ich möchte es vor allen Dingen deshalb nicht so Punkt für Punkt tun, weil sich die vernünftigen Leute im Grunde über den Katalog der Maßnahmen, die getroffen werden sollten, längst einig sind. Ich bin sogar der Meinung, wir hätten in diesem Hause nach dieser Richtung längst mehr tun können, wenn wir nicht so schrecklich viel Zeit damit verloren hätten, uns immer wieder über Wege zu unterhalten, die zwar auf den ersten Blick sehr angenehm und sehr plausibel erscheinen, aber eben doch nicht gangbar sind. Wir hätten schon längst das eine oder andere mit der Zustimmung des ganzen Hauses machen können, wenn sich nicht immer wieder einer gefunden hätte, der - ich weiß nicht, ob aus falsch verstandenem Ehrgefühl oder aus völlig überflüssigem Respekt vor dem Finanzminister - die These aufgestellt hätte: Subventionen kommen gar nicht in Frage! Wir lassen uns nichts schenken, wir wollen unser Geld ehrlich verdienen! Und mit diesem „ehrlich Verdienen" meint man, die Regierung soll die Preise heraufsetzen, was ja auch eine Art des ehrlichen Verdienens ist, aber keine, die für die Landwirtschaft, vor allen Dingen für die Bereiche, in denen wirklich von einer akuten großen sozialen und wirtschaftlichen Not gesprochen werden muß, irgendwie wirksam werden kann.
Wie gesagt, über den Katalog sind wir uns einig. Das kostet natürlich Geld, das haben wir nie verhehlt. Wir möchten auch mit allem Nachdruck sagen, daß wir über den Betrag, den der Minister gestern mit rund 900 Millionen Mark angegeben hat, keineswegs erschreckt sind. Wir halten ihn auch nicht für die Lösung schlechthin, sondern wir wissen: das ist ein Anfang. Ich kann denjenigen, die mit besonderer Sorge über die Bundesfinanzen und ihre Verteilung nach der Wichtigkeit der betreffenden Gebiete zu wachen haben, nur den dringenden Rat geben, sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß das - wie auch immer der Landwirtschaftsbericht ausfallen möge - noch eine ganze Weile, mindestens viele Jahre hindurch, immer wiederkehren wird.
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Erlauben Sie mir bei der Gelegenheit noch einmal daran zu erinnern, mit welchem Nachdruck wir darum gekämpft haben, die Finanzpolitik möge ausdrücklich angesprochen werden, wenn es sich darum handelt, die Einrichtungen oder die Möglichkeiten aufzuzählen, mit denen der Landwirtschaft wirksam geholfen werden kann. Es geht natürlich nicht so, daß man sagt: „Jetzt haben wir gerade ein bißchen Geld. Der Julius-Turm ist da - davon hat doch der eine oder andere etwas erzählt -; so können wir davon auch einmal für die Landwirtschaft etwas verteilen." Unserer Überzeugung nach handelt es sich hier um so dringliche Probleme, daß sie schon bei der ersten Vorkalkulation über die Verteilung der Mittel im Haushaltsplan in der genügenden Größenordnung mit berücksichtigt werden müssen. Wir können das hier nicht vom Zufall abhängen lassen. Eine ganze Menge dieser Maßnahmen brauchte überhaupt nicht angefangen zu werden, wenn man etwa die Vorstellung hat: Na, das machen wir einmal so mit zwei oder sechs oder mit fünf oder zehn Millionen DM, und im nächsten Jahr wird davon nicht mehr geredet. Wie gesagt: der Betrag ist nicht zu hoch; er ist auch nicht einmalig, und man soll sich rechtzeitig darauf einstellen.
Lassen Sie mich zu einzelnen Punkten - nicht zu allen, wie ich schon gesagt habe - des Programms ein paar spezielle Bemerkungen machen. Wenn hier im Rahmen eines Landwirtschaftsprogramms Mittel ausgegeben werden für die Elektrifizierung, für die Wasserversorgung, für die großen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen, die nicht darin bestehen, daß man jemandem auf seinem eigenen Lande einen Graben zieht, sondern daß man an der oder jener Stelle um Deutschland herum einen Deich oder eine Schleuse baut; wenn hier Mittel ausgegeben oder angekündigt - will ich vorsichtshalber sagen - werden für den Wegebau, dann sollte man sich überall darüber klar sein: hier handelt es sich um keine großartigen Geschenke an die Landwirtschaft. In der Tatsache, daß es heute noch ein paar tausend Dörfer ohne Anschluß an die elektrische Stromversorgung gibt und daß es noch eine größere Anzahl von Dörfern gibt, in denen dieser Anschluß so primitiv ist, daß er praktisch - gemessen an den heutigen Bedürfnissen - überhaupt nicht besteht, kommt etwas ganz anderes zum Ausdruck als etwa die Rückständigkeit der Landwirtschaft. Es kommt nur zum Ausdruck, was ich vorhin schon angeführt habe: man hat sich sehr häufig bis in die letzte Zeit hinein das Leben auf Kosten der Landwirtschaft leicht gemacht. Sowohl in wirtschaftlicher wie in sozialer Hinsicht ist das flache Land bei uns sehr viel weniger durchorganisiert, sehr viel weniger den zivilisatorischen Erfordernissen angepaßt worden, als das in den Ländern der Fall ist, mit denen unsere Bauern konkurrieren müssen. Diese Gelder werden also keineswegs der Landwirtschaft gegeben, sondern sie werden einfach für längst fällige Nachholaufgaben der allgemeinen Wirtschaft ausgegeben. Davon sollten wir also im Rahmen dieses Programms nicht allzuviel reden. Es ist eher eine Schande für die Energiewirtschaft oder für die Bereiche, die dafür zuständig sind, wenn es heute noch Dörfer ohne elektrischen Anschluß gibt. Es ist ein furchtbarer Mangel an Hygiene, für die wir alle zusammen zuständig sind, wenn es noch Tausende, ja fast Zehntausende von Leuten gibt, die ihr Wasser aus offenen Gräben holen müssen, weil sie nicht einmal Brunnen graben können und weil man es bisher unterlassen hat, ihnen Wasserleitungen zu legen. Wie gesagt, es ist die höchste Zeit, daß das in Ordnung kommt, und wir sollten uns damit nicht so furchtbar rühmen.
Ganz allgemein möchte ich zu den Anträgen, die auf eine Steuersenkung oder auf einen Steuerverzicht hinauslaufen, folgendes sagen. Wir haben - wie einige andere Fraktionen - schon längst diesbezügliche Anträge eingereicht. Wir halten auch heute den Steuerverzicht immer noch für sehr viel eleganter und für sehr viel wirksamer als Preiserhöhungen, von denen man bekanntlich weiß, daß sie immer nur andeutungsweise bei dem Bauern ankommen, für den sie eigentlich ge({9})
macht worden sind. Wir haben, um es kurz zu sagen, das Gefühl, daß für Gemeinschaftsanlagen entschieden zuwenig ausgegeben wird. Es hat keinen Sinn, wenn wir uns immer wieder darüber aufregen, daß der eine oder andere Bauer einen zu großen Trecker oder irgendeine andere Maschine gekauft hat, obwohl er sie auf seinem Betrieb nicht wirksam einsetzen kann, wenn wir nicht die öffentlichen Leistungen erbringen, die notwendig sind und die in anderen und keineswegs kollektivistischen Ländern - denn z. B. Österreich wird wohl keiner für ein kollektivistisches Land halten, nehme ich an - schon längst in einer ganz anderen Perfektion und in einem anderen Umfange vollbracht worden sind.
Wir begrüßen sehr, daß man etwas für die Milchkontrolle tut. Wer weiß, wie groß der Unterschied zwischen den kontrollierten und den nicht kontrollierten Kühen ist, der erkennt, daß hier eine sehr viel größere Einnahmereserve drinsteckt, als sie durch irgendeine Milchpreiserhöhung erschlossen werden könnte. Es ist trostlos, daß das nicht schon längst geschehen ist. Hoffentlich wird die Geschichte vernünftig und nicht etwa so gemacht, daß diejenigen, die bisher schon den Wert der Kontrolle erkannten, von ihren Beiträgen befreit werden und die anderen, die sich aus Mangel an Mitteln oder aus mangelnder Erkenntnis der Kontrolle noch nicht angeschlossen haben, nach wie vor draußen bleiben! Aber über die Frage des Zielens der Maßnahmen lassen Sie mich nachher noch einige Bemerkungen machen.
Auch das begrüßen wir sehr, daß die Beratung intensiviert werden soll und daß dazu Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wir hoffen, daß wir einmal Gelegenheit haben werden, mit Herrn Dr. Lübke darüber zu reden, inwieweit wir nun auch noch andere zur Beratung gehörende Einrichtungen und Maßnahmen schaffen können, um dieses Instrument voll wirksam zu machen.
Bitte, seien wir uns doch einmal darüber klar: die Versorgung mit Schulen auf dem Lande ist auch heute noch in weiten Bereichen katastrophal schlecht! Und es ist auch wieder nicht die Schuld der Bauern, daß ihre Kinder durchweg weniger lernen als die Kinder derjenigen, die in den Städten leben. Wir haben eine Fülle von einklassigen und von zweiklassigen Schulen usw. Man braucht nicht extra Lehrer zu sein, um zu wissen, was dabei nicht herauskommen kann. Um so größer ist die Aufgabe, die Erwachsenen mit den Ergebnissen der Forschung und den Fortschritten der Technik vertraut zu machen. Wir sehen in der Beratung das wirksamste Mittel dazu.
Ein Wort noch zu der Altersversorgung. Sie ist auch nicht nur eine Angelegenheit der sozialen Gerechtigkeit, sondern hat eine eminent praktische Bedeutung. Sie ist gestern in den Ausführungen des Ministers unserem Gefühl nach doch vielleicht ein bißchen zu kurz gekommen. Wir wissen, daß es eine große Zahl von Betrieben gibt - sie geht in die Hunderttausende -, die zu klein sind, um zwei Familien ernähren zu können, nämlich den Vater und die Mutter, die abgegeben haben, aber noch am Leben sind, und die wachsende Familie des Sohnes, der als Hoferbe den Betrieb übernehmen mußte. Die Folge davon ist, daß sich auf unzähligen Betrieben alte Leute auf eine geradezu trostlose und wirtschaftlich natürlich resultatlose Weise herumquälen, den Betrieb dem Jungen nicht übergeben können oder ihm den Betrieb erst dann übergeben, wenn er ihn eigentlich schon wieder an seinen Sohn weitergeben sollte; und das alles nur, weil die Frage der Altersversorgung nicht geregelt ist. Nun ist es natürlich großartig, wenn da so die Werber einer gewissen Lebensversicherung und Altersversicherung auf dem Lande herumlaufen und sagen: Der Bauer ist stolz, das ist ein freier Mann auf freier Scholle, der läßt sich nichts vorschreiben, und der läßt sich auch nichts schenken, und der macht alles, wie er will, und der versichert sich auch halt, wenn er das für nötig hält. Das macht einen guten Eindruck auf die Leute; aber die übergroße Zahl ist ja gar nicht in der Lage, sich zu versichern. Und das Elend wäre noch sehr viel größer, wenn nicht in den kleinbäuerlichen Bezirken so viele aus ihrer Jugend Ansprüche an die Sozialversicherung hätten. Eine Altersversicherung kann nur dann wirklich funktionieren, wenn sie obligatorisch ist und sehr erhebliche öffentliche Zuschüsse bekommt; denn von den Beiträgen kann sie nicht leben; die wirtschaftliche Grundlage der Leute, um die es sich handelt, ist ja viel zu klein, als daß sie für ihr Alter in einem solchen Maße vorsorgen können, daß sie zur rechten Zeit den Hof an jüngere, ideenreichere, besser ausgebildete, aktivere Nachfolger übergeben können. Ich möchte, daß wir hierauf unsere Aufmerksamkeit lenken.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu den italienischen Arbeitskräften machen. Ich will damit nichts gegen die Italiener sagen. Ich mag sie gern und würde am liebsten jedes Jahr ein paar Monate unter ihnen zubringen. Ich weiß auch aus der eigenen praktischen Erfahrung, daß man in der Landwirtschaft, wenn man Glück hat, mit ihnen ganz gut kramen kann. Aber trotzdem halten wir es für ein sehr zweifelhaftes Unternehmen, wenn man ausländische Arbeitskräfte ins Land holt zu einem Zeitpunkt, wo es eigene arbeitslose Landarbeiter gibt.
Zugegeben, es mag dem einen oder andern Betriebsinhaber bequemer sein, mit ledigen Leuten zu arbeiten, auf die man nicht soviel Rücksicht zu nehmen braucht, als mit Verheirateten, die nun einmal eine gewisse Selbständigkeit haben und an denen auch die eine oder andere soziale Verpflichtung mehr hängt. Aber da wir nicht nur einen Familienminister, sondern sicher auch alle Familiensinn haben, sollten wir uns für die Förderung der Familie auf einem Gebiet, wo wirklich Raum und Sinn dafür vorhanden ist und die Notwendigkeit dazu besteht, ein bißchen mehr interessieren, als es bisher geschieht. Denn es hat gar keinen Sinn, über die Landflucht zu reden in einem Augenblick, in dem von sechs jungen ledigen Leuten, die in der Landwirtschaft arbeiten, fünf diesen Beruf verlassen müssen, wenn sie heiraten wollen, weil eben die Landwirtschaft nicht mehr Stellen für Verheiratete anbietet. Ich glaube nicht, daß das nur an den besetzten Werkswohnungen liegt. Ich glaube, das liegt hier und da sicher auch ein bißchen daran, daß man diese Sache noch nicht so, sagen wir mal, mit den Augen des Herrn Familienministers angesehen hat. Vielleicht sollten wir ihn einmal bitten, uns darüber Ausführungen zu machen. Das würde zur Lösung der Frage der Arbeitskräfte auf dem Lande sehr viel mehr beitragen, als wenn wir etwa versuchen, den Zugang von fremden, importierten Arbeitskräften dadurch einfacher zu machen, daß die Kosten da({10})
für die Bundesanstalt trägt. Das würde nämlich darauf hinauslaufen, daß die deutschen Arbeiter, die an diese Bundesanstalt Beiträge abführen, eine Weile arbeitslos sind, während unterdes mit einem Teil ihrer Beiträge fremde Arbeitskräfte hier in Deutschland in Arbeit gesetzt werden.
Und nun gestatten Sie mir noch eine Bemerkung, die mir soeben einfällt. Es ist hier davon die Rede gewesen, man solle doch auch versuchen, die sozialen Leistungen in der Landwirtschaft, gerade was die Arbeitskräfte angeht, die sozialen Versicherungen usw. mehr an das anzupassen, was in der Stadt geboten wird. Auch das ist zweifellos eine absolut notwendige Maßnahme zur Bekämpfung des sogenannten bzw. des tatsächlichen Arbeitskräftemangels auf dem Lande. Ich wollte eben sagen: der sogenannten Landflucht. Ich gebrauche dieses Wort nicht sehr gern, weil es nach meiner Ansicht aus dem romantischen Vokabular stammt und weil die Tatbestände nur verwischt werden, wenn man mit solchen Vokabeln operiert.
Aber man sollte hier weiter gehen, als es die Regierung in ihrem Katalog tut. Man sollte dieses Ziel nicht nur anstreben. Wir haben durch einen Antrag, der Ihnen vorliegt, ebenfalls einen Weg gewiesen und bitten, daß wie zu vielen anderen Anträgen hier möglichst konkret ja gesagt wird, damit wir eine ganze Reihe von dem, was im Programm noch mehr oder weniger vage ist, möglichst schnell in die Praxis umsetzen.
Vielleicht gestatten Sie mir noch ein paar allgemeine Bemerkungen kritischer Natur. Manche Formulierungen in dem Programm sind so allgemein, daß man nicht genau weiß, ob die Beträge, von denen dort die Rede ist, nun zusätzliche Aufwendungen sind oder ob es nur eine Bezugnahme auf den Haushaltstitel ist. Ganz besonders hat es mich stutzig gemacht, als ich hörte, daß die 50 Millionen DM - das sage ich nur als ein Beispiel und nicht des Falles selber wegen -, die für den Landarbeiterwohnungsbau ausgesetzt sind, keineswegs eine neue Leistung darstellen, sondern nur aus Mitteln genommen werden, die der Bund ohnehin schon für den Wohnungsbau bereitgestellt hat.
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Man weiß also nicht recht, ob der Finanzminister das alles schon weiß und alles auch bis auf das letzte Pünktchen mitmachen will, was in diesem Programm steht, das uns der Herr Ernährungsminister gestern vorgelegt hat.
Darum möchten wir - wir gehen also insofern mit Ihrer Entschließung hier sehr einig -, daß der Nachtragshaushalt schleunigst vorgelegt wird. Denn erst dann wird man wirklich wissen, was konkret geplant ist. Ob es dann auch wirklich getan wird, meine Damen und Herren, wird man erst ein Jahr später wissen, wenn man nachlesen kann, ob diese Mittel nun auch ausgegeben worden sind. Wir möchten, wie gesagt, sehr schnell wissen, um was es sich dreht. Denn hier gilt - das ist heute schon einmal gesagt worden, trotzdem ist es richtig -, daß, wer schnell gibt, doppelt gibt. Und wir möchten doch nicht, daß etwa, weil die Bundesregierung Versprechungen nicht einlöst oder sehr zögernd einlöst, irgendwelche armen Leute dann wieder einmal eine Weile nicht ins Kino gehen dürfen. Das hat doch keinen Zweck.
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Sehr gefährlich, ja ich möchte sagen falsch, scheint uns die Bindung mancher Bundesleistungen an Zahlungen der Länder und bei der Schulmilch sogar an Zahlungen der Gemeinden, Einiges ist uns ja noch in Erinnerung, wie sich diese sehr listige Formulierung auf die Abwicklung der Ernteschäden ausgewirkt hat. Nicht alles, was für den Herrn Bundesfinanzminister und seine Bilanz gut ist, ist auch für die Landwirtschaft und die für sie erforderlichen Maßnahmen gut. Wir werden darauf bei der Beratung des Nachtragshaushalts noch sehr eingehend zurückkommen.
Natürlich kann es sich nicht darum handeln, daß der Bund die Länder entlastet, daß also die Länder um so weniger tun, je mehr der Bund tut. Aber das, was der Bund tut und nach dem Programm tun will, muß als eine zentrale Aufgabe angesehen werden und darf nicht an das gebunden werden, was die Länder noch zusätzlich zu tun haben.
Wir möchten des weiteren auch nicht, meine Damen und Herren, daß die Durchführung dieses Programms sich im Dschungel der Zuständigkeiten und der Kompetenzstreitigkeiten verliert. Wir möchten ebensowenig, daß die Mittel zersplittert werden. Wir haben deswegen einige Bedenken gehabt, als wir hörten, man wolle die Summe im Nachtragshaushalt global anfordern und dann im einzelnen sehen, was man aus diesem Programm alles machen kann. Denn inwieweit sich dieses Programm als segensreich erweist, hängt nicht nur davon ab, ob man es überhaupt durchführt, in welchem Tempo und in welchem Umfange man es durchführt, sondern auch davon, wie man die einzelnen Maßnahmen gestaltet. Wir möchten deshalb, daß die Einzelheiten des Programms, etwa die Richtlinien an die Länder oder Richtlinien anderer Art, im Ernährungsausschuß und, soweit das notwendig ist, auch im Haushaltsausschuß so schnell wie möglich zur Debatte gestellt werden. Das hat sich eigentlich immer bewährt, das ist gar kein Zeitverlust. Es gibt auch hier eine Art der Verbindung zwischen parlamentarischer Verantwortlichkeit und praktischer Erfahrung auf der einen Seite und behördenmäßiger Routine auf der anderen Seite, und das kann der Sache nur nützlich sein.
Wie sehr es darauf ankommt, die Maßnahmen zweckmäßig zu treffen und die Beträge richtig einzusetzen, möchte ich Ihnen an einem Beispiel klarzumachen versuchen, an der Düngersubvention. Ich will ganz offenlassen, ob das eine sehr wirksame Maßnahme ist oder nicht. Ohne Zweifel ist jedenfalls, daß in weiten Bereichen unserer Landwirtschaft aus den verschiedensten Gründen zu wenig Dünger gebraucht wird und daß die Steigerung des Düngerverbrauchs in diesen Bereichen ohne Zweifel sehr nützlich und sehr erwünscht ist. So haben wir auch gar nichts gegen den Einsatz öffentlicher Mittel, um hier ein ordentliches Stück voranzukommen.
Man muß dann allerdings zielen. Und was passiert, wenn man nicht zielt? Stellen Sie sich etwa vor, die Düngerkosten würden überall gleichmäßig um 20 % verbilligt. Sie würden dann schnell sehen, wohin der Betrag geht: dahin, wohin wir ihn nicht gehen lassen möchten. Wir möchten nicht, daß von dem, was der Bund hier aufbringt, was ja auch alles Steuermittel sind, deren Verwendung sorgfältig überlegt werden soll, diejenigen am meisten
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kriegen, die die stärksten Ellenbogen haben und über den besten Advokaten im Verband oder die besten Beziehungen nach oben verfügen.
Sie können in dem Bericht nachlesen, daß es Betriebe gibt, die pro Hektar 235 DM für Kunstdünger aufwenden. Auf der andern Seite gibt es Betriebe - das können Sie ebenfalls in dem Bericht nachlesen -, die pro Hektar 44 DM für Kunstdünger aufwenden. Die Betriebe mit dem höchsten Düngeraufwand sind ausnahmslos solche, die in der Tabelle über sämtlichen Querstrichen liegen, also diejenigen, die nicht so plus minus Null auskommen, sondern völlig aus dem Schneider heraus sind und sogar eine recht beachtliche Verzinsung erzielen.
Unserer Meinung nach ist es absolut nicht zu verantworten, durch eine allgemeine Maßnahme denen noch etwas zu geben, die ohnehin schon sehr viel mehr haben als alle anderen Landwirte, wahrscheinlich auch sehr viel mehr als viele Leute, die im Handwerk oder sonstwo tätig sind.
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- Das ist natürlich ein sehr beliebtes Prinzip; aber wir wollen uns dazu nicht bekennen, und der Bundestag sollte es zumindest nicht öffentlich tun, daß dem, der hat, noch gegeben wird. Hier soll ja gerade dem gegeben werden, der nicht hat und der aus eigener Kraft nichts erwerben kann.
