Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 13. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Herr Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Kurlbaum, Voß, Dr. Deist, Schneider ({0}), Spörl, Neuburger, Kiesinger, Frau Vietje, Maucher, Dr. Mommer, D. Dr. Gerstenmaier, Dr. Pfleiderer, Bock, Margulies, Hansen ({1}), Dr. Bucerius und Mensing.
Ich danke schön.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 4. Februar 1954 die Kleine Anfrage 23 der Fraktion der SPD betreffend Bereitstellung von Mitteln zur Beseitigung von Frostaufbrüchen ({0}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 235 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren! Wir fahren wie vereinbart in der Aussprache zu Punkt 2 der gestrigen Tagesordnung fort:
a) Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 ({1}) einschließlich Ergänzungsvorlage ({2});
b) Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1954 ({3}).
Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Dr.
Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden es mir als einem Neuling in diesem Hause nicht verargen, daß ich der gestrigen Debatte mit großem Interesse, aber auch mit einer gewissen Verwunderung gefolgt bin. Es ist unzweifelhaft amüsant, sozusagen im Blumengarten der Politik von Beet zu Beet zu eilen und mal diese Blume und mal jene zu pflücken oder zu beriechen, d. h. ein wenig Landwirtschaftspolitik, ein wenig Verkehrspolitik, ein wenig Innen- und Wirtschaftspolitik, Familienfragen, Staat und Religion sowie einiges andere miteinander zu mischen. Aber ich meine, daß diese Fragen doch immer in dem großen Zusammenhang gesehen werden sollten, den uns der Haushalt
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gestattet. Sie kennen das berühmte Wort vom Schicksalsbuch des Volkes, das einmal Johannes Popitz ausgesprochen hat und das in einem gewissen Sinne eine tiefe Berechtigung hat. Tatsächlich berührt der Haushalt die großen Fragen unseres Volkes und unserer Volkswirtschaft, und da es nun einmal gestern geschehen ist, daß auch grundsätzliche Fragen, etwa unsere Außenpolitik, angeschnitten worden sind, will ich mich im Namen meiner Fraktion noch einmal ausdrücklich zu dem Grundsatz bekennen, unter dem wir angetreten sind, nämlich dem Grundsatz der Einigung des deutschen Volkes in Freiheit,
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einem Grundsatz, von dem wir überzeugt sind, daß es auch der Ihre, daß es auch der Grundsatz der Fraktionen dieses Parlaments und der Parteien, der deutschen Landtage, des deutschen Volkes ist, und wir hoffen mit Herrn Krone, daß diese Einigkeit auch in der großen Frage, die möglicherweise in den nächsten Wochen und Monaten entschieden werden wird, zu einer einmütigen Stellungnahme unseres Volkes und unseres Bundestages führen wird.
Die Bedeutung des Haushalts ergibt sich schon allein daraus, daß in dem Haushaltsbuch, in den Aufzeichnungen über den Haushalt nahezu alle Fragen berührt sind, die den Staat, die die öffentliche Verwaltung im Innersten angehen. Ein französischer Sachkenner hat den Haushalt einen Filter genannt, durch den das Volkseinkommen hindurchfließe. Es ist nun sehr wesentlich, wie grob oder wie fein dieser Filter ist. Und da scheint mir bemerkenswert. daß dieser Filter das Einkommen des deutschen Volkes mit runden 40 % auffängt und in die Kanäle weiterleitet, die die Politik ihm bestimmt. Das heißt zugleich. daß der Haushalt t iven außerordentlichen Einfluß auf die Geschicke dieser Wirtschaft, auf die Geschicke des Volkes überhaupt hat. Dabei ist interessant, festzuhalten. daß der Haushalt, ja daß überhaupt die Finanzpolitik nur in gewissem Umfang den marktwirtschaftlichen Gesetzen unterworfen ist,
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daß vielmehr der Haushalt und die Finanzpolitik im wesentlichen planender Natur sind. Um so sorgsamer ist der Einfluß abzuwägen. um so sorgfältiger ist zu überlegen, wie dieser Haushalt seinem Umfang und seinen Einzelheiten nach gestaltet werden muß. Daraus ergibt sich logisch etwas anderes - es ist gestern schon berührt worden -: Wer den Haushalt in der Hand hat. hat wirklich zu einem entscheidenden Teil die Durchführung der Politik in der Hand. hat einen wesentlichen, wenn nicht gar entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der Volkswirtschaft.
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Wer ist das nun? Ist der Haushalt in der Hand des Parlaments, des Bundestags oder der Landtage? Ich glaube, man wird nicht zu weit gehen, wenn man diese Frage sehr skeptisch betrachtet und vielleicht sogar mit Nein beantwortet. Der Haushalt ist nämlich überwiegend in der Hand der Exekutive. Schon die erste Phase des Haushaltskreislaufs zeigt das ganz deutlich. In den langen Monaten, in denen der Haushalt durch die dazu bestimmten Stellen, in erster Linie also durch den Finanzminister, vorbereitet wird, werden bereits zahlreiche Entscheidungen getroffen, deren Abänderung in der zweiten Phase, nämlich der Vorlage bei den parlamentarischen Körperschaften, außerordentlich erschwert ist.
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Die Phase, in der das Parlament sich mit dem Haushalt beschäftigt, dauert auch bei ganz normaler, frühzeitiger Vorlage des Haushalts doch nur wenige Monate, eine sehr kurze Zeit, wenn man insbesondere bedenkt, daß ein ganzer Stab von Experten den Haushalt vorbereitet hat, daß aber dann doch die einzelnen Pläne eine - mitunter nur sehr kurze, manchmal notwendigerweise auch mehr oder minder abrupte - Behandlung erfahren müssen. Es ist gestern hervorgehoben worden, daß der politische Einfluß des Parlaments damit wesentlich zurückgedrängt wird. Das ist eine sehr ernste Frage, um deren Beantwortung und Lösung wir uns alle gemeinsam bemühen sollten. Sie wissen - oder vielleicht wissen Sie es auch nicht -, daß einmal ein großes Parlament die Vorbereitung des Haushalts selbst in die Hand genommen hat: der amerikanische Kongreß vor 1921. Die Vorbereitung des Haushalts lag bis 1921 in Amerika in den Händen des Kongresses. Dieses System hat sich als ungeeignet erwiesen, weil es für ein Parlament unmöglich ist, auch Aufgaben der Exekutive in diesem Umfang mitzuübernehmen. 1921 ist die Vorbereitung des Haushalts in den Vereinigten Staaten von Amerika auf ein besonderes Büro des Präsidenten, nicht also auf den amerikanischen Finanzminister, übergegangen.
Man könnte auch an die britische Praxis erinnern, die ja eine ganze Reihe von Einnahmen und Ausgaben für permanent erklärt, z. B. die Personalausgaben oder die Königliche Zivilliste. Aber ich glaube, auch in unserem Haushalt sind eine ganze Reihe dieser Ausgaben und dieser Einnahmen permanent, und es würde uns nicht viel helfen, wenn wir das britische System für unsere Praxis übernehmen könnten.
Sehr viel glücklicher wäre es schon, wenn wir vielleicht zu dem von anderer Seite angeregten System der gemischten Kommissionen kommen könnten, derart, daß Kommissionen unter der Beteiligung des Parlaments und der Exekutive bereits bei der Vorbereitung des öffentlichen Haushalts wesentlich tätig sind. Damit würde die Stellung des Parlaments in der zweiten, in der Phase der Bewilligung nicht unbeträchtlich gefestigt und gehoben. Ich bitte, diesen Vorschlag doch sehr ernsthaft zu erwägen, weil ich glaube, daß dieses Problem - Zurücktreten des Einflusses des Parlaments und Vorherrschen der Exekutive - unser Parlament nicht nur auf diesem, sondern auch auf so manchem anderen Gebiet notwendigerweise noch beschäftigen muß. Ich denke da z. B. an die kommende Steuerreform. Ich sehe es kommen, daß auch hier im Parlament verhältnismäßig wenig Initiative entfaltet werden wird und kann und daß das Parlament sich in der Hauptsache mit den Früchten der Arbeit der Exekutive zufrieden geben muß.
Es ist gar kein Zweifel, daß wir die Tätigkeit dieser Exekutive hoch schätzen. Die Verwaltung verfügt über ausgezeichnete Experten, und wenn man die Kleinarbeit der letzten Jahre in der Entwicklung des öffentlichen Haushaltsrechts beobachtet, dann weiß man, was auf diesem Gebiet alles geschehen ist. Wenn ich vom System der Vorwegbewilligungen, das vielleicht nur eine Notmaß({5})
nahme war, übergehe zur Frage etwa der Einführung des Prinzips der einseitigen Deckung, bei der nur ein Posten dem anderen aushilft, anders als beim Prinzip der gegenseitigen Deckungsfähigkeit, wenn ich weiter erwähne, daß die Experten der Verwaltung mit Fug und und Recht das altbekannte Prinzip der Nonaffektation aufrechterhalten haben, d. h. den Grundsatz, daß alle Einnahmen alle Ausgaben zu decken haben, dann zeigt sich, daß auf diesem Gebiet an Kleinarbeit und an Verfeinerung des Haushaltsrechts unzweifelhaft sehr viel geleistet worden ist. Die Aufgabe des Parlaments kann weniger darin bestehen, an dieser Verfeinerung mitzuwirken, als vielmehr darin, und nur das ist ihm heute möglich, den Haushalt von den großen tragenden Grundsätzen der Finanz- und Haushaltspolitik aus zu überschauen und zu beurteilen. Diese großen, tragenden Grundsätze sind die klassischen Prinzipien der Öffentlichkeit, des Haushaltsausgleichs, der Sparsamkeit, der Spezialisierung, der Vollständigkeit und der Klarheit. Das Parlament wird darauf zu achten haben, daß diese Grundsätze zur Geltung kommen. Von der Schau dieser Grundsätze aus wird zu diesem Haushalt einiges zu sagen sein.
Erlauben Sie mir, zunächst auf einen Grundsatz kurz einzugehen, der vielleicht ein Fundament demokratischen Lebens überhaupt bildet. Das ist das Prinzip der Öffentlichkeit. Von einem Haushalt von 2000 Seiten und dem Gewicht von vielen Bänden können Sie nicht verlangen, daß ihn die Öffentlichkeit als eine Unterhaltungslektüre auffaßt. Auch die Einführungen, die uns der Finanzminister dazu gegeben hat, sind, wie gestern schon gesagt worden ist, keine Romane. Es ist sehr verdienstlich, daß wir diese übersichtliche Schau der allgemeinen Vorbemerkungen vor uns liegen haben. Aber der Kollege Schoettle hat gestern wohl mit Recht hervorgehoben, daß diese allgemeine Schau letzten Endes ja auch Stunden aufmerksamen Lesens kostet und infolgedessen letztlich dem Fachmann vorbehalten bleibt.
Es genügt auch nicht, daß der Haushalt im Parlament, in diesem Bundestag öffentlich verhandelt wird. Es scheint mir im Interesse dieses demokratischen Fundaments auch unseres Haushaltslebens notwendig, den Haushalt hinauszutragen; ich will nicht so vermessen sein, zu sagen: zum letzten Wähler, aber jedenfalls doch zu vielen Wählern, ihn populär zu machen. Ich erinnere dabei an die Haushaltsfibel, die Herr Dr. h. c. Kurt Heini g in Stockholm verfaßt hat und die ganz ausgezeichnet ist. Aber es muß auf diesem Gebiet weit mehr geschehen. Es kann sich nicht nur um eine theoretische Einführung handeln, sondern die Grundprobleme unseres Finanz- und Wirtschaftslebens, unseres Haushalts müssen dem Volk in irgendeiner Weise klargemacht werden. Hierin scheint mir eine besondere Aufgabe unseres Parlaments, aber auch unserer Exekutive, wenn sie ihre Pflichten recht auffaßt, und unserer Presse zu liegen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat am Schluß seiner Rede an die res publica appelliert. Ich darf daran anknüpfen und der Hoffnung Ausdruck geben, daß es uns gelingen möge, den Haushalt selbst zu einer res publica zu machen, zu einer, wenn ich das einmal gewagt übersetzen darf, Sache im Gemeingebrauch. Das schiene mir notwendig. Damit würde auch der Forderung des großen Volkswirtschaftslehrers, des Begründers unserer nationalen Volkswirtschaftslehre, Friedrich List, entsprochen, der seinerzeit vor mehr als hundert Jahren die Publizität als die Garantie der Throne erklärt hat. Soviel zur Frage der Öffentlichkeit.
Der Minister hat sowohl in den Vorbemerkungen als auch in seiner Haushaltsrede besonderes Gewicht auf den Grundsatz des Haushaltsgleichgewichts gelegt. Wir haben hier einen Verfassungsgrundsatz vor uns. Es ist selbstverständlich, daß das Grundgesetz Beachtung gebietet. Darüber hinaus handelt es sich um einen klassischen, orthodoxen Grundsatz, möchte ich sagen. Man hat einmal - nicht ganz zu Unrecht - das Erreichen des Haushaltsgleichgewichts als die finanzpolitische Tugend bezeichnet. Manchem mag das etwas überaltert vorkommen. Wir haben ja hier Worte von der Theorie des deficit spending gehört, die bekanntlich in der amerikanischen Praxis wenigstens in gewissem Umfang zur Geltung gekommen ist und die auch in Deutschland u. a. von dem Inhaber eines führenden Lehrstuhls verteidigt und für praktisch anwendbar gehalten wird. Ich muß Ihnen dazu etwas sagen. Die Theorie des deficit spending scheint mir außerordentlich gefährlich, mindestens in dem Zustand, in dem sie sich heute befindet. Ich lese da, daß auch in der deutschen Finanzwirtschaftslehre der Gedanke vertreten wird, jene Ideale von einer neutralen Steuer- und Finanzpolitik, von einem sogenannten staatskreditären Abstinentismus - ich wiederhole, was ich gelesen habe; ich finde die Formulierung sehr wenig schön - und weiterhin vom absoluten Haushaltsgleichgewicht seien veraltet, und es handle sich um entthronte Ideale. Meine Damen und Herren, das ist nicht der Fall. Prüfen Sie einmal selbst, was die Theorie des deficit spending Ihnen zu bieten hat. Sie lehrt, man müsse an eine jährliche Änderung der Tarife denken, um zu einer sachgerechten Durchführung der theoretischen Forderungen zu gelangen, man müsse weiter eine alternierende Schuldenpolitik treiben, man brauche nur von einer rein monetären Deckung auszugehen, und schließlich müsse man eine antizyklische Ausgabenwirtschaft betreiben.
Ich halte es nicht für ideal, wenn die Steuertarife künftig immer wieder alljährlich geändert werden sollen. Das ist vielleicht in den letzten Jahren notwendig gewesen. Aber wir wollen uns an das alte Wort zurückerinnern, nach dem Steuergesetze mindestens im Postulat einen relativen Ewigkeitswert haben sollten. Ich denke es mir auch für die Wirtschaft vernünftig und angemessen, wenn diese Tarife eine längere Zeit bestehenbleiben und wenn die Wirtschaft in Ruhe mit ihnen kalkulieren und rechnen kann. Ich meine auch, daß die Forderung nach einer alternierenden Schuldenpolitik nur sehr schwer durchführbar wäre. Schließlich bin ich der Ansicht, daß eine antizyklische Ausgabenwirtschaft eine Regierung und ein Parlament vor ganz ungewöhnliche Anforderungen stellt. Ich verstehe es durchaus, wenn man in den Zeiten einer Depression, einer Deflation größere staatliche Aufwendungen fordert und in den Zeiten einer sich nähernden Inflation umgekehrt verfahren will. Aber man kann hier sehr leicht des Guten zuviel tun. Wir haben in der Vergangenheit, gerade in unserer jüngsten deutschen Finanzgeschichte, Beispiele genug dafür, welch verheerende Wirkung dieses Zuviel oder Zuwenig gehabt hat. Diese Theorie des deficit spending ist ja in Wirklichkeit gar nicht neu; sie ist schon vor Jahrhunderten vertreten worden, und ihr erster Vertreter war der Roi Soleil, nämlich Ludwig XIV., der bekanntlich
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als seinen finanzpolitischen Grundsatz hervorgehoben hat, der König könne gar nicht genug ausgeben, denn damit tue er dem Volke nur Gutes.
Diese deficit-spending-Theorie führt noch zu einem anderen Gedankengang hin. Schon damals hat Louvois, der Kriegsminister Ludwigs XIV., bemerkt, daß der Steuerzahler ja dem Herrscher nichts gebe, was dieser nicht schon von vornherein besitze. Und nun darf ich Sie darauf hinweisen, daß die Schriften Lenins in diesem Zusammenhang ein gewisses Interesse erwecken sollten. Lenin hat nämlich die Forderung aufgestellt, man müsse zur ständigen Belebung der Wirtschaft, zur Steigerung des Sozialprodukts eine Finanzpolitik inflatorischer Natur treiben. Einer der besten Wege zum Staatssozialismus, meine Damen und Herren! Ich möchte dieses Gefahrenzeichen ausdrücklich aufrichten. Ich hielte es für sehr bedenklich, wenn wir den Verfassungsgrundsatz des Haushaltsausgleichs in Frage stellen würden.
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Daß er in den vergangenen Jahren manchmal nur
mit artistischen Kunststücken hat eingehalten werden können, steht auf einem anderen Blatt und
hat sich aus den schwierigen Fragen des Aufbaus
ergeben, den wir nur zum Teil hinter uns haben.
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In Frankreich hat Gaston Jèze sogar nach einem Minister für das Gleichgewicht gerufen. Das mag ein wenig übertrieben sein; aber ich glaube, diesem klassisch-orthodoxen Grundsatz können wir im ganzen doch zustimmen. Er führt uns zu einer andern, zu einer wesentlich wichtigen, zu einer grundsätzlich entscheidenden Frage, und das ist der Haushaltsgrundsatz der öffentlichen Sparsamkeit. Hierüber finden Sie allerlei, wenn Sie das Haushaltsrecht studieren. Aber der Grundsatz hat doch eine viel wesentlichere Bedeutung. Ich möchte sagen, er entspricht einer allgemeinen Auffassung, einem allgemeinen Wunsch, einer allgemeinen Forderung des Wählers, des Volkes. Wir werden uns in der Befolgung des Grundsatzes der Sparsamkeit von niemandem übertreffen lassen, wenn wir auch der Meinung sind, daß die sozialen Gewichte durchaus einmal anders verteilt werden müssen, als es hier und da der Fall sein mag.
Der Grundsatz der Sparsamkeit begegnet bei seiner praktischen Verwirklichung einer Tendenz, die gestern von allen Rednern - soviel ich sehe - erwähnt oder mindestens gestreift worden ist. Das ist jene alte Regel, die sich in einem 1879 veröffentlichten Buch von Adolph Wagner ausgesprochen findet. Ich meine das sogenannte Gesetz des ständig wachsenden Staatsbedarfs. Der Herr Kollege Schoettle hat es gestern historisch begründet, und für diese historische Auffassung spricht selbstverständlich sehr vieles. Aber es ist auch schon bemerkt worden, daß wir doch möglichst vermeiden sollten, dieser Regel, dieser historischen Beobachtung die Kraft oder den Gehalt eines Naturgesetzes zumessen zu wollen. Ich glaube, Sie würden mit einer solchen Auffassung dem einmütigen Widerspruch auch des Volkes begegnen; denn das Volk wünscht sich einen sparsamen Staat.
In diesem Zusammenhang muß ich Ihnen noch etwas anderes sagen. Die Regel wird sehr oft zitiert. Wie bei den meisten Zitaten ist es zweckmäßig, nachzulesen, was in der Quelle geschrieben steht. Schon Adolph Wagner - der „Kathedersozialist" Adolph Wagner - hat ausdrücklich auf eine Entwicklung hingewiesen, in der er eine Begleiterscheinung des Gesetzes von den ständig wachsenden Staatsaufwendungen sieht. Er bemerkt nämlich wörtlich, daß damit in Zukunft die Steigerung des kommunistischen Charakters der ganzen Volkswirtschaft zum Ausdruck kommen werde. Wenn Sie diese Ausdrucksweise Wagners in die Sprache, in die Terminologie unserer Zeit übersetzen, dann werden Sie statt „kommunistischer Charakter" vielleicht „kalte Sozialisierung" sagen können. Eine solche kalte Sozialisierung muß verhindert werden, wenn wir die Grundprinzipien unseres Wirtschafts- und Gesellschaftslebens wahren wollen.
Es ist gar kein Zweifel, daß der Personalstand der öffentlichen Verwaltung sich in einer Weise vermehrt hat, wie es nicht notwendig war. Sie entspricht auch keineswegs historischen Gesetzen und Regeln. Sie können in allerlei Publikationen darüber nachlesen, wie sich die Zahl etwa der hohen Beamten im Verhältnis von 1932 zu 1954 vermehrt hat. Man kann sagen, sie ist um das Doppelte gestiegen. Sie hatten 1932 im Reich, glaube ich, rund 160 Ministerialdirigenten und entsprechend viele Präsidenten, Sie haben heute im Bund rund 330.
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- Was damals gewesen ist, kann in keiner Weise verteidigt werden.
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Wenn Sie sich in das Jahr 1932, in den Zustand etwa eines Landratsamts oder eines Finanzamts der damaligen Zeit zurückversetzen und den Personalstand, allerdings auch die Arbeitsbelastung der Ämter heute betrachten, so sehen Sie, daß sich die Beamtenzahl jedenfalls dieser Ämter vervielfacht hat und die Arbeit deshalb nicht besser geworden ist. Jeder gute Beamte wird Ihnen das bestätigen.
Ich habe kein Wort in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers so sehr begrüßt und unterschrieben wie den Satz, nach dem ein Zuviel an Personal weniger geeignet ist, mit einer Arbeitsbelastung fertigzuwerden als ein Zuwenig an Personal. Ich werde dazu einiges zu sagen haben. Wir können nicht auf einen Wegfall großer Aufgaben hoffen, wenn wir den künftigen Haushalt sparsam gestalten wollen. Das wird nicht möglich sein angesichts dessen, was wir auch an sozialen Entwicklungen und sozialen Aufgaben noch vor uns haben. Es wäre utopisch, daran zu denken. Wir müssen uns also ernste Gedanken darüber machen, wie wir dieses Zuviel an Verwaltung, an Personal, dieses Übermaß an Bürokratie eindämmen. Dieses Übermaß an Bürokratie hat sich uns schon in der Stellung des Parlaments gezeigt, in dem Zurücktreten des Parlaments hinter die Exekutive in entscheidenden Fragen unserer Finanzwirtschaft. Es sind vielleicht alte Forderungen, die ich Ihnen wiederhole, aber es sind Forderungen, die aus langer Verwaltungserfahrung stammen. Da ist zunächst der Ruf nach einer echten inneren Verwaltungsreform, und darunter verstehe -ich folgendes: erstens eine Verlagerung der verantwortlichen Entscheidungen auf die unteren Dienststellen, zweitens eine Beseitigung der Überzahl von Verwaltungsanweisungen, an der wir leiden,
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drittens eine wesentliche Einschränkung und oft
sogar Aufhebung von Mittelbehörden, viertens eine
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Beschränkung der Ministerien auf ihre Funktion bei der Gesetzgebung und fünftens die weitestmögliche Beseitigung der Doppelarbeit.
Lassen Sie mich dazu einiges bemerken. Die Übertragung verantwortlicher Entscheidungen auf die unteren Dienststellen ist schon deshalb notwendig, weil dieser Zustand ja früher einmal dagewesen ist. Wir haben nämlich vor 1933 ein wesentlich größeres Verantwortungsbewußtsein und infolgedessen einen wesentlich stärkeren Entscheidungswillen auch der Leiter der unteren Dienststellen gehabt. Wenn Sie heute zu dem Leiter einer Behörde hingehen, so wird er Ihnen vielleicht in sechs von zehn Fällen sagen: „Da muß ich zunächst an meine obere Dienststelle berichten." Und die obere Dienststelle berichtet an das Landesministerium oder an das Bundesministerium.
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Dieser Zustand kann verbessert werden.
Ich habe von der Überzahl der Verwaltungsanweisungen gesprochen. Sie brauchen sich nur einmal das anzusehen, was Sie selbst jeden Morgen in Ihrem Postfach vorfinden. Wenn nun der kleine Beamte oder Angestellte eines Landratsamtes oder eines Finanzamtes morgens seinen Schreibtisch besieht, so entdeckt er darauf einen ganzen Haufen von Verwaltungsverfügungen aller Art des Bundes, der Länder, der Regierungspräsidenten, der Oberfinanzdirektionen usw. Er ist nicht einmal mehr in der Lage, dieses Papier zu lesen. Aber es hemmt ihn selbstverständlich in der verantwortungsbewußten Entscheidung, die der Steuern zahlende Staatsbürger von ihm erwartet. Es kann da eine wesentliche Ersparnis von echten Verwaltungskosten eintreten, wenn wir zu den früheren Zuständen zurückkehren, was bestimmt nicht den Weg etwa einer Reaktion darstellen kann.
Zur Aufhebung der Mittelbehörden will ich nicht viel sagen. Aber jeder, der damit zu tun hat, weiß, daß sie doch in großem Umfang nur Durchleitestellen sind und gewissermaßen nur das Material aufbereiten, das dann von den Beamten der höchsten Dienststellen der Landesministerien oder des Bundesministeriums geprüft wird. Und da muß ich sagen, daß Verwaltungsentscheidungen, Einzelentscheidungen von Fällen nicht in das Tätigkeitsfeld der obersten Bundes- und Landesbehörden hineingehören, d. h. daß diese davon entlastet werden müssen. Wenn der Einzelfall schon his zu einer solchen Ebene vorgetragen wird oder werden soll, so ist es Sache der Gerichtsbarkeit, insbesondere also der Verwaltungsgerichte, den Fall zu prüfen und zu entscheiden. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort zitieren, das ein Freund des Freiherrn vom Stein, nämlich der hannöversche Verwaltungsjurist Rehberg, gesprochen hat:
Vergebens wird ein Heer von Zivilbediensteten in ein beständiges Aufgebot versetzt, um jedem Groschen nachzujagen, der alas den Rechnungen zu desertieren droht, wenn man den Verstand und die Aufmerksamkeit lähmt, welche Taler in die Rechnungen hineinschaffen könnten.
Ein weiterer entscheidender Punkt in der Frage der Verwaltungsvereinfachung und damit der öffentlichen Sparsamkeit ist das Verhältnis von Bund und Ländern. Es mag das ein leidiges Thema sein. Von mancher Seite wird es mit Erbitterung verfolgt und zu Tode gehetzt, was im Interesse unseres öffentlichen Lebens kaum begrüßt werden kann. Wir haben gestern von einem Artikel in der „Bayerischen Staatszeitung" Kenntnis genommen. Dieser Artikel ist auch mir, und zwar von einem bayerischen Beamten, zugeschickt worden mit der Bemerkung, daß man ihn der öffentlichen Kritik, und zwar der Kritik auch des Bundestages, unterwerfen müsse. Solche Äußerungen sind nur geeignet, die Atmosphäre unseres politischen Lebens zu vergiften.
Ich weiß, daß der Gedanke des Föderalismus auf historischer Grundlage gewachsen ist, und ich bekenne mich bei aller Tragik unserer Vergangenheit zu dem echten und wertvollen Gut der deutschen Geschichte.
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- Der Vergangenheit unserer ganzen deutschen Geschichte, muß ich Ihnen sagen. Wir haben diese Tragik immer wieder erlebt,
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allerdings in der jüngsten Vergangenheit noch einmal in besonderem Maße. Wir haben immer wieder, und das schon sehr lange, die Tragik der Entzweiung in unserer Geschichte erlebt. Das darf ich Ihnen vielleicht einmal sagen, und ich glaube, damit doch nur auch Ihnen allzu Bekanntes zu wiederholen.
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Diese Tragik der Entzweiung spiegelt sich auch in dem manchmal leider wirklich haß- und tendenzerfüllten Streit: Föderalismus auf der einen Seite, Unitarismus auf der anderen Seite. Vom Zentralismus will ich nicht sprechen, weil ich selbst und wir alle Gegner jeder Form von Zentralismus sind. Wir bekennen uns dagegen zu einem vernünftigen Unitarismus. Das bedeutet, daß wir die geschichtlichen Notwendigkeiten des Föderalismus in. ihrem Rahmen vollauf anerkennen, und dieser Rahmen ist in erster Linie der kulturpolitische Rahmen. Was wären wir ohne die organisch gewachsenen Kulturzentren in unserer deutschen Landschaft? Was wären wir ohne diese Kulturzentren, in denen das landsmannschaftliche Gefühl groß geworden ist bis zum Belt und bis zur Memel? Das muß jeder Deutsche anerkennen, und den Verfassungssatz, daß die Kulturpolitik Sache der Länder sei, können wir nur begrüßen.
Aber wir meinen, daß auf den mehr technischen Gebieten doch die Forderung nach einer größeren Einheit, nach Durchsetzung nicht des zentralistischen Gedankens - Dezentralisierung ist das Gebot jeder vernünftigen Verwaltung -, aber nach der Durchsetzung des unitarischen Gedankens unerläßlich ist. Diesem unitarischen Gedanken müssen wir auf dem Gebiet von Wirtschaft und Finanzen schon deshalb folgen, weil wir nun einmal keine Wirtschaftsgrenzen und auch keine Zollgrenzen in Deutschland mehr haben und haben können, sondern weil Wirtschaft und Finanzen eine untrennbare Einheit auch innerhalb unseres Landes darstellen. Dieser untrennbaren Einheit entspricht auch der direkte und damit sparsamste Weg am besten, nämlich der Weg einer Bundesfinanzverwaltung.
Ich will das Thema hier nicht in allen Einzelheiten erörtern; ich will es nur anrühren. Es ist mir hoffentlich gelungen, Ihnen dabei zu zeigen, daß man das Thema auch ohne die Leidenschaft erörtern kann, mit der die Auseinandersetzung der Föderalisten und der Unitaristen durchsetzt ist.
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Wir bekennen uns gerade auf Grund dieser Einheit auch zu dem Übergewicht des Bundes. Dieses Übergewicht hat der Bund bereits mit dem 1. April 1950 auf Grund der Realisierung des Art. 120 des Bonner Grundgesetzes erlangt. Im Bayerischen Landtag hat man das einmal dahin ausgedrückt, daß am 1. April 1950 die Totenglocke des Föderalismus geschlagen habe. Nun, das wollen wir nicht hoffen. Aber wir wollen hoffen, daß der Bund auch seine Forderung im Rahmen des Finanzausgleichs - die jetzt erhobene Forderung - durchsetzt, weil diese Forderung nach unserer Auffassung nicht nur den finanziellen Notwendigkeiten gerecht wird, sondern weil diese Forderung auch einen neuen Weg zeigt in Anknüpfung an das frühere System der Finanzzuweisungen, den wirklich schwachen Ländern zu helfen, den Ländern mit jenen Notstandsgebieten, die uns - das darf ich hier sagen - ganz besonders am Herzen liegen.
