Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/1/1955

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 114. Sitzung des Deutschen Bundestages. Vor Eintritt in die Tagesordnung haben wir der Opfer eines Hochofenunglücks ({0}) zu gedenken, bei dem am 25. November dieses Jahres sieben Arbeiter ihr Leben verloren haben und insgesamt zehn zum Teil recht schwer verletzt worden sind. Im Werke Hörde der DortmundHörder-Hüttenunion ist aus bisher noch nicht festgestellter Ursache der Mantel eines Hochofens kurz vor seinem Abstich - tragischerweise sollte es der letzte Abstich dieses Hochofens sein - geplatzt, so daß der glühende Stahl, vermischt mit brennendem Koks, ausfloß und die Hochofenarbeiter unter sich begrub. ({1}) Wieder haben Männer ihr Leben gelassen, damit wir leben können. Wieder trauern Witwen, Waisen, Brüder und Schwestern um ihr Liebstes. Diese Männer sind einen Tod gestorben, der so ehrenvoll ist wie jener, den man gemeinhin den Tod fürs Vaterland nennt. Wir gedenken dieser Opfer, die in treuer Pflichterfüllung bei ihrer schweren Arbeit ihr Leben lassen mußten oder schwere Schäden erlitten. Wir sprechen den Hinterbliebenen, wir sprechen dem Werk, wir sprechen den Kameraden dieser Männer die aufrichtige Anteilnahme des Deutschen Bundestages aus. Den Verletzten geben wir unsere besten Wünsche für eine baldige Genesung mit auf den Weg. Meine Damen und Herren, Sie haben sich zum Gedenken der Opfer von Ihren Sitzen erhoben; ich danke Ihnen. Ich habe mitzuteilen, daß für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Tillmanns der Abgeordnete Grantze in den Bundestag eingetreten ist. Für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Lütkens ist der Abgeordnete Dopatka eingetreten. Ich begrüße die beiden neuen Mitglieder unserer Gemeinschaft und wünsche ihnen eine erfolgreiche Arbeit in unserem Kreise. Der Abgeordnete Fassbender ist am 17. November aus der Fraktion der Freien Demokratischen Partei ausgeschieden und am Tage darauf der Fraktion der Deutschen Partei beigetreten. Ich habe heute einen besonders herzlichen Glückwunsch auszusprechen. Unser Kollege Dr. Krone, der so tut, als wisse er das nicht, ({2}) feiert heute seinen 60. Geburtstag. ({3}) Herr Dr. Krone, das Haus bringt Ihnen seine besten, herzlichsten Glückwünsche zu; es wünscht Ihnen eine lange, segensreiche Arbeit hier in diesem Kreise. Ich habe eine weitere Mitteilung zu machen. Das Haus wird sich entscheiden müssen, ob es einen Punkt von der Tagesordnung absetzen will oder nicht. Der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums hat mir mit Schreiben vom 30. November mitgeteilt, daß die unter Punkt 14 der heutigen Tagesordnung anstehende zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verjährung von deutschen Auslandsschulden und ähnlichen Schulden heute nicht behandelt werden könne, da mit Rücksicht auf Art. 2 des Zehnten Teils des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen dieses Gesetz - und das ist das Entscheidende - nur im Einvernehmen mit den Drei Mächten in Kraft gesetzt werden könne. - Das ist eine der Seltsamkeiten, die in diesem Gesetz enthalten sind. - Während dieses Einvernehmen nach den darüber geführten eingehenden Vorverhandlungen bisher gesichert erschienen sei, habe eine vorgestern dem Bundesjustizministerium gegebene fernmündliche Mitteilung der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika ergeben, daß noch einzelne Fragen zu klären seien, bevor die Vereinigten Staaten ihr Einverständnis erklären könnten. Die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes ist also für heute nur möglich, wenn wir bereit sind, gewisse administrative Risiken zu übernehmen, die sich aus den Verhandlungen mit den Vertretern der Vereinigten Staaten ergeben könnten. Ich habe das dem Hause mitzuteilen. Ich von meiner Seite aus kann den Punkt nicht absetzen und werde ihn auch von mir aus nicht absetzen; denn ich bin der Meinung, daß es sich um eine Sache handelt, die in deutscher Zuständigkeit ist. Es ist die Frage, ob ein entsprechender Antrag aus dem Hause gestellt wird oder ob die Regierung eine Bitte aussprechen will.

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Ich stelle den Antrag auf Absetzung!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Justizminister, Sie stellen den Antrag auf Absetzung. Ich nehme an, daß Sie das Haus bitten wollen, den Punkt abzusetzen; die Regierung selbst hat ja im Bundestag keine Anträge zu stellen. Wird diese Bitte aufgenommen und in einen Antrag umgewandelt? - Bitte, Herr Abgeordneter Cillien.

Adolf Cillien (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000328, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir übernehmen diesen Antrag!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Sie verwandeln also die Bitte der Regierung in einen Antrag Ihrer Fraktion. Damit haben wir die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war unzweifelhaft die Mehrheit. Punkt 14 der Tagesordnung ist abgesetzt. Ich habe dann noch weiter mitzuteilen, daß der Vorsitzende des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen darum gebeten hat, bekanntzugeben, daß die Sitzung des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen, die auf 10.30 Uhr angesetzt war, auf 15 Uhr verlegt wird. Damit, meine Damen und Herren, sind die Mitteilungen, die ich Ihnen zu machen hatte, erledigt. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 18. November 1955 die auf Grund der Entschließungen des Deutschen Bundestages in seiner 68. Sitzung von dem Herrn Bundesminister der Finanzen ausgearbeiteten Denkschriften zu den Fragen erstens der Ehegattenbesteuerung, zweitens der steuerlichen Entlastung der Arbeitseinkünfte aus, nichtselbständiger und selbständiger Arbeit überreicht, die als Drucksache 1866 vervielfältigt werden. Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 14. November 1955 zu der Kleinen Anfrage 159 der Fraktion der DP - Drucksache 1222 - im Nachgang zu seinem Schreiben vom 15. März 1955 - Drucksache 1268 - weiterhin über die Bemühungen der Bank deutscher Länder, die in dem früheren Geld- und Münzmuseum der Deutschen Reichsbank zusammengefaßten Sammlungen zu ordnen und fachlich zu prüfen, berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1861 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 18. November 1955 die Kleine Anfrage 196 der Abgeordneten Jacobs und Genossen betreffend Einfuhr von Traubensüßmost - Drucksache 1727 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1874 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 21. November 1955 die Kleine Anfrage 201 der Fraktion der FDP betreffend Überhang aus dem deutsch-schweizerischen Abkommen vom 26. August 1952 über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz - Drucksache 1815 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1875 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 26. November 1955 die Kleine Anfrage 204 der Abgeordneten Dr. Bucher, Dr. Werber, Maier ({0}). Dr. Klötzer, Dr. Brühler und Genossen betreffend Eingriff der amerikanischen Besatzungsmacht in die deutsche Rechtsprechung - Drucksache 1846 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1883 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 26. November 1955 die Kleine Anfrage 205 der Abgeordneten Lücker, Dr. Hesberg. Körner, Dr. Schild ({1}) und Genossen betreffend Förderung der Eigentumsbildung durch die Kapitalanlagen der Rentenversicherungsträger - Drucksache 1853 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1886 vervielfältigt. ({2}) Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung. Das Wort zur Abgabe dieser Erklärung hat der Minister des Auswärtigen, Herr von Brentano.