Wenn Sie in der Tabelle auch einmal nachsehen, wie verschieden der Düngerverbrauch in den einzelnen Ländern ist, dann werden Sie feststellen, daß ein großer Batzen gerade dorthin geht, wo zu unserer Freude alles recht gut in Ordnung ist. Aber wenn ein großer Teil dorthin geht, dann bleibt für die anderen um so weniger übrig. Es kann jedoch nicht die Aufgabe einer solchen Subvention oder Hilfe für die Landwirtschaft sein, die Starken noch stärker zu machen, damit sie sich möglicherweise noch weiter nach vorn spielen und vielleicht hier und da eine neue Art des Bauernlegens beginnt. Es gibt jetzt schon sehr alarmierende Berichte darüber, daß Land, das frei wird, nicht zu den Betrieben kommt, die zuwenig Land haben, sondern zu den Betrieben, die zumindest genug Land haben. Wenn immer davon geredet wird, daß wir die Zahl der Menschen auf dem Lande und die Zahl der selbständigen Existenzen nicht vermindern wollen, dann müssen wir uns auch schon gegen die erste Andeutung einer solchen modernen Form des Bauernlegens mit aller Entschiedenheit wenden. Mit einem Wort, es muß gerade hier gezielt werden. Hier handelt es sich um den größten Betrag, um den deswegen wahrscheinlich auch am meisten gerauft wird, nämlich um 226 Millionen; dieser Betrag ist sehr viel größer als das, was sonst für andere Aufgaben angesetzt ist.
Damit nun richtig gezielt wird und damit auch diejenigen Wortführer haben, die wie gesagt nicht am lautesten schreien können, schon weil sie so viel arbeiten und sich so schrecklich quälen müssen und so wenig dabei herauskommt, deswegen möchten wir, daß zum Schutze der kleinen Landwirte der Bundestagsausschuß für Ernährung und Landwirtschaft und, soweit das erforderlich ist, der Haushaltsausschuß laufend über das unterrichtet werden, was die Regierung plant. Vielleicht fällt den Abgeordneten aus ihrem Tätigkeitsbereich und aus ihrer immerhin vorhandenen Verbindung mit der Praxis das eine oder andere ein, was diese Maßnahme noch wirksamer macht, als wenn es nur nach dem Schema oder vom grünen Tisch aus oder unter dem Einfluß mächtiger Interessenten geschieht.
Zum Schluß eine Bemerkung zu unserm Antrag auf Drucksache 2058. Wir haben den Landwirtschaftsbericht und haben im Anschluß daran ein Programm. Jetzt wird eine Fülle von Maßnahmen in Angriff genommen, von denen man weiß, daß sie mit den zur Verfügung stehenden Beträgen - und da gibt es natürlich auch für die Bundesmittel Grenzen; das ist ganz klar - nicht abgewickelt werden können. Wir müssen mit der Tatsache rechnen, daß es im nächsten Jahre vielleicht einen Landwirtschaftsbericht gibt, der ein bißchen anders aussieht und aus dem sich für die Regierung, etwa nach einer Wahl - oder es könnten ja alle möglichen unglücklichen Umstände zusammentreffen -, eine andere Situation ergibt, und dann fehlen die Mittel wieder einmal. Wir glauben außerdem, daß wir gar nicht Zeit genug haben für die dringendsten Aufgaben der Strukturverbesserung, von denen ganz entscheidende in diesem Programm noch gar nicht genannt sind. Ich denke z. B. an die Hilfen für diejenigen, die freiwerdendes Land zur Aufstockung ihrer zu kleinen Betriebe übernehmen müssen und die das nicht aus eigener Kraft tun können. Ich denke an die Hilfen für diejenigen, die längst einen besseren Erwerb gefunden haben und ihr Land abgeben würden, wenn man ihnen auf eine zeitgemäße Weise dazu einige Anreize gäbe. Das ist hier alles noch gar nicht erwähnt. Wir brauchen für alle diese Aufgaben sehr viel mehr Geld, als der Bund einmalig oder jedenfalls in zuverlässigen Größenordnungen zur Verfügung stellen kann. Deshalb schlagen wir Ihnen vor, die Bundesregierung aufzufordern, den Entwurf eines Hilfsgesetzes vorzulegen, das wir uns als ein echtes Investionshilfegesetz vorstellen. Mit anderen Worten: es dreht sich im wesentlichen um die Betriebe, in denen die wirtschaftlichen Grundlagen an sich gegeben sind, denen es aber aus anderen Gründen nicht möglich ist, den Anschluß an die Technik zu finden und so modern und so rationell zu wirtschaften, wie das in der Konkurrenz gerade mit dem Ausland notwendig ist. Wir bitten Sie, unseren Antrag unter diesem Gesichtspunkt zu sehen als eine höchst notwendige Ergänzung der Finanzierungsmittel, die gestern in dem Programm der Bundesregierung angekündigt worden sind, und ihn an den Ausschuß zu überweisen, damit wir ihn im Zusammenhang mit den anderen Anträgen dort eingehender beraten können, als das jetzt hier möglich ist.
Ein Wort zu dem Entschließungsantrag*), den uns die CSU/CSU vorgelegt hat. Wir haben noch nicht alle Redner gehört und wissen also noch nicht, inwieweit es dabei bleibt, daß man diesen Bericht mit Befriedigung entgegengenommen hat und mit allem restlos einverstanden ist. Wir können - das habe ich Ihnen zu einzelnen Punkten dargelegt - keineswegs von jedem Punkt jetzt schon sagen, daß wir von seiner Richtigkeit hundertprozentig überzeugt sind, wenn wir auch im ganzen dem Programm sympathisch gegenüberstehen und der Regierung, in diesem Fall dem Bundesernährungsminister, dafür dankbar sind, daß er sich von dem richtigen Weg nicht hat abbringen lassen.
*) Siehe Anlage 2.
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Wir möchten Ihnen aber vorschlagen - und zwar vor allen Dingen deshalb, damit wir auch dem Entschließungsantrag zustimmen können -, in diesem Antrag zwei Worte einzufügen. Es möge dann heißen, daß der Bundestag den vorgeschlagenen Maßnahmen „im Grundsatz" zustimmt. Wenn Sie mit dieser Änderung einverstanden sind, wird meine Fraktion dem Entschließungsantrag gern zustimmen.
Zum Schluß noch einmal die Bitte: hier sollte schnell gearbeitet werden, hier sollte vor aller Augen gearbeitet werden. Wir haben mit dem Landwirtschaftsgesetz und mit dem Bericht der Bundesregierung nun einmal ein gewisses öffentliches Interesse erwecken können. Man erwartet in der Landwirtschaft nun auch etwas Konkretes, wenn auch viele enttäuscht sein mögen, daß der Geldbriefträger nicht kommt und den Differenzbetrag ganz einfach auszahlt, wie es manchmal in einem Überschwang der Gefühle verkündet worden ist. Die Leute haben auch einen Anspruch darauf, daß bald etwas geschieht. Wir möchten, daß den Ausschüssen a tempo - und das dürfte kein großes Kunststück mehr sein, nachdem nun das Programm vorliegt - die Unterlagen für die einzelnen Maßnahmen vorgelegt werden, damit sie wenigstens im Ausschuß besprochen werden können, auch soweit es keine unmittelbare Zuständigkeit gibt. Verführe man nämlich anders, würde dem Hause oder mindestens der Opposition in diesem Hause nichts anderes übrigbleiben, als die Regierung ununterbrochen zu fragen: Was ist denn nun wirklich geschehen? Das würde vielleicht die Stimmung viel mehr beeinträchtigen, als wir es wünschen. Deshalb schlagen wir den anderen Weg vor.
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Meine Damen und Herren, ich habe soeben eine schmerzliche Mitteilung bekommen.
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Heinrich Imig, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, der während der ersten Legislaturperiode diesem Hause angehört hat, ist vor wenigen Stunden gestorben. Noch gestern hat er in diesem Hause drei Stunden lang mit Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses sozialpolitische Fragen in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Bergbaugewerkschaft besprochen. Wir wissen alle, welch wertvolle Arbeit er für uns geleistet hat, wie er ohne zu rechnen und zu zählen sich ausgegeben hat, solange er Mitglied dieses Hauses gewesen ist. Dieses Leben hat er auch außerhalb dieses Hauses fortgeführt. Darum ist er heute nacht einem Herzschlag erlegen.
Er hat es schwer gehabt in seinem Leben. Seit 1912 war er Bergmann. Politische Verfolgungen sind ihm nicht erspart geblieben. Er war nach dem Sturz der Gewaltherrschaft einer der ersten, die sich nach 1945 wieder in die Sielen gestellt haben, und es ist ihm mit zu verdanken, wenn es gelungen ist, die entsetzlichen Folgen des Krieges für die deutsche Wirtschaft insbesondere im Ruhrgebiet und dort im Bergbau zu beseitigen. Unsere Anteilnahme gilt seinen Angehörigen und der Industriegewerkschaft Bergbau, deren Vorsitzender er gewesen ist. - Sie haben sich von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Wir fahren fort. Das Wort hat der Abgeordnete Lücker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine persönliche Bemerkung, in der ich meiner besonderen Freude und Anerkennung darüber Ausdruck geben möchte, daß die bisher geführte Debatte dem Grundsatz und dem Tenor nach die Probleme der Landwirtschaft in so positiver und konstruktiver Form zu behandeln sich bemüht hat. Der Herr Kollege Kriedemann hat u. a. dargelegt, daß vieles, was wir gestern in der Regierungserklärung und im Grünen Bericht gehört haben, sowohl an sachlichen Feststellungen, insbesondere aber über die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen, auch schon zu einem früheren Zeitpunkt in diesem Hause hätte beraten und in der Praxis durchgeführt werden können. Er stellte die Frage: Warum ist das früher nicht geschehen? Ich glaube, niemand von uns braucht Herrn Kollegen Kriedemann zu sagen, wie sehr sich in der Vergangenheit, ganz gleich ob im 1. Deutschen Bundestag oder im 2. Deutschen Bundestag oder auch in der Zeit vorher, die Dinge sehr hart im Raume gestoßen haben. Ich glaube, die Mehrheit dieses Hohen Hauses ist mit mir der Überzeugung: wenn wir uns in den vergangenen Wochen, Monaten und in den letzten Jahren nicht in einer sehr grundlegenden und bis in die Einzelheiten der Probleme vordringenden Untersuchung und Beratung, insbesondere in den Ausschüssen dieses Hauses, mit den Problemen der Landwirtschaft befaßt hätten, wenn es uns nicht gelungen wäre - was auch Herr Kollege Kriedemann zum Schluß seiner Ausführungen in etwa anklingen ließ -, wiederum ein größeres Verständnis für die Probleme der Landwirtschaft ganz allgemein in unserem Volke, insbesondere aber auch in den großen Instrumenten unserer öffentlichen Meinungsbildung, nicht nur in der Fachpresse, sondern auch in der großen Tagespresse, in den wirtschaftspolitischen Zeitschriften zu wecken, wenn wir nicht darauf hingearbeitet hätten, dieses Verständnis in einem ehrlichen Gespräch, in einer offenen Diskussion einer größeren Allgemeinheit unserer Bevölkerung wieder näherzubringen, - ich glaube, wir alle sind davon überzeugt, dann hätten wir weder gestern die Regierungserklärung in dieser Form und mit dieser positiven Resonanz in diesem Hause gehört, noch hätten wir die heutige Diskussion in dieser, wie ich eben sagte, grundsätzlich positiven Form anhören können.
Eine hochgestellte Persönlichkeit in der Bundesrepublik hat vor kurzer Zeit von dem Jahr 1956 als von einem Jahr der Entscheidungen gesprochen. Die Persönlichkeit, die ich meine, steht wohl nicht in dem Verdacht, jenes Wort etwa in bezug auf die insbesondere in diesen Tagen so deutlich gewordenen mannigfaltigen Anwendungsbereiche im allgemeinen politischen Raume in der Bundesrepublik geprägt zu haben. Denn das Wort hat unser Bundeswirtschaftsminister Erhard gelegentlich einer Rede in Bremen gesprochen. Wir können in bezug auf die heutige Agrardebatte und die gestrige Regierungserklärung, zumindest in einer bestimmten Modifikation dieses Wortes, wohl wahrhaft davon sprechen, daß dieses Jahr etwas gehalten hat oder etwas zu halten scheint - um mich vorsichtig auszudrücken -, was ein kluger Journalist und kritischer Beobachter der wirtschaftspolitischen Entwicklung innerhalb und außerhalb des Bundes in einer Neujahrsbetrachtung mit den Worten zum Ausdruck brachte, daß
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das Landwirtschaftsgesetz und der Grüne Bericht Aufschluß darüber geben würden, ob man in der Tat von einer Wende in der deutschen Agrarpolitik sprechen könnte.
Nun, wir wollen es nicht mit so großen Parolen und so schön klingenden Formulierungen halten. Vielmehr sollten wir uns in Erkenntnis von manch leidvollen Erfahrungen, die wir in der jüngsten Geschichte unseres Volkes mit bombastischen Parolen und Formulierungen gemacht haben, von solchen großen Worten abkehren. Aber vergegenwärtigen wir, die wir in diesem Hohen Hause in den letzten zwei Jahren und insbesondere in den letzten Monaten Gelegenheit hatten, in der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes und in der Vorbereitung des Grünen Berichts diese Entwicklung aktiv gestaltend mitzuerleben, uns einmal jenen Umschwung der letzten Zeit in der öffentlichen Meinungsbildung und in den sonstigen mannigfaltigen Vorgängen im wirtschaftspolitischen Bereich! Wohl alle haben dabei ein Gefühl dafür bekommen, daß hier ein agrarpolitischer Wille zum Durchbruch drängte, der es ernst nahm mit der gestellten Aufgabe, nunmehr die Probleme, die die Agrarpolitik uns gegenwärtig stellt und in der kommenden Zeit stellen wird, einer echten und konstruktiven Lösung zuzuführen. Wir dürfen nicht so vorgehen, wie wir es vor einiger Zeit bei uns schon einmal erlebt haben, als man unsere staatliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung von Grund auf wandelte und sie diktatorisch einem Machtstaat unterordnete, sondern wir bemühen uns heute, diese Probleme unserer Landwirtschaft auf dem Boden einer demokratischen Staatsordnung, einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung und auch einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung mit dem Ziel der Mehrung des Gemeinwohls in jeder Beziehung zu lösen.
In der gestrigen Erklärung der Bundesregierung ist in sehr verdienstvoller Weise davon gesprochen worden, daß sich die Landwirtschaft in einem gewaltigen Umstellungsprozeß befinde. In der Tat steht die deutsche Landwirtschaft an einem entscheidenden Punkt ihrer Entwicklung. Man spricht ab und zu in unserem Lande von der „agrarischen Revolution" und meint damit jenen zweiten Teil der technischen Revolution, die in der industriellen Gütererzeugung begann und nunmehr Eingang in das Gebiet der agrarischen Produktion gefunden hat. Wir wissen, daß die Aufgabe, die uns das Schicksal damit gestellt hat, nur gelöst werden kann, wenn wir es verstehen, die Auswirkungen dieser Mechanisierungsphase in unserer Landwirtschaft auch Eingang finden zu lassen in die große Masse unserer klein- und mittelbäuerlichen Betriebe, denen bisher weitgehend der Zugang zu diesen Möglichkeiten verschlossen geblieben ist. Wir wissen, daß auch bei Einsatz der Technik der Wachstumsprozeß der Landwirtschaft im Gegensatz zu dem technischen Produktionsprozeß in der gewerblichen Gütererzeugung immer organisch bleiben wird.
Bei der Lösung dieser Aufgaben haben wir insonderheit in Deutschland - mit gewissen Abschwächungen auch in anderen europäischen Ländern - in der Landwirtschaft durch die beiden Weltkriege in diesem Jahrhundert und ihre Folgewirkungen empfindliche Rückschläge erlitten. Wir möchten aber hoffen, daß die Gegenwart und auch die nächste Zeit unserer deutschen Landwirtschaft die Chance bieten, diesen Rückstand aufzuholen und ihre Produktions- und Absatzmethoden sinnvoll an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung anzupassen sowie die notwendigen Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen.
In der gestrigen Regierungserklärung wurde darauf hingewiesen, daß das Bauerntum auf der einen Seite im eigenen Bereich ein wirtschaftliches Zurückbleiben und ein Abwandern seiner Arbeitskräfte feststellen muß, während es auf der anderen Seite die Hochjunktur der gewerblichen Wirtschaft mit all ihren Folgen sieht. Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht überrascht zu sein, wenn ich in einer vielleicht für manche etwas ketzerisch klingenden Art auch einmal auf die positiven Seiten dieser Hochkonjunktur hinweise, die darin bestehen, daß die Chance für unsere Landwirtschaft, ihre Probleme, die ich eben nannte, zu lösen, im besonderen Maße auch dadurch gewährleistet ist, daß wir eine leistungsfähige gewerbliche Wirtschaft haben,
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die Gott sei Dank in einem Stadium der Hochkonjunktur ist. Diese Leistungskraft stellt eine wesentliche Voraussetzung dafür dar, daß wir den Nachholbedarf der zurückgebliebenen Teile unserer Volkswirtschaft, insonderheit unserer Landwirtschaft, befriedigen können.
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Auch diese Tatsache sollten wir in unseren Betrachtungen nicht zu kurz kommen lassen.
Es geht heute in unserer Agrarpolitik - damit spreche ich sicherlich kein Geheimnis aus - um die Lösung zweier zentraler Anliegen. Das erste ist das Problem der Rentabilität unserer normalen bäuerlichen Familienbetriebe. Unser Bundeswirtschaftsminister sagte einmal darüber, daß die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung selbstverständlich darauf ausgerichtet sein müsse, die wirtschaftlichen Spielregeln so zu gestalten, daß ein normaler bäuerlicher Betrieb in der Lage sein müsse, mit den normalen Mitteln der Wirtschaftspolitik eine Deckung seiner Produktionskosten zu finden; mit anderen Worten: daß eine Agrarpolitik entwickelt werden muß, die darauf abzielt, jenes Problem zu lösen: nämlich eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage zu schaffen und eine genügende Rentabilität herbeizuführen und zu sichern, damit die landwirtschaftliche Produktion aufrechterhalten werden kann.
Das zweite Problem, die Verbesserung der strukturellen Grundlagen unserer Landwirtschaft, steht ja auch mit dem Amtsantritt der zweiten Bundesregierung und insbesondere mit der Übernahme der Geschäfte des Ernährungs- und Landwirtschaftsministers durch Herrn Minister Lübke in Verbindung.
Wir alle wissen, daß beide Programme - auch das zweite - große Investitionssummen erfordern. Diese beiden Fragen werden um so besser und um so eher gelöst werden können, je mehr es der Gesamtwirtschaft und insbesondere der industriellgewerblichen Wirtschaft möglich ist, größere Erträge, die aus ihr erwirtschaftet werden, in jenen agrarischen Bereich zu transferieren, um nachzuholen, was in den letzten Jahrzehnten - und darin stimme ich mit Ihnen, Herr Kollege Kriedemann, überein - weitgehend versäumt worden ist. Aber in der Nuancierung dieses Begriffes wird es noch
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einige Unterschiede zwischen Ihrer und meiner Auffassung aufzuzeigen geben.
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- Gott sei Dank!
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- Herr Kollege Kriedemann, ich bin froh, daß ich mit der Zeit, um die es hier geht, nichts zu tun habe.
Wenn wir das Regierungsprogramm von gestern aufmerksam studiert oder auch nur aufmerksam gehört haben, dann wird, glaube ich, für uns deutlich, daß dort der Versuch unternommen worden ist - und ich möchte freimütig bekennen: nach meiner Auffassung ein geglückter Versuch unternommen worden ist-, an den verschiedenen Punkten in dynamischer Weise bei der Lösung dieser Probleme anzusetzen, um aus der Mannigfaltigkeit des Programms in seinem Ansatz dann in der Wirkung doch konzentrisch auf die beiden Probleme zuzusteuern, die ich aufgezeigt habe. Wir sind heute auch im rein zeitlichen Ablauf der Nachkriegsagrarpolitik an jenem Punkt der Entwicklung angelangt, wo sich die Lösung dieser beiden Aufgaben mit einer ganz besonderen Wucht in den Vordergrund unserer Bemühungen und unserer Betrachtungen schiebt. Wir haben in den vergangenen Jahren die Voraussetzungen hierfür geschaffen - ich möchte hier nur die zwei wesentlichsten Punkte nennen -: dadurch, daß es uns gelungen ist, die landwirtschaftliche Produktion wieder in dem Maße aufzubauen, wie es geschehen ist; daß wir seit einigen Jahren Gott sei Dank eine Produktionsleistung in der Landwirtschaft zu verzeichnen haben, die fast um ein Viertel höher ist als die landwirtschaftliche Produktion in der Vorkriegszeit. Mit dieser Leistung, die sich der Leistung unserer gewerblichen Wirtschaft in der Nachkriegszeit durchaus ebenbürtig erweist; ist auch eine Steigerung der echten Produktivitätsleistung in der Landwirtschaft einhergegangen, nicht nur in bezug auf die Flächeneinheit, sondern ebenso stark auch in bezug auf die Arbeitskraft; wenn wir heute auch aus dem Bericht der Bundesregierung feststellen können, daß die Zahl der Menschen, die heute in der agrarischen Produktion stehen, bereits um 10 % geringer geworden ist als in der Vorkriegszeit und daß dieser Prozeß unaufhaltsam weiterzugehen scheint; wenn in dem Bericht auch die Feststellung getroffen ist, daß pro Jahr mit einem weiteren Abgang an Arbeitskräften in der Landwirtschaft von etwa 2 bis 3 %, wie die Erfahrung der letzten Jahre lehrt, zu rechnen ist. Diese Leistung im Wiederaufbau unserer Produktion, aber auch in der Steigerung unserer Produktivität ist eine große Leistung, die es möglich macht, heute an die echte Lösung der beiden Probleme Rentabilität und lebensfähige, strukturell richtig fundierte Betriebe heranzugehen.
