Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/3/1956

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 127. Sitzung des Deutschen Bundestages. Vor Eintritt in die Tagesordnung hat der Abgeordnete Rasner um das Wort gebeten, um einen Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung zu stellen. Ich erteile ihm das Wort.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP und DP beantrage ich, die heutige Tagesordnung zu erweitern um die erste Lesung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz, Drucksache 2045. Von allen Fraktionen des Hauses ist hier mehrfach der Wunsch geäußert worden, das ganze Bukett der zur Effektuierung des deutschen Verteidigungsbeitrags anstehenden Gesetze möglichst bald kennenzulernen. Wir begrüßen es deshalb, daß die Bundesregierung den Entwurf dieses bedeutsamen Gesetzes jetzt vorgelegt hat. Es wird zweifellos einer gründlichen Beratung dieses Gesetzes in den einschlägigen Ausschüssen bedürfen. Wir legen deshalb Wert darauf, daß das Hohe Haus diesen Entwurf noch heute den Ausschüssen zuleitet. Ich darf Sie infolgedessen bitten, diesem Antrag der Koalitionsfraktionen Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Eschmann.

Fritz Eschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem soeben von Herrn Kollegen Rasner gestellten Antrag, den Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz auf die heutige Tagesordnung zu setzen, möchte ich namens meiner Fraktion widersprechen. Wir sind beim besten Willen nicht in der Lage, einzusehen, welchen Sinn nun auch in dieser Sache eine solche Eile und Überhastung haben soll. Auf keinen Fall ist nach unserer Auffassung denen, die das Gesetz betrifft, damit gedient. Es gibt zu diesem Punkt noch eine ganze Reihe von Fragen, die besser vorher geklärt würden. Der Bundesrat z. B. hat zu diesem Gesetz erhebliche Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht angemeldet. Er ist der Meinung, daß für die Ermächtigung an den Herrn Bundesverteidigungsminister zur Aufstellung von Verbänden der Streitkräfte Änderungen des Grundgesetzes erforderlich sind. Er ist weiter der Ansicht, daß das Gesetz erst nach vorausgegangener Ergänzung oder Änderung des Grundgesetzes verkündet werden kann, durch welche die Verwaltungszuständigkeit des Bundes im Bereich des Wehrwesens geschaffen werden muß. Es müßte unseres Erachtens ebenfalls noch vorher geklärt sein, welchen Status der Bundesgrenzschutz in Zukunft haben soll, vor allen Dingen denen gegenüber, die nicht Soldat werden, sondern im Bundesgrenzschutz verbleiben wollen. Die Vorlage des Gesetzes drückt sich jedenfalls hierüber viel zu allgemein aus. Außerdem, meine Damen und Herren, geht ja, wie bekanntgeworden ist, der Herr Bundesinnenminister in den nächsten vierzehn Tagen in Erholungsurlaub, wie man hört, zum Schilaufen. Herr Minister, Schilaufen ist eine schöne Sache. Es ist Ihnen auch sicher zu gönnen. Aber sicher ist auch, Herr Minister, daß Sie dann in den nächsten vierzehn Tagen für die Ausschußberatungen nicht zur Verfügung stehen. ({0}) Herr Minister, der Bundesgrenzschutz ist doch immer Ihr lieb Kind gewesen. Ich kann mir nicht denken, daß Sie Ihr lieb Kind nun für diese Beratungen so im Stich lassen wollen. Es gibt nach unserer Auffassung keine einleuchtende, plausible Erklärung, dieses Gesetz heute in dieser Eile auf die Tagesordnung zu setzen. ({1}) Ich beantrage daher namens meiner Fraktion, den Antrag, der durch Herrn Kollegen Rasner gestellt worden ist, das Gesetz heute auf die Tagesordnung zu setzen, abzulehnen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir müssen abstimmen. Wer für den Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Tagesordnung ist antragsgemäß ergänzt. Ich schlage Ihnen vor, daß wir diesen Punkt als Punkt 8 der Tagesordnung nehmen. Es ist mir die Bitte vorgelegt worden, dem Abgeordneten Schneider ({0}) das Wort zur Abgabe einer tatsächlichen Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung zu erteilen. Ich habe den Text dieser Erklärung vor mir liegen, Herr Abgeordneter Schneider. Sehr viel Tatsächliches ist nicht darin; ({1}) es werden Werturteile ausgesprochen. Aber ich erteile Ihnen trotzdem das Wort.

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der gestrigen Sitzung des Bundestages hat der Sprecher der Fraktion der SPD, Abgeordneter Schoettle, bei der Beratung der Kriegsopferversorgung die von der Regierungskoalition ursprünglich in Aussicht genommenen Verbesserungen des Bundesversorgungsgesetzes als eine „Verhöhnung der Kriegsopfer" bezeichnet. ({0}) Namens der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP erhebe ich nachdrücklich Protest gegen diese Unterstellung, die in der Formulierung außergewöhnlich und in der Sache nicht gerechtfertigt ist. Die Fraktionen der Regierungskoalition bedauern, daß durch diese Äußerung das bisher einhellige Anliegen dieses Hauses, den Opfern des Krieges eine gerechte und würdige Versorgung zuteil werden zu lassen, zum parteipolitischen Streitobjekt herabgewürdigt worden ist. ({1}) Namens der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP bekräftige ich nochmals die gestern vor diesem Hause abgegebene Erklärung zur Kriegsopferversorgung. Ich bin überzeugt, daß die in Bälde zu erwartende Novelle zum Bundesversorgungsgesetz der Verpflichtung Rechnung tragen wird, die Staat und Gesellschaft gegenüber den Kriegsopfern haben. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir treten nunmehr in die Tagesordnung ein. Punkt 1: Fragestunde ({0}). Ich rufe die Frage 1, gestellt vom Abgeordneten Stücklen, auf; sie betrifft die Pläne zum Ausbau der Bundesautobahn Frankfurt-Nürnberg. Wie weit sind die Pläne zum Ausbau der Bundesautobahn Frankfurt-Nürnberg gediehen? Wie sind die Bauabschnitte eingeteilt, und in welcher Zeit sollen die Bauabschnitte fertiggestellt werden? Wann ist mit der endgültigen Inbetriebnahme der Autobahn Frankfurt-Nürnberg zu rechnen? Herr Bundesminister für Verkehr!

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Frage 1. Die Linienführung der Autobahn zwischen Frankfurt und Würzburg liegt fest. Die Pläne hierfür sind jetzt fertiggestellt. Die Planfeststellung zwischen Frankfurt und Aschaffenburg ist praktisch beendet. Die Planfeststellung zwischen Aschaffenburg und Rohrbrunn auf der Höhe des Spessarts ist eingeleitet. Die Baupläne für die Planfeststellung zwischen Rohrbrunn und Würzburg-Ost werden jetzt vorbereitet. Die Linienführung zwischen Würzburg und Nürnberg ist noch nicht endgültig bestimmt. Die Untersuchungen dazu sind aufgenommen. ({0}) Zu Frage 2. Die Neubaustrecke Frankfurt-Würzburg ist im Hinblick auf den besten Verkehrsnutzen für die Inbetriebnahme von Teilabschnitten in vier Bauabschnitte eingeteilt. Folgende Streckenabschnitte sollen zusammenhängend zweibahnig verkehrsbereit sein: 1. von Wandersmann, Bundesstraße 54, bis Hösbach, Bundesstraße 26, mit 66 km Länge bis Ende des Rechnungsjahres 1957, allerdings ohne den 10 km langen Zwischenabschnitt Weißkirchen-Stockstadt - westlich des Mains -, der spätestens Ende des Rechnungsjahres 1958 verkehrsbereit sein wird, 2. von Hösbach bis Spessarthöhe bei Rohrbrunn, Bundesstraße 8, mit 17 km Länge bis Ende des Rechnungsjahres 1959, 3. von Spessarthöhe bei Rohrbrunn bis Würzburg-West mit 38 km Länge bis Ende des Rechnungsjahres 1961, 4. von Würzburg-West bis Würzburg-Ost mit 27 km Länge bis Ende des Rechnungsjahres 1963. Die rechtzeitige Bereitstellung der benötigten Kredite im Rahmen des Verkehrsfinazgesetzes ist unerläßliche Voraussetzung dafür, daß diese Bauziele erreicht werden. Zu Frage 3. Das Verkehrsfinanzgesetz 1955 ermöglicht nur die Bauarbeiten auf dem Streckenteil Frankfurt-Würzburg. Die Fortsetzung der Strecke von Würzburg nach Nürnberg ist natürlich als dringlich anerkannt, aber leider besteht zur Zeit keine Möglichkeit für ihre Finanzierung. Dieser Autobahnabschnitt wird im Rahmen des Zehnjahresplanes für den Ausbau der Autobahnen und Bundesstraßen selbstverständlich die ihm gebührende Berücksichtigung finden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Welche Mittel hat der Bund dem Lande Bayern zum Ausbau der Autobahn Stockstadt- Würzburg für das Rechnungsjahr 1955/56 zur Verfügung gestellt, und wieviel hat Bayern davon verausgabt?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Kollege Stücklen, Sie werden verstehen, daß ich mir einiges Zahlenmaterial als Unterlage für die Beantwortung Ihrer Fragen mitgebracht habe. Ich kann also Ihre Zusatzfrage beantworten. Im Rechnungsjahr 1955 wurden für die Autobahnteilstrecke im bayerischen Bereich von Bayern 25 742 000 DM angefordert und bis zum 30. September 1955 vom Bund zugewiesen. Wegen des geringen Baufortschritts mußten die Mittelzuweisungen am 5. Januar 1956 auf 23 682 000 DM gekürzt werden. Davon hat die oberste Straßenbaubehörde Bayerns bis zum 19. Januar 1956 lediglich den Betrag von 3 504 000 DM abgerufen und für Februar 1956 nur 1 000 000 DM angefordert. Zum Schluß des Rechnungsjahres 1955 ist daher nur mit einer Gesamtausgabe von rund 51/2 bis 6 Millionen DM gegenüber einer Anforderung in fünffacher Höhe zu rechnen. Der Überhang an Ausgabemitteln beträgt somit voraussichtlich mindestens 18 Millionen DM. ({0}) Er hätte sich ohne Nachteil für die Baudisposition vermeiden lassen, wenn die oberste Straßenbaubehörde die Mittel dem tatsächlichen Baustand entsprechend angefordert und in Höhe der 18 Millionen DM eine Bindungsermächtigung Anfang Januar 1956 in Anspruch genommen hätte. Diese Zahlen zeigen, daß die Organisation für die Strecke Stockstadt- Würzburg und für die weitere Planung nicht befriedigt. Ich habe darauf gegenüber den zuständigen Landesbehörden und in der Öffentlichkeit bereits im Sommer vorigen Jahres mit Nachdruck hingewiesen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Zusatzfrage?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine zweite Zusatzfrage. Herr Bundesverkehrsminister, wie verhalten sich die Mittelzuweisungen zum Ausbau der Autobahnen für andere Länder, und wie verhält sich die Ausgabe dieser Zuweisungen in anderen Ländern im Verhältnis zu Bayern?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ich kann Ihnen dazu folgende Antwort geben. Baden-Württemberg hat 37,9 Millionen DM für Ausgaben angefordert und 25,3 Millionen DM Bindungsermächtigung. Der Ausgabeüberhang am 31. März 1956 wird in diesem Lande 3 1/2 Millionen DM betragen. Bayern hat, wie gesagt, 23,7 Millionen DM Ausgabemittel angefordert und hat 18 Millionen DM Überhang. Hessen hat 31,8 Millionen DM Ausgabemittel und 13,1 Millionen DM Bindungsermächtigung angefordert. Es wird 4 1/2 Millionen DM Überhang haben. Niedersachsen hat 40 Millionen DM Ausgabemittel und 30,5 Millionen DM Bindungsermächtigung angefordert und wird keinen Ausgabeüberhang haben. Nordrhein-Westfalen hat 60,6 Millionen DM Ausgabemittel und 36 Millionen DM Bindungsermächtigung angefordert und wird 14 Millionen DM Überhang haben. Insgesamt ist der Überhang also 40 Millionen DM, von denen 18 Millionen DM auf Bayern entfallen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Damit ist Frage 1 erledigt. Frage 2 - des Abgeordneten Rademacher - betrifft die Anrede in der dritten Person gegenüber Vorgesetzten in den Streitkräften: Ist der Herr Bundesverteidigungsminister bereit, die nicht mehr zeitgemäße Anrede in der dritten Person gegenüber Vorgesetzten der Streitkräfte durch eine Verordnung zu untersagen? Zur Beantwortung der Herr Verteidigungsminister!

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage des Herrn Abgeordneten Rademacher antworte ich wie folgt. Eine Vorschrift über „Anrede" ist in meinem Ministerium erarbeitet worden. Sie wird in Kürze an alle Truppen und nachgeordneten Dienststellen als Weisung herausgehen. In dieser Vorschrift befindet sich folgende Bestimmung: Die mündliche wie schriftliche Verwendung der Anrede in der dritten Person und Beifügungen wie „gehorsamst" oder „ergebenst" sind verboten.

Willy Max Rademacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich danke.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frage 2 ist beantwortet. Frage 3 des Abgeordneten Müller-Hermann betrifft Kürzung der Anlagemittel für Fernmeldeeinrichtungen: Trifft es zu, daß die Anlagemittel für Fernmeldeeinrichtungen bis zu 20 v. H. gekürzt worden sind? Ist man sich darüber im klaren, daß diese Maßnahme insbesondere in Großstädten, wo, wie in Bremen, völlig neue Stadtteile entstanden sind, für Ante, Geschäftsleute, Vertreter der Presse und andere Berufe unvertretbare Schwierigkeiten heraufbeschwört? Welche Maßnahmen sind vom Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen vorbereitet, um diese Schwierigkeiten schnellstens zu beheben? Das Wort hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Herr Abgeordneter, eine erschöpfende Antwort kann ich Ihnen im Rahmen der Fragestunde leider nicht geben. Die in Ihrer Frage bezeichneten Schwierigkeiten, deren Richtigkeit ich bestätigen muß, sind Folgen der mangelnden Kapitalausstattung der Bundespost. Dadurch wird die Bundespost laufend zu Finanzierungsmaßnahmen gezwungen, die sich bei der augenblicklichen Situation des Kapitalmarktes nicht mehr im notwendigen Umfang realisieren lassen, d. h. die Bundespost kann ihren Bedarf an langfristigen Anlagemitteln zur Zeit nicht decken. Deshalb haben der Bundesfinanzminister und der Postverwaltungsrat Sperren vorgesehen; danach darf die Bundespost Aufträge nur in der Höhe erteilen, in der die Finanzierung gesichert ist. Gesichert ist diese aber zur Zeit nur in einer Höhe von etwa 75 °/o des von der Bundespost im genehmigten Haushaltsplan 1956 veranschlagten Investitionsbedarfs. Das wiederum zwang die Bundespost, die Aufträge an die Fernmeldeindustrie ab 1. April 1956 um 25 % zu kürzen. Daraus ergeben sich zwangsläufig die von Ihnen angedeuteten Folgen. Die Bundespost bemüht sich, Überbrückungshilfen zu finden, worüber ich aber im Augenblick noch nichts Abschließendes sagen kann. Die Investitionsfinanzierung der Bundespost kann jedenfalls auf längere Sicht nur gesichert werden, wenn die Kapitalausstattung den wirtschaftlichen Erfordernissen angepaßt wird. Das liegt aber außerhalb der Möglichkeiten meines Ressorts.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Bundespostminister, werden Sie nicht zugeben müssen, daß diese Antwort nicht recht befriedigend ist, vor allem, wenn man berücksichtigt, daß es sich bei der Post um ein staatliches Monopolunternehmen handelt? Eine mehr ins Spezielle gehende Frage: Trifft es zu, daß bei Ihren Einschränkungen der Investitionen die Einrichtungen für den Ortsfernsprechverkehr insbesondere betroffen und vor allem stärker betroffen werden als die Einrichtungen für den Weitverkehr und die Fernschreibeinrichtungen und daß auch ganz besonders stark die Nebenstelleneinrichtungen betroffen werden?

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Herr Abgeordneter, von diesen Maßnahmen werden leider alle Zweige der Post, insbesondere die des Fernmeldewesens, betroffen, und ich glaube, die besonderen Einwirkungen auf einzelne Zweige des Fernmeldedienstes, die Sie anführten, sind nur regional zu verstehen. Im ganzen wird unser gesamtes Investitionsprogramm gleichmäßig betroffen.

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nicht sehr befriedigend!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Die Frage 4 des Abgeordneten Arndt betrifft Gerichtsverfahren wegen Mordverdachts gegen aus der Sowjetunion entlassene Gefangene: Welche Maßnahmen haben die Bundesregierung und in Zusammenwirken mit ihr die der Bundesaufsicht unterstehenden obersten Landesbehörden getroffen, um eine gerichtliche Klärung des Verdachts zahlreicher Morde gegen Personen, die wie der eiserne Gustav ({0}) und der Pistolen-Schubert" ({1}) nach Pressemeldungen jetzt aus der Sowjetunion gekommen sind, unverzüglich einzuleiten und zu sichern? Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Auf die Frage des Herrn Dr. Arndt möchte ich folgendes erwidern. Ich habe die Liste der aus der Sowjetunion eingetroffenen nicht amnestierten Heimkehrer unverzüglich nach Eingang den Landesjustizverwaltungen zugeleitet. Diese haben, soweit Unterlagen über Verbrechen der Heimkehrer vorlagen, auf Grund der in den Listen enthaltenen Angaben die Möglichkeit, die notwendigen strafrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen. Hinsichtlich einiger Heimkehrer, deren Wohnort bekannt ist, habe ich die zuständigen Landesjustizverwaltungen ausdrücklich auf die gegen diese Heimkehrer erhobenen Beschuldigungen hingewiesen. Wie mir die Landesjustizverwaltungen mitteilen, haben die zuständigen Staatsanwaltschaften das Erforderliche veranlaßt. Einzelheiten hierüber dürften voraussichtlich in kürzester Zeit bekanntwerden. Wegen der Einzelheiten darf ich vielleicht auf die Unterredung vom 1. Februar Bezug nehmen.

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke sehr!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine Zusatzfrage? Frage 5, Abgeordneter Dr. Arndt, Ersatz von Wildschäden an der Zonengrenze: Ist der Bundesregierung bekannt, daß eine ordnungsgemäße Bejagung der Jagdbezirke in einem Streifen von etwa 500 m entlang der Zonengrenze nicht möglich ist, weil Jager innerhalb dieses Streifens von Volkspolizisten beschossen werden, und daß infolgedessen, weil sich in der sowjetisch kortrollierten Zone das Schwarzwild stark vermehrt hat, am Zonenrand erhebliche Wildschäden auftreten? Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, diese nur durch die politischen Verhältnisse an der Zonengrenze verursachten Wildschäden, deren Erstattung den Jagdberechtigten nicht zugemutet werden kann, zu ersetzen, so daß die Schadensregulierungen sogar aus den Jahren 1953 und 1954 noch offenstehen? Ist die Bundesregierung sich bewußt, daß gerade die ohnehin durch die Zonengrenzziehung benachteiligten Landwirte am Zonenrand die Leidtragenden dieser Versäumnisse und dieses Streites sind? Das Wort hat der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Dr. h. c. Heinrich Lübke (Minister:in)

Politiker ID: 11001385

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage des Wildschadenersatzes im Zonenrandgebiet ({0}) durch den Bund ist Gegenstand mehrfacher eingehender Besprechungen gewesen, zunächst im interministeriellen Ausschuß für Notstandsgebietsfragen. In den von diesem Ausschuß erarbeiteten Grundsätzen für die Verwendung von Bundesmitteln in Notstandsgebieten wurde festgelegt, daß jede Beeinträchtigung des ökonomischen Effekts der Hilfsmaßnahmen und jede Zersplitterung der Mittel zu vermeiden sei. Der Ersatz von Wildschäden wurde als diesem Grundsatz widersprechend abgelehnt. Die Grundsätze wurden vom Plenum und von den Ausschüssen des Bundestages gebilligt. Bei den Beratungen des Bundeshaushalts wurde zum Ausdruck gebracht: Die Mittel für die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur sind nur für Maßnahmen größeren Umfangs vorgesehen, die einer grundlegenden Strukturverbesserung dienen. Unter diesem Titel kann also der Ersatz von Wildschäden nicht untergebracht werden. Die regionalen Förderungsmittel dienen der Steigerung der Wirtschaft des Zonenrandgebietes. Die Wildschäden treten nicht allgemein im Zonenrandgebiet auf, sondern meist dort, wo durch die Lage eines Waldes jenseits der Zonengrenze das Übertreten des Wildes erfolgt. Bei der Bewilligung regionaler Förderungsmittel ist der Bund von der Voraussetzung ausgegangen, daß die Länder entsprechende Mittel zur Behebung kleiner Schäden bereitstellen. Allein aus Einzelplan 60 des Bundeshaushalts sind seit 1952 160 Millionen DM für die Sondermaßnahmen im östlichen Zonenrandgebiet bereitgestellt worden.

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke sehr!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Fragen 6 und 7, Abgeordneter Meyer ({0}). Der Fragesteller ist beurlaubt. Er bittet um schriftliche Beantwortung. Frage 8 - Abgeordneter Dr. Menzel - betrifft Neufassung der Laufbahnrichtlinien für den höheren und gehobenen Dienst: Ist der Herr Bundesinnenminister bereit, bei der Neufassung der Laufbahnrichtlinien für den höheren Dienst den erfolgreichen Abschluß des Studiums an einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie angemessen zu berücksichtigen? Ist der Herr Bundesinnenminister ferner bereit, die Laufbahnvorschriften für den gehobenen Dienst so zu gestalten, daß die Diplominhaber der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien innerhalb dieser Laufbahn bevorzugt befördert werden? Herr Bundesminister des Innern!

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Nach § 19 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes kann zum Vorbereitungsdienst für eine Laufbahn des höheren Dienstes zugelassen werden, wer nach einem abgeschlossenen Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule eine erste Staatsprüfung oder, soweit üblich, eine Hochschulprüfung bestanden hat. Ein Bewerber, der eine Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie besucht und auf Grund der Abschlußprüfung das Verwaltungsdiplom erworben hat, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Bundesregierung ist bei der nach § 15 des Bundesbeamtengesetzes zu erlassenden Laufbahnverordnung an den Grundsatz des § 19 gebunden. Daher kann die von Herrn Kollegen Menzel gewünschte Regelung nicht getroffen werden. Im übrigen hat der Bundestagsausschuß für Beamtenrecht bei der Beratung des Entwurfs des Bundesbeamtengesetzes die Frage der Berücksichtigung des Studiums an den Verwaltungsakademien bei der Zulassung zum höheren Dienst erörtert, es aber nach sorgfältiger Prüfung abgelehnt, eine entsprechende Vorschrift in das Gesetz aufzunehmen. Zum zweiten Teil der Frage - bevorzugte Beförderung von Diplominhabern im gehobenen Dienst - muß ich betonen, daß das Diplom einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie weder ein Befähigungsnachweis für die Wahrnehmung bestimmter Beförderungsämter darstellt noch sein Besitz einen Anspruch auf Beförderung verleihen kann. Allerdings kann das Diplom für bestimmte Laufbahnen als Nachweis besonderer fachlicher Kenntnisse angesehen werden, die die Verwaltung veranlassen sollten, dem Diplominhaber Gelegenheit zur Anwendung dieser Kenntnisse in einem höher bewerteten Amt zu geben. Der Erwerb des Diploms schafft also günstigere Beförderungsaussichten. Hierauf habe ich die obersten Bundesbehörden schon in einem Rundschreiben vom 20. Februar 1954 hingewiesen. Es ist auch beabsichtigt, eine entsprechende Vorschrift in die Bundeslaufbahnverordnung aufzunehmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Keine Zusatzfrage? - Die Frage ist beantwortet. Frage 9, Abgeordneter Müller-Hermann. Die Frage betrifft die Vorbereitung einer Änderung des Branntweinmonopolgesetzes, um Dessertweine und Wermutgrundweine mit einer Monopolausgleichsabgabe belegen zu können: Trifft es zu, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Branntweinmonopolgesetzes vorbereitet, um Dessertweine und Wermutgrundweine mit einer Monopolausgleichsabgabe belegen zu können, obwohl dies mit dem ursprünglichen Sinn des Branntweinmonopolgesetzes nicht übereinstimmen würde und die genannten Weine seit Bestehen des Gesetzes nicht mit dieser Abgabe belastet worden sind? Ist die Bundesregierung, falls sie sich für einen derartigen Gesetzentwurf entscheidet, sich darüber im klaren, daß die weinbautreibenden Länder, die erhebliche Mengen von Dessert- und Wermutgrundweinen nach Deutschland liefern, mit Einfuhrrestriktionen für deutsche Waren in ihr Land antworten werden? Ist die Bundesregierung sich darüber im klaren, daß eine solche Maßnahme bei Dessert- und Wermutweinen zu erheblichen Preissteigerungen führen müßte, die gerade die minderbemittelten Bevölkerungskreise treffen würden und mit den Bemühungen der Bundesregierung um eine Stabilisierung der Preise nicht in Einklang zu bringen Wären? Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Branntweinmonopolgesetzes vorbereitet, um Dessertwein und Wermutgrundwein mit einer Monopolausgleichsabgabe belegen zu können. Dazu würde auch keine Veranlassung bestehen, denn Weine als solche sind nicht Gegenstand der Besteuerung nach dem Branntweinmonopolgesetz und sollen es auch nicht werden. Vielleicht schwebt dem Herrn Abgeordneten die Heranziehung des Alkohols zum Monopolausgleich vor, der solchen Weinen zur Erhöhung ihres natürlichen Weingeistgehaltes zugesetzt wird. Ein solcher Alkoholzusatz unterliegt nach einem Rechtsgutachten des Bundesfinanzhofs schon auf Grund des geltenden Monopolgesetzes bei der Einfuhr dem sogenannten Monopolausgleich. Die in Abs. 2 und 3 der Frage erwähnten Gesichtspunkte sind der Bundesregierung seit langem bekannt. Im Laufe des vergangenen Jahres haben wiederholt eingehende Besprechungen zwischen 2. Deutscher .Bundestag ({0}) den beteiligten Ressorts stattgefunden, in denen eine Regelung angestrebt wurde, die den möglichen handelspolitischen und 'innerwirtschaftlichen Auswirkungen, soweit erforderlich, Rechnung tragen soll, unter Umständen durch Änderung des geltenden Gesetzes. Diese Besprechungen zwischen den Bundesressorts sind noch nicht abgeschlossen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage?

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist dem Herrn Staatssekretär bekannt, daß mehrere Gutachten namhafter Kenner der Monopolgesetzgebung zu ganz anderen Schlußfolgerungen kommen als dieses Urteil des Bundesfinanzhofs?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es handelt sich um ein Gutachten des Bundesfinanzhofs, also des höchsten Steuergerichtshofs. Gutachten von namhaften Kennern des Branntweinmonopolgesetzes können wohl nicht mit einem Gutachten des höchsten Steuergerichtshofs auf dieselbe Ebene gebracht werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 10 - Abgeordneter Ritzel - betrifft Beseitigung der Störungen beim Mittel- und Kurzwellenempfang: Bis wann kann mit der endgültigen Beseitigung der zum Teil sehr erheblichen Störungen bei Empfang von Radiosendungen auf Mittel- und Kurzwellen gerechnet werden? Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Balke.

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Herr Abgeordneter, mit einer endgültigen Beseitigung der Störungen beim Empfang von Rundfunksendungen im Mittelwellenbereich kann zuverlässig erst gerechnet werden, wenn die Mittelwellen der überregionalen Rundfunkversorgung vorbehalten bleiben und die regionale Rundfunkversorgung mit Hilfe der Ultrakurzwellen durchgeführt wird. Ich darf in diesem Zusammenhang auf entsprechende Anregungen verweisen, die der technische Direktor des Nordwestdeutschen Rundfunks 1952 im Bulletin der UER, der Organisation der europäischen Rundfunkanstalten, veröffentlicht hat. Diese Anregungen sind im übrigen in dem Aufsatz, den Sie, Herr Abgeordneter, zum Gegenstand einer Frage in der Fragestunde vom 15. Dezember 1955 gemacht haben, sowie in einer im Januarheft der englischen Fachzeitschrift „Wireless World" veröffentlichten Abhandlung aufgegriffen worden. Für das Gebiet des Kurzwellenrundfunks besteht noch kein Wellenplan; er könnte nur als weltweites Abkommen vereinbart werden. Vor dem Abschluß eines solchen Abkommens, von dem nicht gesagt werden kann, wann und ob es überhaupt zustande kommen wird, kann mit einer Beseitigung der Störungen im Kurzwellenrundfunk nicht gerechnet werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zusatzfrage?

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich dann zusätzlich fragen, was Sie, Herr Bundespostminister, veranlaßt haben, um zu erreichen, daß beim Empfang von Kurzwellensendungen Störungen durch nichtentstörte Autos, Motorräder, Mopeds und dergleichen abgestellt werden?