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste Konferenz der vier Regierungschefs in Genf fand am 23. Juli ihren Abschluß mit der Annahme einer Direktive an die vier Außenminister. Diese Direktive brachte den gemeinsamen Wunsch zum Ausdruck, zur Verminderung der internationalen Spannungen und zur Festigung des Vertrauens zwischen den Staaten beizutragen. Der Auftrag an die Außenminister lautete: wirksame Mittel für die Lösung dieses Fragenkomplexes vorzuschlagen. Die Außenminister sollten dabei auch der engen Verbindung zwischen der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Problem der europäischen Sicherheit sowie der Tatsache Rechnung tragen, daß die erfolgreiche Regelung jedes dieser Probleme der Festigung des Friedens dienen würde. Es wurden folgende Problemkreise aufgezählt: 1. Europäische Sicherheit und Deutschland, 2. Abrüstung, 3. Entwicklung von Kontakten zwischen Ost und West. Es ist nötig, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Direktive zu Punkt 1 folgendes ausspricht: In Anerkennung ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Regelung der deutschen Frage und die Wiedervereinigung Deutschlands haben sich die Regierungschefs darüber geeinigt, daß die Regelung der deutschen Frage und die Wiedervereinigung Deutschlands im Wege freier Wahlen im Einklang mit den nationalen Interessen des deutschen Volkes und den Interessen der europäischen Sicherheit erfolgen muß. Der Regierungschef der Sowjetunion hatte demnach der Wiedervereinigung im Wege freier Wahlen ausdrücklich zugestimmt, und man glaubte wohl mit einer gewissen Berechtigung, daß damit die Sowjetunion der Deutschlandfrage gegenüber eine neue Haltung eingenommen habe, denn noch auf der Berliner Konferenz hatte sie durch ihren Sprecher, den Außenminister Molotow, dieses Zugeständnis verweigert. Und zum Zeitpunkt der Berliner Konferenz hatte die Bundesrepublik dem westlichen Vertrags- und Verteidigungssystem noch nicht angehört, während im Zeitpunkt der ersten Genfer Konferenz dieses Paktsystem bereits bestand. Die Konferenz der vier Außenminister hatte also eine konkrete, durch die Direktive vom 23. Juli genau umrissene Aufgabe. Es mußte sich nun erweisen, ob der neue Geist von Genf sich bewähren würde. Es mußte klarwerden, ob auf der Seite der Sowjetunion wirklich ein ernsthafter Wille bestand, die Entspannung dadurch herbeizuführen, daß die Tatsachen, durch die die Spannung Ausdruck fand, beseitigt wurden. Allerdings mußte man schon am Tage nach der Annahme der Direktive an diesem Willen zweifeln. Am 24. Juli nämlich hatte der sowjetrussische Ministerpräsident, Herr Bulganin, auf dem Flugplatz in Schönefeld die Direktive ausgehöhlt, der er tags zuvor zugestimmt hatte. Er betonte, daß die beiden deutschen Staaten eine politische Realität seien und daß ein System der europäischen Sicherheit von dieser Realität ausgehen und ihr durch die getrennte Teilnahme der beiden Teilstaaten Rechnung tragen müsse. Er verwies schon damals auf die besondere wirtschaftliche und gesellschaftliche Struktur der beiden, wie er sagte, souveränen Staaten und erklärte, daß nur eine Annäherung zwischen den beiden Teilen Deutschlands der mögliche Weg zur Wiedervereinigung sei. Es folgte eine Reihe von inhaltlich übereinstimmenden Erklärungen maßgeblicher sowjetrussischer Politiker, die den Willen erkennen ließen, sich von dem klaren Inhalt der Direktive zu distanzieren. Die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs haben dem Auftrag der Direktive entsprochen. In monatelanger sorgfältiger Arbeit haben sie die Außenministerkonferenz vorbereitet. Projekte für Sicherheitsgarantien, die die Sowjetunion für den Fall der Wiedervereinigung Deutschlands verlangt hatte, wurden in Washington, London, Paris und Bonn in getrennten und gemeinsamen Beratungen erwogen und durchdacht. Sie waren Gegenstand sorgfältiger Überlegungen in den Arbeitsgruppen, die im September und im Oktober in Washington und in Paris zusammentraten. An allen Beratungen, die das Thema „europäische Sicherheit und Deutschland" betrafen, nahm eine deutsche Delegation unter der Leitung des Direktors der politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Herrn Professor Grewe, teil und leistete ihren Beitrag zu allen Entwürfen und Formulierungen. Der von der Arbeitsgruppe in Washington verfaßte Bericht war Gegenstand einer gemeinsamen Beratung der drei Außenminister mit dem deutschen Außenminister in New York. Mehrere Fragen wurden in dieser Sitzung entschieden, andere der Arbeitsgruppe zur weiteren Prüfung überwiesen. Bei ihrer erneuten Zusammenkunft in Paris am 24. Oktober konnten die drei Außenminister zusammen mit dem Vertreter der Bundesregierung die Entwürfe verabschieden. Es handelte sich insbesondere um den Text eines Memorandums, das weitgehende Sicherheitsangebote an die Sowjetunion enthält. Man einigte sich auch über die Art des Vorgehens bei den kommenden Verhandlungen, wobei die mehrfach erwähnte Direktive vom 23. Juli die unverrückbare Grundlage blieb. Es wurde Übereinstimmung erzielt, daß für die Westmächte ein kollektives europäisches Sicherheitssystem nur unter Teilnahme eines durch freie Wahlen wiedervereinigten Deutschlands in Frage kommen könne. ({0}) Das Memorandum sah daher vor, daß die einzelnen Sicherheitsgarantien Zug um Zug mit der fortschreitenden Wiedervereinigung in Kraft treten sollten. So sind die Auffassungen und Vorstellungen der Bundesregierung von Anfang bis zu Ende in die Planung der Westmächte eingegangen. Ich lege auf diese Feststellung besonderen Wert, weil in der deutschen Öffentlichkeit kritische Stimmen laut wurden, die nach einer selbständigen Initiative der Bundesregierung riefen. Die Bundesregierung hat in keinem Zeitpunkt auf das Recht der Initiative im Rahmen der gemeinsamen Arbeit verzichtet. Die Bundesregierung war sich zu jeder Zeit des Auftrags bewußt, den sie von dem Deutschen ({1}) Bundestag als der gewählten und legitimen Vertretung des ganzen deutschen Volkes erhalten hatte. Dieser Auftrag fand in zahlreichen Entschließungen des Deutschen Bundestages seinen Ausdruck. Ich erinnere an die Entschließungen vorn 14. September 1950 und vom 9. März 1951, die eine eindrucksvolle Bestätigung in der Entschließung der Vollversammlung der Vereinten Nationen vorn 20. Dezember 1951 fand. Ich erinnere an die folgenden Entschließungen, so insbesondere an die vom 10. Juni 1953, die folgende grundlegende Forderungen aufstellt: 1. Die Abhaltung freier Wahlen in ganz Deutschland, 2. die Bildung einer freien Regierung für ganz Deutschland, 3. der Abschluß eines mit dieser Regierung frei vereinbarten Friedensvertrages, 4. die Regelung aller noch offenen territorialen Fragen in diesem Friedensvertrag, 5. die Sicherung der Handlungsfreiheit für ein gesamtdeutsches Parlament und eine gesamtdeutsche Regierung im Rahmen der Grundsätze und der Ziele der Vereinten Nationen. Auch in der Folgezeit hat der Bundestag sich diese Entschließungen wiederholt zu eigen gemacht, so am 19. Dezember 1953 vor Beginn der Berliner Konferenz. Nach Abschluß der Berliner Konferenz hat der Deutsche Bundestag am 25. Februar 1954 eine Entschließung gefaßt, die folgenden Wortlaut hat: Der Deutsche Bundestag bedauert aufs tiefste, daß die Berliner Konferenz keine Lösung der Deutschlandfrage gebracht hat. Aus den Stellungnahmen des sowjetischen Außenministers I) geht eindeutig hervor, daß die Sowjetunion heute nicht willens