Das zweite, was wir ebenfalls in den vergangenen Jahren in der deutschen Landwirtschaft geleistet haben, war, einen Grad der Eigenversorgung unseres Volkes mit Nahrungsgütern zu sichern, der heute im Schnitt mit 70 bis 75 % gesehen werden kann, - nicht in einem falsch verstandenen Sinne. Ich glaube, es ist notwendig, darauf hinzuweisen, daß ein solcher Beitrag der Landwirtschaft zur Existenzsicherung und Versorgung unseres Volkes nicht nur ein ökonomisches Problem, nicht nur ein Problem der Landwirtschaft, sondern letzten Endes ein eminent vorrangiges Problem jeglicher allgemeinen nationalen Politik bedeutet; denn dieser Grad der Versorgung aus dem eigenen Boden ist ein wesentlicher Faktor für die Handlungsfreiheit unseres Volkes auch in dem großen allgemeinpolitischen Rahmen. Der heutige Grad der Selbstversorgung hat volkswirtschaftlich fast optimale Züge angenommen. Wir wollen uns über Einzelheiten nicht streiten. Aber ich glaube, es ist notwendig, darauf hinzuweisen, daß die gesamtwirtschaftliche Entwicklung mit ihrer Produktionsgestaltung und mit der Verbesserung der sozialen Grundlagen weitester Kreise unserer Bevölkerung, ich möchte fast sagen: der Gesamtbevölkerung, eine Entwicklung, die von Kollegen Kriedemann mit dem Begriff des Wirtschaftswunders apostrophiert wurde, daß auch diese Leistung nur dadurch zu denken ist, daß in dieser Zeit die deutsche Landwirtschaft dem deutschen Volk diese hohe Produktionsleistung dargeboten und zur Verfügung gestellt hat. Wenn wir uns heute einmal die Zahlen vergegenwärtigen, uns vorstellen, daß das Angebot an Nahrungsgütern seit der Währungsreform von gut 5 Milliarden auf über 13 Milliarden DM gestiegen ist, und wenn wir wissen, daß weit mehr als die Hälfte der Steigerungsrate dieses Angebotes auf ein größeres Volumen des Angebotes und nicht auf Preise zurückzuführen ist, dann ahnen und begreifen wir die Größe des Beitrages für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, insbesondere aber auch für die Entwicklung unserer Außenhandelsverflechtungen und für die Entwicklung unserer heutigen Devisen- und Goldbestände. Es war ein dankenswerter Hinweis der Bank deutscher Länder in ihrem Jahresbericht 1955, mit dem sie darauf aufmerksam machte, daß diese Leistung der deutschen Landwirtschaft eine der stärksten Voraussetzungen dafür gewesen ist, daß die Bank deutscher Länder heute diesen hohen Devisenbestand von 13 Milliarden DM auf ihren Konten und in ihren Tresoren stehen hat.
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Wir erinnern uns noch, daß wir bei der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes den Bundesminister Erhard sehr offen und freundschaftlich fragten, ob er seine Wirtschaftspolitik in diesem Ausmaß hätte durchführen können, wenn diese Leistung der deutschen Landwirtschaft nicht dagestanden wäre, und daß er frei und unumwunden zugab - und damit spreche ich ja bei Gott kein Geheimnis aus -, daß er seine Wirtschaftspolitik ohne diese Leistung unserer deutschen Landwirtschaft nicht hätte durchziehen können. Wir wissen auch von der Landwirtschaft, daß diese Leistung nur im Rahmen unserer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vollbracht werden konnte, insbesondere aber auf den Fundamenten unserer Wirtschaftspolitik, die seit der Währungsreform geführt wurde, der Politik der sozialen Marktwirtschaft, die wir vor allem durch die Gesetzgebungsarbeit des 1. Bundestages für die Landwirtschaft mit dem notwendigen Inhalt und Leben füllten. Denn wenn wir den Begriff des Attributes „sozial" richtig analysieren und verstehen, dann ist es doch nichts anderes als der Begriff einer konjunkturpolitisch gesteuerten Marktwirtschaft. Die landwirtschaftlichen Marktordnungsgesetze und all das, was in diesem Zusammenhang zu nennen ist, das sind doch jene Elemente, die die Anwendung der Marktwirtschaft auch für die Landwirtschaft im Prinzip als zuträglich empfehlen und die wir als eine Wirtschaftsordnung auffassen, welche das denkbar größte Maß an freiheitlicher Gestaltung für alle wirtschaftenden Menschen er({7})
möglicht. Wir sind uns ebenfalls darüber im klaren, daß diese Entwicklung nur auf dem Fundament eines guten Geldes aufgebaut werden konnte.
Wenn wir nun heute vor der Möglichkeit stehen, aus dieser Gesamtentwicklung jene Folgen auch für den zurückgebliebenen Teil, die Agrarwirtschaft, „einzuernten", wie das heute schon einmal anklang und auch gestern aus der Regierungserklärung herausklang, dann sehen sicher wir alle uns veranlaßt, der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit für diese Leistung unserer Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren ganz allgemein ein aufrechtes Wort des Dankes und der Anerkennung auszusprechen.
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Wir tun das insbesondere auch für den Willen und für die Bereitschaft, die uns allen gestern aus der Regierungserklärung entgegenklangen, nunmehr auch ihr Wort einzulösen und aus dieser Entwicklung für die Landwirtschaft jene Konsequenzen zu ziehen, auf die man draußen im Lande, aber auch hier in diesem Hause, nicht nur gewartet hat, sondern wofür man in den vergangenen Monaten und Jahren unendlich viel gearbeitet hat.
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Die Ernte dieser Arbeit ist das Programm, das uns gestern die Bundesregierung vorgelegt hat. Ich glaube, insbesondere diejenigen, die in den vergangenen Monaten mit ihrem bescheidenen Beitrag mitgeholfen haben, diese Arbeit zu leisten, werden es verstehen, wenn wir den heutigen Tag auch zum Anlaß nehmen, einigen Mitgliedern der Regierung namentlich ein Wort des Dankes zu sagen. So wie es gestern der Bundesminister bereits getan hat, glaube ich, wollen auch wir im besonderen Maße unserem Bundeskanzler ein Wort des Dankes sagen, von dem wir wissen, daß er in den letzten Wochen mit seinem großen Interesse und seiner stetigen Anteilnahme ein großes Verdienst am Zustandekommen dieses Regierungsprogramms trägt.
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- Ich glaube, Herr Kollege Kriedemann, Sie sollten Ihren sachlichen und positiven Diskussionsbeitrag, den Sie uns eben hier geboten haben, nicht mit einem solchen Zwischenruf schmälern.
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- Herr Kollege Kriedemann, Sie sind von Anfang an mit dabeigewesen.
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Sie wissen, daß der Weg zum heutigen Tag über das Landwirtschaftsgesetz und über die Arbeit der letzten Monate geführt hat. Daß wir uns heute veranlaßt fühlen, denjenigen Männern, die sich nun wirklich in so besonderem Maße um das Zustandekommen dieses Programms verdient gemacht haben, ein Wort des Dankes zu sagen, das, glaube ich, ist eine Angelegenheit der Fairneß im Verkehr zwischen diesem Hause und der Bundesregierung, aber auch ein Akt der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen.
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Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden ebenso Verständnis dafür haben, wenn wir auch dem Bundesminister Lübke für seine Arbeit ein sehr herzliches Wort des Dankes sagen,
({14})
weil wir wissen, daß er sogar die Zeit seines Krankenlagers dazu benutzt hat, als Motor immer wieder zu sichern, daß dieser Termin eingehalten wird, daß insonderheit dieses Programm in seiner jetzigen Art und in seinem jetzigen Umfang zustande gekommen ist.
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Ich muß auch den dritten Mann erwähnen; das ist der Bundesfinanzminister.
({16}) Darüber werden manche erstaunt sein. -
Einen Augenblick, meine Damen und Herren. Es ist in diesem Augenblick nicht vom Film die Rede, wenn hier die Bezeichnung „dritter Mann" fällt, sondern vom Bundesfinanzminister.
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- Herr Abgeordneter, dem muß ich doch mit Entschiedenheit widersprechen; das gehört zu den Pflichten des Präsidenten.
Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter Lücker.
Ich sage das deswegen, weil wir in unserer gesamtpolitischen Verantwortung durchaus um die Schwere des Amtes wissen, das der Finanzminister als Säckelmeister des Bundes, wie er häufig genannt wird, zu verwalten hat. Wir wissen, daß er tief in seinen Säckel hat greifen müssen, vielleicht tiefer, als ihm lieb war. Aber wir wissen auch - und das klang doch ja auch aus Ihren Worten, Herr Kollege Kriedemann -, daß er letzten Endes diesen Griff getan hat. Ich glaube, er war gut beraten, und ich möchte mich Ihren Worten anschließen: Das Geld, das hierfür bereitgestellt wird, dient einer guten Sache. Die deutsche Landwirtschaft wird mit ihrem weiteren Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Ertragssteigerung diese Haltung reichlich lohnen.
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Ich darf nun ein Wort zu dem Grünen Bericht selbst sagen. Ich möchte dazu feststellen, daß er nicht nur ein umfangreiches und fleißig ausgearbeitetes, sondern in seiner Art auch ein gutes Werk darstellt. Wir betrachten diesen Bericht als einen geglückten Versuch - andere Sprecher nannten das heute den „Anfang" -, an die Lösung der Probleme, von denen die Rede war, heranzugehen.
Wir haben Verständnis dafür, daß die Bundesregierung in Anbetracht der Unterlagen, die ihr für den diesjährigen Bericht zur Verfügung standen, vorsichtige Ansätze für die einzelnen Positionen gemacht hat. Auch wir sind der Meinung, die heute hier schon ausgesprochen wurde, daß es Aufgabe der weiteren Entwicklung auch in der Gestaltung dieses Berichts sein muß, die betriebsund volkswirtschaftlichen Ausgangsunterlagen zu vervollkommnen und zu verbessern.
Wir waren von Anfang an der Meinung, daß dieser Bericht - das ist ja bei der Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes immer wieder festgehalten worden - ein Röntgenbild über die Lage
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unserer Landwirtschaft liefern soll. Ich glaube, wenn man sich den Bericht anschaut, kommt man zu der Feststellung, daß dieses Röntgenbild in einem Stadium guter Entwicklung begriffen ist.
Zwei Punkte dieses Berichts, die schon mehr oder weniger angeklungen sind, möchte ich auch kurz streifen. Auch ich bin der Meinung, daß der Lohnansatz in dem Bericht, um mit Ihren Worten zu sprechen, Herr Kollege Kriedemann, nicht übertrieben ist. Insbesondere glauben wir, daß die Bundesregierung gut beraten sein wird, wenn sie den Abzug, der beim Lohnansatz für die Bäuerin gemacht worden ist, weiterhin einer sorgfältigen Überprüfung unterzieht; denn der gegenwärtige Ansatz scheint uns in diesem Umfange nicht berechtigt zu sein.
Ich möchte ein zweites Wort sagen zu dem Ansatz der Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals in der Landwirtschaft. In den Erläuterungen wird festgestellt, daß sich der Zinsanspruch aus der Differentialrente ergeben müsse und keinen Bestandteil der kalkulatorischen Berechnung in Ertrag und Aufwand darstelle. Ich habe den Eindruck, daß hier eine Auffassung in den Bericht gekommen ist, für die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nicht ganz verantwortlich zeichnet. Diese Frage hat uns bereits bei der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes beschäftigt. Ich glaube, daß man hier zwischen einer Betriebsabrechnung und einer kalkulatorischen Berechnung von Ertrag und Aufwand unterscheiden muß. In der Rechnung, die in dem Landwirtschaftsgesetz für die Landwirtschaft gefordert wird, muß wie bei ähnlichen Verfahren in anderen Wirtschaftsbereichen der Zinsansatz als ein Bestandteil der Kosten, wenn auch der kalkulatorischen Kosten, angesehen werden. Bei der weiteren Beratung, die insonderheit im Landwirtschaftsausschuß, vielleicht auch in dem einen oder andern weiteren Ausschuß noch notwendig ist, wird es darauf ankommen, diesen Tatbestand zu erhellen. Es sind jedenfalls z. B. aus dem Bereich der Kohlenpreiskalkulation offizielle, amtliche Berechnungen bekannt, wo ähnlich und gleichermaßen verfahren wurde, nämlich den Zinssatz zum Bestandteil der kalkulatorischen Posten solcher Berechnungen zu machen. Was dem einen recht ist, muß dem andern billig sein. Die Behauptung, wie sie im Bericht vertreten wird, stellt einen Verstoß gegen die richtige betriebswirtschaftliche Behandlung des gleichen Problems dar.
Ich will es hier jedoch nicht als meine Aufgabe betrachten, im einzelnen in diese Dinge hineinzuleuchten, sondern ich will nur grundsätzlich unsere Meinung dazu sagen, und diese kann abschließend nur sein: Wir sagen ein Ja zu dieser Arbeit und sind dabei der Überzeugung, daß diese Arbeit entwicklungsfähig, ausbaufähig, verbesserungsfähig ist. Wir alle werden uns das in der nächsten Zeit angelegen sein lassen müssen.
Die Maßnahmen, die das Regierungsprogramm vorschlägt, scheinen uns auch bei den unterschiedlichen Ansatzpunkten dynamisch zu wirken in konzentrischer Richtung auf die gesteckten Ziele. Wir wollen auch nicht verheimlichen, daß das Bukett dieser Maßnahmen den einen oder andern Wunsch mehr oder weniger stark berücksichtigt oder auch offengelassen hat. Auch für diesen Punkt gilt, daß dieses Programm entwicklungs- und ausbaufähig ist und bleibt.
In den heutigen Diskussionsbeiträgen und auch häufig in der Erörterung in der Öffentlichkeit klangen immer wieder Meinungen durch, zu denen hier ein offenes Wort gesagt werden muß. Diese Meinungen entzündeten sich an der Tatsache, daß global wirkende und gezielte Maßnahmen zur Anwendung gelangen sollen. Herr Kollege Kriedemann hat bereits auf das Gefälle zwischen den großen, den mittleren und den kleineren Betrieben hingewiesen. Im Hintergrund sieht man immer wieder diese Maßnahmen, und man argumentiert dann damit, daß hier mit öffentlichen Geldern nicht in der notwendigen Sparsamkeit und im richtigen Ansatz verfahren würde.
Ich möchte hierzu grundsätzlich sagen: Der Prozentsatz jener Betriebe, die über die Querstriche der Tabelle gelangt sind, ist im Verhältnis zur Gesamtzahl der Betriebe so verschwindend klein, daß es schon wegen der technischen Durchführung des Programms eine reine Frage der Zweckmäßigkeit ist, wie man im Programm im einzelnen aufteilen soll. Wo in aller Welt läßt sich, wenn man eine freiheitliche Ordnung bejaht, eine Wirtschaftspolitik treiben, die auf den einzelnen Betrieb in der Form abgestellt ist, daß nicht auch der eine oder andere, der dieses Segens vielleicht nicht hundertprozentig bedürftig wäre, etwas davon abbekäme?
Wir haben uns vor weniger Zeit mit dem Problem der Hilfe für den Kohlenbergbau beschäftigt und werden noch Gelegenheit haben, uns damit zu beschäftigen. Herr Kollege Kriedemann, dort wird es nicht anders sein als bei uns auch. Es wird auch im Kohlenbergbau Betriebe geben, die dieser Hilfe vielleicht nicht bedürfen, und es wird Betriebe geben, bei denen die Hilfe vielleicht nicht im gewünschten Maße ausreichen wird. In der Landwirtschaft ist das sicherlich nicht anders. Im Verhältnis zu der Gesamtsituation der Landwirtschaft ist die Lage in einzelnen Größenklassen und Betrieben nicht so günstig zu betrachten, wie das hier angeklungen ist.
Aber eines hat mir dabei wirklich nicht gefallen. Herr Kollege Kriedemann, Sie meinten, daß gerade aus diesen Betrieben diejenigen Leute kämen, die sich zum Sprecher der Landwirtschaft „aufmandeln" und die Schreier in der Landwirtschaft seien. Ich glaube, auch hier wollen wir die Dinge doch so sehen, wie sie objektiv und gerecht gesehen werden müssen. Wenn jemand mit dem Vertrauen seines Berufsstandes oder seiner Gruppe an die Führung dieses Berufsstandes gestellt ist, dann kann er die Legitimation seiner Verantwortung ja nicht davon herleiten, daß er für seinen eigenen Betrieb spricht, sondern daß er wirklich für die Allgemeinheit spricht; und wenn diese Sprecher des Berufsstandes in der Tat das Wort führen für die Gesamtlandwirtschaft, dann, meine ich, ist das kein anderer Vorgang als der, den wir z. B. genau so gut auch vergleichsweise bei den deutschen Gewerkschaften sehen, von denen wir doch auch nicht behaupten wollen, daß ihre Sprecher, ihre führenden Spitzensprecher in ihrer sozialen Stellung gleich seien mit den Lohnempfängern der mittleren oder unteren Kategorien;
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und trotzdem wollen wir doch hier sagen, daß
diese Männer, wenn sie ihre Führungsverantwortung ernst nehmen - und darauf kommt es doch
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einzig und allein an -, die Belange ihrer Gruppe oder ihres Standes zu berücksichtigen haben.
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- Den habe ich getan, und ich werde vielleicht auch noch ein ergänzendes Wort dazu sagen.
Ich wollte hier nur an einem Beispiel die dynamische Wirkung der unterschiedlichen Ansatzpunkte dieses Programms in der konzentrischen Auswirkung auf die gesteckten Ziele deutlich machen.
Wenn wir in diesem Programm der Mechanisierung und ihrer Notwendigkeit für die Landwirtschaft das Wort reden und dann in der logischen Gedankenlinie die Auswirkung dieses Programms verbunden mit den einzelnen Maßnahmen sehen: der Verbilligung des Dieselkraftstoffs, dem landwirtschaftlichen Wegebau, der Flurbereinigung, der Wasserwirtschaft, dann ist an diesem Beispiel deutlich gemacht, daß an allen diesen Punkten angesetzt wird, daß aber diese Maßnahmen dynamisch im Sinne des Programms wirken.
Wir halten es auch grundsätzlich für richtig, daß dieses Programm der Bundesregierung eine geschickte und sinnvolle Verzahnung mit dem Programm zur Verbesserung der strukturellen Grundlagen der Landwirtschaft ins Auge gefaßt hat. Zu dieser Frage möchte ich gern drei Gesichtspunkte herausstellen.
Ich glaube, daß wir an die erste Stelle bei der Verzahnung mit dem Strukturprogramm stärker, als es in der Vergangenheit geschehen ist, auch das Augenmerk des Hohen Hauses und der deutschen Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit lenken sollten, eine bessere Verbindung unserer industriellen und agrarischen Produktionsstätten in Zukunft zu betreiben. Wenn wir mit dem Strukturprogramm wirklich ernsthafte Fortschritte erzielen wollen, dann ist es notwendig, daß wir gewerbliche Verdienstmöglichkeiten in jene landwirtschaftlichen Notstandsgebiete hineinbringen, wo die Verdienstmöglichkeiten aus Landwirtschaft allein nicht zu einem Einkommen führen, das eine vergleichbare Lebenshaltung für diese Menschen ermöglicht.
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Die Regierung, das Parlament, aber auch alle interessierten Institutionen in der deutschen Wirtschaft sollten dieser Aufgabe, dieser notwendigen Aufgabe ein stärkeres Augenmerk zuwenden im Sinne einer sinnvollen und guten Raumordnung, die ja auch in diesem Sinne nichts anderes ist als eine sinnvolle Zuordnung von industriellen und agrarischen Produktionsstätten.
Ein Zweites möchte ich hier besonders ansprechen. Wir sollten von dem Bundeswirtschaftsminister fordern, daß er sich ernsthaft Gedanken darüber macht, wie dem abgeholfen werden kann, was gestern in der Regierungserklärung, die ja auch für ihn maßgebend ist, angesprochen worden ist: daß nämlich die gewerbliche Wirtschaft es trotz ihrer vielgepriesenen überlegenen Rationalisierung bisher offensichtlich nicht fertiggebracht hat, der Landwirtschaft die industriellen Produktionsmittel zu einem Preis zur Verfügung zu stellen, der der Entwicklung der Preise in der Landwirtschaft adäquat ist. Wenn wir hier schon von der Notwendigkeit einer Rationalisierung der agrarischen
Produktion sprechen, dann sollten wir, glaube ich, mit ebenso großer Offenheit davon sprechen, daß es uns notwendig erscheint, in bestimmten Bereichen, für die die Landwirtschaft ein besonderes Interesse hat, eine ebensolche Rationalisierung der Produktion herbeizuführen, damit der Landwirtschaft die Produktionsergebnisse preiswerter zur Verfügung gestellt werden können. Wir denken hier insbesondere an ein Rationalisierungsprogramm der Landmaschinenindustrie. Wir sind überzeugt, daß durch eine großzügige Bereinigung der Typen und eine Normierung einzelner wichtiger Bestandteile eine wesentliche Verbilligung dieser Produktionsmittel erzielt werden könnte.
Ein drittes Problem möchte ich im Grundsatz herausstellen: die Notwendigkeit, zu einer stärkeren Elektrifizierung zu kommen, von der auch Herr Kollege Kriedemann schon gesprochen hat. 65 % der Arbeit in der Landwirtschaft ist Arbeit in Hof und Haus, und diese Arbeit rationalisieren heißt mehr elektrische PS in den Hof und in die Hauswirtschaft hineintragen. Hier ist ein großes Betätigungsfeld für die interessierte Wirtschaft. Wir sollten uns daran erinnern, daß auch seinerzeit bei der Überwindung der Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten der Weg zu einer neuen Blüte der gesamten amerikanischen Wirtschaft über ein großzügiges Programm zur Elektrifizierung der Landwirtschaft geführt hat.
In der gestrigen Regierungserklärung hat uns besonders gefallen, daß sich die Bundesregierung so überzeugend und eindeutig dafür ausgesprochen hat, ein gesundes Bauerntum, eine gesunde Landwirtschaft zu erhalten, nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern auch zur Aufrechterhaltung einer gesunden Gesellschaft in unserem Lande. Unter diesem Obersatz - so möchte ich sagen - wollen wir auch die volkswirtschaftliche Seite dieses Programms betrachten, und ich glaube, das können wir am besten tun, wenn wir uns dabei nicht so sehr von dem Anteil der Landwirtschaft am Sozialprodukt leiten lassen, sondern einmal den Wert der agrarischen Produktion in Vergleich setzen zu dem Wert wichtiger industrieller Urstoffproduktionen in unserm Lande. Ich will aus dem Bericht nur zwei Zahlen nennen. Die agrarische Produktion der Bundesrepublik liegt um rund 2 Milliarden DM höher als die Gesamtproduktion bei Kohle, Stahl und Eisen. Durch diesen Vergleich ist es auch volkswirtschaftlich gesehen einleuchtend, wenn man sich Sorgen darüber macht, wie man diesen Bereich unserer Gesamtwirtschaft im Sinne der Steigerung der Wohlfahrt des gesamten deutschen Volkes dienstbar machen kann.
Wir sehen das Programm, das die Bundesregierung vorgelegt hat, auch unter dem Gesichtspunkt der volkswirtschaftlichen Bewertung und Beurteilung. Wir erblicken in diesem Programm das, was ich schon anklingen ließ: eine verpflichtende Aufgabe, die in ihrem volkswirtschaftlichen Sinne ein großes Investitionsprogramm für die Landwirtschaft bedeutet. Genau so wie in der übrigen Wirtschaft ist es notwendig, sich Gedanken zu machen, wie diese Investitionen finanziert werden sollen und ob die Investitionen verzinst und amortisiert werden können. Wenn wir das nicht einspurig, sondern in einer sinnvollen volkswirtschaftlichen Kombination aller gegebenen Möglichkeiten betreiben, bietet sich ein optimales Programm für die Landwirtschaft und für die gesamte Volkswirtschaft an.