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Ich darf auf die Antwort verweisen, die ich auf eine ähnliche Frage schon einmal gegeben habe. Wir versuchen durch Empfehlungen an die Herstellerindustrie, diese Störungen wegzubekommen. Sollten diese Empfehlungen keinen Erfolg haben, werden wir wahrscheinlich den Weg einer Verordnung gehen müssen, obwohl ich als Techniker nicht sehr gern technische Fragen durch Verordnungen regele.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 11 - gestellt vom Abgeordneten Ritzel - betrifft den Ersatz überalterter Personenwagen der Bundesbahn für den Berufsverkehr: Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, bei der Deutschen Bundesbahn dahin zu wirken, daß, gegebenenfalls im Rahmen eines Fünf-Jahres-Plans, die alten Personenwagen dritter und ehemals vierter Klasse, die heute zum Nachteil der sie in der Hauptsache benutzenden Arbeiterschaft im Berufsverkehr eingesetzt sind, durch einwandfreie, den elementarsten gesundheitlichen Bedürfnissen entsprechende Personenwagen ersetzt werden? Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fehlen der Deutschen Bundesbahn zur zufriedenstellenden Bedienung des Berufsverkehrs rund 3000 Wagen, die etwa 500 Millionen DM kosten. Da wegen der bekannten finanziellen Lage der Bundesbahn neue Nahverkehrswagen bisher nicht in Auftrag gegeben werden konnten, wird ein Teil der im Berufsverkehr eingesetzten Fahrzeuge bereits seit zwei Jahren im Rahmen eines VierjahresProgramms zu modernen dreiachsigen Großraumwagen umgebaut. Diese Modernisierung von rund 5000 Wagen ermöglicht eine Vergrößerung des Sitzplatzangebots. Bei dem Umbau werden u. a. folgende Arbeiten durchgeführt: 1. die Polsterung sämtlicher Sitzplätze, 2. der Einbau einer Leuchtröhrenbeleuchtung, 3. die Installation einer neuzeitlichen Heizung, 4. der Einbau von fließendem Wasser, das im Winter erwärmt wird, 5. die Verbesserung der Laufeigenschaften durch straffe Kuppelung von jeweils zwei Wagen. Die dem Fahrgast gebotene Bequemlichkeit wird also gegenüber den alten Wagen durch den Umbau nennenswert erhöht. Die Deutsche Bundesbahn macht schon von sich aus erhebliche Anstrengungen für die Modernisierung des im Berufsverkehr eingesetzten Wagenparks. Sie kann jedoch für diesen Zweck in ihrem Wirtschaftsplan größere Beträge nicht frei machen. Von dem Herrn Bundesminister der Finanzen kann sie eine Verstärkung der im Haushalt 1956/57 vorgesehenen Mittel nicht erwarten. Selbstverständlich wird sie um die Sicherung der Mittel für das Neubauprogramm für Nahverkehrswagen bemüht bleiben, damit dieses Programm wie vorgesehen im Jahre 1958 anlaufen kann. Der Bundesminister für Verkehr steht in dieser Frage mit dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn seit langer Zeit in ständigem Gedankenaustausch.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Haben Sie, Herr Bundesverkehrsminister, einmal den Versuch gemacht, aus dem von dem Herrn Bundesfinanzminister und seinen ({0}) Räten zugegebenen überquellenden Reichtum der Bundeskasse ein mittelfristiges Darlehen zur Beseitigung dieses Zustandes zu erreichen? Die noch im Betrieb befindlichen Berufsverkehrswagen erinnern mehr an Viehwagen als an Beförderungsgelegenheiten für Menschen.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Sehr verehrter Herr Kollege Ritzel, Sie können sich vorstellen, daß ich jedes Jahr mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen einen intensiven Kampf darum führe, für die Bundesbahn im Darlehenswege möglichst viele Mittel zur Verbesserung ihrer rollenden und stationären Einrichtungen zu erhalten.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 12 - Abgeordneter Dr. Arndt - betrifft die Dauer der Untersuchungshaft bei Strafverfahren, für die der Bundesgerichtshof erste und einzige Instanz ist: Wie lang ist durchschnittlich die Dauer der Untersuchungshaft in den Strafverfahren, für die der Bundesgerichtshof erste und einzige Instanz ist? In wieviel Fällen hat die Dauer der Untersuchungshaft ein Jahr überschritten? Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs im ersten und letzten Rechtszug für die Untersuchung und Entscheidung von Verbrechen und Vergehen gegen Staat und Verfassung ist durch das Erste Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951 eingeführt worden. Wenn man alle seither, also seit 1951 bis zum heutigen Tag, bei diesem Gerichtshof angefallenen Verfahren dieser Art berücksichtigt, so ergibt sich für die Dauer der Untersuchungshaft ein Durchschnitt von sieben bis acht Monaten. In 19 Fällen hat die Untersuchungshaft ein Jahr überstiegen. In den zur Zeit bei dem Oberbundesanwalt und dem Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren wegen Landesverrats, Hochverrats und Staatsgefährdung beträgt der Durchschnitt der Untersuchungshaft 5,5 Monate. Lediglich in vier Fällen übersteigt die Untersuchungshaft ein Jahr. In diesen vier Fällen handelt es sich jedoch um solche Verfahren, in denen die Anklageschrift dem Bundesgerichtshof bereits vorliegt und die Hauptverhandlung in naher Zukunft stattfinden wird. Es war schon bisher und ist auch weiterhin das Anliegen des Oberbundesanwalts, des zuständigen Strafsenats des Bundesgerichtshofs und selbstverständlich auch mein eigenes Anliegen, die durchschnittliche Dauer der Untersuchungshaft noch weiter herabzudrücken. Es ist insbesondere die für Hoch- und Landesverratssachen aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zwingend vorgeschriebene gerichtliche Voruntersuchung, die häufig zu einer längeren Dauer des Vorverfahrens führt. Im übrigen wird sich daran nichts ändern lassen, daß in solchen Verfahren die Untersuchungshaft schon deshalb im Durchschnitt etwas längere Zeit erfordert, weil infolge der hinlänglich bekannten Methoden der Gegner des Staates immer eine langwierige Untersuchung notwendig ist, bevor die Hauptverhandlung durchgeführt werden kann.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 13 - des Abgeordneten Dr. Werber -; für ihn Dr. Czaja. Sie betrifft Zugverspätungen im Fernverkehr und Berufsverkehr: Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die Zugverspätungen im Fernverkehr und Berufsverkehr in den letzten Monaten sehr vermehrt haben? Worauf ist die Zunahme zurückzuführen, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um Abhilfe zu schaffen? Zur Antwort hat der Herr Bundesminister für Verkehr das Wort.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Zugverspätungen im letzten Vierteljahr 1955 vorübergehend verhältnismäßig zahlreich waren. Die Ursache liegt in der außerordentlich starken Inanspruchnahme der Bundesbahn während der Herbstmonate. Die Hauptabfuhrstrecken und die Knotenbahnhöfe hatten einen stärkeren Verkehr zu bewältigen als in früheren Jahren. Im Januar 1956 sind die Verspätungen erheblich zurückgegangen. Rund 85 % der Fernreisezüge und 92 % der Personenzüge trafen auf ihren Endbahnhöfen praktisch planmäßig ein. Verspätungen von weniger als fünf Minuten sind bei diesen Zahlen nicht berücksichtigt. Der Pünktlichkeitsgrad ist also mit Abklingen des Herbstverkehrs wieder normal. Allerdings hat der plötzliche und außergewöhnlich starke Kälteeinbruch der letzten Tage erneut eine Verspätungswelle ausgelöst. Zu diesem Sonderfall - wir haben solche Kältegrade seit dem kalten Winter 1928/1929 hier nicht mehr erlebt - ist zu bemerken, daß die technischen Einrichtungen der Deutschen Bundesbahn westlich der Elbe auf Kältegrade bis zu minus 15 Grad bemessen sind. Bei 1 höheren Kältegraden lassen sich Störungen leider trotz des lobenswerten Einsatzes unserer Eisenbahner nicht vermeiden. Um grundsätzlich den Verspätungen zu begegnen, arbeitet die Bundesbahn daran, die Zahl der Langsamfahrstellen weiter herabzudrücken, die stark beanspruchten Strecken leistungsfähiger auszubauen und Fahrzeuge neu zu beschaffen und ihre Laufeigenschaften zu verbessern. Der Bundesbahn stehen jedoch für die Anpassung ihrer ortsfesten Anlagen und ihres Fahrzeugparks an die wachsenden Verkehrsansprüche finanzielle Mittel nur in sehr beschränktem Umfang zur Verfügung. Die eingeleiteten Maßnahmen werden sich daher über eine Reihe von Jahren erstrecken, falls es nicht gelingt, zusätzliche Mittel zu beschaffen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage?

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß bei automatisierten Weichenanlagen wie z. B. in Heidelberg schon bei verhältnismäßig geringem Schneefall außerordentlich starke Verspätungen eintreten?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Ja, das ist selbstverständlich bekannt. Diese Heidelberger Weichen haben im Anfang nicht ganz befriedigt. Es ist eine Neukonstruktion, die sich aber natürlich - wegen der Einrichtung des Gleisbildstellwerks - erst einpassen muß. Wir haben bei anderen derartigen Anlagen diese Beobachtungen nicht gemacht. Vielleicht liegt es auch daran, daß sich die Heidelberger Mitarbeiter erst einmal an die neuen Verhältnisse des neuen Durchgangsbahnhofs gewöhnen müssen. ) Dr. Czaja ({0}): Danke schön.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 14, ebenfalls Abgeordneter Dr. Werber bzw. Dr. Czaja. Die Frage betrifft den Mangel an Personenwagen für den Berufsverkehr. Ist der Bundesregierung bekannt, daß es der Deutschen Bundesbahn an Personenwagen für den Berufsverkehr außerordentlich mangelt? Ist sie bereit, der Bundesbahn zweckgebundene finanzielle Mittel zum Bau oder Umbau von Personenwagen für den Berufsverkehr zur Verfügung zu stellen?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meiner heutigen Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Ritzel habe ich dargelegt, welche Maßnahmen die Bundesbahn getroffen und eingeleitet hat, um dem Mangel an geeigneten Personenwagen für den Berufsverkehr abzuhelfen. Ich darf ergänzend sagen. ich glaube nicht, daß der Herr Bundesminister der Finanzen und daß dieses Hohe Haus sich in der Lage sehen werden, über die Ansätze hinaus, die im Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1956/57 für die Bundesbahn bereits vorgesehen sind, weitere Mittel für den Bau von Reisezugwagen für den Berufsverkehr in Aussicht zu stellen. Die der Bundesbahn aus ihren Einnahmen aus dem Bundeshaushalt und aus anderen Quellen wie dem Verkehrsfinanzgesetz für die laufende Unterhaltung und Erneuerung der Bahnanlagen und Fahrzeuge, für Wiederaufbau und Nachholbedarf, für Modernisierung und Rationalisierung zur Verfügung stehenden Mittel gestatten es leider nicht, jetzt mehr als bereits vorgesehen für den Berufsverkehr zu tun. Wir hoffen, daß es möglich ist, wie ich schon ausführte, ab 1958 ein Neubauprogramm für Waggons für diese Zwecke aufzulegen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 15 - des Abgeordneten Arnholz - betreffend Versorgungsregelung für die Feuerwerksmeister und ihre Mitarbeiter: Wie ist im Falle eines Unglücks die Versorgung der Feuerwerksmeister und Ihrer Mitarbeiter, die - wie in Knapsack bei Köln - bei jedem Versuch zur Beseitigung oder Entschärfung von Bomben oder Minen ihr Leben im Dienste für die Gemeinschaft einsetzen, geregelt? Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Hartmann.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soweit die Feuerwerksmeister und ihre Mitarbeiter als Beschäftigte in einem Unternehmen des Landes tätig sind, sind sie nach der Reichsversicherungsordnung gegen Arbeitsunfälle bei dem jeweiligen Land gesetzlich versichert. Die staatliche Ausführungsbehörde des Landes hat die Leistungen aus der Unfallversicherung zu gewähren. Im Falle der Minderung der Erwerbsfähigkeit steht dem Verletzten grundsätzlich eine Rente zu, die nach dem Arbeitsverdienst im Jahre vor dem Unfall zu berechnen ist. Im Falle des Todes erhalten die Hinterbliebenen ebenfalls eine Rente unter Berücksichtigung des Jahresarbeitsverdienstes des Verstorbenen. Bei dem Tod der in ihrer Anfrage gemeinten Personen handelt es sich um Folgen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung, die einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung begründet. Der Anspruch ruht jedoch nach Maßgabe des Bundesversorgungsgesetzes in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Mit Rücksicht auf die besonderen Gefahren, denen alle Arbeitnehmer im Kampfmittelbeseitigungsdienst ausgesetzt sind, stellt der Bund zu der eben von mir dargelegten generellen gesetzlichen Regelung für einen zusätzlichen Unfallschutz der Arbeitnehmer Mittel aus dem Verteidigungsfolgekostenhaushalt bereit. Voraussetzung ist, daß die Gefahrenzulage der invalidenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer monatlich mit 250 DM und der angestelltenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer mit 400 DM begrenzt wird. Das Bundesministerium der Finanzen hat demzufolge einen Rahmenvertrag für den zusätzlichen Unfallschutz aller im Kampfmittelbeseitigungsdienst beschäftigten Arbeitnehmer abgeschlossen und den Ländern empfohlen, dieser Versicherung unter den vorstehend genannten Voraussetzungen beizutreten. Nach diesem Versicherungsvertrag stehen den Arbeitnehmern oder den Angehörigen je 15 000 DM im Falle des Todes und 30 000 DM im Falle dauernder Arbeitsunfähigkeit zur Verfügung, und zwar zusätzlich zu den generellen gesetzlichen Leistungen. Dieser Empfehlung des Bundesfinanzministeriums sind alle Länder gefolgt mit Ausnahme der Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Berlin. Trotz wiederholter Bemühungen des Bundesfinanzministeriums hat sich ein Beitritt der Länder Nordrhein-Westfalen und Hamburg nicht ermöglichen lassen, weil die tarifvertraglichen Bindungen des Landes Nordrhein-Westfalen und die einzelvertragliche Vereinbarung des Landes Hamburg, die höhere Gefahrenzulagen vorsahen, eine Umstellung auf das vom Bund empfohlene Verfahren offenbar nicht zugelassen haben. Nach Mitteilung des Landes Nordrhein-Westfalen war der gewerkschaftliche Tarifvertragspartner nicht geneigt, eine Umstellung des gekündigten Tarifvertrages in dem vorstehenden Sinne vorzunehmen. Daraus hat sich nun die folgende Lage ergeben. In Nordrhein-Westfalen erhalten die Arbeitnehmer des Kampfmittelbeseitigungsdienstes neben ihrer monatlichen Bruttovergütung für ihre Tätigkeit im unmittelbaren Gefahrenbereich eine gegenüber den übrigen Ländern wesentlich höhere Gefahrenzulage von etwa monatlich 700 DM für Angestellte und etwa 300 bis 400 DM für Arbeiter. Daneben wird für die Entschärfung jedes Langzeitzünders eine Sonderzulage von 300 DM gezahlt. Offenbar gingen die Tarifpartner davon aus, daß die Gewährung dieser höheren Gefahrenzulagen für die Arbeitnehmer eine günstigere Regelung darstelle als der Abschluß der vom Bunde empfohlenen zusätzlichen Versicherung. Es sollte den Arbeitnehmern überlassen bleiben, eine etwaige private Zusatzversicherung selbst abzuschließen und die Prämien aus der erhöhten Gefahrenzulage zu zahlen. Die Einzelheiten für Hamburg und Berlin brauche ich vielleicht im Augenblick nicht darzulegen.

Otto Arnholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte eine Zusatzfrage!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage, bitte! Arnholz ({0}): Ist der Herr Staatssekretär in der Lage zuzusagen, daß sein Minister sich mit den zuständigen Stellen in Verbindung setzen und sich dafür einsetzen wird, daß das stille Heldentum dieser Männer nicht vergessen wird und daß ihr Opfermut bei geeigneten Gelegenheiten, insbesondere im Schulunterricht, als hohe sittliche Tat die verdiente Würdigung findet?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das Bundesfinanzministerium wird gern entsprechend Ihrer Anregung verfahren. Es wird sich dann wohl zunächst mit dem Herrn Bundesminister des Innern in Verbindung setzen müssen, der seinerseits dann die Herren Kultusminister der Länder ansprechen wird.

Otto Arnholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke sehr!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 16 - Abgeordneter Dr. Menzel - betrifft die polizeiliche Schließung des von einem deutschen Pfarrer in Madrid geleiteten Seminars. Ist die Bundesregierung wegen der am 23. Januar 1956 erfolgten Schließung des von einem deutschen Pfarrer in Madrid geleiteten Seminars durch die spanische Polizei bei der spanischen Regierung vorstellig geworden, und welche Schritte hat sie unternommen, um die Interessen der deutschen Staatsangehörigen in Fällen derartiger Übergriffe zu schützen? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Menzel möchte ich folgendes antworten. Bei dem von der spanischen Regierung geschlossenen Seminar handelt es sich um das im Jahre 1947 mit Unterstützung des Weltkirchenrates eröffnete Vereinigte Evangelische Theologische Seminar in Madrid, das der Ausbildung spanischer evangelischer Theologen dient. Außer dem deutschen Pastor Theodor Fliedner sind an diesem Seminar ein amerikanischer, ein holländischer und drei spanische Pfarrer tätig. Der Botschafter der Bundesrepublik in Madrid ist sofort nach Bekanntwerden der Schließung mit Pastor Fliedner in Verbindung getreten. Er hat sodann den Herrn spanischen Außenminister auf den ungünstigen Eindruck hingewiesen, den dieser Vorfall in der Bundesrepublik hinterlassen werde, da ein deutscher Staatsangehöriger an der Leitung des Seminars beteiligt sei. Der Herr Außenminister hat dem Botschafter mitgeteilt, daß aus dem Vorgehen gegen das Seminar für Herrn Pastor Fliedner persönlich keine Weiterungen zu erwarten seien. Die Schließung erfolgte nach dem vorliegenden. Bericht unserer Botschaft auf Grund eines Kabinettsbeschlusses, weil das Seminar „clandestino", d. h. „heimlich", geführt und nicht beim Erziehungsministerium registriert worden sei. ({0}) Schließlich hat der deutsche Botschafter mit den Missionschefs der Vereinigten Staaten und der Schweiz, die sich für die Angelegenheit gleichfalls interessierten, Fühlung genommen. Nach Prüfung des Sachverhalts wurde jedoch übereinstimmend festgestellt, daß eine Demarche nicht möglich sei, da das Seminar eine innere Angelegenheit des spanischen Protestantismus sei, wenn es auch vom Internationalen Komitee für Evangelisation in Spanien" finanziell getragen und von einem Kuratorium des Ökumenischen Rates der Kirchen geleitet werde. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage?

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja! - Bestehen nicht Anhaltspunkte dafür, Herr Bundesaußenminister, daß der spanischen Regierung die Existenz des Seminars schon längere Zeit bekannt war, daß also die Erklärung der spanischen Regierung, das Seminar sei heimlich geführt worden, offenbar unrichtig ist?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Kollege Menzel, ich habe diese Erklärung ohne Kommentar wiedergegeben. Ich bin der festen Überzeugung, daß die Existenz bekannt war, und gerade die Art, wie ich die Begründung wiedergab, sollte zeigen, daß ich von ihr nicht überzeugt bin.

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich noch eine Zusatzfrage stellen?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Bitte sehr!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte für eine Verschärfung der Haltung der spanischen Regierung gegenüber protestantischen Einrichtungen in Spanien?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Kollege Menzel, ich darf sagen: Wir haben noch keine Anhaltspunkte und Gründe. Aber ich habe die Botschaft inzwischen schon angewiesen, mir darüber einen ausführlichen Bericht zu geben und in dieser Sache auch Fühlung aufzunehmen mit den anderen Botschaften, die an diesen Vorgängen interessiert sind.