Wenn Sie einmal draußen im Lande fragen: wer soll denn das Übergewicht haben, soll denn eine Bundesfinanzverwaltung kommen? -, dann, glaube ich, werden Sie vom vernünftigen Steuerzahler nur eine einzige Antwort bekommen. Als vernünftigen Steuerzahler betrachte ich den bonus pater familias, von dem vielleicht in der Debatte um die Gleichberechtigung von Mann und Frau noch sehr oft die Rede sein wird. Der Steuerzahler will keineswegs wegen seiner Umsatzsteuer zur einen und wegen seiner Einkommensteuer zur andern Stelle laufen. Wenn ich Ihnen das an einem praktischen Beispiel zeigen darf: prüfen Sie einmal, was notwendig ist, um etwa in einer Devisenangelegenheit, sagen wir, einer Devisenstrafsache zu Rande zu kommen! Sie müssen zunächst mit der Devisenüberwachungsstelle beim Oberfinanzpräsidenten sprechen. Sie werden außerdem mit der Zollfahndungsstelle zu tun haben und über die Zollfahndungsstelle hinaus sehr bald zur Staatsanwaltschaft gehen müssen. Da die Staatsanwaltschaft erfahrungsgemäß nicht gern etwas mit Finanzdingen zu tun hat, werden Sie sehr bald erkennen, daß es schon in der unteren Stufe außerordentlich schwierig ist, diese drei Stellen zweier Verwaltungen unter einen Hut zu bringen. Sie werden sehr bald die Erfahrung machen, daß Sie auch das Landeswirtschaftsministerium beehren müssen, unter Umständen natürlich auch den Landesfinanzminister. Der Landeswirtschaftsminister wird Ihnen nicht viel weiterhelfen, sondern Ihnen sofort sagen: „Da müssen Sie sich nach Bonn an das Bundeswirtschaftsministerium wenden." Wenn man aber beim Bundeswirtschaftsministerium angekommen ist, dann merkt man, daß der Landeswirtschaftsminister aus gewissen Gründen den letztzuständigen oder den entscheidenden Partner nicht erwähnen wollte, und das ist dann das Bundesfinanzministerium. - Wenn Sie das in jeder kleinen Sache versuchen, dann wissen Sie, daß selbst ein routinierter Jurist bei diesem Wirrwarr von Zuständigkeiten, Wirrwarr von Kompetenzen in Verzweiflung geraten kann, und dann verstehen Sie, daß auch der Finanzbeamte, der kleine Steuerbeamte draußen beim Finanzamt, der eine so stille, entsagungsvolle und doch außerordentlich große Arbeit heute zu leisten hat, Ihnen sagt: Gebt mir nur um Himmels willen die Bundesfinanzverwaltung wieder, weil sie so vieles für mich, nämlich für die praktische Arbeit unten am Tisch des Bezirksbearbeiters und für die praktische Arbeit des Betriebsprüfers und selbstverständlich auch jedes einzelnen Steuerzahlers bedeutet! In diesem Zusammenhang kommen wir ohne weiteres zu der weiteren Forderung, von der ich annehme, daß Sie alle mit mir darin übereinstimmen, wenn ich nämlich eine „Entrümpelung" unseres gesamten öffentlichen Rechts verlangen muß. Die Zustände auf dem Gebiet etwa des Sozialrechts, des Bauwesens, des Steuerrechts, des Devisenrechts sind - jeder einzelne von Ihnen wird mir das auf Grund eigener parlamentarischer Praxis und Erfahrung bestätigen können - unerträglich geworden. Die Gebiete sind einfach nicht mehr überschaubar. Ich habe mir sagen lassen, daß auf einer Wahlversammlung in Niedersachsen oder in Schleswig-Holstein der Wahlredner eine Papierschlange hinter sich hergezogen hat, die mehr als 50 Meter lang war, und diese Papierschlange bestand aus den Antragsformularen, die er nötig hatte, um seinen sozialen Wohnungsbau durchzuführen. Das ist doch eine sehr bezeichnende Feststellung.
Also eine Vereinfachung unseres gesamten öffentlichen Rechts! Hier ist ein sehr dankbares Feld für die Vorbereitungsarbeit der Exekutive, und ich hoffe, daß die Exekutive sich dieser dankbaren Arbeit in Kürze in verstärktem Maße zuwendet.
Aber noch etwas anderes muß ich im Zusammenhang mit der Forderung nach Sparsamkeit hervorheben. Das ist das Verlangen nach einer betriebswirtschaftlichen Überprüfung der öffentlichen Erwerbsbetriebe. Wir kennen diese Frage, insbesondere auch aus Feststellungen, die in den letzten Jahren z. B. im Bayerischen Landtag getroffen wurden. Der bayerische Staat besitzt 42 Erwerbsbetriebe. Von diesen 42 haben nur zwei mit Gewinn abgeschlossen. Glauben Sie, daß, wenn private Betriebe mit solchen Ergebnissen kämen, der Steuerinspektor im Finanzamt diese Ergebnisse hinnehmen dürfte? Das wird auch der Herr Bundesfinanzminister oder der Herr Landesfinanzminister kaum dulden wollen.
Was hier für Bayern gilt, das gilt, möchte ich doch behaupten, in nicht unbeträchtlichem Maße auch für den Bund, wenn man sich die finanziellen Endergebnisse der vielen wertvollen Beteiligungen und der vielen wertvollen Erwerbsbetriebe des Bundes ansieht. Es sind eigentlich nur zwei oder drei, die den Gewinn haben, den der Steuerinspektor des Finanzamts für Körperschaften von ihnen erwartet. Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, daß sogar ein hoher Beamter, ein Beamter einer Stelle, die sich leider entgegen dem öffentlichen Interesse sonst allzusehr zurückzuhalten pflegt - nämlich der Präsident des Bayerischen Rechnungshofes -, wiederholt und jetzt noch einmal - wiederholt auch im Landtag in Auseinandersetzungen mit der Staatsregierung - zum Ausdruck gebracht hat, die öffentlichen Betriebe, überhaupt öffentliche Verwaltungen, die wirtschaftlichen Charakter haben, beispielsweise die bayerische oberste Baubehörde, seien dringend der betriebswirtschaftlichen Überprüfung in Richtung einer echten Rationalisierung bedürftig. Ich will diese Vorschläge im Rahmen der mir bestimmten Zeit nicht erweitern oder vertiefen; es sollen ja nur Anregungen sein.
Zu dem Gebiet des Verfassungsrechts wäre manches zu sagen. Die Anhänger einer Ersten Kammer weisen etwa darauf hin, eine Erste Kammer neige in der Regel zur Sparsamkeit. Diese Frage kann der zukünftigen Erörterung vorbehalten bleiben. Das viel beredete Problem des Sparkommissars oder auch des Bundessparkommissars ist nicht zu lösen,
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wenn man es nur vom Gesichtspunkt der Exekutive sieht. Ein Sparkommissar kann nur wirken, wenn Sie ihm eine verfassungsrechtlich fundierte Stellung geben. Alle Versuche anderer sogenannter Sparkommissare werden erfolglos bleiben.
Ich habe die Frage der öffentlichen Erwerbsbetriebe besprochen. Sie berührt einen anderen Grundsatz des öffentlichen Haushalts, den der Vollständigkeit. Kein öffentlicher Haushalt ist vollständig. Vor allen Dingen enthält kein öffentlicher Haushalt den bekannten versteckten Staatsbedarf, nämlich jene Aufwendungen, die der Staat der Wirtschaft überbürdet und überwälzt, beispielsweise auch beim Steuerverfahren des Lohnabzugs oder bei der Selbstberechnung von Steuern wie der Umsatzsteuer. Diese Aufwendungen der Wirtschaft sind nicht unbeträchtlich. Man muß sie zumindest in der Öffentlichkeit einmal hervorheben. Es ist notwendig, an sie zu denken, wenn man von der Vollständigkeit des Haushalts spricht.
Wir begrüßen es sehr, daß in diesem Umfang und mit so viel Arbeit und Kennerschaft eine Vermögensrechnung des Bundes aufgestellt worden ist. Allerdings müssen wir eines sagen. Ein hoher Beamter des Finanzministeriums hat gemeint, bei der Lektüre dieser Rechnung müßten alle Illusionen über einen sogenannten reichen Bund verflattern. Meine Damen und Herren, ich habe niemals den Bund für sich allein als reich bezeichnet. Das frühere Reich war es ja auch nicht. Das ist einfach historisch begründet. Aber auch hier müssen wir zu einem Prinzip der Einheit zurückkehren, auch wenn sie formal oder äußerlich dem Art. 109 des Grundgesetzes zu widersprechen scheint. Wir können in dieser Beziehung Bund und Länder nur als Einheit betrachten. Manche Länder, die heute gewissermaßen ihre Armut präsentieren, um im Finanzausgleich irgendwie besser wegzukommen, sind - vermögensmäßig betrachtet -reich. Das hängt einfach damit zusammen, daß diese Länder im 19. Jahrhundert bei der Säkularisierung des Kirchengutes ein reiches Erbe übernommen haben. Gerade diese Länder haben interessanterweise in ihrem Verfassungsrecht die Forderung nach Vorlage einer Vermögensrechnung nicht. Wir würden es begrüßen, wenn der Herr Bundesfinanzminister auf die Aufstellung von Vermögensrechnungen gerade dieser Länder mit möglichster Energie hinwirken würde. Unsere öffentliche Finanzwirtschaft würde dann an Klarheit wesentlich gewinnen. Dann haben Sie auch das, wovon in letzter Zeit wiederholt gesprochen worden ist. Dann sehen Sie nämlich auf einmal einen Substanzrückhalt für die sozialen Reformen oder für die große soziale Reform vor sich, die Reform, mit der wir auf jeden Fall fertig werden müssen.
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Ich darf jetzt insbesondere auch unseren Freunden in der Koalition sagen: mit dieser Reform müssen wir deshalb fertig werden, weil es sonst möglicherweise wieder so gehen wird, wie es im 19. Jahrhundert gegangen ist, und weil sonst die Kräfte, die sich jetzt unseres sozialen Aufstiegs angenommen haben, die Führung auf diesem Gebiet verlieren. Das ist eine sehr ernste Überlegung. Sie führt dazu, soziale Fragen als vordringlich zu behandeln.
Ich werde mir erlauben, einiges zu dem zu sagen, was dazu gehört. Wenn man in dem Erwerbsvermögen der Länder und des Bundes einen Substanzrückhalt für unsere Sozialpolitik erblickt, tritt ohne weiteres der vielfach auch in der Wirtschaft vertretene Grundsatz der Privatisierung oder meinetwegen auch der Reprivatisierung öffentlicher Betriebe auf. Ich habe es nicht gern mit Schlagworten zu tun. Aber dieses Problem bedarf einer sehr ernsten Prüfung. Es muß vor allen Dingen einmal klargestellt werden, wo die öffentliche Hand mit ihrer Tätigkeit wirklich am Platze ist. Ich freue mich, mich in dieser Beziehung auf grundsätzliche Ausführungen des Herrn früheren Ersten Bürgermeisters von Hamburg, B r a u e r, beziehen zu können. Er hat nämlich im Jahre 1951 erklärt, daß die öffentliche Hand hinsichtlich der Führung von Erwerbsbetrieben überall da am Platze sei, wo es in echtem Sinne öffentliche Aufgaben zu erfüllen gelte. Als solche öffentliche Aufgaben hat er die einer Muster-, einer Erziehungswirtschaft, einer Ergänzungswirtschaft angesehen. Er denkt bei der Frage der Ergänzungswirtschaft z. B. an die Krankenhäuser in öffentlichem Besitz, an die Notwirtschaft, die insbesondere nach dem Zusammenbruch erforderlich gewesen ist. Er sagt weiter, die öffentliche Hand müsse auch überall da eingreifen, wo es der privaten Wirtschaft an Elan. an Initiative mangele. Das letzte glaube ich allerdings nicht. Ich will nicht bestreiten, daß es ausgezeichnete Beamte gibt, die sehr viel Initiative entwickeln können. Aber gemeinhin ist das keine Qualität des Beamten. Zu dieser letzten Forderung des Herrn früheren Ersten Bürgermeisters von Hamburg kann ich mich persönlich nicht bekennen.
Nun einige weitere grundsätzliche Bemerkungen.
Herr Abgeordneter, darf ich darauf aufmerksam machen, daß die normale Redezeit eine Stunde beträgt. Sie haben 55 Minuten verbraucht.
Danke schön! - Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß hinter dem trockenen Zahlenwerk eines Haushalts doch verschiedenes andere zu suchen ist, daß vor allen Dingen in Verbindung mit diesem Zahlenwerk Verschiedenes wesentlich ist, was dem Leser nicht ohne weiteres zum Bewußtsein kommt. Der Herr Bundesfinanzminister hat erklärt, dieser Haushalt sei die Voraussetzung und das Fundament für eine Sozialreform, für eine Finanzreform, für eine Steuerreform. Wir können also feststellen, auch in diesem Haushalt ist es so wie in vielen Bilanzen, die dem Finanzamt vorgelegt werden: das Wichtigste steht nicht drin.
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Ich möchte doch einiges andeuten, insbesondere zu der uns sehr am Herzen liegenden sozialen Frage. Wir freuen uns, daß im Bundesvertriebenenministerium nun eine gewisse Zusammenfassung von Aufgaben für alle Geschädigten erfolgt ist. Wir glauben, daß das ein Fortschritt auf dem Wege zu einer echten sozialen Reform ist. Wir freuen uns über die Feststellung des Bundesfinanzministers, daß dem sozialen Wohnungsbau auf jeden Fall Genüge getan werden soll, auch wenn er aus dem ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt hineingerutscht ist. Wir halten die Fragen des sozialen Wohnungsbaus und der Familie, die damit in engem Zusammenhang stehen, für Kernfragen unseres politischen Zusammenlebens.
Wir meinen allerdings auch, daß bei dem Bekenntnis zu diesen sozialen Fragen sehr sorgfältig
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verfahren werden muß und daß man sich darüber klarwerden muß, welche Reaktion diese oder jene Äußerung, diese oder jene Begründung haben muß. Da ist z. B. das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 131. Urteile können - das wissen wir alle aus dem praktischen Leben - verschieden ausfallen, und man kann ihr Ergebnis nicht voraussagen. Ob es aber notwendig war, in der Begründung eine Diskontinuität in unserm Staatswesen so deutlich aufzuzeigen, das halten wir für sehr zweifelhaft. Meine Damen und Herren, das deutsche Berufsbeamtentum hat doch in weiten Teilen heute schon wieder einen ausgezeichneten Ruf. Glauben Sie wirklich, das sei in drei Jahren aufzubauen gewesen? Nein, dieses Berufsbeamtentum hat auch in zwölf Jahren trotz allem nicht zerstört werden können, sondern es hat in sich ein Erbe und eine Verpflichtung gespürt, die es mit der deutschen Geschichte von Jahrhunderten verknüpfen. Deshalb kann man dem deutschen Beamten nicht sagen, daß sein Beamtenverhältnis oder vielleicht sogar seine Gesinnung sich entscheidend gewandelt habe. Er hat immer dem Staat gedient, und er wird es hoffentlich mit der gleichen Unbestechlichkeit, deren sich das deutsche Berufsbeamtentum in früheren Jahrzehnten erfreut hat, auch künftig tun.
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Gerade deshalb halten wir eine derartige Begründung für äußerst gefährlich, geradezu für staatsgefährlich.
({3}) - Jawohl, dieser Ansicht sind wir.
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Weiter meinen wir, daß in sozialer Hinsicht das Problem der älteren Angestellten auch finanzwirtschaftlich bedacht werden muß. Wir haben einen Gesetzentwurf vorbereitet, den wir dem Parlament vorlegen werden, und dann wird sich Gelegenheit ergeben, zu dieser entscheidenden Frage unseres sozialen Lebens Stellung zu nehmen.
Auch das Problem der Eingliederug unserer heimatvertriebenen Bauern muß in diesem sozialen Zusammenhang gesehen werden, wobei ich mit „sozial" nicht etwa „bedürftig" oder „sozial schwach" meine, sondern wobei ich daran denke, daß hier die gesellschaftlichen Fundamente unseres Lebens berührt werden. Die heimatvertriebenen Bauern bringen bäuerliche Substanz mit. Wem brauche ich noch zu sagen, wie schwer es selbst in der Heimat ist, bäuerliche Substanz zu erhalten?! Pflegen wir diese Substanz also!
({5}) Nun zu anderen wesentlichen Punkten.
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Zur Frage der Finanzreform habe ich bereits einiges gesagt; ich will es im Interesse der Zeit nicht wiederholen. Zur Frage der Steuerreform nur folgendes. Meine Damen und Herren, sehen Sie - um mit Martin Luther oder mit dem Herrn Bundesminister Franz-Josef Strauß zu sprechen ({7}) dem Volke aufs Maul
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und fragen Sie das Volk einmal, was es will! Es will die einfache Steuer, es will die gleiche Steuer und es will die billige Steuer. Die einfache Steuer! Es will nämlich nicht haben, daß der Betriebsprüfer oder der Veranlagungsbeamte in diesem oder jenem Bezirk von vornherein einen anderen Standpunkt einnimmt oder daß dieses oder jenes Land die Wirtschaft anders behandelt, sondern es will eine gleichmäßige Behandlung des Steuerzahlers. Es wünscht ferner ein einfaches Steuersystem, in dem sich dieser Steuerzahler auch selber zurechtfinden kann, und es verlangt deshalb nicht nur eine Wiederholung der kleinen Steuerreformen oder überhaupt der Steuerreformen der letzten Jahre - ich will nicht um Worte streiten -, sondern der Steuerzahler wünscht eine umfassende Reform, und darauf werden wir auch in diesem Bundestag Rücksicht zu nehmen haben.
Ich komme - notwendigermaßen - zum Schluß. Mit meinen Ausführungen glaube ich gezeigt zu haben, daß wir uns zu der Finanzpolitik bekennen, die uns auch in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers vorgetragen worden ist. Wir hoffen und wünschen aber, daß die klassischen Grundsätze, von denen er selber bei der Aufstellung seines Etats ausgegangen ist, erfüllt werden und dann in dem sozialen und in dem wirtschaftlichen Geist gehandhabt werden, von dem ich gesprochen habe. Das bedeutet nicht etwa Unterordnung der Finanzpolitik unter die Wirtschaftspolitik, sondern es bedeutet eben, ein richtiges Verhältnis zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik auf der einen Seite und Finanzpolitik des Staates auf der andern Seite herzustellen. Damit erreichen wir, daß die von uns und von dem ganzen Parlament zu erarbeitende Finanzpolitik des Bundes nicht nur der Steigerung des Sozialprodukts und damit der Erhöhung des sozialen Lebensstandards dient, sondern überhaupt den sozialen Grundsätzen, die ich Ihnen in aller Kürze anzudeuten versucht habe.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um uns die Wohltat der nichtkontingentierten Redezeit zu erhalten, möchte ich - das soll aber kein Vorwurf gegenüber den ausgezeichneten Ausführungen meines Herrn Vorredners sein ({0})
versuchen, meine Darlegungen so kurz wie möglich zu halten. Denn mit der kontingentierten Redezeit ist es wie mit den kontingentierten Zigaretten: auf einmal hat alles gequalmt, und nachher waren viel zu wenig da. Genau so war es hier: waren 40 Minuten zugestanden, dann werden diese 40 Minuten unter allen Umständen ausgenutzt, und das ist nicht gut.
Ich begrüße sehr, daß die Haushaltsdebatte durch die Darlegungen des Herrn Kollegen Schoettle und vor allen Dingen auch unseres Herrn Kollegen Dehler wieder auf ihren alten Rang zurückgeführt worden ist, nämlich als die Möglichkeit, eine Stunde der Besinnung zu haben, in der einmal der Blick auf das Ganze geworfen wird. Dieser neue Stil, der hier im Hause auch bei anderen Anlässen festzustellen ist, daß wieder echte Parlamentsreden gehalten werden, ist sehr zu begrüßen. Die überaus ernüchternde Diktatur der Nur-Fachleute, die
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in den modernen Parlamenten mehr und mehr Fuß gefaßt haben, ist nämlich ein Teil der sogenannten Revolution der Manager. Darin liegt die Gefahr der Cliquenwirtschaft. Ich möchte sagen, daß es bereits weite Bereiche im staatlichen Leben gibt, z. B. in der Sozialpolitik, die nur noch von dem höchst spezialisierten Fachmann beherrscht werden können, auch hier im Parlament. Wenn man auf den einzelnen Gebieten der Staatstätigkeit so weit gekommen ist, dann ist das ein Zeichen, daß es höchste Zeit wird. diese Gebiete von Grund auf zu reformieren.
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Diese Überspezialisierung ist ein Anzeichen dafür, daß ein Staat in die Dekadenz hineingerät. Die unangenehmste Form einer solchen Dekadenz ist die Herrschaft des anonymen Büros.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Aufgabe ist es hier, namens meiner Fraktion die politischen Gesichtspunkte darzulegen, die uns bewegen, nachdem wir die Rede des Herrn Bundesfinanzministers gehört haben.. Herr Kollege Schoettle hat seine Darlegungen unter einen Satz des Dortmunder Programms gestellt. Ich möchte meine bescheidenen Ausführungen zu dieser Sache unter das Stichwort der Forderung nach Stabilität unseres Staates stellen: Stabilität auf dem Gebiete der Regierungsgrundlagen, Stabilität unserer Währung, aber auch Stabilität - und Respekt vor -der Eigentumsordnung. Unter diesen drei Gesichtspunkten der Stabilität möchte ich die Ausführungen des Herrn Bundesministers der Finanzen prüfen.
Wenn man die Reden des sozialdemokratischen Sprechers überdenkt, dann muß man eine merkwürdige Feststellung treffen: ei genartig ist das Verhältnis der Sozialdemokratie zum Staat. Man kann sagen, es ist ungefähr wie in einer Ehe, in der ständiger Krach das Verhältnis der beiden Ehepartner gefährdet; aber sie ziehen doch immer wieder einander an. Einerseits liebt die Sozialdemokratie den Staat, ja sie liebt ihn zu sehr, und alles, was sie sich ausdenkt, bleibt im Rahmen staatlicher Maßnahmen, d. h. einer unendlich anschwellenden Bürokratie. Auf der anderen Seite aber sind ihre alten liberalen Wurzeln, aus denen ja die Sozialdemokratie im vorigen Jahrhundert entstanden ist, auch noch nicht ganz vergessen, nämlich jene liberale Urfeindschaft gegenüber dem Staat, jenes Ablehnen des Staates. Bei allein, was mit der Wirtschaftsbürokratie zusammenhängt, blüht das Herz der Sozialdemokratie gewissermaßen auf. Wenn es aber auf Fragen der Rüstung ankommt und auf die unangenehmen Aufgaben, die der Staat ja auch bewältigen muß, dann ist man plötzlich sehr gegen den Staat. Hat man eine stabile Regierung - und das beste, was das Grundgesetz geschaffen hat, ist die Stabilität unserer Bundesregierung -, dann wird man danach rufen, das Parlament zu stärken, obwohl - das ist meine Auffassung -, je stärker die Regierung in ihrer Funktion ist, um so stärker der Appell an die andere Seite des Staates, nämlich an das Parlament gegeben ist. Laßt doch die Regierung regieren! Um so besser, stärker und entschiedener werden wir aus dem Parlament unsere Kritik üben, Maßnahmen treffen und unsere Rechte geltend machen.
Ich sage nicht, daß durch die Stabilität unserer Regierungsform, die uns vor großen Krisen bewahrt hat, etwa das Budgetrecht dieses Hauses eingeschränkt sei. Im Gegenteil, ich glaube, wer die
I Dokumente durchsieht, die zur Beratung der verschiedenen Haushalte, die wir hinter uns gebracht haben, geschaffen worden sind, der wird feststellen, daß hier sehr eingehend an dem Haushalt gearbeitet worden ist und daß das Parlament seine Rechte sehr nachdrücklich geltend gemacht hat.
Auf alle Fälle möchte aber auch ich der von liberaler Seite geäußerten Meinung beipflichten im Hinblick auf das, was wir auf der anderen Seite des Parlaments, im Bundesrat erleben. Der Bundesrat, dessen Aufgabe an sich die Repräsentation der Länderexekutive ist, denn mehr ist er nicht, dessen Aufgabe es ist, gewissermaßen die Gesichtspunkte der Länderverwaltung bei der Gesetzgebung geltend zu machen, hat mehr und mehr die Rolle einer ersten Kammer übernommen.
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Ich weiß nicht, ob das im Sinne unseres verfassungsmäßigen Aufbaues liegt. Sie wissen, daß ich ein entschiedener Vertreter des Föderalismus bin, und ich bleibe bei diesem Gedanken. Meine Partei ist eine konservative Partei, die nicht immer, je nach Wind und Wetter, je nach der Moderichtung, sozusagen der Laune der öffentlichen Meinung ihre Auffassungen zu wechseln geneigt ist. Wir sind Föderalisten unserer ganzen inneren Auffassung nach. Aber bitte, meine Damen und Herren, das, was wir hier im Grunde als Bürokraten-Föderalismus vorexerziert bekommen, das hat wirklich mit echtem Föderalismus überhaupt nichts zu tun.
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Ein Wort über die Einstellung zur Staatsordnung. Es waren sehr nachdenkenswerte, schöne Worte, die Kollege Dehler zu diesem Thema gestern gesprochen hat. Er hat gesagt, daß die Gesellschaft erkrankt sei, seitdem ein Erschlaffen der liberalen Kraft festzustellen sei. Der Begriff des Liberalen ist vieldeutig. Liberal, kann man sagen, ist eben jene vorurteilsfreie und unfanatische Geisteshaltung, die der Mentalität des deutschen Volkes geschichtlich gesehen entspricht. Unter liberal kann aber auch verstanden werden - und da setzen nun die Unterschiede zwischen den Liberalen und den Konservativen ein - eine gewisse Bindungslosigkeit und Gegnerschaft zum Staat. Ich sage ganz offen: Wir betonen den Gedanken der Autorität und der Bindungen im Staat und in der Gesellschaft, also die Autorität der Regierung und die Bindungen, die die Rechtsordnung in sich birgt. Wir sind nicht der Auffassung - wie es Herr Kollege Carlo Schmid einmal gesagt hat -, daß sich Liberales und Konservatives in dem neutralen Schnittpunkt des Sozialismus treffen könnte. Wir legen Wert darauf, daß diese Dinge klar voneinander geschieden sind, deutliche Konturen behalten, wobei selbstverständlich als humanistische Grundlage unserer Demokratie der gegenseitige Respekt, das Sich-gelten-Lassen, die innere, vornehme Toleranz die Grundlage des Wettbewerbs und der Auseinandersetzung bleiben muß.
Wenn wir die Autorität des Staates und die Bindungen, auch die christlichen Bindungen, in der gesellschaftlichen Ordnung betonen, so bedeutet das nicht, daß etwa das Argument des Knüppels oder der Brutalität in der Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Strömungen angewendet werden dürfte. Ganz im Gegenteil, nur Toleranz und Maßhalten im Leben des Staates und in der Gesellschaft werden uns dazu bringen, eine solche Stabilität zu erzeugen, die wir, zwischen West und
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Ost, im Zentrum Europas gelegen, zur Erhaltung des Friedens und zur Abwehr des Bolschewismus nötig haben. Lassen Sie mich ruhig das Wort sagen: zur Abwehr des Bolschewismus. Es hat sich so ein bißchen breitgemacht, daß man leisetritt, weil augenblicklich in Berlin verhandelt wird, daß man unter keinen Umständen die eine oder die andere Seite verletzen möchte. Das will ich auch nicht. Aber wir wollen dabei doch klarmachen, daß deutsche Stabilität, deutsche Freiheit und ein deutscher Frieden immer nur dann sein kann, wenn wir von den Gefahren des Bolschewismus befreit werden. Das muß klar gesagt sein und bleibt klar.
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Ich glaube, wir müssen dem Herrn Bundesfinanzminister durchaus zugeben, daß sein Haushalt auf diesem Gebiet der Stabilität der Staatsordnung ohne Tadel ist. Ohne Tadel sind auch seine Darlegungen und ist sein großer Erfolg, den er hinsichtlich der Festigkeit der Währung erzielt hat. Daran wollen wir nicht rütteln lassen. Ich kann mich da auf die ausgezeichneten Ausführungen meines Herrn Vorredners beziehen. Deficit spending ist eine Politik, die wir zutiefst ablehnen. Wir sind dem Finanzminister dankbar, daß er auf diesem Gebiet mit größtem Erfolg hart geblieben ist.
Ich muß aber sonst einmal ein Wort grundsätzlicher Kritik sagen. Der Herr Finanzminister möge sich dazu äußern. Wenn man sich die Ausführungen des sogenannten Troeger-Ausschusses ansieht, kann man nur staunen, was doch alles im Schutz und Frieden der Koalition gedeihen kann. Über den Forschungsbeirat und seine Auffassung zur Bodenreform möchte ich später auch noch etwas sagen.
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- Ich sage nicht, daß der Ausschuß ein Teil der Koalition ist, sondern was alles so unter Schutz und Schirm eines koalitionsgewährleisteten Zustandes gedeihen kann.
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- Bitte, hören Sie den Satz! Ich weiß, daß das hier aus ganz anderen Wurzeln kommt. Aber man hat mir gesagt - das mag auch bloß ein schlechtes Gerücht sein -, daß die Philosophie, die aus die-sera Gutachten des Troeger-Ausschusses spricht, auch sehr starken Einfluß auf die Herren Beamten des Finanzministeriums gehabt habe.
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- Nein, ich habe ausdrücklich nur davon gesprochen, was unter dem Schirm der Koalition an Gedanken gedeihen kann.
({10}) - Ich weiß, ich weiß!
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- Ja, so ungefähr, so war's gemeint.
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Hier steht also folgendes drin:
Sie
- die sozialpolitische Funktion der Einkommensteuer -wirkt in den modernen Demokratien nivellierend auf die Einkommensschichtung, wie sie
sich aus der Verteilung des Sozialprodukts
durch die wirtschaftliche Funktion der erwerbstätigen Eigentümer ergibt.
Und nun hören Sie:
Die demokratische Gesellschaftsordnung würde sich am Ende selbst aufgeben, wenn sie auf das Ziel einer solchen Nivellierung verzichten wollte.
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- Ja, das steht hier drin. Das ist sozusagen der Grundsatz der Philosophie, die hinter der Finanzverfassung, der Steuerordnung steht. Das lehnen wir - ich habe hier bloß diesen Satz herausgepickt - auf das entschiedenste ab.
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- Das ist sehr erfreulich.
Genau so wie unsere sozialpolitischen Grundlagen der Reform bedürftig sind, genau so wie unsere Agrarstruktur einer gründlichen Gesundung und Neuordnung unterzogen werden muß, genau so müssen Finanzverfassung und Steuersystem einer gründlichen Reform unterzogen werden. Wir haben nach den Darlegungen auch des Herrn Bundesfinanzministers so ein wenig die Sorge - ich sage das als konservativer Politiker -, daß man hier etwas allzu konservativ denkt und auch weiterhin noch zu denken beabsichtigt. Man hat Wasser in den Wein gegossen und man hat gesagt: Nein, also die große Steuerreform wird nicht so groß werden; große Worte wollen wir sowieso nicht gebrauchen, es handelt sich nur mal wieder um eine der Steuerreformen, und sie wird spät kommen und auch verhältnismäßig wenig hier und dort am Tarif etwas ändern; aber letzten Endes bleibt doch alles beim alten. Ich glaube, wenn so verfahren wird, dann bleiben auch alle anderen Reformen stecken, die nötig sind und die durchzuführen wir uns vorgenommen haben. Gewiß, das Steuer- und Finanzsystem ist immer etwas, was als Letztes drankommt und auch nur drankommen kann, wenn die anderen Formen bereits gewachsen sind. Aber es muß drankommen, und zwar möglichst schnell. Denn ich glaube, die Wirtschaft erträgt dieses letzthin ja doch konfiskatorische Steuersystem nicht mehr länger.