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Wir wissen, daß die Finanzierung über den Preis, also über die Einnahmen, auf Schwierigkeiten stößt, wenn wir das Problem auf diesem Wege allein lösen wollten. Wir haben deswegen bei der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes immer wieder betont: Was preislich möglich ist - ja!, aber auch was auf dem Wege von entsprechenden verbilligten Krediten oder Subventionen möglich ist! Wir müssen bei der Größe dieses Problems wirklich alle Möglichkeiten erschöpfen, die uns die Volkswirtschaft anbietet.
Herr Kollege Kriedemann, Sie haben in Ihren Ausführungen darauf hingewiesen, daß man auch früher auf dem Wege über die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse mehr hätte tun sollen. Wir haben das mit besonderem Interesse zur Kenntnis genommen. Aber ich glaube, Sie haben von der Zeit vor 1948 und nachher gesprochen.
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Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Kriedemann, daß sich auch damals die Dinge im Raum gestoßen haben und daß es auch besonders Ihre politischen Freunde gewesen sind, die gegen eine Erhöhung der Nahrungsmittelpreise bzw. gegen eine Erhöhung der Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse Stellung genommen haben.
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- Aber Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Kriedemann, wie sich damals diese Dinge im Raum gestoßen haben. Das waren doch die Jahre, als wir große, in die Milliarden gehende Subventionen gezahlt haben, um die Lebensmittelpreise für den Verbraucher im Wege der Subvention zu verbilligen.
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- O doch, wir haben seit 1948 lediglich in einem einzigen Zeitpunkt einmal die Preisschere zwischen Landwirtschaft und Nicht-Landwirtschaft nach den bisherigen Berechnungsmethoden etwa geschlossen; im übrigen war sie offen.
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- Selbstverständlich, ich will hier nur eins deutlich machen. Herr Kollege Kriedemann, Sie tun sich heute leicht, wenn Sie von der damaligen Zeit sagen, man hätte die Preise für die Landwirtschaft erhöhen sollen. Damals aber haben Sie und Ihre politischen Freunde zu dieser Frage eine durchaus andere Stellung eingenommen. Wir sind ja aus dieser Problematik heraus heute dahin gekommen, daß wir nunmehr mit Hilfe des Landwirtschaftsgesetzes und des Grünen Berichts, der jährlich zu erstatten ist, unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten das Gleichziehen der Landwirtschaft betreiben wollen.
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- Ich habe ganz deutlich und klar ausgesprochen, daß wir mit einer sinnvollen Kombination zwischen Möglichkeiten von Preiskorrekturen und den sonstigen Möglichkeiten, die die Volkswirtschaft
uns anbietet, an die Lösung dieses Problems herangehen wollen.
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Wenn wir dieses Programm in seiner gesamten Auswirkung betrachten, dann, glaube ich, kommen wir zu der Feststellung, daß es sich in der Tat auch um eine Belebung unserer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung handeln wird. Wenn das Programm in dieser Art und in diesem Umfang durchgeführt wird, dann werden sowohl die Landwirtschaft als auch die Gesamtwirtschaft einen Vorteil daraus ziehen. Es ist ein wirtschaftspolitisches Programm, das in seiner Art fast einmalig zu nennen ist. Es bringt für die Landwirtschaft eine Verbesserung ihrer Situation, ohne den Verbraucher durch eine Preiserhöhung auch nur mit einem Pfennig zu belasten.
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Es bringt auch der Gesamtwirtschaft eine Belebung durch die noch stärkere Verzahnung der Agrarwirtschaft mit der Gesamtwirtschaft.
Wir sind deswegen der Meinung, daß dieses Programm in seiner Anlage einen konstruktiven Beitrag zur weiteren Entwicklung bietet. Wir wissen, daß das Programm keine billigen Geschenke gibt, sondern daß seine Hilfen notwendig sind und als zusätzliche Hilfen zu den eigenen Leistungen des betroffenen Berufsstandes betrachtet werden müssen. Aber wir glauben, daß dieser Berufsstand bei dem Willen, der sich in diesem Programm manifestiert, und angesichts der vorgesehenen Maßnahmen in der Tat mit einem neuen Vertrauen an seine Arbeit gehen und daß seine positive Mitarbeit bei der Durchführung des Programms erwartet werden kann.
Ich will auch von meiner Seite aus gar nicht verschweigen, daß wir mit Sorge durchaus erkennen, daß sich gewisse Kreise auch im agrarischen Bereich sicherlich wieder dazu hergeben werden, weiterhin Unruhe zu säen und das Programm in seinem Wert und seiner Bedeutung herabzumindern. Ich will mich nicht zu sehr mit diesen Personen, und Kreisen befassen.
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Aber ich möchte doch feststellen: wir haben in unserem Volke schon einmal sehr leidvolle Erfahrungen machen müssen, und wir glauben, daß die Männer aus diesen Kreisen, die heute wieder das große Wort im Munde führen zu müssen glauben,
({15})
aus ihrer Vergangenheit durchaus nicht die Legitimation herleiten sollten und dürfen, sich heute erneut als die Führer des Berufsstandes zu empfehlen.
({16})
Sie hatten schon einmal Gelegenheit, zu beweisen,
daß sie es mit ihren Fähigkeiten verstehen würden,
nicht nur die Landwirtschaft, sondern unser ganzes Volk - statt es in die Katastrophe zu führen einer positiven, einer glücklichen Entwicklung entgegenzuführen. Sie haben damals versagt, und deswegen haben sie heute kein Recht, ihre Führung
erneut anzubieten, auch nicht für den Berufsstand.
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Wenn wir heute in dieser Arbeit stehen, dann deswegen, um den ernsthaften Versuch zu machen, auch das wiedergutzumachen, was mit ihrer Hilfe damals gesündigt und verschuldet worden ist.
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Wenn heute Unterwanderungs- und UnterseebootParolen ausgegeben werden und wenn man heute davon spricht: wir wollten zwar die Kleinbauern am Leben erhalten, aber wir wollten sie in ihren Schwierigkeiten belassen!, - nein, meine Damen und Herren, wir stehen heute hier, um die Kleinbauern am Leben zu erhalten und sie darüber hinaus aus den Schwierigkeiten herauszuführen.
({20})
Darin liegt der Wert unserer Arbeit. In diesem Sinne sollten wir unsere Arbeit auffassen. Aber eins scheint mir eine Notwendigkeit zu sein: überall dort, wo wir solchen Parolen, Kreisen und Personen begegnen, mit der notwendigen starken Haltung zurückzuschlagen, wenn es sein muß.
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Wir sind überzeugt, daß wir mit diesem Programm, so wie es auch gestern aus der Regierungserklärung sehr deutlich herauszuhören war, einen positiven Beitrag nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die weitere Entwicklung unseres Volkes in der weltweiten Auseinandersetzung leisten. Wenn wir heute diese Entwicklungen aufmerksam verfolgen, das Ringen und den Kampf zwischen den Gesellschaftssystemen der westlichen und der östlichen Welt, insbesondere bei den asiatischen Völkern, dann stellen wir fest, daß das Ringen um die Seele dieser Völker sehr entscheidend davon bestimmt wird, ob es gelingt, bei diesen Völkern ein Agrarsystem bäuerlicher, freiheitlicher Ordnung zu begründen, oder ob der Geist der östlichen Kolchosen bei diesen Völkern eindringt. Wir glauben, daß die wirtschaftlichen, die geistigen und sittlichen Kräfte der westlichen Welt die stärkeren sind, und wir leisten einen großen Beitrag für die Stärkung dieser Kräfte, wenn wir gleichzeitig ein gesundes und zahlreiches Bauerntum in der Eigenverantwortung für die Zukunft erhalten.
({22})
Das Wort hat der Abgeordnete Mauk.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Landwirtschaftsgesetz ist im vorigen Sommer mit großer Mehrheit verabschiedet worden. Ich darf feststellen, daß das Haus damals erfreulicherweise wesentlich stärker besetzt war als heute.
({0})
- Ich gebe es zu, aber ich bin ja hier.
({1})
Ich hoffe, daß wir uns trotzdem vertragen.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! - Meine Damen und
Herren, es ist natürlich eine mißliche Sache, wenn wir über eine solche Vorlage ausgerechnet am Freitag gegen Mittag debattieren. Aber das ist nun einmal nicht anders zu machen. Wir alle können das bedauern, aber wir wollen uns gegenseitige Vorwürfe darüber ersparen.
Fahren Sie bitte fort.
Danke sehr!
Meine Damen und Herren, das Landwirtschaftsgesetz verlangt neben verschiedenem anderen in erster Linie, daß die Bundesregierung in ihrem Bericht darauf Bezug nimmt, inwieweit die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals erreicht ist und wieweit die Entlohnung der in der Landwirtschaft Tätigen der in anderen Berufsgruppen entspricht. Ich darf sagen, daß der Bericht, der uns diese Woche von der Bundesregierung vorgelegt worden ist, so umfangreich und in einer derartigen Sorgfalt ausgearbeitet ist, daß er unser aller Anerkennung finden muß. Ich darf mich in dieser Richtung meinen Herren Vorrednern in jeder Beziehung anschließen. Wir müssen sagen, daß uns hier wirklich ein Material geliefert worden ist, welches uns die Möglichkeit gibt, die Lage der Landwirtschaft zu beurteilen. Es ist nur schade, daß die wenigsten von uns Zeit gehabt haben, dieses Material restlos durchzuarbeiten, und daß deshalb die meisten von uns zu manchen Dingen auch heute noch nicht endgültig Stellung nehmen können; es geht mir genauso wie meinen Herren Vorrednern. Im großen und ganzen aber muß ich sagen, daß ich diesem Bericht - zwar nicht vollinhaltlich, aber grundsätzlich - doch die Anerkennung nicht versagen kann.
Als Abgeordnete haben wir natürlich bei der Betrachtung eines solchen Berichts die Pflicht, zu untersuchen, inwieweit dem Gesetzesbefehl, den das Parlament der Regierung erteilt hat, Rechnung getragen wurde. Wir müssen dies auf Grund ganz besonderer Erfahrung insbesondere dann tun, wenn unser verehrter Herr Bundesfinanzminister an solchen Dingen beteiligt ist. Hier kann ich mich Herrn Lücker nicht ganz anschließen. Herr Lücker, wir wollen mit dem Dank und mit dem Lob warten, bis dieses Jahr herum ist. Wir haben da auch schon einiges erlebt. Ich erinnere an die Ernteschadenhilfe usw.; da hat man auch von Beträgen gesprochen, und nachher ist für die Landwirtschaft nicht mehr sehr viel übriggeblieben.
({0})
Ich hoffe aber, daß es diesmal nicht so sein wird; denn ich nehme an, daß im Prinzip die rund 1 Milliarde DM, die uns vom Herrn Bundesernährungsminister gestern verkündet worden ist, auch wirklich genehmigt worden ist und der Landwirtschaft zukommen wird.
Zu diesem Bericht, der uns gestern gegeben worden ist und dem ich auch hier grundsätzlich zustimme - Einzelheiten müssen sicher noch besprochen werden; dazu werden wir im Laufe des Jahres Gelegenheit haben -, haben wir einige Wünsche anzumelden. Aber die können wir später noch anmelden; dazu haben wir noch Gelegenheit.
Die Bundesregierung hat nach langem Zögern
- wir haben schon seit Jahren auf ähnliche Maßnahmen gewartet - einen wirklich ernsthaften Versuch gemacht, der Lage der Landwirtschaft
- verglichen mit der in der übrigen Wirtschaft -gerecht zu werden.
({1})
Ich darf kurz auf einige Feststellungen des Berichts im einzelnen eingehen. Es freut mich, daß wir gestern in dem Bericht des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zusätzlich noch eine Art Gesamtbild über die Landwirtschaft bekommen haben. In dem ersten Feststellungsbericht ist nur die Aufgliederung nach den einzelnen Ländern, Betriebsgrößen usw. vorgenommen worden. Gerade das Gesamtbild, die globale Diskrepanz, ist in den letzten Jahren immer wieder in der Öffentlichkeit besprochen worden.
Allerdings haben wir uns über die Summe gewundert, die Sie, Herr Minister Dr. Lübke, uns gestern genannt haben. Wir haben seit Wochen immer wieder durch die Zeitungen und aus allen möglichen Quellen erfahren, wie der Bericht des Beirats beim Bundesernährungsministerium ungefähr ausgefallen ist. Wir haben schon vor Wochen durch Presseverlautbarungen da und dort und durch Indiskretionen gehört, daß dort eine Disparität von etwa 3,5 bis 4 Milliarden DM errechnet worden sei. Sie aber haben gestern nur von 2 Milliarden gesprochen.
({2})
- Nein, nein, das soll die amtliche Zahl des Beirates sein.
({3})
- Ich möchte das jetzt nicht untersuchen. Ich darf nur feststellen, daß z. B. in der „Deutschen Bauernkorrespondenz", also im amtlichen Organ des Deutschen Bauernverbandes, kürzlich eine Veröffentlichung von Dr. Peters erschienen ist, die bestimmt sorgfältig ausgearbeitet worden ist und die als Schlußergebnis auch eine völlig andere Summe herausbringt. Ich will also diese Gelegenheit nur benutzen, einmal zu untersuchen, wie solche Abweichungen überhaupt möglich sind.
Ich bin überzeugt, daß der Bericht noch nicht ganz das enthalten kann, was er künftig wohl enthalten wird. Wir wissen, daß uns die Unterlagen der Testbetriebe in diesem Jahr noch nicht zur Verfügung standen. Man mußte einzig und allein von den vorhandenen Buchführungsbetrieben ausgehen. Man konnte zwar einiges statistische Material verwerten, ist aber in erster Linie von den vorhandenen Buchführungsbetrieben ausgegangen. Und daß es nicht die schlechtesten Betriebe der deutschen Landwirtschaft sind, sondern die besten, die bisher schon auf freiwilliger Basis eine Buchführung eingerichtet, Bücher geführt. haben, das dürfte wohl allen anwesenden Damen und Herren klar sein.
Aus diesem Grunde konnte man auch nicht in dem Maße, wie es notwendig gewesen wäre, die kleineren Betriebe berücksichtigen. Ich darf nur feststellen, daß aus dem Bericht hervorgeht, daß aus der großen Gruppe der selbständigen Kleinbetriebe bis 10 ha - das sind rund 800 000 Betriebe - nur 353 Testbetriebe genommen werden konnten. Das bedeutet, daß von 2300 Betrieben nur einer getestet werden konnte. Das soll kein Vorwurf sein, nur eine Feststellung. Für diese Größengruppe waren eben keine Unterlagen vorhanden.
Anders war es schon in den Betrieben von 10 bis 20 ha. Da konnten von 255 000 Betrieben immerhin 918 getestet werden; das war schon einer von 278 Betrieben. Bei der nächsten Gruppe von. 20 bis 50 ha wurde - das ist interessant - schon jeder 47. Betrieb und bei der Größengruppe über 50 ha schon jeder 11. bis 12. Betrieb untersucht.
Sie mögen aus dieser Gegenüberstellung ersehen, daß das Bild noch nicht so ist, wie es vielleicht in Zukunft sein wird. Wir haben deutlich gesehen, daß die größeren Betriebsklassen - wenigstens in manchen Betriebszweigen - ganz anders als die kleineren abschneiden. Auch deshalb ist es durchaus möglich, daß sich das Gesamtbild noch ändert. Wir wünschen - und diesem Wunsch möchte ich ganz besonders Ausdruck geben -, daß in Zukunft auch die kleineren Betriebe in der Größe bis zu 10 ha und auch die von 10 bis 20 ha noch stärker als bisher - ich glaube, daß das auch der Wunsch unseres Herrn Ministers ist - mit herangezogen werden. Das Ganze läßt sich natürlich nur auf Grund der Angaben der vorgesehenen Testbetriebe durchführen.
Bei der Prüfung dieses 191 Seiten umfassenden Berichts ist mir noch einiges andere aufgefallen. Bei manchen Dingen scheint mir doch ein gewisser methodischer Fehler unterlaufen zu sein. Ich möchte ausdrücklich wiederholen, ich weise auf diese Dinge nicht hin, weil ich hier Kritik üben möchte, sondern lediglich zur Aufklärung der Damen und Herren, die nicht die Möglichkeit haben, den Bericht so kritisch durchzulesen und dementsprechend ihre Schlußfolgerungen zu ziehen, die auch in dem landwirtschaftlichen Sektor nicht so bewandert sind, daß sie die Dinge so ohne weiteres erkennen können.
Ich denke z. B. an den Ansatz der Arbeitskräfte. Der Bericht selbst weist aus, daß wir in der deutschen Landwirtschaft 4 781 000 hauptberuflich Tätige haben. Außerdem sind nach dem Bericht 1 387 000 nebenberuflich Tätige in der deutschen Landwirtschaft beschäftigt. Das wären zusammengerechnet über 6 Millionen Menschen. Der Bericht sagt, man habe diese nicht alle als Vollarbeitskräfte einsetzen können. Dafür haben wir volles Verständnis. Man hat beispielsweise alle über 60 Jahre Alten nur noch mit 3/10 einer vollen Arbeitskraft eingesetzt, die unter 17 Jahre Alten mit 5/10. Darüber hinaus hat man dann für die im Haushalt Beköstigten 2/10 abgezogen. Aber selbst wenn ich alle diese Dinge großzügig berücksichtige, wenn ich auch die nicht ständigen Arbeitskräfte sehr sorgfältig bewerte - ich habe mir Mühe gegeben, das zu tun -, komme ich trotzdem nicht auf die Zahl von 3,1 Millionen Vollarbeitskräften, die in dem Bericht - soweit es mir möglich war, das herauszufinden - zugrunde gelegt ist.
Ich glaube auch - da möchte ich mich dem anschließen, was Kollege Lücker vorhin gesagt hat -, daß man mit dem Abzug, den man der Hausfrau, der Arbeit unserer Bäuerin, auferlegt hat, der Frauenarbeit nicht gerecht wird. Ich glaube, daß ihre Arbeit in diesem Zusammenhang besonders anerkannt werden muß.
Ich habe mir dann die Mühe gemacht, auch die eingesetzte Lohnhöhe einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Auch hier hätte man es - wenn man schon von einem Jahresverdienst ausgehen wollte - bei dem ursprünglichen Ansatz von 3800 Mark lassen müssen, hätte nicht gleich wieder einen Abschlag machen sollen. Wir haben aus dem Munde des Herrn Ministers selber gehört, daß diese 300 DM bei rund 3 Millionen Arbeitskräften schon 900 Millionen DM ausmachen. Die Disparität ist also dementsprechend größer oder kleiner.
Ich erinnere mich noch an die Untersuchungen, die wir seinerzeit zusammen mit Dr. Puvogel vom
({4})
Ifo-Institut im Unterausschuß Paritätsgesetze angestellt haben, als dieses Gesetz beraten wurde. Damals ist uns die Kostenrechnung auch nach diesen wissenschaftlichen Untersuchungen dargelegt worden. Ich habe damals den angesetzten Lohn beanstandet. In dem Bericht war, wenn ich mich recht erinnere, von Dr. Puvogel eine Disparität im Betrag von 1,6 Milliarden DM festgestellt worden. Wir haben dann gefragt, wie der Lohn eingesetzt sei. Er wurde im Schnitt der Männer- und Frauenarbeitsstunde mit 90 Pfennig angesetzt. Ich habe daraufhin gesagt - andere Kollegen ebenfalls -, daß der Satz längst überschritten sei, daß wir wenigstens 30 oder 40 Pfennig pro Stunde mehr ansetzen müßten, um einen mit anderen Berufsgruppen annähernd vergleichbaren Lohn zu bekommen. Herr Dr. Puvogel hat uns damals schon erklärt, daß eine Erhöhung auch nur von 10 Pfennig bei 3 Millionen Beschäftigten 810 Millionen DM ausmachen würde.
Wir verstehen nun auch, daß hier sehr vorsichtig vorgegangen worden ist; denn wenn wir unterstellen, daß der Stundenlohn nur um 20 Pfennig falsch angesetzt ist, macht dies natürlich schon 1,6 Milliarden DM mehr oder weniger in der Endsumme zur Ermittlung der Disparität aus. Ich will jetzt gar nicht von den einigen hunderttausend Arbeitskräften reden, die noch in der Landwirtschaft tätig sind, wenn auch in kleineren Betrieben. Sie sind aber da, sie sind voll tätig, und man müßte sie in der Globalrechnung wenigstens in Zukunft, wenn auch diese kleineren Betriebe mit in die Untersuchung einbezogen sind, berücksichtigen.
Ich habe vor einigen Wochen eine interessante Unterhaltung gehabt. Ich habe eine Sitzung eines wirtschaftspolitischen Gremiums besucht und habe mich da über die Lage der deutschen Landwirtschaft mit Industriellen meiner schwäbischen Heimat unterhalten. Sie wissen, daß unsere Industrie in Baden-Württemberg nicht gerade die schlechteste ist; sie kann sich neben den Industrien im übrigen Deutschland zumindest sehen lassen. Wir haben uns dort über die Lage der deutschen Landwirtschaft unterhalten. Ich wurde zuerst sehr stark angegriffen, ich stellte die Dinge einseitig dar. Doch ein schwäbischer Industrieller, der aus der Landwirtschaft stammt und noch gute Verbindung mit der Landwirtschaft hat und aus Liebhaberei einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet, hat sich in der Diskussion gemeldet und berichtet, daß er mir aus eigener Erfahrung - und er durchleuchte seinen landwirtschaftlichen Betrieb genau so nach kaufmännisch-wirtschaftlichen Grundsätzen wie seinen Industriebetrieb - in jeder Beziehung in den Dingen, die ich damals bekundet habe, recht geben müsse. Er führte aus, daß in seinem 85-haBetrieb, der ja nicht dem Durchschnitt der deutschen Landwirtschaft entspricht - der Durchschnitt dürfte vielmehr beinahe nur 10 % dieser Betriebsfläche ausmachen -, alles eingesetzt sei, was an technischen Hilfsmitteln möglich ist. Der Betrieb sei bis zum letzten durchrationalisiert und trotzdem nicht in der Lage gewesen, aus diesen 85 ha, die allerdings ohne Sonderkulturen bewirtschaftet werden - im schwäbischen Oberland in der Gegend von Ravensburg, damit Sie auch wissen, wo der Betrieb liegt -, auch nur annähernd eine Rendite abzuwerfen, wie er es als Kaufmann verlangen müsse.