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke! ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. - Frage 17, Abgeordneter Frehsee, betrifft Veröffentlichung der Ergebnisse der Lohnstrukturerhebung in der Landwirtschaft und der Haushaltsrechnungen in Landarbeiter- und Kleinbauernhaushaltungen: Aus welchen Gründen sind bis heute die Ergebnisse 1. der im Jahre 1953 in der Landwirtschaft durchgeführten Lohnstrukturerhebung und 2. der im Jahre 1952 durchgeführten Haushaltsrechnungen in Landarbeiter- und Kleinbauernhaushaltungen noch nicht veröffentlicht? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um sicherzustellen, daß die Vorlage der Ergebnisse, derartiger Erhebungen künftig zu einem Zeitpunkt erfolgt, der den finanziellen Aufwand rechtfertigt? Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Ich bitte das Hohe Haus um Entschuldigung, daß meine Antwort etwas lang ausfallen wird. Aber das liegt an den Fragen. Es sind Fragen, die sich leider nicht so kurz beantworten lassen, wie man vielleicht möchte. Zu dem ersten Teil der Frage darf ich folgendes sagen. Die Lohnstrukturerhebung in der Landwirt({0}) schaft wurde in der Zeit vom 1. Februar 1953 bis zum 31. Januar 1954 durchgeführt, also nicht nur für das Jahr 1953. Die Erhebung und die Aufbereitung lagen bei den statistischen Landesämtern. Die gesetzten Termine wurden zum Teil eingehalten, zum Teil überschritten. Die letzten Ergebnisse sind Ende März 1955 beim Statistischen Bundesamt eingegangen. Hier wurden anschließend die Landesergebnisse geprüft, soweit notwendig im Benehmen mit den statistischen Landesämtern berichtigt und zu Bundesergebnissen zusammengefaßt. Diese Arbeiten wurden im Dezember 1955 beendet. Die Drucklegung ist eingeleitet. Mit dem Vorliegen der entsprechenden Veröffentlichung ist spätestens Mitte des Jahres zu rechnen. Eine Auswahl wichtiger Ergebnisse erscheint in diesen Tagen in Form eines statistischen Berichts. Zum zweiten Teil der Frage lautet die Antwort wie folgt. Die Haushaltsrechnungen bei 250 Landarbeitern und 750 bäuerlichen Haushaltungen wurden für die Zeit von Januar bis Dezember 1953 - nicht, wie es in der Frage heißt, 1952 - durchgeführt. Die letzten Erhebungsunterlagen gingen bei den statistischen Landesämtern im April 1954 ein. Die Erhebung und die Aufbereitung lagen auch hier bei den statistischen Landesämtern. Diese haben die Aufbereitung für beide Gruppen von Haushaltungen zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Für die Fertigstellung der Ergebnisse kann deshalb kein Termin genannt werden. Bei der Beurteilung dieser Verzögerungen ist zu berücksichtigen, daß beide Statistiken die statistischen Landesämter vor außergewöhnliche Ermittlungsschwierigkeiten gestellt haben, die u. a. mit der Erfassung der Naturalentlohnung und der Entnahme aus dem eigenen Betrieb zusammenhängen. I) Umfangreiche nachträgliche Feststellungen bei den Berichterstattern haben sich als erforderlich erwiesen. Es ist auch zu berücksichtigen, daß bei den statistischen Ämtern Personalschwierigkeiten bestehen, die durch die Beschränkung der für diese Erhebung zur Verfügung gestellten Mittel und durch die Schwierigkeiten, auf dem Arbeitsmarkt brauchbare Arbeitskräfte für ein zeitlich befristetes Arbeitsverhältnis zu gewinnen, hervorgerufen sind. Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß etwa gleich lange Bearbeitungszeiten auch beim früheren Statistischen Reichsamt bei entsprechenden Erhebungen benötigt wurden, obwohl dieses Amt personell besser ausgestattet war und durch die zentrale Bearbeitung der Erhebungsunterlagen gewisse Zeitverluste vermieden werden konnten. Zu der letzten Frage darf ich sagen: Auch die Bundesregierung ist selbstverständlich der Auffassung, daß eine Statistik um so wertvoller ist, je schneller über ihre Ergebnisse verfügt werden kann. Sie wird - auch mit Rücksicht auf die nutzbringende Verwendung der für eine Statistik ausgegebenen Geldmittel - alles tun, um die Vorlage von Ergebnissen statistischer Erhebungen zu beschleunigen; sie wird im besonderen, soweit sie dazu in der Lage ist, organisatorische und finanzielle Hemmnisse beseitigen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 18 des Herrn Abgeordneten Schneider ({0}) betreffend Freistellung der Hochseefischer vom Wehrdienst: Ist die Bundesregierung bereit. die Hochseefischer wegen des Personalengpasses in diesem Wirtschaftszweig vom Wehrdienst freizustellen? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesverteidigungsminister.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Das Wehrpflichtgesetz wird die Voraussetzungen und Möglichkeiten schaffen, um im Rahmen des sogenannten Kräfteausgleichs Unabkömmlichstellungen vom Wehrdienst für Angehörige solcher Wirtschaftszweige durchzuführen, bei denen ein besonderer Mangel an Kräften besteht. Es muß abgewartet werden, ob die Bestimmungen des Gesetzentwurfs, in denen solche Möglichkeiten vorgesehen werden, von den gesetzgebenden Körperschaften gebilligt werden. Wenn dies der Fall sein sollte, wird die Bundesregierung prüfen, ob im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Wehrpflichtgesetzes und auch später die Personallage bei der Hochseefischerei so ist, daß die Unabkömmlichstellung von Hochseefischern gerechtfertigt ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 19, Abgeordneter Schneider ({0}). Die Frage betrifft antikommunistische Propaganda in Westdeutschland. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um der östlichen Infiltration in Westdeutschland Einhalt zu gebieten, insbesondere durch eine aktive antikommunistische Propaganda die westdeutsche Bevölkerung über die Methoden und Erscheinungsformen auf dem Gebiet der geistigen Kriegführung aufzuklären? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Ich darf die Frage des Herrn Kollegen wie folgt beantworten. Ich verstehe seine Frage dahin, daß vor allem die Notwendigkeit von repressiven und aufklärenden Maßnahmen hervorgehoben werden soll und daß die Augen der Öffentlichkeit auf dieses vordringliche Thema gelenkt werden sollen. Ich möchte sagen, daß ich das begrüße, und ich bin mit dem Herrn Kollegen der Ansicht, daß der kommunistischen Infiltration nur mit einer aktiven Abwehr durch a 11e begegnet werden kann. Ich bitte aber um Verständnis dafür, daß ich die Pläne, welche die Bundesregierung in Angriff genommen hat und für die Zukunft hegt, hier nicht im einzelnen darlege. Wir würden ihren Erfolg gefährden, wenn der Gegner vorzeitig davon Kenntnis erhielte. In einem Kriege - und, meine Damen und Herren, dies gilt nicht nur für den „heißen", sondern auch für den „kalten" Krieg - kommt eine übertriebene Publizität letztlich nur dem Gegner zustatten. Ich schlage daher vor, daß wir von einer weiteren öffentlichen Erörterung dieses Punktes absehen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Frage 20, letzte Frage, Abgeordneter Schneider ({0}), betrifft Hausrathilfe für Antragsteller, die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder Schwerbeschädigte sind. Ist die Bundesregierung bereit zu veranlassen, daß alle Antragsteller, die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder Schwerbeschädigte sind, Hausrathilfe ohne Rücksicht auf Punktzahl erhalten? Zur Beantwortung hat das Wort Herr Staatssekretär Hartmann.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ober die Bereitstellung der Mittel für die Hausrathilfe aus dem Sondervermögen Ausgleich-fonds entscheidet nach dem Gesetz nicht die Bundesregierung, sondern der Präsident des Bundesausgleichsamts mit Zustimmung des Kontrollausschusses. Nach der zur Zeit vom Präsidenten des Bundesausgleichsamts getroffenen Regelung wird die Hausrathilfe Antragstellern, die über 70 Jahre alt sind, in jedem Fall, den sonstigen Antragstellern nach Maßgabe eines Punktsystems ausgezahlt, bei dem neben dem Lebensalter insbesondere die Einkünfte, der Familienstand sowie besondere soziale Notstände berücksichtigt werden. Derzeit wird die erste und zweite Rate der Hausrathilfe Antragstellern mit mindestens 60 Punkten, die erste Rate Antragstellern mit mindestens 30 Punkten gewährt. Von einer allgemeinen, vollen Auszahlung der Hausrathilfe an alle Antragsteller, die mindestens 65 Jahre alt sind, hat der Präsident des Bundesausgleichsamts bisher noch abgesehen. Da der Umfang der für Hausrathilfe verfügbaren Mittel jeweils eine gegebene Größe darstellt, würden bei einer solchen Regelung noch zu viele andere Antragsteller, die sich in sozialer Notlage befinden, zurücktreten müssen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Frage ist beantwortet. Damit ist die Fragestunde erledigt. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Große Anfrage der Abgeordneten Müller-Hermann, Rümmele, Stücklen, Cillien und Fraktion der CDU/CSU betreffend Sicherheit im Straßenverkehr ({0}). Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Müller-Hermann. Müller-Hermann ({1}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen vor einer erschreckenden Bilanz. In den letzten fünf Jahren sind in der Bundesrepublik 50 000 Menschen dem Unfalltod zum Opfer gefallen. Wir haben 1 400 000 Menschen in der Bundesrepublik, die durch Unfälle im Straßenverkehr verletzt worden sind. Diese Unfallzahlen steigen Jahr für Jahr an. Wenn wir berücksichtigen, daß wir pro Jahr einen Zuwachs von etwa 500 000 Kraftfahrzeugen haben, können wir uns ausrechnen, wie die Unfallziffern weiter anwachsen werden, wenn wir nicht von allen Seiten Energisches tun, um zu einer erhöhten Verkehrssicherheit auf den Straßen zu kommen. Im Jahre 1955 hatten wir 12 000 Unfalltote und 350 000 Verletzte. Zwei Zahlen sind von besonderer Bedeutung. Nach der neuesten Statistik aus dem zweiten Vierteljahr 1955 sind 55 % der Unfalltoten und 87% aller Verletzten Personen, die sich auf zweirädrigen Fahrzeugen bewegt haben. Die zweite Zahl von bemerkenswerter Bedeutung ist, daß sich 85 % aller Verkehrsunfälle innerhalb geschlossener Ortschaften abspielen. Daraus ergibt sich bereits eine Andeutung, wo die Schwerpunkte in der Unfallbekämpfung liegen müssen. Wir dürfen als Bundestag vor der schwierigen Aufgabe, vor der wir stehen, nicht kapitulieren und resignieren. Wir haben wohl Anlaß, gerade von dieser Stelle aus einen Appell an das Gewissen und die Verantwortung aller beteiligten Stellen zu richten, aber auch einen Appell an das Gewissen und die Verantwortung aller Staatsbürger. Denn alle Staatsbürger sind Teilnehmer am Straßenverkehr. Wenn man auf die Unfallursachen blickt, so ist festzustellen, daß nach der vorliegenden Statistik aus dem Jahre 1954 - und die Statistiken stimmen in etwa Jahr für Jahr überein - 59 °/o aller Unfallursachen beim Führer von Kraftfahrzeugen liegen. Die Ursachen beim Fußgänger betragen etwa 7,7 % die Ursachen beim Radfahrer 10,8 %. Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß jeweils bei einem Unfall mehrere Unfallursachen zusammentreffen können und sich das Schwergewicht der Unfallursachen in dieser Statistik nicht ausdrückt. Immerhin bleibt die Feststellung übrig, daß 89,6 % der Unfallursachen in menschlichem Versagen bestehen. Mir scheint, wir können auch als Bundestag über das, was sich aus dieser Tatsache an Folgerungen ergibt, nicht mit einem Achselzucken zur Tagesordnung übergehen. Alle Verkehrssicherheitsmaßnahmen werden darauf abgestellt sein müssen, Unfallverhütung zu betreiben. Was ist von seiten des Bundes bisher auf diesem Gebiete geschehen? Thema Straßenbau: ich will es nur andeuten; wir haben uns hier bereits verschiedentlich über diesen Fragenkomplex unterhalten. Mir scheint es wichtig, festzustellen, daß wir erhebliche Fortschritte auf diesem Gebiet gemacht haben. Im kommenden Haushaltsjahr werden 800 Millionen DM für den Ausbau der Bundesstraßen zur Verfügung stehen, während es noch im Vorjahre nur 310 Millionen DM gewesen sind und im laufenden Haushaltsjahr 520 Millionen DM. Von diesem Hause sind also aus der sehr klaren Erkenntnis, daß ein verbesserter Straßenbau wesentlich zur Verminderung der Unfälle beitragen kann, höhere Beträge für den Straßenbau zur Verfügung gestellt worden. Die Voraussetzung hierfür ist wesentlich geschaffen worden durch das seinerzeit sehr umstrittene Verkehrsfinanzgesetz und durch die Zweckbindung seiner Mittel, die mein sehr verehrter Freund Dr. Dresbach kürzlich noch als eine ,.Abirrung" bezeichnet hatte. Aber ich will dieses Thema nicht vertiefen. Wir wissen, daß von seiten des Bundesverkehrsministeriums ein Zehn-JahresStraßenbauprogramm vorbereitet wird. Wir alle begrüßen diese Initiative und wollen uns nur darum bemühen, daß diese Planung des Verkehrsministeriums nicht eine Fleißarbeit bleibt, sondern auch realisiert werden kann. ({2}) Hier dürfte wohl das Hauptproblem liegen. Denn soviel wir bisher gehört haben, besteht bei diesem Zehn-Jahres-Straßenbauprogramm zur Zeit noch allein für die Bundesfernstraßen eine Finanzierungslücke von 6 Milliarden DM. Es wird also noch sehr großer gemeinsamer Anstrengungen bedürfen, um aus dieser Fleißarbeit ein realisierbares Programm zu machen. In diesem Zusammenhang wird die Frage eine Rolle spielen, ob wir nicht in erweitertem Umfange die vom Kraftverkehr aufgebrachten Mittel auch dem Straßenbau zuführen müssen. Nach einer mir vorliegenden Statistik werden im Jahre 1956 vom Kraftverkehr 1,9 Milliarden DM an Mitteln aufgebracht werden, aber nur, wie gesagt, etwa 800 Millionen DM sind im Bundeshaushalt für den Straßenbau vorgesehen. Ich will das Thema nur andeuten; es wird uns zweifellos im Laufe der nächsten Monate und Jahre erheblich beschäftigen. ({3}) Daraus, daß sich 85 % aller Unfälle innerhalb geschlossener Ortschaften ereignen, ergibt sich, daß wir im Zuge der Maßnahmen des Bundes sicherlich einen Schwerpunkt bilden müssen mit dem Ziel, die Ortschaften durch verbesserte Ortsumgehungen oder durch verbesserte Ortsdurchfahrten zu entlasten. Aber wir werden auf die Dauer gesehen auch nicht daran vorbeikommen, den Städten und Gemeinden, die allein durch die Parkraumfrage vor sehr erheblichen finanziellen Aufgaben und Ausgaben stehen, finanziell von seiten des Bundes eine gewisse Hilfestellung durch eine Veränderung oder Verbreiterung der Baulast zu geben. Auf dem Gebiete des Straßenbaues also tut der Bund schon etwas. Wir sind zur Zeit gleichfalls sehr intensiv an der Arbeit, um das Straßenverkehrsrecht den Erfordernissen der Zeit anzupassen. Es handelt sich auch hier um eine Nachholarbeit. Meine Damen und Herren, wir haben leider sehr lange die Dinge schleifen und liegenlassen. Aber zur Beschleunigung hat sich über alle Kompetenzen und Grundgesetzschwierigkeiten hinweg ein gemeinsamer Ausschuß aus Bundesrat und Bundestag gebildet, ein Ausschuß für Verkehrssicherheitsfragen, der tüchtig an der Arbeit ist und in kurzer Zeit zu einem Ergebnis kommen wird, das den Niederschlag in der Gesetzgebung finden wird. Meine Damen und Herren! Ich habe auf die moralische Verantwortung und Verpflichtung des Staates hingewiesen, für die Verkehrssicherheit etwas zu tun. Das gilt in gleichem Maße für die moralische Verantwortung des einzelnen. Hier stehen wir alle vor einer wichtigen Erziehungsaufgabe. Ist die Tatsache, daß wir heute im Straßenverkehr so wenig an Selbstdisziplin feststellen können, daß wir überall Rücksichtslosigkeit und Disziplinlosigkeit als Unfallursachen feststellen müssen, ist die Hast unserer Tage wirklich ein Charakteristikum unserer Zeit und unseres Landes? Wir können nicht daran vorbeigehen, daß die Unfallhäufigkeit in vergleichbaren Staaten mit vergleichbarer Bevölkerungsdichte und vergleichbarem Kraftfahrzeugbestand erheblich niedriger ist als bei uns. Daraus ergibt sich, daß auf dem Gebiet der Erziehung zur Selbstzucht und zur Selbstdisziplin und zur größeren Rücksicht und Achtung gegenüber dem Nachbarn und dem Nächsten noch sehr viel zu tun übrig bleibt. Wir müssen uns mit aller Entschiedenheit dagegen wenden und dagegen Vorsorge treffen, daß sich auf unseren Straßen ein Rowdytum durchzusetzen vermag oder Verkehrsdelikte grundsätzlich als Kavaliersdelikte angesehen werden. Wir müssen von seiten des Staates in Zusammenarbeit mit Elternhaus und freiwilligen und wirtschaftlichen Organisationen dafür sorgen, daß die Disziplin im Straßenverkehr zum obersten Gebot für alle Verkehrsteilnehmer wird. Wir müssen darüber hinaus sicherstellen, daß der Verkehrsunterricht in den Lehrplan aller Schulgattungen aufgenommen wird und die Lehranstalten mit entsprechendem Lehrmaterial versorgt werden. Die Große Anfrage, die zu begründen ich die Ehre habe, beschäftigt sich allerdings nicht mit den eben von mir umrissenen Problemen, sondern in erster Linie mit den Fragen der Verkehrsüberwachung und der Rechtsprechung bei Verkehrsdelikten, also mit Themen, die außerhalb der unmittelbaren Einwirkung und Kompetenz des Bundes liegen. Und die Aufgabe dieser Aussprache des Bundestages soll es sein, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Themen zu lenken und gewisse Verantwortlichkeiten zu klären. Der erste Teil der Großen Anfrage beschäftigt sich mit den Problemen der Verkehrspolizei und der Verkehrsaufsicht. Die Verkehrspolizei ist nach dem Grundgesetz eine Angelegenheit der Länder. Es besteht, wie mir scheint, selbst in dem Herzen unserer ausgeprägtesten föderalistischen Freunde eine gewisse Einsicht dafür, daß wir an sich eine Bundesverkehrspolizei brauchten. Aber wir werden die Hindernisse, die hier im Grundgesetz bestehen, nicht aus dem Wege zu räumen vermögen und werden uns mit den Tatsachen abfinden müssen. Die Verkehrspolizei liegt in der Obhut und Zuständigkeit der Länder. Eine Schwierigkeit besteht darin, daß die Verkehrspolizei nicht den Länderverkehrsministern, sondern den Länderinnenministern untersteht. Wir haben gerade dieser Tage gehört, daß der Herr Bundesverkehrsminister wieder mit seinen Kollegen in den Ländern eine lange Konferenz geführt hat. Wir haben nur das Bedenken, daß das, was mit gutem Willen dort erarbeitet wird, sich deswegen sehr schwer in die Praxis umsetzen läßt, weil nicht die Länderverkehrsminister die eigentlich Zuständigen für die Fragen der Verkehrsaufsicht sind, sondern die Länderinnenminister. Eine qualitativ gut ausgerüstete und geschulte Verkehrspolizei ist notwendig, wenn sie auch ihrer erzieherischen Aufgabe gerecht werden will. Die Verkehrspolizei muß sich pädagogisch und psychologisch richtig verhalten, und sie muß in die Lage versetzt werden, an Ort und Stelle schnell und damit wirksam eingreifen und notfalls bestrafen zu können. Voraussetzung dafür ist aber eben die Qualität der Verkehrspolizei und weiter, daß eine personelle und materielle Ausstattung der Verkehrspolizeikräfte in dem erforderlichen Ausmaß erfolgt und daß die Auswahl, die Ausbildung und der Einsatz nach einheitlichen Richtlinien innerhalb der gesamten Bundesrepublik vor sich gehen. Wir können zwar feststellen, daß auf dem Gebiet der Verkehrsüberwachung im Laufe der letzten Zeit manches besser geworden ist; aber wir stellen als Verkehrsteilnehmer leider auch immer wieder fest, daß sich die Verkehrspolizei allzu häufig noch auf Nebensächlichkeiten - ich nenne nur das falsche Parken - konzentriert. Man hat manchmal den Eindruck, daß die Verkehrspolizei meint, nur ihr Soll an Beanstandungen erfüllen zu müssen. Die Frage, die von meinen Freunden an die Bundesregierung und an den Herrn Bundesverkehrsminister gerichtet wird, ist die, inwieweit eine Möglichkeit besteht, durch das Zusammenwirken von Bund und Ländern, eventuell durch einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern, die Voraussetzungen zu schaffen für eine einheitliche Ausbildung und einen einheitlichen Einsatz der Verkehrspolizei, der dringend nötig ist, um mit der jetzigen Unfallsituation fertig werden zu können. Der zweite Teil unserer Großen Anfrage beschäftigt sich mit einem besonderen Sorgenkind für uns, die wir in der Verkehrspolitik stark engagiert sind, nämlich mit den Überladungen von Lastkraftwagen. Wir haben dieses Thema im Zusammenhang mit der Frage, wieweit man die Ladeabmessungen bei Lastkraftwagen beschränken soll, hinreichend diskutiert. Nun, wir wissen alle den Wert von Statistiken zu schätzen; aber es gibt auch Beispiele ({4}) dafür, daß Statistiken mißdeutet oder gar mißbraucht werden können. Ich habe hier eine sehr interessante Statistik vorliegen, die eine Untersuchung der Überladungen bei Lastkraftwagen im Lande Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom 11. März bis zum 31. Oktober 1955 zum Gegenstand hat. Kontrolliert wurden 62 298 Fahrzeuge, und Überladungen wurden bei 42 541 Fahrzeugen, d. h. bei 65 % dieser Fahrzeuge festgestellt. 25 % der Fahrzeuge waren bis 5 % überladen, 15 % zwischen 5 und 10 % und 25 % der Fahrzeuge über 25 %. Das macht natürlich einen erschreckenden Eindruck. Nun kommt aber folgendes hinzu. Auf Rückfrage bei den zuständigen Ministerien im Lande Nordrhein-Westfalen ist festgestellt worden, daß einmal unter den Schwerlastwagen Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen an einbezogen sind und zum zweiten eine Vorauswahl der zu kontrollierenden Fahrzeuge dadurch stattgefunden hat, daß man mit Funkgerät Hunderttausende oder Millionen Fahrzeuge vorher aussortiert hat, die nach dem Bild, das sie boten, nach dem Druck der Federn und dem Reifenstand Anlaß zu der Vermutung gaben, daß sie überladen sein könnten. Ein Fahrzeug, ein 3 1/2-Tonner eines Sägewerks, hatte sogar eine Überladung von 294 %. Aber, wie gesagt, diese Statistik, so eindrucksvoll sie erscheinen mag, muß mit einer gewissen Reserve aufgenommen werden, da sie durch die Vorauswahl der kontrollierten Fahrzeuge sicherlich nicht ein verallgemeinerndes Bild zuläßt. Problematisch ist, daß eine Überladung von Fahrzeugen nach der Straßenverkehrs-Ordnung bis zu 10 % erlaubt ist, ein Faktum, das nach unserer Auffassung Anlaß zu ernster Besorgnis gibt. Die Bestimmung müßte eventuell revidiert werden. Es gibt nach den gesetzlichen Bestimmungen die Möglichkeit, bei Überladungen Geldstrafen und Gefängnisstrafen bis zu drei Monaten zu verhängen. Im Wiederholungsfalle können die Konzessionen entzogen werden. Wie sieht es aber in der Praxis aus? Wir sehen immer wieder, daß selbst in Wiederholungsfällen nach langwierigen Gerichtsverhandlungen Geldstrafen in Höhe von 50, 100 oder 150 DM verhängt werden, Beträge, deren Mehrfaches der Besitzer des Lastkraftwagens bereits bei einer Tour verdient hat. Die Frage, die wir an die Bundesregierung zu stellen haben, ist die, wie man durch häufigere Stichproben mittels transportabler Waagen gegen diese Unsitte des Überladens energischer vorgehen kann und wie man die Sicherheit dafür schaffen kann, daß Fahrzeuge, bei denen Überladungen festgestellt worden sind, an Ort und Stelle abgeladen werden. Wir sind der Überzeugung, daß solche an Ort und Stelle verhängte Strafen bzw. Erfüllungen der gesetzlichen Bestimmungen abschreckender sein werden als langwierige Gerichtsverhandlungen. Ich komme damit zu dem dritten Teil der Großen Anfrage, die sich mit der Rechtsprechung bei Verkehrsdelikten beschäftigt. Zweierlei möchte ich vorausschicken. Meine politischen Freunde denken nicht im entferntesten daran, etwa die Unabhängigkeit der Richter auf dem Gebiete der Verkehrsrechtsprechung anzutasten. Und wir müssen feststellen - was für manch einen von uns selbst überraschend kam -, daß die Strafbestimmungen in der Straßenverkehrs-Ordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, im Güterkraftverkehrsgesetz und im Strafgesetzbuch durchaus ausreichend sind, um selbst schärfste Strafen zu verhängen. Die Frage ist nur die, ob diese Strafbestimmungen genügend genutzt werden und ob nicht das Mindeststrafmaß, insbesondere in Wiederholungsfällen, verschärft werden muß. Ich habe Gelegenheit gehabt, mich mit Richtern und Staatsanwälten über diese Fragen zu unterhalten. Man hat mir gesagt: „Stellen Sie sich bitte vor, wir haben bei einem kleinen Amtsgericht mehrere Fälle nacheinander zu bearbeiten, da ist eine Unterschlagung, und dann kommt eine Körperverletzung, und als drittes kommt, sagen wir, ein kleiner Verkehrsunfall oder eine Überladung von Kraftfahrzeugen. Bei den ersten beiden Fällen haben wir verhältnismäßig geringe Strafen verhängt - obwohl es sich um eine Unterschlagung und obwohl es sich um eine Körperverletzung gehandelt hat -, und nun kommt jemand, der sein Fahrzeug überladen hat, - was bleibt uns da bei einer solchen Relation praktisch anderes übrig, als auch hier eine verhältnismäßig geringe Strafe zu verhängen?" Wir begrüßen, daß die Länderjustizminister dazu übergegangen sind, besondere Verkehrsgerichte zu schaffen. Wir meinen, daß die Richter, die über solche Straßenverkehrsdelikte ein Urteil abgeben sollen, Sachverständige im Verkehr sein müssen. Sie sollen nicht nur die Gesetze über den Verkehr kennen, sondern sie sollen auch die Gesetzmäßigkeiten des Verkehrs kennen. Wir haben wahl Anlaß, den Verkehrsrichtern ein Lob auszusprechen, denn die Rechtsprechung hat sich im Laufe der letzten Monate nach Einrichtung dieser Institutionen zweifellos wesentlich verbessert. Die Verkehrsrichter sollen selbst Kraftfahrer sein. Sie haben dadurch, daß sie sich nur mit diesem Fragenkomplex zu beschäftigen haben, Vergleichsmöglichkeiten, und sie können vor allem auch zwischen Bagatellen und wirklichen Verbrechen unterscheiden. Worauf es uns ankommt und worauf sich die Anfrage konzentriert, die wir an die Bundesregierung zu richten haben, ist die Frage, wie man systematisch zu einem verstärkten Erfahrungsaustausch nicht nur zwischen den Länderjustizministern und dem Bundesjustizministerium und dem Bundesverkehrsministerium, sondern vor allem auch zwischen den Verkehrsrichtern kommen kann. Denn wir müssen heute immer wieder feststellen, daß gleiche Tatbestände in den verschiedenen Landesteilen und von den verschiedenen Verkehrsstrafrichtern völlig unterschiedlich bewertet und völlig unterschiedlich bestraft werden. Zum anderen möchten wir wissen, ob auf dem Gebiete der Rechtsprechung nicht die Möglichkeit besteht, über die Staatsanwaltschaften, die ja unter dem Einfluß ihrer Länderjustizminister stehen, dafür Sorge zu tragen, daß angemessene Strafen verhängt werden, und daß dort, wo offensichtlich zu geringe Strafen verhängt werden, Rechtsmittel eingelegt und Revisionen beantragt werden. Das sind die wesentlichsten Gesichtspunkte, die uns bestimmt haben, diese Große Anfrage einzubringen. Ich möchte nochmals im Namen meiner politischen Freunde, und wie ich meine, im Namen des ganzen Hauses die Versicherung abgeben, daß wir uns nach allen Kräften bemühen werden, mit der Exekutive, mit der Bundesregierung, aber auch mit den Länderregierungen und den Länderparlamenten gemeinsam dafür Sorge zu tragen, daß die ungeheure Zahl von Unfalltoten und Unfallverletzten im Laufe der nächsten Jahre verringert wird. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Große Anfrage ist eingebracht und begründet. Wer beantwortet sie? - Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage der beteiligten Ressorts beantworte ich die Große Anfrage namens der Bundesregierung. Bei dieser Beantwortung muß ich mich möglichst an den Text der Anfrage halten und kann daher nicht auf den Hintergrund eingehen, vor dem sich diese Anfrage abspielt und den der Herr Kollege Müller-Hermann soeben eindringlich geschildert hat. Ich gehe zunächst auf die erste Fragenreihe ein. Die Große Anfrage über die Sicherheit im Straßenverkehr schneidet in diesem ihrem ersten Teil die Frage des Zusammenspiels zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet des Straßenverkehrs an. Bekanntlich weist das Grundgesetz dem Bund nur die Gesetzgebung, den Ländern aber die gesamte Exekutive im Straßenverkehr zu. Beim Straßenverkehr handelt es sich um ein Sachgebiet, das seiner ganzen Eigenart nach einer möglichst einheitlichen Handhabung der Exekutive bedarf; denn der heutige Straßenverkehr ist großräumig und macht an den Ländergrenzen nicht halt. In den letzten Jahren hat sich auch die Straße mehr und mehr zu einem europäischen Verkehrsträger entwickelt. Die für den Verkehr zuständigen Minister des Bundes und der Länder und die für die Polizei zuständigen Innenminister der Länder bemühen sich daher seit langem gemeinsam, geeignete Wege für eine möglichst enge Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu finden. Gelegenheit zu ständiger Fühlungnahme bieten die Beratungen in den Ausschüssen des Bundesrates, bieten die Beratungen in den Verkehrsministerkonferenzen, die die Verkehrsminister der Länder und ihre Mitarbeiter mit meinen Mitarbeitern und mir mehrmals im Jahr zusammenführen. Soeben hat die 32. dieser Konferenzen in Heilbronn stattgefunden. Vor allem aber bieten dazu Gelegenheit die zahlreichen Besprechungen mit den Länderverkehrsreferenten, die entweder routinemäßig in bestimmten Zeiträumen beim Bundesminister für Verkehr stattfinden oder aus besonderem Anlaß einberufen werden. Die Ergebnisse der Besprechungen mit den Länderverkehrsreferenten münden ihrerseits wieder in die Verkehrsministerkonferenzen aus, die sich überwiegend mit den Problemen des Straßenverkehrs beschäftigt haben und von denen sehr viele Anregungen ausgegangen sind, die ihren Niederschlag in der Weiterentwicklung des Straßenverkehrsrechts, insbesondere der Straßenverkehrs-Ordnung und der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in den letzten Jahren gefunden haben. Eine vollkommene Durcharbeitung dieses Teiles des Straßenverkehrsrechtes war in den Jahren 1950/52 erfolgt. Eine erneute Durcharbeitung ist seit 1954 in Angriff genommen. Als Ergebnis liegt dem Bundesrat seit einiger Zeit ein umfangreicher Rechtsverordnungsentwurf der Bundesregierung vor. In diesem Zusammenhang muß auch die Gründung der Bundesverkehrswacht im Jahre 1950 und der Aufbau der Landesverkehrswachten sowie der örtlichen Verkehrswachten erwähnt werden. Während der Bund die Bundesverkehrswacht unterstützt, werden die Landesverkehrswachten von den Ländern unterstützt. Ihr Aufgabenbereich und ihre Ausstrahlung haben sich gerade in den letzten Jahren immer weiter verstärkt. Die intensive Zusammenarbeit zwischen der Bundesverkehrswacht und den Landesverkehrswachten spiegelt die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesverkehrsminister und den Länderverkehrsministern auf anderen Gebieten wider. In Verbindung mit der Ständigen Kultusministerkonferenz der Länder sind gleichfalls eine Reihe von Maßnahmen getroffen worden, wenn auch gerade hier noch vieles zu wünschen übrig bleibt. Die ständigen Anregungen des Bundesministers für Verkehr gehen dahin, die Verkehrserziehung bereits in frühester Schulzeit beginnen zu lassen. Leider haben sich die Länderkultusminister noch nicht entschlossen, überall einen obligatorischen Verkehrsunterricht in den Schulen einzuführen und davon auch im Abschlußzeugnis entsprechend Erwähnung zu tun. Erfreulicherweise sind zur Unterstützung der Verkehrserziehung der Jugend in einer Reihe von Großstädten Verkehrsübungsgärten angelegt, vielfach Verkehrskindergärten genannt, obwohl sie in starkem Maße von den die Schule besuchenden Kindern benutzt werden. In ausgezeichneter Weise werden hier die Kinder unter der Leitung von erfahrenen Verkehrsspezialisten, insbesondere aus den Reihen der Verkehrspolizei, in die Verhältnisse des Straßenverkehrs eingeführt. Die Erfolge dieser Erziehungsmethode zeigen sich gerade dort, wo diese Verkehrsspielplätze schon seit längerer Zeit vorhanden sind, wie insbesondere in Stuttgart und in Berlin. Leider haben zahlreiche Großstädte von diesen Möglichkeiten noch nicht Gebrauch gemacht. Ganz besonders verdienstvoll sind die Bemühungen um Einrichtung und Ausstattung des Schülerlotsendienstes, der gleichfalls in Verbindung mit den Länderverkehrsministern, den Verkehrswachten und den Länderkultusministern entstanden ist und sich gut entwickelt hat. Er trägt besonders dazu bei, die Kinder auf ihrem Schulweg vor den Gefahren des Verkehrs zu schützen, andererseits aber auch, die aktiven Schülerlotsen zu Verantwortungsbewußtsein und Rücksichtnahme zu erziehen. Die den Kindern vermittelte Verkehrserziehung wirkt sich wiederum auf die Eltern und auch auf die Großeltern günstig aus. Wie bedeutungsvoll eine Wirksamkeit nach dieser Richtung ist, zeigt, daß z. B. von den Verkehrstoten in Berlin rund 48 % über 60 Jahre alt waren. Darüber hinaus und auf Grund von Vereinbarungen zwischen den zuständigen Stellen des Bundes und der Länder wurden weiterhin besondere Gremien geschaffen, die einen ständigen Erfahrungsaustausch und eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen Gesetzgebung und Exekutivbehörden ermöglichen sollen: 1. Seit dem Jahre 1954 treten jährlich mindestens einmal, in diesem Jahre am 14. März, unter meinem Vorsitz die für den Verkehr, die Polizei, die Justiz, die Finanzen und den Straßenbau - dieses Mal auch die für die Erziehung - zuständigen Minister des Bundes und der Länder zu der Gemeinsamen Straßenverkehrssicherheitskonferenz zusammen, um über die wichtigen für die Verkehrssicherheit auf dem Gebiete des Straßenverkehrs zur Entscheidung anstehenden Fragen zu beraten. Die Beschlüsse dieser Konferenz sind richtungweisend für ({0}) die Arbeit der beteiligten Ressorts. Sie sind jeweils zusammen mit den Berichten über die Verhandlungen durch Sonderveröffentlichungen in der Schriftenreihe des Bundesministers für Verkehr der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden. Als Ergänzung gehört dazu der schon seit dem Jahre 1951 bestehende Straßenverkehrssicherheitsausschuß. Er ist nach seiner Umorganisation im Jahre 1954 praktisch die ständige Fortsetzung der Gemeinsamen Straßenverkehrssicherheitskonferenzen auf der Ebene der Referenten. In ihm sind neben den beteiligten Bundesressorts sämtliche Verkehrs- und Innenministerien der Länder, ferner zwei Justizministerien und die Ständige Konferenz der Kultusminister vertreten. Der Ausschuß setzt die Bearbeitung der von den Straßenverkehrssicherheitskonferenzen empfohlenen Maßnahmen im einzelnen fort, ermöglicht den ständigen Erfahrungsaustausch und trägt so dazu bei, daß die Maßnahmen der Exekutive und der Gesetzgebung aufeinander abgestimmt werden. 2. Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien besteht seit dem Jahre 1949 der Arbeitskreis II „ Öffentliche Ordnung und Sicherheit". In ihm sind die Innenminister der Länder vertreten. Der Arbeitskreis II befaßt sich mit Fragen der Organisation, der Ausrüstung und des Einsatzes des polizeilichen Vollzugsdienstes. Ein Beispiel fruchtbarer Zusammenarbeit in den genannten Gremien ist das Verfahren und die Durchführung bei der Aufstellung von Schwerpunktprogrammen. Jeweils für den Verlauf eines Jahres werden danach bestimmte Fragen von besonderer Bedeutung als Monatsthema für die Verkehrspolizei und die öffentliche Aufklärung festgelegt. So sind z. B. für Januar 1956 die Themen Bereifung, Bremsen und Lenkung, für Februar 1956 die Themen Kennzeichen und Kennzeichenbeleuchtung, Fahrtrichtungsanzeiger, für März 1956 die Themen Lärm- und Qualmbelästigung, Verschmutzung der Fahrbahn vorgesehen. Die Länder haben sich verpflichtet, den Einsatz ihrer Verkehrspolizei einheitlich nach diesen Themen auszurichten. Diese Einheitlichkeit im Vorgehen der Exekutive ermöglicht gleichzeitig eine nachhaltige Aufklärungsarbeit, die von der Bundes- und den Landesverkehrswachten, von der Arbeitsgemeinschaft für Verkehrssicherheit und den großen Klubs ADAC und AvD wirkungsvoll unterstützt wird. Im gesamten Bundesgebiet kann dadurch das Monatsthema in Presse und Rundfunk, Fernsehen und Wochenschauen propagandistisch behandelt werden. Aus diesem Zusammenspiel zwischen der Arbeit der Exekutive und der Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung können besonders gute Erfolge erhofft werden. Ähnlich arbeiten und wirken die großen Verkehrssicherheitswochen, die unter bestimmten Themen und einprägsamen Schlagzeilen, wie „Achtung geben - länger leben!", „Vorsicht und Rücksicht!", „Augen auf im Straßenverkehr!" usw., jährlich ein- bis zweimal durchgeführt werden, in diesem Frühjahr Mitte April. Sie werden getragen von der Arbeitsgemeinschaft für Verkehrssicherheit, einer Organisation der Berufsgenossenschaften und der Gewerkschaften, gemeinsam mit allen zuständigen Ministerien des Bundes und der Länder. Auch hier wirken die Polizei, die Verkehrswachten und die großen Klubs, ADAC, AvD usw., mit. Bereits die erste Straßenverkehrssicherheitskonferenz am 28. Januar 1954 hatte gefordert, daß die Verkehrspolizei verstärkt und daß ihre Ausrüstung verbessert und den Anforderungen des motorisierten Straßenverkehrs besser angepaßt wird. Die Länder haben sich bemüht, dieser Forderung gerecht zu werden. Wenn das bisher Erreichte noch nicht befriedigt, so ist dafür weitgehend die Tatsache verantwortlich zu machen, daß für die erforderlichen großzügigen Maßnahmen auf diesem Gebiet leider vielfach die entsprechenden Mittel nicht zur Verfügung gestellt worden sind. Manches Gute oder Notwendige läßt sich auch beim besten Willen nicht erreichen. So konnte der Plan, eine Polizeischule gemeinsam durch Bund und Länder einzurichten, leider nicht verwirklicht werden, obwohl eine solche Schule im Interesse einer einheitlichen Ausbildung der Polizei sehr erwünscht gewesen wäre. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dafür eine eigene Schule dieser Art eingerichtet und den anderen Ländern anheimgestellt, sich dieser Schule zu bedienen. Ein „unmittelbarer kontinuierlicher Austausch der Erfahrungen auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit" zwischen Bund und Ländern ist durch diese gemeinsame Arbeit, die sich in Konferenzen, Ausschüssen, gemeinsamen Veranstaltungen usw. abspielt, meines Erachtens wohl als gegeben anzusehen. Auch auf dem Gebiet der Unfallstatistik hat es bisher nirgends an einer engen und fruchtbaren Zusammenarbeit gefehlt. Die statistischen Behörden des Bundes und der Länder legen sowohl das Statistische Meldeblatt als auch das Tabellenprogramm gemeinsam fest. In enger Zusammenarbeit werden auf Anforderung von Bundesministerien und anderen Stellen Sonderauswertungen bearbeitet. Ein ständiger Kontakt der Bundes- und Länderbehörden in statistischen Fachausschüssen gewährleistet einen laufenden Erfahrungsaustausch. Ich komme nun zur Beantwortung der zweiten Fragenreihe. Bei der Untersuchung von Fahrzeugen auf technische Mängel und auf Überladungen ist zu unterscheiden 1. die Überprüfung durch die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr nach den Vorschriften des Güterkraftverkehrsgesetzes 2. die Überprüfung durch amtlich anerkannte Sachverständige nach § 29 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung und 3. die Überprüfung durch die Verkehrspolizei. Dazu möchte ich im einzelnen folgendes mitteilen, zunächst zur Überprüfung durch die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr. Die Fahrzeugkontrollen durch die Bundesanstalt gelten entsprechend den Aufgaben der Bundesanstalt in erster Linie der Feststellung von Verstößen gegen das Güterkraftverkehrsgesetz und gegen die Tarife. Sie dienen mittelbar aber auch der Verkehrssicherheit, jedenfalls soweit es sich um die Überladungen handelt. Verstöße gegen das Güterkraftverkehrsgesetz werden als Ordnungswidrigkeiten von den höheren Verkehrsbehörden der Länder geahndet. Nach den Berichten der Länder sind im Jahre 1954 insgesamt rund 35 000 derartige Verfahren eingeleitet worden, davon rund 20 000 auf Veranlassung der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr. Von diesen 35 000 Verfahren wurden rund 21 000 Bagatellsachen durch Einstellung oder Verwarnung erledigt, während in rund 14 000 Fällen Bußgelder verhängt wurden. Für das Jahr 1955 liegen uns die ({1}) Zahlen der Länder noch nicht vor. Die Bundesanstalt hat in diesem Jahr bei den Länderbehörden rund 18 000 Verfahren eingeleitet gegenüber 20 000 im Vorjahr. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr ist darauf zurückzuführen, daß auf Grund einer Vereinbarung zwischen der Bundesanstalt und den Ländern seit dem Sommer 1955 die Bundesanstalt in rund 12 000 Bagatellsachen den Genehmigungsbehörden lediglich Mitteilung gemacht hat, ohne Bußgeldanträge zu stellen. Aus den vorliegenden Statistiken ist leider nicht ersichtlich, wie groß der Anteil der Tarifverstöße an den genannten Zahlen ist. Über den Umfang der Verfolgung dieser Verstöße kann man sich jedoch in folgender Weise ein Bild machen: Bekanntlich hat bei vorsätzlichen Tarifverstößen die Bundesanstalt die Unterschiedsbeträge zwischen dem tarifmäßigen und dem tatsächlich berechneten Entgelt nachzufordern und einzuziehen. Nach der letzten Meldung hat die Bundesanstalt im dritten Vierteljahr 1955 in rund 5300 Fällen Frachtnachforderungen von insgesamt rund 630 000 DM geltend gemacht. Darunter befinden sich 11 besonders schwere Fälle mit einem Durchschnittsbetrag von annähernd je 16 000 DM. In der Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1955 hat die Bundesanstalt bei ihren Kontrollen rund 7300 Überladungen von mehr als 5 % festgestellt, davon 2500 Überladungen zwischen 5 und 10 %, 4400 zwischen 10 und 30 % und 400 über 30 %. Diese Zahlen sagen natürlich nichts aus über den Umfang der insgesamt vorkommenden Überladungen und über den Anteil der überladenen Transporte an der Gesamtzahl der Transporte, also über die Häufigkeit der Überladungen. Zur Überprüfung durch amtlich anerkannte Sachverständige nach § 29 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ist zu bemerken: Bei der obligatorischen Kraftfahrzeugüberwachung nach § 29 wurden in der Zeit vom 1. Juli 1953 bis 30. Juni 1955 rund 2,7 Millionen Kraftfahrzeuge überprüft. Bei 31,7 % wurden leichte, bei 27,7 % wurden schwere Mängel festgestellt. Verkehrsunsicher waren 4,5 % der überprüften Fahrzeuge. Sowohl bei der Zahl der schweren Mängel als auch bei der Zahl der verkehrsunsicheren Fahrzeuge lag der Anteil der Lastkraftwagen um etwa die Hälfte über dem Durchschnitt. Zur Überprüfung durch die Verkehrspolizei darf ich nochmals hervorheben, daß die Verkehrspolizei ausschließlich Sache der Länder ist und daß dem Bund nach dem Grundgesetz keine eigenen Vollzugsorgane für die Verkehrspolizei zur Verfügung stehen. Statistisches Material darüber, wie viele Kraftfahrzeuge von den Verkehrspolizeien der Länder auf technische Mängel hin untersucht worden sind, und Zahlenangaben darüber, welche Ergebnisse diese Untersuchungen hatten, stehen uns nicht zur Verfügung. Eine Rundfrage bei den Ländern hat ergeben, daß hi den ersten zehn Monaten des Jahres 1955 insgesamt rund 105 000 Gewichtskontrollen durchgeführt und daß dabei rund 85 000 Überladungen festgestellt worden sind. Bei der Wertung dieser Zahlen muß berücksichtigt werden, daß bei den Kontrollen nur die verdächtigen Fahrzeuge überprüft worden sind. Es kann also nicht etwa der Schluß gezogen werden, daß allgemein 80 % aller Fahrzeuge überladen sind. In etwa 23 000 Fällen ist Umladung an Ort und Stelle gefordert worden. Anzeige wurde in über 38 000 Fällen erstattet. Im übrigen wurden gebührenpflichtige Verwarnungen erteilt. Die weitaus überwiegende Zahl der festgestellten Überladungen betrug mehr als 10 %, in Einzelfällen bis zu 130 %, in einem Falle sogar 294 %. Zum Erfolg dieser Kontrollen ist zu bemerken: Alle beteiligten Stellen des Bundes und der Länder sind davon überzeugt, und sie sind daher bemüht, die Zahl der Kontrollen zu vermehren und sie zu verschärfen. Gleichwohl sind nur vereinzelt Anzeichen einer Besserung erkennbar. Ein fühlbarer Erfolg mit diesen Maßnahmen wird nämlich zweifellos nur dann zu erwarten sein, wenn die festgestellten Verstöße wesentlich härter bestraft werden. Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen berichtet dazu u. a., daß in der Regel nur Geldstrafen zwischen 3 und 100 DM verhängt werden. Die Strafen sind ganz allgemein viel zu milde. Einige Gerichte sind selbst bei erheblichen Überladungen, sogar bei Überladungen bis zu 61 %, zu Freisprüchen gekommen. In der Regel wird der durch die Überladungen erzielte Gewinn durch die Geldstrafen bei weitem nicht abgeschöpft, geschweige denn ein fühlbarer Strafeindruck hervorgerufen. In der Schweiz dagegen sind die Erfolge mit allerdings weit härteren Strafen unverkennbar. Die rechtliche Möglichkeit zur Sicherstellung von Fahrzeugen, zur zwangsweisen Umladung und zur Konzessionsentziehung werden gleichfalls nur ganz ungenügend ausgenützt. Zur Frage der Einziehung der Fahrzeuge darf ich bemerken: Nach § 40 des Strafgesetzbuches können Gegenstände, welche zur Begehung eines voraussichtlichen Verbrechens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, eingezogen werden, sofern sie dem Täter oder einem Teilnehmer gehören. Bisher ist jedoch die Einziehung eines Kraftfahrzeuges selbst bei erheblichen Überladungen noch nicht durch Strafurteil angeordnet worden. Offenbar hängt dies damit zusammen, daß die Nebenstrafe der Einziehung weitaus schwerer wiegt als die Hauptstrafe, die nach § 26 des Straßenverkehrsgesetzes im Höchstfalle drei Monate Gefängnis oder 10 000 DM Geldstrafe beträgt. Deshalb machen die Gerichte von der Möglichkeit der Einziehung des Fahrzeuges offenbar keinen Gebrauch. Bei Güterfernverkehrstransporten kommt als weitere Rechtsgrundlage für die Einziehung des Fahrzeuges das Wirtschaftsstrafgesetz in Betracht, nämlich dann, wenn die schwere Überladung gleichzeitig einen erheblichen Tarifverstoß darstellt. Im Sommer 1955 hat die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr ihre Außenstellen angewiesen, bei erheblichen Tarifverstößen die Einziehung des Fahrzeugs zu beantragen; rechtskräftige Entscheidungen über die daraufhin gestellten Anträge liegen allerdings bisher noch nicht vor. Hierbei ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Möglichkeit, mittels der Ahndung von Tarifverstößen gegen Überladungen vorzugehen, nicht bei Fahrzeugen besteht, die im Güternahverkehr oder im Werkverkehr eingesetzt sind, weil der Werkverkehr keine Tarife kennt und im Nahverkehr bekanntlich nur Höchsttarife bestehen. Wird die Überladung eines Fahrzeugs festgestellt, so kann nach § 34 Abs. 5 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung der prüfende Beamte eine der Überlastung entsprechende Um- oder Entladung fordern, deren Kosten der Fahrzeughalter zu tragen hat. Wie ich bereits ausgeführt habe, macht die Verkehrspolizei von dieser Bestimmung häufig Gebrauch. ({2}) Zu der Frage der Entziehung der Güterfernverkehrsgenehmigung oder der Erlaubnis zum Güternahverkehr möchte ich sagen, daß es dort ähnlich aussieht wie bei der an sich möglichen Einziehung der Fahrzeuge. Im Falle erheblicher Überladungen ist die Entziehung der Güterfernverkehrsgenehmigung und die Entziehung der Erlaubnis zum Güternahverkehr nach den Bestimmungen des Güterkraftverkehrsgesetzes möglich. Ende 1954 habe ich die Länder durch eine Verlautbarung im „Verkehrsblatt" hierauf nochmals eindringlich hingewiesen. Zu bedenken ist allerdings, daß die Entziehung für den betroffenen Unternehmer die Gefährdung oder sogar Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz bedeutet und daß andererseits der Werkfernverkehr eine solche Maßregel nicht zu befürchten hat. Dies mag der Grund dafür sein, daß die Praxis von der Anwendung der §§ 78 und 88 des Güterkraftverkehrsgesetzes bei der Ahndung von Überladungen bisher abgesehen hat. Ich komme nun zur Beantwortung der dritten Fragenreihe. Eine Stellungnahme zu der Frage, ob die Bundesregierung Möglichkeiten sieht, eine einheitlichere, raschere und wirksamere Rechtsprechung auf dem Gebiet der Verkehrsstrafrechtspflege zu erreichen, muß von den außerordentlichen Schwierigkeiten ausgehen, denen sich die Justizverwaltungen der Länder gegenübergestellt sehen. Eine durchgreifende Verbesserung der Rechtsprechung erscheint nur möglich, wenn es in absehbarer Zeit gelingt, eine genügende Zahl vorgebildeter und verkehrserfahrener Richter und Staatsanwälte zur Verfügung zu haben. Mit der sprunghaften Zunahme des Verkehrs in den letzten Jahren sind naturgemäß auch die Verkehrszuwiderhandlungen in einem Umfang gestiegen, den die Landesjustizverwaltungen nicht voraussehen konnten. Um Ihnen ein Bild von der Größenordnung zu vermitteln, die hier in Frage steht, darf ich darauf hinweisen, daß allein im Jahre 1954 annähernd 1 100 000 Verkehrsstrafsachen durch gerichtliche Entscheidungen erledigt worden sind. Diesem Arbeitsanfall gegenüber hat die Zahl der Verkehrsrichter und Staatsanwälte nicht Schritt halten können. Fast alle Verkehrsgerichte sind daher heute mit Strafsachen überlastet. Hinzu kommt, daß die Justizverwaltungen und Gerichte vermehrt auf Sachbearbeiter zurückgreifen mußten, denen die notwendigen Spezialkenntnisse und Erfahrungen im Verkehrsrecht und in der Verkehrstechnik noch fehlen. Sämtliche Länder machen zur Zeit die größten Anstrengungen, um mit diesen Schwierigkeiten, die zweifellos nicht von heute auf morgen behoben werden können, fertig zu werden. Durch einen ständigen Erfahrungsaustausch, der in erster Linie der Verbesserung des Ausbildungsstandes der Richter und Staatsanwälte dient und an dem auch das Bundesjustizministerium beteiligt ist, konnten gerade im letzten Jahr beachtliche Fortschritte erzielt werden. Doch kann die Bundesregierung in diesem Bereich nur helfend und beratend tätig werden, weil die Lösung der Personalfrage eine ausschließliche Aufgabe der Länder ist. Nach diesem Hinweis, der das Kernproblem der heutigen Verkehrsstrafrechtspflege aufzeigen sollte, darf ich nun dazu übergehen, über das zu sprechen, was auf der Ebene des Bundes zur Verbesserung der Lage geschehen kann. 1. Bei Beantwortung der Frage, ob die in der Öffentlichkeit beklagte uneinheitliche Rechtsprechung in Verkehrsstrafsachen behoben werden kann, ist davon auszugehen, daß die Gerichte unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Es handelt sich dabei um einen elementaren Grundsatz der freiheitlichen demokratischen Ordnung, von dem niemand wünschen kann, daß er geändert werde. Deshalb ist es bei aller Sorgfalt in der Formulierung der Strafrechtsnormen niemals ganz auszuschließen, daß sich in der Praxis unterschiedliche Auffassungen über die rechtliche Beurteilung und die Strafwürdigkeit von Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr herausbilden. Es ist jedoch unter voller Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit versucht worden, durch verschiedene gesetzgeberische und organisatorische Maßnahmen die bestehenden Mängel zu überwinden. Besondere Fortschritte konnten dabei auf dem Gebiete der rechtlichen Beurteilung von Verkehrsverstößen gemacht werden. Seit Beginn des Jahres 1955 sind sämtliche Verkehrsstrafsachen, die im Zuge des Rechtsmittelverfahrens zum Bundesgerichtshof gelangen, bei einem Senat dieses Gerichtes zusammengefaßt mit der Folge, daß nunmehr eine einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung gewährleistet ist, die sich zweifellos auch auf die unteren Gerichte im Sinne einer gleichmäßigeren Auslegung des Verkehrsstrafrechts auswirken wird. Außerdem sind die Oberlandesgerichte, die einen großen Teil der Verkehrsstrafsachen in letzter Instanz entscheiden, nach § 121 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Vorlage einer Sache an den Bundesgerichtshof verpflichtet worden, wenn sie in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen wollen. Durch diese Maßnahmen dürfte eine einheitliche Spruchpraxis der Gerichte in der rechtlichen Beurteilung von Verkehrsfragen ausreichend sichergestellt sein; sie wird sich in der Zukunft entsprechend auswirken. Um eine rasche Unterrichtung der nachgeordneten Gerichte über die ' Entwicklung der Rechtsprechung zu erzielen, verteilt der Bundesminister für Verkehr jeden Monat an alle Richter und Staatsanwälte, die mit diesen Fragen zu tun haben, die „Verkehrsrechtlichen Mitteilungen". In diesen Blättern sind die neuesten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Verkehrsstrafrechts zusammengestellt, soweit sie von allgemeiner Bedeutung sind. Diese Veröffentlichungen haben eine gute Wirkung, und sie haben auch eine ausgezeichnete Resonanz bei allen Richtern, Staatsanwälten und Beamten der Justizverwaltungen gefunden. Wesentlich schwieriger liegen dagegen die Verhältnisse im Bereich der Strafzumessung, die nur in geringem Umfang rechtlich nachprüfbar ist. Es kann keine Frage sein, daß auch auf diesem Gebiet eine größere Einheitlichkeit angestrebt werden sollte. Dieses Ziel ist aber nur durch eine Umgestaltung des Rechtsmittelverfahren und durch eine wirksame Hebung des allgemeinen Ausbildungsstandes der Richter und der Staatsanwälte erreichbar. Wie ich schon dargelegt habe, sind die Länder nachdrücklich darum bemüht, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden. Die bisher erzielten Erfolge berechtigen zu der Hoffnung, daß die Klagen in der Öffentlichkeit, soweit sie auf der Überlastung der Gerichte beruhen, in absehbarer Zeit zurückgehen werden. Der Herr Bundesminister der Justiz ist mit mir der Auffassung, daß für die Strafzumessung eine Erhöhung der Mindeststrafen von größter Bedeutung ist. Diese Frage sollte an sich im Rahmen der laufenden Strafrechtsreform, vor allem auch aus ({3}) rechtssystematischen Gründen, geregelt werden. Da sich jedoch die große Strafrechtsreform noch einige Zeit hinauszieht, beabsichtigt der Herr Bundesminister der Justiz auf meine Bitte, die Frage der Erhöhung der Mindeststrafen für Verkehrsdelikte vorweg behandeln zu lassen, und er hofft, daß diese Regelung möglichst vorweg verabschiedet werden kann. ({4}) 2. Auch die weitere Frage, wie eine raschere Entscheidung in Verkehrsstrafsachen erreicht werden kann ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß die Entscheidungen der Strafgerichte - sogar in Bagatellfällen - häufig erst in einem Zeitpunkt ergehen, in dem die innere Beziehung des Verkehrssünders zu seiner Tat nicht mehr besteht. Diese Praxis steht in Widerspruch zu dem allgemeinen Grundsatz des Strafrechts, daß die Strafe der Zuwiderhandlung tunlichst auf dem Fuße folgen soll. Ich glaube aber, daß den Gerichten daraus kein berechtigter Vorwurf gemacht werden kann, solange es nicht gelingt, die Überlastung der Richter und Staatsanwälte zu beseitigen. Hier wird in der Tat zu erwägen sein, ob nicht - abgesehen von den dringend gebotenen Maßnahmen organisatorischer Entlastung - durch Änderung der gesetzlichen Zuständigkeiten Abhilfe zu schaffen ist. Einen Vorschlag in dieser Richtung hat Ihnen die Bundesregierung schon vor längerer Zeit in dem Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet des Verkehrsrechts und des Verkehrshaftpflichtrechts unterbreitet. Er wird jetzt in dem Ausschuß für Verkehr behandelt, bevor der federführende Rechtsausschuß endgültig darüber Beschluß faßt. Die Bundesregierung empfiehlt Ihnen, die Gebühr für die polizeiliche gebührenpflichtige Verwarnung nach § 22 des Straßenverkehrsgesetzes von zwei auf bis zu fünf Deutsche Mark zu erhöhen. Dadurch würde eine große Zahl bisher im gerichtlichen Verfahren erledigter Bagatellsachen an Ort und Stelle bereinigt werden können. Trotz einiger sachlicher Bedenken, die gegen diesen Vorschlag erhoben werden können, haben sich die Justizminister der Länder nachdrücklich für diese Maßnahme eingesetzt. Sie erhoffen sich davon mit Recht eine erhebliche Erleichterung in der Geschäftslage der Verkehrsgerichte. Darüber hinaus wird zu prüfen sein, ob und in welchem Umfang eine Umstellung der verkehrsstrafrechtlichen Tatbestände auf Ordnungswidrigkeiten in Betracht kommt und ob die Wiedereinführung der polizeilichen Strafverfügung in Erwägung gezogen werden soll. Allerdings muß ich darauf hinweisen, daß die Frage der Umstellung auf Ordnungswidrigkeiten außerordentlich schwierige Rechtsprobleme aufwirft, die kaum für das Verkehrsstrafrecht gesondert, sondern die wahrscheinlich nur in engem Zusammenhang mit der allgemeinen Reform des Strafrechts gelöst werden können. Es kommt hier darauf an, eine systematisch und kriminalpolitisch richtige Scheidung der einzelnen Tatbestände voneinander zu erreichen und zugleich so klare Maßstäbe zu gewinnen, daß auch die Polizei und die Verkehrsbehörden das dann geltende Recht ohne Schwierigkeiten anzuwenden vermögen. Die Wiedereinführung der polizeilichen Strafverfügung würde aber wahrscheinlich erheblicher und nicht unberechtigter Kritik begegnen. Abgesehen davon, daß der Bundestag selbst diese Möglichkeit in der vergangenen Legislaturperiode aus rechtsstaatlichen Gründen beseitigt hat, werden auch heute aus den verschiedensten Kreisen schwere Bedenken gegen eine Strafbefugnis der Polizeibehörden erhoben. Dabei fällt besonders ins Gewicht, daß sich in diesem Falle die Konferenz der Landesjustizminister gegen die polizeiliche Strafverfügung ausgesprochen hat. Gleichwohl halte ich eine nochmalige gründliche Prüfung für erforderlich, weil es nicht angehen würde, eine brauchbare Möglichkeit der Entlastung unserer Strafgerichte zu versäumen. 3. In engem Zusammenhang mit meinen bisherigen Ausführungen steht auch die Frage einer wirksameren Rechtsprechung der Gerichte. Daß es sich gerade hier um ein Problem der Spezialausbildung und der Verkehrserfahrung der beteiligten Richter und Staatsanwälte handelt, liegt auf der Hand. Gleichwohl möchte ich glauben, daß auch der Bund zu einer wirksameren Rechtsprechung Wesentliches beitragen könnte. Nach § 2 Abs. 3 der Strafregisterverordnung werden dem Strafregister Verurteilungen zu Geldstrafe wegen Verkehrsübertretungen nicht mitgeteilt. Diese Regelung erscheint vor allem deshalb sinnvoll, weil sie eine unnötige Diffamierung von Tätern verhindert, die nur wegen geringfügiger Delikte verurteilt worden sind. Die weittragende Bedeutung von Eintragungen im Strafregister ergibt sich daraus, daß sie in die polizeilichen Führungszeugnisse übergehen und daß Auskünfte aus dem Register an zahlreiche Behörden und Stellen, die an der Strafrechtspflege nicht beteiligt sind, erteilt werden. Diese aus kriminalpolitischen Gründen gebotene Sonderbehandlung von Straftaten geringer Bedeutung hat in Verkehrsstrafsachen die mißliche Folge, daß auch die Gerichte häufig außerstande sind, festzustellen, ob ein wegen eines Verkehrsdelikts Beschuldigter bereits einschlägig vorbestraft ist. Von dieser Feststellung hängt aber oft die Verurteilung zu einer wirksameren und der Schuld des Täters angemessenen Strafe ab. Wie sehr gerade dieser Mangel von den Strafrichtern bedauert wird, beweist die Tatsache, daß der Strafrechtsausschuß des Deutschen Richterbundes sich einstimmig für eine Registrierung der Verkehrszuwiderhandlungen außerhalb des Strafregisters eingesetzt hat. Diesen Vorschlag zur Einrichtung einer zentralen Kartei, die alle gerichtlich abgeurteilten Verkehrsverstöße zur ausschließlichen Auswertung durch die Strafgerichte und Verkehrsbehörden erfaßt, hat Ihnen die Bundesregierung in dem Entwurf des bereits genannten Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet des Verkehrsrechts und des Verkehrshaftpflichtrechts unterbreitet. Sicher gibt es noch eine Reihe anderer Gründe, welche für die zwingende Notwendigkeit einer solchen zentralen Kartei sprechen. Ich möchte aber glauben, daß allein die Vorteile, die sich für die Rechtsprechung der Verkehrsgerichte ergeben, den mit ihrer Einrichtung verbundenen Kostenaufwand rechtfertigen werden. Abschließend darf ich noch darauf hinweisen, daß das Bundesministerium der Justiz in den vergangenen Jahren im Interesse einer wirksameren Rechtsprechung mehrfach die Verschärfung von Strafrahmen oder die Ausweitung von Tatbeständen einzelner Verkehrsdelikte vorgeschlagen hat mit der Folge, daß die erforderlichen Gesetzesänderungen vorgenommen wurden. Es sei nur an die Einführung der Vorschriften über die Straßen({5}) verkehrsgefährdung erinnert. Der Herr Bundesminister der Justiz und der Bundesminister für Verkehr werden auch weiterhin der Frage einer etwa gebotenen Verschärfung der strafrechtlichen Regelung ihre besondere Aufmerksamkeit widmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich die Beantwortung abschließe, möchte ich doch die Gelegenheit benutzen, den Dank des Bundesministers für Verkehr an die Beamten der Bundesregierung und der Länderregierungen für die stille, unermüdliche Arbeit auszusprechen, die sie an einer zwar höchst dankbaren Aufgabe leisten, für die sie aber trotzdem vielfach Undank ernten, weil es sich um fast unüberwindliche Schwierigkeiten handelt, die sich vor dem angestrebten Erfolg auftürmen. Zu danken habe ich aber gleichzeitig den Mitgliedern und Mitarbeitern der Arbeitsgemeinschaft für Verkehrssicherheit, den namenlosen idealistischen Mitstreitern in der Bundes- und den Landesverkehrswachten, im Schülerlotsendienst und nicht zuletzt in den großen Klubs ADAC und AvD und in der Verkehrspolizei der Länder. So viel guter und uneigennütziger Wille sollte nicht vergebens auf den erforderlichen Widerhall warten müssen, den Widerhall, der sich in der Bereitschaft aller Verkehrsteilnehmer zeigt, Vorsicht und Rücksicht im Straßenverkehr zu üben. ({6})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Die Große Anfrage ist beantwortet. Ich nehme an, daß mehr als 30 der anwesenden Mitglieder des Bundestages die Besprechung wünschen. Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat Dr. Bleiß.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU umfaßt nur ein Teilgebiet des Komplexes der Sicherheit im Straßenverkehr. Sie behandelt das Verschulden der Fahrer und der Fahrzeughalter, die Mängel an den Fahrzeugen, die Verstöße gegen das Güterkraftverkehrsgesetz, die Verkehrsüberwachung und schließlich die Rechtsprechung bei Verstößen gegen die Verkehrsgesetze. Es handelt sich also hierbei im wesentlichen um eine Materie, die nicht in die Zuständigkeit der Legislative, sondern in die Zuständigkeit der Exekutive gehört. Uns wäre es lieber gewesen, wenn sich die notwendige Aussprache über die Verkehrssicherheit über den ges a m t en Komplex erstreckt hätte und dabei auch das Gebiet der vorbeugenden Maßnahmen des Staates, z. B. der Straßenbau, zur Sprache gekommen wäre. Sie haben den Straßenbau vorhin kurz erwähnt, Herr Kollege MüllerHermann. Ich werde mir erlauben, darauf kurz einzugehen. Wenn es auch richtig ist, wie hier betont wurde, daß eine Vielzahl von Verkehrsunfällen durch technische Mängel der Fahrzeuge und durch menschliches Versagen verschuldet wird, so kann, glaube ich, nicht geleugnet werden, daß die Zahl der Unfälle erheblich geringer wäre, wenn durch eine vernünftige Verkehrs- und Finanzpolitik das Straßennetz rechtzeitig den Bedürfnissen der wachsenden Motorisierung angepaßt worden wäre. Der Herr Bundesverkehrsminister hat soeben dem Sinne nach festgestellt, daß die Legislative durch die Verabschiedung einiger Gesetze ihrer Pflicht genügt und damit praktisch ihr Soll erfüllt habe. Das kann nur hinsichtlich der Regelung des Verkehrs auf den Straßen gelten. In der Anpassung der Verkehrswege an die gestiegene Motorisierung hat die Legislative, soweit es die Mittelbewilligung angeht, ihre Aufgabe bisher nicht, auch nicht annähernd erfüllt. Ich glaube, daß mangelnde Planung, überspitztes fiskalisches Denken und vor allem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ministerien die Hauptursachen für die bisherigen, so verhängnisvollen Versäumnisse auf dem Gebiet des Straßenbaues sind. Wir werden auf diese Zusammenhänge ausführlicher zu sprechen kommen, wenn der Verkehrshaushalt für das neue Rechnungsjahr zur Debatte steht, in der Hoffnung, daß bis dahin der sagenhafte Zehnjahresplan des Bundesverkehrsministeriums endlich der Öffentlichkeit mitgeteilt wird. Nun zur Großen Anfrage im speziellen. Hier ist zunächst, Herr Kollege Müller-Hermann, von der Verkehrsüberwachung gesprochen worden. Wir befürworten im Interesse des Schutzes des menschlichen Lebens die notwendige personelle Verstärkung und die bessere Ausstattung der Polizeikräfte. Wir halten eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Polizeibehörden für dringend erforderlich. Wir glauben aber, daß es darüber hinaus notwendig ist, für die in der Obhut des Bundes stehenden Straßen eine besondere Formation, eine Bundesverkehrspolizei zu schaffen. Eine solche Bundesverkehrspolizei sollte sich aus Beamten zusammensetzen, die von den Ländern abgestellt, zu bestimmten Einheiten zusammengefaßt und nach einheitlichen Richtlinien ausgerichtet werden. Erst nach der Schaffung einer solchen Bundesverkehrspolizei wird eine verstärkte Überwachung und Kontrolle des Verkehrs auf den großen Durchgangsstraßen und eine bessere Erfassung der Verkehrssünder möglich sein. Ich glaube - das scheint mir das wichtigste Anliegen bei einer solchen Einrichtung zu sein -, daß der wechselnde Einsatz der Einheiten und eine gründliche Kontrolle viele rücksichtslose Fahrer zur Vorsicht mahnen wird. Die Anhaltspunkte für den jeweils zweckmäßigsten Einsatz der Verkehrspolizei sollten aus einer verbesserten Auswertung einer tunlichst zentralisierten Unfallstatistik gewonnen werden. Natürlich wird die Schaffung einer Bundesverkehrspolizei die Frage der ministeriellen Zuständigkeit aufwerfen. Hierüber wird man noch sprechen müssen, ebenso hinsichtlich der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes. Wenn aber eine solche Bundesverkehrspolizei geschaffen werden sollte, dann wäre es nach meiner Auffassung am zweckmäßigsten, sie der Zuständigkeit des Bundesverkehrsministeriums zu unterstellen und innerhalb des Ministeriums ein besonderes Dezernat zur Bekämpfung von Straßenunfällen einzurichten. Die Zuständigkeit des Bundesverkehrsministers könnte daraus abgeleitet werden, daß die Bundesverkehrspolizei einen gewissen Analogiefall zur Bahnpolizei darstellt. Die Bahnpolizei ist nicht dem Innenministerium, sondern der Bundesbahn unterstellt. Ich glaube, wenn eine solche Bundesverkehrspolizei geschaffen wird, ist es durchaus notwendig, auch einen engen Kontakt mit den Verkehrspolizeibehörden der Länder herzustellen, um in besonderen Fällen den gleichzeitigen Einsatz aller Verkehrspolizeikräfte zu ermöglichen. ({0}) In diesem Zusammenhang möchte ich auch ein Wort zur Frage der Verkehrsdisziplin sagen. Ich bin der Meinung, daß vieles Unglück sich verhüten läßt, wenn die Disziplin der Fahrer nur um ein weniges angehoben werden könnte. Beispiele in anderen Ländern, in England und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, sind ein typischer Beweis dafür. Ich möchte deshalb auch von dieser Stelle aus einen Appell an die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft und des gewerblichen Güterkraftverkehrs richten, von sich aus in regelmäßigen Abständen auf die Beachtung der Verkehrsvorschriften hinzuweisen und ihre Mitglieder zur Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer anzuhalten. Man hat mitunter den Eindruck, daß mit der zunehmenden Größe und Schwere der Fahrzeuge auch der Anspruch auf eine bevorzugte Benutzung der Verkehrswege wächst. Es ist vorhin von einem Rowdytum auf der Straße gesprochen worden. Ich möchte nicht so weit gehen; aber ich glaube, eine genaue Überwachung des Straßenverkehrs könnte viel Unheil verhindern. Die Bundeszentralgenossenschaft für das Straßenverkehrsgewerbe hat kürzlich damit begonnen, allgemeine Lehrgänge für Kraftfahrer abzuhalten, um die Fahrer mit der Verkehrsgesetzgebung vertraut zu machen. Ich würde es begrüßen, wenn dieses Beispiel auch bei anderen Organisationen Schule machen und das Bundesverkehrsministerium derartigen Einrichtungen eine besondere Aufmerksamkeit widmen würde. Vielleicht läßt sich auch eine finanzielle Unterstützung solcher Einrichtungen ermöglichen. Meine Damen und Herren, ein paar Bemerkungen zu dem Teil der Großen Anfrage, der sich mit den Überladungen der Fahrzeuge beschäftigt. Herr Kollege Müller-Hermann, Sie sind in der Formulierung der Fragen sehr vorsichtig gewesen. Aber wenn ich es richtig lese, dann steckt hinter Ihren Fragen doch die Forderung, bei Überladungen das Fahrzeug sicherzustellen, das beförderte Gut zwangsweise umzuladen und eventuell dem Fahrzeughalter die Lizenz zu entziehen. Das sind drei sehr rigorose Maßnahmen, die meines Erachtens eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes erforderlich machen. Wenn man diese Dinge durchsetzen will, wird man entsprechende Anträge stellen müssen; sonst würde die Große Anfrage ja eine leere Deklamation sein. Ich möchte also annehmen, Herr Kollege Müller-Hermann - Sie sind ja im allgemeinen als recht antragsfreudig bekannt -, daß Sie entsprechende Anträge stellen werden. Über diese Anträge werden wir dann im Ausschuß noch etwas ausführlicher sprechen müssen. Eines darf ich aber heute schon feststellen: wenn man Überladungen wirksam ausschalten will, dann müssen unvermutbare, überraschende Gewichtskontrollen auf allen Straßen stattfinden. Die Überprüfung der Gewichte wird von uns befürwortet. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und den Herrn Bundesverkehrsminister bitten, im Zusammenhang mit der Beratung der Verkehrssicherheitsgesetze dem Verkehrsausschuß realisierungsreife Vorschläge zu unterbreiten und dabei Erfahrungen in den Vereinigten Staaten beim fliegenden Einsatz von Einheiten zwecks Überprüfung der Gewichte zu berücksichtigen. ({1}) - Bitte!