Hier liegt einer der Gründe, die unser Land für lange Zeit so unstabil gemacht haben. Ich glaube, es gibt kein Land in Europa, in dem die Gesellschaft so häufig der Depossedierung unterworfen worden ist.
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Nehmen Sie als Vergleich etwa Frankreich, in dem die letzte Welle der Depossedierung so zur Zeit der Urgroßmutter aller Revolutionen, nämlich der Französischen Revolution, stattgefunden hat. Seitdem hat es dort in der Gesellschaft eine Depossedierung nicht mehr gegeben. Über uns sind mehrere Wellen der Depossedierung dahingegangen, und zwar bis in die heutige Zeit, und zum Schluß die brutalste Operation, in der viele Millionen nicht nur um ihr Eigentum, sondern um ihre Heimat gebracht worden sind.
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- Nein, das ist nicht dasselbe Maß an Depossedierung, Herr Kollege, wie wir es in Deutschland erlebt haben. Gewiß, Sie haben recht, daß die
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Abwertung des Franc bis auf einen Pfennig auch eine Depossedierung darstellt. Aber Sie wissen doch auch, daß die Vermögenswerte in diesem Lande woanders angelegt sind, und man hat sie von jeder Manipulation und von jeder inflatorischen Politik freihalten und davor schützen können. Das Ausmaß der Verarmung, wie es bei uns infolge der inflatorischen Politik eingetreten ist, ist in Frankreich und auch in Belgien lange nicht so groß.
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- Sie haben mich wahrscheinlich völlig mißverstanden, Herr Kollege. Ich habe davon gesprochen, daß man sich in Frankreich gegen die inflatorischen Auswirkungen hat schützen können und daß in der dortigen Gesellschaft lange nicht das Maß an Depossedierung wie bei uns eingetreten ist.
Diese Depossedierung und damit Zerstörung einer Gesellschaftsordnung stellt in unserem Lande eine Gefahr dar. Wir müssen die Schaffung neuen Eigentums als konstruktiv-konservative Politik bejahen, und unser Steuer- und Finanzsystem muß so reformiert werden, daß es die Schaffung neuen Eigentums begünstigt. Eine in der Eigentumsordnung gesundete Gesellschaft muß aufgebaut werden, damit wir wieder zu stabilen Verhältnissen kommen. Es ist also das Gegenteil dessen zu tun, was der Troeger-Ausschuß gesagt hat.
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Das ist der Grundgedanke, von dem wir ausgehen, um jenes Maß an Stabilität zu erreichen. Ich weiß - um hier ein Wort von Herrn Foster Dulles zu gebrauchen -, auch der Herr Finanzminister kann keine Hasen aus dem Hut herauszaubern. Das kann er nicht. Er kann überhaupt aus der gegenwärtigen Situation heraus nichts allzu Bewegendes machen. Aber man sollte doch
- und das hat in seiner Rede gefehlt - irgendwo den Ansatzpunkt finden, die Grundidee, die Bejahung dieser Idee, daß die Schaffung neuen Eigentums die Grundlage für die gesamte Reform unserer Finanzverfassung und unserer Steuersysteme werden muß. Das ist die entscheidende Forderung, die ich hier herausstellen möchte. Sie ist vielleicht etwas schlagwortartig; aber ich hatte, wie gesagt, versprochen, mich etwas kürzer zu fassen. Ich stelle also diese Forderung in den Mittelpunkt meiner Ausführungen.
Wenn man den heutigen Haushalt betrachtet, dann ergibt sich, daß aus den vielen großen Worten, die wir alle im Wahlkampf gebraucht haben - daß der Landwirtschaft und dem Mittelstand dies und jenes gewährt werden müsse -, in der kalten Luft der Amtsstuben etwas wenig geworden ist. Wie gesagt, als Konservativer sehe ich unser gegenwärtiges System und die sich im Haushalt abzeichnenden Vorschläge als zu konservativ an. Hier schleppt ein Finanzsystem noch Dinge mit sich, die aus einer ganz anderen Staatsauffassung, aus einer ganz anderen Epoche hervorgegangen sind. Ich weiß, wie schwer es sein wird, im einzelnen hier entscheidend ändernde Maßnahmen zu treffen.
Immerhin, was das niedersächsische Landvolk als Forderung der Landwirtschaft zur Steuerreform angemeldet hat, sind praktische Möglichkeiten und Formen, und diesen Vorschlägen sollte man durchaus folgen. Nun sagen Sie nicht gleich wieder, daß ich hier der „Grünen Front" das Wort rede. Es ist nun einmal in der deutschen Politik seit vielen, vielen Jahren notwendig, daß man eine „Grüne Front" braucht. Früher einmal hat man gesagt, der Bergbau sei das Kamel Gottes und trage der Welt Sünde und Last. Heute kann man wohl sagen, daß die Landwirtschaft fast in die Rolle des Kamels Gottes gekommen ist, um des Staates und der Gesellschaft Sünde und Last zu tragen.
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Denn daran kann kein Zweifel bestehen, daß die Landwirtschaft bei allen schönen wirtschaftspolitischen Erfolgen, die wir erzielt haben, doch nicht ganz so mitgekommen ist, und besonders das soziale Niveau der mittleren und kleinen Betriebe ist im Absinken begriffen.
Die Steuerreform ist eine Notwendigkeit, um den Mittelstand vor dem sozialen Untergang zu bewahren. Machen wir uns doch nichts vor! Die Bedingungen der Zeit - die lege ich auch der Sozialdemokratie nicht zur Last; auch sie muß sich mit gewissen objektiven Gegebenheiten abfinden - ({21})
- Geschichtsklitterung? Aber Herr Kollege Schoettle, das wollen wir doch nicht machen, da haben Sie - -({22})
- Geschichtsklitterung! Sie haben nicht Geschichte geklittert, und ich will sie auch nicht klittern. ({23})
Aber es wird mir stets eine besondere Ehre und ein Vergnügen sein, mich mit Ihnen darüber auseinanderzusetzen.
Sie haben zwar als Vorsitzender des Haushaltsausschusses eine Rede gehalten. Vieles in dieser Ihrer Rede war objektiv die Aussage des Vorsitzenden des Ausschusses. Aber Sie haben nicht verleugnet, daß Sie, ich möchte fast sagen, im klassischen Sinne ein kämpferischer Sozialist sind.
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Man muß nicht unbedingt die Dinge immer so sehr hart sagen. Aber das, was in Ihrer Rede gestanden hat, war genau das, was wir von ,der anderen Seite aus bekämpfen,
({25}) auch wenn Sie es milder ausdrücken.
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- Bitte, das ist doch der Sinn, dafür sitzen wir ja hier in diesem Hause.
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- Natürlich, das wollte ich damit nur zum Ausdruck bringen.
Aber die objektiven Bedingungen unserer Zeit sind dem Dasein der Mittelschichten an sich nicht günstig. In der ganzen Welt können wir sehen, daß der Mittelstand auf das schwerste sozial bedroht ist, einmal durch die Konzentration innerhalb der Unternehmen, zum andern durch die Konzentration der Macht in den verschiedenen Organisationen. Der Mittelstand selber ist hier in Gefahr. Aber ge({28})
rade wenn wir ein Land der Stabilität und der Mitte sein wollen, in der Mitte Europas der Punkt der Zuverlässigkeit, um den sich dann eine gesunde Ordnung aufbaut, eine Ordnung des Friedens und der Freiheit, dann muß unsere Staatspolitik die Erhaltung der mittleren Schichten unbedingt anstreben.
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Das haben wir alle gesagt. Aber, wie gesagt, das ist nicht ein Vorwurf, den ich ,allein dem Herrn Bundesfinanzminister mache. Dadurch, daß er die Währung ,erhalten hat, hat er ja eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Mittelstandspolitik bereits geschaffen. Aber auch in der Steuerpolitik muß die Erhaltung und Neuschöpfung mittelständlerischen Vermögens möglich gemacht werden.
Zur Sozialpolitik ein Wort der Kritik an Herrn Schoettle. Die Sozialdemokratie hat oft gesagt - und das ist auch hier gesagt worden -, daß sie den sozialen Lebensstandard gegenüber den Anforderungen der Rüstung verteidigen wolle und verteidigen müsse. Meine Damen und Herren, das ist meiner Ansicht nach eine vollkommen verquere Betrachtung; denn der soziale Lebensstandard hängt doch davon ab, welches Maß an Sicherheit und Frieden in der Welt gegeben ist.
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Nur durch eine erfolgreiche Außenpolitik kann das Ziel unserer Arbeit erreicht werden: eine Entspannung in Europa herbeizuführen, Frieden zu schaffen und damit ein geringeres Maß an Ausgaben für Rüstung und ein höheres Maß an sozialem Lebensstandard und auch an persönlichem Lebensglück. Das ist doch der ganze Sinn unserer Arbeit. Man kann also niemals den Heeresetat und den Sozialetat gewissermaßen als zwei feindliche Brüder gegenüberstellen. Das Maß, das die objektiven Daseinsbedingungen dem Heeresetat abzwingen, das Plus oder Minus an Sicherheit und Frieden, bestimmt eben die Höhe des Lebensstandards, d. h. des sozialen Standards eines Volkes. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig. Gerade wenn wir den Gedanken der Stabilität in die Mitte aller unserer Überlegungen stellen, müssen wir bejahen, daß ein solches Volk der Mitte sich den höchstmöglichen sozialen Lebensstandard aufbauen muß.
Hinsichtlich der Verkehrspolitik ist folgendes zu sagen. Es ist das Traurige, daß wir in dieser zweiten Legislaturperiode - eigentlich war es bereits in der ersten so - allen Reformnotwendigkeiten auf einmal gegenüberstehen, fast alle Fragen müssen gleichzeitig gelöst werden. Auch im Verkehr ist die Situation so bedrohlich geworden, daß eine grundlegende Reform stattfinden muß, und zwar aufgebaut auf dem Grundsatz der organischen Aufteilung des Verkehrs unter die verschiedenen Verkehrsträger. Darüber wird in einer besonderen Debatte noch gespochen werden müssen. Wir fordern aber auch hier, daß ganze Arbeit geleistet wird, daß eine Lösung für mindestens zehn Jahre gefunden wird. Leider. wie gesagt, häufen sich alle diese Fragen und sollen oder müssen in einer Legislaturperiode erledigt werden. Aber diese Ungunst der Häufung von Reformerfordernissen entbindet uns nicht von der Pflicht, nun auch wirklich zuzugreifen und uns nicht in der Anwendung kleiner Mittel zu verzetteln.
Wenn man aber im Grundsätzlichen reformieren will - und das gilt auch für unser Steuer- und Finanzsystem -, dann muß man für seine Konzeption auch einen wirklich klaren, kompromißlosen Ausgangspunkt haben. Es ist unser dringender Wunsch an den Bundesfinanzminister, dafür Sorge zu tragen, daß das, was hier an Finanzphilosophie, an Steuerphilosophie aufgezeigt worden ist, nicht zur Grundlage der Überlegungen für die Zukunft gemacht wird. Auch wir von der konservativen Seite her fordern Reformen, aber Reformen zur Neubegründung der Gesellschaft, zur Neubegründung einer gesunden Eigentumsordnung, auf die es uns wesentlich anzukommen scheint.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den hochpolitischen Ausführungen von der Warte des Fraktionsvorsitzenden aus darf ich Sie wieder zu unserem Haushaltsplan zurückführen. Wie sehr das Haushaltsbuch eines Volkes zu dessen Schicksalsbuch geworden ist - um einmal aus bayerischem Munde ein Wort eines preußischen Finanzministers zu zitieren -,
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beweist auch der uns vorliegende Haushaltsplan für das Jahr 1954.
Auf der Einnahmeseite sehen Sie eine Steuerlast, die, wie der Herr Bundesfinanzminister sich in seiner Etatrede ausgedrückt hat, die höchste von allen Kulturvölkern ist. Von der Ausgabeseite brauche ich nur zwei Posten zu nennen: 9 Milliarden Verteidigungskosten und über 10 Milliarden Sozialleistungen. Zu dem Schicksal des deutschen Volkes in der Nachkriegszeit scheint es demnach auch zu gehören, daß die Summe aller öffentlichen Einnahmen und Ausgaben, das Haushaltsvolumen, von Jahr zu Jahr steigt. Der Haushaltsplan 1954 schließt im ordentlichen und außerordentlichen Haushalt mit rund 700 Millionen weniger ab, aber der ordentliche Haushalt, auf den es uns bei dieser Betrachtung doch in der Hauptsache ankommt, weist gegenüber 1953 ein Mehr von rund 900 Millionen auf. Davon stehen 500 Millionen mit klaren Ziffern schon im Haushalt drin. Die weiteren 400 Millionen ergeben sich dadurch, daß diese Summe im Jahre 1953 für Wohnungsbauzwecke im ordentlichen Haushalt verankert war, während sie in diesem Jahr in den außerordentlichen Haushalt übertragen ist.
Diese Feststellung, daß sich auch in diesem Jahr das Haushaltsvolumen wieder vermehrt hat, ist weiß Gott keine Kritik an dem Bundesfinanzminister, der uns den Haushaltsplan vorgelegt hat. Die Gerechtigkeit verlangt es vielmehr, klar festzustellen, daß er häufig sehr, sehr einsam war, wenn er seine warnende Stimme gegen eine allzu ausgabefreudige Politik erhob, und daß er mit anerkennenswertem Mut oft allzu stürmische Forderungen von Interessenverbänden zurückwies.
An ihm, dem Bundesfinanzminister, liegt es nicht; das wissen wir. Es ist vielmehr der Zug der Zeit. Diese Tendenz unserer Zeit umschreibt man so schön mit dem Zwang des wachsenden Staatsbedarfs. Manche sprechen oder schreiben sogar von einem Gesetz des wachsenden Staatsbedarfs. Uns scheint aber: ein Gesetz ist es gerade nicht, weder ein Naturgesetz noch ein anderes. Richtig ist, daß das Anschwellen der öffentlichen Ausgaben und damit notwendigerweise auch der Einnahmen in der Ver({1})
gangenheit vielfach unvermeidbar war, um die besonderen Verhältnisse der ersten Nachkriegszeit etwas in Ordnung zu bringen und die schlimmsten Folgen des Krieges zu beseitigen.
Nun aber, meinen wir, sollte allmählich der Zeitpunkt kommen, wo dieser Zwang des wachsenden Staatsbedarfs sich etwas abmildert. Doch ist auch auf diesem Gebiet die Erkenntnis leichter als ihre Durchführung. Es genügt nämlich nicht, wenn löbliche Organisationen und Vereinigungen aller möglichen Art bei jeder sich bietenden Gelegenheit nach Sparsamkeit in der öffentlichen Verwaltung und nach Einschränkung der öffentlichen Ausgaben rufen, dann aber, wenn gerade ihr Sonderinteresse, das sie vertreten, in Frage steht, sehr laut und sehr rasch nach dem Staate rufen.
Es genügt auch nicht, wenn wir hier im Parlament die Erkenntnis gewonnen haben, daß das Haushaltsvolumen ein Höchstmaß erreicht hat, uns aber bei der Stellung von Anträgen, mit denen weitere Ausgaben verbunden sind, nicht die erforderliche weise Mäßigung auferlegen. Ich gebe Herrn Kollegen Schoettle durchaus recht: da müssen auch wir von den Regierungsparteien uns an die Brust klopfen!
Wenn wir in diesem Hohen Hause Gesetze beschließen oder beraten, sollten wir uns immer und jedesmal zuvor die erste Frage vorlegen: Ist dieses Gesetz denn auch wirklich unabdingbar notwendig und, wenn ja, ist es unabdingbar notwendig auf der Bundesebene? Diese Fragen wird man, scheint mir, in erster Linie prüfen müssen.
Es erscheint auch uns von der CSU - es ist gestern schon von den Sprechern der CDU zum Ausdruck gebracht worden - die Anwendung des von der christlichen Soziallehre immer schon vertretenen Subsidiaritätsprinzips einmal notwendig zu werden. Nach meiner Ansicht haben wir heute schon wieder auf vielen Gebieten eine viel zu starke Reglementierung und Einmischung des Staates. Eine Einschränkung ist notwendig; sie kann erfolgen, wenn wir wieder mehr und mehr das Verantwortungsbewußtsein und die Verantwortungspflich t des Staatsbürgers ansprechen, wenn wir uns auch erinnern, daß wir Organisationen haben - Standesorganisationen. Wir sind überzeugt, daß die derzeitige Überlastung des Steuerzahlers, über die wir uns in diesem Hohen Hause ziemlich einig sind, neben den Kriegsfolgen in erster Linie auf die ungebührliche Ausweitung der Staatsaufgaben zurückzuführen ist. Es liegt an uns, die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zu ziehen.
Aus dieser grundsätzlichen Einstellung heraus begrüßt es die CSU, daß der Bundesfinanzminister sich von der bisherigen Lehrbuchauffassung abwendet, nach der die öffentlichen Einnahmen grundsätzlich dem staatlichen Ausgabenbedarf anzupassen sind, und in Zukunft den Grundsatz zur Anwendung bringen will, daß die öffentlichen Ausgaben sich nach den Einnahmen zu richten haben.
Wir nehmen in diesem Zusammenhang auch gern zur Kenntnis, daß der vorliegende Haushalt, vom Auswärtigen Amt abgesehen, im wesentlichen keine Stellenvermehrungen und Stellenverbesserungen enthält. Fast scheint es uns aber, besonders in Blickrichtung auf einige Bundesministerien, daß dieser Zeitpunkt schon etwas zu spät gewählt ist.
Wenn ich vorher davon sprach, daß die Zahlen des Haushaltsplans das Schicksal unseres Volkes widerspiegeln, so liegt darin auch die Feststellung, daß der Bundeshaushalt die verfassungspolitische Entwicklung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern deutlicher aufzeigt, als irgendein Kommentar zum Grundgesetz dies tun könnte. Als Sprecher einer bayerischen Landespartei kann ich von einer Betrachtung des Haushaltsplans unter dem Gesichtspunkt des föderativen Aufbaus nicht Abstand nehmen.
Zwei Fakten sind es, die uns da vor allem ins Auge fallen. Das eine ist ,die Tatsache, daß auch im Haushalt 1954 wieder, wie schon in den. vergangenen Haushalten, in den verschiedensten Ressorts verstreut Ausgabetitel erscheinen für Aufgaben, die nach unserer Auffassung das Grundgesetz den Ländern zugewiesen hat. Der Bundesrat hat bei seinen alljährlichen Haushaltsberatungen diese Positionen beanstandet. Auch in diesem Jahr war es nicht anders. Praktische Folgerungen sind bisher aus den Beanstandungen nicht gezogen worden. Dies konnte wohl auch gar nicht der Fall sein; denn die Lösung dieses äußerst schwierigen Problems ist nicht eine juristische Frage der Auslegung des Grundgesetzes, sondern eine finanzielle Frage der Verteilung der Einnahmen und Ausgaben zwischen Bund und Ländern.
Die Gründe für die Ausweitung der Fondsbewirtschaftung liegen in der unausgeglichenen Wirtschaftsstruktur unseres Bundesgebiets, das auch heute noch finanzschwache und finanzstärkere Länder kennt. Die Gefahr einer solchen Entwicklung darf nicht verkannt werden. Das Mittel der Finanzierung von Aufgaben durch Zentralfonds war von jeher die beste Methode, im Laufe der Zeit auch die Zuständigkeit für diese Aufgaben nachzuziehen. Der Erfolg der Zuständigkeitsverlagerung tritt um so leichter und eher ein, wenn, wie es häufig der Fall ist, auf der Landesebene unmittelbar interessierte Kreise heimlich oder offen nachhelfen und auf der Bundesebene andererseits womöglich ein Ressortminister steht mit offenen Armen oder freundlichem Winken. Da aber alle diese Zuschüsse, auch wenn sie von der Zentralstelle gewährt werden, irgendwie gedeckt werden müssen, hat die Fondsbewirtschaftung zur Folge, daß neben der Zuständigkeit und dem tatsächlichen Einfluß des Bundes mittelbar auch sein Steuerbedarf immer mehr wächst und auf der ,anderen Seite die Staatshoheit der Länder immer mehr unterhöhlt und ihre finanzielle Eigensubstanz immer mehr verringert wird. Es kann nicht bezweifelt werden, daß eine Ausweitung der zentralen Fondsbewirtschaftung mittelbar auch die bundesstaatliche Kräfteverteilung beeinflußt und zum Schluß zu einer Verlagerung des Schwergewichts führt, die mit der geschriebenen Verfassung nicht mehr in Einklang steht. Wir sind uns darüber klar, daß auch in diesem Jahr an diesem Zustand nichts geändert werden kann. Denn mit einer bloßen Streichung all dieser Titel ist es nicht getan. Diese Titel enthalten Aufgaben - darüber sind wir uns alle einig -, die unabweisbar notwendig sind. Die Länder andererseits sind nach dem derzeitigen Finanzausgleich einfach nicht in der Lage, diese ihnen nach dem Grundgesetz an sich zukommenden Aufgaben zu erfüllen.
Mit der Streichung, sagte ich, ist es nicht getan.
Wir müssen trotzdem diesen Mißstand heute deutlieh ansprechen, weil aus ihm unsere Forderung
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an die Bundesregierung resultiert, schon den Entwurf zum Finanzausgleichs-Gesetz nach Art. 107 so zu gestalten, daß auch die finanzschwachen Länder in der Lage sind, die ihnen vom Grundgesetz überwiesenen Aufgaben in eigener Zuständigkeit durchzuführen, ohne jeweils einer Hilfestellung des Bundes zu bedürfen. Dabei - ich bitte das zu beachten - gestehen wir dem Bund bei gewissen überregionalen Aufgaben eine Ausgleichsfunktion durchaus zu. Indem der Bund bei solchen überregionalen Aufgaben finanziell mitwirkt, werden diese Aufgaben von der gesamten Volkswirtschaft erfüllt und aus den Steuermitteln der gesamten Volkswirtschaft getragen. Nur so wird es möglich sein, die großen Unterschiede, die nun einmal auf Grund der verschiedenen Finanzkraft der Länder bestehen, einigermaßen aus der Welt zu schaffen. Das ist nach unserer Auffassung überhaupt Voraussetzung für den Bestand eines föderativen Aufbaus.
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Gerade wenn wir es mit dem föderalistischen Gedanken ernst nehmen, müssen wir uns vor jenem engstirnigen Scheuklappen-Föderalismus hüten, der - teils gutgläubig, weil er die Dinge nicht überblickt, teils in absolut demagogischer Art und Weise - immer und überall nur seinen Kirchtum sieht
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und der damit nicht bloß zum Gespött aller Vernünftigen, sondern - was weit schlimmer ist zum Totengräber des Föderalismus überhaupt wird.
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Die zweite Tatsache, die uns vom föderalistischen Standpunkt aus bei einer Betrachtung des Bundeshaushalts 1954 mit ernster Sorge erfüllt und die mit dem eben Dargelegten in engem Zusammenhang steht, ist das ständige Anwachsen des vom Bund in Anspruch genommenen Anteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer der Länder. 1951 waren es 27 %, 1952 37 %, 1953 38 %, und dem gegenwärtigen Haushalt liegen 42 % zugrunde. Sie werden verstehen, daß uns das vom Standpunkt der Länder, vom föderalistischen Standpunkt aus mit ernster Sorge erfüllt. Dabei sind uns die Ursachen für den wachsenden Bedarf des Bundes durchaus bekannt. Der Bund hat eben nach der Aufgabenverteilung neben der Last der Verteidigung die Aufgaben zu lösen, die es mit der Beseitigung der Kriegsfolgen zu tun haben. Daß die Ausgaben für diese Aufgaben von einer außerordentlichen Dynamik sind, liegt auf der Hand. Auch im Jahre 1953 hat sich diese Dynamik wieder gezeigt. Es sei nur an das Heimkehrer-Entschädigungsgesetz, an das Israel-Abkommen oder an das Londoner Schuldenabkommen erinnert.
Um kein falsches Bild entstehen zu lassen, muß auch hervorgehoben werden, daß - rein quantitativ gesehen - den Ländern selbst bei Zugrundelegung eines 42%igen Anteils immer noch eine höhere Summe aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer verbleibt als bei der früheren 27%igen oder 37%igen Inanspruchnahme. Auch muß darauf hingewiesen werden, daß die Hälfte der aus der 4 %igen Erhöhung erwarteten Steuereinnahmen zweckgebunden ist und in irgendwelchen Formen gewissen Ländern wieder zugute kommt, so daß der von den Ländern zu erbringende Bundesanteil im Durchschnitt der Länder bei etwa 40 % und nicht bei 42 % liegt.
Vielleicht ist nun gerade dieser Vorschlag des Bundesfinanzministers, bei der 4 %igen Erhöhung an Länder mit besonderen Aufgaben wieder gewisse Rücküberweisungen zu machen, von der Perspektive der Länder aus gesehen als eine besondere List des listenreichen Bundesfinanzministers angesehen worden, indem man in dieser Rücküberweisung das trojanische Pferd sieht, wodurch der Bundesfinanzminister in die geschlossene Abwehrfront der Länderfinanzminister einzudringen versucht. Ohne eine authentische Interpretation für den von dem Bundesfinanzminister eingeschlagenen Modus zu haben, möchte ich annehmen, daß er mit dieser Maßnahme ad oculus demonstrieren wollte, wie sehr die Erfüllung gewisser Bundesaufgaben, an denen der Bundesfinanzminister nicht vorbeigehen konnte, letzten Endes finanziell wieder den Ländern zugute kommt. Mit der vorgeschlagenen Lösung, die ich durchaus begrüße, hat der Bundesfinanzminister ein Stück horizontalen Finanzausgleichs, also die Berücksichtigung der Finanzkraft der einzelnen Länder, in das System des Bundesanteils einzubauen versucht. Gerade vom Standpunkt der finanzschwachen Länder müssen wir dem Bundesfinanzminister für diese Absicht grundsätzlich dankbar sein.
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Der Bundesrat hat, wie Sie wissen, im sogenannten ersten Durchgang die Erhöhung des Bundesanteils abgelehnt. Seine Begründung hierfür ist wenig befriedigend. Herr Kollege Schoettle hat gestern die Bemerkung gemacht, der Bundesrat habe es sich leicht gemacht. Ich möchte das etwas abmildern und sagen, die Arbeit des Bundesrates zu dieser Vorlage fällt weit von der sonst gerade beim Bundesrat gewohnten Qualitätsarbeit ab.
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Der Bundesrat hat nämlich praktisch nur eine ad hoc-Berechnung angestellt, die davon ausgeht, daß die Länder infolge des wachsenden Staatsbedarfs nicht in der Lage sind, mehr zu geben. Um die Rechnung aufgehen zu lassen, hat man beispielsweise verlangt, daß 250 Millionen DM, die im Haushalt als Darlehen an die Bundesbahn enthalten sind, als echt es Darlehen in den außerordentlichen Haushalt überwiesen werden, obwohl, wie Sie alle wissen, es sich hier nicht um ein echtes Darlehen, sondern nur um einen Buchungsvorgang bezüglich der nicht einbringbaren Beförderungs-Steuer handelt, auf den der Bundesfinanzminister aus kameralistischen Gründen nicht verzichten kann. Ich glaube, daß zumindest insoweit die Stellungnahme des Bundesrates an der Wirklichkeit vorbeigeht. Ich bin überzeugt, daß kein Land, wäre es in der gleichen Situation wie der Bundesfinanzminister, bei seinem eigenen Haushalt die vom Bundesrat empfohlene Maßnahme akzeptieren würde.
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Der Stellungnahme des Bundesrates hat der Bundesfinanzminister in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer eine Berechnung der Mehrausgaben und Mindereinnahmen der Länder im Rechnungsjahr 1954 gegenüber 1953 entgegengestellt, in der er zahlenmäßig belegt, daß die Haushaltslage der Länder, im Durchschnitt gesehen, für 1954 sich
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nicht unerheblich verbessert. Der Bundesrat hat diesen zahlenmäßigen Angaben, was mir nicht unwichtig erscheint, bisher jedenfalls nicht widersprochen. Meine Damen und Herren, es ist schwer, in diesem Dschungel der Zahlen zu entscheiden, wo das größere Recht ist. Aber die Landesgruppe der CSU hat die Überzeugung, daß der Föderalist Schäffer an die Erhöhung des Bundesanteils, die er sicher nur schweren Herzens vorgeschlagen hat, nicht ohne zwingende Not und auch nicht ohne den Gedanken an die finanzielle Existenz der Länder herangegangen ist. Wir wissen auch um das Defizit, das wir seit 1951 im Bundeshaushalt mitschleppen.
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Nun hat uns Herr Kollege Schoettle gestern mitgeteilt, daß seine Fraktion gegen die Erhöhung des Bundesanteils um 4 % stimmen wird. Diese Mitteilung ist für uns äußerst aufschlußreich. Man kann nur sagen: welche Länderfreundlichkeit, welche Länderfreudigkeit der SPD! Doch ach, mir fehlt der Glaube an diese Länderfreundlichkeit, und ich fürchte sehr, daß für diese Haltung nicht das maßgebend war, was maßgebend sein muß, nämlich die nackten Zahlen auf der einen Seite über die Einnahmen und Ausgaben des Bundes und auf der anderen Seite über die Einnahmen und Ausgaben der Länder. Ich fürchte sehr, daß dafür politische Gründe maßgebend waren,
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und in dieser Befürchtung werden wir bestärkt, wenn wir hören, daß die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag einen Antrag gestellt hat, in dem die bayerische Staatsregierung ersucht wird, unter allen Umständen zu verhindern, daß die 4 %ige Erhöhung kommt.
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- Das stimmt nicht. - Wir können leider nicht hundertprozentig überzeugt sein, daß dieser Antrag der SPD-Landtagsfraktion in München aus einer echten, an das Land denkenden föderalistischen Einstellung kommt.
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Wir können diese Überzeugung leider Gottes nicht haben, und wir müssen befürchten, daß es sich hier um einen Zweckantrag, um einen Zweckföderalismus handelt.
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- Wir werden von dieser Sorge erst frei sein, Herr Kollege Marx, wenn diese Art des Föderalismus - so will ich sie einmal nennen - etwas länger anhält, mindestens über den Kerbst 1954 hinaus anhält,
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und wenn die Ernsthaftigkeit dieser Art von Föderalismus praktisch unter Beweis gestellt wird, etwa
dadurch, daß in Zukunft die sattsam bekannten Bestrebungen der SPD in Richtung einer Bundesfinanzverwaltung schon im Keime erstickt werden.
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Derlei Anträge erschüttern unser Vertrauen zum Bundesfinanzminister und zu dessen föderalistischer Einstellung keineswegs.