Auf die spezielle Frage nach der Rationalisierung und Technisierung hat er gesagt, er habe vor zwei Jahren nochmals einige Arbeitskräfte und Pferde
durch Beschaffung von neuen Maschinen einsparen wollen. Er habe den Versuch gemacht, habe jetzt zwei Pferde und zwei Arbeitskräfte weniger. Wenn er aber alles zusammenrechne, was ihn diese Maschinen wiederum zusätzlich kosteten, weil sie ja nur an Spitzentagen, nur an wenigen Tagen im Jahr eingesetzt werden könnten, ergebe sich, daß er dadurch keine große Einsparung gemacht habe; im Gegenteil, Amortisierung, Verzinsung usw. fräßen beinahe das wieder auf, was an Menschen und Pferden eingespart worden sei.
Er wurde präzise gefragt - und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, dürfte Sie alle interessieren -, welcher Verdienst in seinem Betrieb bei dieser besten Bewirtschaftung zu erzielen gewesen sei. Da hat er gesagt, es sei ihm im Laufe der letzten Jahre nicht möglich gewesen, eine höhere Verzinsung als 3 % des im Betrieb investierten Kapitals herauszuwirtschaften. Dabei sei es ihm nicht möglich gewesen, seinen in der Landwirtschaft tätigen Mitarbeitern auch nur annähernd industriegleiche Löhne zu zahlen, wie er sie in seinem Industriebetrieb selbstverständlich zahle. - Ich wollte dieses Beispiel nur einmal anführen, damit Sie sehen, wie die Dinge in der Praxis liegen.
Er wurde dann von einem anderen Industriellen gefragt, was er, wenn er die Arbeiter in seinem landwirtschaftlichen Betrieb wie in der gewerblichen Wirtschaft entlohnen wolle und wenn er gleiche kaufmännische Grundsätze wie in der gewerblichen Wirtschaft bezüglich des Unternehmerrisikos, bezüglich der Abschreibungen, der Verzinsung des Kapitals usw. anwende, dann für seine verkauften Produkte mehr erlösen müsse. Da hat er ohne Besinnen gesagt: wenn ich nach kaufmännischen Gesichtspunkten meinen Leuten industriegleichen Lohn zahlen will, mindestens 20 %!
In dem Bericht ist festgestellt worden, daß der Verkaufserlös der deutschen Landwirtschaft annähernd 14 Milliarden beträgt. Wenn wir einmal von diesem Betrieb, der einen Spitzenbetrieb darstellt, ausgingen und sagten, auch dieser Spitzenbetrieb müßte, um seinen Aufwand mit seinem Ertrag einwandfrei nach kaufmännischen Gesichtspunkten decken zu können, 20 % mehr haben, wenn wir also nur diesen Betrieb und nicht die Tausende von Kleinbetrieben berücksichtigten, dann müßte eine Disparität von 2,8 Milliarden vorliegen. Da es nur wenige Betriebe gibt, die derartig wirtschaften können, glaube ich, daß die Berechnungen, die da und dort angestellt worden sind, teilweise doch nicht so abwegig sind.
Wir brauchen nur die Verschuldung der Landwirtschaft - ich glaube, einer meiner Herren Vorredner hat schon darauf hingewiesen - mit nunmehr annähernd 7 Milliarden zu betrachten und sie mit dem Verkaufserlös von jährlich 14 Milliarden zu vergleichen. Schon dieser Vergleich muß uns zu denken geben. Ich erinnere daran, daß in der Landwirtschaft das Kapital nur einmal jährlich umgeschlagen werden kann, ja, in vielen Zweigen nur einmal sogar in mehreren Jahren, weil wir ja auch Dauerkulturen haben, und diese Dinge müssen hier ebenfalls berücksichtigt werden.
Nun kommt die Frage auf uns zu: Wie soll die Disparität beseitigt werden? Ich möchte dem darüber schon Gesagten nicht mehr viel hinzufügen; ich sehe, daß die Zeit fortschreitet, und weiß, Sie möchten am Freitag nachmittag wieder nach Hause
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fahren. Grundsätzlich möchte ich mein Einverständnis mit dem erklären, was die Bundesregierung hier gestern vorgetragen hat. Ich hoffe, einige Wünsche noch im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorbringen zu können; meines Erachtens sind einige Dinge noch zu bereinigen, auf die jetzt im einzelnen einzugehen aber zu weit führen würde. Grundsätzlich aber bin ich, wie gesagt, damit einverstanden. Allerdings müssen wir bei den Auswirkungen in erster Linie daran denken, daß es am schlechtesten den klein- und mittelbäuerlichen Betrieben geht und daß daher die Hilfe in erster Linie dort angesetzt werden muß.
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Das möchte ich grundsätzlich dabei herausstellen.
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- Ich glaube, darin sind wir uns im großen und ganzen alle einig. Ich wollte das nur der Ordnung halber besonders festgestellt haben.
Ich darf zum Schluß sagen, daß wir - das möchte ich all denen zurufen, die nicht den landwirtschaftlichen Berufen angehören - auf Grund der Feststellungen dieses Berichts zum Landwirtschaftsgesetz die Lage der Landwirtschaft doch mit etwas anderen Augen ansehen. Sehr viele werden sie mit anderen Augen als vorher ansehen. Gerade wir Vertreter der deutschen Landwirtschaft, die wir immer und immer wieder mahnend das Wort ergriffen haben, sind oft verkannt worden. Man hat uns oft unterstellt, wir machten einseitige Interessenpolitik. Ich glaube, dieser Bericht hat bewiesen, daß unsere Behauptungen nicht übertrieben gewesen sind, daß sie im Gegenteil, ich darf das hier feststellen, im großen und ganzen sehr maßvoll gewesen sind, wie das deutsche Landvolk in seinen Forderungen immer maßvoll gewesen ist.
Wir haben zur Zeit manchmal Sorge um die Urproduktion der gewerblichen Wirtschaft. Wir wissen, wie schnell es sich auf die gesamte Wirtschaft auswirken kann, wenn wir in Deutschland zu wenig Kohle erzeugen. Ich glaube, wir müssen immer daran denken, daß wir, so wie wir jede gewerbliche Urproduktion für unsere gesamte Volkswirtschaft brauchen, auch die Urproduktion der deutschen Landwirtschaft brauchen. Um nichts anderes handelt es sich. Wir können notfalls auf alles verzichten; wir können auf jeden Luxus verzichten, wir können aber keinen Tag auf die Nahrung verzichten. Das braucht der Mensch, bevor er anderes schaffen und produzieren kann, das braucht er, wenn er leben will. Wir haben immer um die Erhaltung der Landwirtschaft gekämpft, nicht etwa um einem sterbenden Beruf zu helfen - die Bereinigung in der deutschen Landwirtschaft kommt organisch, soweit sie verantwortet werden kann und notwendig ist -, einem Berufsstand, der für die Zukunft keine Aussicht mehr hat, sondern um zu helfen, daß die Nahrungsgrundlage für unser deutsches Volk gesichert bleibt, daß uns von niemand anderem der Brotkorb höher oder niedriger gehängt werden kann.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dafür, daß der sogenannte Grüne Bericht heute zum erstenmal auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes vom vorigen Jahr vorgelegt wird, ist das Echo wohl nicht nur durchaus zufriedenstellend, sondern in jeder Hinsicht positiv, und zwar nicht nur positiv für den Bericht, sondern auch positiv in der Einstellung zur gesamten deutschen Landwirtschaft, insbesondere zu den Hilfen, die für die bessere und weitere Entwicklung der deutschen Landwirtschaft vorgesehen sind.
Ich möchte heute auf allgemeine Fragen nicht eingehen; dazu hatte ich gestern genügend Gelegenheit. Ich möchte aber auf die Anregungen eingehen, die heute gegeben worden sind, und auf die Zweifelsfragen antworten, die hier erörtert worden sind. Soweit in der weiteren Debatte von den einzelnen Rednern noch Anregungen vorgebracht werden, bin ich bereit, auch darauf einzugehen.
Es sind Zweifel darüber laut geworden, ob die Abzüge, die z. B. bei dem Ansatz für die Bauersfrau für die Versorgung der eigenen Familienangehörigen, also für private Angelegenheiten, gemacht wurden, richtig seien, ob es also, wenn sie rein privat drei oder vier Leute zu versorgen hat, richtig sei, pro Person zwei Zehntel von dem Ansatz der vollen Arbeitskraft abzuziehen. Meine Damen und Herren, die Zweifel daran sind völlig unberechtigt. Wir wollen doch einen vollgültigen Vergleich mit vergleichbaren Berufsgruppen haben. Dann müssen wir doch berechtigt sein, auf die Angaben der wissenschaftlichen Institute einzugehen. Wir haben drei wissenschaftliche Institute damit befaßt, uns hierfür brauchbare Unterlagen zu liefern. Die drei Institute haben die Zahlen angegeben, und zwar das hier in Bonn 0,24, das in Gießen 0,24 und das hauswirtschaftliche Forschungsinstitut in Godesberg 0,21. Wir haben 0,2 eingesetzt. Ich glaube, da kann man nicht sagen, daß wir zu hoch gegriffen hätten. Der Vergleich mit anderen Berufsgruppen muß doch glaubhaft sein. Wir müssen jeder Frage nach dieser Richtung mit gutem Material entgegentreten können.
({0})
Wenn ich das nicht mehr kann, verliere ich den
Glauben in der Öffentlichkeit und habe nicht mehr
das erforderliche Gewicht für den Grünen Bericht.
({1})
Die ganze Bevölkerung, die die Kosten für den Grünen Plan aufbringt, muß überzeugt sein, daß wir hier im Bundestag einen klaren Weg gehen, den jeder übersehen kann.
({2})
Es wurde dann gesagt, in diesem Plan seien die einen oder anderen Maßnahmen nicht enthalten, die man gern gesehen hätte. Meine Damen und Herren, ich selber hätte auch noch manche anderen gern durchgesetzt und vor allen Dingen manche Maßnahmen sehr viel höher mit Finanzmitteln bedacht gesehen, daran ist doch wohl kein Zweifel. Hat es denn jemals so etwas gegeben, daß der betreffende Ressortminister z. B. bei der Vorlage eines Etats voll damit einverstanden sein konnte? Wieviel weniger werden es all die übrigen sein, die damit zu tun haben! Aber ich glaube, man kann wohl sagen, daß die Aufnahme in der Öffentlichkeit, hier im Hause und auch in der Landwirtschaft selbst positiv gewesen ist.
Wenn ich hier noch eine Maßnahme erwähne, habe ich meinen besonderen Grund dazu. Ich war
({3})
selbst ursprünglich der Meinung, man müsse hinsichtlich der Verbesserung der Milcheinnahmen noch etwas tun, und ich habe das bei den Erörterungen in unserem Hause als erstes vorgeschlagen. Allmählich habe ich mich von diesem Vorschlag entfernt, und zwar aus folgender grundsätzlichen Erwägung. Man setzt Subventionen nicht gern an das Ende, sondern lieber an den Anfang gewisser wirtschaftlicher Entwicklungen. Ich will mit ihnen die wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln, will nachher den durch die Bemühungen des Bauern erzielten Ertrag sehen, aber nicht umgekehrt vorgehen.
({4})
Man fängt mit der Unterstützung der Leistung und nicht mit der Unterstützung des Produkts an.
Ich sagte gestern nicht ohne Bedacht: die wirkliche Befriedigung, das Glück fließt aus der Entfaltung der eigenen Kräfte. Wenn ich dem einzelnen die Verantwortung abnehme und sage: „Soundsoviel tausend Mark haben dir gefehlt, bitte, hier kannst du sie dir abholen", was würde das für eine Landwirtschaft werden!
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Außerdem stehen wir beim Milchgeld im Januar 1956 bei 31,9 Pf pro 1 im Bundesdurchschnitt gegenüber 29,3 Pf im Januar 1955. Wir sind also um 2,6 Pf über dem Vorjahr, wenn ich den Monat Januar zugrunde lege. Selbstverständlich werden die Preise im Laufe des Frühjahrs und Sommers wieder heruntergehen. Aber wenn ich da z. B. den Vorschlag höre, man solle doch mit öffentlichen Subventionen die Auszahlung für Werkmilch auf 32 Pf stabilisieren, dann muß ich sagen, ich weiß nicht, wie ich das anfangen sollte. Dafür brauche ich ganz enorme Mittel, und ich würde damit bezüglich der Werkmilch jedes Risiko abnehmen.
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Es wurde die Anregung gegeben, den Bericht über die Lage der Landwirtschaft im nächsten Jahre etwas früher zu versenden. Nun, meine Damen und Herren, leicht ist das nicht; denn die Diskussionen über das, was notwendig ist, und über die Höhe der aufzubringenden Mittel ziehen sich in der Regel bis in die letzten Tage hinein, ziehen sich bis zur letzten Kabinettssitzung vor dem 15. Februar hin. Die Unterlagen müssen bis zur letzten Stunde geheimgehalten werden, damit nicht in der gesamten Öffentlichkeit schon alles zerredet wird, bevor überhaupt Beschlüsse gefaßt worden sind. Wir werden aber versuchen, im nächsten Jahr wenigstens eine Erweiterung der allgemeinen Angaben, die nicht geheimgehalten zu werden brauchen, vorzunehmen und sie etwas früher zu bringen.
Sodann wurde das Erstaunen zum Ausdruck gebracht - vielleicht habe ich es auch falsch verstanden -, daß für die Freimachung der landwirtschaftlichen Werkwohnungen nichts eingesetzt sei.
Das ist wohl ein Mißverständnis. Im Etat des Bundeswohnungsbauministers sind - und zwar neu eingesetzt für den Grünen Plan - 50 Millionen DM für die Freimachung von Werkwohnungen enthalten. Dabei laufen, Herr Kollege Kriedemann, die Mittel für die Erstellung von Werkwohnungen und Landarbeitereigenheimen ungekürzt weiter.
Es wurde weiter gesagt, man habe keine Klarheit hinsichtlich der betriebsnotwendigen Arbeitskräfte gefunden. Man rechnet die betriebsnotwendigen Arbeitskräfte pro 100 ha. Ein Großbetrieb hatte früher im Durchschnitt zwischen 15 und 20 Arbeitskräfte auf 100 ha. Unsere großbäuerlichen Betriebe haben heute etwa 12, 14 oder 16 Arbeitskräfte pro 100 ha. Unsere zuckerrübenbauenden Betriebe liegen in der Regel über 20, bei 21 oder 22 Arbeitskräften pro 100 ha, und die Kleinbetriebe liegen fast alle wesentlich darüber.
Es wurde von den zwei Familien auf dem Bauernhof gesprochen. Der Bauernhof, ob er groß oder klein ist, hat immer zwei Familien zu tragen: die Familie desjenigen, der den Hof abgegeben hat, und die Familie desjenigen, der selber schon Kinder hat, wenn er den Hof übernimmt. Deshalb stehen in der Regel mindestens zwei, vielfach drei familieneigene Vollarbeitskräfte, ganz gleich, ob der Hof 5 ha, 10 ha oder 20 ha groß ist, zur Verfügung. Wenn ich diesen Arbeitskräftebesatz auf 100 ha umrechne, komme ich bei 20 ha auf 15, bei 10 ha auf 30 und bei 5 ha auf 60 Arbeitskräfte. Das ist ein Arbeitskräftebesatz, wie er in den kleinen Betrieben tatsächlich vorhanden ist, der aber überhaupt nicht auszuwerten ist. Für den Grünen Plan können wir nicht Arbeitskräfte voraussetzen, die nicht auszuwerten sind; wir können nur die betriebsnotwendigen Arbeitskräfte ansetzen. Denn ob ich bei 100 ha eine einzige Dauerarbeitskraft mehr nehme oder nicht, das macht für die nachher in der Berechnung in Erscheinung tretende Disparität viele, viele Millionen aus. Wir haben - das ist sorgfältig errechnet worden - pro 100 ha 21 Vollarbeitskräfte angenommen - das ist von allen Kapazitäten, die sich mit diesen Dingen befaßt haben, als berechtigt anerkannt worden -, und auf diesen 21 beruht natürlich auch wesentlich die Berechnung der Disparität. Ich komme auf die Disparität nachher noch zurück.
Dann ist von der Alterssicherung gesprochen worden. Meine Damen und Herren, das Problem ist gar nicht sehr einfach, weil in bäuerlichen Betrieben die verschiedensten Auffassungen darüber bestehen. Die kleinen Betriebe sind normalerweise nicht in der Lage, das notwendige Geld für eine normale private Versicherung aufzubringen, die ihnen später eine entsprechende Rente für das Alter zahlt. Bisher ist von berufsständischer Seite ein Zwang zur Versicherung nicht bejaht worden. Ich persönlich wäre dafür - das habe ich gestern bereits ausgesprochen -, daß jeder für sein Alter versichert sein muß, auch jeder Bauer, aber auch jeder andere in der Bevölkerung. Dann kann sich der Bauer die billigste und zweckmäßigste Versicherung aussuchen. Die allerbilligste, die es gibt, ist die sogenannte Umlageversicherung. Von den ganz kleinen Landwirten, und zwar nur von den hauptberuflich tätigen Landwirten, sind bereits 250 000 in der sogenannten Invalidenversicherung. Es handelt sich dann noch um etwa 1 Million oder vielleicht weniger. die in die Umlageversicherung hinein müßten. Der Rest wird sich privat versichern wollen. Wir hoffen, daß wir im nächsten Jahr mit diesen Dingen etwas weiter gekommen sind.
Ferner wurde gesagt, es seien noch nicht alle Positionen klar angegeben; es fehlten noch z. B. die Positionen „Ankauf von Land für die Aufstokkung von Kleinbetrieben". Die ist nicht nur im Grünen Plan, sondern auch in den bisherigen Etatmitteln enthalten;
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({8})
dafür werden Zinsverbilligungsmittel gegeben, um
die Zinsbelastung nicht zu hoch werden zu lassen.
({9})
- Das betrifft die Agrarstruktur; dazu gehört die Aufstockung ohne weiteres.
({10})
Dann ist geltend gemacht worden, gewisse Ausgaben seien an die Beteiligung der Länder, bei der Schulmilch sogar an die Beteiligung der Gemeinden gebunden. Nun, meine Damen und Herren, wenn wir die Schulmilchspeisung nicht an die Beteiligung der Lander und Gemeinden binden wollten, was wäre dazu wohl zu sagen? Wenn die Gemeinden kein Interesse an der Schulmilchspeisung haben und auch die Länder ihrerseits erklären, kein Interesse zu haben, kann doch der Bund nicht herkommen und die gesamte Schulmilchspeisung in der ganzen Bundesrepublik bezahlen; das ist völlig ausgeschlossen.
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Dafür haben wir doch den föderativen Aufbau der Bundesrepublik, daß zunächst einmal unten gesorgt werden muß. Wenn die kein Interesse haben, können wir uns nicht regen.
({12})
- Ja, ich weiß; aber das kann man nicht ändern.
({13})
Im übrigen, Herr Kollege Kriedemann, ich habe Ihnen ja schon häufiger gesagt: wir müssen Ihnen ja auch noch etwas übrig lassen.
({14})
Dann wurde beanstandet, die Handelsdüngerverbilligung sei speziell für die größeren Betriebe, und zwar für diejenigen Betriebe, die es schon gar nicht mehr nötig hätten, denen es ohnehin gut gehe. In dem einen Betriebe verbrauche man 235 DM pro Hektar und im anderen 44 DM. Die Zahlen sind absolut richtig; es ist vielleicht sogar eine noch etwas größere Disparität vorhanden, wenn ich die Unterlagen des Grünen Berichts nehme.
({15})
Aber das kann uns doch nicht davon abhalten, allgemein zu verbilligen. Soll sich etwa denjenigen, der ausreichend Kunstdünger verwendet, der also eine intensive Wirtschaft hat, dadurch bestrafen, daß ich sage: „Du kommst nicht mehr in Betracht!"?
({16}) Also sind wir uns in diesem Punkte einig.
({17})
Ich bin immer für Einigkeit.
({18})
Zweitens. Soll ich einen großen Verwaltungsapparat aufbauen, um festzustellen, wieviel Kunstdünger im einzelnen Betrieb verbraucht wird?
({19}) -- Das ist gar nicht möglich. Ich glaube, das würde sich nicht lohnen.
({20})
Das Netz dieser Verwaltungsbeamten oder -angestellten könnte nicht so dicht sein, daß sie nicht
im gegebenen Falle hinters Licht geführt würden.
({21})
Es ist schon jetzt nicht ganz einfach, die Dinge an den richtigen Mann zu bringen, und zwar so, daß wir dabei nicht hintergangen werden. Das braucht nicht etwa bei der Landwirtschaft zu sein, das kann auch anderwärts passieren.
Das Dritte. Ich bin der Meinung: Wenn der Bauer sich sagt: „20 % des Handelsdüngers, den ich im Jahr verwende, wird verbilligt, das wird auf den Bundesetat übernommen", dann sagt er sich gleichzeitig: „Je mehr ich anwende, um so mehr wird verbilligt". Und so ist die Ausgabe im Etat gemeint. Wenn der einzelne Bauer mehr Kunstdünger verwenden will als bisher, dann bekommt er eine entsprechend größere Verbilligung. Ich kann also nicht von einer festen Summe ausgehen. Die Summe, die im Etat steht - 226 Millionen DM -, ist entsprechend dem Verbrauch des vorigen Wirtschaftsjahrs angenommen; 20 % der Gesamtsumme des vorigen Jahres machen genau 226 Millionen DM. Wir verbilligen 20 % des gesamten aufgewendeten Düngerwertes. Keiner wird also geschädigt, wenn etwa ein sehr intensiv wirtschaftender Großbetrieb nun noch mehr anwendet.
Wenn im übrigen Vorschläge in dieser Richtung gemacht werden - ich bin jederzeit dankbar dafür. Denn der Nachtragshaushalt, der von der Bundesregierung bzw. vom Bundesfinanzminister noch einzureichen ist, wird ja zumindest durch den Ernährungsausschuß und den Haushaltsausschuß gehen; dort können wir uns damit befassen. Ich möchte nur dringend schon jetzt daran erinnern, daß wir diese Beratungen nicht zu lange hinausziehen wollen. Denn der erste und wesentliche Schritt ist durch den Entschluß der Bundesregierung getan worden, die Mittel, die ich Ihnen gestern genannt habe, für diese Aufgabe zu geben, und nun muß das übrige rasch gehen.