ist, die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit zuzulassen. Der Deutsche Bundestag dankt den Außenministern der Westmächte, daß sie sich mit großer Entschiedenheit für die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit eingesetzt haben. ({2}) Der Deutsche Bundestag verpflichtet sich von neuem, als die einzige in Freiheit gewählte Vertretung des deutschen Volkes alles, was in seiner Macht ist, zu tun, um den in Unfreiheit lebenden Deutschen beizustehen und die Wiedervereinigung mit ihnen in Frieden und Freiheit herbeizuführen. Der Deutsche Bundestag begrüßt es, daß die Berliner Konferenz die Voraussetzungen für weitere Verhandlungen geschaffen hat. Er hofft, daß diese Verhandlungen zu einer allgemeinen Entspannung führen und damit neue Möglichkeiten zur Wiedervereinigung Deutschlands eröffnen. Der Deutsche Bundestag ist willens, dieses Ziel in der Gemeinschaft der freien Welt und in unverbrüchlicher Solidarität mit den anderen freien Völkern Europas zu verfolgen. Die deutsche Bundesregierung war verpflichtet, diesem immer wieder geäußerten Wunsch des Parlaments zu entsprechen. Sie hat es getan, indem sie sich in die Vorbereitung der Genfer Konferenz in der schon erwähnten Weise einschaltete. Eine isolierte Initiative der Bundesregierung wäre falsch und gefährlich gewesen. ({3}) Ein berechtigter Anlaß dazu hätte dann bestanden, wenn die Bundesregierung etwa die Überzeugung gewonnen hätte, daß die Politik der westlichen Alliierten, der neu gewonnenen Vertragspartner, mit den deutschen Interessen unvereinbar sei. Die deutsche Bundesregierung hätte in einem solchen Falle auch nicht gezögert, eine eigene Initiative zu entfalten, um dem Auftrage des deutschen Volkes zu entsprechen. Die Zusammenarbeit mit den freien Nationen im Rahmen der Verträge, ganz besonders die Zusammenarbeit mit den Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs, hat aber der Bundesregierung die volle Überzeugung vermittelt, daß keine Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und den genannten Regierungen in der Verfolgung des besonderen deutschen Anliegens bestanden. Es entsprach dem Ziel der von der Bundesregierung abgeschlossenen und vom Bundestag ratifizierten Verträge, diese Zusammenarbeit so eng wie nur möglich zu gestalten, eine Zusammenarbeit, die auf der Grundlage des uneingeschränkten gegenseitigen Vertrauens beruht. Diese Zusammenarbeit hat sich bewährt. Während der nun abgelaufenen Genfer Konferenz haben die drei Außenminister, Herr Dulles, Herr MacMillan und Herr Pinay, das deutsche Anliegen mit einer Hingabe und einer Überzeugungskraft vertreten, die die deutsche Bundesregierung berechtigt und verpflichtet, ihnen und den von ihnen vertretenen Nationen hier an dieser Stelle noch einmal den aufrichtigen Dank des ganzen deutschen Volkes auszusprechen. ({4}) Mir scheint es nötig, ganz offen eine Feststellung zu treffen: es wäre unklug und vermessen, wollte man diese Haltung unserer Verbündeten etwa als eine Selbstverständlichkeit zur Kenntnis nehmen. ({5}) Sie ist der Ausdruck des neu gewonnenen Vertrauens in das deutsche Volk und eine bewegende Anerkennung der Ziele, die wir uns in Deutschland gemeinsam gesetzt haben, als ein freies, auf den Grundlagen rechtsstaatlicher Ordnung und freiheitlicher Demokratie aufgebautes Volk unseren Beitrag zum Frieden in der Welt zu leisten. Aber es waren nicht nur die drei Staaten, die sich mit diesen Zielen der deutschen Politik solidarisch erklärten. Es waren ebenso die in der großen atlantischen Gemeinschaft zusammengeschlossenen Nationen, die den Bemühungen der drei Außenminister ihre volle Unterstützung zusagten. Und es war nicht zuletzt die Beratende Versammlung des Europarates, die sich den Bericht des französischen Abgeordneten de Menthon zu eigen machte, indem sie ihn einstimmig annahm. In diesem Bericht heißt es u. a.: Die Versammlung besteht auf der Notwendigkeit, schnellstens die Wiedervereinigung Deutschlands auf der Grundlage freier Wahlen zu erreichen. Sie hebt den ungenügenden und gefährlichen Charakter jedes Abkommens über Europa mit der Sowjetunion hervor, das nicht diese Wiedervereinigung einschließt. Der enge Zusammenhang der Probleme hat zwischen der deutschen Wiedervereinigung und einem europäischen Sicherheitssystem eine innere Abhängigkeit geschaffen, die parallele Fortschritte bei der Lösung beider Probleme erforderlich macht. ({6}) So weit die einstimmig angenommene Entschließung des Europarates. Die Genfer Außenministerkonferenz begann am 27. Oktober und endete am 16. November. Die Bundesregierung war durch eine Beobachterdelegation unter der Leitung von Botschafter Blankenhorn und Professor Grewe vertreten. Sie wurde von den drei Westmächten laufend informiert und konsultiert, so daß auch hier die deutschen Gesichtspunkte und Anregungen vorgetragen, verhandelt und berücksichtigt wurden. Der Bundesminister des Auswärtigen hat im Zeitpunkt der kritischen Zuspitzung der Auseinandersetzungen über die deutsche Frage in einem eingehenden Meinungsaustausch mit den westlichen Außenministern den Standpunkt der Bundesregierung in Genf zur Geltung gebracht. Es ergab sich auch dabei eine völlige Übereinstimmung der Auffassungen. Der erste, längere Abschnitt der Außenministerkonferenz war dem Problem „Europäische Sicherheit und Deutschland" gewidmet, der zweite, kürzere Abschnitt den beiden restlichen Problemen, der Abrüstung und den Ost-West-Kontakten. Bereits zu Beginn der Verhandlungen haben die drei Außenminister wieder im engsten Einvernehmen mit der Bundesregierung gehandelt und entsprechend der Direktive der Regierungschefs dem sowjetischen Außenminister, Herrn Molotow, Vorschläge für die gleichzeitige Lösung der deutschen Frage und der mit ihr verbundenen Sicherheitsfrage unterbreitet. In diesen Vorschlägen haben die Westmächte der Sowjetunion sehr weitgehende Garantien für den Fall der deutschen Wiedervereinigung durch freie Wahlen angeboten. Die Vorschläge enthielten insbesondere: 1. Eine vertragliche Gewaltverzichterklärung, die der Sowjetunion den rein defensiven Charakter der westlichen Verteidigungspolitik noch einmal bestätigen und in verbindlicher Form festlegen sollte. 2. Eine vertragliche Verpflichtung, einem Angreifer jede Unterstützung zu versagen. 3. Ein System der Begrenzung, der Kontrolle und der Inspektion der Streitkräfte und Rüstungen, das in einer breiten geographischen Zone in der Mitte Europas ein Gleichgewicht der militärischen Kräfte herstellen würde. 4. Ein besonderes Radar-Warnsystem, das allen beteiligten Staaten Schutz gegen Überraschungsangriffe bieten sollte. 