Dr. Ernst Müller-Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Bleiß, sind Sie nicht auch der Meinung, daß der Fahrer, den man weiterfahren läßt, obwohl eine Überladung festgestellt worden ist, sich einer fortgesetzten Gesetzesübertretung schuldig macht und daher der Polizist normalerweise verpflichtet sein müßte, einer solchen fortgesetzten Gesetzesübertretung nicht dadurch Vorschub zu leisten, daß er das Fahrzeug weiterfahren läßt?

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin der Meinung, daß man dagegen etwas tun soll; aber ich möchte auf einige Folgen zu sprechen kommen. Ich bin der Ansicht, daß eine zwangsweise Umladung, wenn man sie gesetzlich festlegen und strikt durchführen will, einer gründlichen Überlegung bedarf. Man kann das beförderte Gut nicht einfach am Straßenrand abladen. Einmal würden wir dadurch neue Verkehrshindernisse schaffen, und zum anderen würde der verladenden Wirtschaft, die ja an dem Verkehrsdelikt überhaupt keine Schuld hat, dadurch Schaden erwachsen. Deswegen müßte genau geprüft werden, in welcher Weise man umladet, wie man zwangsweise unterstellt, was man also gegen notorische Verkehrssünder tun kann. Wir sind - das möchte ich hier herausstellen - genau so wie Sie für eine strenge Bestrafung der notorischen Verkehrssünder; aber über die Einzelheiten wird man im Ausschuß noch einmal ausführlich sprechen müssen, ebenso wie über die Anträge hinsichtlich einer Verschärfung der Strafmaßnahmen, die Sie, Herr Kollege Müller-Hermann, fordern. Zum Schluß, meine Damen und Herren, noch ein Wort zu den Verkehrsminister- und Verkehrssicherheitskonferenzen. Wir bejahen diese Einrichtungen, wir halten sie für nützlich. Die Verkehrssicherheitskonferenzen sollten nach unserer Auffassung tunlichst in kürzeren Zeitabständen tagen. Wir legen aber Wert darauf, Herr Minister, daß die Öffentlichkeit über den Gegenstand der Beratungen, über die gefaßten Beschlüsse und über den Erfolg der Empfehlungen unterrichtet wird und gegebenenfalls auch etwas darüber erfährt, wenn durch Widerstände notwendige verkehrswirtschaftliche Maßnahmen gehemmt oder zum Scheitern gebracht worden sind; denn ich glaube, daß eine wirksame Bekämpfung der Verkehrsunfälle heute ein weit verbreitetes öffentliches Anliegen ist. Deswegen wäre ich Ihnen dankbar, wenn die Öffentlichkeit über den Gegenstand der Verkehrsminister- und der Verkehrssicherheitskonferenzen etwas mehr als bisher erfahren könnte. Vielleicht darf ich diesen Gedanken noch etwas weiter vertiefen. Ich würde es auch für richtig halten, daß Sie, Herr Bundesverkehrsminister, dem Hohen Hause jährlich einen Unfall- und Verkehrsbericht vorlegten, der u. a. umfassen sollte zunächst eine Übersicht über die gesamte Verkehrslage, dann eine zentralisierte Unfallstatistik für das gesamte Bundesgebiet, unterteilt nach Personengruppen, nach Fahrzeugtypen, nach Unfallart und Unfalldichte. Schließlich sollte von Ihnen eine Darstellung der durchgeführten Maßnahmen zur Bekämpfung der Straßenunfälle gegeben werden. Die erschreckenden Zahlen der Verkehrsunfälle - das hat der Herr Kollege Müller-Hermann schon vorhin bei der Begründung seiner Großen Anfrage betont - steigen weiter an. Nach den neuesten Ziffern sterben jährlich nahezu 15 000 Menschen den Verkehrstod. Annähernd 400 000 Menschen werden im Jahr verletzt. Ich glaube, diese furchtbaren Zahlen sollten uns alle veranlassen, alles zu ({0}) tun, um die Unfallgefahren zu vermindern. Die notwendigsten Maßnahmen sollten nicht am fiskalischen Denken des Bundeskabinetts scheitern. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.