Neben den Beratungen im Bundestag und im Bundesrat sind natürlich auch die Verhandlungen mit den Länderregierungen zu führen. Alles das wird entsprechende Zeit dauern. Aber ich möchte gern, daß wir so bald wie möglich nach dem 1. April - dann beginnt das Rechnungsjahr - diese Mittel zur Verfügung haben und in die Landwirtschaft praktisch hineinbringen können. Dazu brauche ich die Mitarbeit des Berufsstandes. Ich komme nun auf die berühmte Disparität. Der Deutsche Bauernverband hat, ich glaube, unter dem gestrigen Datum, gesagt, es werde der ernste Versuch gemacht, der festgestellten erheblichen Disparität entgegenzuwirken; bei voller Würdigung der vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen müsse festgestellt werden, daß der Bericht die Disparität nicht in der tatsächlichen Höhe zum Ausdruck bringe, da die kalkulatorischen Posten nicht entsprechend den Vorschriften des Gesetzes als echte Kostenbestandteile und auch nicht in ihrer tatsächlichen Höhe eingesetzt worden seien. Nun, meine Damen und Herren, ich muß sagen, einen schwereren Vorwurf kann man eigentlich
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an diesem Tage gegen den amtierenden Minister kaum zum Ausdruck bringen.
({23})
Ich will mich damit gar nicht etwa polemisch auseinandersetzen, aber ich muß doch sagen: ich habe gestern mit mehreren Präsidenten des Bauernverbandes gesprochen und nichts Derartiges von ihnen gehört. Daß ich heute im Informationsdienst des Deutschen Bauernverbandes das auf den Tisch gelegt bekomme, ist immerhin verwunderlich.
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Wir fangen mit dem heutigen Tage damit an, den Grünen Plan in die Praxis umzusetzen, und da, meine ich, sollte es die erste Aufgabe sein, die Verbands-Mitglieder draußen richtig zu unterrichten!
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Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen sagen, daß in dem Bericht entsprechend dem Gesetz die Ertrag-Aufwand-Rechnung klar durchgeführt worden ist. Auf Grund der Bilanzierung, die nach den Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben nach den Regeln der Bilanz aufgestellt wurde, haben wir die Disparität errechnet, und zwar unter Zugrundelegung von 21 Vollarbeitskräften pro 100 ha und unter Zugrundelegung eines Lohnes für die männlichen Arbeitskräfte von 4055 DM. Das ist der Durchschnittslohn, denn viele werden sagen, daß sie höhere Löhne zahlen. Natürlich werden manche Facharbeiter höher bezahlt, aber der genannte Betrag ist die Durchschnittslohnsumme für den Landarbeiter. Bei den Frauen beträgt der Lohn 2603 DM und die Durchschnittsbezahlung für Männer und Frauen zusammen 3500 DM. Die Damen und Herren haben wahrscheinlich diesen Betrag von 3500 DM im Ohr und glauben nun, das sei der Lohn für die Fachkräfte. Der Jahresdurchschnittslohn für männliche Arbeitskräfte beträgt also 4055 DM. Das ist eine Bezahlung, die, wie ich gestern ausgeführt habe, den Durchschnitt des Jahresverdienstes in der metallverarbeitenden Industrie, der Textilindustrie, der Industrie der Steine und Erden, in der Sägeindustrie und der holzverarbeitenden Industrie bildet. Wenn wir also nach dem Gesetz verpflichtet sind, vergleichbare Berufe zu nehmen, dann haben wir, glaube ich, richtig gehandelt.
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Alle Beteiligten im Beirat waren mit allen diesen Ansätzen völlig einverstanden.
Nun wird weiterhin gesagt, wir hätten die kalkulatorischen Posten - also Lohn, Betriebsleiterzuschlag und Verzinsung - nicht als echte Kostenbestandteile und auch nicht in ihrer tatsächlichen Höhe eingesetzt. Das ist unrichtig. Falls noch Mitglieder des Hohen Hauses da sind, die sich zu diesen Fragen äußern wollen, wäre ich außerordentlich dankbar, wenn wir uns noch damit auseinandersetzen können.
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Disparitäten von 2 Milliarden DM, 3,5 oder 4,5 Milliarden DM, die auch Herr Kollege Mauk anführte,
sind in diesen Einzelheiten im Beirat überhaupt nicht erörtert worden. Herr Kollege Mauk, wer Ihnen also etwas erzählt hat, beging nicht nur einen Vertrauensmißbrauch, sondern er hat Ihnen auch etwas erzählt, was nicht stimmt.
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Ich habe gestern außerdem gesagt: kein Mensch von denen draußen, die von Disparitäten erzählen, die höher liegen als die gestern von mir genannte Zahl, hat dafür eine Unterlage.
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- Ich bin ja nicht beauftragt, Herr Kollege, mit einer Lupe oder mit einem Hörrohr umherzugehen, um festzustellen, wer das tut. Im übrigen wollen wir uns hier nicht auseinanderreden. Wir haben von allen Fraktionen eine einmütige Zustimmung, wenn auch mit einigen kritischen Anmerkungen, bekommen; ich möchte, daß der Berufsstand klar darüber informiert wird. Wir haben doch in engster Weise mit den Bauern zusammenzuwirken, um dieses bedeutende Werk in einem Jahr zu Ende führen zu können. Darum geht es mir.
({30})
Und wenn wir den heutigen Tag trotz mancher Auseinandersetzungen als einen Anfang mit redlicher Aussprache bezeichnen können, ist damit den Bauern und auch der gesamten Bevölkerung am besten gedient.
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Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Vorbereitung für die heutige Debatte hat sicher manches Mitglied dieses Hohen Hauses, das die Ehre hatte, bei den sehr langwierigen und schwierigen Verhandlungen im Unterausschuß für Parität mitzuwirken, einmal in diesen alten Sachen herumgeblättert, um festzustellen, ob es den Mitgliedern des Hohen Hauses in Verbindung mit den Vertretern der verschiedenen Ministerien in Verbindung mit dem zuständigen Minister, aber auch in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern aus den vielen Zweigen unserer deutschen Volkswirtschaft wohl gelungen sei, das zu verwirklichen, was uns damals vorschwebte, die Lage der Landwirtschaft in einem Bericht niederzulegen, und ob - die zweite Frage - dann auf Grund eines solchen Berichts Konsequenzen zu ziehen seien. In der öffentlichen Meinung haben die Ansichten über diese Dinge einen weiten Raum ausgefüllt, und sie sind sehr stark auseinandergegangen. Die einen sagten: Ein reines Statistikengesetz, in der Praxis nicht anwendbar! Die anderen sagten: Gefährlich für die Währung! Wieder andere sagten: Es verträgt sich nicht mit der sozialen Marktwirtschaft! Ich glaube, wenn wir den Grünen Bericht kritisch durchblättern, wenn wir die Maßnahmen der Bundesregierung einer kritischen Betrachtung unterziehen und wenn wir die heutige Debatte verfolgten, dann muß wohl gesagt werden, daß der Versuch dieses Hohen Hauses, auch für die deutsche Landwirtschaft ein Gesetz,
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anfangs Paritäts-, dann Landwirtschaftsgesetz genannt, zu schaffen, durchaus Erfolg hatte. Ich möchte mit dem Herrn Minister sagen, daß alles das, was heute hier an Kritik vorgebracht worden ist, eigentlich mehr den Ausdruck Anregung verdient und daß es durchaus wertvolle Anregungen sind. Ich möchte vor allen Dingen allen Kritikern sagen: sie werden zugeben müssen, es ist tatsächlich bewundernswert, daß es der Verwaltung nach einer so kurzen Zeitspanne seit Verabschiedung des Gesetzes möglich gewesen ist, einen solchen Grünen Bericht vorzulegen.
({1})
Ich bin überzeugt, daß er nicht nur in der deutschen Landwirtschaft, sondern in allen Kreisen unserer Wirtschaft und darüber hinaus auch im Ausland Beachtung findet. Wissen wir doch, daß bei unseren Beratungen schon damals Besuch aus dem Ausland hier war, um zu erkunden, wie das deutsche Parlament an diese Frage herangeht.
Es ist heute verhältnismäßig einfach, hier in breiter Front eine Einigung zu erzielen, weil es den Beschlüssen unseres Kabinetts zu danken ist, daß in sehr umfangreicher und vielseitiger Form Mittel aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden, um dadurch idem Gesetz einen ersten guten Start zu geben. Wir wollen bei dieser Gelegenheit auch nicht die Schwierigkeiten verschweigen, die schon bei der Beratung auftauchten, als man untersuchte, wie man der Disparität, dem Auseinanderklaffen zwischen Ertrag und Aufwand beikommen könne. Ich meine, daß das erfreuliche Echo in der Vorbereitungszeit, in der Diskussion über den Grünen Bericht, auch in der deutschen Presse schlechthin, mit ein klarer Erfolg unseres Gesetzes gewesen ist.
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Bei all diesen Betrachtungen haben die Preise immer wieder eine große Rolle gespielt. Den heute beschrittenen Weg fortzusetzen, wird dem Hohen Hause nur dann gelingen, wenn vor allem in der gewerblichen Wirtschaft die Preise nicht noch weiter steigen, wie es leider in den letzten drei Jahren zu verzeichnen war. Nach meinem Dafürhalten - wir haben auf diese Dinge schon während der Konjunkturdebatte hingewiesen - muß sehr stark beachtet werden, wie sich die Entwicklung besonders in den großen Ausgabeposten der deutschen Landwirtschaft weiter vollzieht. Nach wie vor schleichen sich auf den verschiedensten Gebieten, besonders auf dem Maschinen- und Bausektor im mer wieder Preiserhöhungen ein. Diese Erscheinungen sind unerträglich. Ich begrüße es deshalb, daß das Kabinett auch in der jüngsten Zeit vor allen Dingen über die Zölle versucht hat, hier einen gewissen Riegel vorzuschieben. Wir müssen - bei dem Vergleich der verschiedenen Dinge auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite - unter allen Umständen versuchen, zu erreichen, daß nicht etwa durch den heutigen Vorschlag, den künstlichen Dünger um 20 % zu verbilligen, auf der Gegenseite etwa eine Bewegung entsteht, die in umgekehrter Richtung geht.
Wir müssen seitens der Landwirtschaft in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß auf Teilgebieten in der deutschen Landwirtschaft Preiseinbußen zu verzeichnen sind. Das Hohe Haus beschließt alljährlich ein Getreidepreisgesetz. Wenn wir aber das ausgezeichnete, sehr sorgfältige Zahlenmaterial einmal prüfen, so stellen wir fest, daß bei gleichbleibenden Mindestpreisen in unserem Getreidepreisgesetz die Erlöse pro Doppelzentner bei den Bauern von Jahr zu Jahr geringer geworden sind. Hier hat sich durch ein Gestrüpp überspitzter und überspannter Verordnungen langsam eine echte Preisermäßigung eingeschlichen. Diese Dinge müssen wieder ausgeräumt werden.
Darüber hinaus müssen wir auf allen Gebieten sehr bemüht sein, die Chance der Landwirtschaft dort zu nutzen, wo sie ohne besondere Schwierigkeiten durchzusetzen ist. Ich meine z. B., daß wir den Beimischungszwang für Raps um weitere drei Jahre verlängern müssen, um vor allem die Anbauplanung nicht zu stören und um nicht unnütze und unnötige Umstellungen herauszufordern, die in der Regel den Bauern sehr viel Geld kosten.
Wenn ich zu einzelnen Maßnahmen noch einige Worte sagen darf, so meine ich, in diesem Hohen Hause besteht vor allem Einmütigkeit darüber, daß die Milchwirtschaft der tragende Pfeiler unserer deutschen Landwirtschaft ist und vor allen Dingen die Einnahmequelle für den klein- und kleinstbäuerlichen Betrieb darstellt. Oft haben wir in diesem Hohen Hause über dieses sehr wichtige Gebiet unserer deutschen Landwirtschaft debattiert, oft sind wir auch auf gesetzgeberischem Wege tätig geworden. Wenn im Augenblick am heutigen Tage ein besonderer Antrag diskutiert wird, wenn weitere Anträge zu dieser Frage im Ernährungsausschuß vorliegen, so sollten wir sie vor allen Dingen immer wieder unter dem kritischen Gesichtspunkt prüfen: wie können wir für die deutsche Landwirtschaft den gerechten Milchpreis durchsetzen? Da war es ja meine Fraktion, die bereits im Juni 1955 einen Antrag. auf Milchpreiserhöhung einbrachte. Wir wollen in diesem Zusammenhang nicht die Leidensgeschichte dieses Antrags und dieses Bemühens der deutschen Landwirtschaft aufrollen. Nach dem Landwirtschaftsgesetz und nach den aus diesem Bericht herauszuholenden Zahlen steht nach meiner festen Überzeugung eindeutig fest, daß die Produktion auf diesem wichtigen Zweig absinkt. Das ist immer das beste Alarmzeichen, auf Grund dessen man schon im voraus sagen kann, wo die Reise hingeht. Wenn es auch größeren Betrieben möglich ist, zugunsten des einen oder anderen Zweiges die Produktion etwas zu verlagern, - der Kleinbauernbetrieb ist dazu nicht in der Lage. Ich bin in diesem Punkt mit dem Minister einig, daß wir hier auf schnellstem Wege an die Arbeit gehen müssen. Aber eins steht auch fest: wir müssen den gerechten Milchpreis für die deutsche Landwirtschaft, einerlei ob die Milch als Trinkmilch verwendet oder ob daraus Butter, Käse oder Kondensmilch hergestellt wird, unter allen Umständen sicherstellen. Wir haben verschiedene Möglichkeiten. Wir haben den Bundesausgleich geschaffen. Aber all diese Mittel werden versagen, wenn nicht der richtige Ausgangspunkt eben in Form des gerechten Trinkmilchpreises obenan steht. Wir müssen uns um diese Dinge im Ausschuß sehr bemühen, damit wir zu einer gerechten Lösung kommen.
Herr Kollege Kriedemann, der Herr Minister hat schon die Frage der Düngerverbilligung, die Sie ansprachen, behandelt. Wir müssen doch unterstellen, daß die deutsche Landwirtschaft hier für die Zeit vom 1. Juli 1954 bis zum 30. Juni 1955 die Bücher offengelegt hat. Wenn wir nun aus diesem Bericht herauslesen können, daß es
({3})
noch einzelne größere Betriebe in besonders günstigen Lagen gibt, die so einigermaßen um die Runde kommen, dann sollten wir das nicht zum Anlaß nehmen, die von der Bundesregierung vorgeschlagene und sonst von allen Rednern gebilligte Düngersubvention etwa zeitlich oder auch generell dadurch in Frage zu stellen, daß wir in eine Untersuchung darüber eintreten, wer sie braucht und wer sie nicht braucht. Täuschen wir uns nicht! Aus diesen Zahlen geht nicht hervor, daß größere Betriebe, die bei dieser Plus-Minus-Rechnung noch etwas besser dastehen, einen ungeheuren Bedarf an weiteren Investitionsmitteln haben.
Die Verschuldung ist durchaus keine Angelegenheit etwa der einzelnen Betriebsgrößen oder der einzelnen Gegenden, sondern sie zieht sich leider durch die ganze deutsche Landwirtschaft hindurch. Die Illiquidität, die damit verbunden ist, ist für viele Betriebe der erste Anlaß, die erfolgreiche Betriebsführung zu verlieren. Ich bin deshalb sehr dankbar, daß die Frage der Umschuldung mit einen Punkt dieser Maßnahmen darstellt. Ich meine allerdings, daß die Anregung, die der Kollege Fassbender begründete, hier durch eine Zinsverbilligung einzuschreiten, nicht ausreicht. Täuschen wir uns nicht: die deutsche Landwirtschaft ist auf dem Wege, der jetzt durch die Maßnahmen des Landwirtschaftsgesetzes verbessert werden soll, nur dann in der Lage, rationelle Betriebe zu schaffen, wenn ihr langfristige Kredite und niedrig verzinsliche Pfandbriefkredite zur Verfügung stehen. Wir haben letzten Endes aus diesem Grunde vor ungefähr zehn Jahren als Gesetzgeber das Gesetz über die Landwirtschaftliche Rentenbank geschaffen. Die deutsche Landwirtschaft ist auf Grund dieses Gesetzes und auf Grund des Genossenschaftsgesetzes mit 200 Millionen DM belastet.
Warum hat der Gesetzgeber diesen Weg beschritten? Nach meinem Dafürhalten, um von seiten der Landwirtschaft ein erstes Opfer zu fordern, damit ein Anfang mit einer landwirtschaftlichen Kreditpolitik, vor allem in den Zins- und Tilgungsproblemen gemacht wird. Die Regierung muß hier noch die notwendigen Schlußfolgerungen ziehen. Wir müssen diese Dinge im Ausschuß noch sehr vertiefen. Statt zu einer Zinsverbilligung müssen wir zu einer echten Konsolidierung der alten Verpflichtungen kommen. Wir müssen vor allen Dingen jenen Betrieben helfen, die aus irgendwelchen Gründen - in der Regel ist es der Leutemangel und die dann folgende Technisierung - hoch verschuldet sind. Sehr großer Kapitaleinsatz ist bei weitem nicht immer mit großen Erfolgen verbunden. Wie ist es in der Praxis? Ich glaube, mancher Berufskollege, der als Abgeordneter unter uns sitzt, weiß aus eigener Erfahrung, daß sehr oft sehr intensiv arbeitende Betriebe auch sehr hoch verschuldet sind. Deshalb müssen wir diese Dinge im Auge behalten.
In diesem Zusammenhang - damit möchte ich schon zum Schluß kommen - ist bei einer kritischen Betrachtung noch einmal der Versuch gemacht worden, die Disparität in gewissen Größenordnungen festzustellen. Dies wird uns nach meinem Dafürhalten in zunehmendem Maße gelingen, wenn wir bemüht sind, das Ausgangsmaterial so zu erstellen, wie es dem Gesetzgeber vorgeschwebt hat. Ich zweifle nicht daran, daß die voneinander abweichenden Ansichten über die einzelnen Posten. einschließlich der kalkulatorischen Posten, auf diese Weise in Übereinstimmung gebracht werden.
Ich bin mit manchem Diskussionsredner von heute
der Meinung, daß wir keine Ursache haben, rückblickend schwierige und strittige Disparitätsrechnungen anzustellen, sondern, meine Damen und
Herren, wir haben den Blick nach vorne zu
wenden.
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Ich zweifle nicht daran, daß wir, wenn wir diese Probleme anfassen und wenn wir vor allen Dingen die einzelnen Maßnahmen schnell verabschieden - dies halte ich für ebenso wichtig wie die Lösung des Problems als solchen -, bei all den zahlreichen betroffenen Betrieben, einerlei ob groß oder klein, ob in- oder extensiv wirtschaftend, den nötigen Widerhall finden werden.
Wir müssen aber an alle zuständigen Stellen - und das sind in erster Linie die Länder mit ihren Landwirtschaftsministerien - appellieren, damit den Betroffenen die nötige Hilfe auch schnell zuteil wird.
Herr Kollege Kriedemann, Sie haben von einem Hilfsgesetz gesprochen und in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage des langfristigen Kredits angeschnitten. In dieser Beziehung dürften wir in der Ausschußberatung ohne weiteres zu einer Klärung kommen. Wenn aber von Hilfsgesetzen die Rede ist, dann möchte ich in einer ganz anderen Richtung einen Appell an die deutsche Öffentlichkeit richten. Ich möchte die Hilfe der Länder vor allen Dingen auf den Gebieten erbitten, für die dieses Gesetz nicht zuständig ist. Ich erinnere die Kollegen an die Sitzung, in der wir den Namen „Landwirtschaftsgesetz" prägten. Damals gingen wir davon aus, daß vor allen Dingen in allen Bezirken des kulturellen und sozialen Bereichs noch unendlich viele Aufgaben zu erfüllen sind. Wenn ich an dieser Stelle die Länder anspreche, meine ich, schon in der richtig geleiteten und geförderten Volksschule liegt der Ansatzpunkt für die erbetene Hilfe.
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Wenn wir in diesem Zusammenhang zum erstenmal vor fünf Jahren dieses Problem in meiner Heimat zur öffentlichen Diskussion stellten und wenn in Verfolg dieser Diskussion das Landwirtschaftsgesetz und Mittelstandsprobleme standen, dann schwebte uns nicht nur das Schicksal der Bauernbetriebe vor Augen, sondern wir wollten im gleichen Sinne den Dorfhandwerker und den Dorfkaufmann, aber auch den in unserer Kreisstadt lebenden Mittelstand mit in diese Wirtschaftsförderung einbeziehen. Ohne Zweifel wird über rentable Bauernhöfe zu gleicher Zeit ein gesunder Mittelstand geschaffen sein. Wenn wir uns in diesem Sinne weiter bemühen, dann ist nicht nur der Grund gelegt, sondern dann sind wir bereits auf dem festen Wege zur Gesundung unserer deutschen Landwirtschaft.
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Das Wort hat der Abgeordnete Elsner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Grüne Bericht, den der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgelegt hat, weist einen Fehlbetrag von 2 Milliarden DM auf. In Wirklichkeit dürfte dieser Fehlbetrag höher liegen. Die besseren Un({0})
terlagen des nächsten Jahres werden diese Annahme rechtfertigen.
Der Vergleichslohn in Höhe von 3500 DM pro Jahr stützt sich auf 2400 Arbeitsstunden der gewerblichen Wirtschaft, während in der Landwirtschaft im Durchschnitt 2700 Stunden jährlich gearbeitet werden. Die Sonntags- und Feiertagsarbeit fand keine besondere Berücksichtigung. Eine Berücksichtigung allein dieser Mängel bei der Aufwands- und Ertragsrechnung würde den Fehlbetrag erheblich erhöhen.
Diese Situation ist trotz bedeutender Hilfsmaßnahmen, die in den letzten Jahren eingeleitet wurden, eingetreten. Die dafür allein im Jahre 1955 aufgewendeten Mittel einschließlich der Länderhaushaltsmittel überstiegen eine Milliarde.
Die Bundesregierung hat nunmehr aus dieser Lage die Folgerung gezogen und dem Parlament ein Hilfsprogramm für das neue Haushaltsjahr mit einem Gesamtaufwand von 980 Millionen DM vorgelegt. Dieser Be trag dürfte einschließlich der Länderhaushaltsmittel 1 Milliarde beträchtlich übersteigen. Wenn auch die eingesetzten Mittel nur die Hälfte des festgelegten Fehlbetrages ausmachen und die Höhe dieser Mittel manche besorgte Agrarpolitiker unbefriedigt läßt, so kann doch gesagt werden, daß dieses Hilfsprogramm eine ausbaufähige Grundlage darstellt.
Ein wesentlicher Mangel des Hilfsprogramms liegt darin, daß die kleinbäuerlichen Betriebe und die besonders gefährdeten Betriebssysteme - wie die Grönlandbetriebe - nicht die erforderliche Pflege erfahren. Der Wegfall der Umsatzsteuer in Höhe von 190 Millionen DM berührt rund eine Million Betriebe mit einem Flächenanteil von 17 % nicht, da sie umsatzsteuerfrei sind. Auch die Verbilligung des Dieselkraftstoffes durch Subventionen und durch Zollwegfall in Höhe von 120 Millionen DM hat keine nennenswerte Auswirkung auf die Kleinbetriebe. Das gleiche gilt für die 40 Millionen zur Konversion kurzfristiger Verschuldung und die Übernahme von 16 Millionen DM Lastenausgleichsabgabe, da die Kleinbetriebe meist einen Einheitswert aufweisen, der innerhalb der Freigrenze bei der Lastenausgleichsabgabe liegt.