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Die Versuche, an den finanziellen Ausgleich zwischen Bund und Ländern nicht von der rechnerischen, sondern von der parteipolitischen Seite her heranzugehen, machen uns höchstens hellhörig, und ich könnte mir vorstellen, daß dadurch auch die Ministerpräsidenten der Länder etwas hellhörig werden.
Nach allem erscheint uns der vom Bundesfinanzminister eingeschlagene Weg der direkten Verhandlungen mit den Ländern als der beste. In seiner Etatrede hat der Herr Bundesfinanzminister zum Ausdruck gebracht, daß er von diesen Verhandlungen eine für beide Teile, für Bund und Länder, befriedigende Lösung erwarte. Wir wünschen von Herzen, daß diese Verhandlungen vom Geist der Loyalität getragen werden, der das Ganze sieht, aber auch die Glieder nicht aus dem Auge läßt, da ein Bundesstaat trotz aller verbrieften Zuständigkeiten ohne diese Loyalität nicht auskommen kann. Wir wünschen weiter ganz besonders dringend, daß das künftige Finanzausgleichsgesetz nach Art. 107 des Grundgesetzes ein für allemal dem alljährlich wiederkehrenden unerfreulichen Krieg zwischen Bund und Ländern ein Ende macht. Dieser Streit fügt dem Ansehen des Bundes ebenso wie dem Ansehen der Länder Schaden zu und nimmt die Arbeitskraft und die Arbeitszeit in einem Ausmaß in Anspruch, wie es heute angesichts der sonstigen politischen Aufgaben einfach nicht mehr verantwortet werden kann.
Eines aber muß ich dem Herrn Bundesfinanzminister für seine Verhandlungen mit den Ländern als Richtlinie von der CSU-Landesgruppe mitgeben. Die Landesgruppe der CSU im Bundestag könnte keinesfalls damit einverstanden sein, daß die Verhandlungen mit einem Kompromiß enden etwa dergestalt, daß der Teil der 4 %igen Erhöhungen in Wegfall kommt, an den gewisse Rücküberweisungen an wirtschaftlich schwache Länder mit bestimmten Grenzlandaufgaben gebunden sind. Ich muß hier ein kurzes, aber sehr, sehr ernstes Wort zur Lage in unserem Zonenrandgebiet und in unserem Gebiet an der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze sagen. Der Bundestag hat mit Beschluß vom 2. Juli 1953 einmütig ein umfangreiches Hilfsprogramm für dieses Gebiet beschlossen. Die bis jetzt von der Bundesregierung eingeleiteten Hilfsmaßnahmen betreffen leider nur einen geringen Teil des geplanten und beschlossenen Programms. Insbesondere ist die beschlossene Hilfe auf dem kulturellen Sektor vollkommen unter den Tisch gefallen. Ich muß es mir hier bei der Debatte in diesem Rahmen leider versagen, die Not, die in diesen Grenzgebieten vielfach herrscht, näher zu schildern. Nur ein einziger Hinweis, wie alarmierend die Wirtschaftsverhältnisse dort sind, sei mir gestattet: es ist die Arbeitslosenziffer. Am 31. Dezember 1953 entfielen im Bundesgebiet auf 100 Arbeitnehmer 8.9 Arbeitslose; dagegen entfielen in den beiden Arbeitsamtsbezirken Cham und Deggendorf an der bayrisch-tschechoslowakischen Grenze auf 100 Arbeitnehmer - nun hören Sie gut zu! - 35,8 bzw. 33,1 Arbeitslose.
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Nicht ohne Absicht füge ich noch die entsprechenden Ziffern für West-Berlin hinzu. Dort waren am 31. Dezember 1953 von 100 Arbeitnehmern 22,7 arbeitslos. Die Arbeitslosenziffer ist also in den Arbeitsamtsbezirken Deggendorf und Cham um 11 bzw. 13 % höher als in West-Berlin.
Ich glaube, meine Damen und Herren, dieser Hinweis besagt alles. Es geht einfach weiter nicht an, daß Teile unserer Bundesrepublik in einer verhältnismäßigen Wohlhabenheit leben, während andere sich buchstäblich allmählich zum Armenhaus entwickeln. Dort leben die gleichen guten Staatsbürger wie anderswo, und die Menschen dort sind wirtschaftlich genau so tüchtig wie in der übrigen Bundesrepublik. Sie haben ihre wirtschaftlichen Fähigkeiten vielfach schon durch eine Eigeninitiative unter Beweis gestellt, die weit über das übliche Mali hinausgeht. Nunmehr aber haben sie nach unserer Auffassung einen Anspruch darauf, daß die gesamte Bevölkerung des Bundesgebietes an den besonderen Lasten und an den besonderen Schwierigkeiten mitträgt, die ihr durch die Zonen- und Landesgrenzen auferlegt sind. Es handelt sich hier um eine echte Bundesaufgabe, da die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im wesentlichen auf die Grenzverhältnisse zurückzuführen sind. Soweit aber einzelne Teile früher schon Notstandsgebiete waren, ist hier geradezu der typische Fall der Ausgleichsfunktion des Bundes gegeben. Der Bund kann und darf an dieser Aufgabe einfach nicht vorübergehen. Ich bitte Sie deshalb, Herr Bundesfinanzminister, noch einmal so dringend wie möglich, bei Ihren Verhandlungen mit den Ländern, sollte es zu einem Kompromiß kommen, gerade diesen Teil Ihrer Ergänzungsvorlage unter keinen Umständen preiszugeben. Ich bitte Sie weiter heute schon, bei der Durchführung der Aufgaben, an die die Rücküberweisung gebunden ist, den Ländern möglichst große Freiheit zu lassen, so daß sie in eigener Verantwortung die Entscheidungsfreiheit über den zweckmäßigsten Einsatz im Rahmen der Zweckbindung haben und so in der Lage sind, auch den kulturellen Sektor, der gerade in diesen Gebieten besonders im argen liegt, genügend zu berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, die Prüfung des Bundeshaushaltsplans gäbe noch Anlaß zu mancherlei Betrachtung in sozialpolitischer und wirtschaftspolitischer Hinsicht. Ich kann mich hier weitgehend auf die Ausführungen der Herrn Kollegen Dr. Krone und Dr. Vogel beziehen und bezüglich des Mittelstandes auch weitgehend auf die Ausführungen des Herrn Kollegen von Merkatz. Ich möchte mich hier und heute auf die paar Grundsatzfragen beschränken, die ich Ihnen vorzutragen die Ehre hatte.
So verführerisch gestern die von Herrn Dr. Dehler angewandte Methodik für den Redner und so interessant diese Methodik vielleicht auch für den Zuhörer ist, so halte ich es doch nicht ganz für richtig, daß man aus Anlaß des Bundeshaushaltsplans alle möglichen Probleme anschneidet, aus allen möglichen Problemen stichwortartig gewissermaßen die Rosinen herausnimmt und dann das Thema unfertig liegen läßt.
({20})
Ich möchte mich deshalb auf diese grundsätzlichen Ausführungen beschränken, muß aber zu dem auch von Herrn Dr. Dehler angeführten Artikel in der ,.Bayerischen Staatszeitung" einen Satz hinzufügen. Deshalb, weil Herr Dr. Dehler in diesem Zusammenhang den CSU-Bundesminister ({21})
Herr Abgeordneter, bitte pausieren Sie für eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Becker.
Herr Kollege, Sie sprachen davon, daß der Herr Kollege Dehler bei seiner Haushaltsrede von der üblichen Art, den Haushalt zu behandeln, abgewichen sei und Dinge aus dem allgemeinen Gebiet der Politik behandelt habe. Darf ich Sie fragen, ob Ihnen die Gebräuche des früheren Deutschen Reichstags sowohl aus der Kaiserzeit wie aus der Zeit der Weimarer Republik bekannt sind, wo gerade die Etatdebatte dazu diente, alle diese Dinge zusammen mit der Gesamtpolitik des Deutschen Reiches zu erörtern?
Herr Dr. Becker, ich bin gerne bereit, auf Ihre Frage einzugehen, zumal es sich offensichtlich um ein Mißverständnis handelt. Der Sinn meiner Ausführungen war der, daß es nach meiner Meinung nicht ganz richtig ist, wenn man allzu viele Probleme anschneidet, die man dann im Rahmen dieser Aussprache einfach nicht hundertprozentig ausdebattieren kann; denn das ist gar nicht möglich.
({0})
Deswegen habe ich betont, daß ich mich auf ein paar Grundsatzfragen beschränke.
({1})
Das ist eine Frage der Anschauung über die Art der Behandlung und stellt nach meiner Meinung keine besondere Staatsaktion dar.
Gestatten Sie mir eine Zusatzfrage?
Herr Dr. Becker, ich glaube, wir sollten hier nicht in ein Examen eintreten. Betrifft die Zusatzfrage ,die Rede des Abgeordneten unmittelbar? Oder ist es mehr allgemeiner Art?
Es ist eine Frage an den Herrn Abgeordneten.
Bitte schön.
({0})
Ich habe noch die Frage an den Herrn Kollegen zu stellen, welches Thema, das Dehler angeschnitten hat, nicht zur allgemeinen deutschen Politik gehört.
Zur allgemeinen deutschen Politik, Herr Dr. Becker, haben wohl alle Themen gehört; aber Sie gehen ja an dem Problem, das ich aufgeworfen habe, vorbei.
({0})
Sie sagen nämlich, daß es selbstverständlich möglich, auch gut und notwendig ist, die Themen der
allgemeinen Politik anzuschneiden. Meine Meinung
ist die: nicht zu viele Themen anschneiden und die
({1})
angeschnittenen zu Ende debattieren und nicht bloß Stichproben geben.
({2})
Ich bitte die Unterbrechung zu entschuldigen. Nur einen Satz zu der Bemerkung des Herrn Dr. Dehler über den Artikel in der „Bayerischen Staatszeitung" möchte ich anfügen, und zwar, wie ich betone, nur deshalb, weil da Dr. Dehler völlig überflüssig den Bundesminister Strauß von der CSU apostrophiert hat. Herr Dr. Dehler ist heute leider nicht hier. Er weiß so gut wie wir alle, daß für Artikel der „Bayerischen Staatszeitung" weder die CSU noch die bayerische Staatsregierung noch die bayerische Staatskanzlei, sondern nur die im Impressum genannten Personen verantwortlich sind.
({3})
Die Staatskanzlei, ich möchte das ausdrücklich feststellen, hat nicht einmal das Recht der Vorzensur. Offensichtlich ist Herr Dr. Dehler gestern aber von dieser Annahme ausgegangen.
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Der Herr Bundesfinanzminister hat am Schluß seiner Etatrede gesagt, er stelle sich der Kritik, von der er nicht wisse, wie sie ausfalle. Wir von der CSU haben bei allen möglichen Gelegenheiten von diesem Recht der Kritik Gebrauch gemacht und werden das auch in Zukunft so halten.
({5})
Heute scheint es mir aber notwendig zu sein, auch einmal ein Wort des Dankes an den Bundesfinanzminister dafür auszusprechen, daß er, wo sich ihm Anlässe dazu boten, bisher häufig auch den Mut zu unpopulären Maßnahmen gefunden hat. Wir wissen, daß er das nicht aus Querköpfigkeit getan hat, sondern daß er sich dazu von dem Gedanken an die res publica, wie er sich ausgedrückt hat, von dem Gedanken an das allgemeine Wohl hat leiten lassen, was in diesem Zusammenhang konkret nicht mehr und nicht weniger bedeutet als die Stabilität der Währung. Dafür gebührt ihm unser aller Dank.
({6})
Ich füge noch einen Satz hinzu. Wir von der CSU sind stolz darauf, daß wir mit der gerade von einem CSU-Minister verantwortlich geleiteten deutschen Finanzpolitik einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau unseres Bundesstaates leisten durften.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zu Anfang ein Wort des königlich preußischen Kammerherrn von Oldenburg-Januschau variieren: Meine Rede wird kurz und hoffentlich für meine fäderalistischen Freunde aus Bayern nicht allzu verletzend sein.
({0})
Ich habe mir die enge Aufgabe gestellt, zur Drucksache 201 zu sprechen, zum Inanspruchnahme-Gesetz, muß aber auch auf die Drucksache 200 zurückgreifen, weil unser lieber Bruder in der Bonner Legislative, der Hohe Bundesrat, es für ratsam gehalten hat, seine Begründung zum Inanspruchnahme-Gesetz ausgerechnet in die Drucksache 200 zu setzen. Seine Ausführungen in der Drucksache 201 sind sehr lapidar und ungefähr so von dem Geiste gegeben: Sit pro ratione voluntas.
({1})
Herr Kollege von Merkatz, ich laufe ja nun Gefahr, daß ich mit dieser Verengung ins Fachliche von Ihnen als Manager abgetan werde. Sie unterschieden zwei Typen: einen, der ins Dekadente, und einen, der ins Totalitäre hineinführte. Obschon mein Äußeres vielleicht nicht gerade für dekadent spricht,
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wähle ich aber doch den dekadenten Typ; denn er ist mit einem Hauch von Vornehmheit umgeben.
({3})
Und nun zum Thema selber. Es geht also darum: 42 % von der Einkommen- und Körperschaftsteuer, wie der Herr Bundesfinanzminister sagt, oder aber 38 %, wie es der Bundesrat will. Der Bundesfinanzminister hat eine Deckungslücke von 5040 Millionen DM aufgelassen, und das stimmt haargenau - und das will doch bei Zahlen, die in die Milliarden gehen, einiges heißen - mit dem 42 %igen Anteil überein. Der 'Bundesrat hat eine Rechnung aufgesetzt, die ich ganz kurz skizzieren darf. Er streicht im ordentlichen Haushalt 580 Millionen DM. Er setzt dann allerdings bei den Ausgaben, und zwar bei den Steuerverwaltungskosten, 230 Millionen DM hinzu. Und dann schätzt er die Zolleinnahmen noch höher und kommt so auf einen zu streichenden Gesamtposten von 480 Millionen DM. Das sind genau 4 %, nämlich die, die der Bundesfinanzminister mehr haben will.
({4})
Man kann gegenüber solchen genauen Rechnungen eine gewisse Skepsis äußern. Ich möchte sie hier aber nicht zu aufdringlich und zu hart vortragen. Der Herr Bundesfinanzminister hat im übrigen die Einwände des Bundesrats in seiner Rede eingehend widerlegt. Ich brauche sie nicht zu wiederholen.
Nur noch ein Wort zu der Begründung im Bundesrat. Der Berichterstatter dort, Herr Landesminister D r. Traeger, hat die Dinge in einer Weise abgetan, die man hier im rheinischen Land „von bowen eraff" nennt. Wir sind erst durch den Aufsatz meines Parteifreundes D r. Flecken im „Handelsblatt" hinter die wahren Motive des Bundesrats gekommen.
Mit einem Punkte habe ich mich hier aber noch zu befassen. Das ist der Zusatz, den der Bundesrat zu .der Position Steuerverwaltungskosten des Bundes für die Länder gemacht hat. Der Bundesrat neigt hier zu einer Politik, diese Steuerverwaltungskosten zu einem zweiten vertikalen Finanzausgleich zu machen, um damit nämlich dieses Gesetz zustimmungspflichtig zumachen.
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Nun hat der Herr Berichterstatter im Bundesrat, Herr Landesfinanzminister Dr. Traeger, selbst einen Änderungsvorschlag gemacht, nämlich den, die effektiven Kosten zu halbieren - 50 % beim Bund und 50 % bei den Ländern -, und hat dazu die bemerkenswerte Äußerung getan, so viel müßte den Ländern die eigene Steuerverwaltung doch schon wert sein.
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({7})
Meine persönliche Meinung ist: wenn wir im Steuerausschuß des Bundestages diesen Troegerschen Gedanken, weitergetragen durch Herrn Gülich - und ich muß schon sagen, ich habe mich etwas überrumpeln lassen, wenn ich zugestimmt habe -, aufgegriffen haben, so sollte er noch nicht der Weisheit letzter Schluß sein, sondern wir sollten im Steuerausschuß versuchen, eine einfachere Methode zu finden. Meine persönliche Auffasssung ist die, daß man überhaupt von der Berechnung von Verwaltungskosten absehen und die Regelung dieser Dinge in das demnächst zu schaffende Gesetz zu Art. 107 einbauen sollte.
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Und nun zu dem Inanspruchnahmegesetz! Herr Kollege Schoettle, ich machte Ihnen gestern während Ihrer Rede den Zuruf: „Ganz im Sinne des Grundgesetzes!" Sie konnten ihn im Augenblick nicht verkraften. Das ist auch nicht schlimm; aber ich darf ihn jetzt erläutern.
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In Abs. 3 des Art. 106 des Grundgesetzes steht nämlich, daß die Inanspruchnahme insbesondere zur Deckung von Zuschüssen an die Länder erfolgen soll. Sie mäkelten so ein bißchen an diesen Nrn. 2 und 3, diesen Gaben des Bundes für die Grenzzonengebiete und für die Länder, die die Sowjetzonenflüchtlinge aufnehmen, herum. Deshalb mein Zuruf. Ich glaube, wir sind uns ganz einig: Hier übt der Bund - wie mein Kollege Niederalt durchaus richtig ausgeführt hat - eine ausgleichende Funktion aus, fast in der Art, wie sie früher der § 35 des alten Reichsfinanzausgleichs für die steuerschwachen Länder, insbesondere für Bayern, ausgeübt hat. Diese ausgleichende Funktion liegt nicht nur in dem horizontalen Finanzausgleich, der ja doch wohl nicht sehr geklappt hat, obwohl der Herr Bundesfinanzminister seinerzeit so sehr von der Brüderschaft, die der Föderalismus bedeute, gesprochen hat.
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Aber sonst darf man doch wohl sagen, daß Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes seinen Sinn verloren hat. Er war eine Behelfsmaßnahme und war wohl doch noch etwas auf den Gedanken zugespitzt, daß der Bund im Sinne des Art: 30 ein subsidiäres Staatsgebilde darstelle, daß er vielleicht - nun übertreibe ich etwas - so etwas wie ein Kommunalverband höherer Ordnung oder ein Zweckverband sei.
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Die Dinge, meine Freunde aus Bayern, sind doch wohl vorbei, seitdem der Bund völkerrechtlicher Vertragskontrahent geworden ist und demnächst Waffenträger sein wird. Die Bundespolitik unter der Führung des von mir und hoffentlich auch von Ihnen so sehr verehrten Bundeskanzlers hat solche außenpolitischen Fortschritte gemacht, daß sie die Buchstaben des Grundgesetzes hinter sich gelassen haben. Mein Kollege Niederalt hat sehr richtig von der Dynamik in der Bundeswelt gesprochen.
Nun haben aber auch die Länder dieses vom Kollegen Eckhardt wieder herausgezauberte Wort Adolph Wagners für sich beansprucht. Sie sagen: auch bei uns gibt es einen zunehmenden Staatsbedarf. Ich möchte nun nicht wie der Kollege Eckhardt auf die Fragen der Verwaltungsreform in den Ländern eingehen; aber eine kleine Berner-kung darf ich machen. Wir haben in den Länderministerien solche Abteilungen und Referate, die ausschließlich Studios für den Bundesrat sind. Ob man die Länderaufgaben so weit ziehen soll, weiß ich nicht. Ich erlaube mir, Zweifel zu äußern.
Aber nun werden wir demnächst bei der Beratung des Gesetzes zu Art. 107 ja auch die Gelegenheit haben, uns einmal mit der Aufgabenverteilung zu befassen. Der Herr Kollege Niederalt hat genau wie der Bundesrat festgestellt, daß in dem gegenwärtigen Bundeshaushalt noch Bestandteile seien, die eigentlich Aufgaben der Länder seien. Aber, verehrter Kollege Niederalt, die Verfassungsänderungsanträge der Koalitionsparteien, die eine Wiederbewaffnung wollen, zielen zumindest auf eine Vermehrung der Bundesaufgaben hin. Ich glaube, das sind Dinge, die wir demnächst bei der Erörterung des Gesetzes zu Art. 107 beachten müssen.
Nun soll ja, wie der Finanzminister mit einem Aufatmen - und ich kann es ihm so lebhaft nachfühlen - sagt, dieser Haushalt der letzte sein, der im Zeichen dieser Bestimmung des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes stehen soll. Ich darf mir wohl, ohne Prophet sein zu wollen, erlauben, einige Ge- danken zu dem künftigen Gesetz zu Art. 107 zu äußern. Das ist möglich; denn alle Gutachten haben bisher im materiellen Steuerrecht und in den Steuerarten keine Revolution gewollt, so daß man auch einige Betrachtungen über die Verteilung von Steuerquellen und Steuererträgnissen anstellen kann. Meine Damen und Herren, was wir anstreben wollen, ist ein fester Beteiligungssatz des Bundes und der Länder bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, vielleicht 40 zu 60. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats hat auch eine Beteiligung der Länder an der bisher ausschließlichen Bundessteuer, der Umsatzsteuer, vorgeschlagen. Wenn das realisiert wird, dann sind wir doch wieder beim System der Beteiligungssteuern angelangt oder, wie es am Anfang, nach 1920, hieß, der Reichsüberweisungssteuern. Dann ist es meines Erachtens gleichgültig, ob die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch eine Landessteuer ist oder ob sie eine Bundessteuer wird. Das Reich hatte früher nur einen Anteil von 25 % an der Reichseinkommen- und Körperschaftsteuer. Wir haben jetzt schon viel mehr. Dann ist es meines Erachtens - da unterscheide ich mich etwas von meinem politischen Kartellbruder Niederalt - auch nicht mehr ein weiter Weg bis zur Bundesfinanzverwaltung. Jedenfalls scheidet für mich diese Frage aus dem weltanschaulichen Bereich aus. Sie ist eine reine Zweckmäßigkeitsangelegenheit geworden. Ja, und dann sind wir doch schließlich wieder bei Erz berger. Ich hoffe, daß vielen meiner Parteifreunde dieser Schritt zurück leichter fallen wird als mir.
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Als junger Publizist habe ich in den zwanziger Jahren noch weitere Rufe ausgestoßen - übrigens im Einvernehmen mit dem von mir schon damals besonders ' geschätzten Oberbürgermeister von Köln -,
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und einer dieser Rufe hieß: „Zurück zu Miguel!"
Das war die Frage der selbständigen Festsetzung
des Einkommensteueranteils durch die Gemeinden.
Nun darf ich auch etwas zu dem Thema „Gemeinden" sagen. Für diesen mutigen Ritt habe ich Korsettstangen bekommen durch die Rede des Herrn Bundesinnenministers auf der letzten Ta({14})
gung des Deutschen Gemeindetages. Ich habe mit Freuden festgestellt, daß bei ihm, obschon er nicht aus der kommunalen Welt kommt, das kommunale Herz fast noch voluminöser ist als das meinige.
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Meine Damen und Herren, es wäre sehr nett, wenn wir eine bundesgesetzliche Regelung fänden, die den Gemeinden die Realsteuern als ausschließliche Gemeindesteuern überließe. Das würde am gegenwärtigen Tatbestand nichts ändern. Es wäre dann allerdings eine Verfassungsänderung notwendig; denn das Grundgesetz weist die Realsteuern den Ländern und nach Maßgabe der Ländergesetzgebung den Gemeinden zu. Nach meiner Meinung könnte man in einem Bundesgesetz, ähnlich wie früher im Reichsfinanzausgleichsgesetz, den Gemeinden wenigstens rahmenmäßig Anteile an den Überweisungssteuern, also an der Einkommen- und Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer zusprechen. Das würde dann ein Abweichen vom System der Finanzzuweisungen im sogenannten innerstaatlichen Finanzausgleich bedeuten. Das wäre dann das, was man neuerdings nach dem Muster der Energiewirtschaft als Verbundwirtschaft bezeichnet. So viel zu dem Grundsätzlichen mit kurzem Blick in die Zukunft.
Aber nun zur Regelung im Jahre 1954. Der Herr Kollege Niederalt hat vor Kompromissen gewarnt, insbesondere wegen der Zuschüsse für die armen Grenzgebiete. Ich freue mich, daß ich ihm hier voll und ganz zustimmen kann. Der Herr Bundesfinanzminister hat noch auf ein beide Teile befriedigendes Ergebnis gehofft, und der Berichterstatter im Bundesrat, Herr Landesfinanzminister Dr. Troeger, meinte, dieser Kompromiß sei eben in den vier Prozent eingeschlossen. Herr Bundesfinanzminister, was kommt nun bei diesem Handel wieder heraus? In der Vergangenheit bin ich manchmal an Gebräuche auf einem Viehmarkt erinnert worden, wenn der Handschlag erscholl und man sich gegenseitig in die treuherzigen germanischen oder anderen Augen schaute nach dem Motto „Wer - wen?"
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Wie gesagt, der Bundesrat hat es etwas kurz gemacht. Mit dem kann man nicht viel anfangen.
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Ich hoffe aber, einige Genossen zu finden, wenn ich geziemenden Anstoß daran nehme, daß die Bundesratsbank während der Rede des Herrn Bundesfinanzministers leer war.
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Aber ich möchte hier nicht verärgern und nicht in die Kompromißverhandlungen hineinschießen und hineinreden, in die der Herr Bundesfinanzminister ja nun doch eintreten muß und bei denen wahrscheinlich schließlich das Überparlament, der Vermittlungsausschuß, das letzte Wort haben wird.
Herr Bundesfinanzminister, es gab da mal einen Reichskanzler Luther, auf den hatte eine Spottdrossel einen Spruch seines berühmteren Namensvetters variiert, und da hieß es: Hier stehe ich, ich kann auch anders!
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Daß dieser Spruch auf Sie, verehrter Herr Bundesfinanzminister, nicht zutrifft, auf diesen zähen energischen, wissenden Menschen, brauche ich nicht besonders hervorzuheben.
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Aber ich möchte doch feststellen, daß man entgegen manchen Verlautbarungen über die westdeutsche Bundesrepublik, die angeblich so schwarz sein soll, hier ungestraft Martin Luther zitieren kann;
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Herr Kollege Eckhardt hat es schon getan. So darf ich Ihnen denn mit einem Schlußwort des Mannes, zu dessen Bekenntnis ich gehöre, kommen. Ich darf das Wort etwas säkularisieren und konzentrieren:
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Solange ich nicht durch klare Vernunft widerlegt werde, kann und will ich nicht widerrufen, da gegen das Gewissen zu handeln beschwerlich und gefährlich ist!
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Blank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, wir machen ganz außerordentliche Fortschritte im Bundestag. Der zweite Bundestag scheint tatsächlich besser zu sein als der erste, und das war ja der Wunsch von manchen Seiten.
({0})
Jedenfalls: eine solche Haushaltsdebatte wie diese hat der erste Bundestag nicht zustande gebracht. Ich habe nun noch das besondere Glück, zusammen mit meinem unmittelbaren Vorredner Dr. Dresbach, daß das Bundeskabinett in einer Stärke auf der Regierungsbank vertreten ist, wie wir es früher auch kaum erlebt haben,
({1}) und das freut einen denn ja auch.
Über den Bundesrat ist genug gesagt worden. Auch ich will die Kompromißverhandlungen, die wahrscheinlich folgen werden, wie Kollege Dresbach sagte, nicht stören. Aber es würde sich schon ganz gut ausnehmen, wenn gerade angesichts der kursorischen Behandlung der Vorlage im Bundesrat selber der Bundesrat hier etwas zahlreicher, vielleicht sogar auf der ersten Bank, vertreten wäre und sich anhören würde, was der Bundestag, der „Konkurrent" auf dem Gebiete der Gesetzgebung, zu sagen hat.
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- Ich hatte das in Anführungsstriche gesetzt, will es aber gern nachholen. Der Möchte-gern-Konkurrent vielleicht, wenn Sie einverstanden sind.
Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, etwas mehr über das zu sprechen, was den Haushaltsausschuß nun ab nächsten Montag nachmittag - früher geht es wirklich nicht - aller Voraussicht nach beschäftigen wird, nämlich über das Haushaltsgesetz und den Bundeshaushaltsplan. Ich wollte aber vorher noch einige Worte einschalten über das, was hier schon verschiedentlich berührt worden ist und womit auch ich mich immer wieder beschäftige; ich meine die Frage, wie wir dieses ganze Haushaltswesen der Gesamtheit unserer Bevölkerung oder wenigstens allen Menschen, die es begreifen wollen und können, näherbringen können.
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Es ist Wesentliches geschehen, besonders auch seitens der Exekutive. Ich glaube, daß sich die berühmten beiden Kreise. Verteilung von Einnahmen und Ausgaben, die man ja in jeder zweiten Amtsstube hängen sieht - im übrigen nicht nur bei Bundesdienststellen -, wirklich eine gewisse Popularität erworben haben, und ich hoffe, daß diese Praxis fortgesetzt wird.
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Der Film, der ein Versuch war, ist im Herankommen an die Öffentlichkeit vielleicht weniger an seinem Inhalt gescheitert als an der Tatsache, daß offenbar noch eine besondere Bearbeitung der Filmtheaterbesitzer vorgenommen werden muß,. damit sie sich auch einmal ihrerseits für einen Film zur Verfügung stellen, der sie nichts kostet außer Licht und Zeit, und den Film in ihr Programm mit aufnehmen.
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Für ein wesentliches Mittel, an weitere Kreise heranzukommen, halte ich den zum ersten Mal hier unternommenen Versuch des Wegweisers durch den Haushalt. Hier ist, wie mir scheint, mit Erfolg der Versuch gemacht worden, Haushaltsdinge in einer Sprache darzulegen, die auch ein ganz gewöhnlicher Sterblicher ohne besondere Anstrengung verstehen kann; das wollen wir ja vom Bundeshaushalt selbst nicht sagen.
Für alle intensiver interessierten Menschen ist nach meinem Gefühl der Versuch, alles Notwendige in den „allgemeinen Vorbemerkungen", wie wir sie in der Drucksache 200 haben, zu sagen, außerordentlich zu begrüßen. Das ist wirklich für den, der sich mit den Dingen beschäftigt, eine nicht nur lehrreiche, ich möchte beinahe sagen: interessante. fast spannende Lektüre.
Warum ist nun wohl, meine Damen und Herren, das Interesse in der Bevölkerung verhältnismäßig so gering? Ich habe sehr viel darüber nachgedacht und habe zu dem, was hier schon gesagt worden ist, noch zwei weitere Gründe gefunden, die nach meinem Gefühl von ausschlaggebender Bedeutung sind.
Auf der einen Seite ist die Einkommensteuer bzw. in den allermeisten Fällen die Lohnsteuer in den unteren Einkommensstufen so gering, daß sie schon aus Gewohnheit nicht als eine besondere, schwere Last empfunden wird. Auf der andern Seite gibt es so viele Menschen - diese Bevölkerungskreise umfassen Millionen -, die auf irgendeine Art und Weise vom Staat, von der öffentlichen Hand etwas zu bekommen hoffen; ihnen ist die Aufbringungsseite ziemlich gleichgültig, wenn nur der Zaster auf irgendeinem Wege herankommt!