Willy Max Rademacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Augenblick, in dem sich in Fragen der Verkehrssicherheit alles im Fluß befindet, hätte meine Fraktion es begrüßt, wenn wir auf die heutige Behandlung dieser Angelegenheit hätten verzichten können und dafür um so fundierter bei der Verabschiedung der betreffenden Gesetze in diesem Hause geredet hätten. Von der Exekutive sind eine Reihe von Maßnahmen geplant, die die Straßenverkehrs-Ordnung und die Straßenverkehns-Zulassungs-Ordnung in Richtung einer erhöhten Sicherheit verbessern sollen. Auf der anderen Seite liegen eine Reihe von Gesetzen vor. Um diese Dinge ein wenig zu koordinieren, hat sich der Ausschuß für Verkehrswesen von vornherein in einem Unterausschuß für Sicherheitsfragen mit dem korrespondierenden Ausschuß für Verkehrsfragen im Bundesrat zusammengesetzt. Ich glaube, es war eine sehr kluge Lösung, daß wir von vornherein gemeinsam in beiden Häusern über die Probleme reden, auf die es ankommt. Nun muß man der Öffentlichkeit immer Wieder mit einiger Deutlichkeit klarmachen, daß es einen. Verkehr ohne jegliches Risiko einfach nicht gibt. Das gilt nicht nur für den Straßenverkehr, sondern ebenso sehr für die Schiene, für die Luftfahrt und für die Schiffahrt. Es kann immer nur darauf ankommen, das unerträgliche Ausmaß der Unfälle, die wir auf den Straßen zu verzeichnen haben, auf ein vernünftiges Maß herabzumindern. Zweifelsohne wäre es das beste, wenn dieses Ziel durch eine Umerziehung, d. h. durch die Wandlung einer gewissen Mentalität aller Verkehrsteilnehmer erreicht werden könnte. Wir wissen, daß das ein Idealzustand ist, den wir nicht erreichen werden. Aber wir von der Freien Demokratischen Partei möchten, ebensosehr wie wir uns für die staatlichen Maßnahmen durch Bund und Länder einsetzen, dafür eintreten, daß die Frage der Umerziehung, der besseren Einstellung, des besseren Anstandes im Verkehr in keiner Weise vergessen wird. Dazu können die Erziehung in Schulen, die Verkehrswacht und der ADAC beitragen. Nicht zuletzt haben aber auch - das sage ich hier mit aller Deutlichkeit und auch mit einer Mahnung an die Wirtschaftsverbände - die an dem Verkehr selbst Beteiligten die moralische Verpflichtung, gleichzeitig ihre Angehörigen in dieser Richtung zu erziehen und sie betriebsintern mit den allerschärfsten Maßnahmen zu verfolgen, wenn sie sich im Verkehr als Rowdies bewegen. Ich persönlich halte zum Beispiel gar nichts davon, irgendeine Sache, die ich unterwegs auf der Straße selber feststelle, der Polizei zu melden. Ich schreibe mir, soweit es irgend geht, den Namen des Unternehmers oder mindestens die Nummer des Wagens auf, um den Unternehmer zu eruieren. Ich weiß, daß durch solche direkten Zuschriften viel mehr erreicht wird als durch den umständlichen Verwaltungsweg, auf dem man für seine sicherheitsfördernden Maßnahmen selber die bürokratischen Unannehmlichkeiten hat. Nun zur Großen Anfrage selbst. Der Herr Bundesverkehrsminister ist ja auf die einzelnen Dinge eingegangen. Ich glaube aber, manche Fragen sind, Herr Müller-Hermann, etwas wirklichkeitsfremd gestellt worden. Sie sagen z. B.:... eine Vereinbarung darüber zu treffen, daß . . . insbesondere die Verkehrspolizeikräfte personell verstärkt und besser ausgestattet werden". Nun, das ist eine Angelegenheit der Länderetats, des Stellenplans und der dafür bereitzustellenden Mittel. Der Bundesverkehrsminister kann doch mit dem besten Willen nichts weiter machen, als auf seinen Konferenzen, die allerdings nach meiner Erfahrung manchmal mit Tagesordnungspunkten ein bißchen überpackt sind, zu den einzelnen Punkten Wünsche auszusprechen und im Interesse der gesamten Sicherheit im Bund auf diese Notwendigkeiten hinzuweisen. Da wir aber heute über die Frage der Verbesserung der Verkehrssicherheit diskutieren, möchte ich auch namens meiner Freunde auf einige Punkte eingehen. Daß wir eine bessere Rechtsprechung durch die Richter haben müssen, darüber sind wir uns alle einig. Aber wie wäre es, wenn wir einmal nach eingehender Überlegung dem Staat empfehlen würden - was ich schon seit Jahren tue -, die Richter der Verkehrskammern auf Staatskosten mit Kraftfahrzeugen auszustatten, damit sie selber die nötige Erfahrung im Verkehr haben. Das würde sich dann wieder zugunsten einer gerechten Urteilsfindung auswirken. Eine andere Frage betrifft die Verkehrssünderkartei, über die wir jetzt sehr eingehend sprechen. Diese Verkehrssünderkartei - darauf müssen wir wohl die Öffentlichkeit aufmerksam machen - bedeutet nicht, daß jemand, der dort eingetragen ist, als vorbestraft gilt. Die Angelegenheit ist ein Hilfsmittel, und zwar ein sehr wertvolles, weil man bei weiteren Delikten feststellen kann, in welchem Maße der Betreffende schon gesündigt hat. Das ist doch auch bezeichnend und gibt uns große Hoffnungen auf die Herstellung einer größeren Sicherheit: die Anzahl der immer wieder festzustellenden Verkehrssünder ist relativ gering; sie liegt, glaube ich, in einigen Gebieten nach Feststellungen von Wissenschaftlern bei etwa 5 bis 6 %. Daraus ersehen Sie, daß es durch gewisse Maßnahmen möglich ist, den unverbesserlichen Rowdies - denn anders kann man sie nicht bezeichnen - auf die Dauer durch entsprechend schärfere Urteile das Handwerk zu legen. Nun sprechen wir von einer Erhöhung der Verwarnungsgebühr - oder wie diese Gebühr heißt - von 2 auf 5 DM. Ich weiß, was damit erreicht werden soll, und habe dennoch meine Bedenken, die ich vor diesem Hause noch einmal anmelden muß. Das Gesetz ist gegen jedermann gleich anzuwenden. Der vollziehende Polizeibeamte kann also nur den Betreffenden entweder laufen lassen oder er kann ihn bestrafen. Wenn Sie bei den 5 DM an diejenigen denken, die mehr zu ihrer Bequemlichkeit, aber auch für ihre sonstigen und geschäftlichen Aufgaben ein Fahrzeug, manchmal ein sehr elegantes - das betrifft ja auch eine Reihe von Abgeordneten dieses Hauses -, ({0}) zur Verfügung haben, dann brauchen wir über die 5 Mark nicht zu sprechen. Denken Sie aber einmal an den kleinen Vertreter, der davon lebt, mit seinem kleinen Volkswagen von Haus zu Haus zu fahren, und der sowieso schon durch übermäßige Parkgebühren in den Städten gewaltig belastet ist. ({1}) Vor allen Dingen müssen Sie -darauf kommt es mir noch an - an die Sozialrentnerin oder den Sozialrentner denken, die sich im Fußgängerverkehr auch einmal sehr schlecht und sehr dumm benehmen können. Da gibt es dann für den Schutzmann - so nennen wir den Polizisten in Hamburg - keine Ausweichmöglichkeit, er muß immer sofort mit 5 Mark bestrafen. Aus diesen vielerlei. Gründen müssen wir uns die sture Heraufsetzung auf 5 Mark noch einmal überlegen. Ich darf mich dann der Frage des Güterfernverkehrs auf der Straße zuwenden, der ja in dem zweiten Teil der Großen Anfrage behandelt wird. Der Kernpunkt der Auseinandersetzung war die Frage der Überladungen. Bei Schaffung der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, in dessen Verwaltungsrat ich ja mitarbeite und daher über die Einzelheiten ziemlich unterrichtet bin, waren wir uns darüber klar, daß es zur Erhaltung des notwendigen Verkehrsflusses niemals möglich sein würde, mehr oder weniger jeden Wagen zu kontrollieren. Es konnte also immer nur darauf ankommen - was hier gefordert und in Wirklichkeit auch schon gemacht wird -, sporadisch sehr überraschend Kontrollen vorzunehmen. Ich darf Ihnen aber sagen, daß sich diese Kontrollen schon heute auf einen sehr hohen Prozentsatz des Gesamtverkehrs auf den deutschen Straßen erstrecken. Es kommt hinzu, daß plötzliche Spezialkontrollen eingeführt werden, nämlich bei dem Transport solcher Artikel, von denen wir von vornherein wissen, daß sie ihrer Natur nach der Überladung Tür und Tor öffnen, wenn nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen werden. Das sind z. B. Holz, Zitrusfrüchte und eine ganze Reihe von anderen Dingen mehr. Wir werden diese Lücke nie ganz schließen können, es sei denn, daß Sie auch einmal Maßnahmen treffen, die aus den Erkenntnissen der Praxis gewachsen sind. Ich habe schon vor längerer Zeit die Anregung gegeben und wiederhole sie in diesem Hause: diejenigen Unternehmer, die sich im Güterfernverkehr bewegen, müssen der Zwangsverwiegung unterworfen werden; sonst werden Sie niemals mit diesem Problem fertig. Sie dürfen mir glauben, daß ich die Dinge aus der Praxis kenne und weiß, daß es auch technisch möglich ist, dieser Forderung nachzukommen. Es wäre ähnlich wie bei einer Zollverwiegung: bevor der Betreffende seine große Fahrt antritt - nur um die kann es sich handeln -, läßt er eine amtliche Verwiegung auf der Brückenwaage vornehmen. Wir werden einige Brückenwaagen mehr bauen müssen; aber das muß es uns wert sein. Der betreffende Unternehmer muß es ja auch bezahlen, denn zu dessen Lasten geht es wiederum. Die amtliche Wiegekarte wird mit dem Frachtdokument fest verbunden. Die Polizei und auch die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr können dann jederzeit sofort feststellen - gegebenenfalls auch zusammen mit dem Frachtpapier, in dem ja die Ladung im einzelnen deklariert ist -, was er wirklich auf dem Wagen hat. - Das ist nicht nur eine Anregung meiner Freunde, sondern eine dringende Forderung, die wir zu stellen haben, weil wir glauben, damit am besten der höchst gefährlichen Entwicklung der Überladung Herr zu werden. ({2}) - Auch für den Werkverkehr, selbstverständlich, gleiches Recht für alle! Darüber kann man im einzelnen noch im Sicherheitsausschuß reden, dem wir ja, Herr Kollege Bleiß, angehören; ich habe das (4 ausdrücklich erwähnt. Die Schwierigkeit der Überwachung im Güterfernverkehr liegt in der Regelung des Grundgesetzes. Als wir im Jahre 1952 endlich die Schwierigkeiten mit den Ländern überwunden hatten, waren wir einigermaßen froh. Aber wir wissen, daß die ganze Geschichte ewig und immer daran kranken wird, daß der eine feststellt und zur Bestrafung meldet, während die Vollziehung und die Durchführung bei den Länderbehörden stattfindet, die, wie wohl auch der Herr Minister ausgeführt hat, immer sehr stark von den Vorschlägen der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr abgehen. Hier muß ich aber um der Gerechtigkeit willen auch sagen: Wenn die Behörden in den Ländern und wenn die Richter vor der Frage stehen, ob sie die Bestrafungen nach dem Antrag der Anstalt vornehmen sollen, dann langen die Unternehmer in die Tasche und beweisen in vielen Fällen, daß sie zwar gegen das Gesetz verstoßen haben - und dagegen kann sie nichts schützen -, daß sie aber nach ihrem inneren Gefühl nichts weiter getan haben, als in die Konkurrenz mit Angeboten anderer Verkehrsträger einzutreten. Mit dieser Frage müssen wir uns wirklich sehr ernst befassen; denn man kann nicht dem einen Verkehrsträger, noch dazu mit freiwilligen Beiträgen - er zahlt nämlich die Kosten für die Bundesanstalt -, die entsprechenden Strafen auferlegen, um dem anderen Verkehrsträger die Möglichkeit zu geben, aus den Bestimmungen, die ihm für seine Preise und alles mögliche auferlegt sind, auszubrechen. Ich glaube also, auch hier besteht eine Lücke, über die wir uns unterhalten müssen. Ich darf dann, wie es alle Herren getan haben, die hier gesprochen haben, meine Ausführungen mit sehr kurzen allgemeinen Betrachtungen über die Verkehrspolitik im Namen meiner Freunde abschließen. Wir von den Freien Demokraten sind durchaus für jede vernünftige Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit. Wir sind aber der Meinung, daß die Dinge dort ihr Ende finden müssen, wo überpolizeiliche Maßnahmen und sonstige Anordnungen anzuwenden sind, die es im Endeffekt erforderlich machen, daß hinter jedem Verkehrsteilnehmer ein staatliches Überwachungsorgan steht. Ich darf die von mir mehrfach auch hier ausgesprochene These wiederholen: Alle Maßnahmen können richtig und gut sein; sie bleiben Flickwerk und ein Schlag ins Wasser, wenn nicht das geschieht, was von Anfang an, nämlich von 1949 an, hätte getan werden müssen: ein vernünftiger Ausbau des deutschen Straßennetzes! Sonst werden Sie dieser Not nicht Herr. auch wenn Sie alle möglichen Maßnahmen - Sieherheitsgesetze und Sicherheitsverordnungen - treffen. Mit dem Straßenbau und dem Straßenverkehr ist es ganz genau das gleiche wie mit dem Zustand der Deutschen Bundesbahn. Auch hier ist zu spät erkannt worden, daß die Deutsche Bundesbahn ihr unternehmen aus eigener Kraft nicht in Ordnung bringen kann. wenn dieses Haus. das Kabinett und vor allen Dingen der Herr Bundesfinanzminister nicht erkennen. daß ihr für gewisse Dinge. für die sie betriebswirtschaftlich nicht verantwortlich ist, die Lasten abgenommen werden müssen. Ich meine daher abschließend: wenn sich jetzt - das dürfen wir erfreulicherweise feststellen - auf beiden Gebieten, hinsichtlich der Bundesbahn und hinsichtlich des Straßenbaus, diese Erkenntnis (Rademacher durchgesetzt hat, dann darf der gegenwärtige Verkehrsteilnehmer nicht durch übertriebene Maßnahmen für Unterlassungssünden der Vergangenheit bestraft werden. Ich mache dem Herrn Bundesverkehrsminister die geringsten Vorwürfe. Ich weiß, in welchem fortgesetzten gigantischen Kampf er sich gegenüber dem Finanzminister befunden hat. ({3}) Wir sollten jetzt aber alle davon überzeugt sein, daß, wenn wir nicht gemeinsam den Bundesfinanzminister und das Bundeskabinett dazu bringen, die Pflichten gegenüber dem deutschen Verkehr zu tun, die seit 1949 und, wenn Sie wollen, schon seit dem Wirtschaftsrat, seit 1948, vernachlässigt wurden, alles Gerede und alle Hilfsmaßnahmen nichts nützen. Meine Freunde fordern Sie dazu auf, bei all den Forderungen, die demnächst in diesem Hause zur Debatte stehen, die nötige Unterstützung zu gewähren, damit wir endlich eine Verkehrspolitik betreiben können, die der übrigen Wirtschaftspolitik in der deutschen Bundesrepublik entspricht. Wir sprechen vom deutschen Wirtschaftswunder. Am Verkehr, meine Damen und Herren, ist dieses Wunder bis heute vorbeigegangen! ({4})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Brück.

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Müller-Hermann hat eingangs seiner Ausführungen davon gesprochen, daß man, wenn man die Bilanz der vergangenen Jahre ziehe, feststelle, daß sie erschreckend sei. Ich glaube, auf diese Dinge kann man nicht genug hinweisen. Herr Kollege Müller-Hermann sprach von über 50 000 Toten und von über 1 Million Verletzten. Erschreckend aber ist diese Bilanz insofern ganz besonders - wenn wir uns die Entwicklung dieser Bilanz ganz kurz ansehen -: im Jahre 1952 hatten wir 7590 Tote, 1953 10 954, 1954 11 565. Dazu kommen nun all diese Verkehrsverletzten. Nun hat der Bundesverkehrsminister bei der Beantwortung der Großen Anfrage alle jene Maßnahmen vorgetragen und aufgezählt, die im Laufe der Jahre ergriffen worden sind. Herr Minister, es ist sicherlich anzuerkennen, daß vieles geschehen ist; aber wir müssen doch immer das Fazit und das Endergebnis sehen, und dieses Endergebnis ist eben nicht befriedigend. Herr Kollege Rademacher, ich habe gerade gestern von Nordrhein-Westfalen - wo ja Ihr Parteifreund, der Herr Dr. Middelhauve, Verkehrsminister ist - die neueste Übersicht bekommen. Diese Übersicht der Verkehrsentwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen behandelt das erste bis dritte Vierteljahr 1955, und in dieser Übersicht ist ein Vergleich zu dem gleichen Zeitraum des Jahres 1954 angestellt. Wenn man sich nun diese Statistik, die sehr genau und sehr gut dargestellt ist, ansieht, muß man wieder feststellen, daß leider die Anzahl der Unfälle, insbesondere aber die Zahl der Toten, ständig zunimmt. Etwas ist in dieser Statistik besonders interessant. In diesem Zeitraum - den ich eben erwähnt habe - hat sich der Kraftfahrzeugbestand gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres - 1954 - nur um 11 % erhöht, dagegen die Anzahl der Verkehrsunfälle um 17 %. Also geht doch ganz eindeutig daraus hervor, daß alles das, was bisher geschehen ist, in keiner Weise genügt. ({0}) Wir müssen uns entschließen und müssen den Mut haben, Maßnahmen auf diesem Gebiet zu treffen, die das Übel abstellen. Der Kollege Müller-Hermann hat eben bei der Begründung der Großen Anfrage davon gesprochen, daß zum allergrößten Teil das menschliche Versagen an diesen bedauerlichen Unfällen schuld ist. Ich möchte einmal einige, ganz wenige Gedanken zu diesem Problem sagen. Einer meiner Vorredner hat auch durch dieses menschliche Versagen einen folgenschweren Unfall gehabt. Ich bin der Meinung, wir sollten uns dazu entschließen, jeden, der sich in ein Kraftfahrzeug setzt, d. h. einen Führerschein erwirbt, doch etwas stärker unter die Lupe zu nehmen, als es bisher geschieht. Mir scheint notwendig zu sein, daß der Betreffende eine allgemeine Untersuchung mitmacht, genau wie es in Nachbarländern bereits geschieht. Wir sollten diese Kraftfahrzeugführeranwärter untersuchen, ob sie farbentüchtig sind, ob ihr Gehör in Ordnung ist, ob ihr allgemeiner Gesundheitszustand in Ordnung ist. Wir sollten uns auch entschließen, in gewissen Zeitabständen, wie es beispielsweise in Norwegen geschieht, Untersuchungen vorzunehmen, ob der allgemeine Gesundheitszustand noch tatsächlich dazu ausreicht, in dem wilden Verkehr heute bestehen zu können. Diese Dinge gefallen vielen nicht. Das ist ganz klar, weil auch ein großer Teil von uns davon betroffen würde. Der Herr Kollege Müller-Hermann hat eben von der Hast unserer Tage gesprochen. Da scheint mir ein wirkliches Anliegen zu bestehen. Wir sollten nun aber auch versuchen, der Hast dieser Tage einen kleinen Sperriegel vorzuschieben. Wer in diesen Tagen auf der Autobahn zwischen Bonn und Köln gefahren ist, hat es erlebt: Es ging etwas langsamer, aber es ging auch so. Deshalb sollten wir sehr ernsthaft überlegen - das sind Dinge, die vielen nicht gefallen; aber ich möchte sie aussprechen -, ob wir uns nicht wieder zu einer allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkung entschließen. ({1}) - Sehr richtig, Herr Kollege Rademacher! Nicht nur für Abgeordnete, sondern auch für amtierende Minister und vielleicht sogar für den höchsten Chef! ({2}) Ich glaube, wir müssen uns darüber unterhalten. Als wir bei der letzten Tagung in Berlin waren, haben ja auch einige gemerkt, was geschieht, wenn man diese vorgeschriebene Geschwindigkeit nicht einhält. Innerhalb der Städte, wo, wie der Kollege Müller-Hermann sagte, 85 % der Verkehrsunfälle eintreten, scheint mir die Geschwindigkeitsbeschränkung unbedingt notwendig zu sein. Gewiß, es gibt eine Reihe von Städten, die das bereits jetzt gemacht haben. Aber wir sollten uns hier generell zu einer Geschwindigkeitsbeschränkung entschließen, auch für den Verkehr innerhalb der geschlossenen Ortschaften. Wir können dann natürlich die Städte ermächtigen, von dieser Bestimmung abzuweichen. ({3}) Aber hier scheint einer jener schwierigen Punkte zu liegen. Ich bin der Meinung - Herr Kollege Rademacher, das gebe ich Ihnen zu -: wenn die Herren Abgeordneten dieses Hohen Hauses nicht gerne selbst so rasend führen, hätten wir wahrscheinlich schon längst diese Geschwindigkeitsbeschränkung. Entschuldigen Sie, wenn ich das ausdrücke! Aber ich muß das einmal sagen. Nun stellen wir immer wieder - der Kollege Müller-Hermann sprach davon --- eine gewisse Rücksichtslosigkeit - um nicht jenen anderen Ausdruck wieder zu gebrauchen - im Straßenverkehr fest, und wir stellen leider fest, daß sich die Führerscheininhaber kaum noch daran erinnern, daß sie die Straße als Fußgänger einmal mitbenutzt haben. Hier sollten wir auch überlegen, ob wir nicht eine Verkehrserziehung in der Form ausüben, Herr Minister, daß jeder Führerscheininhaber im Laufe des Jahres 14 Tage auf seinen Führerschein verzichten oder ihn zurückgeben und einmal wieder als Fußgänger am Verkehr teilnehmen muß, ({4}) damit er erlebt, wie es für den Fußgänger ist. Das sind Dinge, die nicht jedem gefallen werden. Aber sie würden sicherlich sehr, sehr wirksam sein, Herr Minister. Diese drei Punkte wollte ich nur ganz kurz ansprechen. Ich möchte aber nun noch eins sagen. Der Herr Kollege Müller-Hermann hat von dem Appell an alle gesprochen. Meine Damen und Herren, für uns alle in diesem Hohen Hause steht in allen unseren Überlegungen der Mensch im Mittelpunkt. Für meine politischen Freunde möchte ich sagen, daß dieser Mensch ein Geschöpf Gottes ist und daß es unsere vornehmste Aufgabe sein und bleiben muß, dieses Ebenbild Gottes in der Zukunft in stärkerem Maße gerade im Verkehr zu schützen. ({5})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit werde ich mich kurz fassen, zumal ich als Vertreter einer kleineren Fraktion sowieso das Pech habe, daß meine Herren Vorredner immer schon sehr viel von dem gesagt haben, was auch ich sagen möchte. Ohne etwa Alarm schlagen zu wollen, kann man wohl feststellen, daß wir heute einen gewissen Verkehrsnotstand im Lande haben. Ich komme auf das zurück, was der Kollege Rademacher hier ausgeführt hat. Der Unterausschuß „Verkehrssicherheit" des Verkehrsausschusses des Deutchen Bundestags befaßt sich zur Zeit mit Maßnahmen, die dazu dienen können, die Verkehrssicherheit allgemein zu steigern. Das einzige, was ich daran zu kritisieren habe, ist, daß er das erst jetzt tut. Wir hätten, nachdem die Probleme seit Jahren in der Öffentlichkeit stehen, viel eher zu solchen Maßnahmen greifen sollen. ({0}) - Vielen Dank, Herr Kollege Rademacher! Ich bringe die Meinung meiner Fraktion zu diesen Problemen vielleicht am kürzesten dadurch zum Ausdruck, wenn ich mich mit der Resolution identifiziere, die die an der Konferenz beteiligten Minister des Bundes und der Länder damals gefaßt haben und in der es heißt, daß die noch immer steigende Zahl der Unfälle im Straßenverkehr, insbesondere die weiter wachsende Zahl der getöteten und verletzten Menschen, mehr denn je nachhaltige und umfassende Maßnahmen zur Hebung der Verkehrssicherheit erforderlich machten. In der Erkenntnis, daß nur die Mitarbeit aller zum nachhaltigen Erfolge führen kann, rufen sie jeden einzelnen Teilnehmer am Straßenverkehr auf, sich der Verantwortung für Leben und Gesundheit seiner selbst und seiner Mitmenschen bewußt zu sein und durch vernünftiges, vorsichtiges und rücksichtsvolles Verhalten die behördlichen Bemühungen um die Hebung der Verkehrssicherheit auf unseren Straßen zu unterstützen. Sie treten - die Minister und damit auch wir; das könnte den Eindruck erwecken, als wären wir auch Minister, aber ich meine jetzt meine Fraktion - mit Nachdruck allen Versuchen entgegen, die erschütternden Verluste an Menschenleben, die das deutsche Volk im Straßenverkehr zu beklagen hat, zu bagatellisieren oder als unabänderliche Begleiterscheinung der Motorisierung des Straßenverkehrs hinzustellen. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Resolution ist an sich kein Wort hinzuzufügen. Im übrigen sind meine Freunde von der Deutschen Partei und ich der Ansicht, daß wir mit gesetzlichen, polizeilichen, behördlichen und verwaltungsmäßigen Maßnahmen allein auf diesem Gebiet nichts oder nur wenig erreichen werden, wenn wir nicht das beherzigen, was der Kollege Brück zum Schluß seiner Rede gesagt hat, daß nämlich auch hier der Mensch im Mittelpunkt stehen muß, daß auch hier Rücksicht auf den Menschen genommen werden muß, daß überhaupt, aber speziell im Verkehr, das Miteinander statt des Gegeneinander bzw. eben die Rücksicht aufeinander im Vordergrund stehen muß. Wenn es uns nicht gelingt, zu einer anderen Verkehrsgesinnung in Deutschland zu kommen, werden alle anderen Maßnahmen fruchtlos bleiben. Ich darf vielleicht sagen, daß wir hier mit einigem Neid beispielsweise auf Amerika und auch auf England schauen. Ich habe jedenfalls bei dem Besuch in diesen Ländern festgestellt, daß die Verkehrsgesinnung, die uns in Deutschland heute leider noch fehlt, speziell in diesen Ländern weitgehend verbreitet ist. Aus dem großen Bukett von Wünschen kann ich nur einige ganz kurz herausgreifen. Ich beschränke mich deswegen darauf, auf die Verhältnisse besonders in den Ortschaften und Städten hinzuweisen, die oftmals ganz erschütternd sind, erschütternd deswegen, weil diese Städte und Ortschaften häufig gar nicht in der Lage sind, das Volumen des heutigen Verkehrs aufzunehmen und durchzuschleusen. Ich möchte 'deswegen nachdrücklich von diesem Platze aus außer der generellen Forderung, daß wir Straßen, Straßen und noch einmal Straßen bauen müssen, die Forderung aufstellen, daß man insonderheit die Gemeinden und Städte in den Stand versetzen muß, durch den Bau von Umgehungsstraßen Lärm, Geruchsbelästigung und vor allem die großen Gefahren, die der Verkehr mit sich bringt, aus diesen Ortschaften herauszubringen. Ich möchte darüber hinaus das unterstützen, was der Kollege Brück hier gesagt hat. Auch meine ({1}) Freunde und ich sind der Ansicht, daß wir um eine Geschwindigkeitsbeschränkung - jedenfalls in den Gemeinden, Städten und Ortschaften - nicht herumkommen werden. Ich möchte nicht so weit gehen, auch eine Geschwindigkeitsbeschränkung für die Autobahnen und für die Fernverkehrsstraßen zu fordern. Aber in den Ortschaften ist sie heute auf jeden Fall angebracht. Ich bin manchmal erschüttert und erstaunt darüber, wie wenig heute noch von dieser Möglichkeit in vielen Kommunen Gebrauch gemacht wird. ({2}) Ein weiteres wichtiges Kapitel im Rahmen des Straßenbaus ist die Anlegung von Radfahrwegen. Hier haben wir den Beweis, daß durch den Bau der Radfahrwege, der in den letzten Jahren erheblich betrieben worden ist, und durch die Fortnahme der Radfahrer von den Hauptstraßen ein schlagartiger Rückgang der Verkehrsunfälle eingetreten ist. Ein weiterer wichtiger Punkt wäre die Frage des Führerscheins. Hier kann man auch die Ausführungen des Kollegen Brück unterstützen, wenn ich auch nicht so weit gehen möchte, uns 14 Tage lang den Führerschein zu entziehen. Herr Kollege Brück, es genügt schon, wenn wir uns alle verpflichten, uns entsprechend rücksichtsvoll im Straßenverkehr zu verhalten. Aber ich möchte auf eine Gefahr hinweisen. Gerade in letzter Zeit - Sie werden es auch gelesen haben - ist es wiederholt vorgekommen, daß sich Fahrer, vor allen Dingen jugendliche Fahrer, oftmals dazu noch unter dem Einfluß von Alkohol, Fahrzeuge bei Autoverleihen geliehen haben und dann Amok gefahren sind und Tote und Verletzte zu beklagen waren. Es muß gewährleistet sein, daß die Allgemeinheit vor solchen Jugendlichen und auch vor Fahrern, die oftmals ein Jahr und länger nicht am Steuer gesessen haben, geschützt wird. Es muß verhindert werden können, daß jeder Hinz und Kunz sich einen Wagen leihen kann, obgleich er vielleicht lange Zeit nicht mehr am Steuer gesessen hat, und auf die Bevölkerung losgelassen wird. Ein weiteres Problem, dem sowohl der Bund wie die Länder ihre Beachtung schenken sollten, ist die zunehmende Lärm- und Geruchsbelästigung in den Städten. Kürzlich hat in Bremen in den Hauptverkehrszeiten eine Untersuchung stattgefunden, die zu einem geradezu erschütternden Ergebnis geführt hat. Wir sollten alle die Forderung erheben, daß Wissenschaft und Forschung sich mehr denn je um Erkenntnisse bemühen, mit denen die Lärmbekämpfung und die Bekämpfung der Geruchsbelästigung - beide Belästigungen können letzten Endes zu Gesundheitsschäden führen - besser vorgenommen werden können, als das zur Zeit der Fall ist. Ich glaube, angesichts der Tatsache, daß wir mit einem ständig wachsenden Verkehrsvolumen zu rechnen haben, ist es dringend notwendig, auch dieser Frage entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken. In letzter Zeit ist von verschiedenen Seiten die Forderung erhoben worden, beispielsweise zu versuchen, die Abgase von Benzinfahrzeugen zu filtern. Diese Forderung wird vielleicht im Augenblick noch belächelt; es wird aber sicher nicht sehr lange dauern, dann wird auch sie Allgemeingut sein. Ich komme zum Schluß meiner Ausführungen. Meine Freunde und ich begrüßen es, daß der - ich möchte einmal sagen - Kalte Krieg zwischen Schiene und Straße offenbar doch sein Ende gefunden hat; das ist in diesem Falle auch ein wichtiges Stück Verteidigungsbeitrag. Wir hoffen nur, daß dieser Kalte Krieg auch wirklich definitiv zu Ende ist. Er wird allerdings auf einer anderen Seite noch weitergeführt; denn die andauernde Verkehrsunsicherheit, in der wir uns noch befinden, ist leider Gottes auch ein Kalter Krieg. Ich möchte mit dem schließen, was der Kollege Rademacher hier sehr richtig ausgeführt hat. Er sagte, daß die Forderung der nächsten Jahre lauten müsse, Straßen, Straßen und noch einmal Straßen zu bauen. Die Verantwortlichen werden uns, dem Parlament, entgegenhalten: Dann sagt uns, woher die Mittel kommen sollen. Ich kann hier auch nur mit dem Kollegen Rademacher darauf hinweisen, daß es bei einer entsprechenden Aufgeschlossenheit nicht nur des Verkehrsausschusses, sondern auch besonders des Herrn Finanzministers, möglich sein muß, mehr zu tun, als in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiet getan worden ist. ({3}) - Wir werden standhaft bleiben! ({4})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung der Großen Anfrage. Damit ist der Punkt 2 der heutigen Tagesordnung erledigt. Ich rufe Punkt 3 auf: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Josten, Massoth, Bettgenhäuser, Lahr, Schlick und Genossen betreffend neue Rheinbrücke zwischen Bingen und Rüdesheim ({1}). Berichterstatter: Abgeordneter Schill ({2}). Der Berichterstatter hat mir schriftlich mitgeteilt, daß er nicht den Wunsch hat, seinen Schriftlichen Bericht*), den er erstattet hat, noch mündlich vorzutragen. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen zeigt ein Ergebnis, welches nicht befriedigt. Wir alle wissen, auf welch unbestimmte Zeit ein Anliegen vertagt werden kann, wenn eine Drucksache „als Material" überwiesen wird. Aus diesem Grunde möchte ich den Herrn Bundesminister für Verkehr bitten, den Bau. der neuen Rheinbrücke zwischen Bingen und Rüdesheim in das Zehnjahresprogramm mit einzuplanen. Ich bedauere, daß aus Zeitmangel den Einladungen durch die Herren Landräte des Landkreises Bingen und des Rheingaukreises zur Ortsbesichtigung von seiten des Ausschusses nicht gefolgt werden konnte. Infolge der Tatsache, daß die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Hessen den Rheinbrücken in Mainz-Weisenau und Wiesbaden-Schierstein den Vorrang geben, ist die Stellungnahme des Ausschusses für Verkehrswesen und des Bundesmini- *) Siehe Anlage 2. ({0}) sters für Verkehr sehr verständlich. Sicherlich hat bei den Beratungen auf Länderebene die Denkschrift, welche von seiten der Wirtschaft und der Kreise am Mittelrhein zum Wiederaufbau der Hindenburgbrücke im Raum Bingen-Rüdesheim ausgearbeitet wurde, nicht die verdiente Berücksichtigung gefunden. Immerhin hat das Bundesministerium für Verkehr gegenüber früheren Verlautbarungen das verkehrswirtschaftliche Bedürfnis zugegeben. Meine Damen und Herren, ich möchte heute nicht auf Einzelheiten hinsichtlich der Bedeutung des Baus dieser neuen Rheinbrücke zurückkommen, zumal das Ministerium bei der Ausarbeitung der Pläne der B 9 und B 42 den Rheinübergang im Raum Bingen-Rüdesheim mit berücksichtigen will. Dem Antrag des Ausschusses werden die Antragsteller der Drucksache 1170 zustimmen, wobei der Wunsch an den Herrn Bundesminister bleibt, die neue Rheinbrücke in das Zehnjahresprogramm aufzunehmen. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wird das Wort weiter gewünscht? - Nicht der Fall. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag auf Drucksache 2031 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 4 auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Müller-Herman, Dr. Vogel, Rümmele, Stücklen, Dr. Krone und Fraktion der CDU/CSU betreffend Straßenbaumittel für das Haushaltsjahr 1956 ({1}). Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Ritzel. Ritzel ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Worte zur Ergänzung des gedruckt vorliegenden Berichts. Die Erörterung des Punktes 2 der heutigen Tagesordnung gibt mir besondere Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß der sehr dankenswerte Antrag der Herren Antragsteller in bezug auf neue Bauvorhaben mit Ihrer Zustimmung dadurch eine Berücksichtigung erfährt, daß bereits ab 1. Januar Mittel in Höhe von 143 170 000 DM für neue Bauvorhaben, die im Etat vorgesehen worden sind, eingesetzt werden können. Für Straßenbauvorhaben, die bereits im Lauf sind, kommt eine Summe von 158 751 400 DM, im ganzen also ein früher zu verwendender Betrag von 301 921 000 DM in Betracht. Der Haushaltsausschuß war sich klar darüber, daß die Maßnahmen, die die Herren Antragsteller Müller-Hermann, Dr. Vogel und Genossen mit dem Antrag Drucksache 1725 angestrebt haben, ein Anliegen des ganzen Hauses sind, und befürwortet einstimmig die Annahme. Ich darf ergänzend noch darauf hinweisen, daß die über die Öffa laufenden Mittel aus den Erträgnissen des Verkehrsfinanzgesetzes nicht an das Haushaltsjahr gebunden sind, also nicht unter diesen Antrag fallen. Die Mittel stehen laufend im Rahmen ihres Aufkommens zur Verfügung. Ich empfehle dem Hohen Hause die Annahme des Antrags des Ausschusses in Drucksache 2015.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache und komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2015 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet. Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Notarrechts ({0}). Es besteht allgemeine Übereinstimmung, daß weder begründet noch in der ersten Beratung debattiert werden soll. Ich schlage dem Hause Beratung deweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrechts vor. Ist das Haus einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung ({1}) betreffend Auslegung des § 29 ({2}) der Geschäftsordnung ({3}). Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Ritzel. Ritzel ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Drucklegung des Ausschußberichts ist ein Wunsch geäußert worden, der dazu führen sollte, die Angelegenheit noch einmal im Geschäftsordnungsausschuß zu besprechen. Der Wunsch kommt wegen einer Bestimmung aus der CDU, wegen einer anderen aus der SPD. Ich erlaube mir daher, Ihnen den Vorschlag zu machen, heute keinen Bericht zur Sache entgegenzunehmen, sondern die nochmalige Verweisung an den Ausschuß zu beschließen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Darf ich unterstellen, daß das Haus dem Antrag entsprechen will und die ganze Materie zurückverweist? - Das ist der Fall. Punkt 7 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({1}) ({2}). ({3}) Ich erteile das Wort der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Lockmann. Frau Lockmann ({4}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Das Plenum des Deutschen Bundestages überwies dem Finanzausschuß am 20. Oktober 1955 die Drucksache 1677, am 1. Dezember 1955 die Drucksache 1860 und am 12. Januar 1956 die Drucksache 1955 zur Beratung. Der Finanzausschuß folgte dem Vorschlag des an der Beratung mitbeteiligten Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die Gesetzentwürfe der Drucksachen 1860 und 1955, die die ({5}) Be- und Verarbeitung von Milch von der Umsatzsteuer befreien und die Umsatzsteuer für Frischmilch im Einzelhandel von 3 auf 1,5 % senken wollen, zusammen zu beraten und dem Hohen Hause zusammen zur Verabschiedung vorzulegen. Aus gesetzestechnischen Gründen faßte der Finanzausschuß die beiden Gesetzentwürfe in einem zusammen. Der Finanzausschuß folgte jedoch nicht einem Vorschlag der SPD, den von ihr eingebrachten Antrag Drucksache 1677 ebenfalls in diesem Zusammenhang zu verabschieden. Er war mit Mehrheit der Auffassung, der Antrag Drucksache 1677 werfe grundsätzliche Fragen der landwirtschaftlichen Besteuerung - nämlich durch die Freistellung des Erzeugers von der Umsatzsteuerpflicht - auf, die erst nach Vorlage des sogenannten „Grünen Berichts" durch die Bundesregierung, also nach dem 15. Februar 1956, entschieden werden könnten, während die Anträge Drucksachen 1860 und 1955 eine Spezialfrage lösten, die die Grundsatzfrage nicht berühre. Ziel des Antrages Drucksache 1860 ist es, dem Landwirt neben der geplanten Preiserhöhung für Trinkmilch eine Erhöhung des Werkmilchpreises zu verschaffen. Dies soll in der Weise geschehen, daß die Milch in der Be- und Verarbeitungsstufe, also bei den Molkereien, von der Umsatzsteuer befreit wird und daß die Molkereien durch eine Rechtsverordnung auf Grund des Milch- und Fettgesetzes veranlaßt werden, ihre Steuerersparnis an den Erzeuger zurückzuwälzen. Der Landwirtschaft wird so eine Mehreinnahme in Höhe von rund 96 Millionen DM, pro Liter Milch zirka 1,1 Pfennig, zufließen. Ziel des Antrages Drucksache 1955 ist es, die Erhöhung der Umsatzsteuer beim Milcheinzelhandel aufzufangen, die zwangsläufig eine Folge der zu erwartenden Trinkmilchpreiserhöhung wäre. In Anbetracht der relativ geringen Handelsspanne wird jedoch die Umsatzsteuer von 3 auf 1,5 % gesenkt, was praktisch nicht nur einen Ausgleich der künftig höheren Steuerbelastung, sondern auch eine Verbesserung der Handelsspanne bedeutet. Der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfahl dem Finanzausschuß die Annahme der Gesetzentwürfe. Der Finanzausschuß beriet in drei Sitzungen eingehend über die Vorlagen, wobei zum Ausdruck kam, daß die systemwidrige Befreiung eines typischen Be-und Verarbeitungsvorganges aus übergeordneten politischen Erwägungen in Kauf genommen werden solle. Abgeordneter Dr. Dresbach wies in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hin, daß die Senkung bzw. Aufhebung einer Verbrauchsteuer mit dem Ziele, die Ertragslage des Erzeugers zu verbessern, steuersystematisch nicht zu rechtfertigen sei. Die Mehrheit des Finanzausschusses billigte grundsätzlich die Anträge Drucksachen 1860 und 1955, nachdem die Regierungsvertreter dartun konnten, daß die Verwirklichung der Zielsetzung der Anträge auf dem vorgeschlagenen Wege sichergestellt werden könne. Eine längere Debatte entwickelte sich zur Frage des Zeitpunkts des Inkrafttretens. Der mitberatende Ernährungsausschuß hatte vorgeschlagen, beide Umsatzsteuervergünstigungen rückwirkend ab 1. Februar 1956 in Kraft treten zu lassen. Im Verlauf der Beratungen des Finanzausschusses machten Vertreter des Bundesfinanzministeriums darauf aufmerksam, daß das Bundesfinanzministerium die bis zum 1. April 1956 vorgesehene Milchsubvention um diejenigen Beträge werde kürzen müssen, die der Landwirtschaft durch Wegfall der Umsatzsteuer in der Be- und Verarbeitungsstufe zugute kämen. Das Bundesfinanzministerium halte es daher für zweckmäßig, die Umsatzsteuervergünstigungen erst nach Auslauf der Subvention, d. h. zum 1. April 1956, wirksam werden zu lassen. Der Ernährungsausschuß, befragt, ob er auch in Anbetracht einer zu erwartenden Subventionskürzung an dem Termin des 1. Februar festhalte, bejahte durch seinen Vertreter diese Frage. Der Finanzausschuß sah daraufhin keine Veranlassung, dem Vorschlag des Ernährungsausschusses nicht zu folgen; er empfiehlt Ihnen daher, die Umsatzsteuerbefreiung in der Be- und Verarbeitungsstufe rückwirkend ab 1. Februar 1956 in Kraft treten zu lassen. Denselben Vorschlag macht er Ihnen hinsichtlich der Umsatzsteuersenkung beim Einzelhandel. Hier hatten die Ausschußberatungen zwar einen Zusammenhang von Trinkmilchpreiserhöhung und Umsatzsteuersenkung beim Einzelhandel erkennen lassen. Da jedoch der Zeitpunkt, zu dem die Trinkmilchpreiserhöhung zu erwarten ist, noch nicht feststeht, hielt es der Ausschuß für vertretbar, auch hier die Vergünstigung ab 1. Februar 1956 zu gewähren, auch wenn dem Einzelhandel bei einer späteren Trinkmilchpreiserhöhung für eine kurze Zwischenzeit eine größere Handelsspanne verbleibt. Im Namen des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen darf ich Sie bitten, den Anträgen auf den Drucksachen 1860 und 1955 in der Ihnen auf Drucksache 2018 ({6}) vorgelegten Neufassung Ihre Zustimmung zu geben. ({7})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe in der Einzelberatung Art. 1 auf. Zu diesem Artikel liegt der Änderungsantrag Umdruck 520*) vor, von dem ich hoffe, daß er inzwischen verteilt worden ist. Es handelt sich um einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Ich erteile das Wort zur Begründung dieses Antrags der Frau Abgeordneten Strobel, wobei ich voraussetze, daß sie, da die Dinge miteinander in Verbindung stehen, gleich beide Punkte begründen will.