Der Mitteleinsatz, der den Klein- und Grünlandbetrieben Hilfe bringen soll, hält sich in bescheidenen Grenzen. Gerade diese Betriebe sind, wie der ,,Grüne Bericht" ausweist, besonders gefährdet. So sind z. B. zur Förderung der Milchwirtschaft nur 10 Millionen DM eingesetzt. Sie sollen in der Hauptsache für die Zusammenlegung der unwirtschaftlich arbeitenden Molkereien und zur Förderung einer stärkeren Beteiligung der kleinbäuerlichen Betriebe an der Milchleistungskontrolle verwendet werden. Dieser Posten ist, an der Bedeutung der Aufgabe gemessen, unzureichend. Allein bei der Würdigung der Ergebnisse der Milchleistungskontrolle wird dies deutlich. Von 5,7 Millionen Milchkühen standen 1,6 Millionen unter Kontrolle und erzielten eine Jahresleistung von 3820 kg Milch pro Kopf. Die unkontrollierten Kühe - das sind 4,1 Milionen - lagen mit 1236 kg unter dieser Leistung. Die jährlichen Kontrollkosten betragen nach den Ausführungen des Herrn Bundesministers 16 DM. Bezöge man die unkontrollierten Kühe in die Kontrolle ein und übernähme die Kasten, so wäre ein jährlicher Betrag von 65 Millionen DM notwendig. Wenn es in einem angemessenen Zeitraum, sagen wir, in etwa sechs Jahren gelänge, durch Futterberatung und Milchkontrolle die Bestände an leistungsschwachem Milchvieh an die durchschnittliche Leistung der bisher kontrollierten Kühe heranzuführen, so wäre mit einem Mehrertrag von rund 5 Milliarden kg Milch jährlich zu rechnen, und das ergäbe rund 1,5 Milliarden DM mehr an Einnahmen, die unzweifelhaft gerade den Kleinbetrieben und den Grönlandbetrieben zu Hilfe kommen würden. Wenn man diese Aufgabe progressiv in sechs Jahren durchführte, so wären bereits im ersten Jahr volle 10 Millionen DM hierfür erforderlich. Hier, meine Damen und Herren, liegen echte Erzeugungsreserven, die mit allem Nachdruck und dankbar wahrgenommen werden sollten.
Die für die Schulspeisung eingesetzten Mittel in Höhe von 6 Millionen DM sind im Hinblick auf die zu lösende Aufgabe, auch im Hinblick auf den Werkmilchpreis, zweifellos zu gering. Wenn auch der Herr Bundesminister vorhin darauf hingewiesen hat, daß Länder und Gemeinden nicht bereit sind, sich zu beteiligen, so sind wir doch der Meinung, es sollte nichts unversucht bleiben, Länder und Gemeinden an diese Aufgabe heranzuführen. Brächten der Bund 50 Millionen DM und Länder und Gemeinden die gleiche Summe auf, dann würde man unzweifelhaft einen erheblichen Fortschritt in der Milchwirtschaft erzielen. Man würde den Werkmilchpreis zum mindestens um 1 Pfennig anheben können und an die Unkostendeckung heranführen. Ein solcher Einsatz wäre eine schnell wirkende Maßnahme zur Verbesserung der Ertragslage der kleinbäuerlichen Betriebe und der gesamten Grünlandwirtschaft. Darüber hinaus würde dieser Einsatz auch einen Beitrag zur Hebung der Gesundheit unserer Jugend darstellen, der sich auch über die Schulzeit hinaus in einem höheren Milchverbrauch auswirken würde. Ein Beispiel dafür ist England.
Die Förderung der Eier- und Geflügelwirtschaft, eine fast ausschließliche Aufgabe der Kleinbetriebe, wurde überhaupt nicht berücksichtigt. Der Eierverbrauch liegt bei rund 9 Milliarden Stück; davon werden 3 Milliarden eingeführt. Der Verbrauch von Mastgeflügel beträgt 90 000 t; davon werden 30 000 t eingeführt. Hier liegen also weitgehende Erzeugungsreserven, die im Interesse der Ertragslage der Kleinbetriebe unserer Meinung nach ungesäumt genutzt werden sollten.
Die Erhöhung der Zinsverbilligung für Umbauten und Neubauten landwirtschaftlicher Gebäude, die mit 6 Millionen DM angesetzt ist, erscheint ebenfalls zu niedrig. Um- und Neubauten sind bei Strukturverbesserungen unvermeidlich und erstrecken sich im wesentlichen auf den Kleinbetrieb. Der augenblickliche Kapitaldienst von 4 % ist zu hoch und müßte um weitere 1 bis 2% gesenkt werden, um auf raschestem Wege die völlig überalterten Gebäude den modernen Erfordernissen einer rationalisierten und mechanisierten Hofwirtschaft anzupassen.
Der um 80 Millionen erhöhte Ansatz von Mitteln zur Flurbereinigung läßt eine Steigerung von 200 000 ha bereinigter Feldflur im Jahre 1955 auf 400 000 ha erwarten. Bei einer Gesamtfläche von 6,5 Millionen ha, die in die Flurbereinigung einbezogen werden müssen, werden bei dem in Aussicht genommenen Tempo immerhin noch 15 Jahre zur Bewältigung dieser Aufgaben notwendig sein. Meine Damen und Herren, eine Aufgabe, die mehr
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als 2 Milliarden DM erfordert, verpflichtet die Bundesregierung, jeder weiteren Besitzzersplitterung Einhalt zu gebieten. Die Bundesregierung sollte deshalb ungesäumt idem Parlament ein entsprechendes Gesetz vorlegen.
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Dem Erlaß der Lastenausgleichsabgabe für Betriebe in den Niederungsgebieten für die Dauer von 3 Jahren in Höhe von insgesamt 48 Millionen DM kann meine Fraktion nicht zustimmen, auch wenn diese Mittel dem Lastenausgleichsfonds aus Haushaltsmitteln erstattet werden. Wenn Hilfe in dieser Höhe notwendig ist, dann mag sie in anderer Weise bereitgestellt werden. Der bescheidene Ausgleich der einseitigen ungeheuren Belastung der Vertriebenen durch Verlust der Heimat, der Berufsgrundlagen und aller Vermögenswerte sollte symbolhaften Charakter haben
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und für den Abgabeleistenden eine Ehrenpflicht sein.
Der Herr Bundesminister hat leider kein Wort für die schwere Lage der eingegliederten Ostbauern und Siedler gefunden, die durch fehlende Eigenmittel, hohe Pachtleistungen und hohe Rentenleistungen wohl am schwersten durch die derzeitige Ertragslage belastet sind.
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Es ist notwendig, daß hierfür angemessene eingesetzt werden, damit der ersten Vertreibung nicht eine zweite folgt.
Noch schwerer ist der soziale Notstand der noch nicht eingegliederten heimatvertriebenen Bauern, die ja auch zum bäuerlichen Berufsstand gehören. Der Herr Bundesminister hat in seinem Leistungsbericht darauf hingewiesen, daß bis jetzt 65 827 Vertriebene eingegliedert sind, davon ein Drittel auf Vollerwerbsstellen und zwei Drittel auf Nebenerwerbsstellen. Das sind leider nur 15 % aller heimatvertriebenen Bauernfamilien, während 55 % - das sind 200 000 Bauernfamilien - berufsfremd geworden sind oder nicht mehr eingegliedert werden können, weil sie überaltert oder verstorben sind. Demgegenüber warten noch 162 000 Bauernfamilien seit 10 Jahren auf Eingliederung. Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik verfügt über 2 Millionen ha Moor- und Ödland, von dem nach Auffassung der Fachleute mindestens 500 000 ha kultivierungsfähig oder -würdig sind. Leider sind in den Jahren von 1946 bis 1954 nur insgesamt 7500 ha Moor- und Ödland kultiviert worden,
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ein mehr als bescheidenes Ergebnis. Es ist unbegreiflich, daß diese große Bodenreserve und das große wertvolle Potential der ostvertriebenen Bauern in so ungenügender Weise genutzt worden sind. Das Heer der landlosen Bauern wird in Kürze noch eine erhebliche Vermehrung durch rüstungsund industrieverdrängte Bauern erfahren. Zur Erhaltung der bäuerlichen Substanz und zur Stärkung der mittelständischen Kräfte, die die beste Abwehr gegen die kommunistische Infiltration darstellen, sollten deshalb ungesäumt schnelle und durchgreifende Maßnahmen getroffen werden.
In ursächlichem Zusammenhang mit diesen ungenutzten Möglichkeiten stehen auch die Einsparungen, die der Herr Bundesfinanzminister in den letzten vier Jahren bei den im Bundesvertriebenengesetz und im Siedlungsförderungsgesetz vorgesehenen Mitteln gemacht hat. Sie betrugen jährlich 75 Millionen DM; das sind insgesamt 300 Millionen DM in diesen Jahren. Es ist an der Zeit, daß auf diese Einsparungen zur Lösung der dringenden Aufgaben zurückgegriffen wird. Leider hat der Herr Bundesfinanzminister im neuen Haushalt - unter Berücksichtigung des Vorgriffs, der ja nach der Reichshaushaltsordnung abgedeckt werden muß - nicht mehr Mittel zum Ansatz gebracht als im Vorjahr, obgleich die Haushaltsmittel im laufenden Jahre bereits im vierten Etatsmonat aufgebraucht waren. Zur Verbesserung der Agrarstruktur gehört auch die Siedlung und hier insbesondere die Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern.
Die Alterssicherung des Bauern streifte der Herr Bundesminister gestern nur mit wenigen Worten. Er hat aber heute Gelegenheit genommen, noch einmal darauf zurückzukommen. Er weist darauf hin, daß ihre Lösung im Rahmen der geplanten Sozialreform erfolgen soll, und ist der Meinung, daß sie unerläßlich sei. Ehe die Sozialreform zum Abschluß kommt und ihr Ergebnis sich in der Altersversorgung der Bauern auswirken kann, werden mindestens noch zwei kostbare Jahre vergehen. Nach den Ausführungen des Herrn Bundesministers für Vertriebene, Kriegsgeschädigte und Flüchtlinge vom 4. Dezember vorigen Jahres im Vertriebenenausschuß haben wir in der Bundesrepublik noch 128 700 Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, die mehr als 65 Jahre alt sind und keine Familienangehörigen haben, die für eine Hofübernahme im Sinne einer gesicherten Erbfolge in Frage kommen. Fast 90 % dieser erbenlosen Betriebe liegen jedoch in der Größenklasse unter 5 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und sind daher, soweit es sich nicht um Intensivbetriebe handelt, nur als Nebenerwerbsstellen oder aber - bei gegebener Voraussetzung - nach Zusammenlegung zu Familienbetrieben für die Eingliederung verwendbar. Hier liegt eine erhebliche Reserve für die Eingliederung, die nur 'deshalb nicht genutzt werden kann, weil die Altersversorgung für die derzeitigen Betriebsinhaber fehlt.
Meine Fraktion hat seit Jahren auf diese Landreserve hingewiesen, ohne daß die notwendigen Maßnahmen zur Lösung des Problems getroffen wurden. Eine weitere Vertagung erscheint uns unvertretbar. Es sollte deshalb eine Übergangslösung gesucht werden, die in die Sozialreform übernommen werden kann.
Der Herr Bundesminister stellt die Hereinnahme von ausländischen Saisonarbeitern in seinem Programm als eine notwendige Hilfsmaßnahme heraus. Wir sind der Meinung, daß die vorhandenen Arbeitsreserven längst nicht voll ausgenutzt sind und daß bei entsprechenden organisatorischen Maßnahmen der Bedarf an Arbeitern bei weitem gedeckt werden kann, besonders wenn die Landwirtschaft die gleichen Löhne wie das Gewerbe zahlt. Es handelt sich also im wesentlichen um eine lohnpolitische Frage. Ich darf darauf hinweisen, daß 40 % aller Landarbeiter Heimatvertriebene sind und daß in den Arbeitsspitzen 8000 Landarbeiter - meist Verheiratete - arbeitslos sind. Der Bedarf an ausländischen Arbeitskräften beträgt 13 000. Im übrigen stehen 162 000 ostvertriebene Bauernfamilien bereit, deutschen Boden zu bewirtschaften.
({6})
Wir lehnen aus diesen Gründen die kollektive Hereinnahme von italienischen Saisonarbeitern ab.
Auch wir vertreten die Auffassung, daß Beratung, Schul- und Berufsausbildung in der Landwirtschaft in steigendem Maße ausgebaut werden müssen, damit wir einen Betriebsführernachwuchs bekommen, der den gesteigerten Aufgaben und Anforderungen gewachsen ist. Das Ziel in der Ausbildung muß der obligatorische Betriebsführernachweis werden. Ich glaube, wir sind es dem bäuerlichen Berufsstand schuldig, daß wir das nachholen, was in anderen Berufen seit Jahrhunderten eine Selbstverständlichkeit ist.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion wird dem vorgelegten Hilfsprogramm für die Landwirtschaft in der Erwartung zustimmen, daß die aufgezeigten Mängel bei der Durchführung des Programms berücksichtigt werden. Wir stimmen diesem Programm zu, weil wir der Meinung sind, daß die wirtschaftliche Benachteiligung eines so großen und bedeutenden Berufsstandes so schnell wie möglich beseitigt werden muß. Die Grüne Front sollte aber die gleiche Einsicht aufbringen, wenn es sich um die Behebung der viel größeren Notstände bestimmter sozial schwacher Schichten unseres Volkes handelt.
({7})
Jede Steigerung der Kaufkraft dieser schwachen Schichten dürfte durch einen höheren Lebensmittelkonsum, insbesondere bei den landwirtschaftlichen Veredelungserzeugnissen, ausschließlich der Landwirtschaft zugute kommen.
Meine Damen und Herren, auch wir sind glücklich darüber, daß in der Lösung der Agrarproblematik so weitgehende Übereinstimmung gefunden werden konnte.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nicht wiederholen, was meine Herren Vorredner zu dem Bericht bereits gesagt haben, möchte aber nicht verfehlen, dem Minister und den Mitarbeitern unseren ausdrücklichen Dank abzustatten
({0})
für die sorgfältige Arbeit und für die Erstellung der Unterlagen, die uns in die Lage versetzen, nun wirklich einmal ein klares Bild über die unterschiedliche Lage der verschiedenen Betriebsgruppen zu gewinnen und Hilfsmaßnahmen da anzusetzen, wo es notwendig ist.
Ich freue mich besonders, daß im Bericht die außerordentlich schwierige Lage der Futterbaubetriebe herausgestellt ist, und möchte mich ebenfalls besonders dafür bedanken, daß in dem Grünen Plan auch die entsprechenden Hilfsmaßnahmen für die Marschgebiete, für die Küstengebiete, vorgesehen sind.
Ich kann verstehen, daß sich mein Kollege Elsner gegen eine Übernahme des Lastenausgleichs auf diesem Gebiete auf das Bundesfinanzministerium sträubt. Aber auf der anderen Seite zeigt Ihnen ja der Bericht die außerordentliche, tatsächliche Notlage dieses Gebiets.
Ich möchte weiter um Unterstützung in der Richtung bitten, daß man, bevor die großen geplanten Meliorationen, die diesem Gebiet eine gesunde wirtschaftliche Grundlage geben sollen, sich auswirken, noch Entlastungen auf der steuerlichen Seite schafft, indem man die Vorschläge des Bundesbewertungbeirates für die Umbewertung des Grünlandes und für die Berücksichtigung besonderer betriebswirtschaftlicher Erschwernisse bei der Herabsetzung des Einheitswertes so lange zum Tragen bringt, bis die Grundlagen geändert sind. Das wird verhältnismäßig wenig Mittel erfordern, wird aber eine außerordentlich gute Hilfe sein, die den Einheitswert nicht anfaßt und die jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann, wenn die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse sich bessern.
Verschiedene der Herren Vorredner haben die Frage des Milchpreises, der Milchwirtschaft, angesprochen. Meine Fraktion hat bekanntlich den Antrag gestellt. den Werkmilchpreis zu stützen. Ich bin mir darüber im klaren, daß es, wie es auch der Herr Minister herausgestellt hat. nicht leicht ist, hier eine generelle Lösung zu finden. Selbstverständlich werden wir mit einer Verbesserung der Molkereistruktur, mit dem Ausbau der Milchkontrolle und über den Weg der Leistungssteigerung eine gewisse Mehreinnahme erreichen können. Aber diese Maßnahmen wirken sich nicht so schnell aus. Deshalb würden meine Fraktion und ich es sehr begrüßen. wenn wir uns bei den Beratungen über unsern Antrag in den Ausschüssen später noch einmal über Wege unterhielten, eine Besserung des Milchpreises herbeizuführen.
Außerordentlich begrüße ich den Vorschlag, die Mittel für Ausbildung und Beratung zu erhöhen. Sehr viele Schwierigkeiten, die wir heute in der Landwirtschaft haben. freie Arbeitskräfte in andere Berufe zu überführen, beruhen auf der ungenügenden Ausbildung unserer Jugend in den den städtischen Verhältnissen keineswegs auch nur annähernd gleichen Landschulen. Wir müssen den Hebel bei der Jugend ansetzen. Erst eine grundlegende Besserung der Ausbildung gibt uns aufgeschlossene Menschen, bei denen sich eine spätere Beratung auswirkt. Wir müssen diesen Punkt besonders im Auge behalten und alles tun, um auf diesem Wege voranzukommen.
Bei der Beratung legte ich vor allem Wert darauf, daß diese nicht allein auf eine Mehrerzeugung als Ziel ausgerichtet ist, sondern auf eine Rationalisierung der Betriebe. Es kommt darauf an. dem Bauern in weit größerem Umfang, als es bisher geschehen ist, Möglichkeiten nahezubringen, die ihm die notwendige Mechanisierung seines Betriebs erleichtern. Auf diesem Wege werden wir die Maßnahmen und die Hilfen, die uns der Grüne Bericht bringt, noch verstärken und dadurch auch die allgemeine wirtschaftliche Lage unserer Betriebe, auf die Dauer gesehen, verbessern können.
Ich möchte noch auf einen Punkt, den Herr Kriedemann schon angesprochen hat, hinweisen. In dem Grünen Plan ist zugrunde gelegt, daß die Länder und Gemeinden sich entsprechend beteiligen. Das ist notwendig und ich erkenne durchaus diese berechtigte Forderung an. Auf der andern Seite besteht natürlich die Gefahr, daß sich gerade die Länder, in denen landwirtschaftlich sehr schwierige Verhältnisse bestehen - wie in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern, die finanzschwache Länder sind -, an den geforderten Maßnahmen nicht so beteiligen können, wie es wünschenswert wäre, und ins Hintertreffen geraten. Diesem Umstand wird man beim Ansatz der Bundesmittel weitgehend Rechnung tragen müssen.
({1})
Meine Fraktion begrüßt den vorliegenden Plan; sie wird den Antrag der CDU unterstützen und den Plan annehmen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Richarts.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es entspricht wahrscheinlich der angeborenen Bescheidenheit der Kleinbauern, daß diese sich erst so spät zum Wort melden. Im übrigen darf man mit Freude registrieren, daß das Problem des Kleinbauerntums bei den heutigen Diskussionen von allen Rednern dieses Hauses wohlwollend behandelt worden ist.
Ich lege keinen Wert darauf, hier eine klare Definition darüber zu geben, wo das Kleinbauerntum beginnt und wo es aufhört. Ich möchte aber feststellen, daß von den rund 2 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben, die wir haben, mindestens 1 Million in diese Rubrik hineingehören. Hierunter fallen insbesondere jene Betriebe, die heute bisher nicht angesprochen worden sind: die Winzerbetriebe, wo auf 60 000 ha Weinbaufläche nicht weniger als 120 000 Familien ihr Brot verdienen. Dazu gehören jene Betriebe, die über den Weg der Veredelungskultur - Obst, Gemüse, Tabak, Hopfen usw. -, über diesen Nebenerwerb ihren Betrieb komplementieren und zu einer Existenzbasis für ihre Familie machen. Das sind auch jene Betriebe, die bisher umsatzsteuermäßig erfaßt sind, und in diesem Bereich liegen jene 150 000 Betriebe, die jetzt auch von der Umsatzsteuersenkung betroffen werden, und zwar in der Betriebsgrößenklasse unter 5 ha. Es ist irrig, anzunehmen, daß die Befreiung von der Umsatzsteuer lediglich eine Maßnahme für die Großbetriebe sei. Ich habe in Kreisen mit durchschnittlichen Betriebsgrößen von 4 bis 5 ha feststellen lassen, daß dort 1500 Klein- und Kleinstbetriebe Umsatzsteuer zahlen. Zweifellos sind es kleine Beträge, die dort abgeführt werden. Aber wenn man daran denkt, daß auch bei den Rentenaufbesserungen vielfach nur kleine und kleinste Beträge gegeben worden sind, so muß man auch hier daran denken, daß die wenigen Mark, die in diesen Betrieben gespart werden, dort sehr gut gebraucht werden.
Das gleiche gilt für die Verbilligung der Handelsdüngemittel. Ich glaube nicht, Herr Kollege Kriedemann, daß es möglich ist, hier zwischen Betriebsgrößen und auch Betriebstypen zu differenzieren.
({0})
- Ja, sehr gern. Ich habe selber in meiner Praxis als Berater wiederholt solche Saatgut- und Düngemittelaktionen mit bestem Erfolg durchgeführt, und die Erinnerung an diesen Erfolg steht heute noch in den Räumen, in denen sie durchgeführt worden sind. In dem Moment, wo man beginnt, zu differenzieren, weiß ich selbst nicht, wo man hier die Grenze ziehen soll. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen: ich möchte nicht als Wirtschaftsberater dem einen sagen: „Du bekommst etwas!" und dem anderen: „Du bekommst nichts!"
({1})
Ich muß weiter sagen, daß darüber hinaus auch der Friede im Dorf etwas wert ist. Und letzten
Endes würde man, wollte man hier differenzieren, jenen bestrafen, der bisher sehr tief in den Düngersack hineingegriffen und seinen Betrieb, vielleicht bei hohen Schulden, zu einem Beispielbetrieb ausgebaut hat.
({2})
- Über diese Fragen wollen wir uns später einmal ganz klar unterhalten.