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Das ist bedauerlicherweise der Fall. Zum Teil ist es eine schmerzliche Kriegsfolge. Ich halte es für eine wesentliche und große Aufgabe, die noch angepackt werden muß, den Versuch zu machen, auch all den Menschen, die aus der öffentlichen Hand, von irgendeinem der vielen Töpfe, etwas zu bekommen hoffen, das Verständnis dafür beizubringen, was für eine Mühe es macht, die Töpfe immer wieder zu füllen.
Es kann gar nicht zweifelhaft sein, daß wir allen Steuerzahlern gegenüber verpflichtet sind, mit dem uns anvertrauten öffentlichen Geld sparsam umzugehen. Wir wissen alle, daß Sparsamkeit im öffentlichen Haushalt auch von positivem Nutzen für alle ist. Unter diesem Gesichtspunkt sehen meine Freunde und ich auch das Budgetrecht dieses Hauses, das schon so oft angesprochen worden ist und das zu betätigen wir - ich darf das wohl sagen - je länger je mehr noch immer besser lernen müssen. Die Würdigung, die Kollege Schoettle diesem Problem hat angedeihen lassen, scheint mir durchaus richtig zu sein; ich schließe mich ihr an und möchte auf der andern Seite sagen, daß auch die in eine fernere Zukunft weisenden Überlegungen des Kollegen Eckhardt über die Mitwirkung des Parlaments beim Zustandekommen von Haushaltsvoranschlägen sicherlich sehr der Beachtung wert sind. Ob wir uns das Institut der gemischten Kommissionen werden leisten können, wird noch zu prüfen sein.
Über die Rede, mit der am 22. Januar der Herr Bundesfinanzminister uns sein Werk unterbreitet hat, ist schon viel gesprochen worden. Ich glaube, der Kardinalsatz ist darin zu erblicken, daß der Bundesfinanzminister die Wahrung der finanziellen Ordnung für die wesentlichste Aufgabe seines Ressorts und auch dieses Parlaments ansieht. Wir wissen, was diese finanzielle Ordnung im Positiven für uns bedeutet und was ein Schritt vom Wege an Gefahren auf jedem nur denkbaren Gebiet für uns bedeuten könnte.
Wir wollen - so hat sich der Herr Bundesfinanzminister ausgedrückt - alle vermeidbaren Ausgaben vermeiden. Sicher, das müssen wir tun. Die Last ist ohnehin groß genug. Wir wollen und müssen als Parlament auch wirklich in jedem einzelnen Fall und immer wieder prüfen, ob eine Ausgabe unvermeidbar ist oder nicht. Wir haben infolge der so oft besprochenen Festlegung eines erschreckend hohen Prozentsatzes der gesamten Bundesausgaben hier nur eine verhältnismäßig kleine Manövriermasse zur Verfügung; aber jeder einzelne Gegenstand, jeder Titel bedarf der Prüfung, und wir stehen nur - vom Haushaltsausschuß gesehen - vor der Sorge, wie wir in der verfassungsmäßig vorgesehenen Zeit das gewaltige Pensum bewältigen sollen. Sitzungsfreie Wochen wird es für u n s in der nächsten Zeit nicht geben. Ich will uns gar nicht loben; wir sehen das als unsere Pflicht an und hoffen, in den „sitzungsfreien Wochen", wenn niemand anders uns stört, auch schnell von der Stelle zu kommen. Wir sind auch dabei, uns, soweit das möglich ist, zu noch rationelleren Arbeitsmethoden, als wir sie bisher angewandt haben, durchzuringen. Ich hoffe, daß die Pläne, die auf diesem Gebiet entworfen sind - die besonders intensive Einschaltung der Berichterstatter für die Einzelpläne und ähnliche Maßnahmen - dazu führen werden, daß wir eine schnelle und gleichwohl wirkungsvolle Arbeitsweise finden können.
Das schon verschiedentlich zitierte Gesetz vom wachsenden Staatsbedarf ist - man könnte auf die Idee kommen - in diesem Haushaltsvoranschlag 1954 durchbrochen worden. Ich persönlich erlaube mir, das nicht zu glauben. Immerhin ist ein Ansatz gemacht, der zu begrüßen ist. Die Summen sind nicht weiter gestiegen. Wenn wir jetzt mit dem Haushalt 1954/55 auf einem Höhepunkt angelangt wären, von dem es nachher heruntergehen kann, so daß nachher aus dem Sinken des öffentlichen Bedarfs eine normale und selbstverständliche Senkungsmöglichkeit für die Steuerbürde gegeben sein würde, so wäre das sehr schön. Fröhlichen Optimismus in dieser Beziehung, den der Herr Bundesfinanzminister bezüglich des Aus({7})
gleichs dieses Haushaltsvoranschlags an den Tag gelegt hat, vermag ich für meine Person leider noch nicht aufzubringen.
Der Ausgleich des Haushalts ist zwar formal erreicht, aber auch diesmal wieder unter Anwendung von Hilfsmitteln, deren Wiederholung einfach nicht in Frage kommen darf. Ich will die verschiedenen Mittel, mit denen der Ausgleich herbeigeführt worden ist, hier nicht aufzählen. Ich will aber doch zum Ausdruck bringen, wie sehr meine Freunde und ich es begrüßen, daß die Bundesregierung mit dem 4 %igen Abschlag auf jeden Einzelplan einen Weg beschritten hat, der uns sehr lobenswert zu sein scheint. Hoffentlich gelingt es, nicht nur diese 4 % durchzusetzen - das muß sein, das ist auch durchaus möglich -, sondern vielleicht im nächsten Jahr diesen Prozentsatz noch zu erhöhen.
Daß auch wiederum der Weg beschritten werden muß, der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und den Trägern der Rentenversicherung geschuldete Beträge zum Teil in Schuldverschreibungen auszuzahlen, ist bedauerlich. Ich kann mir vorstellen, daß die 512 Millionen DM an anderer Stelle im Bundeshaushalt nicht gefunden werden können. Wir haben die Hoffnung, daß die Verhandlungen, die mit den beiden genannten Anstalten seitens des Bundesfinanzministeriums über diesen Punkt geführt werden müssen, erfolgreich zum Abschluß gebracht werden können.
Über den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer hat der Kollege Dresbach soeben sehr zu Herzen gehende goldene Worte gesagt. In der Lage, in der sich der Bund befindet, und zur Tragung all dessen, was das Grundgesetz dem Bund zu tragen auferlegt, ist diese Inanspruchnahme nach unserer Überzeugung notwendig. Ich darf nur wiederholen, daß der Bundesrat es sich mit seiner Ablehnung allerdings so leicht gemacht hat, wie es die Sache nicht verdient.
Bezüglich der Vorausschätzungen des Steueraufkommens ist der Herr Bundesfinanzminister zuversichtlich. Wir wollen hoffen, daß er recht hat; denn eine anders verlaufende Entwicklung würde sehr schwere Folgen nach sich ziehen. Die Schätzungen über die weitere Steigerung des Sozialproduktes im laufenden Jahre sind nicht völlig einheitlich. Ein anderes wichtiges Wirtschaftsressort des Bundes hat vor wenigen Tagen eine Schätzung von 1,7 % Steigerung des Sozialproduktes der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Wir müssen uns außerdem darüber klar sein, daß die Vorarbeiten zur Aufstellung dieses Haushalts bis in den Sommer des vorigen Jahres zurückreichen und das infolgedessen noch nicht alles, was während des Haushaltsjahres 1954/55 auf uns zukommen wird, schon in diesem Voranschlag enthalten sein konnte. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur das Verkehrsproblem. Ich kann mir nicht vorstellen, daß von der Lösung dieses Problems, die in den nächsten Monaten so oder so gefunden werden muß, der Bundeshaushalt völlig unberührt bleiben wird.
Ich will auf einzelne Ausgabenansätze und auf die Aufmachung der Einzelpläne nicht eingehen. Ich möchte nur einen einzigen Punkt erwähnen - wobei ich die Hoffnung habe, daß die Bundesregierung ihrerseits auch eingesehen hat, daß die starken Streichungen bei diesem Posten nicht möglich waren -, den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und alles das, was damit zusammenhängt. Es handelt sich um eine Anzahl von Dienststellen in Berlin, in München usw. Dieser Suchdienst muß gerade jetzt, wo auch aus Schweigelagern Menschen in die Heimat zurückkehren konnten, seine Arbeit unter allen Umständen fortsetzen können, wenn nicht nach Zehntausenden und aber Zehntausenden zählende Rückstände von Nachrichten für Angehörige in Deutschland unbearbeitet liegen bleiben sollen.
Wir sind sehr darüber erfreut, daß der wenig schöne Weg, den ordentlichen Haushalt mit einem Beitrag aus dem außerordentlichen Haushalt auszugleichen, in diesem Jahre nicht gegangen zu werden brauchte. Wir sehen das ,als einen großen Fortschritt an. Der außerordentliche Haushalt ist, wie die Damen und Herren wissen, ohnehin auf das Aufkommen aus dem Kapitalmarkt, auf den Anleihemarkt angewiesen. Wie es auf diesem Markt auch heute noch aussieht, wissen wir. Eine Kreditermächtigung, wie sie z. B. in § 13 des vorliegenden Haushaltsgesetzes ausgesprochen wird, ist also vorläufig eine Ermächtigung ohne ernsthafte Realisierungsmöglichkeit. Wir haben einen ähnlichen Zustand schon in der Vergangenheit gehabt. Das hat bisher, wie wir zu unserer Freude feststellen können, nicht viel Schaden angerichtet. Der Öffentlichkeit sind ,diese Dinge kaum bewußt geworden, weil die außerordentlich günstige Kassenlage des Bundes die Situation praktisch verschleiert hat. Das kann sich, wie uns der Herr Bundesfinanzminister selber auseinandergesetzt hat, sehr schnell ändern, wenn die in Aussicht gestellten Abrufe der allmählich auf über 2 Milliarden DM angewachsenen Besatzungskosten im Laufe des ersten Halbjahres 1954 erfolgen.
Wir müssen uns überhaupt darüber klar sein, daß wir mit dem Bundeshaushalt nicht etwa endgültig in ruhigem Fahrwasser angelangt sind. Bisher hat es die gewaltige Wirtschaftsexpansion, die wir seit 1948 und 1949 in steigendem Maße zu verzeichnen hatten, ermöglicht, diese kühne, man könnte manchmal beinahe sagen, riskante Finanzpolitik zu machen. Diese Expansion hat die große Steuerbürde getragen, indem die Unternehmungen die gewaltigen Steuerlasten, die aus den Erträgnissen des Vorjahres angefallen waren, jeweils mit einem wieder erhöhten Wirtschafts- und Geschäftsumfang im laufenden Jahre finanzieren konnten. Eine Verlangsamung dieser Entwicklung - ich sagte es schon - muß natürlich als möglich ins Auge gefaßt werden und könnte uns unerfreuliche Überraschungen bringen.
Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß gleichwohl der Haushaltsvoranschlag 1954 als Basis und Ausgangspunkt für Reformen aller Art, von denen heute verschiedentlich gesprochen worden ist, Steuerreform, Finanzreform. Sozialreform, Reform des Verkehrswesens, angesehen werden kann. Wir wissen, wie notwendig diese Reformen sind. Wir meinen ungeachtet der Vorbehalte, die wir hier und da glaubten vorbringen zu müssen, daß die Drucksachen 200 und 201 der geeignete Ausgangspunkt für diese Reformmaßnahmen sind. Ich darf daher im Namen meiner Freunde das Hohe Haus bitten, die Drucksachen 200 und 201 dem Haushaltsausschuß zu überweisen, der sich - das glaube ich in Aussicht stellen zu können - mit Feuereifer auf die Bearbeitung stürzen wird.
Ich bitte, mir noch eine Minute zuzubilligen, um meiner Freude darüber Ausdruck zu geben, daß Herr Kollege Niederalt, obwohl er sich in etwa an meinem Freund Dehler glaubte reiben zu sollen, festgestellt hat, daß Föderalismus in übertriebener
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oder sturer Form sich selber schlägt. Wir hoffen, daß diese Erkenntnis Allgemeingut wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte mir zu gestatten, daß ich noch einmal in die gestrige Debatte zurücksteige und einige Bemerkungen zu Aussagen mache, die gestern von dieser Stelle gefallen sind.
Ohne mich in eine allgemeine Polemik gegen andere Teilnehmer dieser Debatte zu verstricken, möchte ich eine Bemerkung des Herrn Kollegen D r. D e h 1 er aufgreifen. Er hat von der Kühnheit gesprochen, mit der im Frühjahr 1951 durch seine Freunde im Bundeskabinett im Bunde mit Herrn Professor Dr. Erhard sozusagen das Steuer herumgerissen und die deutsche Wirtschaftspolitik auf den Pfad der Tugend gelenkt worden sei, obwohl - er hat es angedeutet - das Bundeskabinett damals bereits sehr drastische Beschlüsse gefaßt habe. Er ist dann aber gerade in dem Augenblick, wo es interessant geworden ist, vor der vollen Preisgabe des Geheimnisses zurückgeschreckt. Dafür hat ein aktives Mitglied des Bundeskabinetts - Herr Dr. Dehler genießt ja heute die Freiheit von der strengen Zucht des Kabinetts ({0})
vor einigen Wochen dieses Geheimnis bereits weitgehend gelüftet, als es gesagt hat, im Frühjahr 1951 hätten wir die Brotkarte wieder einführen müssen, wenn uns nicht in diesem Augenblick die Amerikaner mit Lebensmittellieferungen sehr massiv unter die Arme gegriffen hätten. Ob man das gerade als Kühnheit bezeichnen kann oder als Glücksfall oder als Kombination von politischen Notwendigkeiten oder sonstwie, das lasse ich dahingestellt. Ich möchte nur zur Steuer der Wahrheit und zur Herstellung der historischen Perspektive einen Beitrag geleistet haben.
Im übrigen habe ich gestern von Prinzipien gesprochen. Auch die Kollegen, die nach mir gekommen sind, haben das getan, und ich bin eigentlich sehr froh darüber, daß ich sie herausgefordert habe. Ich finde es beinahe schmeichelhaft, daß sich ein wesentlicher Teil der gestrigen Debatte um das gedreht hat, was ich zur Debatte gestellt habe, und das ist ja wohl der Sinn einer solchen Aussprache. Bei einer solchen Gelegenheit werden Prinzipien ausgesprochen, um gegeneinander gestellt zu werden.
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Jeder von uns weiß, daß im Ringen der politischen und gesellschaftlichen Kräfte in einer echten Demokratie immer zum Kompromiß gestrebt wird. Das geschieht im Alltag in den großen und in den kleinen Dingen, und letzten Endes kommt aus dem, was man vielleicht das Parallelogramm der Kräfte nennen könnte, das heraus, was just im Augenblick möglich und von allen Seiten erreichbar ist. Wenn man anders verfahren wollte, wäre die Demokratie eine Fassade, und es wäre müßige Deklamation, wenn die Opposition als Minderheit hier ihre Grundsätze in der sicheren Gewißheit verkündete, daß die Mehrheit sie einfach mit dem Gewicht der Zahl niederwalzen würde. Ich bin Herrn Kollegen von Merkatz für seine Bemerkung über das, was ich gesagt habe, außerordentlich dankbar. Er hat ganz genau verstanden, worum es mir als dem
Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion gestern ging. Man kann das etwa auf die Formel bringen: suaviter in modo, fortiter in re, verbindlich im Ton, aber unnachgiebig in der Sache, und das möchte ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ausdrücklich als das Prinzip ihres Handelns hier erklären.
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Ich muß noch eine Bemerkung zu den Überlegungen machen, die hier über den Aufstieg der Bundesrepublik und ihrer Wirtschaft angestellt worden sind. Ich frage mich immer, und meine Freunde fragen sich mit mir, warum man bei der Überlegung, vor allem, wenn es darum geht, sich mit dem auseinanderzusetzen, was man sich als Sozialismus zurechtgemacht hat, ausgerechnet vor etwa 6 oder 8 Jahren anfängt, wo, wie Sie alle genau so wie wir wissen, im Grunde genommen die Reste der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft noch weiterlebten, in einer Periode allgemeiner Unsicherheit und Zersplitterung, und warum man dann nicht den Kreis der Betrachtungen über die Nützlichkeit, Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit politischer und ökonomischer Theorien etwas weiter ausdehnt und die letzten hundert Jahre in Betracht zieht, von denen man ja bestimmt nicht sagen kann, daß der demokratische Sozialismus, dem wir Sozialdemokraten uns verpflichtet fühlen, etwa die Geschicke der Welt regiert hätte. Es war doch wohl nicht so, daß die Sozialdemokraten an der Wiege des 1. und 2. Weltkriegs und der großen Krisen der kapitalistischen Wirtschaft gestanden haben;
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das waren doch die Tendenzen und geistigen Strömungen, die aus der Welt des sogenannten Bürgertums entsprungen sind.
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Stellen Sie also die Dinge doch nicht auf den Kopf, sondern haben Sie auch einmal den Mut, die Geschichte nicht von dem Gesichtspunkt aus zu bewerten, der Ihnen nützlich erscheint, wenn Sie im Augenblick in einer für Sie günstigen Konjunktur stehen, und den Sozialismus in Bausch und Bogen abzufertigen, obwohl Sie sich vermutlich nie mit dem Wesen dessen beschäftigt haben, was wir unter Sozialismus verstehen!
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Versuchen Sie einmal, obwohl es vielleicht schwer ist, so objektiv zu sein wie möglich!
Ich will noch eine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Niederalt machen. Er hat die sozialdemokratische Bundestragsfraktion angezapft und hat ihre zweifelhafte Länderfreundlichkeit hier kritisiert.
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Na schön, über die Frage, ob eine bestimmte Sorte von Föderalismus für das deutsche Volk in den letzten acht Jahren nützlich war oder nicht, könnten eigentlich im wesentlichen diejenigen miteinander reden, die eine Periode noch größerer Verwirrung miterlebt haben, nämlich die vergeblichen Bemühungen im Wirtschaftsrat für die zwei Zonen, das Auseinanderfließende durch gesetzgeberische Maßnahmen zusammenzuhalten, und die dabei auf den Beistand der Länderregierungen gerechnet haben. Ich mache keinen Unterschied der Farbe. Dabei haben wir alle die Erfahrung gemacht, daß es viel leichter war, einen Sack Flöhe
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zu hüten, als die zehn oder elf Länderregierungen für die Meisterung einer gemeinsamen Aufgabe unter einen Hut zu bringen.
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Ich finde, daß da der Föderalismus gründlich kompromittiert und ebenso gründlich mißverstanden worden ist. Wir halten es da mit dem Gesichtspunkt, daß die Aufgaben zwischen den verschiedenen Ebenen der öffentlichen Verwaltung so verteilt werden sollen, daß so viel zentrale Entscheidungsmöglichkeit wie notwendig und so wenig Zentralismus wie möglich in der öffentlichen Verwaltung Platz greifen. Ob Sie das als ein Grundprinzip des Föderalismus akzeptieren oder ob Sie dem die andere Etikette umhängen, das ist uns ganz einerlei. Wir glauben aber, daß man bei der sachlichen Entscheidung über die Frage z. B. der Aufteilung der Steuerquellen ganz von selber von den Notwendigkeiten und von den Aufgaben, aber nicht von den Theorien ausgehen wird. Wenn man das tut, dann wird man zu einer richtigen Lösung kommen. Im übrigen, Herr Kollege Niederalt, muß ich Ihnen den Schmerz bereiten, Ihnen mitzuteilen, daß wir im Gegensatz zum bayrischen Finanzminister und vielleicht auch zur bayrischen Landtagsfraktion der Sozialdemokratie nach wie vor für die Bundessteuerverwaltung eintreten.
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Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin gezwungen, mich jetzt zum Wort zu melden, da ich mich spätestens in einer halben Stunde zu einer seit Wochen angesetzten Besprechung mit den Herren Länderfinanzministern begeben muß und nicht durch ein verspätetes Eintreffen die Atmosphäre, die vielleicht schon etwas gespannt ist, verdüstern möchte. Ich bitte deshalb zu entschuldigen, wenn ich außerhalb der Reihenfolge hier einspringe.
Meine Damen und Herren, ich habe meine Einführungsrede am 22. Januar mit dem Satz geschlossen: Nun stelle ich mich der Kritik dieses Hauses. Wenn ich die jetzige Aussprache überblicke, so darf ich wohl sagen, daß sie sachlich gewesen ist und daß die Kritik, soweit man von einer solchen sprechen kann, sich in sachlichen Formen und auf sachlichem Gebiet bewegt hat. Sie spiegelt damit den Geist wider, in dem wir uns jetzt seit fünf Jahren auch im Haushaltsausschuß bemühten, den Haushalt in einer sachlichen Atmosphäre und Zusammenarbeit zu behandeln.
Ich darf aber, nachdem die Aussprache sich zum großen Teil auch auf dem Gebiet der grundsätzlichen Erörterung, der Staatspolitik für die deutsche Bundesrepublik, bewegt hat, hier nur ein Thema herausgreifen, ohne daß ich deshalb sagen wollte, daß die anderen Themen nicht genau so erörternswert wären. Dieses Thema hängt natürlich mit der Aufgabe des Bundesfinanzministers zusammen, die finanzielle Ordnung, die Stetigkeit von Finanzen und Währung zu wahren.
Darf ich bei dieser Gelegenheit zunächst etwas sagen, was nicht der Bundesfinanzminister, sondern was das Mitglied des Deutschen Bundestages und damit ein Mann sagt, der in seinem Leben schon zweimal einen Staat hat zusammenbrechen und mehrere Revolutionen und Staatsstreiche über das Volk hat hingehen sehen; Ereignisse und Zeiten, die, wenn wir eine Folgerung ziehen und wenn wir auf die Zeit zurückblicken, den Wunsch nach der Festigkeit des Staates in erster Linie erwachsen ließen. Ich darf einen kühnen Satz wagen: Die Festigkeit eines Staatswesens ist in erster Linie dann gesichert, wenn die finanzielle Ordnung, aus der sich die Regelung der inneren Verhältnisse und die Bewahrung des sozialen Friedens in erster Linie mit ergeben, in einem Staat gefestigt ist.
Der ganze staatspolitische Geisteskampf unserer Zeit läßt sich heute in die zwei Worte fassen: hie Demokratie, hie totalitärer Staat. Wenn wir unserer Zeit neue Erschütterungen ersparen wollen, dann müssen wir den Gedanken der Demokratie zu einem Volksgedanken, zu einer inneren Überzeugung unseres Volkes machen.
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Dazu ist, meine Damen und Herren, im demokratisch-parlamentarischen System das Parlament berufen. Das Parlament ist es, das die Fahne der Demokratie hochzuhalten, die Aufgabe der Demokratie vor dem Volke zu erfüllen und durch Leistung für den Gedanken der Demokratie zu werben hat. Wenn das Parlament in seiner Aufgabe versagt, wenn der Gedanke an die stetige, ruhige Entwicklung durch Verschulden des Parlaments gefährdet wird, dann wird der Gedanke der Demokratie durch den gefährdet, dem dieser Gedanke anvertraut ist.
Ich darf Ihnen ein Beispiel aus meiner Jugendzeit geben. Als ich die ersten Lehrstunden in dem damaligen Parlament, dem Bayerischen Landtag, genommen hatte, traf ich dort einige recht alte Parlamentarier mit großer Lebenserfahrung, und unvergeßlich ist mir ein Satz, den einer zu mir gesprochen hat:
Ob das Parlament krank oder gesund ist, erkennt man daran, ob das Parlament als Einrichtung, als Ganzes, als Institution im Volk ein Echo und ein Vertrauen findet. Krank ist das Parlament, wenn nur einzelne Parlamentarier dieses Ansehen haben und dieses Vertrauen genießen.
Er wollte damit folgendes sagen. Wenn wir uns alle in dem Gedanken üben, daß das Parlament eine Volksvertretung ist und nicht die Vertretung eines einzelnen Kreises, nicht die Vertretung eines Berufes und nicht die Vertretung einer Interessentenschicht, und wenn wir uns alle in diesem Gedanken eingliedern unter Verzicht auf persönlichen Ehrgeiz, unter Verzicht auf die Eitelkeit, eine besondere Rolle zu spielen, unter Verzicht darauf, der besondere Wortführer einer Schicht, einer Gruppe zu sein und infolgedessen zu einseitig deren Interessen zu vertreten, wird das gesamte Parlament gesunden und die Fahne der Demokratie, die es trägt, geachtet sein. In dem Geisteskampf, in dem wir heute stehen und in dem die staatspolitischen Gegensätze gekennzeichnet sind mit den Worten Demokratie und totalitärer Staat, würden wir mit dieser Einstellung eine Lebensaufgabe für das deutsche Volk erfüllen.
Lassen Sie mich nun als Finanzminister die Folgerung aus dem ziehen, was sich der überzeugte Demokrat und Parlamentarier zum Grundsatz gemacht hat: die Stetigkeit in den öffentlichen Finanzen zu wahren, um das Vertrauen der Bevölkerung dafür zu gewinnen, daß die öffentlichen Finanzen in einer demokratischen Regierung, in einem demokratischen Parlament um der Allge({1})
meinheit willen, um der vielen, nicht um weniger willen, in Ordnung sind.
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Man muß sich, wenn man von diesem Gedanken aus den Haushaltsplan betrachtet, jetzt die Frage vorlegen: Ist denn die finanzielle Ordnung oder, um es mit dem erwähnten Ausdruck zu nennen, die Stetigkeit in diesem Haushalt gesichert? Meine lieben Damen und Herren, alle Dinge sind relativ. Seit Einstein müssen wir erkennen, daß es auch in der Naturwissenschaft nur relative, keine absoluten, keine unveränderlichen Größen gibt. Wenn sich der Körper mit seiner Geschwindigkeit in Stoff und Volumen verringert und bei Erreichen der Lichtgeschwindigkeit alles zu Licht wird, gibt es nur relative Größen. Ich vergleiche also die Entwicklung des Haushaltsplans 1954 mit der von früheren, um festzustellen, ob er an innerer Festigkeit gewonnen hat. Da darf ich jetzt ganz nüchtern folgendes ausführen.
Wir haben an Steuereinnahmen im Jahre 1954 gegenüber dem Vorjahr ein Mehr von 1500 Millionen DM angenommen. In allen Vorjahren ist nicht nur das erhoffte Steuer-Mehr, sondern leider Gottes meistens sogar ein höherer Betrag in den ordentlichen Haushalt übernommen und dann auf der Ausgabenseite des ordentlichen Haushalts eingesetzt worden. Wir haben in diesem Jahr, obwohl wir ein Steuer-Mehr von 1500 Millionen DM annehmen, ein Wachstum des ordentlichen Haushalts von nur rund 500 Millionen DM. Der Unterschied von 1000 Millionen DM dient zur inneren Konsolidierung, zur inneren Festigung des ordentlichen Haushalts. Es sind nämlich, was für jeden sichtbar ist, Einnahmeposten, die vom Standpunkt der Solidität, der Festigkeit nicht zweifelsfrei sind und im Vorjahr nur unter besonderen Umständen, unter besonderen Notständen eingesetzt waren, in diesem Jahr zur Erleichterung meines Gewissens verschwunden; das ist ein Betrag von 975 Millionen DM: Beitrag des außerordentlichen Haushalts in den ordentlichen Haushalt. Das ist das eine äußere Symbol einer inneren Festigung des ordentlichen Haushalts.
Was den außerordentlichen Haushalt betrifft, so haben wir ihn in diesem Jahr nicht nur insofern verringert, als wir Posten, die früher im ordentlichen Haushalt standen, in ihn übernommen haben, nunmehr allerdings mit einem Vorbehalt, nämlich mit dem Vorbehalt, daß wir das Aufblähen des außerordentlichen Haushalts für gefährlich halten und es als unsere Pflicht ansehen, den außerordentlichen Haushalt ziffernmäßig so zu begrenzen, daß er auch echte Anleihemöglichkeiten bietet und daß wenigstens die Hoffnung gewahrt werden kann, die Beträge möchten am Geld- und Kapitalmarkt auch wirklich aufgebracht werden. Damit ist uns allerdings - und ich möchte das für die Beratung im Haushaltsausschuß vorausschicken - auch für den außerordentlichen Haushalt eine Grenze gesetzt. Wenn wir nämlich über diesen Betrag, den wir ausgerechnet haben, hinausgehen, um irgendwelchen Leuten Freude zu machen, dann tun wir es wider besseres Wissen. Denn wir sind der Überzeugung, daß der jetzige Betrag des außerordentlichen Haushalts bereits die Wahrscheinlichkeitsgrenze - echte Anleihemöglichkeit - erreicht hat und jeder Betrag, den wir darüber hinaus ansetzen, ein, sagen wir es ganz offen, Selbstbetrug und ein Betrug derer wäre, deren Wünsche wir hier nur äußerlich, aber nicht tatsächlich erfüllen können. Deswegen, das möchte ich betonen, ist diese Konsolidierung hier auch erfolgt.
Nun folgendes wegen einer Bemerkung von Herrn Kollegen Schoettle in seiner Rede. Die 400 Millionen für den Wohnungsbau durften verplant werden, weil wir sie als sichere Einnahme bezeichnen. Mit den 512 Millionen DM Schuldverschreibungen hat das gar nichts zu tun. Wir rechnen mit einer Kapitalaufnahme, also einer Anleiheaufnahme von rund 1500 Millionen DM. Die ersten Mittel hieraus gehören dem Wohnungsbau. Daß 500 Millionen DM auf dem Geld- und Kapitalmarkt aufgebracht werden können, ist über jeden Zweifel erhaben. Infolgedessen war die Verplanung für den Wohnungsbau ohne weiteres innerlich gerechtfertigt und möglich.
Insofern kann ich sagen, daß die Festigung des Haushalts nach meiner Überzeugung im Rahmen des heute Möglichen erreicht worden ist. Ich möchte aber auch die Gründe nennen, aus denen sie jetzt erreicht werden mußte. Wir haben in den Jahren 1952 und 1953 gefährliche Entwicklungen des Haushalts nur deshalb vermieden, weil der Posten Verteidigungsbeitrag in diesen beiden Jahren aus den bekannten Gründen Ersparnis- und Ausweichmöglichkeiten bot. Wir müssen uns bewußt sein, daß wir diese Ausweichmöglichkeiten im Haushaltsjahr 1954 und von da ab nicht mehr haben. Wir haben sie deswegen nicht, weil wir hier einen Betrag von insgesamt 9000 Millionen DM eingesetzt haben, der - und jeder, der internationale Verhandlungen und Kräfteverhältnisse und die Leistungen der anderen auf diesem Gebiet kennt, wird mir das bestätigen - eine berechtigte Hoffnung auf große Einsparungen nie aufkommen läßt, möge der EVG-Vertrag am 1. April, am 1. Juni oder vielleicht sogar noch später wirklich ratifiziert sein. Der Betrag von 9000 Millionen DM wird nach den internationalen Verhandlungen für das Gesamtjahr diese Ersparnismöglichkeiten nicht mehr bieten. Wir sind infolgedessen dazu gezwungen, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen.
Es wird häufig nach Reserven gefragt. Ich glaube, das geschieht aus dem Bewußtsein der Verantwortung heraus, die vor jedem einzelnen von uns steht, und man möchte sich dieses schwere Gefühl der Verantwortung durch eine schwache Hoffnung erleichtern. Ich habe manche äußerlich lobenden und nett klingenden Worte über den listenreichen Odysseus gehört.