5. Ein Verfahren der gegenseitigen Konsultation bei der Anwendung dieses Sicherheitssystems. Alle diese Sicherheitsgarantien wurden für den Fall der Wiedervereinigung durch freie Wahlen angeboten ohne Rücksicht darauf, ob sich das wiedervereinigte Deutschland dem westlichen Verteidigungssystem oder dem Ostblock anschließen oder ob es sich für die Bündnislosigkeit entscheiden würde. ({7}) Diese Tatsache muß besonders hervorgehoben werden, weil Herr Molotow in seinen Reden in Genf den Eindruck zu erwecken versuchte, als seien die westlichen Sicherheitsangebote einzig und allein für den Fall des Beitritts Gesamtdeutschlands zur NATO gemacht worden. Davon kann jedoch keine Rede sein. Das Memorandum der Westmächte läßt keinen Zweifel daran, daß es von der Entscheidungsfreiheit Gesamtdeutschlands ausgeht. Mit Ausnahme eines einzigen Angebots - nämlich des Angebots gegenseitiger Beistandsleistung im Falle eines Angriffs - sollten alle anderen Sicherheitsgarantien auch dann wirksam werden, wenn Gesamtdeutschland sich für die Bündnislosigkeit, ja sogar dann, wenn es sich für den Anschluß an den Ostblock entscheiden würde. Die drei westlichen Regierungen haben weder für den Fall der Verbindung Gesamtdeutschlands mit dem Ostblock noch für den Fall seiner Bündnislosigkeit besondere zusätzliche Sicherheitsgarantien für sich verlangt, obwohl in beiden Fällen das westliche Verteidigungssystem geschwächt werden würde, und zwar entweder - wie gesagt - durch den Anschluß Deutschlands an ein anderes System oder durch den Ausfall der Bundesrepublik für das westliche Verteidigungssystem. Dagegen haben die Westmächte der Sowjetunion eine sehr weitgehende zusätzliche Sicherung für den Fall angeboten, daß sich das wiedervereinigte Deutschland entschließen sollte, dem westlichen Verteidigungssystem beizutreten, nämlich eine Verpflichtung, der Sowjetunion zu Hilfe zu kommen, falls sie von irgendeinem Mitglied des Nordatlantikpaktes, also auch von Deutschland, angegriffen werden würde. Die einzige Voraussetzung für dieses Angebot eines Sicherheitspaktes war die Zustimmung der Sowjetunion zu einer Wiedervereinigung Deutschlands auf Grund freier gesamtdeutscher Wahlen, wie sie der Eden-Plan vorsieht. Für die Wiedervereinigung Deutschlands legten die Westmächte ebenfalls in Übereinstimmung mit der Bundesregierung außerdem einen Plan vor, der als ersten Schritt zur Verwirklichung des im Eden-Plan vorgesehenen Verfahrens zur Wiedervereinigung die Abhaltung freier Wahlen im Verlaufe des Jahres 1956 vorsah. Es wurde vorgeschlagen, daß eine Kommission von Vertretern der vier Mächte sofort zusammentreten solle, um in Beratung mit deutschen Sachverständigen das Wahlgesetz für diesen Plan und die Bestimmungen für ihre Sicherung und Überwachung auszuarbeiten. Die Vorschläge der Westmächte zur Sicherheit und Wiedervereinigung befanden sich in voller Übereinstimmung mit der Direktive der Regierungschefs. Die Westmächte forderten den für ein freies Volk einzig möglichen Weg zur Wiederherstellung seiner staatlichen Einheit und rechtsstaatlicher Verhältnisse in allen seinen Gebietsteilen, nämlich den über freie Wahlen. Sie boten der Sowjetunion weitgehende Garantien für ihre Sicherheit während und nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Sie ließen darüber hinaus erkennen, daß sie im Zusammenhang mit einigen dieser Garantien wie Begrenzung, Kontrolle und Inspektion der Streitkräfte und Rüstungen in einer besonderen Zone in der Mitte Europas zu Verhandlungen über besondere Maßnahmen bereit seien. Es verdient unterstrichen zu werden, daß mit dieser Formulierung eine Verhandlungsbereitschaft der Westmächte über die wichtige Frage erklärt wurde, welche Vorkehrungen zu treffen seien, damit die von der Roten Armee geräumten Gebiete nicht zu einer militärischen Basis der NATO gemacht würden. Es ist sehr bemerkenswert, daß die Sowjets für diese Erklärung keinerlei Interesse bekundet haben. ({8}) Hier wie in der ganzen sowjetischen Verhandlungsführung in Genf zeigte sich ganz unmißverständ({9}) lich, welcher Art das sowjetische Interesse an dem Problem der europäischen Sicherheit ist. Es ist nicht die angeblich durch die Wiedervereinigung Deutschlands bewirkte Gefährdung ihrer Sicherheit, die die Sowjetunion bewegt; woran sie vielmehr ausschließlich interessiert zu sein scheint, das sind Sicherheitspläne, die dazu geeignet sind, die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen des Westens aufzulösen oder unwirksam zu machen. ({10}) An der unlösbaren Verbindung zwischen der europäischen Sicherheit und der Wiedervereinigung hielten die drei Außenminister auch während der Genfer Konferenz unbeirrbar fest. Jeden Versuch, diese beiden Fragen voneinander zu trennen und die Wiedervereinigung damit beiseite zu schieben, erst recht jeden Versuch, das Sicherheitssystem auf der Basis des geteilten Deutschlands und auf der Grundlage der Teilnahme zweier deutscher Staaten zu errichten oder auch nur provisorisch zu errichten, haben die drei Außenminister zurückgewiesen. Ihre der Bundesregierung notifizierte Erklärung an das gesamte deutsche Volk vom 16. November 1955 bestätigt, daß sie auch in Zukunft an dieser Überzeugung festhalten werden. Es erscheint mir richtig, aus dieser Erklärung zu zitieren: „Die Außenminister Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika sind sich bewußt, daß dieses Ergebnis bittere Enttäuschung im deutschen Volke - östlich und westlich der Zonengrenze, durch die es jetzt zu Unrecht geteilt wird - auslösen muß. Die drei Außenminister glauben jedoch, daß die Sowjetregierung zu der Erkenntnis gelangen wird, daß ihren eigenen Interessen dadurch gedient werden wird, daß man der Ungerechtigkeit eines geteilten Deutschlands ein Ende bereitet. Sie glauben, daß die Sowjetregierung erkennen wird, daß keine dauerhafte Sicherheit in Europa - oder überhaupt in der Welt - herrschen kann, solange sie darauf beharrt, dem deutschen Volke die Einheit vorzuenthalten und so die Teilung Europas zu verewigen. Die drei Mächte werden ihrerseits in ihren Bemühungen nicht nachlassen, der Ungerechtigkeit und dem Unrecht, die jetzt durch die Teilung des deutschen Volkes angerichtet werden, ein Ende zu bereiten, und sie werden weiterhin ihre Bereitschaft aufrechterhalten, ihren Beitrag zur Sicherheit zu leisten, die allen nur dann zuteil werden kann, wenn Deutschland wiedervereinigt ist." So weit die Abschlußerklärung der westlichen Außenminister. Meine Damen und Herren, es wäre verhängnisvoll gewesen, wenn der Westen in seinen Angeboten an die Sowjetunion bis zur Gefährdung seiner eigenen Sicherheit gegangen wäre. Denn in diese Sicherheit ist auch die Sicherheit Deutschlands eingeschlossen. ({11}) Man konnte ebensowenig wünschen, daß er einen Weg zur Wiedervereinigung vorschlug oder ihm zustimmte, an dessen Ende die Unfreiheit nicht nur der 17 Millionen Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone, sondern dazu noch die der 50 Millionen bisher freien Deutschen der Bundesrepublik und Berlins stehen müßte. Die westlichen Außenminister durften auch keine Lösung vorschlagen, die die Entscheidungsfreiheit einer gesamtdeutschen Regierung außen- und innenpolitisch so weit aufgehoben hätte, daß von Demokratie und von Souveränität eines wiedervereinigten Deutschlands nicht mehr die Rede hätte sein können. ({12}) Die wichtigste Bedingung, in die die Sowjetunion hätte einwilligen müssen - die Gewährung eines selbstverständlichen Menschenrechts, nämlich des Rechtes auf Selbstbestimmung durch freie Wahlen -, lag letztlich im wohlverstandenen Eigeninteresse der Sowjetunion. Sie hätte jener Unsicherheit, Spannung und Erbitterung ein Ende gesetzt, die eine Folge ihrer fortgesetzten Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Volkes sind. Sie hätte 17 Millionen Menschen das höchste irdische Gut, die Freiheit, wiedergeschenkt. Sie hätte sich damit auch jener verächtlichen Kreaturen in Pankow entledigt, für die sie gewiß selbst weder Achtung noch Vertrauen empfinden kann. Sie hätte schließlich die Garantie erhalten, mit einem in Wahrheit demokratischen und friedliebenden gesamtdeutschen Staat von nahezu 70 Millionen freien Menschen in ein normales und vielleicht sogar gutes Verhältnis zu kommen, mit einem Staat, dessen Regierung getragen wäre vom Willen und vom Vertrauen des ganzen deutschen Volkes. Sie hätte endlich und vor allem den Weg zu einer allgemeinen internationalen Verständigung und Entspannung eröffnet, woran sie selbst so lebhaft interessiert zu sein schien. Der weitere Verlauf der Genfer