Einen Hinweis darf ich noch geben. Es besteht vielfach die Auffassung, es bestehe im Düngemittelverbrauch je Hektar ein Unterschied zwischen Groß- und Kleinbetrieben. Es ist in jüngster Zeit an der Bonner Universität eine Doktorarbeit erstellt worden, aus der klar hervorgeht, daß es eine Relation zwischen Betriebsgröße und Düngemittel- und Nährstoffverbrauch je Hektar nicht gibt, das heißt also mit anderen Worten, daß es düngemittelintensive Klein- und Großbetriebe gibt genau so wie düngemittelextensive Klein- und Großbetriebe. Ich glaube auch nicht, daß der kleine Bauer neidisch auf den großen blickt. Es ist überhaupt ungut, hier immer wieder von „klein" und „groß" zu reden.
({3})
- Herr Kollege Kriedemann, ich darf Ihnen dazu noch folgendes sagen. Längst bevor der Grüne Bericht in Konturen sichtbar war, habe ich in der Praxis, bei Bauern und bei Leuten aus der Wirtschaftsberatung, herumgehört. Es war interessant für mich, daß sowohl Leute aus der Wirtschaftsberatung wie auch die Bauern selbst mir gesagt haben: Nun sorgen Sie bitte dafür, daß zunächst einmal die Düngemittel billiger werden. Ich hätte es allerdings sehr begrüßt, wenn statt der 3 Millionen DM, die zur Verbilligung des Saatgutes gegeben werden, ein größerer Betrag angesetzt worden wäre, weil erst die Kombination von Düngung und Saatgut zum richtigen Ertrag führt; denn das gesunde Saatgut ist letzten Endes das Fundament für die zweckmäßige und sachgemäße Düngung. Vielleicht ist es möglich, das noch zu korrigieren. Wir sind bei weitem noch nicht am Ende, sondern es ist ja erst der erste Schritt, so daß es später vielleicht einmal möglich ist.
Auch die Mittel, die zur Schuldenkonversion gegeben werden, gehen in den kleinbäuerlichen Bereich. Das gilt vor allen Dingen für jene Betriebe an den Grenzen, die total zerstört waren und nicht warten konnten, bis Land oder Bund ihnen Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung stellten, sondern die aus eigener Initiative ihre Betriebe wiederaufgebaut haben und dabei zum Teil in erhebliche Schulden geraten sind.
Es ist auch ein Irrtum, zu glauben, daß die Dieselverbilligung dem Kleinen nicht zugute kommt. Es steht doch fest, daß der Trecker heute jede Betriebsgröße überrannt hat und daß er den Betriebswirtschaftlern dabei, ich möchte sagen, ein Schnippchen geschlagen hat: denn er hat sich nicht an die betriebswirtschaftlichen Theorien gehalten, die wir auf den Universitäten mitbekommen haben. Ich bin der Auffassung. daß nach Verbilligung des Dieselzolls der Trecker noch weiter in die Kleinbetriebe eindringen wird, so daß wir im nächsten Jahr wahrscheinlich 500 000 Schlepper in der Landwirtschaft haben werden.
Es ist wiederholt angesprochen worden, daß die Milch in den kleinbäuerlichen Betrieben ein ent({4})
scheidender Faktor ist. Das stimmt. Man muß nämlich wissen, daß im Bundesgebiet nicht weniger als 85 % aller milchgebenden Kühe in Betrieben mit sechs und weniger Kühen stehen. Daß hier nicht alle Maßnahmen gleichzeitig in Angriff genommen werden können, ist eine Selbstverständlichkeit; aber man muß sie im Auge behalten. Im übrigen werden j a die Mittel für die Tbc-Bekämpfung erhöht. Auch diese Mittel gehen gerade in den kleinbäuerlichen Raum. Es war für mich überraschend, in den letzten Jahren zu erleben, daß ganze Dörfer tbc-frei geworden sind, die keine rein bäuerlichen Dörfer, sondern Arbeiter-BauernDörfer mit kleinen und kleinsten Verhältnissen sind.
Ein Wort noch zur Flurbereinigung. Ich wäre glücklich, wenn die von Herrn Kollegen Elsner aufgestellte Theorie: in diesem Jahre soundso viel Millionen mehr für die Flurbereinigung, analog im nächsten Jahr 200 000 ha umgelegter Fläche mehr, richtig wäre. Leider ist das nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein technisches und ein menschliches Problem. Unsere Landrats- und Kulturämter leiden außerordentlich stark unter Personalmangel, und bei dem jetzigen Personalbestand der Kulturämter ist es beim besten Willen nicht möglich, das zu schaffen.
({5})
In diesem Zusammenhang sei nur erwähnt, daß ich es nicht verstehe, wenn sich einzelne Länder dagegen sperren, junge Diplomlandwirte bei der Flurbereinigung zu verwenden. Nach meiner Auffassung ist die Flurbereinigung vor allen Dingen ein betriebswirtschaftliches und erst in zweiter Linie ein vermessungstechnisches Problem.
Sie, Herr Kollege Kriedemann, waren der Auffassung, daß für die Gemeinschaftsmaschinen, Gemeinschaftshäuser usw. etwas wenig eingesetzt worden ist. Ich gehöre nicht zu jenen, die das Gemeinschaftshaus als technische Einrichtung in begrenztem Umfang ablehnen. Ich meine aber, daß man Mittel und Wege finden müßte, die Bäuerin im eigenen Betrieb zu entlasten; und das geht vor allen Dingen in den Räumen mit großer Streusiedlung nicht allein über das Gemeinschaftshaus. Den Kleinen müßte also über den Weg von Subventionen bei der Anschaffung einer Melkmaschine, einer Waschmaschine und anderer Geräte, die die Arbeit im Hof - im Kleinbetrieb macht sie bis 80 % aus - erleichtern, geholfen werden. Man müßte hier auch vor allem einmal den jungen Bauern ansprechen und ihm sagen, daß die Melkmaschine im bäuerlichen Bereich wichtiger ist als das Motorrad. Es darf auch darauf hingewiesen werden, daß an dieser Maschine bisher noch weniger Menschen verunglückt sind als mit dem Motorrad.
({6})
Im großen und ganzen darf man sagen, daß der sorgfältig ausgearbeitete Grüne Bericht und die Maßnahmen, die nicht einzeln nebeneinander stehen, sondern sehr geschickt im Zusammenhang aufeinander abgestimmt sind, zum Teil wie ein Maßanzug auf den kleinbäuerlichen Betrieb passen. Heute morgen ist wiederholt gesagt worden: Es ist ein Anfang. Ich möchte sagen, es ist ein guter Anfang. Es ist die erste Ernte, die wir von diesem erst sehr jungen Landwirtschaftsgesetz in unsere
Scheunen fahren; es wird aber bestimmt nicht die letzte sein.
({7})
Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Baade.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar Worte über den Entschließungsantrag*) sagen, der von der CDU/ CSU-Fraktion eingereicht worden ist, wobei ich wohl unterstellen darf, daß der Ergänzungsantrag, den mein Freund Kriedemann in seiner Rede gestellt hat, nämlich die Worte „im Grundsatz" einzufügen, auch von Ihnen angenommen wird. Aber dann liest sich dieser Antrag eigentlich so merkwürdig, daß ich das Bedürfnis habe, einmal darauf hinzuweisen, daß wir nicht nur an einem Wendepunkt der deutschen Agrarpolitik stehen, sondern daß wir eine ungewöhnliche Feierstunde der deutschen Agrarpolitik erleben dürfen. Es heißt:
Der Bundestag hat mit Befriedigung den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Landwirtschaft . . . zur Kenntnis genommen und stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz zu. . . .
Dieser Antrag wird jetzt in wenigen Minuten, wie ich annehmen möchte, einstimmig von diesem Hause verabschiedet werden. Ja, meine Damen und Herren, wo ist dann das Requisit, das wir seit einiger Zeit als einen ziemlich unentbehrlichen Bestandteil der deutschen Politik betrachten, wo ist denn eigentlich der „Graben" geblieben? Wir waren doch gewohnt, die Agrarpolitik so anzusehen, daß es irgendwo quer durch die Agrarpolitik einen Graben gibt. Rechts vom Graben gibt es rechte Agrarpolitik, links vom Graben gibt es linke Agrarpolitik. Die Leute, die rechts vom Graben stehen, machen Erzeugerpolitik; die Leute, die links vom Graben stehen, machen Verbraucherpolitik. Ich finde mich in der Welt gar nicht mehr zurecht.
({0})
Ich habe noch dem alten Reichstag angehört, wo dieser Graben mitten durch die Zentrumsfraktion hindurchging, wo die Sozialdemokraten mit dem linken Flügel des Zentrums sogenannte Verbraucherpolitik machten und die Rechte mit dem rechten Flügel des Zentrums das machte, was sie für Erzeugerpolitik hielt. Wir haben das im alten Reichstag dann sehr geändert und haben als Sozialdemokraten mit dem gesamten Zentrum zusammen in der Zeit der großen Krisis die sachlich notwendige Agrarpolitik gemacht. Die Deutschnationalen haben sich damals gespalten. Der SchieleFlügel ist zu Brüning gegangen und der Hugenberg-Flügel zu Hitler. Der Graben ging im alten Reichstag dann zwischen Schiele und Hugenberg. Wenn ich mich nun hier in diesem Hause umsehe, finde ich überhaupt keinen Graben mehr.
({1})
- Ja, deswegen sage ich es ja, und deswegen möchte ich mit Ihnen doch ein paar Minuten eine Feierstunde abhalten.
({2})
In der vorigen Sitzung hätte ich beinahe noch die
Vermutung gehabt, daß wenigstens ein Mitglied
*) Siehe Anlage 2.
({3})
des Hauses, nämlich der Kollege Mauk, auf der andern Seite des Grabens stehen würde;
({4})
denn er hat den Bundesernährungsminister ermahnt, er möge die weit verbreitete Meinung widerlegen, er sei nur Ernährungsminister, aber nicht Landwirtschaftsminister. Als ich ihm dann den Zwischenruf machte, er müsse doch wissen, daß Herr Lübke der beste Landwirtschaftsminister sei, den wir seit langem in Deutschland gehabt hätten, hat er mir geantwortet: „Herr Professor Baade, ein nicht unerheblicher Teil der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist anderer Meinung." In den sieben Monaten, die inzwischen vergangen sind, scheint der Herr Kollege Mauk doch sehr viel gelernt zu haben.
Wir haben also auf dem Gebiet der Agrarpolitik ein grabenloses Haus. Wenn irgend jemand in diesem Hause noch der Meinung sein sollte, er stünde rechts dieses Grabens, dann bitte ich ihn, sich zu melden.
({5})
Aber auch wenn ich mir die Verwaltung ansehe, finde ich den Graben nicht mehr. Es hat einmal Vermutungen gegeben, daß der Herr Minister auf der einen Seite dieses Grabens und der Herr Staatssekretär auf der andern Seite dieses Grabens stehe.
({6})
Aber auch davon ist nicht mehr die Rede.
Nun lassen Sie mich nach diesen scherzhaften Dingen etwas Ernstes sagen. Es gibt diesen Graben noch. Aber er läuft weit rechts vom Staatssekretär unseres Ministeriums. Es ist nicht mehr der Graben zwischen Verbraucherpolitik und Erzeugerpolitik; denn wir wissen alle, es gibt nur eine gute Verbraucherpolitik, und die ist die beste Erzeugerpolitik, und es gibt nur eine gute Erzeugerpolitik, und die ist die beste Verbraucherpolitik.
({7})
Es gibt keinen Graben mehr zwischen rechter und linker Agrarpolitik, es gibt nur noch einen Graben in Deutschland, und der verläuft zwischen verantwortungsvoller Agrarpolitik und verantwortungsloser Agrarpolitik.
({8})
Das hier einmal klarzumachen, war mir ein Herzensbedürfnis.
Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.
Meine Damen und Herren! Ich hätte nicht das Wort genommen, wenn es der Herr Bundesminister nicht gewünscht hätte. Er hat die bäuerliche Berufsorganisation aufgerufen, zu ihrem Kommuniqué hier Stellung zu nehmen, damit, wenn wirklich Diskrepanzen vorhanden sind, diese ausgeräumt werden können. Nach Ihrer schönen Rede, Herr Professor Baade, könnte man annehmen, daß etwa die bäuerliche Berufsorganisation weit rechts außerhalb des Grabens stehe.
({0})
- Herr Kriedemann, wenn dem so wäre, würde ich mich wahrscheinlich nicht in der CDU betätigen.
({1})
- Nein, es sind gar keine Dissonanzen da!
({2})
Aber, Herr Bundesminister, ich müßte mein Bedauern zum Ausdruck bringen, wenn Sie etwa die Auffassung hätten, daß die Information, die herauskam, ein sehr schwerer Vorwurf ist. Dem ist gar nicht so. Es ist lediglich aufbauende, völlig sachliche, positive Kritik. Ich darf einige Punkte anführen.
Sie haben selber, Herr Bundesminister, gestern und heute zum Ausdruck gebracht, daß das keine vollständige Sache sein kann. Das sieht selbstverständlich auch die Landwirtschaft ein, das ist völlig unmöglich. Ich gebe hier gern meiner Überzeugung Ausdruck, daß man sich wundern muß, daß innerhalb der ganz kurzen Zeit eine so umfassende, gute Arbeit geleistet werden konnte. Aber auch derjenige, der etwas Gutes geleistet hat, muß es sich gefallen lassen, daß man ihn auf einige Schwächen aufmerksam macht. Ich glaube, wenn ich darauf aufmerksam mache, sind Sie selber froh, weil diese Dinge bei dem nächsten Bericht ausgemerzt werden können. Nur so ist die Kritik gedacht.
Ich will mich ganz kurz fassen. Einen Punkt haben Sie schon angesprochen, die Frage der Sozialversicherungszuschläge. In Wirklichkeit ist es doch so: wenn die mitarbeitenden Familienangehörigen nicht der vom Staat auferlegten Versicherungspflicht unterliegen, müssen sie doch das Recht haben, mindestens einen Teil - in der Höhe, die der Versicherungspflicht entspricht - auf die Seite legen zu können. Das muß mit berücksichtigt werden, und das war nicht der Fall. Ich glaube, daß Sie hierin mit mir einig gehen.
Dann eine zweite Sache. Vorhin in der Diskussion wurde bemängelt, daß man bei dem Ansatz für die Bauersfrau für jeden Familienangehörigen, der in der Hausgemeinschaft wohnt und seine Verköstigung bezieht, 20 % abzieht. Sie haben darauf an Hand von Material nachgewiesen, daß die Betriebswirtschaftler dieser Auffassung sind. Aber ich darf Ihnen doch sagen - und ich glaube auch hier mit Ihnen einig zu gehen -, daß leider die Wirklichkeit draußen anders aussieht. Wenn man nämlich pro Familienangehörigen 20 % abzieht, dann würde das bedeuten, daß eine bäuerliche Familie mit drei Arbeitskräften ihre Bäuerin so in Anspruch nimmt, daß sie draußen im Betrieb nichts arbeitet. Dem schlagen die Tatsachen ins Gesicht. Sie sind mit mir der Auffassung, daß das berücksichtigt werden muß. Eine Bäuerin mit drei Kindern kann es sich wirklich nicht leisten, im Betriebe nichts zu tun.
Ein Drittes, der 50 %ige Zuschlag auf die Kosten der dem eigenen Betrieb entnommenen Nahrungsmittel. Wir sind nicht der Auffassung, daß dieser 50 %ige Aufschlag voll als Lohn eingesetzt werden darf. Wir meinen vielmehr, daß höchstens ein Aufschlag von 30 % in Betracht kommt. 50 % sind für die Landwirtschaft im Vergleich zu zahlreichen Auslandsnahrungsmitteln, die man heute in verschiedenen Kaufhäusern recht billig erstehen kann, nicht am Platz.
Ein Weiteres. Es wäre vielleicht besser gewesen - ich will das dahingestellt sein lassen -, wenn man die Stundenverdienste anstatt der Jahresarbeitsverdienste miteinander verglichen hätte. In Wirklichkeit sind beispielsweise in der Textilindustrie die Stundenlöhne der weiblichen und männ({3})
lichen Arbeitskräfte nur um wenige Prozent voneinander verschieden, 101 Pfennig für die weibliche, 108 Pfennig für die männliche Arbeitskraft. Aber wenn man die Jahresarbeitsverdienste miteinander vergleicht, so zeigt sich, daß die 2600 DM der weiblichen Arbeitskraft nur zwei Drittel der männlichen Arbeitskraft entsprechen. Herr Minister, hier besteht ohne Zweifel eine Diskrepanz. Ich führe das an, weil es hier heißt, daß diese kalkulatorischen Kosten nicht voll eingesetzt sind.
Sie haben weiterhin kritisiert, daß hier aufgeführt wird, die kalkulatorischen Kosten seien nicht als echte Kostenbestandteile behandelt worden. Es ist mir bekannt, daß der Grüne Bericht, als er aus Ihrem Hause herausging, die kalkulatorischen Kosten so enthielt, wie es im Gesetz vorgesehen ist. Aber andere haben daran nachher wahrscheinlich herumgedoktert und haben praktisch die Gesetzesvorschriften in Zweifel gezogen. Beispielsweise heißt es zum Lohnansatz im Grünen Bericht S. 55: „Dieser Vergleichsansatz normiert kein Lohn-Soll." In Wirklichkeit heißt es aber im Gesetz, daß dieses Soll berechtigt ist und daß es vergleichbare Berufsgruppen gibt.
Dann bestehen Zweifel, ob der Betriebsleiterzuschlag als Lohnbestandteil oder etwa als Gewinnbestandteil einzusetzen ist. Ja, meine Damen und Herren, es ist doch in der gewerblichen Wirtschaft völlig unbestreitbar so, daß die Gehälter der Vorarbeiter oder der verantwortlichen Direktoren oder irgendeines Mannes, der eine besondere Verantwortung trägt, nicht als Gewinn, sondern als echter Lohnbestandteil betrachtet werden. Warum sollte man das der Landwirtschaft nicht zugestehen?
Bei der Frage der Verzinsung des Kapitals ist es genau dasselbe. Hier wird in dem Bericht angezweifelt, ob man sie als Gewinn oder als echten Kostenbestandteil betrachten kann. Sie werden hier wahrscheinlich mit mir einig gehen.
Nun noch ein Satz in dem Bericht. der die Dinge entgegen dem Gesetz praktisch wieder in Zweifel zieht. Es heißt, die Vergleichsansätze seien somit problematisch. Davon kann gar keine Rede sein. In dem Gesetz wird ganz klar ausgeführt, daß man echte, vergleichbare Zweige der gewerblichen Wirtschaft heranziehen und auf Grund dieser Vergleiche dann auch testieren soll. Das war mit dieser Kritik gemeint.
Da ich nun schon das Wort habe, möchte ich nur noch zu zwei Punkten sprechen. In den Maßnahmen, die hier vorgeschlagen sind und die wir voll bejahen, sind zwei Kategorien vielleicht noch nicht berücksichtigt. Aber das läßt sich im Laufe der nächsten Zeit, wenn die endgültigen Maßnahmen erst festgestellt werden, vielleicht noch berücksichtigen.
Da ist einmal die Schafzucht, deren Umfang heute kaum mehr 50 % dessen des Jahres 1948 beträgt. Ausgesprochene Schafweiden können nicht beweidet werden, weil die Zahl der Schafe zu gering ist, und große Teile dieser Flächen können auch nicht aufgeforstet werden. Das sollte uns Bedenken machen. Deswegen dürfte es ein Akt der Gerechtigkeit sein, eine Subvention des deutschen Wollpreises in Betracht zu ziehen.
Dann zu einer Frage des Obst- und Weinbaus. Wir hätten im Hinblick auf den Weg zum vereinten Europa, zu einem einheitlichen europäischen Markt, gewünscht, daß die Schädlingsbekämpfungsmittel annähernd zu dem Preis zur Verfügung gestellt werden können, zu dem sie im Ausland von der deutschen Industrie verkauft werden. Mir liegen Zahlen vor, nach denen die gleichen Schädlingsbekämpfungsmittel in Holland zu Preisen gekauft werden, die teilweise um 40, 50 % niedriger liegen als bei uns. Vielleicht kann auch das noch berücksichtigt werden.
Wir müssen darauf bedacht sein, daß wir - wie Herr Kollege Struve richtig sagte - durch die Hilfsmaßnahmen, die jetzt vorgesehen sind und die sicherlich sehr wirksam sein werden, nicht in eine neue Bedrängnis kommen, wenn etwa in der gewerblichen Wirtschaft in Zukunft höhere Löhne gezahlt werden. Wir haben schon einen Vorgang: Ab 1. April werden den Bauarbeitern 8 Pfennig mehr gezahlt. Ich sage kein Wort, daß sie das nicht verdienen; aber das gibt eine neue Diskrepanz.
Zum Schluß darf ich sagen: Herr Minister, wir stimmen diesen Maßnahmen vollauf zu. Wir sind uns des Wertes dieser Agrarpolitik völlig bewußt, die dafür sorgt, daß - wie Sie richtig sagten - im freien Teil Europas ein freier Bauer nach freien Entscheidungen frei wirtschaften kann und uns vor dem amerikanischen Farmertum und vor dem Kollektiv des Ostens bewahrt.
({4})
Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU - Umdruck 522*) - zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes, Drucksache 2100 und Berichtigung der Drucksache 2100. Nach dem, was vorangegangen ist, darf ich annehmen, daß allen Mitgliedern des Hauses der Inhalt dieses Entschließungsantrags bekannt ist.
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- Ja, ich komme dazu. - Ich nehme an, es besteht Einstimmigkeit darüber, daß in Zeile 4 dieses Antrags hinter den Worten „vorgeschlagenen Maßnahmen" die Worte „im Grundsatz" eingefügt werden. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch.
Dann darf ich in dieser Form über die Entschließung abstimmen lassen. Wer der Entschließung, von der wir eben gesprochen haben, zustimmt, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Nichts. Also ist der Entschließungsantrag einstimmig angenommen.
({6})
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft - Drucksache 1848 - unter Buchstabe b der Tagesordnung der heutigen Sitzung. Es ist beantragt worden, diesen Antrag an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vorlage des Entwurfs eines Hilfsgesetzes für die deutsche Land-
*) Siehe Anlage 2.
({7})
Wirtschaft - Drucksache 2058 - unter Buchstabe c der heutigen Tagesordnung. Es ist beantragt worden, diesen Antrag an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Wer dieser Überweisung zuzustimmen beabsichtigt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Keine. Die Überweisung ist erfolgt.
Damit ist die heutige Tagesordnung abgewickelt.
Ich teile mit, daß die nächste, die 132. Sitzung des Deutschen Bundestages am Dienstag, dem 6. März 1956, um 11 Uhr stattfinden wird.
Ich danke Ihnen, meine Herren und Damen. Die Sitzung ist geschlossen.