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- Nein, nicht von Ihnen! - Aber, meine Damen und Herren, Sie kennen das alte Wort: Wo nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren. Auch Odysseus war es nicht möglich, eine List anzuwenden, wenn nicht irgendein Hilfsmittel für die Anwendung dieser List noch vorhanden gewesen ist, eine Reserve.
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Diese Reserven werden ja ängstlich überwacht. Sie kennen doch unser System: Der Bundeshaushalt geht zuerst zu den Ländern. Die Länder wissen, daß nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes die durch andere Einnahmen nicht gedeckten Ausgaben des Haushalts von ihnen in Form eines erhöhten Bundesanteils zu übernehmen sind. Sie
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können sich doch vorstellen, daß Jahr für Jahr -und nicht nur bei den Haushaltsberatungen, auch, nach Ihren Erfahrungen, außerhalb der Haushaltsberatungen während des Jahres - alle Sachverständigen sämtlicher Länderfinanzministerien prüfen, wie sie es im nächsten Jahr vermeiden können, nicht gedeckte Ausgaben des Bundes anzuerkennen, damit sie die Erhöhung des Bundesanteils nicht annehmen müssen. Sie mögen infolgedessen den listenreichsten Odysseus finden, - er würde im Lauf der langen Jahre gar nicht in der Lage sein, in dieser Siutation den Ländern irgendwelche Reserven zu verschweigen. Er hätte nur den einen Wunsch: die Länderhaushalte daraufhin nachzuprüfen, welche Reserven in diesen enthalten sind. Das kann er aber leider nicht.
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Das Ziel der Festigung und Stetigkeit ist u. a. auch die Vorbereitung der Steuerreform. Dazu darf ich aber etwas sagen. Im allgemeinen entschließen sich Finanzminister dann zu einer Steuerreform, wenn sie Überschüsse haben. Der deutsche Bundesfinanzminister hat keine Überschüsse. Was Herr Kollege Vogel über die im nächsten Jahr auf uns zukommenden Belastungen ausgeführt hat, ist leider Gottes völlig richtig und nur insofern noch zu ergänzen, als, wie er ja selbst andeutete, noch große unbekannte Lasten im Hintergrund stehen, die wir zahlenmäßig nicht erfassen können. Eine derart schwere Aufgabe, der ich mich gegenübersehe, kann ich nur dann lösen, wenn wenigstens der Etat des Ausgangsjahres in sich gefestigt und innerlich stark ist und keinen Experimenten unterliegt. Das ist die Situation.
Nun kann leider Gottes der Bundesfinanzminister nicht den Gesetzgeber spielen und gleichzeitig die Mittel, die er zur Festigung des Haushalts braucht, aufbringen. Auf die Gefahrenpunkte des Haushalts habe ich in meiner Einführungsrede hingewiesen und habe sie immer noch zu unterstreichen. Er kann also alles nicht gleichzeitig tun, er braucht dazu das Parlament, er braucht dazu die Länder, und er braucht auch das Verständnis der Öffentlichkeit. Nun darf ich aber folgendes sagen: Herr Kollege Schoettle hat meinem Grundsatz, daß die finanzielle Ordnung und Stetigkeit aufrechterhalten werden muß, zunächst so liebenswürdig zugestimmt. Er hat dann mit einem starken oder leisen Zweifel, jedenfalls mit Zweifeln darüber gesprochen, ob die Stetigkeit des Haushalts wirklich erreicht sei, so wie der besorgte Hausvater sich fragt, ob das, was ihm der Handwerker ins Haus bringt, auch das Geld wert ist, das er dafür ausgibt. Wenn ich das Beispiel eines Stuhles nehme: ob er auch wirklich seinen Leib künftig diesem soliden Stuhl überlassen kann. Ich habe also daraus die Sorge entnommen, den Bundesfinanzminister - vom Bundesfinanzminister nur als Repräsentanten der Bundesrepublik gesprochen - in der Politik der Stetigkeit und der Solidität dieses handwerksmäßig hergestellten Stuhles zu unterstützen. Sie werden verstehen, daß ich schmerzliches Bedauern in meiner Seele fühlte, als Sie dann unmittelbar fortfuhren, eine Taschensäge herauszogen und anfingen, Stuhlbein für Stuhlbein von diesem eben gelieferten Stuhl anzusägen oder abzusägen.
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Sie haben erstens einmal - wenn ich das Stuhlbein nehme - sofort erklärt: „512 Millionen? Unmöglich!" - Nicht wahr, Sie wissen, was ich
meine: die Schuldverschreibungen, die von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und von den Rentenversicherungsanstalten anstelle von Barzuschüssen übernommen werden sollen, wenn sich die Notwendigkeit dafür ergibt.
Ich darf jedoch hier wieder einmal feststellen, Herr Kollege: Wenn man ein Nein sagt zu einem Gefüge, das in sich fest sein soll - und Sie wollen, daß der Stuhl vier Beine hat -, d. h. wenn Sie das eine Bein wegschlagen, dann wäre es nett gewesen, es wäre eine gute handwerkliche Leistung gewesen, wenn Sie sofort ein anderes, besseres Stuhlbein hergestellt hätten.
({8})
Von dem anderen Stuhlbein habe ich nichts gesehen, und der Stuhl mit drei Füßen scheint mir nicht solide zu sein.
Nun darf ich zu dem einen Stuhlbein einmal etwas sagen, damit in der Öffentlichkeit kein falsches Bild entsteht. Die 512 Millionen DM haben mit dem Rentenempfänger gar nichts zu tun! Der Bundeshaushalt zahlt jährlich rund 2600 Millionen D-Mark Zuschüsse aus Steuergeldern an diese Anstalten. Er zahlt diesen Zuschuß erstens, weil die Währungsumstellung das alte Deckungskapital verflüchtigen ließ, und zweitens, weil wir uns heute schon Sorgen darüber machen, daß im Jahre 1960/61 die Altersentwicklung des deutschen Volkes dazu führen kann, daß die Beiträge an diese Anstalten geringer sein werden als die laufenden Rentenzahlungen, schon nach der jetzigen Gesetzgebung.
({9})
Wir sammeln infolgedessen bewußt ein Deckungskapital an. Das Geld, von dem hier gesprochen wird, ist nicht für den heutigen Rentenempfänger gedacht, es ist nur zur Ansammlung eines Deckungskapitals bestimmt. Wenn das Deckungskapital heute schon in Industrieobligationen, Kommunalobligationen und sonstigen Wertpapieren angelegt wird, dann frage ich: Ist es eine Zumutung, dieses Deckungskapital in Papieren anzulegen, die schließlich von dem gegeben werden, der der Garant nicht nur dieser Anstalten, sondern letzten Endes aller inneren Werte, die bei uns umlaufen, ist, ob das Kommunal-, Länder- oder sonstige Wertpapiere sind, die heute auch schon in der Deckungsmasse dieser Anstalten liegen?
({10})
Diese Maßnahme mag vielleicht vom Standpunkt der Selbstverwaltung aus kritisiert werden. Sie wissen, Selbstverwaltung wird meistens eifersüchtig geübt; Sie wissen aber auch, Eifersucht ist eine Leidenschaft, die manchmal blind macht und manchmal die Dinge anders sehen läßt, als sie in Wirklichkeit sind.
({11})
Ich hoffe also, wenn wir ohne Eifersucht in ruhiger Abschätzung der wirklichen Verhältnisse miteinander reden, werden wir uns gegenseitig davon überzeugen, daß es im Interesse beider Teile liegt, zu einer Einigung zu kommen. Denn ein Zusammenbruch, eine Krise des Haushalts ist auch für die Sozialversicherungsanstalten gefährlich, da der Bundeshaushalt der Garant ihrer Existenz ist.
({12})
({13})
Dann zu dem zweiten Stuhlbein, zum Bundesanteil von 42 %. Da darf ich doch einmal die Rechtslage schildern, Herr Kollege, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, bereits das Ersatzstuhlbein zur Verfügung zu stellen. Die Dinge liegen nämlich so: nach Art. 106 Abs. 3 erhält der Bund die Mittel für die durch andere Einnahmen nicht gedeckten Ausgaben durch den Bundesanteil. Der Bundesbedarf ist in dem Moment, in dem die Haushaltsausgaben feststehen, umrissen. Ich bemerke: das Wort „Sparsamkeit", Herr Kollege Schoettle, ist dann, wenn man davon spricht, daß nur die nichtnotwendigen Ausgaben vermieden werden müssen, immer eine Tugend. Da kann die Frage nach der Untugend gar nicht aufgeworfen werden. Ich sprach von den nichtnotwendigen Ausgaben. Also wenn ich den Haushalt aufgestellt habe, habe ich das Volumen der Ausgaben. Und dann komme ich zu der Überlegung: was durch die jetzt bestehenden Bundeseinnahmen nicht gedeckt ist, ist die Summe, die durch den Bundesanteil zu decken ist, entweder durch den Bundesanteil oder durch andere Einnahmen, die sich der Bund schafft.
Theoretisch kann sich der Bund jederzeit neue Einnahmen schaffen. Theoretisch kann ich die Umsatzsteuer vervielfältigen, wie ich will. Das ist letzten Endes die Einnahmequelle. Würde jemand es für gesund und vernünftig, für gerecht und billig halten, wenn in einer Zeit, in der die Ländereinnahmen ausreichen, um dem Bund zu geben, was um der Allgemeinheit willen notwendig ist, der Bundesgesetzgeber nur wegen einer Weigerung der Länder gezwungen wäre, neben überflüssigen Einnahmen der Länder die Umsatzsteuer zu erhöhen, nur um den Zusammenbruch seines Haushalts zu vermeiden? In einer Zeit, in der auf einem Teilgebiet eine steuerlich ausreichende Decke vorhanden ist, neue Steuern einzuführen, nur weil die zwei sich nicht einigen können, so daß der Steuerzahler der geduldige Esel ist, auf dessen Rücken alles ausgetragen wird, würde doch jeder unvernünftig finden.
Darum meine ich, Herr Kollege Schoettle: wenn wir zusammenarbeiten wollen, und wir haben, hoffe ich, beide die Überzeugung, daß auch der andere den besten Willen hat, dann müssen wir uns doch sagen: Was ich an Bundesanteil verweigere, ohne in der Lage zu sein, nachzuweisen, daß die Ausgaben des Bundes gemindert werden können und daß die Summe der nicht gedeckten Ausgaben nicht mehr so hoch ist, das muß ich durch andere Einnahmen, die dem Bund zur Verfügung gestellt werden, zu decken vorschlagen. Dann steht die Verantwortung für das Nein einer Verantwortung für ein anderes Ja gegenüber. Ich halte es für die Pflicht eines Parlamentariers, die Verantwortung auf beiden Seiten zu tragen, ob Sie heute Opposition, in einer anderen Session einmal Regierungspartei sind oder ob wir heute Regierungspartei und, was Gott verhüten möge,
({14})
ein anderes Mal Opposition sind. Also, darüber müssen wir uns klar sein. Das ist auch das, was ich den Ländern und bei einem Streit mit den Ländern dem deutschen Steuerzahler erzählen müßte. Ich glaube, daß sich für die Umsatzsteuer die Wähler sogar interessieren, wenn Landtagswahlen sind.
({15})
Also das wäre ein zweites Beispiel, über das wir gesprochen haben.
Nun darf ich noch kurz auf die Einwendungen eingehen, die der Herr Minister Flecken, mein verehrter Kollege im Lande Nordrhein-Westfalen
- über dessen wirkliche Finanzlage, Kassenguthaben usw. ich eine erschöpfende Auskunft nicht geben will, weil ich sie nicht geben kann ({16})
vorgebracht hat. Ich will deswegen nicht näher darauf eingehen, weil alles, was er jetzt im „Handelsblatt" in einem Artikel wiederholt hat, wörtlich das ist, was im Bundesrat im Namen der Länder vorgetragen worden ist. Ich habe darauf geantwortet. Diese Antwort ist im „Handelsblatt" nicht abgedruckt. Ich habe also die stille Hoffnung
- ich nehme an, daß aus irgendwelchen Gründen die Antwort von der Gegenseite noch nicht nachgeprüft worden ist, daß sie aber sicher nachgeprüft werden wird -, daß die von mir vorgetragenen Argumente am Schluß die Gegenseite überzeugen werden.
Ich möchte nur ganz kurz zu einem Punkt bemerken: Für die Zolleinnahmen - das habe ich schon im Bundesrat erklärt - kann nicht einfach schematisch eine vermutliche Steigerung des Jahres 1953/54 genommen werden. Man muß daran denken, daß durch die jetzt schon getroffenen gesetzlichen Änderungen, die auch mit der Montanunion zusammenhängen, ein Ausfall von rund 65 Millionen DM bestimmt eintreten wird. Ich muß also bei jeder Steigerung die gesetzlichen Änderungen berücksichtigen und diese Ausfälle abziehen.
Bezüglich des Disagios kann ich nur darauf verweisen: Hier hat sowohl der Bundestag in seinen früheren Beratungen wie auch der Bundesschuldenausschuß, in dem der Bundesrat übrigens vertreten ist, sein Votum im Sinne der Darlegungen des Bundesfinanzministers abgegeben.
Bei den Zinsen ergeben sich immer gewisse Möglichkeiten. Herr Kollege Schoettle hat angefragt, ob der Bund wesentlich reicher geworden ist durch die Tatsache, daß, nachdem jetzt der Überhang an Besatzungskosten als Kassenguthaben vorliegt, Zinsen eingehen. Ich möchte, damit die Öffentlichkeit die Zahlen kennt - ich habe es Herrn Kollegen Schoettle schon gezeigt -, feststellen: Einnahmen an Zinsen vom 1. April 1953 bis 31. Dezember 1953 insgesamt 32 Millionen DM; Ausgaben an Zinsen, nämlich für die schwebende Schuld, etwas über 22 Millionen DM; Erträgnis netto 10 Millionen DM. Meine Damen und Herren, das macht das Kraut nicht fett, wie man bei uns sagt, und der Fehlbetrag des Jahres 1953 wird sich deshalb leider nicht vermindern.
Weil ich von dem Fehlbetrag 1953 rede und an die nette Schilderung vom Kollegen Dresbach denke, wie sich die Händler auf dem Viehmarkt oder die Finanzminister bei ihren Besprechungen in Bad Nauheim oder sonstwo gegenseitig in die Augen sehen, - ({17})
- In die blauen germanischen Augen sehen, ganz richtig, mit der stillen Frage: wer? wen? Für die Vergangenheit, Herr Kollege Dresbach, braucht man die Frage gar nicht aufzuwerfen. Wir haben den Bundesanteil berechnet und festgelegt, um einen Fehlbetrag zu vermeiden. Wir haben den Bundesanteil in all den Jahren nie in der gewünschten Höhe erhalten und wir haben in all den
({18})
Jahren sehr beträchtliche Fehlbeträge zu verzeichnen, die wesentlich geringer wären, wenn die Länder, wozu sie in der Lage gewesen wären, dem Vorschlag des Bundesfinanzministers gefolgt wären, der nie vorgeboten hat, sondern immer nur das gewünscht hat, was er als für den Bund unbedingt notwendig erklären mußte - seiner Pflicht entsprechend -, und der dies immer nur verlangt hat, wenn er gleichzeitig der Überzeugung war - und das bin ich -, daß die Leistungsfähigkeit der Länder davon nicht betroffen und nicht berührt wird.
Nun aber muß ich sagen, der Artikel des Herrn Kollegen Fleck en im „Handelsblatt" hat mir sogar eine leise Hoffnung gegeben. In einem wiederholt er die Argumente aus dem Bundesrat nämlich nicht: bei dem Thema Bundesbahn und deutsche Verkehrspolitik. Es scheint fast, daß eine Mitwirkung der Länder, wie er hier sagt, an der Bundesbahnreform erfolgen kann unter der Voraussetzung - sagt er -, daß das im Rahmen eines konstruktiven Gesamtplans geschieht. Ich bin hoffnungsvoll genug, anzunehmen, daß es sich hier um einen Ball handelt, den ich aufzunehmen sehr gern bereit bin. Ich will eine Einigung mit den Ländern, ich will ein Verständnis der Länder und eine Verständigung. Ich bin für jeden Wink dankbar, der zu einer Einigung führt, der dem Bund in seinen Aufgaben das gibt, was er braucht, und den Steuerzahler mit einer unnötigen, unvertretbaren Belastung verschont. Ich bin jeden Weg dazu zu gehen bereit und hoffe, daß mich der Gedanke, es könnte hier ein kleiner Wink enthalten sein, nicht täuscht.
Nun, meine Damen und Herren, darf ich noch zu einem anderen Punkt zurückkehren. Wir haben im Laufe der Debatte nicht nur gehört, wie alles I wünscht, daß die finanzielle Ordnung aufrechterhalten wird, sondern wir haben von verschiedenen Seiten auch gehört, welche Reformen - Reformen, die Geld kosten werden - gewünscht werden: nicht nur Sicherung der älteren Angestellten und Sozialreform, Agrarreform, selbstverständlich Verbesserung des Straßennetzes - ein besonderer Wunsch von Herrn Kollegen Schoettle, wobei ich nebenbei bemerke: man soll sich einmal den Kopf zerbrechen, welche Unsummen von Geld schon im Wiederaufbau unseres Straßennetzes, unserer Brücken und Kanäle, die im Jahre 1945 doch alle Ruinen gewesen sind, stecken. Wir haben in Bayern einmal eine Rechnung aufgemacht; danach sind bis zum Vorjahr bereits im ganzen Bundesgebiet allein an Brücken etwa 300 km neu gebaut worden. Ich glaube, man unterschätzt die Leistungen auf diesem Gebiet, unterschätzt, was der deutsche Steuerzahler auch für die Wirtschaftszweige, die diese Straßen benutzen, schon getan hat.
Man muß das alles zusammennehmen, meine Damen und Herren; ich muß Sie bitten, nicht jedes Programm für sich, sondern a 11 e Programme in Abstimmung und Harmonie zueinander zu betrachten. Ich halte es für richtig, daß Bundesregierung und Bundesparlament, Bundesfinanzminister und antragstellende Partei gegenseitig sich darüber klarwerden: Was ist das Dringendste, was muß unter den besonderen Verhältnissen zuerst und was kann später getan werden? Eine zeitliche Reihenfolge in allen Plänen - um den Steuerzahler nicht alles plötzlich aufzubürden - scheint mir unbedingt notwendig, und ich glaube, wir könnten uns darüber vernünftig unterhalten.
Meine Damen und Herren, Sie haben ein weiteres Kapitel angesprochen: die Anwendung des
Art. 113 des Grundgesetzes. Ich bin dem Herrn Kollegen Schoettle sehr dankbar, daß er in vorsichtiger Form, aber doch wieder mit schwäbischer Hartnäckigkeit auch den Mehrheitsparteien dabei einen Wink gegeben hat.
({19})
Ich darf ihm aber einmal sagen, wie ich es verstehe. Herr Kollege Schoettle, Sie haben ungefähr gesagt: Man spricht von der Ausgabewilligkeit des Deutschen Bundestages, und der Deutsche Bundestag macht sich durch seine Ausgabewilligkeit nur bei einzelnen beliebt, nicht bei den vielen, nicht bei der Gesamtheit des Volkes. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man in einer Versammlung steht, in der nur eine Gruppe, ein Verband, ein Beruf vertreten ist, oder ob ich in Versammlungen spreche, in denen alle Schichten gleichzeitig vertreten sind.
({20})
Reden, die in einem Gremium unter Beifall gehalten werden, werden in einem anderen Gremium wenig Beifall finden. Und man muß bedenken, daß sich der Wähler in den allgemeinen Versammlungen und nicht in den Berufs- und Kategorienversammlungen findet.
Es handelt sich also nur um die Frage, wie es gemacht werden kann, daß das, was uns anvertraut ist, die Demokratie, die Achtung, die das Parlament um der Demokratie willen vor der Gesamtheit zu erwerben und zu vertreten hat, nicht gestört werden? Hier müßten wir den Art. 113 des Grundgesetzes und die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags ihrem Sinne nach verstehen. Das englische Parlament hat sich in 200 Jahren eine Tradition anerzogen, die es in England beim kleinsten und beim radikalsten Mann als unmöglich erscheinen läßt, gegen den Gedanken „Parlament" und gegen den Gedanken „Demokratie" in eine Agitation einzutreten. Auch wir müßten erreichen, daß die Einrichtung Parlament und die Einrichtung Demokratie tabu, unantastbar in der öffentlichen Meinung werden.
({21})
In diesem Streben müssen wir zusammenwirken. Deswegen sehe ich den Art. 113 nicht etwa, wie ihn manche auffassen, als einen Versuch, eine Diktatur über das Parlament einzurichten, sondern ich sehe darin den Hinweis eines Gesetzgebers, der um die Demokratie auch bangte und sie nicht durch finanzielle Unordnung gefährdet wissen wollte, einen Hinweis, um Parlament und Bundesregierung zu einer Zusammenarbeit gegen die sie gemeinsam bedrohende Gefahr aufzurufen, daß der Gedanke der res privata über den Gedanken der res publica siegt, um sie aufzurufen, den Gedanken der res publica in gemeinsamer Verantwortung gegen diese Gefahr zu vertreten.
({22})
Wir wollen hier nicht über die Vergangenheit reden. Aber ich hoffe, daß, wenn wieder ein solcher Fall eintritt, die Bundesregierung in der ersten Stunde, in der überhaupt über eine Ausgabe gesprochen wird, ehrlich und offen sofort entweder erklärt: Ich kann die Zustimmung nach Art. 113 des Grundgesetzes nicht geben, oder: Ich kann sie nur geben, wenn du gleichzeitig die Verantwortung für eine bestimmte Deckung übernimmst, oder: Ich kann sie geben.
({23})
({24})
Wenn das in der ersten Stunde geschieht, betrachten wir das nicht als Mißtrauen, nicht als Kampf gegeneinander, sondern als Zusammenarbeit von Parlament und Bundesregierung. Ich glaube, daß wir unter dieser Voraussetzung die Stetigkeit der deutschen Finanzpolitik um des deutschen Volkes, um der deutschen Demokratie willen wahren können.
({25})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familienfragen.
Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familienfragen ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich nach dieser in die Höhen der Finanzpolitik gegangenen Ansprache des Herrn Bundesfinanzministers Ihre Aufmerksamkeit ganz kurz auf die Themen zurücklenken, die gestern bezüglich des neuen Ministeriums für Familienfragen behandelt worden sind. Fürchten Sie nicht, daß ich hier eine große Grundsatzrede zu halten beabsichtige. Dazu wird sich andere Gelegenheit bieten.
({1})
Ich möchte zunächst zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schoettle Stellung nehmen. Herr Kollege Schoettle, Sie haben in der uns beiden eigenen Weise liebevolle Kritik an Reden geübt, die ich in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit gehalten habe. Nun werden Sie in dem Vorwort zum Haushaltsplan des Ministeriums für Familienfragen finden, daß es eine besondere Aufgabe des Ministers für Familienfragen ist, den Familiengedanken in der Öffentlichkeit zu fördern. Dazu gehört ja nun wohl auch, daß man die Bevölkerung über die die Familie betreffenden Fragen aufklärt und, wenn man so sagen will, gewisse Propaganda für den Familiengedanken als solchen macht.
({2})
Wenn ich mit dem freundlichen Wort „Sonntagsredner" belegt worden bin, dann weiß ich nicht, ob ich das als eine gedankliche Parallele zu dem Wort „Sonntagsjunge" betrachten soll oder ob es eine kleine Unfreundlichkeit gegen unseren allseits hoch geschätzten Kollegen Dehler aus diesem Hause sein sollte, daß man mich mit diesem Wort belegt. Ich kann hierzu nur folgendes sagen: mir reichen leider weder die Sonntage noch die Samstage dazu aus, alle die Reden zu halten, um die ich neuerdings zu meiner Freude aus dem ganzen Bundesgebiet gebeten werde.
({3})
Das zeigt mir nämlich, daß die Resonanz auf die Schaffung eines Ministeriums für Familienfragen draußen im Bundesgebiet eine ganz, ganz andere ist, als ein gewisser Herr Friedländer es sich vorgestern im Nordwestdeutschen Rundfunk vorgestellt hat.
({4})
- Das weiß ich. Vielleicht kommt er auch dazu, sich mit mir kleinerem Minister einmal zu unterhalten. Ich würde eine solche Unterhaltung nicht ablehnen, wenn er sein Niveau wieder auf das Niveau heraufschrauben könnte, auf dem sich seine
Unterhaltungen mit dem Kanzler bewegt haben.
({5})
Ich bin nicht hier heraufgekommen, um irgendwelche Unfreundlichkeiten nach der Seite der Opposition hin zu sagen. Im Gegenteil, ich habe den sehr, sehr herzlichen und dringenden Wunsch, die Aufgabe, die mir als Bundesminister für Familienfragen gestellt ist, gemeinsam mit allen Seiten dieses Hauses in Angriff zu nehmen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß sich zwischen allen Parteien und meiner Arbeit wertvolle Brücken echter Zusammenarbeit finden lassen.
Nun noch eines, verehrter Herr Kollege Schoettle. Sie haben sich mit der Fragestunde im Bundestag in der vorvergangenen Woche befaßt, in der Herr Kollege Menzel wegen meiner in Frankfurt gehaltenen Rede betreffend die Ehescheidungen und wegen meiner Bemerkung betreffend Richtereide angefragt hatte. Sie haben mir mit dem, was Sie gesagt haben, insofern einen großen Gefallen getan, als Sie mich darauf hingewiesen haben, daß in der Geschäftsordnung der Bundesregierung steht -- was an sich selbstverständlich ist, aber ich wußte nicht mehr, daß es förmlich darin steht -,
({6})
daß die Reden der Bundesminister im Einklang
mit den Richtlinien der Regierungspolitik stehen
müssen. Wenn angesichts dieses Tatbestandes Herr
Bundesminister Dr. Schröder in dieser Fragestunde
zweimal erklärt hat, daß die Bundesregierung
keine Veranlassung sehe, zu meinen in Frankfurt
gemachten Ausführungen Stellung zu nehmen,
({7})
so dürfte die Kombination dieses Zitats mit der Bestimmung in der Geschäftsordnung der Bundesregierung doch durchaus in meinem Sinne sprechen und sich damit reimen.
({8})
Ich bitte, nicht durch falsche Auslegung eines Übergangspassus aus der Antwort meines Kollegen Dr. Schröder irgendwelche Ungereimtheiten in diese Antwort hineinzulegen.
Im übrigen weiß ich, daß Herr Kollege Schröder weder die Absicht noch den Auftrag hatte, sich bei seiner Antwort irgendwie von meinen Ausführungen zu distanzieren,
({9})
die sich ja in keiner Weise mit dem Verhalten des einzelnen Richters zur Eidesformel befaßten, das ich wie jeder andere respektiere,
({10})
sondern auf ganz allgemeine Erwägungen hinausgingen.
Was nun die Schaffung meines Ministeriums selbst angeht, so hat der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953 dazu das Wesentliche gesagt. Es müßte den Eindruck machen, als wollte ich hier pro domo reden, wenn ich in dieser Richtung noch etwas hinzufügen wollte. Aber mir liegt doch daran, die Gelegenheit
({11})
dieser Aussprache zu benutzen, nur einige Tatsachen ganz kurz skizziert einmal in das Bewußtsein der breitesten Öffentlichkeit zu bringen, ohne sie heute weiter kommentieren zu wollen.
1. Die Geburtenziffer in der Bundesrepublik je 1000 Einwohner, die im Jahre 1900 noch 35,6 war, betrug im Jahre 1952 noch 15,7.
2. Der Geburtenüberschuß je 1000 Einwohner fiel von 13,6 im Jahre 1900 auf 5,2 im Jahre 1952, so daß der Geburtenüberschuß des Jahres 1900 nur ganz wenig unter der Geburtenziffer des Jahres 1952 liegt. Wir alle wissen: die Tatsache, daß wir in Deutschland jetzt noch keinen Sterbeüberschuß haben, ist nur darauf zurückzuführen, daß die Menschen heute länger leben, daß sich aber diese Situation des Geburtenüberschusses, die sich aus dieser Tatsache ergibt, nur vorübergehend auswirken kann, so daß wir in absehbaren Jahren zu einem Sterbeüberschuß kommen werden.
3. Nach den neuesten bevölkerungsstatistischen Berechnungen wird bei uns in rund 25 Jahren die etwa gleiche Zahl der im arbeitsfähigen Alter Stehenden für die 1,7-fache Zahl - andere rechnen die 1,6-fache Zahl - von über Fünfundsechzigjährigen sorgen müssen, d. h. die Verpflichtungen der Arbeitsfähigen aus der Sorge für die über Fünfundsechzigjährigen werden um 60 bis 70 % zunehmen.
({12})
4. In den Jahren 1946 bis 1952 sind in der Bundesrepublik 480 000 Ehen geschieden worden.
5. 208 000 minderjährige Kinder haben allein durch Ehescheidungen in den Jahren 1949 bis 1951 das Elternhaus verloren.
6. 80 000 streunende Kinder haben wir heute in der Bundesrepublik, von denen die Wissenschaftler und die Praktiker sagen, daß das Streunen weitgehend auch auf die Nichtgeborgenheit in Familien zurückzuführen sei.
7. Von 40 000 Fürsorgezöglingen kommen 27 000 aus unvollständigen Familien, so daß sie kein eigentliches Elternhaus mehr haben.
Ich will diese Tatsachen nicht weiter kommentieren, sondern führe sie nur deswegen an, weil ich glaube, daß sie uns allen Anlaß geben sollten, uns mit der Erhaltung und der Sicherung unserer deutschen Familien und ihres Lebensraumes, aber auch mit ihrer sittlichen Stärkung ernstlich zu befassen.
({13})
Ich weiß, meine Damen und Herren, daß wir bei diesem Bestreben auf die Zustimmung einer überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung rechnen können, die allmählich sieht, daß der Familie droht, vom Kollektiv überfahren zu werden,
({14})
daß die private Sphäre des Menschen von der öffentlichen und beruflichen Sphäre erdrückt wird und daß eben der Lebensraum und die Entfaltungsmöglichkeit für unsere Familien infolge der ganzen Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse und natürlich auch aller möglichen Ereignisse der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht mehr genügend gewährleistet ist. Aber wenn die gesellschaftliche Entwicklung die Familie gefährdet hat, dann hat die Gesellschaft auch die Verpflichtung, die
Hemmnisse wieder zu beseitigen, die diese gesellschaftliche Entwicklung ihr gesetzt hat.
({15})
Noch eines: Ich bin eigentlich sehr überrascht darüber, daß in der bisherigen Aussprache meine in Düsseldorf gemachten Ausführungen über Familie und Film von keiner Seite berührt worden sind, obschon sie heftige Kritik gewisser Kreise hervorgerufen haben.
({16})
Ich weiß nicht, ob das darauf zurückzuführen ist, daß inzwischen der genaue Text im amtlichen Bulletin veröffentlicht worden ist und alle Mitglieder des Hauses sich vielleicht davon überzeugt haben, daß dort sehr Richtiges ausgesprochen wurde.