Konferenz der vier Außenminister hat gezeigt, daß die Sowjetregierung nicht bereit war, die Frage „Europäische Sicherheit und Deutschland" so zu lösen, wie es die Regierungschefs im Juli vereinbart hatten. Der sowjetische Außenminister hat zunächst gezögert, auf die deutsche Frage überhaupt einzugehen. Er hat dann zwar wiederholt von der grundsätzlichen Zustimmung der Sowjetunion zu freien gesamtdeutschen Wahlen gesprochen, sie aber praktisch als Weg zur Wiedervereinigung abgelehnt und sich bemüht, darzulegen, welches Übel aus freien Wahlen schon oft erwachsen sei und im gegenwärtigen Zeitpunkt im Hinblick auf die angebliche Beherrschung der Bundesrepublik durch Militaristen, Junker, Monopolherren usw. notwendigerweise entstehen müsse. Er wies darauf hin, daß man in der Sowjetunion mit einem Wahlsystem, das allen demokratischen Vorstellungen widerspricht, nämlich dem System von Einheitslisten, die besten Erfolge erzielt habe. ({13}) Die beiden Vorschläge für ein europäisches Sicherheitssystem, die der sowjetische Außenminister dann zunächst der Konferenz unterbreitete und deren erster nur eine wörtliche Wiederholung des von Ministerpräsident Bulganin im Juli vorgelegten Plans war, sahen beide die Beteiligung von zwei deutschen Staaten, d. h. die Aufrechterhaltung der Teilung Deutschlands vor. Beide Vorschläge verfolgten das Ziel, Deutschland aus seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der freien Völker des Westens herauszubrechen und darüber hinaus die zur Verteidigung dieser Völker aufgebauten Organisationen aufzulösen. Sie unterscheiden sich in dieser Hinsicht nur dadurch voneinander, daß der eine Vorschlag dieses Ziel deut({14}) lich und der andere es etwas weniger deutlich ausspricht. Die zwei weiteren Vorschläge, die der sowjetische Außenminister erst am vorletzten Tage der Konferenz auf den Tisch legte, stellen nur eine Wiederholung bereits früher gemachter Vorschläge dar und basieren ebenfalls - und das ist entscheidend - auf der Aufrechterhaltung der Teilung Deutschlands. Zur deutschen Frage hat der sowjetische Außenminister lediglich einen Vorschlag zur Bildung eines „Gesamtdeutschen Rates" gemacht, der zwar dazu geeignet gewesen wäre, die Teilung Deutschlands durch eine Anerkennung der sogenannten „DDR" zu sanktionieren, nicht aber sie zu beseitigen. Die frei gewählten Vertreter von 50 Millionen Deutschen sollten in diesem Rat den Vertretern eines Regimes gleichgestellt werden, das nicht einmal von den 17 Millionen Deutschen anerkannt Wird, die es mit Gewalt beherrscht. Was die Funktion dieses Rates betrifft, so wurde jetzt im Unterschied zu früheren Vorschlägen dieser Art die Vorbereitung gesamtdeutscher freier Wahlen nicht einmal erwähnt. Dagegen wurde dem Rat die Aufgabe zugewiesen, eine Abmachung über Stärke, Bewaffnung und Verteilung der zur Sicherheit der deutschen Grenzen nötigen Streitkräfte herbeizuführen, eine Aufgabe, die angesichts der völlig verschiedenen ideologischen Grundlagen und politischen Ziele, die das unfreie System in der Sowjetzone von der demokratischen Ordnung in der Bundesrepublik trennen, gar nicht ernst gemeint sein konnte. Abgesehen von diesen Bedenken läuft der Vorschlag zur Bildung eines „Gesamtdeutschen Rates" auf die Errichtung eines deutschen Staatenbundes hinaus, einer Staatsform, die die Entwicklung der staatlichen Einheit Deutschlands um über hundert Jahre zurückwerfen würde. Die Sowjetunion hat durch die summarische Art, mit der Herr Molototw die Sicherheitsvorschläge des Westens abgetan hat, erkennen lassen, daß es in Wahrheit keine Besorgnisse für ihre Sicherheit sind, die sie veranlassen, der Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen ihre Zustimmung zu verweigern. Sie hat sich vielmehr die von den kommunistischen Führern der Sowjetzone in aller Deutlichkeit erhobene Forderung zu eigen gemacht, daß die dort zur Zeit herrschende gesellschaftliche Ordnung und jene politischen, wirtschaftlichen und sozialen „Errungenschaften", vor denen jeden Tag Hunderte von Menschen, meist junge Werktätige, nach dem Westen fliehen, in einem wiedervereinigten Deutschland erhalten bleiben sollen. Noch mehr: aus den Angriffen auf die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Struktur der Bundesrepublik sowie aus der Forderng nach einer Annäherung zwischen Bundesrepublik und sogenannter „DDR" läßt sich erkennen, daß die Sowjetunion nicht einmal mit einer Neutralisierung Deutschlands und darüber hinaus mit einer Beibehaltung der sogenannten „Errungenschaften" in der sowjetischen Besatzungszone zufrieden wäre; sie stellte die weitergehenden innenpolitischen Vorbedingungen, von denen ich schon sprach und auf die ich zurückkommen werde. Dies ist eine wichtige Erkenntnis aus den Verhandlungen der Genfer Außenministerkonferenz. Hinsichtlich der beiden anderen Themen, der Abrüstung und der Entwicklung der Ost-West-Kontakte, die beide unvermeidlicherweise in einem gewissen inneren Zusammenhang mit dem ersten Punkt stehen, ist das Ergebnis der zweiten Genfer Konferenz ebenfalls negativ. Die Westmächte haben nach dem letzten Krieg in größtem Ausmaß abgerüstet. Erst durch die Aggressionsakte des Bolschewismus, vor allem in Korea, sind sie zur Wiederaufrüstung gezwungen worden. Sie sind nach wie vor bereit, an einer allgemeinen Abrüstung teilzunehmen - ebenso wie das deutsche Volk -, jedoch unter der selbstverständlichen Voraussetzung einer wirksamen Kontrolle darüber, daß jeder Staat solche Abrüstungsverpflichtungen auch wirklich durchführt. Die Forderung der Sowjets, angesichts der wissenschaftlichen Unmöglichkeit einer Kontrolle der Kernwaffenproduktion sowie überhaupt der Langwierigkeit einer Errichtung von Abrüstungskontrollen die Kontrollfrage zugunsten einer sofortigen Abrüstung, insbesondere der Atomwaffen, zunächst zurückzustellen, erscheint darum auch unaufrichtig. Die Außenminister der Westmächte haben dann auch keinen Zweifel daran gelassen, daß es hierzu einfach an dem nötigen Vertrauen fehlt; und dieses Vertrauen ist gerade in Genf durch die negative Haltung der Sowjets in der Deutschlandfrage und in der Sicherheitsfrage aufs neue schwer erschüttert worden. Der Gedanke des amerikanischen Präsidenten Eisenhower, durch Austausch von Rüstungsplänen und durch Luftinspektionen zumindest Sicherheit gegen einen Überraschungsangriff zu erreichen, hat von sowjetischer Seite ebenfalls keine Zustimmung erfahren. ({15}) Unter diesen Umständen konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Es wird weiterhin Aufgabe der hierfür bei den Vereinten Nationen gebildeten Ausschüsse bleiben, Lösungsmöglichkeiten auf diesem Gebiete und für alle der Organisation der Vereinten Nationen angehörenden Staaten zu finden. Entgegen vielfach gehegten Erwartungen ist es auch hinsichtlich der Ost-West-Kontakte zu keiner Einigung gekommen. Die Westmächte gingen davon aus, daß durch einen freien Austausch der Meinungen und Ideen und durch einen freien Personenverkehr die wahren Gründe der internationalen Spannung beseitigt werden müßten; nur durch diesen freien Austausch und Verkehr könne ein besseres gegenseitiges Verständnis der Völker West- und Osteuropas zustande kommen. Gleichzeitig solle der friedensmäßige, nichtstrategische Handel entwickelt werden. Die sowjetischen Vorschläge stellten dagegen das Materielle in den Vordergrund. Sie fordern zunächst die Entwicklung des Handels und der Schiffahrt, danach die Förderung der wissenschaftlich-technischen und kulturellen Verbindungen, und zwar auf offiziellen Wegen, und schließlich die Förderung des Personenverkehrs. Im Verlauf