Käte Strobel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Herren und Damen! Es tut mir außerordentlich leid, daß Sie den Änderungsantrag erst im Augenblick bekommen haben. Das ist nicht unsere Schuld, sondern es lag irgendwie an der Vervielfältigung und Verteilung. Wir sind leider in der Situation, einen Änderungsantrag stellen zu müssen, der im Grunde genommen inhaltlich gleich ist mit unserem Antrag, den wir bereits im September vorigen Jahres zu dieser Sache eingebracht hatten, und mit den danach eingegangenen Anträgen der CDU/CSU, die heute verabschiedet werden sollen. Ich bin gezwungen, eingangs darauf aufmerksam zu machen, daß es zumindest eine recht eigenartige Behand- *) Siehe Anlage 3. ({0}) lung von Anträgen ist, wenn man Anträge der SPD, die weitergehen als die später eingebrachten Anträge der CDU/CSU, im Finanz- und Steuerausschuß zurückstellt, während man die Anträge der CDU/CSU heute zur Abstimmung stellt. Man wird dabei das Gefühl nicht los, daß man um billiger parteipolitischer Propaganda willen, ähnlich wie das bei der Zuckersteuer geschehen ist, die Anträge zurückstellt, bis die CDU-Anträge vorliegen. ({1}) Dann werden die CDU-Anträge behandelt, und man hofft, später in der glücklichen Lage zu sein, die SPD-Anträge nicht ablehnen zu müssen, sondern als erledigt erklären zu können. ({2}) Auf diese Situation ist es zurückzuführen, daß wirheute den von uns gestellten Änderungsantrag behandeln müssen, weil wir selbstverständlich der Auffassung sind, daß man, wenn man die Umsatzsteuer für Milch berät, alle unserer Meinung nach notwendigen Maßnahmen gleichzeitig verabschieden muß. Ich möchte weiter darauf aufmerksam machen, daß wir die Ausschußvorlage, zumindest in bezug auf die Möglichkeiten, die für die Erzeuger eine Verbesserung des Milchpreises bedeuten, deswegen als unzureichend ansehen müssen, weil sie für die Werkmilch eine Weitergabe der Umsatzsteuerersparnis an den Erzeuger bringt, die in keinem Verhältnis zu der für die Trinkmilch vorgesehenen Preiserhöhung um 3 Pf steht. Die Milchpreiserhöhung wird sich nur für 27 % der Milch, also bei dem Bauern nur für 27 % seiner Ablieferungsmenge in der Höhe von 3 Pf auswirken. Unsere Anträge 1587 und 1589, die neben dem von mir vorhin zitierten Antrag Drucksache 1677 schon im Juli vorigen Jahres zur Milchwirtschaft und zur Molkereistruktur eingebracht worden waren, hatten das Ziel, eine Erhöhung des Erzeugerpreises für die gesamte abgelieferte Milch in einer für den Erzeuger fühlbaren Form zu erreichen. Leider sind auch diese Anträge im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bis heute nicht verabschiedet. Sie sind in einer ersten Lesung behandelt und bedürfen zu ihrer weiteren Beratung der Anwesenheit des Herrn Bundesernährungsministers, der in den letzten Wochen für diese Verhandlung leider nicht zu haben war. Ich habe heute erfahren, daß er in der nächsten Woche zu diesem Zweck in den Ausschuß kommen will. Das alles beweist immerhin, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion eine Reihe von Vorschlägen gemacht hat, die heute noch geeignet sind, den Erzeugerpreis der Milch wesentlich und fühlbar für alle von dem Erzeuger abgelieferte Milch zu erhöhen. Leider haben wir Sie bisher für diese Anträge nicht gewonnen, und damit war keine Möglichkeit gegeben, die Anträge hier zur Abstimmung zu stellen. Nun zu unserem Änderungsantrag. Für die meisten von Ihnen geht aus dem Wortlaut nicht hervor, was er im Grunde genommen bedeutet. Er bedeutet im ersten Teil, daß die Umsatzsteuer beim Milcheinzelhandel nicht, wie in der Ausschußvorlage vorgeschlagen, halbiert, sondern völlig gestrichen wird. Die Umsatzsteuer beim Einzelhandel beträgt zur Zeit 3 %. Nach der Ausschußvorlage würde sie auf eineinhalb Prozent reduziert, nach unserem Vorschlag völlig gestrichen werden. Wir sind der Meinung, daß das unbedingt notwendig ist, und zwar aus verschiedenen Gründen. Einmal ist der Milchpreis sozial kalkuliert. Es gibt keine hohe Handelsspanne wie bei vielen anderen Dingen. Die Handelsspanne beträgt 5 bis 6 Pf. Jeder von Ihnen, der sich einmal mit dieser Materie befaßt hat, weiß, daß der Milchhandel vom Milchverkauf nicht leben kann, schon deswegen nicht, weil ihm die hygienischen Auflagen soviel Unkosten verursachen, daß da von der Spanne nicht mehr allzu viel übrigbleibt. Nun kommt die Trinkmilchpreiserhöhung hinzu. Sie verschlechtert ohne Zweifel die Situation für den Milchhandel, nicht nur von seiner Spannenseite her, sondern auch von den Verkaufsmöglichkeiten. Es erscheint uns dringend geboten, daß man durch eine Verbesserung der Handelsspanne bzw. durch eine Senkung der Kosten dem Milchhandel einen größeren Anreiz gibt, Milch zu verkaufen und damit den durch die Milchpreiserhöhung bedrohten Milchabsatz mindestens auf der bisherigen Höhe zu halten. Wir bitten Sie dringend, diesen sachlichen Gesichtspunkt noch einmal zu prüfen. Wenn man nun schon die Umsatzsteuer bei der Milch kürzen will, dann wäre es unserer Auffassung nach ohne weiteres möglich und richtiger, sie völlig zu streichen. -- Ich sehe hier eben meinen Kollegen Horlacher aufstehen. Im Ernährungsausschuß wurde uns gesagt: Ja, dann wollen Sie dem Milchhandel eine größere Erhöhung geben als den Bauern?! - Das stimmt gar nicht; denn nach unseren Anträgen, die zum Teil noch unerledigt sind, würde der Bauer eine wesentlich größere Erhöhung seines Erzeugerpreises erhalten, als das durch die Streichung der Umsatzsteuer in der Verarbeitungsstufe möglich ist. Außerdem darf ich noch darauf aufmerksam machen, daß in unserem Antrag unter Punkt 2 die Streichung der Umsatzsteuer für Milch beim Erzeuger beantragt wird. Wir sind der Auffassung, daß man bei dieser Gelegenheit ein so wichtiges Nahrungsmittel wie die Milch, die noch dazu in ihrem Preis sehr umstritten ist, von allen Steuern befreien sollte zu einer Zeit, in der die Kassenlage des Finanzministers dies absolut erlaubt. Es gibt überhaupt keinen Grund, unsere Anträge abzulehnen. Ich bitte Sie deshalb noch einmal dringend, sich heute noch mit der Materie kurz zu befassen, Nägel mit Köpfen zu machen und unsere Anträge anzunehmen. ({3})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000957, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Worten läßt sich trefflich streiten. ({0}) Ob aber die Worte überall das Richtige treffen, ist die zweite Frage. Jedenfalls springt bei der Behandlung der Anträge auf den Drucksachen 1587 bzw. 1589, wonach eine Veränderung der Molkereistruktur und eine Veränderung der Einzugsgebiete, wo die Milch herkommt, vorgenommen werden soll, keine Verbesserung des Erzeugerpreises heraus. ({1}) ({2}) - Nein, das ist eine zu märchenhaft einfache Vorstellung. Zweitens. Muten Sie uns doch nicht zu, daß wir so unhöflich sind, Sie schlechter zu behandeln, als wir uns selber behandeln. Das gibt es ja gar nicht. ({3}) Denn die Sache ist ja die: Wir haben Ihre Anträge nicht zurückgestellt, sondern wir als die für die Regierungsgeschäfte mit Verantwortlichen arbeiten nach einem bestimmten Plan, und auf diesen bestimmten Plan kommt es an. ({4}) Wir können hier kein Störungsfeuer brauchen, ({5}) weil es uns die rasche Verabschiedung der notwendigen Gesetze erschwert und weil dadurch der Erzeuger bezüglich der Verbesserung seiner Preise, auf die er nach unser aller Ansicht Anspruch hat, noch weiter vertröstet würde. Das ist die Grundlage. ({6}) - Lassen Sie mich jetzt einmal ausreden! ({7}) - Ja, bei Ihnen ist es ja notwendig, daß ich das erläutere. Bei Ihnen möchte ich kein Examen über die Zusammensetzung des Milchpreises anstellen; es würde wahrscheinlich sehr schlecht ausfallen! ({8}) Ich will nur folgendes ausführen. Es handelt sich bei der Regulierung des Milchpreises um ein zusammenhängendes Ganzes. Die Verordnung bezüglich der echten Erhöhung des Frischmilchpreises ist durch den Bundesrat gegangen. Diese Verordnung genügt zur Regulierung des Milchpreises nicht -- wie die Frau Kollegin Strobel ganz richtig gesagt hat -, weil sie bloß 27 % des Frischmilchpreises reguliert, aber nicht den ganzen Milchpreis. ({9}) - Sehen Sie! Jetzt kommt der zweite Teil: die Anträge der CDU/CSU betreffend Änderung der Umsatzsteuer. Es geht uns nicht um eine Änderung der Umsatzsteuer - das ist nicht unser Hauptmotiv -, sondern darum, für die Werkmilch, für die Verarbeitungsmilch Beträge herauszubringen, für die Verbesserung des Milchpreises insgesamt, ob Frischmilch oder Werkmilch, danach fragt der Bauer nicht. Er will einen angemessenen Erzeugerpreis haben. Wie seine Produkte dann verwertet werden, ist eine zweite Frage. Die Befreiung von der Umsatzsteuer in der sogenannten Verarbeitungsstufe bringt eine Verbesserung des Milchpreises um 0,9 Pf, und die hälftige Befreiung in der Handelsstufe - die 3 Pf umgerechnet auf die gesamte Milchmenge - bringt eine Verbesserung des Milchpreises um 0,8 Pf. Es kommt uns darauf an, die beiden Komponenten miteinander zu verbinden, damit wir eine einheitliche Hebung und Regulierung des Milchpreises bekommen. Dabei kommt sogar noch hinzu, daß dem Verbraucher keine besonderen Belastungen entstehen. Die Herabsetzung der Umsatzsteuer belastet ihn nicht, und die Erhöhung des Frischmilchpreises wird ja dann später auch mit der Senkung der Zuckersteuer verbunden. So liegen die Dinge. Das ist also ein einheitlicher Plan. Nach diesem einheitlichen Plan wird hier vorgegangen. Deswegen kommt es noch auf etwas anderes an: darauf, daß die Bestimmungen möglichst rasch in Kraft treten. Deswegen können wir jetzt keine strittigen Probleme bezüglich der weiteren Beseitigung der Umsatzsteuer erörtern. Das ist eine Frage, die wir später behandeln können. Die Frage, die heute zur Entscheidung steht, ist die, daß so rasch wie möglich ein Teil dessen jetzt verwirklicht wird, worauf der Bauer schon seit Monaten Anspruch hat. ({10}) Ich bin dem Finanz- und Steuerausschuß außerordentlich dankbar, daß er den Ratschlägen des Ernährungsausschusses gefolgt ist und den Inkraftsetzungstermin hinsichtlich der Senkung der Umsatzsteuer auf den 31. Januar festgelegt hat: einmal die vollständige Befreiung von der Umsatzsteuer in der Verarbeitungsstufe, dann die hälftige Befreiung des Milchkleinhandels in der Handelsstufe von 3 % auf 1 1/2 %. Die Ermäßigung um 1 1/2% ist deshalb notwendig - sie steht auch in organischem Zusammenhang, ohne das Gesamtgefüge des Milchpreises durcheinanderzubringen -, weil, wenn der echte Frischmilchpreis erhöht wird, sich dadurch die Umsatzsteuer erhöhen würde. Entsprechend wird dem Milchhandel durch die Senkung von 3 auf 1 1/2 % eine Vergünstigung gewährt. Die Vergünstigung soll jetzt sogar am 31. Januar in Kraft treten, so daß auch der Milchhandel rasch in den Lauf der Entwicklung eingeschaltet wird und baldigst in den Genuß der Umsatzsteuerermäßigung von 3 % auf 1 1/2% kommt. Damit ist es aber noch nicht aus! Deswegen war ich immer so dahinterher, daß das Gesetz so rasch wie möglich verabschiedet wird; denn es brennt allmählich auf den Nägeln. Die Umsatzsteuer für den Monat Februar wird nämlich ungefähr am 10. März verrechnet. Bis zum 10. März müssen die entsprechenden Anweisungen da sein. Das Gesetz gibt ja nur die Grundlage; jetzt kommen noch die Durchführungsbestimmungen und die Vollzugsanweisungen des Bundesernährungsministeriums. Hoffentlich klappt es dann auf dieser Seite, denn es eilt. Da muß festgelegt werden, daß die ersparte Umsatzsteuer restlos dem Erzeuger zugute kommt. Das ist ja der Sinn des Gesetzes. Da gehören die entsprechenden Anweisungen her. ({11}) - Machen Sie doch keine Witze, wenn es nicht notwendig ist! ({12}) Unter Umständen müssen Sie sogar nach München fahren und den Faschingszug anschauen, damit Sie in der Lage sind, künftig bessere Witze zu machen. ({13}) Der Zweck der Übung ist nur, mich aus dem Konzept zu bringen. Aber da können Sie lange rumoren, und Sie bringen mich nicht aus dem Konzept! ({14}) ({15}) - Sie sind doch ein verhältnismäßig gutmütiger Mensch. weil Sie auch aus Süddeutschland stammen. ({16}) Es kommt aber noch ein Schlußstück dazu. Wir brauchen wahrscheinlich auch noch eine kleine Änderung des Milch- und Fettgesetzes, damit die Verbesserung des Milchpreises ohne Unterschied der Erzeugung und der Verarbeitung allen Bauern ungefähr gleichmäßig zugute kommt. Denn die Dinge sind ja außerordentlich verschieden gelagert. Wir werden die Sache noch nachprüfen und behalten uns weitere Schritte vor. Der Rede kurzer Sinn ist der: Bleiben wir konsequent bei dem Plan, den die Regierungskoalition entwickelt hat! Wir bleiben bei ihm, und deswegen ersuche ich Sie, alle übrigen Anträge mit Begeisterung abzulehnen, damit unser Plan nicht gestört wird. ({17})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Strobel.

Käte Strobel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Herren und Damen! Der kurze Sinn der langen Rede des Herrn Kollegen Horlacher war meiner Meinung nach, zu verdecken, daß wir mehr für den Erzeuger und mehr für den Handel nicht erst durch unsere heutigen Anträge, sondern durch unsere bereits im Dezember eingebrachten Anträge haben wollten. ({0}) Der „Plan" ist den Herren und Damen Kollegen der Koalition leider erst eingefallen, nachdem wir unsere Anträge vorgelegt hatten, nämlich nach der Berliner Konjunkturdebatte. Es hat sich für mich jetzt erst recht der Eindruck verstärkt: in diesem Hause soll zumindest für die Landwirtschaft nichts auf Antrag der SPD beschlossen werden, sondern es kann nur beschlossen werden, wenn es die CDU/CSU beantragt hat, selbst wenn der Antrag der CDU/CSU für die Landwirtschaft weniger Nutzerfolg bringt als der der SPD. ({1}) Im übrigen muß ich noch auf etwas hinweisen, was immerhin auch eine erstaunliche Erkenntnis aus der Rede des Herrn Kollegen Horlacher war. Die Preiserhöhung für die Bauern bei der Milch wird also, rundherum gesehen, pro Liter nur 1,7 Pfennig betragen, 0,8 durch die 3 Pfennig Milchpreiserhöhung für die Trinkmilch, 0,9 durch die Streichung der Umsatzsteuer für Werkmilch. Damit trifft wieder das zu, was wir bereits im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Finanzausschuß dauernd gesagt haben: die große Enttäuschung bei der Landwirtschaft wird nachher kommen. Allerdings liegen noch unsere Anträge zur Milchwirtschaft und Molkereistruktur vor. Der Herr Kollege Horlacher scheint darüber schon eine feste Meinung zu haben. Ich bedaure das außerordentlich. Denn ich bin der Auffassung: jetzt muß man wirklich einmal untersuchen, ob in der Milchwirtschaft nicht Reserven stecken, die sich, wenn man hier tatsächlich einmal einen echten Wettbewerb durchführt, zugunsten des Erzeugers auswirken können. Das ist bis jetzt nicht untersucht worden. Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß auch der Herr Bundesernährungsminister gelegentlich der Milchwirtschaftlichen Woche in Kiel Äußerungen getan hat, die in diese Richtung zielen. Sollte er so wenig über die Milchwirtschaft wissen, sollte die Kenntnis davon ausschließlich bei den Abgeordneten dieses Hauses auf der rechten Seite sein? Darauf muß ich noch einmal aufmerksam machen. Es handelt sich bei unserem Änderungsantrag absolut nicht um Probleme, die hier neu auftauchen, sondern um Anträge, die länger im Bundestag liegen als die Ihren. ({2})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000957, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Strobel, fürchten Sie nicht, daß ich mich zu sehr mit Ihnen weiter auseinanderreden werde! Wir müssen doch vielleicht im Ernährungsausschuß auf bestimmten Gebieten wieder miteinander arbeiten. ({0}) Also habe ich gar kein Interesse daran. ({1}) - Freuen Sie sich doch, wenn ich bemüht bin, in echt demokratischer Gesinnung eine möglichste Übereinstimmung herbeizuführen! Da haben Sie scheint's keine Freude dran. Ich habe keine Freude an dem dauernden Streit bei solchen Sachgegenständen. Die Regelung des Milchpreises ist ja keine parteipolitische, sondern eine rein sachliche wirtschaftliche Frage, die nach sachlichen Gesichtspunkten entschieden gehört. ({2}) - Warum bringen Sie immer solchen Kram da hinein! - Auf die Frage der weitergehenden Behandlung der Umsatzsteuer werden wir später zurückkommen. Aber wir wollen, daß dieser Komplex einmal geschlossen erledigt wird. Die Gründe dafür, daß das rasch geschehen muß, habe ich genügend ausgeführt. Aber ich habe noch etwas vergessen. Deswegen bin ich Ihnen dankbar, daß Sie noch einmal geredet haben. Denn zu dem Plan gehört noch folgendes dazu. Wir sind in weiten Kreisen übereinstimmend der Meinung, daß die Mittel, die für die Tbc-Bekämpfung ausgegeben werden, ausschließlich auf die öffentliche Seite übernommen werden müssen. ({3}) - Ja, ja! - Das ist eine Frage, die entschieden werden muß und für deren Lösung wir uns einsetzen werden. ({4}) Das ist auch eine Frage der Regulierung des Milchpreises. - Jetzt können Sie fragen: Warum ist das eine Frage der Regulierung des Milchpreises? Machen Sie mir lieber da einen Zwischenruf! Das ist deswegen eine Frage der Regulierung des Milchpreises, weil die Mittel für die Tbc-Bekämpfung bisher aus drei Quellen geflossen sind: a) aus eigenen Mitteln des Bauern, b) aus den Beträgen, die die Molkereigenossenschaften und Molkereibetriebe durch Abzüge bei den Bauern aufgebracht haben ({5}) - bis zu einem Milchpfennig - und c) die kleinen Beiträge, die von seiten des Bundes und der Länder geleistet worden sind. Wir wollen, daß die Molkereibetriebe von diesen Lasten befreit werden, die eigentlich mit ihrem Betrieb nichts zu tun haben. Daraus ergibt sich dann eine weitere Regulierung des Milchpreises. Das hatte ich vergessen. Wenn Sie das alles überlegen, müssen Sie jetzt selber Ihre Änderungsanträge ablehnen. ({6})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu Art. 1. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 520*). Ich lasse über die Ziffern 1 und 2 gemeinsam abstimmen, weil sie organisch zusammenhängen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 520 zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen dann zur Abstimmung über den Art. 1 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist die zweite Lesung des Gesetzes beendet. Wir treten ein in die dritte Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Strobel.