({17})
Ich habe in meiner Rede in Düsseldorf nichts anderes getan als die schweren Sorgen aller verantwortungsbewußten Eltern und Erzieher zum Ausdruck gebracht, die sie mit Bezug auf Filme, wie sie heute vielfach gezeigt werden, haben. Darf ich im übrigen einmal mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zwei Stellen kurz zitieren:
Der durchschnittliche Unterhaltungsfilm zeigt allzu oft eine Auffassung der Ehe und Familie, die dem im Abendland gültigen Bild, das wir uns von dieser ehrwürdigen Institution machen, widerspricht. ....
({18})
Nicht Prüderie und altjüngferlicher Moralismus, sondern das ewig gültige Richtbild von Ehe und Familie sollen bei der Beurteilung maßgebend sein.
Das war die eine Stelle, und die andere lautet: Wir wissen, daß gerade in neuerer Zeit auch Filme gespielt werden, die nicht Anlaß zu dieser Kritik geben. Es sind in letzter Zeit durch hervorragende Künstler Filme hergestellt worden, die ganz ausgezeichnet sind. Wir wollen das dankbar anerkennen und wahrlich nicht den Film als solchen verurteilen. Wir wissen aber auch, daß die Mehrzahl der Durchschnittsfilme das eheliche Leben in unwürdiger Weise auf die Leinwand bringt.
Nun, meine Damen und Herren, wenn ich diese beiden Gedanken geäußert habe, so überrascht es mich eigentlich, daß die Filmwirtschaft, die sich ja durch diese Dinge irgendwie angesprochen fühlt, sich nur durch den ersten Teil meiner Ausführungen, nämlich die negative Kritik, angesprochen fühlt, nicht aber durch den positiven Teil, durch das Lob der guten Filme. Ich frage: was ist danach also bei der Filmwirtschaft im Vordergrund des Interesses, die schlechten Filme oder die guten Filme?
({19})
Ich hätte erwartet, die Filmwirtschaft hätte gesagt: „Gut, Herr Bundesminister, wir danken Ihnen für das Lob unserer guten Filme, und wir werden gemeinsam mit Ihnen dafür sorgen, daß die schlechten mehr und mehr aus unseren Filmtheatern verschwinden."
({20})
({21})
Damit darf ich zum Schluß kommen. Wenn ich hier einige ethische Fragen angesprochen habe, so bin ich mir völlig darüber klar, daß eine ganz entscheidend wichtige Aufgabe des Ministeriums für Familienfragen darin liegt, die wirtschaftlichen Existenzvoraussetzungen unserer Familien, vor allem unserer größeren Familien, endlich grundlegend zu bessern: a) Familienausgleichskassen, b) Steuerreform, c) familiengerechter Wohnungsbau, und was alles dazu gehört.
Aber auch ein anderes muß klar und eindeutig ausgesprochen werden. Alle wirtschaftlichen Maßnahmen, die wir treffen, können auf die Dauer nichts helfen und nützen, wenn nicht auch eine innere, ethische Erneuerung vieler Familien im Lande draußen erfolgt, eine innere Erneuerung, die wir allerdings nicht von Staats wegen zu machen haben, die aber die Kirchen als ihre Aufgabe sehen, die ich in diesem Sinne für meine besten und wichtigsten Mitstreiter in meinem Aufgabengebiet halte.
({22})
Ich möchte schließlich nicht verfehlen, allen meinen Gegnern, die in den letzten 14 Tagen durch so intensive Propaganda dafür gesorgt haben,
({23})
daß das Ministerium für Familienfragen an Popularität wesentlich gewonnen hat, meinen herzlichsten Dank auszusprechen.
({24})
Meine Damen und Herren! Ich kann mir wirklich nicht denken, daß viele Mitglieder dieses Hauses in dem Ziel, das ich mir gesteckt habe, anderer Meinung sind, als ich es hier zum Ausdruck gebracht habe. Uns ist hier eine überparteiliche, eine staatspolitische Aufgabe gestellt. Sie erscheint mir gerade so wichtig wie die Sicherung unserer demokratischen Ordnung überhaupt; denn ohne gesunde Familien kann es keinen gesunden Staat geben.
({25})
Ein besonderes Wort des Dankes dazu auch den Familienverbänden draußen im Lande, den beiden kirchlichen Verbänden wie dem interkonfessionellen „Deutschen Familienverband", mit denen ich zu meiner großen Freude sehr schnell in engste harmonische Zusammenarbeit gekommen bin und als deren Sprecher im Parlament und in der Bundesregierung sowie bei der Gesetzgebung ich mich fühlen darf.
Hier ist uns eine der wichtigsten Aufgaben - der Kanzler hat es ja in seiner Regierungserklärung sehr deutlich herausgestellt - für die Zukunft von Volk und Vaterland gestellt. Ich kann Ihnen die Versicherung geben:
({26})
Ich denke nicht daran, mich durch irgendwelche Angriffe von Leuten, denen der Geldsack wichtiger ist als Sitte und Kultur, von meiner Aufgabe, dem Schutz und der Sicherung des Lebensraumes unserer Familie, abbringen zu lassen.
({27})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich muß Sie nach der großen Haushaltsdebatte, insbesondere nach der letzten Rede des Bundesfinanzministers, der noch einmal die großen Fragen umrissen hat, um Nachsicht bitten, wenn ich zu einem Problem spreche, das nur am Rande dieses ganzen Haushalts liegt und das vielleicht im Gegensatz zu den Ausführungen meines Vorredners nur nüchtern und sachlich behandelt werden kann. Aber die Tatsache, daß zum erstenmal in unserer Bundesrepublik dem Haushaltsplan für das Jahr 1954 ein allgemeiner Nachweis über das Bundesvermögen und die Bundesschuld beigefügt worden ist, rechtfertigt doch eine Ausnahme, insbesondere deshalb, weil wir in der zweiten und dritten Lesung voraussichtlich nicht mehr über das Thema werden sprechen können.
Es handelt sich bei dieser Anlage zwar um einen Torso. Trotzdem hat sie in der Öffentlichkeit als ein erster Schritt zu der lange geforderten Publizität über das Vermögen der öffentlichen Hand gegolten. Es wäre deshalb sehr wünschenswert, wenn auch die Parlamente der Länder auf die gleiche Veröffentlichung drängen würden; denn dann erst würden manche Zusammenhänge klarer, die uns vorläufig noch nicht übersichtlich sind. Besonders hoch scheinen diese Vermögen in den Ländern Bayern und Niedersachsen zu sein. Auch die Kommunen und Kommunalverbände gehören hierzu, und wenn ich z. B. an das RWE denke, so muß ich sagen: hier steht doch wohl die größte Zusammenballung wirtschaftlicher Macht, die wir in Deutschland haben und die bisher noch nicht der Entflechtung unterlegen hat.
Leider ist die Vermögensrechnung des Bundes im Gegensatz zur Schuldenrechnung aber nicht vollständig, und die Selbsteinschätzung, die man im Finanzministerium vorgenommen hat, ist doch etwas bedenklich. In dem offiziellen Bulletin vom 12. Januar ist diese Anlage zum Haushaltsplan unter der Überschrift „Die Feinheiten im Haushalt" mit folgenden Worten gelobt worden:
Überhaupt ist es diesmal die Vermögenswirtschaft, die dem Bundeshaushalt 1954 einen fast historischen Platz zuweist. Erstmals ist das Ergebnis einer umfassenden Bestandsaufnahme des Vermögens des Bundes mit allen Einzelheiten in einem Haushaltsplan dargestellt. Damit stellt sich neben die übliche kameralistische Geldrechnung zum erstenmal eine fast kaufmännische Sachrechnung, die die perspektivischen Umrisse einer künftigen exakten Vermögensbilanz des Bundes erkennen läßt. .... Die lückenlosen Aufstellungen über den Vermögensstand des Bundes beseitigen alle Illusionen über den reichen Bund.
Der Herr Bundesfinanzminister hat sich in seiner
Rede wesentlich vorsichtiger ausgedrückt. Aber
kann man wirklich von einer „umfassenden Bestandsaufnahme" und von einer Darstellung „mit
allen Einzelheiten" sprechen? Doch sicherlich nicht.
Wenn der Verfasser dieses Artikels die Aufstellung
als eine „fast kaufmännische Sachrechnung" im
Gegensatz zur „kameralistischen Geldrechnung"
ansieht, möchte ich ihm in aller Bescheidenheit
empfehlen, einmal an einem betriebswirtschaftlichen Seminar, meinetwegen meines alten Lehrers
Schmalenbach, teilzunehmen.
Schließlich liegt auch keine „lückenlose" Aufstellung vor, die unsere „Illusionen" beseitigen
({0})
könnte. Wir werden vielmehr wegen der Lücken
noch eine ganze Reihe von Fragen zu stellen haben.
Auf Seite 138 der Anlage zur Bundestagsdrucksache 200 ist auf die besonderen Schwierigkeiten der Bestandsaufnahme hingewiesen worden. Diese zeigen sich da, wo die zum Bundesvermögen gehörenden Vermögenswerte von den Ländern verwaltet werden, ferner da, wo es sich um Vermögenswerte handelt, die in die Besetzungslastenverwaltung übergegangen sind und zu denen uns bedauerlicherweise häufig der Zutritt verweigert wird. Auch sind die sogenannten Sachen im Gemeingebrauch nicht mit aufgeführt, die von Sachverständigen allein auf etwa 20 Milliarden DM geschätzt werden. Das Auswärtige Amt ist mit seinen Angaben im Rückstand. Das ehemalige reichseigene Filmvermögen, vor allem aber das Volkswagenwerk, fehlen ganz.
Die uns vorgelegte Bewertung dieses riesigen Vermögenskomplexes ist sehr problematisch. Wie ich schon vorgetragen habe, sind die Werte nicht mit einer kaufmännischen Vermögensaufstellung zu vergleichen. So hat man z. B. für Gebäude den niedrigen Neubauwert von 1936 abzüglich der Abschreibungen gewählt. Was würden unsere Finanzämter sagen, wenn wir ebenso verfahren wollten! Die nach Abzug der für Verwaltungs- und Besatzungszwecke gebundenen Grundstücke verbleibende Reserve kann wohl auf über 5 Milliarden DM geschätzt werden. Es ist zu bezweifeln, ob sie in dieser Höhe notwendig ist.
Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht aber naturgemäß die Aufstellung über die Bundesbeteiligungen an den ausgewiesenen Unternehmungen des privaten Rechts, deren Nennkapital mit insgesamt 1,2 Milliarden DM angegeben ist, an dem der Bund mit 1,1 Milliarden DM beteiligt ist. Dieser Vermögensposten bildet den Mittelpunkt aller Betrachtungen über die wirtschaftliche Betätigung des Staates und der eventuellen Reprivatisierung oder, besser gesagt, Privatisierung.
Leider vermittelt uns die Aufstellung kein klares Bild. Sie ist zunächst einmal schon wegen des gewählten Stichtags vom 31. März 1953 überholt. Allein bei der Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerks-A.G. und der Hibernia kann man schon mit einer Erhöhung des Reinvermögens um mehrere hundert Millionen DM rechnen. Wichtig ist aber, daß in der Vermögensaufstellung nur die unmittelbaren Beteiligungen des Bundes aufgeführt sind. Hinter den Holdinggesellschaften liegen Wirtschaftswerte, die manchmal ein Vielfaches des ausgewiesenen Kapitals der Dachgesellschaft ausmachen.
Es ist im Rahmen dieser Debatte nicht möglich, im einzelnen nachzuweisen, daß die Bemerkung des Herrn Bundesfinanzministers, der Wert der mittelbaren Beteiligungen sei im Rechnungswert der unmittelbaren enthalten, nicht anerkannt werden kann. Bei richtiger Erfassung der mittelbaren Beteiligung wird sich das Bundesvermögen noch wesentlich höher stellen.
Dieses gewaltige Vermögen von mindestens über einer Milliarde DM wird nun im Jahre 1954 Einnahmen von sage und schreibe 9 Millionen DM erbringen, denen 15 Millionen DM Ausgaben gegenüberstehen. Wir werden also aus Steuermitteln für die Verwaltung dieses großen Vermögens noch einige Millionen zuschießen müssen. Deshalb ist es wohl verständlich, wenn man sich im deutschen Volk Gedanken darüber macht, wie man hier zu einer Änderung kommen kann. Man muß sich dabei vor allem überlegen, nach welchen Grundsätzen solche Vermögen zu behandeln und zu verwalten sind. Für alle Anhänger des Wirtschaftskurses, den die Bundesregierung in den letzten Jahren verfolgt hat, kann wohl nichts anderes in Frage kommen als die Einbeziehung in die soziale Marktwirtschaft.
Der Herr Bundesfinanzminister aber scheint anderer Meinung zu sein. Das zeigt sich an einem Vorfall, der sich vor einem halben Jahr abgespielt hat. Im August 1953 hat der Herr Bundesfinanzminister vor der Belegschaft des Volkswagenwerks folgendes ausgeführt. Die Bundesregierung habe bis jetzt zu dieser Frage geschwiegen, weil sie nicht mit einer deutschen Landesregierung vor einer Einrichtung der Besatzungsmacht als Gegner auftreten wolle. Inzwischen habe sich das geändert. Die Bundesregierung werde dem Parlament nicht die Privatisierung des Werks vorschlagen, es sei jedoch auch nicht daran gedacht, für den Bund aus dem Werk Vorteile zu ziehen. Dieses habe vielmehr die Aufgabe, einen billigen Wagen für die breiten Massen der Bevölkerung zu bauen.
Man muß den Herrn Bundesfinanzminister fragen, was der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundeswirtschaftsminister zu dieser Haltung zu sagen haben. Zunächst lehnt Herr Schäffer die hier mögliche Privatisierung rundweg ab. Dazu wird ja der Bundestag eines Tages ein entscheidendes Wort sprechen. Welche Vorstellungen von der Marktwirtschaft hat aber Herr Schäffer, wenn er glaubt, daß sich die Herstellung eines billigen Wagens für die breiten Massen der Bevölkerung nicht auch durch die Privatindustrie ermöglichen ließe? Und dann ist interessant, wie der sparsame Finanzminister mit unseren Steuergeldern verfahren will. Er will aus diesem Werk keine Vorteile ziehen. Er will ihm also einen unberechtigten Wettbewerbsvorsprung gegenüber anderen Unternehmungen auf Kosten der Allgemeinheit der Steuerzahler sichern. Er verzichtet auf mögliche Gewinne aus dem öffentlichen Vermögen und nimmt damit eine vermeidbare Belastung des Haushalts auf sich. Eine solche Haltung kann von uns nicht gebilligt werden. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit muß auch für das Erwerbsvermögen der öffentlichen Hand gelten.
Es zeigt sich also, daß diese Vorlage nicht nur Veranlassung zu einer Überprüfung der uns vorgelegten Unterlagen und der etwaigen Gewissenskonflikte gibt, in die die Personen kommen, die in der Exekutive tätig sind und nun hier wirtschaften sollen, sondern daß sie darüber hinaus auch noch Anlaß zu einer Untersuchung über die wirtschaftspolitische Haltung der für die Verwaltung dieses Vermögens berufenen Stellen gibt. Ich hoffe, daß sich in diesem Bundestag recht bald eine Gelegenheit bieten wird, hierzu ausführlich zu sprechen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hellwig. - Ich darf die Herren Redner, die ich hier noch auf der Liste habe, bitten, sich möglichst kurz zu fassen. Denn sonst kommen wir wieder in die Zwangssituation, daß wir heute den Haushalt noch nicht überweisen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der breite Strom der Debatte sollte an einer Stelle noch etwas vertieft werden, und zwar möglichst schon da, wo sich im Grunde genommen die Quelle befindet, nämlich das Volkseinkommen und das daraus mögliche Steueraufkommen. Ich glaube, man sollte sich hier doch über ganz bestimmte Grenzen des öffentlichen Finanzbedarfs klar sein. Man darf dabei nicht nur den Bundeshaushalt und den Finanzbedarf des Bundes vor Augen haben, sondern muß die Gesamtheit der öffentlichen Haushalte, einschließlich der sozialen Einrichtungen, sehen. Da darf man nicht nur die 27 Milliarden DM des Bundeshaushalts sehen, sondern muß sehen, daß wir im Haushaltsjahr 1954 wahrscheinlich an etwa 50 Milliarden DM Steuern und Sozialabgaben herankommen werden. Diese Größenordnung müssen wir im Verhältnis zu der gesamten volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sehen, insbesondere im Verhältnis zu dem Begriff des Volkseinkommens. Wir haben im letzten Jahre die bedenkliche und gefährliche Entwicklung beobachten müssen, daß die Steuern und Sozialabgaben, d. h. die gesamten Leistungen für die öffentlichen Aufgabenbereiche, stärker zugenommen haben als das Sozialprodukt. Wir müssen aber, wenn wir eine Katastrophe vermeiden wollen und wenn sich das Volkseinkommen und damit das Steueraufkommen einigermaßen gleichmäßig entwickeln soll, unter allen Umständen vermeiden, daß das Gleichgewicht zwischen Produktions- und Staatswirtschaft gestört wird. Die Störungen sind im vergangenen Jahr deutlich geworden. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die sehr lehrreichen Berechnungen des Berliner Instituts für Wirtschaftsforschung verweisen, woraus ich vielleicht doch die eine oder andere charakteristische Angabe einmal erwähnen darf.
Der Anteil der öffentlichen Hand am Volkseinkommen des Jahres 1953 ist schätzungsweise um 12 % gestiegen, während in dem gleichen. Zeitraum der Anteil der Selbständigen und der Unternehmungen am Volkseinkommen um 11 % zurückgegangen ist. Wenn diese Entwicklung anhält, verlieren wir die Basis vielleicht noch nicht für den Bundeshaushalt des Jahres 1954, aber für die öffentlichen Haushalte der folgenden Jahre. Wenn das Einkommen der Selbständigen und der Unternehmungen in dieser Form zurückgeht, geht die Investitionstätigkeit zurück. Die Betrachtung der Entwicklung des Sozialprodukts im vergangenen Jahre - nämlich der Konsumgüterseite einerseits und der Investitionsmittel und Investitionstätigkeit andererseits - zeigt, daß die Investitionstätigkeit bereits hinter der allgemeinen Entwicklung des Sozialprodukts zurückgeblieben ist. Wir haben also die große Sorge, daß schon das gegenwärtige Investitionsvolumen zu klein ist, um schon in wenigen Jahren das erforderliche Steueraufkommen überhaupt noch sichern zu können.
In diesem Zusammenhang noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu dem gesamten Aufbau unserer öffentlichen Haushalte! Unsere öffentlichen Haushalte kranken daran, daß sie noch zu sehr kameralistisch aufgebaut sind, d. h. nur Einnahmen und Ausgaben gegenübergestellt werden. Der modernen Entwicklung wird nicht genügend Rechnung getragen. Der Staat hat ja nicht nur Verwaltungsaufgaben, sondern bei diesem gleichen Staat finden zwangsläufig auch Einkommensübertragungen für soziale Leistungen statt. Schließlich wird von diesem Staat auch zwangsläufig eine außerordentliche Investitionstätigkeit finanziert.
Dieser Tatsache sollte doch durch einen Umbau unserer öffentlichen Haushalte Rechnung getragen werden. An die Stelle der kameralistischen Nachweisung sollte eine mehr wirtschaftsnahe Aufgliederung treten, insbesondere in den Teilen, die einmal der Einkommensübertragung und zum andern den Investitionsaufgaben gewidmet sind. Gerade für den Gesamtbereich der Investitionstätigkeit der öffentlichen Haushalte bedürfen wir zweifellos einer wesentlichen Verfeinerung der Nachweisungen und insbesondere einer Verfeinerung der Rechnungslegung darüber, was denn nun mit diesen Investitionsmitteln geschehen ist und wie sie sich tatsächlich ausgewirkt haben. Diese Entwicklung der Haushaltsgestaltung ist in diesem Bundeshaushalt, aber auch in den Länderhaushalten, bisher nur angedeutet. Es liegt uns sehr daran, hier eine weitere Entwicklung herbeizuführen, die insbesondere dem entspricht, was andere Länder schon längst mit Erfolg in ihren öffentlichen Finanznachweisen eingeführt haben.
Ich darf noch ein Wort zu der Vermögensbilanz sagen. Wir erkennen dankbar an, daß erstmals ein deutscher öffentlicher Haushalt eine einigermaßen doch Vollständigkeit anstrebende Vermögensbilanz vorgelegt hat. Wir hoffen, daß diesem Beispiel des Bundes in Kürze alle anderen öffentlichen Haushalte folgen; denn das Bild des Bundes ist ja nur ein Ausschnitt aus dem Gesamtkomplex. Von den etwa 43 % des Volkseinkommens, die in die Steuer-und Sozialbelastung gehen, ist ein ganz erheblicher Teil Vermögensbildung bei der öffentlichen Hand. Das Vermögen, das die Bundesrepublik in dien letzten Jahren aufgebaut hat, wird von Sachverständigen auf etwa 20 Milliarden DM geschätzt. Wenn Sie noch einbeziehen, was bei den Ländern und bei anderen öffentlichen Stellen entwickelt worden ist, werden Sie doch wohl sagen müssen, daß der Komplex des öffentlichen Vermögens dort, wo er direkt in werbender Form. in Erwerbsunternehmungen, angelegt ist, eine Größenordnung erreicht hat, die volkswirtschaftlich von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Ich betrachte es im Grunde genommen - wenn ich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Schoettle zurückkommen darf - nur als einen Streit um Worte, wenn er meint, der öffentliche Haushalt sei noch nicht ein Instrument der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Kapitallenkung, ja, der Wirtschaftslenkung schlechthin geworden. Wir erkennen dieses Prinzip in der Form, wie Herr Schoettle es vorgetragen hat, nicht an. Wir müssen feststellen: praktisch sind wir längst so weit, daß der öffentliche Haushalt infolge des außerordentlichen Anteils am Volkseinkommen, an der Investitionstätigkeit, am Volksvermögen und an der wirtschaftlichen Betätigung ein Instrument der Wirtschafts- und der Kapitallenkungspolitik geworden ist. Aus diesem Grunde kommt den erforderlichen Vermögensnachweisen eine entscheidende Bedeutung zu. Ich bedaure, feststellen zu müssen, daß den Erwartungen, die wir in dieser Richtung an die Vermögensbilanz des Bundes geknüpft hatten, noch nicht entsprochen worden ist. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, die der erstmaligen Erstellung eines solchen Vermögenskataloges, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Beteiligungen, entgegenstanden. Aber die jetzige Vermögensübersicht ist im Grunde genommen rein kameralistisch, da sie lediglich Vermögenswerte auf verschiedene Methoden errechnet und addiert. Die realen Werte dahinter werden nicht sichtbar. Vor allem aber wird nicht sichtbar das wirtschaftliche Gewicht, das diese Bun({0})
desbeteiligungen an Erwerbsunternehmungen in der Praxis darstellen. Das wirtschaftliche Gewicht ist - wenn man es überhaupt in D-Mark ausdrükken kann - ein Vielfaches von den 1,2 Milliarden DM Beteiligungen, die in diesem Vermögensnachweis stehen.
Daher möchte ich einige Anregungen vorbringen und bitten, daß man sich bei der Beratung gerade dieser Vermögensübersicht um folgende Ergänzungen bemüht: einmal, daß eine Ordnung in das Vermögen hineingebracht wird, indem eine wirklich den organischen Verwendungszwecken der einzelnen Bestandteile entsprechende Vermögensordnung aufgebaut wird; zum anderen, daß Unterlagen, die im Laufe der Haushaltsberatung bereits zur Verfügung stehen, aber nicht in die Vermögensnachweise per 31. 3. 1953 hineingearbeitet worden sind, zumindest nachträglich vorgelegt werden. Ich denke dabei an Komplexe wie die Hibernia-Bergwerksgesellschaft, die allein ein Reinvermögen von über einer halben Milliarde D-Mark hat, aber als zum Stichtag der Erhebung noch nicht vorliegend mit einem Strich, d. h. ohne Aussage, in der Vermägensbilanz steht. Es sollte möglich sein, bei der Haushaltsberatung derartige Nachträge laufend zur Verfügung zu stellen. Weiterhin sollte erreicht werden, daß dieser rein vermögensmäßigen, rein fiskalischen Übersicht eine wirtschaftliche Übersicht folgt, die das wirtschaftliche Gewicht, den Aufbau und die Verflechtungen der Bundesbeteiligungen in der gewerblichen Wirtschaft offenlegt und insbesondere bis in die letzten Verschachtelungen hineingeht, die in dieser ersten Übersieht natürlich nicht nachgewiesen werden konnten.
Ein Satz aus der ersten Rede des Herrn Bundesfinanzministers hat mich etwas aufhorchen lassen. Ich weiß nicht, ob hier ein Mißverständnis vorliegt und durch eine Klarstellung Besorgnisse etwa zerstreut werden können. Ich meine die von ihm angekündigte Verwendung von Wohnungsbaudarlehen, deren Rückfloß erfreulicherweise bereits angelaufen sei. Nach seinen Angaben sollen diese Rückflüsse zum Erwerb von Beteiligungen des Bundes an Wohnungsbaugesellschaften verwandt werden. Ich glaube, hier wäre doch eine Klarstellung in dem Sinne erforderlich, daß es sich dabei bestenfalls um Ausnahmen handeln kann mit dem Ziel, den Einfluß des Bundes, der bei der Darlehenshergabe selbstverständlich eine Rolle spielt. zu sichern, nicht aber darum, eine neue Vermögensbildung durch den Bund nun auch in der Wohnungswirtschaft einzuleiten.
Im ganzen können wir wohl mit Dank anerkennen, daß dieser erste Versuch mit der Vermögensbilanz gemacht worden ist. Wir haben aber - gerade aus wirtschaftspolitischen Gründen - den dringenden Wunsch, daß in einer weiteren Darstellung auch die wirtschaftliche Seite dieses Bundesvermögens einmal aufgehellt wird.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben gestern und heute viele Ausführungen über finanzpolitische und auch über andere Fragen gehört, grundsätzliche Ausführungen, historische und theoretische, selbst gefühlvolle Ausführungen, auch von seiten des Herrn Bundesfinanzministers. Ich will keineswegs Ihre Aufmerksamkeit jetzt noch dafür in Anspruch nehmen, daß ich auf diese Ausführungen eingehe, zumal ich gar nicht alles anhören konnte.
Wenn ich noch einige kurze Bemerkungen zu einem Thema machen darf, das durch alle diese Ausführungen immer wieder hindurchschien, nämlich zu dem Thema Steuerreform, so möchte ich anknüpfen an eine in sehr grundsätzlicher Form vorgetragene Bemerkung unseres Herrn Kollegen und Spezialisten für konservative Politik. Herr von Merkatz hat hier einen Satz aus dem Tröger-Gutachten zitiert - nebenbei: es war wirklich amüsant, wie hier autoritäres Staatsdenken alles, was heute in Deutschland geschieht, als unter dem Schutz der allmächtigen Koalition geschehen ihr zu höherem Lob und Verdienst zugerechnet hat -, einen Satz, in dem von der Wichtigkeit der nivellierenden Wirkung der Einkommensteuer für die demokratische Staatsgesinnung die Rede ist. Nun, ich kann dem Kollegen Dr. von Merkatz und denen, die ihm Beifall gezollt haben, sicherlich nicht die Unwissenheit darüber unterstellen, daß jede Einkommensteuer, wie überhaupt jedes Steuersystem in einem demokratischen Staat im ganzen natürlich eine Einkommensumschichtung darstellt, welche ausgleichend zu wirken hat und von der natürlich die höheren Einkommen stärker angefaßt werden als die niedrigen Einkommen. „Ausgleichend" ist die richtige Übersetzung des Wortes ..nivellierend". Eine falsche Übersetzung, d. h. eine Übersetzung von ,nivellierend" etwa mit „einebnend", würden auch wir mit allem Nachdruck ablehnen.
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Ich glaube, daß uns niemand Derartiges unterstellen sollte.
Wir gedenken aber weder heute noch später eine Debatte über die richtige Anwendung oder Überseztung von Fremdwörtern oder über die Philosophie der Vorbemerkungen des Troeger-Gutachtens einzuleiten, sondern wichtig sind uns die praktischen Vorschläge dieses Gutachtens. Nebenbei bemerkt, ich habe gar nichts dagegen, daß es als Troeger-Gutachten bezeichnet wird. Ich habe nichts dagegen, daß es den Namen meines guten Freundes Heinrich Troeger trägt. Aber der Sache nach ist es ein Bundesratsgutachten. Wichtig sind uns die sachlichen Vorschläge dieses Gutachtens. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß uns dieses Bundesratsgutachten in weitem Abstand von allem, was bisher an Gutachten und sonstigen Äußerungen zu diesen Fragen gesagt worden ist, eine Diskussionsgrundlage zu bieten scheint, die wir recht positiv bewerten. Wir würden uns freuen, wenn wir gewisse Andeutungen aus dem Bundesfinanzministerium richtig verstanden hätten, die den Eindruck erwekken konnten, daß auch dort die Meinung geteilt wird, hiermit sei eine wirkliche Diskussionsgrundlage geschaffen.
Die Steuerreform kann in gar keiner Weise ausschließlich oder in erster Linie eine Steuersenkung sein. Das müßte man in einer Haushaltsdebatte doch noch einmal ausdrücklich betonen. Ich glaube, wir haben allen Anlaß, anzunehmen, daß auch im Bundesfinanzministerium der Gedanke der wirklichen Steuerreform vor dem der Steuersenkung richtig in den Vordergrund gestellt wird. Allerdings haben z. B. die Ausführungen des Kollegen Dehler gestern, als er von „doppelt geben" und „schnell geben" sprach, doch etwas zu sehr den Eindruck entstehen lassen, als würde das hier nur im Sinne des Weggebens und Wegschenkens von Steuern gesehen.
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Ich möchte klarmachen - es ist eigentlich selbstverständlich -, daß die Sozialdemokratie in keiner Weise interessiert ist an einer hohen Steuerbelastung oder an hohen Steuersätzen, schon gar nicht an Steuersätzen, die gar nicht effektiv sind und nur auf dem Papier stehen. Schon aus diesem Grunde möchte ich mich auch nicht damit beschäftigen, ob alles das, was in letzter Zeit über die Steuerbelastung gesagt worden ist, und ob all die Berechnungen, die dabei aufgestellt worden sind, richtig sind. Die Berechnungen, die von den nur auf dem Papier stehenden und außerdem nicht viele Leute betreffenden höchsten Spitzensätzen der Tabelle ausgehen, sind sicherlich falsch.
Was die Berechnungen in Prozentsätzen des Sozialprodukts anlangt, so nur eine grundsätzliche Bemerkung: Die Sozialabgaben, die Leistungen, die ein Unternehmen für die Sicherung seiner Arbeitnehmer, für ihre Krankenversicherung, Unfallversicherung und Alterssicherung aufbringt und aufzubringen hat, diese Leistungen zur Erhaltung der Substanz der Arbeitskraft haben einen genau so legitimen Anspruch auf einen Anteil am Unternehmensertrag wie die Leistungen zur Erhaltung der Substanz des Kapitals, wie die Rücklagen zur Kapitalerhaltung und Kapitalergänzung und können, ebensowenig wie diese, nicht ohne weiteres mit den Steuern in einen Topf geworfen werden; sie gehören in die Kategorie der wirtschaftlichen Notwendigkeiten und nicht ohne weiteres in die Kategorie der fiskalischen Abgaben.