der Verhandlungen hat sich ergeben, daß die Sowjetunion lediglich an einer Aufhebung des Embargos für strategische Güter und nicht an einem friedlichen Handel, noch weniger aber an einem Austausch der Gedanken und an einem freien Verkehr der Menschen interessiert ist. Die Sowjetunion hat in Genf nicht die geringste Absicht bekundet, den Eisernen Vorhang zu lüften. Sie will oder sie kann offenbar das Risiko der Freiheit nicht eingehen, und der sowjetische Außenminister hat mit geradezu brutaler Offenheit zugegeben, daß es im sowjetischen Machtbereich eine ({16}) Freiheit des Gedankenaustauschs nicht gibt noch geben wird. ({17}) Eine Bilanz der Genfer Außenministerkonferenz und der Gründe ihres Scheiterns kann demnach nur zu dem Ergebnis kommen, daß die Sowjet- union vor der Weltöffentlichkeit die Verantwortung für die Fortdauer der internationalen Spannung und für das Scheitern einer Lösung in der Frage der deutschen Wiedervereinigung und der europäischen Sicherheit auf sich geladen hat. ({18}) Da und dort sind Stimmen lautgeworden, die Westmächte und die Bundesregierung hätten es versäumt, die Sowjetunion zu einer klaren Auskunft über ihre Bedingungen zur Wiedervereinigung Deutschlands zu veranlassen; auch habe der deutsche Außenminister die Gelegenheit eines Gesprächs mit dem sowjetischen Außenminister nicht benutzt. Zum zweiten Punkt kann nur gesagt werden, daß Herr Molotow es offenbar nicht für zweckdienlich erachtet hat, die Anwesenheit des deutschen Außenministers - der einem Gespräch nicht ausgewichen wäre - zu einer Aussprache zu nutzen. ({19}) Die anderen Außenminister haben die Bundesregierung zu einem solchen Gespräch offiziell eingeladen. Was aber die Auskunft über die sowjetischen Bedingungen für die Wiedervereinigung betrifft, so ist diese von Herrn Molotow in Genf in seinen Reden sehr klar erteilt worden. Aus diesen ergibt sich zunächst, daß die Sowjetunion die Zeit für eine Wiedervereinigung „noch nicht für reif" hält. Sie zieht eine Wiedervereinigung im Augenblick ernsthaft überhaupt nicht in Betracht, und Herr Molotow hat trotz des ständigen Drängens des Westens einen konkreten Plan zur Wiedervereinigung in Genf nicht entwickelt. Fest steht für die Sowjetunion nur, daß freie Wahlen weder am Beginn noch im Verlaufe der Wiedervereinigung stattfinden dürfen. Die Beobachterdelegation der sogenannten DDR hat hierzu in einer offiziellen Verlautbarung am 5. November 1955 bemerkt, freie Wahlen könnten in Deutschland nur durchgeführt werden, ,,nachdem ... die gegenwärtig die Bundesrepublik beherrschenden antidemokratischen und faschistischen Kräfte ihre Machtposition verloren haben". ({20}) Und im Beschluß des 25. Plenums des Zentralkomitees der SED heißt es dann: Wer unter diesen Bedingungen von freien Wahlen spricht, der will die Versklavung des deutschen Volkes durch die imperialistischen Bourgeoisie, die gegenwärtig in Westdeutschland herrscht. ({21}) Der sowjetische Außenminister hält eine lange Periode der Vorbereitung für nötig, in der seiner Auffassung nach zahlreiche Vorbedingungen erfüllt werden müssen, wodurch erst eine Situation geschaffen würde, die die Regelung der deutschen Frage erlaubt. Lassen Sie mich diese Bedingungen im einzelnen erwähnen: 1. Die Schaffung eines europäischen Sicherheitssystems auf der Basis des Status quo. Das bedeutet, daß die Teilung Deutschlands aufrechterhalten werden soll und daß damit das Sicherheitssystem seinen Zweck nicht erfüllen und wertlos bleiben würde. Die Bundesregierung begrüßt und fördert die Schaffung eines europäischen Sicherheitssystems, da die Schaffung von wirksamen Voraussetzungen für die Sicherheit in Europa und die Vermeidung eines Krieges von lebenswichtiger Bedeutung für das deutsche Volk sind. Aber sie muß - wie es auch die Westmächte getan haben und weiter tun werden - ein Sicherheitssystem als in der Anlage verfehlt und unwirksam ansehen, das auf der Teilung Deutschlands aufbaut. ({22}) 2. Allmähliche Auflösung der militärischen Gruppierungen in Europa. Dies bedeutet, daß zwar der Nordatlantikpakt, die Westeuropäische Union und der Warschauer Pakt aufgelöst werden sollen, daß aber die zweiseitigen Bündnisse und Abhängigkeiten zwischen der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten unverändert bestehenblieben. Die Bundesregierung würde in einer solchen Entwicklung eine schwere Gefährdung der Sicherheit Europas und damit auch Deutschlands erblicken. ({23}) 3. Ein Abkommen über eine Verpflichtung Gesamtdeutschlands, keinen Koalitionen und militärischen Bündnissen anzugehören. Dies bedeutet, daß Gesamtdeutschland in den wesentlichen Punkten keine außenpolitische Entscheidungsfreiheit mehr hätte, sondern daß ihm die Neutralisierung aufgezwungen würde. Auch in der sowjetzonalen Regierungserklärung wird seltsamerweise gefordert: Ein vereinigtes Deutschland muß im Besitz der vollen staatlichen Souveränität sein. Aber wie diese Souveränität aussehen soll, offenbart der nächste Satz: Es muß frei sein . . . von allen Bindungen an Militärbündnisse. Die Bundesregierung kann, abgesehen von den Gefahren, die in der Neutralisierung Deutschlands an sich liegen, einer solchen Beschränkung der außenpolitischen Entscheidungsfreiheit einer zukünftigen gesamtdeutschen Regierung nicht zustimmen. ({24}) 4. Die Räumung Gesamtdeutschlands von alliierten Truppen. Dies bedeutet praktisch, daß sich die britischen und amerikanischen Truppen über den Kanal und den Ozean zurückziehen sollen, während die sowjetischen Truppen in einer Entfernung von der Ostgrenze Deutschlands stationiert blieben, die von einer motorisierten Armee in wenigen Stunden durchschritten werden könnte. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, daß die Rückführung der alliierten Truppen in naher Zukunft nach wie vor die Sicherheit der Bundesrepublik und Berlins aufs stärkste gefährden würde. ({25}) 5. Die Entmilitarisierung Deutschlands. Dies bedeutet, daß im Herzen Europas ein militärisches Vakuum geschaffen würde, das die Intervention von kommunistischer Seite begünstigen, ja gerade({26}) zu provozieren würde. Die Bundesregierung verabscheut Nationalismus und Militarismus in jeder Form, aber sie ist der Auffassung, daß kein Staat auf das Recht und die Pflicht zur Sicherung der Freiheit verzichten kann. 6. Die Normalisierung der Beziehungen der Vier Mächte zu den beiden Teilen Deutschlands. Dies bedeutet, daß die Westmächte das Pankow-Regime anerkennen sollen, das nicht über einen echten Auftrag des Volkes verfügt und auf Willkür und Terror gegründet ist. Die gesamte übrige freie Welt soll dadurch beeinflußt werden, diese Anerkennung ebenfalls zu vollziehen. 