Käte Strobel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Herren und Damen! Da Sie unsere Anträge leider abgelehnt haben, wir aber auch eine geringfügige Verbesserung des Milchpreises für den Erzeuger und der Handelsspanne für den Milchhändler für notwendig halten, stimmen wir jetzt diesem Gesetz zu. Im übrigen weise ich heute schon darauf hin, daß Sie bei der Haushaltsdebatte Gelegenheit haben werden, in diesem Jahr den SPD-Antrag auf Finanzierung der Tbc-Bekämpfung aus öffentlichen Mitteln anzunehmen. Herr Kollege Horlacher hat das ja bereits zugesagt. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache in der dritten Lesung und komme, da Änderungsanträge nicht vorliegen, zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich vom Platz erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Es ist beschlossen worden, heute zusätzlich folgenden Punkt auf die Tagesordnung zu setzen: *) Siehe Anlage 3. Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz ({0}). Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz hat den Zweck, den Bundesgrenzschutz in seinem derzeitigen Bestand an Personal und Material für den Aufbau der Streitkräfte einzusetzen und ihn gleichzeitig insoweit von seinen polizeilichen Aufgaben zu entbinden. Die Motive, die die Bundesregierung bei diesem Entwurf leiten, sind teils in der Begründung niedergelegt, teils auch sonst schon öffentlich zum Ausdruck gekommen. Die Heranziehung des Bundesgrenzschutzes für diesen Zweck erscheint einerseits geboten, auf der anderen Seite erscheint der Bundesgrenzschutz in mancher Beziehung für diesen Zweck besonders geeignet. Die für eine Grenzpolizei an der Sowjetzonengrenze anfallenden Aufgaben hatten es erforderlich gemacht, den Bundesgrenzschutz in zusammengefaßten Einheiten truppenmäßig zu organisieren, wenn er seinen Aufgaben im Ernstfall gerecht werden sollte. So konnten im Laufe der letzten Jahre wertvolle Erfahrungen im Truppendienst und in der Truppenausbildung gesammelt oder bewahrt werden. Diese Erfahrungen sind ein wichtiger Beitrag, den der Bundesgrenzschutz bei Aufstellung der Streitkräfte leisten kann. Er ist um so wertvoller, als die soldatische Tradition unseres Volkes seit 1945 durch eine zehn Jahre währende Zäsur unterbrochen wurde. Durch den Mangel an Ausbildungskräften und an sonstigen im laufenden Truppendienst geschulten Offizieren und Unteroffizieren sowie Verwaltungsbeamten ist eine Lücke vorhanden, die jetzt zum Teil vom Bundesgrenzschutz ausgefüllt werden kann. Es kommt hinzu, daß die Überführung in die Streitkräfte zweifellos dem Wunsch eines großen Teiles der Beamten des Bundesgrenzschutzes entspricht. Diese Wünsche wurden im Laufe der letzten Monate immer häufiger an mich herangetragen, ohne daß ich ihnen entsprechen konnte, wenn ich nicht die Intaktheit der Verbände durch ungeregeltes Ausscheiden von Personal einbüßen wollte. Auf die Dauer - und dies bemerke ich sozusagen nur in Klamern - hätte man übrigens wohl auch im Hinblick auf die in Art. 12 des Grundgesetzes garantierte berufliche Freizügigkeit den Übertritt nicht verweigern können. Der Gesetzentwurf gibt gegenüber dieser unkontrollierbaren Auflösung des Bundesgrenzschutzes einer Regelung den Vorzug, die den gesetzlichen und organisierten Übertritt der Beamten im Rahmen ihrer bisherigen Verbände vorsieht. Dieser Weg hat den unbestreitbaren Vorteil, daß die einzelnen Verbände im ersten Stadium der Aufstellungszeit erhalten bleiben. Sie werden, wie Sie schon wissen, den Grundstock für drei Grenadierdivisionen bilden, die wahrscheinlich schon sehr bald einsatzfähig sind. Im Bundesrat und auch in der Presse haben sich gegen diese Überführung keine Bedenken erhoben bis auf einen Einwand, zu dem ich mich hier mit einigen Worten äußern möchte. Er betrifft die angebliche Gefährdung des inneren Gefüges der Streitkräfte. Es ist behauptet worden, daß die Re({0}) formideen des Bundesverteidigungsministeriums durch den restaurativen Geist, der im Bundesgrenzschutz herrsche, in Frage gestellt würden. In diesem Zusammenhang sind Äußerungen gefallen, die ich nicht unwidersprochen lassen kann. Als der Bundesgrenzschutz im Jahre 1951 aufgestellt wurde, blieb er zuerst von Mißtrauen und Argwohn nicht verschont. Ich weiß, daß sich damals einige wenige Zwischenfälle ereignet haben. Ich glaube jedoch kaum, daß es eine Truppe gibt, in der Ereignisse dieser Art völlig ausbleiben können. Entscheidend ist für mich, daß der Bundesgrenzschutz als Institution in der ganzen Zeit seines Bestehens Anerkennung und Vertrauen im Volk, bei der Grenzbevölkerung, bei den Parteien des Bundestags und bei den Bundesländern gefunden hat. ({1}) Ernsthafte Einwendungen gegen den Geist und gegen die demokratische Zuverlässigkeit dieser Truppe sind nie erhoben worden und konnten nie erhoben werden. Ich möchte heute und an dieser Stelle den Männern danken, die zum Teil schon im Jahre 1951 unter damals noch recht mißlichen Umständen wieder die Uniform angezogen haben, um mit sehr unzulänglichen Mitteln die Aufgabe der Grenzsicherung zu übernehmen. ({2}) Ich kann meiner Genugtuung und meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß der Bundesgrenzschutz, dessen Aufstellung vielen damals noch als ein gewagtes Experiment erscheinen mochte, eine Einrichtung geworden ist, die ihre Aufgaben in vorbildlicher Weise gemeistert hat und die in ihrer Haltung und in ihrem Geist als ein sehr willkommener und sicherlich wertvoller Bestandteil der neuen Wehrmacht gelten darf. ({3}) Nach diesen allgemeinen Ausführungen lassen Sie mich noch einige Sätze zu den einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfs sagen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes beginnt eine Vier-Wochen-Frist, innerhalb derer der Beamte sich entscheiden muß, ob er der gesetzlichen Überführung in die Streitkräfte zustimmt oder ob er sie für seine Person ablehnen will. Innerhalb dieser Erklärungsfrist von vier Wochen kann auch der Bundesverteidigungsminister den Übertritt einzelner Beamter ablehnen. Sein Ablehnungsrecht ist an das Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister geknüpft. Ein Recht zur Ablehnung hat außerdem für die Grenzbeamten vom Oberst aufwärts der Personalgutachterausschuß. Das Personalgutachterausschuß-Gesetz findet keine unmittelbare Anwendung, weil es nur für Bewerber gilt, nicht aber für Beamte, die kraft Gesetzes in die Streitkräfte übergeführt werden. Im Interesse der Einheitlichkeit der personalpolitischen Maßnahmen hielt es die Bundesregierung jedoch für geboten, dem Ausschuß die Möglichkeit der Intervention zu geben. Es handelt sich hier um Beamte, die bereits jahrelang für würdig befunden wurden, an führender Stelle in einer Polizeitruppe, noch dazu der einzigen Truppe des Bundes, auf dem verantwortungsvollen Gebiet der Grenzsicherung Dienst zu tun. ({4}) Es darf also angenommen werden, daß auch der Ausschuß der Überführung der Beamten in den Soldatenberuf nur dann widersprechen wird, wenn besondere Gründe vorliegen sollten. Ich werde dafür Sorge tragen, daß die Personalakten dem Personalgutachterausschuß so rechtzeitig zugehen, daß er die Prüfung bis zum Ablauf der gesetzlichen Monatsfrist vornehmen kann. Nach Ablauf der Frist besteht somit völlige Klarheit in bezug auf die personellen Verhältnisse. Zu diesem Zeitpunkt wird dann auch der Auftrag an den Bundesminister für Verteidigung wirksam, aus den übergeführten Verbänden des Bundesgrenzschutzes Verbände der Streitkräfte zu bilden. Der Paßkontrolldienst wird von dieser gesetzlichen Überführung nicht erfaßt. Das bedeutet natürlich nicht, daß sich nicht auch einzelne Angehörige des Paßkontrolldienstes um Übernahme in die Streitkräfte bewerben können. Von der gesetzlichen Überführung in seiner Gesamtheit mußte der Paßkontrolldienst ausgenommen werden, weil das Personal für die Paßnachschau zur Verfügung bleiben muß. Außerdem ist der Paßkontrolldienst nicht in Einheiten organisiert, so daß insoweit die Voraussetzungen, von denen der Gesetzentwurf ausgeht, nicht vorliegen. Lassen Sie mich schließlich noch wenige Worte zu dem § 4 des Entwurfs sagen, der ausdrücklich bestimmt, daß das erste Bundesgrenzschutzgesetz vom 16. März 1951 unberührt bleibt. Im Bundesrat hat die Frage des Weiterbestehens des Bundesgrenzschutzes zu einer längeren Debatte geführt. Ich bin dem Bundesrat dankbar, daß er sich hierbei in seiner Mehrheit für den Fortbestand und damit für die Wiederauffüllung des Bundesgrenzschutzes ausgesprochen hat. Meine Damen und Herren, ich kann das Hohe Haus nicht eindringlich genug darum bitten, sich dieser Auffassung anzuschließen. Sosehr ich auch die wichtigen Gesichtspunkte der Wiederaufrüstung anerkannt habe und anerkennen muß, sowenig habe ich doch damit zum Ausdruck bringen wollen, daß der Bundesgrenzschutz überflüssig sei. Die politischen Verhältnisse an der Sowjetzonengrenze und gerade die letzte Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone erfordern heute dringender denn je, daß der Bundesregierung ein polizeiliches Instrument zum unmittelbaren eigenen Einsatz zur Verfügung steht. Wir dürfen uns gegenüber politisch demonstrativen Massenaktionen von jenseits des Eisernen Vorhangs, deren wir immer gewärtig sein müssen, nicht allein auf die NATO-Divisionen und den NATO-Automatismus verlassen. Die Bundesregierung muß hier freie Hand haben, unabhängig von NATO so lange wie möglich für eine Lokalisierung von Grenzzwischenfällen mit geeigneten polizeilichen Mitteln Sorge zu tragen und dadurch die Entstehung militärischer Konflikte mit ihren unabsehbaren Folgen zu verhüten. Es wäre falsch, diese verantwortungsschwere Aufgabe allein den Bereitschaftspolizeien der Länder aufzubürden. ({5}) Die polizeiliche Sicherung der Zonengrenze ist nicht Sache einiger Länder, sondern sie ist eine Aufgabe, die uns alle betrifft, also eine echte Bundesaufgabe. ({6}) Wir werden mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes einen wesentlichen Beitrag zu dem beschleunigten Aufbau der Streitkräfte leisten. Die polizeiliche Sicherung des Bundesgebietes dürfen wir darüber nicht vernachlässigen. Ich möchte dem Hohen Hause versichern, daß die Bundesregierung ({7}) alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um den Bundesgrenzschutz so schnell wie möglich wieder aufzufüllen. Ich bitte das Hohe Haus schon jetzt, uns auch bei dieser Aufgabe zu unterstützen. ({8})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache in erster Lesung. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Eschmann, wobei ich nochmals an die Vorschrift unserer Geschäftsordnung erinnern darf, daß bei der ersten Lesung nicht auf Einzelheiten, sondern nur auf die Prinzipien des Gesetzentwurfs eingegangen werden soll.

Fritz Eschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem es vorhin leider nicht zu verhindern war, den Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Bundesgrenzschutz, Drucksache 2045, auf die heutige Tagesordnung zu setzen, muß sich also wohl oder übel das Hohe Haus heute in erster Lesung mit dieser Angelegenheit beschäftigen. Der vorgelegte Entwurf läßt schon jetzt klar erkennen, daß in den dafür in Frage kommenden Ausschüssen und in der zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs im Plenum zu den einzelnen Paragraphen und zu deren Begründung sowie auch zur Stellungnahme des Bundesrates zu diesem Gesetz noch sehr eingehende Beratungen notwendig werden. Der bisherigen Gepflogenheit in diesem Hause folgend, möchte ich namens meiner Fraktion einige allgemeine Ausführungen zur Sache und schwerpunktmäßig zu einigen Paragraphen des Gesetzes machen. Seit dem Beschluß des Verteidigungsrates von Anfang November vorigen Jahres, den Bundesgrenzschutz in die Streitkräfte zu überführen, ist im besonderen in der Presse, aber auch bei allen anderen interessierten und beteiligten Kreisen die Diskussion hierüber sehr stark in den Vordergrund getreten. Mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs ist eindeutig und endgültig erkennbar, daß die Regierung entschlossen ist, die Überführung vorzunehmen. Die ganze Wehrgesetzgebung hat bisher unter einer nicht gerade schönen Hast gelitten; gerade in den letzten Tagen war im Verteidigungsausschuß bei den Beratungen des Soldatengesetzes ein Zeitdruck sehr unliebsam zu verspüren, der eigentlich gar nicht zu sein brauchte. Ich verweise auf die Begründung zu diesem Gesetz; es heißt darin unter I in Abs. 2 wörtlich: Der Entwurf hat den Zweck, die Überführung des Bundesgrenzschutzes so vorzunehmen, daß ein Höchstmaß an Wirkung für den möglichst schnellen Aufbau der Streitkräfte erreicht wird. Also auch hier wieder einmal die unverständliche nervöse Hast und Eile. Der Grenzschutz wurde seinerzeit mit Zustimmung der Sozialdemokraten aufgestellt. Es bestand der feste Wille, aus dem Bundesgrenzschutz eine Grenzpolizei mit klaren, eng begrenzten Aufgaben zu machen. ({0}) Mehrfach ist in der Vergangenheit versichert worden, daß es sich bei dem Grenzschutz keinesfalls um vorausgeplantes Militär handele. ({1}) Hier ist man wirklich geneigt zu sagen: Vor Tisch las und hörte man es anders. So erklärte z. B. noch im Frühjahr des vorigen Jahres der Herr Bundesverteidigungsminister bei den Beratungen im Verteidigungsausschuß, eine Übernahme des Bundesgrenzschutzes in die Streitkräfte komme überhaupt nicht in Frage. Jetzt ist es auf einmal gerade der Grenzschutz, der in besonderem Maße geeignet ist, Kader für die Streitkräfte abzugeben. Das wird, wie ich eben schon erwähnte, damit begründet, daß man dadurch ein Höchstmaß an Wirkung für den schnellen Aufbau der Streitkräfte erreiche. Meine Fraktion ist der Meinung, daß eine Überführung des Bundesgrenzschutzes in die Streitkräfte nicht möglich ist. Es ist zwar richtig, daß eine größere Anzahl höherer Offiziere darauf spekulierte, auf dem Wege über den Eintritt in den Bundesgrenzschutz später einmal Offizier einer künftigen Streitmacht zu werden. Eingetreten sind aber doch nicht nur die Offiziere, sondern auch die große Masse der Grenzjäger, und bei diesen ist es keineswegs so klar, ob sie jemals beabsichtigten, Soldat zu werden. ({2}) - Darauf komme ich gleich noch zu sprechen, Herr Kollege. Mehrfach ist uns in der Vergangenheit versichert worden, daß gerade die Grenzjäger und die unteren Beamten, die bereits als Beamte auf Lebenszeit übernommen sind, danach strebten, eine Auslauflaufbahn zu bekommen. Gerade für den Grenzjäger würde sich die derzeitige Fassung des Gesetzes als außerordentlich schlecht erweisen. Der § 2 des Gesetzes sieht nämlich vor, daß die Beamten kraft Gesetzes ihren Status wechseln und Soldaten werden. ({3}) Würde man sich mit dieser Maßnahme so ohne weiteres zufrieden geben, so wäre dem Lauf der Dinge unter Umständen keine Grenze mehr gesetzt. Irgend jemand könnte irgendwann plötzlich aus den Angehörigen der Bereitschaftspolizeien Soldaten machen oder, wenn es ganz toll käme, vielleicht dazu übergehen, sogar die Feuerwehren zu militarisieren. ({4}) - Das ist alles schon einmal dagewesen. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß in § 2 Abs. 3 vorgesehen ist, daß das Dienstverhältnis eines Soldaten für denjenigen nicht begründet wird, der binnen eines Monats nach Inkrafttreten des Gesetzes die Überführung ablehnt. Was aber bedeutet das in Wirklichkeit? Die Masse der Beamten des Grenzschutzes sind Beamte auf Widerruf. Will nun etwa die Bundesregierung diejenigen Beamten auf Widerruf, die nicht Soldat werden wollen, einfach entlassen, vielleicht unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes? Dort heißt es nämlich, daß der Polizeivollzugsbeamte 'auf Widerruf bei Auflösung, Verschmelzung oder wesentlicher Änderung des Aufbaus der Beschäftigungsbehörde entlassen werden kann. ({5}) ({6}) Meine und Herren, in dieser Situation -darüber gibt es für mich keinen Zweifel - liegt ein Druckmittel, ({7}) liegt etwas, was wie ein Damoklesschwert über jedem kleinen Grenzschutzbeamten hängt, jedenfalls so lange hängt, als über die Zukunft des Bundesgrenzschutzes nichts beschlossen ist. ({8}) In der Praxis sieht das für den Grenzjäger z. B. so aus: meldet er sich nicht zu den Soldaten, so muß er damit rechnen, daß er entweder entlassen oder vielleicht in eine neue Bundes- oder in eine Ländergrenzschutzbehörde übergeführt wird, von deren Aufgaben und Tätigkeit er sich im Augenblick keine Vorstellungen machen kann. Er kann infolgedessen auch nicht überblicken, wie dort seine Aufstiegschancen überhaupt sind. Es kommt noch etwas anderes hinzu, und damit möchte ich gleich Ihren Zwischenruf, verehrter Herr Kollege, beantworten. Ich möchte ein Beispiel aus der Vergangenheit anführen, das eine ähnliche Situation aufzeigt, wie wir sie heute vor uns haben, wenn sie auch nicht ganz damit zu vergleichen ist. Aus meinem eigenen Erleben weiß ich, daß bei der Überführung der Landespolizei in die damalige Wehrmacht im Jahre 1936 die Landespolizisten ebenfalls erheblichem moralischem Druck ausgesetzt waren, damit sie sich zur Wehrmacht meldeten. Das sah damals doch so aus, - ({9}) - Ich zitiere ja auch nur ein Beispiel, was annähernd vergleichbar ist. ({10}) Ich möchte Entwicklungen vorbeugen. Deshalb mache ich diese Ausführungen. ({11}) Das sah damals so aus, meine Damen und Herren, daß man dem Landespolizeibeamten erklärte: Sie können zwar Polizist bleiben, aber dann müssen Sie eine Versetzung nach Hamburg, Bremen oder anderswohin in Kauf nehmen; sonst geht es ab zur Wehrmacht. Viele junge Beamte waren damals gerade dabei, einen eigenen Hausstand zu gründen, oder hatten ihn gerade gegründet. Bei den damals angewandten Methoden mußten sie ihre Entscheidung zum Teil innerhalb weniger Stunden treffen. Bei meinem eigenen Fall war die Entscheidung sogar innerhalb einer Stunde zwischen zwei Befehlsausgaben in der Hundertschaft zu fällen. ({12}) Immerhin war dies damals alles noch - ({13})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Einen Moment, Herr Sprecher. - Herr Abgeordneter Schoettle, darf ich Sie ganz höflich und freundlichst darauf aufmerksam machen, daß der Ausdruck „Flegelei" kein normaler parlamentarischer Ausdruck ist. ({0}) Ich habe nicht gehört, was dort gesagt worden ist, aber trotzdem muß ich objektiv sagen, daß wir das nicht einführen wollen. Bitte, fahren Sie fort.

Fritz Eschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Immerhin, meine Damen und Herren, geschah dieses alles damals noch in der Form, daß sich die Landespolizisten freiwillig melden konnten. Bei diesem Gesetz hier wird nach § 2 geradezu umgekehrt verfahren. Nur derjenige, der aus freiem Entschluß nicht will, kann verhindern, daß er Soldat wird. In dieser Bestimmung liegt, was diese Seite der Materie anlangt, das eigentliche Unsittliche des Gesetzes. Wenn es schon nicht zu verhindern sein wird, daß der Verteidigungsminister auf die Bundesgrenzschutzangehörigen zurückgreift, so sollten doch die Grenzjäger wie alle anderen Bewerber, wie auch z. B. die der Bereitschaftspolizeien, unter gleichen Bedingungen und unter gleichen Voraussetzungen auf Grund der freiwilligen Bewerbung übernommen werden. Wenn aber die Grenzjäger laut Verfügung des Herrn Bundesinnenministers - allerdings weiß ich im Augenblick nicht, ob diese Verfügung noch besteht, Herr Minister - die Frage der eventuellen Überführung in ihren Bereichen noch nicht einmal diskutieren dürfen oder sich nicht bewerben durften, Herr Minister, ({0}) dann ist das jedenfalls auch ein Druckmittel und gibt den Grenzjägern für eine freie, unbeeinflußte Entscheidung vorher noch nicht einmal den notwendigen Raum. Deshalb habe ich das Verhältnis der damaligen Landespolizei hier einmal aufgezeigt. Was am Ende aus solchen Dingen, aus einer solchen Entwicklung geschehen kann, haben wir doch in der Vergangenheit in übelster Art erlebt. Der Herr Bundesinnenminister gab das selbst zu, als er in der 37. Sitzung des Bundestages am 8. Juli 1954, in der das Hohe Haus den Antrag meiner Fraktion über die Anrechnung der Zeit der Zugehörigkeit zur Legion Condor behandelte, wörtlich ausführte: Es ist tatsächlich unzutreffend, daß diese Soldaten freiwillig zur Legion Condor gingen. Die „Freiwilligkeit" war nur eine Tarnung, um den Schein aufrechtzuerhalten, daß sich Deutschland nicht am Kriege beteilige. Sicher, meine Damen und Herren, ist dieses Beispiel eines der bekanntesten und extremsten. Aber ich bin der Meinung, daß für alle Fälle jetzt und in der Zukunft gelten sollte: Wehret den Anfängen! ({1}) An anderer Stelle des Gesetzes und seiner Begründung wird gesagt. daß eine organisierte Über({2}) führung des Bundesgrenzschutzes reibungsloser und von dem Nutzeffekt, hier also der möglichst schnellen Errichtung von Streitkräften, aus gesehen erfolgversprechend ist. Das ist zwar richtig. Doch darf dieser Umstand keineswegs dazu führen, daß mit Druckmitteln gearbeitet wird. Bedenke man doch einmal, daß die Offizierskader des Bundesgrenzschutzes in Kürze sowieso zerrissen würden. Denn sicherlich werden die früheren Infanteristen zur Infanterie, die früheren Panzeroffiziere zu den Panzern und die früheren Fliegeroffiziere zur Luftwaffe drängen, so daß der vielgepriesene Kaderwert ohnehin eine sehr fragwürdige Angelegenheit ist. Außerdem glaube ich, daß es nicht gut ist, eine Armee aus zwei verschiedenen Truppenkörpern, nämlich den jetzt von den Streitkräften eingestellten Freiwilligen auf der einen Seite und dem Bundesgrenzschutz auf der anderen Seite, zu bilden. Für das zukünftige innere Gefüge der Streitkräfte scheint mir eine weitgehende Vermischung dieser Truppen jedenfalls vorteilhafter zu sein. Eine weitere Bestimmung des Gesetzes, die leider auch zu Mißtrauen Anlaß gibt, ist § 2 Abs. 3. Danach hat der Personalgutachterausschuß für die Streitkräfte lediglich das Recht, innerhalb eines Monats Widerspruch gegen die Übernahme von Generalen und Obersten des Bundesgrenzschutzes einzulegen. Hierdurch wird auch der Personalgutachterausschuß unter Zeitdruck gesetzt und ihm praktisch das Gesetz des Handelns vorgeschrieben. Daher müssen wir hier eine gleiche Behandlung ohne Zeitdruck fordern. Es ist nicht zu verstehen, wenn auf der einen Seite z. B. die langjährigen Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums sich einer vollen Überprüfung durch den Personalgutachterausschuß ohne eine diesbezügliche zeitliche Einengung haben aussetzen müssen, während dieses Gesetz die Arbeit des Personalgutachterausschusses bezüglich der Überprüfung der Grenzschutzoffiziere im Obersten- und Generalsrang wegen des damit verbundenen Zeitdrucks in eine oberflächliche Verfahrensweise umgestalten dürfte. ({3}) - Es spielt gar keine Rolle, wieviel das sind. Es ist bekannt, daß Bestrebungen im Bundesgrenzschutz selbst vorhanden sind, sich dieser Überprüfung durch den Personalgutachterausschuß überhaupt zu entziehen. Hierbei müssen wir klar betonen, daß es unsere feste Absicht ist, keine Ausnahme zuzulassen. Grenzschutzoffiziere sind Offiziere in einer Polizeitruppe gewesen. Aber nach den im Verteidigungsministerium vorliegenden Planungen werden die Streitkräfte ja doch auf der Basis der Wehrpflicht kommen. Gerade die Wehrpflicht aber ist es, die eine Fülle der verschiedensten Probleme aufwirft, die bei der Polizei schon auf Grund der völlig anderen Zusammensetzung der Truppe eben nicht in dem Maße auftauchen. ({4}) - Das weiß ich, Herr Minister. ({5}) Aus diesem Grunde ist auch die Tätigkeit eines Offiziers in einem Wehrpflichtheer von der Sache her etwas anderes als die Tätigkeit in der Polizei, und allein schon aus diesem Grunde muß eine Überprüfung der persönlichen Eignung für das Wehrpflichtheer auch für diesen Personenkreis gefordert werden. ({6}) Meine Damen und Herren! Kommt es aber nun gegen unseren Willen zur Überführung des Bundesgrenzschutzes in die Streitkräfte, so können wir nicht einsehen, warum der Bund einen neuen Bundesgrenzschutz aufbauen will. Ich möchte einmal scherzhaft hier einflechten: wenn es allerdings nach der Auffassung des Herrn Majors von Stülpnagel vor sich gehen sollte, müßte die Auffüllung der verbleibenden Reste sowieso aus Kontingenten der italienischen Fremdarbeiter vorgenommen werden. Aber immerhin lassen doch auch diese Äußerungen, die dort gefallen sind, die bisherigen bekannten Einstellungssorgen des Bundesgrenzschutzes in dieser Beziehung im Hinblick auf kommende Schwierigkeiten erkennen und erwarten. Wenn ein neuer Bundesgrenzschutz nämlich die Gesamtheit der bisher vom Grenzschutz übernommenen Aufgaben durchführen soll, so ist doch wahrscheinlich zu erwarten, daß die Bundesregierung ihn in der alten Form wieder aufleben lassen will. Wenn das so ist, dann ist doch seine Überführung in die Streitkräfte erst recht sinnlos. Man sollte nach unserer Auffassung so verfahren, daß, wenn der Bundesgrenzschutz von den Streitkräften aufgesogen wird, er überhaupt aufgelöst wird und damit sein Leben aushaucht. Die Grenzsicherungsaufgaben sollte man auf die Länderbereitschaftspolizeien übertragen, denen damit eine echte Aufgabe neben den von ihnen bisher wahrgenommenen gegeben würde. Damit möchte ich aber nicht sagen, daß die Meinung bestehe, daß ihre bisherige Existenzberechtigung anzuzweifeln sei. Bei den kommenden Beratungen ist sicher darüber zu sprechen, daß dem Herrn Bundesinnenminister ein stärkeres Weisungsrecht in bezug auf die Grenzsicherungsaufgaben gegeben werden müßte. Eine solche Lösung läge außerdem auch einer so oft und vielerorts besprochenen Verwaltungsreform und -vereinfachung sehr nahe. Ich könnte mir denken, daß die Länder einer aufgeschlüsselten Bezuschussung mit den dann frei werdenden über 200 Millionen DM durch den Bund mit Dank entgegensehen würden.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Kollege Eschmann, die Vereinfachung finge damit an, daß man die Befehlsverhältnisse kompliziert! Das wäre die Vereinfachung!

Fritz Eschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darüber wäre noch zu reden, und darüber könnte man streiten, Herr Minister. Abschließend darf ich noch darauf hinweisen, daß der Bundesrat bereits verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet hat, solange die erforderlichen Änderungen des Grundgesetzes nicht erfolgt sind. Der Bundesrat ist der Meinung, daß das Gesetz erst verkündet werden kann, wenn vorher im Wege der Ergänzung oder Änderung des Grundgesetzes die Verwaltungszuständigkeit des Bundes im Bereich des Wehrwesens festgestellt ist. Daraus ist zu ersehen, daß man eine Klärung dieser Fragen besser vor der Einbringung dieses Entwurfs herbeigeführt hätte. Sie sehen, es gibt außer den von mir aufgezeigten Fragen eine Fülle von weiteren Problemen, die in den Ausschüssen und in zweiter und dritter Lesung im Plenum noch eingehend beraten werden müssen. ({0}) Bitte gestatten Sie mir, noch folgendes zu bemerken. Ganz gleich, wie sich die Dinge um den Bundesgrenzschutz in der Zukunft gestalten werden: man sollte den Grenzschutzangehörigen - ich möchte das von mir aus hier tun - an dieser Stelle auch einmal ein Wort der Anerkennung für ihren Dienst, der so reich an Anforderungen ist, zum Ausdruck bringen. Sie haben, wie eben schon gesagt worden ist, meist unter erschwerten Bedingungen, gerade in bezug auf unzulängliche Bewaffnung und Ausrüstung, ihre Tätigkeit ausgeübt. Meine Bitte an diejenigen Grenzschutzangehörigen, die sich zum Übertritt in die Streitkräfte entschließen, geht dahin, daß sie diesen Schritt tun mögen in dem Geist der Bereitschaft, der notwendig ist, alte, längst überholte Voreingenommenheiten und Vorstellungen über Bord zu werfen, und daß sie mutig für Neues und Besseres in ihrer Tätigkeit in den Streitkräften zum Wohle aller eintreten. Meine Damen und Herren! Für heute sollen diese Ausführungen genügen. Im übrigen stimmt meine Fraktion der Überweisung der Vorlage an die Ausschüsse zu. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Berendsen.