Um es zu wiederholen, die Sozialdemokratie ist keineswegs interessiert an hoher Steuerbelastung oder an hohen Steuersätzen; aber sie ist sehr an gerechter Verteilung der Steuerlasten interessiert. Deshalb hat sie von Anfang an und in allen Debatten ohne Scheu vor Wiederholungen hier immer wieder betont, daß ihr nicht die paar Sätze, die am obersten Ende der Tabelle auf dem Papier stehen, am Herzen liegen, sondern die sehr effektiven, sehr wirksamen und sehr hohen Spitzensätze, die in jeder Einkommensstufe bereits bei den kleinsten und mittleren Einkommen erhoben werden. Hier die viel zu steile Progression, hier die lächerlich engen Progressionsstufen, hier die viel zu geringen Freibeträge immer wieder anzugreifen, das war unser Bemühen, und wir haben das von Anfang an für eine bessere mittelständlerische Politik gehalten als vieles, was unter Verwendung von vielen Worten hier von Spezialanwälten für Mittelklasseninteressen vorgetragen worden ist.
Wir glauben, daß in der Entwicklung der Steuerdiskussion, in der das Bundesratsgutachten, das Troeger-Gutachten ein gewisses Ergebnis darstellt, diese Gedanken nun mehr zum Zuge gekommen sind, als man es uns in den letzten Jahren zugestanden hat. So wird die Regierung, wenn sie wieder, anknüpfend an die Spitzensätze der Tabelle, dort nur das tut, was von gewisser Seite gewünscht ist, und im Wege einer linearen Senkung den anderen, eben den mittleren Einkommen, wieder sozusagen nur den Abfall noch mit zukommen läßt, unseren schärfsten Widerstand finden. Wenn sie es aber auf eine wirkliche Steuerreform anlegt, wenn sie ernst macht mit der Beseitigung der Steuervergünstigungen, die wir immer als einseitig und ungerecht angegriffen haben, und wenn sie ernst macht mit einer wirklichen Tarifreform
niemand kann verkennen, daß das eine das andere voraussetzt und bedingt -, wird sie keinen Widerstand bei uns finden.
Ich habe nicht die Absicht, an dieser Stelle einen vollständigen Überblick über alle Steuerprobleme zu geben. Unsere Kritik an der Umsatzsteuer haben wir oft vorgetragen. Wir können nur hoffen, daß es auch bei dieser Steuer sehr bald zu einer ernsthaften Reform kommt. Wir haben auch unsere Kritik an den Verbrauchsteuern immer wieder bekanntgemacht; ich kann darauf verweisen. Wir denken allerdings nicht daran, schematisch Verbrauchsteuer gleich Verbrauchsteuer zu setzen. Ich brauche nur das Wort „Branntweinmonopol" zu nennen - wenn mein Freund Professor Gülich heute nicht erkrankt wäre, hätte er Ihnen sicherlich noch einiges dazu gesagt -, um hier Unterschiede anzudeuten, die in der Tat gemacht werden müssen. Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß wir den derzeitigen überhöhten Satz der Körperschaftsteuer als gefährlich ansehen. Das ist ja auch eine Erfindung des Herrn Bundesfinanzministers und nicht unsere Erfindung. Wir haben auf der anderen Seite immer wieder darauf hingewiesen, daß die Probleme der Besteuerung der Unternehmen in ihren verschiedenen Formen nur durch eine wirklich reformierte und durchdachte Betriebsteuer gelöst werden können.
Es bleibt - ich kann mich auf diese Andeutungen beschränken - noch sehr viel zu tun, und wir würden es ehrlich begrüßen, wenn darüber, was hier und wie es zu geschehen hätte, eine Verständigung stattfinden könnte, die es uns ermöglicht, der Regierung unsere Mitarbeit in Aussicht zu stellen. Die Regierung wird um so mehr unser Lob finden, je schneller und je energischer sie von dem Versuch abrückt, durch steuerliche Sondermaßnahmen den Kapitalmarkt in dem einen oder anderen Sinne zu ordnen. Wir haben das bereits in der Debatte zur Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht und hoffen, daß die Konsequenzen, die sich auch auf Regierungsseite und in allen Überlegungen der Wirtschaftskreise deutlich genug ankündigen, so schnell und nachdrücklich wie möglich gezogen werden. Das ganze Problem des Kapitalmarkts läßt sich gegenüber den zum Teil recht wirren und zum Teil recht widerspruchsvollen Ausführungen darüber, die heute jeden Tag in der Zeitung stehen, doch einfach darauf zurückführen: daß es sich um die Konkurrenz der Leute, die das zur Anlage bereite Geld in Aktien oder in private Anleihen lenken wollen, und des Anleihebedarfs der öffentlichen Hand handelt.
Wir haben auch in der Debatte zur Regierungserklärung keinen Zweifel darüber gelassen, daß wir das Anleihebedürfnis der öffentlichen Hand in dem Umfange, wie es jetzt diskutiert und angekündigt worden ist, als legitim anerkennen - aus Gründen der Wichtigkeit des Haushaltsausgleichs für die Währung und aus Gründen der Bedeutung der öffentlichen Investitionen und der öffentlichen Auftragsvergebung für die Wirtschaft, um nur zwei Gründe anzuführen. Wir haben in diesen Erklärungen darauf hingewiesen, daß auch wir die Anleihewünsche der öffentlichen Hand. was Laufzeit, Normalverzinsung usw. betrifft, möglichst bald in die ihnen zukommenden Formen zurückgeführt haben möchten. Andererseits können wir nicht bezweifeln, daß eine Stärkung des Aktienmarktes erwünscht ist. Ich wüßte nicht, was wir dagegen haben sollten. Aber erstens kann man auch von einem Wirtschaftswunder nicht alles auf einmal erwarten, zweitens ist die Entwicklung auf dem Aktienmarkt in der letzten Zeit, was die Kurse und die Dividendenpolitik anlangt, nicht unerfreulich,
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und drittens sollte man die zugegebenermaßen nicht sehr glücklichen Maßnahmen, die man zu diesem Zweck im vorigen Jahre auf dem Gebiet der Körperschaftsteuer vorgenommen hat - gerade in einem Zeitpunkt, in dem man von allgemeiner Steuerreform spricht -, sich erst einmal auswirken lassen und das Ergebnis abwarten, bevor man sie noch einmal, und zwar verstärkt, anwendet.
Was - um zum Schluß hierzu noch ein Wort zu sagen - den Zeitpunkt der Steuerreform anlangt, möchte ich darauf hinweisen, daß wir sie selbstverständlich so bald wie möglich sehen möchten. Andererseits muß sie natürlich in einem Zeitpunkt durchgeführt werden, der ihre Durchführung in praktischer, einfacher und ausgereifter Weise ermöglicht. Nach allem, was man sieht, kann das zu keinem anderen Zeitpunkt als zu Beginn eines Veranlagungsjahres erfolgen, d. h. zum nächsten 1. Januar.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schneider von der DP.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Rundreise, die hier durch deutsche Lande angetreten wurde und bei der uns die Mundarten der verschiedenen Länder entgegenklangen, mit Norddeutschland beenden. Ich bin mir dabei vollkommen dessen bewußt, daß es nicht der Sinn dieser Debatte sein kann, für irgendeinen Landstrich unseres Vaterlandes hier nun etwas Besonderes herauszuholen_ Andererseits habe ich aber von meinen Wählern die Verpflichtung auferlegt bekommen, die sie bedrückenden Probleme hier zur Sprache zu bringen. Wenn wir in Norddeutschland Sorgen haben, begeben wir uns ja in unserem Sommerurlaub immer nach dem Süden, um sie dort abzuladen. Da es bis zum Sommer aber noch weit ist, möchte ich diese Gelegenheit dazu heute schon benutzen.
Meine Worte sollen ein Appell sein und für Verständnis für die Belange der Küste werben. Die Stellung der Hansestädte im norddeutschen Raum war 1933 erheblich erschüttert. Es schien, als ob sie 1945 gänzlich verlorengegangen war. Aber unsere Hansestädte haben sich wie ein Phönix aus der Asche wieder erhoben und haben sich durch harte und zielstrebige Arbeit innerhalb unseres Vaterlandes eine Stellung wiedererobert, die sie zu einem der festestgefügten Eckpfeiler und zu einer der viel Vertrauen verdienenden Stützen der Bundesrepublik gemacht hat. Bremen und Hamburg - wenn ich in diesem Zusammenhang für Hamburg gleich mitsprechen darf - haben besonders in den ersten Nachkriegsjahren Aufgaben innerhalb der Bundesrepublik erfüllt, die in ihrer Tragweite noch heute nachwirken. Sie waren die Tore, durch die die Waren von Übersee entgegengenommen wurden, die uns damals letzten Endes vor dem Verhungern schützten. Es waren die Arbeiter, Bürger und Unternehmer der Hansestädte, die trotz der starken Kriegszerstörungen in diesen Gebieten mit Eifer und Tatkraft ans Werk gingen und sicherstellten, daß die seinerzeit im großen gesehen natürlich kärgliche Versorgung der Bevölkerung sichergestellt wurde.
Nach der Währungsreform ist den Hansestädten bzw. den Küstenländern zweifellos ein erheblicher finanzieller Vorteil zugewachsen, der allerdings inzwischen durch das Dazwischentreten des Herrn Bundesfinanzministers in ein erkleckliches Minus verwandelt worden ist. Bekanntlich gibt sich der Herr Bundesfinanzminister, den ich persönlich sehr hoch schätze, auf politischem Gebiet als Föderalist und auf finanzpolitischem Gebiet als Zentralist. Ich möchte nur am Rande bemerken, daß ich persönlich seine Bestrebungen, als Hüter der Bundeslade dafür zu sorgen, daß der Bund das erhält, was ihm zukommen muß, damit dieser Staat lebensfähig bleibt, durchaus unterstütze und daß ich mich jederzeit auch für eine Bundesfinanzverwaltung aussprechen würde.
Inzwischen ist das Märchen von den reichen Hansestädten verklungen. Es hat eine große Ernüchterung Platz gegriffen, die sich in der heutigen Lage auf dem Schiffsbausektor und auf dem Arbeitsmarkt schlechthin spiegelt. Die Arbeitslosenziffer in den Hansestädten liegt seit Jahren weit über dem Bundesdurchschnitt. Ich möchte daher an die verantwortlichen Stellen des Bundes den Appell richten, dieser Tatsache bei ihren Maßnahmen und Beschlüssen gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Nur am Rande sei vermerkt, daß sich unter diesen Arbeitslosen sehr viele ältere Angestellte befinden, die seit Jahren hoffnungslos auf der Straße liegen. Es hat gerade bei uns im Norden wenig Verständnis gefunden, daß die Bundesregierung bestimmte diesbezügliche Vorschläge, die ihr von Bundesratsseite gemacht waren, zurückgewiesen hat.
Es liegt in der Natur der Sache, daß uns im Norden die Fragen des Schiffsbaus und der Werften ganz besonders interessieren. Ich darf vielleicht zu Anfang - ich werde mich kurz fassen - darauf hinweisen, daß der Schiffsbau seine eigene Gesetzlichkeit hat und daß er den Konjunkturbewegungen immer nur mit großem Verzuge folgt. Das heißt, daß wir heute im Schiffsbau die Auswirkungen haben, die sich bereits etwa im Jahre 1950 bis 1951 ergeben haben. Waren es damals erhebliche Materialschwierigkeiten, die den Regierungen der Hansestädte größtes Kopfzerbrechen bereitet haben, so sind es heute Geldschwierigkeiten, ja unüberbrückbare Geldschwierigkeiten. Wir müssen für den Schiffsbau schwarz in die Zukunft sehen. Niemand von Ihnen, die Sie vielleicht auch mit den Belangen der Hansestädte nicht vertraut sind, wird bestreiten, daß der Wiederaufbau der deutschen Handels- und Passagierschiffahrt trotz aller bisher gezeitigten Erfolge noch keineswegs als beendet angesehen werden kann, sondern daß im Gegenteil noch erhebliche Anstrengungen notwendig sein werden, um die deutsche Handelsflotte auch nur annähernd auf einen Stand zu bringen, der es gestattet, die notwendigen Devisen zu sparen bzw. dem Ausland gegenüber in Konkurrenz zu treten. Jedes Jahr, das vor uns liegt, wird von allen beteiligten Stellen - und hier richtet sich mein Appell besonders an die Bundesstellen - noch ungeheure materielle Opfer, d. h. noch viele Millionen D-Mark verlangen. Es kann nicht bestritten werden, daß es nicht nur eine Sache des Handels ist wenn die Schiffahrt wieder floriert, sondern ich möchte sagen, die Schiffahrt ist ein Stück Weltfrieden, ist ein Stück Völkerverständigung. Auch dies muß man bei der Behandlung dieser Frage beachten.
Ich sagte also, es wird eine dringende Aufgabe des Bundes sein, auch in den kommenden Jahren Maßnahmen zu treffen, um den weiteren Aufbau unserer Handelsflotte voranzutreiben. Bekanntlich ist der § 7 d des Einkommensteuergesetzes als
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Hauptfinanzierungsfaktor durch die kleine Steuerreform bereits erheblich ausgefallen.
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- Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß schon ein beachtlicher Aufbau erfolgt sei, daß wir allerdings noch nicht am Ende seien. Die Tatsache, daß erhebliche Mittel, nämlich, wie hier von einem Kollegen mit Recht in die Debatte geworfen wurde, eine Milliarde bereits in den Schiffsbau hineingesteckt worden sind, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es weiterer solcher Anstrengungen bedarf, um wettbewerbsfähig zu werden bzw. zu bleiben. Die Tatsache, daß § 7 d des Einkommensteuergesetzes in der Hauptsache ausgefallen ist, hat nicht nur in Kreisen der Reeder, sondern letzten Endes in breitesten Kreisen, soweit sie zu den Zubringerindustrien für die Schiffahrt und die Werften gehören, erhebliche Unruhe ausgelöst, ganz abgesehen davon, daß wir alle Anstrengungen unternehmen sollten, um den deutschen Arbeitsmarkt stabil zu halten.
Die Handelsschiffe sind in großem Maße Devisenbringer; das ist bekannt. Die Passagierschiffahrt darf allerdings über der Handelsschiffahrt nicht vernachlässigt werden. Vor acht Tagen etwa spielte sich an der Columbuskaje in Bremerhaven ein feierlicher Akt ab, als der Norddeutsche Lloyd ein Passagierschiff von rund 20 000 Tonnen von der Svenska-America-Line übernahm und als die Flagge des Norddeutschen Lloyd und die Bundesflagge geheißt und die schwedische Flagge niedergeholt wurden. Meine Damen und Herren, für den, der dort oben wohnt und der mit den Dingen besonders verwachsen und vertraut ist, war dies ein erhebender Augenblick, und ich wünschte, Sie alle hätten daran teilnehmen dürfen. Auf wievielen Gebieten haben wir seit Kriegsende bereits wieder Boden unter den Füßen gewonnen! Hier war noch ein Gebiet, wo alles im argen lag, und ich glaube, daß es für den Bremer Senatspräsidenten Kaisen keine Schande war, als ihm beim Flaggenmanöver die Tränen über die Backen liefen.
Ich möchte mit Rücksicht darauf, daß zur Zeit von der Bundesregierung noch keine konkreten Maßnahmen bekanntgegeben worden sind, die ein Äquivalent dafür sein könnten, daß 7 d in Zukunft für den Schiffbau weitgehend ausscheidet, hier den Appell an die Bundesregierung richten, alle nur erdenklichen Schritte zu unternehmen, um der Handelsschiffahrt weiter zu helfen. Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht auch darauf verweisen, daß speziell in England die staatliche Subvention des Schiffbaus ganz erheblich ist. Ich habe mich sehr gefreut, vor einigen Tagen im „Hamburger Anzeiger" von einem Interview des Herrn Bundeswirtschaftsministers Erhard zu lesen, in dem er gesagt hat, daß die Bundesregierung Maßnahmen erwäge, daß allerdings diese Dinge noch im Schoße seines Ministeriums ruhten. Ich möchte Herrn Dr. Erhard zurufen: Heraus mit diesen Dingen! Der gesamte Arbeitsmarkt, die Küste und die gesamte Schiffahrt warten darauf! Auch hier hilft derjenige doppelt, der schnell hilft. An das Bundesverkehrsministerium und das Bundesfinanzministerium aber möchte ich die Bitte richten, alle Anträge auf Förderungswürdigkeit auch für kleinere Einheiten möglichst unbürokratisch und möglichst schnell zu bearbeiten, damit der Anschluß der Werften an ihre jetzige Beschäftigung gefunden werden kann.
Meine Damen und Herren, es darf nicht übersehen werden, daß die derzeitigen Maßnahmen nur Überbrückungsmaßnahmen sind und daß es eines umfassenden Planes bedarf, um der Schiffahrt jene Hilfe zu geben, deren sie wirklich bedarf. Der jetzige Zustand ist - das muß ich mit aller Deutlichkeit feststellen - keine Dauerlösung. Ich bin mir dabei allerdings darüber im klaren, daß eine Dauerlösung für diese Probleme engstens mit der weiteren Gestaltung unserer Wirtschaftspolitik, mit der Frage der Sperrmark, mit der Frage der Kapitalmarktförderung und ähnlichen Fragen, nicht zuletzt auch mit dem Problem der großen Steuerreform verbunden ist.
Im engsten Zusammenhang mit der Schiffahrt stehen selbstverständlich die Fragen der Werften. Da muß ich Ihnen berichten, daß durch einen sechs Wochen anhaltenden Werftarbeiterstreik im Lande Bremen der Werftindustrie im Verlauf des letzten Sommers erheblicher Schaden zugefügt worden ist. Aber selbst wenn dieser Streik nicht stattgefunden hätte, durch den wir sehr viele Auslandsund Inlandsaufträge, Neubauten und Reparaturen, verloren haben, wäre die Lage der Werften heute nicht sehr viel anders, als sie sich jetzt darstellt. Ich sagte schon zu Beginn, daß die Werftindustrie den Konjunkturbewegungen sehr spät folgt, und daraus resultiert, daß infolge mangelnder Auftragslage heute die Stapelläufe schon bei weitem die Kiellegungen übertreffen. Das ist ein bedenklicher Zustand. Die Misere wird für die kleinen und mittleren Werften selbstverständlich schneller eintreten als für die großen Werften. Ich kann Ihnen mitteilen, daß selbstverständlich von den Werften alle erdenklichen Schritte unternommen wurden und werden, um Auslandsaufträge hereinzubekommen, um sich damit aus der drohenden mißlichen Lage mit allen ihren Folgen zu befreien. Ich muß aber auf der anderen Seite sagen, daß die zur Zeit gültigen Stahl-, Kohle- und sonstigen Materialpreise uns leider nicht so wettbewerbsfähig mit den ausländischen Werften machen, daß wir sehr große Chancen hätten, hier zum Zuge zu kommen.
Ich darf in dem Zusammenhang vielleicht kurz auf eine neulich erschienene Pressemeldung verweisen, wonach aus der UdSSR Aufträge für deutsche Werften gekommen seien. Diese Dinge sind keineswegs ganz ausgegoren. Aber ich möchte diese Frage deswegen vorsichtshalber anschneiden, weil in den Kreisen der Werften der Eindruck besteht, daß man eine ganz bestimmte Werft, die zum Bundesvermögen zählt, hier vielleicht etwas mehr bedacht hat, als es an sich gerecht wäre. Ich möchte also darum bitten, daß hier gleiches Recht für alle waltet.
Die Tatsache, daß die ausländischen Werften infolge besserer Kapitallage imstande sind, ihren Auftraggebern längerfristige Zahlungsziele einzuräumen, kann auch von uns nicht übersehen werden. Ich möchte die Finanzverwaltung bitten, auch hierauf ihr Augenmerk zu richten. Meine Damen und Herren, Sie haben, soweit Sie dem alten Bundestag angehörten, dankenswerterweise in den verflossenen Jahren eine Hafenanleihe für die Hansestädte Bremen und Hamburg beschlossen. Wenn ich zu Beginn meiner Ausführungen sagte, daß ich hier um Verständnis für Norddeutschland und für die Hansestädte werben will, so richte ich insbesondere die Bitte an Sie, auch in diesem Jahre diesem Tun der letzten Jahre zu folgen und nach Möglichkeit trotz der angespannten Finanzlage zu
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verhindern, daß eine Verminderung dieser Anleihen eintritt, da der Ausbau der Häfen der Hansestädte ebenfalls bei weitem noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann, ganz abgesehen davon, daß der Natur der Sache nach die Wettbewerbsfähigkeit nur bei dauernder Erneuerung aufrechterhalten werden kann.
Ich möchte abschließend zu dem Thema Werften und Schiffahrt sagen, daß die Erhaltung und Mehrung der deutschen Schiffahrt und der weitere Ausbau der Flotte sowie auch die Erhaltung und der weitere Ausbau der Häfen eine nationale Angelegenheit des ganzen Volkes sind.
Erlauben Sie mir bitte zum Abschluß noch kurz folgende Bemerkung. Es liegt uns auch sehr auf der Seele, was sich heute in der Fischerei der Küstenländer tut. Ich will hier gar nicht davon sprechen - es ist sicherlich bekannt -, daß ein Großteil der Schuld für die Zustände in der Fischerei letzten Endes auch darin zu suchen ist, daß man sich in den Reihen der Fischerei selbst nicht so klar ist, wie man das fordern müßte.
({3}) - Wenn ich auch hier, wo ich das offen ausspreche, den Zuruf „gehört nicht hierher" ernte, möchte ich doch sagen, daß es an der Zeit ist, daß die Fischerei aus dem Schatten der grünen Front herauskommt. Gerade mein Fraktionskollege Herr Dr. von Merkatz hat heute morgen in seiner Rede die Belange der Landwirtschaft herausgestrichen. Ich darf es mir deshalb gestatten, ohne jedes Ressentiment gegen die Landwirtschaft zu bemerken, daß die Aufgabe, die der Fischerei innerhalb der deutschen Volkswirtschaft zukommt, leider nicht so zum Tragen kommt, wie es an sich notwendig wäre. Wir wollen uns nicht darüber hinwegtäuschen, auch das bevorstehende Fischgesetz wird die Schwierigkeiten, die es in der Fischerei gibt, nicht restlos lösen können. Die Sorgen der Fischerei sind vielfältig. Nicht nur, daß sie in der Vergangenheit verhältnismäßig wenig Mittel zum Wiederaufbau der Flotte erhalten hat - nebenbei gesagt sind diese Mittel in der Hauptsache von den Ländern gegeben worden - ({4})
- Ich kenne sie ausgezeichnet, denn ich komme aus Bremerhaven, Herr Kollege.
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Die Fischerei hat außerdem große Sorgen im Hinblick auf die Beschlüsse der Montanunion, die die Kohlenpreise anzuheben droht. Wenn ich Ihnen sage, daß von den rund 230 000 Tonnen Fisch, die im vergangenen Jahr allein im Lande Bremen angelandet wurden, rund 40 000 Tonnen Fisch stehengeblieben sind, dann mögen Sie daraus ersehen, daß in diesem Wirtschaftszweig irgend etwas nicht stimmt.
Ich muß in dem Zusammenhang auch auf die großen Verluste hinweisen, den die Fischdampferreeder durch den Krieg erlitten haben, und spreche die Erwartung aus, daß das Kriegsfolgenschlußgesetz ähnlich wie in allen anderen Sparten auch in der Fischerei diese Verluste entsprechend berücksichtigen wird.
An die Bundesbahn möchte ich die Bitte richten, sich der Frage der Stückguttarife für die Fischereihäfen in Norddeutschland noch einmal anzunehmen. Es ist nur ein kleines Teil der Sorgen, die damit der Fischwirtschaft in ihrer Gesamtheit abgenommen würden, es trägt aber bei der allgemeinen Misere, in der sich dieser Wirtschaftszweig befindet, zweifellos erheblich zu einer Besserung der dortigen Zustände bei.
Mein Bedauern muß ich darüber zum Ausdruck bringen, daß der Herr Bundesfinanzminister seine Zusage von vor dem 6. September 1953, eine Bundesbürgschaft für den Interzonenhandel mit Fischen zu gewähren, nach einem Gespräch mit dem bremischen Senatspräsidenten leider nicht eingehalten hat oder - ich will in absentia sagen: - anscheinend nicht einhalten konnte. Es ist aber immer ein mißlich Ding, Hoffnungen bei den Betreffenden zu wecken und hinterher dann mit einer lapidaren Erklärung von den Dingen abzurücken. Inzwischen haben sich die Länder Hamburg und Bremen in dieser Frage mehr oder weniger selbst geholfen.
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Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß beispielsweise das Land Bremen noch mit den zwei Millionen Landesbürgschaft hängt, und es kann doch nicht bestritten werden, daß das politische Risiko des Interzonenhandels nicht eine Angelegenheit der betreffenden Länder, sondern letzten Endes des Bundes ist.
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- Meine Damen und Herren, die Tatsache, daß ich dies alles in wirklich freundschaftlicher und konzilianter Form vortrage, dürfte Sie an sich nicht veranlassen, hier so böse Zwischenrufe zu machen.
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- Ich habe mir sämtliche Reden, die hier in zwei Tagen gehalten wurden, in Ruhe angehört und darf erwarten, daß Sie auch bereit sind, mir zuzuhören.
Herr Abgeordneter, der Beratungsgegenstand ist der Bundeshaushaltsplan. Ich habe Sie bisher nicht unterbrochen. Ich darf Sie bitten, wirklich zur Sache zu sprechen.
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Herr Präsident, ich darf Sie vielleicht darauf verweisen, daß im Verlauf dieser zweitätigen Debatte über alle Fragen, die uns hier im Bundestag interessieren, ausgiebig gesprochen worden ist und daß Herr Bekker von der FDP einen Redner unterbrach und hier feststellte - was, nebenbei gesagt, auch jeden Tag in der Presse zu lesen ist -, daß die Generaldebatte über den Etat eine Möglichkeit biete, über alle schwebenden Probleme hier frei und offen zu sprechen, und von diesem Recht mache ich Gebrauch.
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Ich untersage es mir dabei, Herr Präsident, darauf hinzuweisen, daß ich mich bereits vor Stunden gemeldet habe und erst jetzt kurz vor Schluß drangekommen bin.
Einen Moment, Herr Abgeordneter. Ich muß mir diesen Vorwurf verbitten.
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Sie sind genau an der Stelle drangekommen, an der Sie hier aufgeschrieben waren, in genau der rechten Reihenfolge wie jeder andere.
- Es tut mir leid, ich hatte nicht das Gefühl, Herr Präsident.
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Ich darf vielleicht zum Abschluß die Bundesregierung noch darauf verweisen, daß in der Frage der langfristigen Exportfinanzierung ebenfalls noch etwas zu tun bleibt, und wir hoffen, daß wir bald eine Antwort auf unsere diesbezügliche Anfrage erhalten werden. Auf die Gefahr hin, hier als enfant terrible in dieser Angelegenheit zu gelten, möchte ich, bezugnehmend auf eine heutige Pressemeldung, in der davon die Rede ist, daß die UdSSR England insgesamt Aufträge von rund 4,8 Milliarden DM mit einer Laufzeit von drei Jahren angeboten hat, die Bundesregierung bitten, auch ihrerseits alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um auf wirtschaftlichem Gebiet mehr als bisher mit jenem Partner ins Gespräch zu. kommen. Ich glaube, das liegt auch im Zuge der allgemeinen Entwicklung.
Damit möchte ich meine Ausführungen beenden.
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Ich darf nur noch bemerken, daß wir uns vorbehalten, zu vielen anderen Einzelproblemen in der Einzelberatung mit dem listigen Passauer in die Turnierschranken zu treten.
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Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die erste Beratung zu dem Punkt 2 der gestrigen Tagesordnung, den wir uns als ersten Punkt der heutigen vorgenommen hatten. Ich schlage Ihnen Überweisung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Für den Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1954 schlage ich Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; dann ist auch diese Überweisung beschlossen.
Ich rufe den zweiten Punkt unserer heutigen Tagesordnung, den wir von der gestrigen übernommen haben, auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des
Hypotheken- und Schiffsbankrechts sowie
über Ausnahmen von § 247 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ({0}).
Es ist vereinbart, daß weder begründet noch debattiert wird. Ich schließe die erste Beratung und schlage Ihnen die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Geld und Kredit zur Mitberatung vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe den dritten Punkt unserer heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Getreidepreisgesetz ({1}).
Ich sehe, daß hier zehn Minuten zur Begründung vereinbart sind und daß auch eine Debatte stattfinden soll. Meine Damen und Herren, alle Ausschüsse warten auf uns. Ich habe mir den Antrag einmal angesehen. Er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, das Getreidepreisgesetz 1954/55 so rechtzeitig einzubringen, daß es vor Beginn der Frühjahrsbestellung 1954, spätestens am 31. März 1954, verkündet werden kann.
Ich finde, das Anliegen ist so klar und einfach, daß man nicht lange darüber zu debattieren braucht, den Antrag auch nicht an einen Ausschuß zu verweisen braucht, sondern mit einem einfachen Beschluß von uns allen annehmen kann. Dann ist der Fall nämlich erledigt. Ich frage aber die antragstellende Fraktion, ob sie zustimmt.
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- Ist das Haus mit meinem Vorschlag einverstanden? Wer dafür ist, daß wir den in der Drucksache 188 beantragten Beschluß fassen, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Einstimmig angenommen.
Damit ist die Tagesordnung von gestern erledigt. Wir kommen zu der Tagesordnung, die wir eigentlich heute hätten behandeln sollen. Durch interfraktionelle Vereinbarung ist Punkt 2 a, b und c, also die Familienrechtsdebatte, wenn ich es mal zusammenfassend sagen soll, abgesetzt; sie soll auf Freitag, den 12. dieses Monats, 9 Uhr 30, verlegt werden.
Es bleibt noch der eine Punkt übrig:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die steuerliche Behandlung von Leistungen im Rahmen des Familienausgleichs ({3}).
Auch dieser Punkt ist nach meiner Meinung so wichtig, daß er gründlich debattiert werden muß, was wir im Rahmen der zehn Minuten, die uns heute normalerweise noch zur Verfügung stehen, nicht tun können. Ich frage das Haus, ob es damit einverstanden ist, daß wir diesen Punkt ebenfalls auf nächsten Freitag verschieben. - Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich darf noch folgendes bekanntgeben: Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit heute eine halbe Stunde nach Schluß des Plenums, des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität statt um 15 Uhr 30 um 16 Uhr. Der Arbeitskreis Wohnungsbau der CDU/CSU-Fraktion tagt eine Stunde nach Schluß des Plenums.
Es wird noch gebeten, meine Damen und Herren, die Drucksachen 200 und 201 zur zweiten und dritten Beratung der Gesetzentwürfe aufzubewahren, da sie aus technischen Gründen nicht noch einmal verteilt werden können.
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- Der kann so bleiben.
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- Ich habe nicht vorgemerkt, daß ich etwas anderes verkünden sollte.
Ich berufe die nächste, die 14. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Donnerstag, den 11. Februar 1954, 9 Uhr 30, und schließe die heutige Sitzung.