7. Die Errichtung eines Gesamtdeutschen Rates aus Vertretern des Bundestags und der sowjetzonalen Volkskammer. Dies bedeutet, daß unter Vermeidung freier Wahlen dem Pankow-Regime eine gleichberechtigte Teilnahme an einer gesamtdeutschen Regierung gesichert werden soll. Die frei gewählten Vertreter des Bundestags haben es stets abgelehnt, sich mit den Helfershelfern der Unterdrückung in der sowjetisch besetzten Zone an einen Tisch zu setzen. In den Vorbedingungen des Außenministers Molotow heißt es weiter: Garantierung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der werktätigen Bevölkerung der sogenannten „DDR" in einem wiedervereinigten Deutschland. Dies bedeutet, daß eine gesamtdeutsche Regierung gebunden sein soll, auf die Einführung einer freiheitlichen Ordnung in der sowjetisch besetzten Zone zu verzichten. Die zu garantierenden Errungenschaften stellen sich u. a. dar in der Zerstörung der rechtsstaatlichen Ordnung, in überfüllten Gefängnissen und Zuchthäusern, in der Unterdrückung der Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit, in der Verweigerung sozialer Sicherheit, in der Unterdrückung des Streikrechts und in der Verneinung des Eigentums. Die in steigender Zahl flüchtenden verzweifelten Menschen sind ein beredtes Zeugnis für die Bewertung dieser sowjetzonalen „Errungenschaften". ({27}) Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß nach der Wiedervereinigung dem deutschen Volk selbst Gelegenheit gegeben werden muß, auf dem Weg der freien Wahlen über die Beibehaltung oder Verwerfung dieser sogenannten „Errungenschaften" zu entscheiden. ({28}) Eine von außen auferlegte innenpolitische Beschränkung der Entscheidungsfreiheit wäre mit den Prinzipien der Demokratie und des Selbstbestimmungsrechtes unvereinbar. Weitere sowjetische Vorbedingungen sind: 9. Die Ausschaltung der „Junker, Monopolkapitalisten, Militaristen" usw. aus ihren „beherrschenden Stellungen in der Bundesrepublik". ({29}) In der Regierungserklärung der sogenannten „DDR" vom 1. November 1955 heißt es dazu: In der DDR haben die Arbeiter und Bauern die politische Macht, und sie nutzen sie, um den Frieden und den sozialen Fortschritt zu sichern. In der Bundesrepublik diktieren 150 Multimillionäre, gestützt auf ihre wirtschaftliche Macht, die Politik des Staates in eigennützigem Interesse. . . . In der DDR wird die Außenpolitik von den Werktätigen bestimmt, die auf der Grundlage der Gleichberechtigung, der gegenseitigen Achtung und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten freundschaftliche Beziehungen zu allen Völkern wünschen. In der Bundesrepublik dient die Außenpolitik dem Streben der deutschen Imperialisten nach erneuter Unterdrückung und Ausbeutung fremder Völker. . . ." Und im Beschluß des Zentralkomitees der SED heißt es: Es „müssen die politischen Vertrauensleute der Militaristen und Imperialisten aus dem Staatsapparat entfernt werden . . ." Das bedeutet: Der Bundesrepublik soll ein politischer, wirtschaftlicher und sozialer Aufbau aufgezwungen werden, der dem in freien Wahlen zum Ausdruck gekommenen Selbstbestimmungswillen des Volkes nicht entspräche. Mit demagogischen Schlagworten wird hier versucht, die Kaltstellung aller Personen durchzusetzen, die den Kommunisten mißliebig sind und daher willkürlich in eine der genannten Rubriken eingereiht werden. ({30}) Wir sollten uns über die Folgen einer solchen Entwicklung klar sein. Wir alle, meine Damen und Herren, die wir unser Mandat dem deutschen Volk verdanken, gleichgültig. welcher Partei wir angehören, ja schlechthin alle, die in Deutschland politische Verantwortung tragen, fallen unter diese Kategorie. ({31}) Wir alle, die wir aus politischer Überzeugung und politischer Verantwortung den Kommunismus als Form der staatlichen, sozialen und wirtschaftlichen Ordnung ablehnen, würden diesem unerbittlichen Säuberungsprozeß zum Opfer fallen. Wenn ich das feststelle, dann nicht, um die eigene Existenz, wohl aber, um die eigene Verantwortung zu verteidigen. Die Bundesregierung hat es nicht nötig, sich gegen solche Angriffe aus Pankow zu verwahren; ein Vergleich mit den dortigen Verhältnissen genügt. Die letzte Bedingung der Sowjetunion war 10. die Annäherung zwischen der Bundesrepublik und der sogenannten „DDR", Einigung auf eine „gemeinsame Sprache" und Ausarbeitung gemeinsamer Vorschläge zur Wiedervereinigung. Der sowjetische Außenminister hat zwar versichert, daß durch den von ihm vorgeschlagenen Gesamtdeutschen Rat die Interessen keines der beiden deutschen Staaten verletzt und ihre sozialen Systeme nicht beeinträchtigt werden sollen. Er hat aber gleichzeitig der Auffassung Ausdruck gegeben, daß „die Werktätigen Deutschlands" - von denen 80 % in der Bundesrepublik leben - „zum ersten Male in der Gestalt der DDR ihr wahres Vaterland gefunden" hätten. Er hat ferner behauptet, mit der sogenannten DDR sei „zum ersten Male ein wirklich friedliebender deutscher Staat geschaffen worden", und schließlich hat er die Bundesrepublik bezichtigt, ein Staat zu sein, „in dem die großen Monopole und Junker ihre Herrschaft aufrechterhalten". Er kann also logischerweise nur meinen, daß sich die Bundesrepublik in ihren wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen der sogenannten „DDR" angleichen soll. Daß eine gesamtdeutsche Nationalversammlung oder ein gesamtdeutsches Parlament hinsichtlich der inneren Gestaltung des wiedervereinigten ({32}) Deutschlands keinerlei Befugnis mehr hätte, wenn ihr solche Verpflichtungen auferlegt würden, bedarf keiner Begründung. Um es klarzumachen, hat es die SED in ihrer letzten Zentralkomiteesitzung wiederholt: Die Fragen der Gestaltung des wiedervereinigten Deutschlands sind nicht Fragen, die erst später in einer gesamtdeutschen Nationalversammlung zur Entscheidung stehen, sondern Fragen, über die bereits heute im Kampf gegen die Militarisierung Westdeutschlands für die Interessen der friedliebenden Mehrheit des deutschen Volkes wichtige Entscheidungen gefällt werden. Meine Damen und Herren, welcher Art sollen diese Entscheidungen sein? Es geht um die Beseitigung des selbstverantwortlichen Eigentums in Industrie, Handel und Gewerbe; schamhaft nennt man das „Sozialisierung". Es geht um die Enteignung des landwirtschaftlichen Besitzes und seine Überführung in die Anonymität des Kollektivs; man nennt dies „Bodenreform". Während wir unter Bodenreform die Ansässigmachung selbständiger Bauern und Landwirte verstehen, will man drüben ihre Entwurzelung. Man will die sogenannte politische Säuberung des Staatsapparats und seine Besetzung mit „Volksdemokraten". Dem Rundfunk und der Presse will man die eigentliche und ursprüngliche Aufgabe der objektiven Berichterstattung und der Diskussion nehmen, um sie zu Instrumenten der staatlichen Allmacht zu machen. Man spricht von der Schulreform, nicht um die Schulen zu verbessern, sondern um sie zu Einrichtungen umzugestalten, in denen die Menschen schon in frühester Jugend dem grausamen Prozeß der Entpersönlichung und Entmenschlichung ausgesetzt werden. ({33}) Das alles, um in einer pervertierten Umkehrung des Begriffs Demokratie dem Menschen im Staat Einfluß und Verantwortung zu nehmen und ihn von dem handelnden Subjekt zum leidenden Objekt umzuformen. Man übertreibt darum wohl nicht, wenn man sagt, daß die . von der Sowjetunion bis zur Stunde geforderten Voraussetzungen zur Wiedervereinigung sich nicht etwa auf die Neutralisierung beschränken, sondern darüber hinaus innenpolitische Forderungen enthalten, die darauf hinauslaufen würden, Gesamtdeutschland zu einer „Volksdemokratie" zu machen. ({34}) Die Sowjetunion ist gegenwärtig offensichtlich noch nicht entschlossen, die Teilung Deutschlands aufzuheben, da sie keine erfolgversprechende Möglichkeit zur Erreichung dieses Zieles sieht. Der Ausgang der Genfer Konferenz, meine Damen und Herren, bedeutet eine tiefe und bittere Enttäuschung für alle Deutschen, gleichgültig in welchem Teile Deutschlands sie leben. Sicherlich gab es nur wenige, die bei Beginn dieser Konferenz zu hoffen wagten, daß die Direktive vom 23. Juli alsbald verwirklicht werde. Die zahlreichen Erklärungen sowjetischer Politiker, die dieser Konferenz vorausgingen oder sie begleiteten, und die Kommentare, die von ihren willfährigen Funktionären in den Satellitenstaaten und der Sowjetzone dazu gegeben wurden, waren geeignet, jeden Optimismus zu dämpfen. Trotzdem gab es wohl niemanden, der nicht die Hoffnung hatte, daß in Genf ein ernstes Gespräch geführt werde, um die Ziele der Direktive zu