Fritz Berendsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000146, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten es zu einer guten Gewohnheit werden lassen, bei der ersten Lesung eines derart wichtigen Gesetzes nicht schon so sehr in die Einzelheiten zu gehen, wie Herr Kollege Eschmann das eben getan hat. Ich jedenfalls habe nicht die Absicht, dies zu tun. ({0}) Ich danke Ihnen, Herr Kollege Eschmann, dafür, daß Sie mit einem Satz geschlossen haben, aus dem sich ergibt, daß Sie sich an einer Diskussion der anstehenden Fragen beteiligen wollen. Ich nehme an, Sie sind damit einverstanden, wenn wir den Antrag stellen, daß das Gesetz an den Ausschuß für innere Verwaltung --- federführend - und an den Ausschuß für Verteidigung -- mitberatend - überwiesen wird. Dort werden wir ausreichend Gelegenheit haben, die Dinge zu besprechen, auf die es uns geme darüber, daß Sie einer Überführung des Grenzschutzes in die Streitkräfte jedenfalls zum Teil nicht unerheblich widersprochen haben und zum Schluß Ihrer Ausführungen über die Grenzjäger dann das gesagt haben, was auch ich habe sagen wollen. Wir haben uns doch, Herr Kollege, gemeinsam - lange Zeit gegen erhebliche Widerstände bestimmter Stellen - unendliche Mühe gegeben, diese Maßnahme zu erreichen. Nun haben wir sie erreicht, und nun ist es wieder nicht richtig uns gemeinsam ankommt. Etwas gewundert habe ich mich ({1}) Also ich glaube, wir sollten hier doch an einem Strick ziehen und gemeinsam das Beste für die Sache dabei herausholen. Ebenso kann ich nicht anerkennen, daß der Personalgutachterausschuß durch die im Gesetz vorgesehene Frist von vier Wochen unter Zeitdruck gesetzt wird; denn wenn es sich um etwa 20 Personen handelt, die zu begutachten sind, dann kann man doch in vier Wochen fertig werden. ({2}) Ich glaube also, auch das ist nicht ganz richtig gesehen. Weiter glaube ich, daß die Freiwilligen des Grenzschutzes unter gar keinen Umständen unter Druck gesetzt werden sollten, ob sie in die Wehrmacht übertreten wollen oder nicht. Nach allem, was wir beide so oft gehört haben - gerade von dem von Ihnen erwähnten Herrn von Stülpnagel -, ist es doch so, daß etwa 80 % der Leute, die im Grenzschutz tätig sind, in die Wehrmacht überwechseln wollen. Wir lenken also mit diesem Gesetz praktisch lediglich das, was sonst ungeordnet, wie der Herr Minister schon gesagt hat, geschehen würde, in geordnete Bahnen und ziehen für die militärischen Belange den größtmöglichen Nutzen daraus. ({3}) Das ist der Sinn der Sache. Erwarten Sie nun nicht von mir, daß ich auf alles das eingehe, was soeben von Herrn Kollegen Eschmann vorgebracht worden ist. Der Minister hat im wesentlichen das gesagt, was ich auch sagen wollte. Ich möchte nur noch einmal auf eines hinweisen. Wir können unter keinen Umständen Ihrer Vorstellung beipflichten, daß man den Grenzschutz auflösen sollte, wenn man ihn schon überführt. ({4}) Im Gegenteil, wir sind der Ansicht, daß sich weder die politische Lage, die seinerzeit zur Aufstellung des Grenzschutzes führte, geändert hat, noch daß die Aufgaben des Grenzschutzes hinfällig geworden sind. Wir glauben, daß wir uns in einer gewissen Übergangszeit eine Schwächung des Grenzschutzes leisten können, daß aber auf längere Sicht gesehen der Grenzschutz unter allen Umständen wieder aufgefüllt werden sollte. Sie meinen, daß man zum Ausgleich italienische Hilfsarbeiter heranziehen müßte. ({5}) - Verzeihung, nicht Sie, aber diese Ansicht ist geäußert worden. Ich glaube, es wäre sicherlich durch eine Reihe von Maßnahmen - Laufbahnvergleich und was man sonst alles tun könnte - möglich, den Grenzschutz auch für die jungen Menschen so attraktiv zu machen, daß wir hier keine Auswahl der Schlechten bekommen. Ich beschränke mich mit diesen kurzen Worten auf das, was uns am Herzen liegt. Wir möchten, daß dieses Gesetz möglichst schnell in Kraft tritt. Wir möchten, daß der Zeitgewinn, der dadurch für die Aufstellung der Streitkräfte erreicht wird, voll ausgeschöpft wird, und wir bitten noch einmal, die Gesetzesvorlage an die beiden vorhin genannten Ausschüsse zu verweisen. ({6})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesgrenzschutz ist nach dem Gesetz von 1951 mit qualifizierter Mehrheit hier beschlossen worden, auch mit den Stimmen der sozialdemokratischen Opposition. Er ist dann auf 20 000 Mann verstärkt worden, auch wieder - wie ({0}) im Gesetz vorgesehen - durch Beschluß einer qualifizierten Mehrheit, aber gegen den Willen der Opposition. Es ist das gute Recht der Opposition, aus dieser Entwicklung Bedenken gegen das Gesetz zu haben und sie hier darzulegen, und man sollte nicht durch Zwischenrufe eine Stimmung provozieren, die am Ende der sachlichen Diskussion nicht dient. Was ist denn der politische Hintergrund dieses Gesetzes und dieser Maßnahme, die ursprünglich vor Jahren, als wir den Bundesgrenzschutz ins Leben riefen, nicht beabsichtigt war? Ich erkläre hier: wir alle haben damals mit dem Bundesgrenzschutz keine Remilitarisierung durch die Hintertür beabsichtigt. Der politische Hintergrund ist der, daß leider Maßnahmen zur Erhöhung des Selbstschutzes der Bundesrepublik dringend erforderlich geworden sind, nachdem auf der einen Seite in der sowjetzonalen Volkspolizei bereits sieben Divisionen unter Führung der ehemaligen Wehrmachtgenerale Vincenz Müller, von Lenski, Lattmann, Dr. Korfes und anderer aufgestellt worden sind, eine Volksmarine und eine Volksluftwaffe bestehen, während bei uns die Aufstellung der Wehrmacht wesentlich größere Schwierigkeiten macht, als ursprünglich von den Theoretikern angenommen wurde. Selbst das Ausland ist überrascht, daß bei dem sonstigen Organisationstalent der Deutschen nach theoretischer Vorarbeit von fünf Jahren nicht jene praktischen Fortschritte in der Aufstellung der Wehrmachtverbände erzielt werden konnten, die notwendig sind, um Mißdeutungen politischer Art, insbesondere im Ausland, zu vermeiden. Hier liegt der politische Grund für die Übernahme der Bundesgrenzschutzformationen in die Wehrmacht. Ich glaube, ohne auf Einzelheiten eingehen zu müssen, daß das eine gute Lösung ist, zumal da der Bundesgrenzschutz ohnehin zu einem großen Teil aus Angehörigen der ehemaligen Wehrmacht zusammengesetzt ist und, wie soeben schon gesagt wurde, sich mehr als 80 % dieser ehemaligen Soldaten für die Übernahme in die Wehrmacht bereits jetzt entschieden haben. Daß die ehemaligen Angehörigen der Polizei Wert darauf legen, beim Bundesgrenzschutz zu verbleiben, ist ebenso verständlich. Diesem Erfordernis trägt das Rechnung, was der Herr Bundesminister des Innern plant und was wir ebenfalls unterstützen: den Bundesgrenzschutz als Institution weiter bestehen zu lassen. Wir glauben, daß es dafür gewichtige Gründe gibt. Erstens ist der Bundesgrenzschutz die einzige Einrichtung der Bundesexekutive auf dem Gebiet des Polizeiwesens. Die Zusammenziehung der Länderbereitschaftspolizeien, Herr Kollege Eschmann, gemäß Art. 91 dürfte zu sehr komplizierten Unterstellungs- und Befehlsverhältnissen führen, die uns möglicherweise in katastrophalen Situationen in Schwierigkeiten bringen. Ich erinnere Sie daran, daß einmal einige tausend FDJ-Funktionäre, die in Berlin beim Pfingsttreffen gewesen sind, es verstanden haben, mit ihrem gesamten Material in die Bundesrepublik zu kommen und Schwerpunkte zu bilden, an denen dann geradezu mit Gewalt die unkontrollierte Infiltration zu Hunderten und zu Tausenden insbesondere in Schleswig-Holstein und Niedersachsen möglich gemacht wurde. Als dann die Frage der Einschaltung der Länderbereitschaftspolizeien geklärt werden sollte, vergingen Tage, bis die Unterstellungs- und Befehlsverhältnisse geklärt werden konnten. Wir glauben, daß der Bundesgrenzschutz aus politischen Gründen, aber auch noch aus Gründen unserer Sicherheit weiterbestehen sollte. Es ist besser - gerade im zweigeteilten Deutschland -, an der Zonengrenze Bundesexekutivsoldaten des Bundesgrenzschutzes zu haben, wenn ich sie so nennen darf, als NATO-Soldaten. Bei Zusammenstößen würde sehr leicht der ganze NATO-Mechanismus ausgelöst werden müssen, wenn es sich um Grenzzwischenfälle zwischen Soldaten der NATO und des Warschauer Pakts handelt, während bei der Anwesenheit von Bundesgrenzschutzangehörigen sich Zusammenstöße durchaus als innerdeutsche Angelegenheit lokalisieren lassen und die Gefahr eines größeren Konflikts dadurch zumindest verringert, wenn nicht gar vermieden wird. Die Frage des Weiterbestehens ist aber auch eine Frage der Angleichung der Stellung des Bundesgrenzschutzangehörigen an die Stellung des Soldaten, insbesondere in der Besoldung. Ich erinnere daran, daß alle Fraktionen dieses Hauses, als wir vor mehreren Monaten das Problem diskutierten, der Auffassung waren, daß die Besoldung des Bundesgrenzschutzes an die Besoldung der Wehrmachtangehörigen angeglichen werden muß und daß eine Differenzierung nicht möglich ist. Wenn das allerdings nicht geschieht, dann gebe ich Herrn von Stülpnagel recht: dann weiß ich nicht, woher der Nachwuchs zur Auffüllung des Bundesgrenzschutzes kommen soll. Bezüglich des inneren Gefüges äußerte Herr Kollege Eschmann gewisse Bedenken. Nachdem wir den Bundesgrenzschutz seit fünf Jahren in seinem Dienst verfolgen und kontrollieren können, habe ich Sorgen bezüglich der Entwicklung des inneren Gefüges nicht. In diesem Hause ist ein einziger Fall, der berühmte Braunschweiger Bierflaschen- und Gesangs-Fall, diskutiert worden; mehr ist bisher bezüglich irgendwelcher Entartungen oder Entgleisungen beim Bundesgrenzschutz nicht bekanntgeworden. Weder dieses Haus noch der Bundesinnenminister brauchten also einzugreifen. Ich glaube, daß wir alle auch zum inneren Gefüge des Bundesgrenzschutzes Vertrauen haben können. Im übrigen, Herr Kollege Eschmann, haben wir es durch unsere kontrollierenden Maßnahmen einerseits - die parlamentarische Kontrolle - und durch die Gesetzgebung andererseits in der Hand, mögliche Entartungen rechtzeitig zu stoppen und jene Entwicklungen einzuleiten, die uns. allen am Herzen liegen, wenn wir einen Soldaten und einen Bürger in Uniform haben wollen. Wir stimmen daher der Übernahme des Bundesgenzschutzes nach dem Prinzip der auch in diesem Gesetz verankerten Freiwilligkeit zu. Wir stimmen ebenfalls dem Plan der Auffüllung zu und werden daher die Bemühungen des Herrn Bundesinnenministers in dieser Frage nachdrücklich unterstützen. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers finden den vollen Beifall meiner Fraktion. Ich möchte ebenfalls die Gelegenheit benutzen, von dieser Stelle aus dem Bundesgrenzschutz für seine in den vergangenen Jahren geleistete Arbeit Dank und Anerkennung zu sagen. ({0}) Bemerkenswert ist bei dem vorliegenden Gesetzentwurf - und auch das sollte besonders vermerkt werden -, daß hier ausnahmsweise einmal keine Ressortstreitigkeiten entstanden sind, sondern der Herr Bundesinnenminister in guter Einsicht in die Sache von vornherein zugestimmt hat, daß die Überführung des Bundesgrenzschutzes in die Streitkräfte erfolgt. Auch meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß der Bundesgrenzschutz unter allen Umständen wieder aufgefüllt werden sollte. Wir können daher nicht der Auffassung des Kollegen Eschmann zustimmen, daß man die ausgezeichnete Truppe und die ausgezeichnete Organisation, die sie hat, jetzt zerreißen sollte, um erst anschließend eine Überführung vorzunehmen. Der Kollege Eschmann hat weiter gesagt, daß die Aufgaben, die der Bundesgrenzschutz wahrnehme oder wahrgenommen habe, Aufgaben der Länderpolizeien werden könnten. Ich glaube, Herr Kollege Eschmann, wenn Ihre politischen Freunde einmal das Heft in der Hand hätten, würden wir in dieser Frage wahrscheinlich einen Zentralismus erleben, daß uns Hören und Sehen verginge. ({1}) - Ich sage das sine ira et studio, Herr Kollege Schoettle. Was Kollege Eschmann bezüglich des Personalgutachterausschusses gesagt hat, kann ich - das werden Sie mir nicht verübeln - nicht unterschreiben. Wir werden ja demnächst in diesem Hause Gelegenheit haben, über dieses Thema zu sprechen. Ich versage es mir heute, nähere Ausführungen darüber zu machen. Interessieren würde mich allerdings. was der Herr Minister mit den „besonderen Gründen" meint. die gegebenenfalls für eine Überprüfung der höheren Bundesgrenzschutzoffiziere maßgebend sein könnten. Es ist das gute Recht der Opposition, alles zu kritisieren, was hier im Hause vor sich geht. Nur glaube ich, daß manchmal doch etwas über das Ziel hinausgeschossen wird. Zwar hat Kollege Eschmann formal recht, wenn er feststellt, daß der Bundesgrenzschutz ursprünglich als reine Polizeitruppe aufgestellt worden ist. Auf der andern Seite haben sich aber die politischen und die sonstigen Verhältnisse so erheblich gewandelt, daß wir so beweglich sein müßten, hier etwas anderes zu tun als das, was wir uns einmal vor Jahren gegenseitig versichert haben. ({2}) Man muß sich den Verhältnissen anpassen können. ({3}) - Nein, Herr Kollege Menzel, ich glaube nicht, daß wir die Verfassung im vorliegenden Fall ändern müssen. ({4}) Wir meinen, daß man sich den Verhältnissen anpassen muß. ({5}) Wenn Sie, Herr Kollege Eschmann, von der Spekulation höherer Offiziere gesprochen haben, so möchte ich das - nehmen Sie es mir nicht übel - doch zurückweisen. ({6}) - Ich sagte, Sie haben als Opposition das Recht, in manchen Dingen ein gewisses Maß von Mißtrauen zu haben. Aber meine Freunde und ich haben manchmal das Gefühl, 'daß Sie hinsichtlich des Offizierskorps und ganz besonders hinsichtlich höherer Offiziere das Mißtrauen nachgerade zum Prinzip erheben. ({7}) Das ist weder für den Bundesgrenzschutz noch für die neuen Streitkräfte gut. Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß mit dem vorliegenden Gesetzentwurf durchaus gewährleistet ist, daß Offiziere wie Mannschaften des Bundesgrenzschutzes in ihrer Gesamtheit frei und unbeeinflußt darüber entscheiden können, ob sie in die Streitkräfte überführt zu werden wünschen oder nicht. Wenn man hier die bessere Lösung gefunden hat, daß eine Überführung stattfindet und daß man nach einer gewissen Zeit für das Gegenteil optieren kann, ({8}) so ist das sicherlich nicht zuletzt aus dem Grunde gemacht worden, weil damit zu rechnen ist - so wie ich die Stimmung im Bundesgrenzschutz kenne, darf ich das behaupten -, daß der weitaus größte Teil der Bundesgrenzschutzangehörigen der Überführung in die Streitkräfte zustimmen wird. Wir würden uns also auch einen erheblichen Teil unnötiger Verwaltungsarbeit aufgeladen haben, wenn wir ein anderes Prinzip angewendet hätten. Daß Sie in diesem Zusammenhang, verehrter Herr Kollege Eschmann, davon sprachen, daß das Gesetz gerade in diesem Punkte unsittlich sei, kann ich nur bedauern. Meine Freunde und ich vermögen auch die Bedenken der Opposition nicht zu teilen, daß die Überführung des Bundesgrenzschutzes in die neuen Streitkräfte - d. h. praktisch als Kader - etwa den Geist oder das innere Gefüge der neuen Wehrmacht nachteilig beeinflussen könnte. Ich darf mich darauf beschränken, darauf hinzuweisen, daß in den vergangenen Jahren, soviel ich unterrichtet bin, nicht ein einziger wirklich schwerwiegender Fall bekanntgeworden ist, in dem etwa der Bundesgrenzschutz Zielscheibe für Angriffe speziell der Opposition gewesen wäre. Meine Damen und Herren, wir werden der Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfs zustimmen. Wir stimmen darüber hinaus grundsätzlich der Überführung des Bundesgrenzschutzes in die Streitkräfte zu. Ich möchte abschließend sagen: meine politischen Freunde von der DP und ich wünschten nur, daß wir schon längst eine Wehrmacht von Geist und Haltung des Bundesgrenzschutzes hätten. ({9})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Feller.

Erwin Feller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000532, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich am Ende dieser Debatte noch einige Bemerkungen mache und einige Fragen aufwerfe, die - ich mache von dem Rechte, das der Opposition soeben ausdrück({0}) lieh konzediert wurde, Gebrauch - zum Teil kritischer Art sind. Sie werden vielleicht auf diese Kritik noch eingehen, Herr Bundesinnenminister. Ich möchte aber vorweg sagen, daß sie sich weniger gegen Sie richtet als gegen das ganze Verfahren, an dem Sie sicher persönlich zum Teil unschuldig sind. ({1}) Es ist eine recht merkwürdige Situation, daß ein Minister einen Teil seines Ressorts hier großzügig opfert und das hier auch noch vor dem Hause vertritt. Das ist, glaube ich, bisher noch nie da gewesen. Sonst wurde immer mit Klauen und Zähnen um jeden Bestandteil des Ressorts gekämpft. Ich kann Ihnen nachfühlen, Herr Minister, daß Ihre persönliche Auffassung zu dem ganzen Verfahren, das hier angewendet worden ist, in Ihren Darlegungen vielleicht doch nicht so ganz klar und eindeutig zum Ausdruck kam. Wir haben hier ein Gesetz, das etwas schamhaft als „Zweites Gesetz über den Bundesgrenzschutz" bezeichnet wird. Schon das ist ein Anlaß zur Kritik. Denn entweder ist es ein Gesetz zur Überführung des Bundesgrenzschutzes in die Streitkräfte oder, besser gesagt, es ist - und das ist meine Auffassung - ein Gesetz über die Beendigung des Bundesgrenzschutzes. Nicht daß ich etwa mit dem Kollegen Eschmann insofern übereinstimmte, als er diese Beendigung oder Auflösung des Bundesgrenzschutzes gewünscht hat. Aber ich glaube, daß es beinahe unmöglich sein wird, den Bundesgrenzschutz wieder aufzufüllen und zu dem zu machen, was er vor der Überführung gewesen ist. Das hängt doch von sehr vielen Dingen ab, nicht nur von der Frage der Besoldung, deren Klärung der Herr Kollege Dr. Mende hier als eine Voraussetzung für die Wiederauffüllung bezeichnet hat. Das hängt doch auch davon ab, ob man überhaupt - und der Kollege Eschmann hat hierzu eine sehr treffende Bemerkung gemacht - die genügende Anzahl junger Menschen als Freiwillige für den Bundesgrenzschutz bekommen wird, wenn daneben die Wehrmacht steht, die natürlich bei den sehr viel größeren Möglichkeiten, die sie dem einzelnen bietet, eine sehr viel größere Attraktivität entfalten wird. Wenn der Bundesgrenzschutz mit, sagen wir einmal, nicht immer erstklassig geeigneten Menschen wiederaufgefüllt wird, wird es auch nicht mehr möglich sein, sein Niveau so hoch zu schrauben, daß er attraktiv für alle bleibt. Vor allen Dingen wird auch denjenigen, die sich unter Umständen nicht für die Überführung in die Wehrmacht entscheiden, das Verbleiben im Bundesgrenzschutz keine allzu große Freude mehr bereiten, wenn der Bundesgrenzschutz als eine im öffentlichen Ansehen etwas zweitrangige Truppe neben der Wehrmacht steht. Um aber auf das Verfahren zurückzukommen, von dem ich vorhin gesprochen habe: Mir scheint die Haltung der Bundesregierung in der ganzen Sache so zu sein - ich darf einmal auf eine schwäbische Redewendung Bezug nehmen; der Herr Kollege Horlacher hat ja vorhin die Süddeutschen als gutmütig bezeichnet; infolgedessen bitte ich sie auch als gutmütig aufzufassen -: Was geht mich mein dummes Geschätz von vorgestern an?! ({2}) Ich glaube, die Bundesregierung ist in eine Situation gekommen, in der sie uns das offen zugestehen muß. Herr Kollege Eschmann hat schon darauf hingewiesen, daß der Herr Bundesverteidigungsminister vor einem Jahr - nicht gerade vorgestern - dem Ausschuß nachdrücklichst erklärt hat, daß eine solche Überführung des Bundesgrenzschutzes in die neuen Streitkräfte gar nicht beabsichtigt sei und niemals in Frage komme. ({3}) Nun hat Herr Kollege Schneider zwar gesagt, die Verhältnisse hätten sich geändert, es lägen andere politische Gesichtspunkte vor. Man brauche ja nicht immer unbedingt bei dem „Geschwätz von vorgestern" stehenzubleiben, - ({4}) - So haben Sie nicht gesagt, aber Sie haben etwa so Ihre Zustimmung zu begründen versucht. So einfach ist die Sache nicht. Soweit es sich um innenpolitische Dinge handelt, z. B. um Koalitionsabsprachen, die zwar nur für ein gewisses politisches Ziel Bedeutung haben und die dann, wenn das Ziel erreicht ist, nicht mehr gelten sollen, ({5}) mag dieses Verfahren hingehen. Aber in militärischen Fragen pflegt man auch vom Ausland her sehr scharf zu beobachten, was eigentlich vorgeht. Ich meine, es muß doch einen schlechten Eindruck machen, wenn man gestern so und heute so argumentiert. Die Öffentlichkeit des In- und Auslandes könnte doch zu der Überzeugung kommen, daß die Auslassungen der Bundesregierung nur einen recht situationsbedingten Wert haben. Wenn man sich noch einmal rückdenkend überlegt, wie es mit dem Bundesgrenzschutz war, der ursprünglich also nur rein polizeiliche Aufgaben haben sollte, der keinerlei militärähnlichen Charakter haben sollte und von dem jetzt in der Begründung wunderbar steht, daß die Kenntnisse und Erfahrungen, die er in den letzten Jahren gesammelt habe, unbedingt für den Aufbau unserer Streitkräfte im Rahmen der NATO gebraucht würden, ({6}) dann muß man aber unwillkürlich daran denken, daß es ähnliche Argumentationen um die Volkspolizei drüben jenseits der Zonengrenze gibt und daß wir hier mit diesem Verhalten denen drüben geradezu Argumente liefern, mit denen sie ihre Propagandamaschine auf Touren halten können. ({7}) Das wäre alles zu vermeiden gewesen, wenn man sich jetzt nicht in dieser überstürzten Weise plötzlich im Gegensatz zu dem, was man vorher vertreten hat, entschlossen hätte, raschestmöglich ein Gesetz einzubringen, in dem gesagt wird, daß der Bundesgrenzschutz als Grundstock für den Aufbau der Wehrmacht verwendet wird. Man hätte, wenn das schon aus irgendwelchen Überlegungen zweckmäßig erschienen wäre, zu gegebener Zeit den Bundesgrenzschutz in die Wehrmacht eingliedern können, aber dann in umgekehrter Weise, als es jetzt beabsichtigt ist. Man hätte nämlich nicht so verfahren sollen, daß die Polizei die Kaders für die Wehrmacht liefert, sondern so, daß Kräfte aus dem Bundesgrenzschutz, die dazu gewillt und geeignet gewesen wären, in ({8}) die neu aufgestellten Wehrmachtskader als Gleichberechtigte - versteht sich - eingegliedert werden. Nun wird man sagen: Ja, das ist nicht der Zweck der Übung; der ist doch die Beschleunigung bei der Aufstellung der Streitkräfte wegen Unmuts irgendwelcher höherer Befehlsstellen über die bisher eingetretene Verlangsamung der Aufstellung. Dazu muß ich doch sagen: Hier gibt man einfach zu, daß man ein schlecht organisiertes Unternehmen dadurch zu sanieren versucht, daß man es mit einem besser funktionierenden fusioniert, ({9}) auch wenn die Unternehmen nicht genau denselben Charakter haben: So etwas bringt immer Nachteile mit sich. Man beseitigt sie nur dadurch, daß man ganz offen darüber spricht und versucht, sie in gemeinsamem Bemühen abzuwenden. Deshalb werden wir auch bei der Beratung dieses Gesetzes - zwar nicht hier, aber in den zuständigen Ausschüssen - noch einige sehr offene Worte dazu sagen. Nichts gegen die Männer des Bundesgrenzschutzes! Sie sind ja an den Labyrinthwegen, die man sie in den vergangenen Jahren geführt hat, im einzelnen völlig unschuldig. Verantwortlich ist dafür jemand anders. Für manche von diesen Männern des Bundesgrenzschutzes mag die Endstation, vor der sie jetzt angelangt sind, wirklich das Ziel ihrer Sehnsucht gewesen sein. Es sei ihnen durchaus vergönnt, auch die bessere Besoldung, die man ihnen bisher - und in diesem Zusammenhang: völlig unverständlicherweise - vorenthalten hat. Aber es gibt wohl auch solche unter ihnen, die das, was man ihnen ursprünglich gesagt hat, für bare Münze genommen haben, daß sie nämlich Polizeibeamte und nicht Soldaten werden sollten, und die vielleicht jetzt an der klingenden Münze gar nicht so sehr interessiert sind. Es wird gesagt, sie könnten nach dem Gesetzentwurf innerhalb Monatsfrist optieren. Herr Kollege Eschmann hat auf die Problematik dieses Verfahrens hingewiesen. Ich möchte dazu nur eines sagen. Es muß unter allen Umständen dafür Sorge getragen werden, daß es nicht heißt: Wer nicht mit hinübergehen will, links raus, die elenden Zivilisten! Das muß im Interesse der Männer, die bei dem bleiben wollen, was sie ursprünglich einmal werden sollten, unter allen Umständen vermieden werden. Es muß eben entsprechende Vorsorge getroffen werden. Aber dies wird sehr schwierig sein, weil es sehr schwer fällt, daran zu glauben, daß aus dem erst einmal dezimierten und seiner besten Leute beraubten Bundesgrenzschutz wieder etwas Attraktives aufgebaut werden kann. Hier erhebt sich auch die Frage: Wie wird es denn mit dem Material? Soll das Material zunächst ohne Besatzung stehenbleiben, oder wird es in die Streitkräfte übergeführt? Und wenn das Material übergeführt wird: hat der Bundesgrenzschutz dann noch welches, oder wann bekommt er wieder welches? Das wird ja alles nicht so einfach sein. Sehr viel einfacher wäre es bei der Frage der Uniform. Da hätte ich gewünscht, man hätte die Bundesgrenzschutzuniform für die neuen Streitkräfte übernommen. ({10}) Ich habe den Eindruck, der Bundesgrenzschutz wird auf diese Weise ein Unternehmen ohne Masse in einem in die Länge gezogenen Liquidationszustand. ({11}) Das ist wirklich bedauerlich. Ich habe vorhin schon gesagt: ich bin nicht der Auffassung, daß er überflüssig geworden sei. Einen Teil der Gründe hat mir der Herr Kollege Dr. Mende schon vorweggenommen. Wir teilen diese Überzeugung, nicht etwa deshalb, weil wir der Auffassung wären, daß nun jeder Minister seine Ressortarmee erhalten müsse. Der Bundesinnenminister hat ja auch gar nicht so sehr darum gekämpft, obwohl es sich in diesem Falle um die einzige Polizeitruppe handelt, über die der Bund wirklich verfügen kann. Sie wäre eines gewissen Kampfes wert, zumal er in diesem Falle nicht einmal gegen die Länder geführt zu werden braucht; denn die Länder kämpfen sogar für den Herrn Bundesinnenminister, wie uns hier deutlich gesagt worden ist, indem sie der Überführung des Bundesgrenzschutzes verfassungsmäßige Bedenken entgegenhalten. Wir teilen sie insofern, als wir ebenfalls der Ansicht sind, daß vor dem Wirksamwerden dieses Gesetzes allerdings einige Verfassungsfragen geklärt werden müssen. Der Bund sollte darauf bedacht sein - das hat Herr Kollege Dr. Mende schon ausgeführt -, für gewisse Aktionen an der Zonengrenze eine schlagkräftige Truppe zur Verfügung zu behalten, ohne den umständlichen Weg über die Länderpolizeien oder den noch umständlicheren über die NATO gehen zu müssen, denn ein Einsatz von NATO-Verbänden bedeutet in jedem Falle Krieg, und das werden sich auch die anderen eingehend überlegen. Der Gesetzentwurf hat also, zunächst in dieser Form, noch soviel Bedenkliches, daß wir heute noch nicht sagen können, ob wir ihm unsere Zustimmung werden erteilen können. Vielleicht können die Bedenken, die ich hier zum Teil vorgetragen habe, bei den Ausschußberatungen ausgeräumt werden. Wir werden uns guten Gründen dabei nicht verschließen. Sie müssen aber sehr gründlich geprüft werden; denn man kann durch Versäumnisse entstandene Lücken jedenfalls nicht dadurch schließen, daß man schnell irgend etwas hineinstopft, sondern man muß sich das Was und Wie sehr gründlich überlegen. Lassen Sie mich das in einem anderen Vergleich ausdrücken! Stellen Sie sich vor, daß ein Mann ein kleines, aber solides Holzhaus bewohnt und daß er plötzlich zu Geld gekommen ist. - Das Geld braucht nicht im sagenhaften Juliusturm zu liegen. - Der Mann will sich ein größeres Haus bauen; es braucht ja nicht gleich ein Pentagon für 50 oder 60 Millionen zu sein. Der Mann wird doch nicht sehr klug daran tun, sein Holzhäuschen erst einmal abzureißen und die Bretter und Balken als Baumaterial für den Neubau zu verwenden, sondern er wird erst einmal im Holzhaus wohnen bleiben, bis der Neubau steht, und erst dann wird er umziehen. Er wird noch weniger klug daran tun, aller Welt zu verkünden und allen Leuten zu erzählen, er beabsichtige gar nicht, in den Neubau umzuziehen, wenn er das dann eines Tages bei Nacht und Nebel doch tut. Die Öffentlichkeit wird über die Zuverlässigkeit seiner Erklärungen dann doch ihre eigene Meinung haben, sie wird jedenfalls nicht sehr günstig von ihm denken. Wenn sie den Mann schonend behandelte, würde sie vielleicht von Bewußtseinsspaltung sprechen und sich sagen: ({12}) Dem Manne muß irgendwie geholfen werden. Über das Wie möchte ich hier keine weiteren Betrachtungen anstellen, sie gingen dann allzusehr ins Politische. Dazu wird vielleicht an anderer Stelle noch Gelegenheit sein. Beim Bundesgrenzschutz und bei der Entscheidung über den vorliegenden Gesetzentwurf sollten wir uns ausschließlich von sachlichen Überlegungen leiten lassen. Wir sind bereit, sie bei den Ausschußberatungen mit anzustellen. ({13})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits vorhin auf die Uhr gesehen. Ich werde also mit Sicherheit vor 2 Uhr fertig sein, vielleicht sogar noch sehr viel früher. ({0}) Ich will nur zu vier Punkten Stellung nehmen und auf die Ausführungen einiger Kollegen eingehen, zunächst auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Felle r. Man fängt ja am besten mit dem letzten Redner an, weil dessen Ausführungen noch am plastischsten in Erinnerung sind. Herr Kollege Feller, Sie haben sich Sorge um meine Gefühlswelt gemacht, ({1}) um die Gefühle, die mich bei der Vertretung dieser Vorlage beseelt hätten. Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Kollege Feller: ich bin außerordentlich zufrieden. Die Auffassung, es sei noch nicht dagewesen, daß ein Ressortminister sich in einer solchen Lage so verhalten habe, mag richtig sein. Ich will das von Ihnen als einem geschichtskundigen Mann - ich glaube, Geschichte gehört zu Ihrer Sparte - ganz gern hinnehmen. Aber ich will Ihnen einmal eines sagen, und das ist meine Meinung: Eine Regierung besteht nicht aus einem Haufen von Ressorts, die man mehr oder weniger schlecht bündelt, sondern eine Regierung hat eine bestimmte Linie zu verfolgen, und der Verfolgung dieser Linie haben alle Ressorts zu dienen. ({2}) - Nun, darüber kann man streiten. Sie regieren augenblicklich nicht, sondern wir. Ich glaube nicht, daß das eine Zickzacklinie ist. Ich werde Ihnen gleich auseinandersetzen, daß wir eine ganz klare Meinung haben. Es gibt gewisse Prioritäten, es gibt gewisse nationale Prioritäten, es gibt gewisse Prioritäten, denen sich der Patriot unter keinen Umständen entziehen wird. Eine solche nationale Priorität war hier gegeben, und deswegen habe ich so gehandelt, wie ich das vorhin hier auseinandergesetzt habe. ({3}) - Danke schön! - Es ist nicht etwa so, daß wir es nötig hätten, von Erklärungen von gestern oder vorgestern abzurücken. Das, was hier gemacht wird, geschieht in einer gesetzlich klaren, einwandfreien Weise auf der Basis freier Willensentscheidung. Der Herr Kollege Eschmann hat so eine Art Damoklesschwert zitiert, indem er sich auf das Gesetz über die Überführung von Angehörigen der' Landespolizei in die Wehrmacht vom 3. Juli 1935 bezogen hat. Ich würde dem Herrn Kollegen empfehlen, sich nur einmal die Gesetzestexte anzusehen; dann wird er selbst finden, daß hier ein ganz wesentlicher Unterschied ist. Also das würde ich nicht hervorgehoben haben. ({4}) - Wieso „Methoden"? Schließlich sind die Methoden gesetzlich festgelegt, und ich bitte Sie gerade, sich mit den verschiedenen Texten, dem des Gesetzes von 1935 und dem des jetzt vorgelegten Gesetzes, vertraut zu machen. Dann werden Sie sehen, daß es mehr als eine Welt ist ({5}) - Herr Kollege Hansen, Sie waren nicht daran beteiligt -, was uns davon trennt. Wenn Sie der Wahrheit die Ehre geben wollen, werden Sie das allein schon aus dem Textvergleich unschwer erkennen können. Ein Wort zu dem, was Herr Kollege Sehneider über die Frage des Personalgutachterausschusses gesagt hat. Die Lösung, die wir in dem Gesetzentwurf gewählt haben, habe ich motiviert. Er hat gefragt, was für „besondere Gründe" denn vorliegen könnten. Auf unsrer Seite liegen keine besonderen Gründe vor. Aber der Personalgutachterausschuß kann seinerseits „besondere Gründe" haben, was ich allerdings nicht annehme. Und hier muß man einmal mit allem Ernst und mit allem Nachdruck sagen: Die wenigen Angehörigen des Bundesgrenzschutzes, um die es sich dabei handeln wird - es ist eine Zahl in der Größenordnung von vielleicht 20 oder bis zu 20, vielleicht etwas mehr -, sind Männer, die alle eine Urkunde in den Händen haben, unter der die Unterschrift des Herrn Bundespräsidenten steht, und ich bin sicher, daß diese Unterschrift von jedermann honoriert werden wird. Ich möchte mit einer anderen Bemerkung schließen. Wir müssen in diesem Hause immer wieder hören - wir haben es heute morgen gehört, als diese Vorlage auf die Tagesordnung gesetzt wurde, und wir haben es jetzt wieder gehört -, die Bundesregierung leite bei der Aufstellung von Streitkräften eine ungebührliche Hast. Ich weiß eigentlich gar nicht, woher man den Mut nehmen kann, das, was auf diesem Gebiet gesetzgeberisch geschieht, als überhastet zu bezeichnen. ({6}) Wir sprechen über diese Frage praktisch seit 1951. Wir haben darüber Wahlkämpfe geführt, 1952, 1953, wir haben darüber in den Landtagswahlkämpfen 1954 wieder gesprochen. Es ist doch wohl eine rein demagogische Floskel, wenn man einem solchen auf Jahre sich hinausziehenden Verfahren Überhastung unterstellt. Ich würde diese Bemerkung nicht gemacht haben, wenn ich nicht der Meinung wäre, daß unser Volk und Vaterland sich in einer sehr ernsten Lage befindet. ({7}) Werfen Sie nur einen Blick auf das, was in der Sowjetzone, vielleicht ohne Hast, aber in jahrelanger Intensität aufgebaut worden ist. Angesichts dessen sollte man aufhören, davon zu sprechen, daß hier bei uns irgend etwas überhastet wird. ({8}) Damit sind wir am Ende der heutigen Beratung. Bevor ich schließe, darf ich noch bekanntgeben, daß die für heute nachmittag angesetzte Sitzung des Haushaltsausschusses nicht stattfindet. Ich berufe die nächste, die 128. Sitzung des Deutschen Bundestages, auf Donnerstag, den 9. Februar 1956, 14 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.