verwirklichen. Auch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Den klaren Vorschlägen der drei westlichen Außenminister hat der sowjetische Außenminister nur ein Nein entgegengesetzt. Er hat nicht einmal den Versuch unternommen, dieses Nein in eine Form zu kleiden, die dem so viel zitierten Geist von Genf entsprochen hätte. Als er nach einer Verhandlungspause von wenigen Tagen aus Moskau nach Genf zurückkehrte, war seine Haltung noch um vieles schroffer und ablehnender geworden. In Form und Inhalt waren seine Rede vom 8. November und die nachfolgenden Erklärungen so hart und abweisend wie in den Tagen der Berliner Konferenz. Aber es wäre falsch und unverantwortlich, wenn das deutsche Volk nun mutlos resignieren wollte. Es wird nicht resignieren, und es wird sich mit der ihm aufgezwungenen Spaltung niemals abfinden. ({35}) Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, weiterhin Mittel und Wege zu suchen, um diese großen und unverrückbaren Ziele der deutschen Politik, die im vollen Einklang stehen mit den Zielen der mit Deutschland verbündeten Welt, weiter zu verfolgen. Die Bundesregierung wird sich in diesem Bemühen nicht beirren lassen, und sie rechnet mit der Unterstützung des ganzen deutschen Volkes hier im Westen und in der Sowjetzone. Sie ist der Überzeugung, daß der Ruf von nahezu 70 Millionen Menschen nach Wiederherstellung ihrer staatlichen Einheit in Frieden und Freiheit nicht ungehört verhallen wird. Niemand kann vernünftigerweise der Ansicht sein, daß sich die poltischen Verhältnisse in Europa beruhigen und konsolidieren werden, solange ein großes Volk, seine Wirtschaft und sein Verkehrssystem im Zustand einer künstlichen Trennung und Absperrung gehalten wird, solange seine Hauptstadt selbst in sich geteilt und von der Verbindung mit dem größeren Teil seines Gebietes abgeschnitten ist. Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht- die besondere, widernatürliche Lage Berlins zu irgendwelchen Reibungen und Verwicklungen führt. Soeben sind Äußerungen des sowjetischen Stadtkommandanten bekanntgeworden, die den unter den Vier Mächten vertraglich vereinbarten Viermächte -Status von Berlin in Frage stellen. Wir wissen, daß die Westmächte an diesen Vereinbarungen festhalten und sie verteidigen werden. Wir können nicht glauben, daß die Sowjetunion diese Vereinbarungen zerreißen will. Aber auch dieser Vorgang zeigt erneut, daß die gegenwärtige Situation Berlins zwangsläufig immer wieder zu Konflikten führen muß, die eine wirkliche internationale Entspannung nicht eintreten lassen. Ich möchte es hier aussprechen: Die Bundesregierung nimmt diesen Vorgang sehr ernst. Ich glaube, wir können in dieser Sache volles Vertrauen in unsere Verbündeten haben. Wenn sich bewahrheiten sollte, daß es sich bei dem Vorgang um die offizielle russische Stellungnahme handelt, so habe ich Grund, anzunehmen, daß die Drei Mächte ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen werden. Wir können es nicht oft genug wiederholen: die Beseitigung solcher Gefahrenherde durch die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands ist und bleibt der erste Schritt zu einer dauerhaften internationalen Entspannung und Befriedung. ({36}) ({37}) Die Bundesregierung ist sich darum auch ihrer besonderen Verpflichtung bewußt, die sie gegenüber der Stadt Berlin hat. Der Mut und die Entschlossenheit, mit denen Berlin sich in den vergangenen schweren Jahren behauptet hat, hat entscheidend dazu beigetragen, das Verständnis und die Unterstützung der freien Welt für den Freiheitskampf des ganzen deutschen Volkes zu wekken und zu stärken. ({38}) Nicht geringer ist die Verantwortung der Bundesregierung für alle Deutschen in der Sowjetzone. Sie mögen überzeugt sein, daß wir in der Bundesrepublik ebenso wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft keine Entscheidungen treffen werden, die mit den Lebensinteressen der Deutschen in der Sowjetzone unvereinbar sind. ({39}) Unsere gemeinsame politische Arbeit im Bundestag und in der Bundesregierung gilt der Zukunft a 11 er Deutschen, gleichgültig, ob sie hier, in Berlin oder in der Sowjetzone leben. ({40}) Wir wissen es alle, meine Damen und Herren, daß das große Ziel deutscher Politik sich nur verwirklichen läßt, wenn es zu einer übereinstimmenden Entscheidung der vier Mächte kommt, die über die Zukunft Deutschlands zu bestimmen haben und die sich zu dieser gemeinsamen Verantwortung auch auf der ersten Genfer Konferenz bekannt haben. Bis zur Stunde sind nur drei von diesen Mächten bereit und entschlossen, dieses Ziel mit uns zu verwirklichen. Diese drei haben sich zu diesem gemeinsamen Ziel aus voller innerer Überzeugung bekannt, weil sie zu dem Deutschland von heute und zu dem wiedervereinigten freien Deutschland von morgen Vertrauen haben. In jahrelangen Bemühungen haben wir um dieses Vertrauen gerungen. Wir haben es erworben durch eine von Vorbehalten und von Zweideutigkeiten freie Politik. Wir wissen, daß wir es nur erhalten können, wenn wir diese Politik unbeirrbar und konsequent fortsetzen. ({41}) Diese Erkenntnis verpflichtet uns. Die Bundesregierung wird die Politik der Wiedervereinigung Deutschlands weiterhin in engster und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit ihren Bündnispartnern fortsetzen. Sie denkt nicht daran, diese so unendlich wertvolle Freundschaft und die aus dieser Freundschaft fließende Unterstützung durch Unentschlossenheit, Wankelmut oder Unaufrichtigkeit zu gefährden. ({42}) Sie weiß sehr wohl, daß das Schicksal des ganzen deutschen Volkes gefährdet wäre, wenn sie das Vertrauen und die Freundschaft der Bundesgenossen eintauschen wollte gegen das Wohlwollen der Sowjetnion, die zumindest für den Augenblick hat erkennen lassen, daß sie dem deutschen Volk eine friedliche und freiheitliche Zukunft verweigern will. Auch durch Drohungen und Lockungen wird sich das deutsche Volk, davon bin ich überzeugt, nicht dazu verleiten lassen, diese gerade Linie zu verlassen. Deutschland muß sich dabei auch der großen Verantwortung bewußt sein, die ihm für die zukünftige Gestaltung der Ordnung in Europa und in der Welt auferlegt ist. Es gibt keinen Handel mit dem deutschen Volk über seine Freiheit. ({43}) Wenn Deutschland über diese Frage mit sich handeln lassen wollte, dann würde es nicht nur seine eigene Zukunft verraten, es würde sich auch an der Freiheit anderer Völker versündigen, indem es sie tödlich gefährden würde. Ein unfreies Deutschland wäre nicht mehr in der Lage, die historische Aufgabe zu erfüllen, die auch ihm gestellt ist: auf dem europäischen Kontinent die Grundlagen einer freiheitlichen Ordnung durch eine immer engere Zusammenarbeit mit allen europäischen Nationen gegen die Bedrohung durch ein art- und wesensfremdes System zu sichern. Dieses Wissen verpflichtet aber auch diejenigen, die auf unserer Seite stehen. Sie dürfen es daher auch um ihrer selbst willen nicht zulassen, daß das deutsche Volk seine Freiheit verliert und in den sowjetrussischen Machtblock einbezogen wird. Ihre eigenen Lebensinteressen stimmen darum mit den unseren überein. Das sollten auch die nicht außer acht lassen, die in den anderen Ländern Ungeduld zeigen und etwa mit dem Gedanken spielen, daß man Deutschland aufgeben könnte. Eine solche Entscheidung wäre vielleicht der erste Schritt zur Selbstaufgabe. ({44}) Ebensowenig kann und darf das deutsche Volk in eine ernsthafte Diskussion darüber eintreten, ob es zulassen will, daß seine Sicherheit gefährdet wird. Wir wollen und werden aus aller Kraft an einem Sicherheitssystem mitarbeiten, in dem jedem Volk und jedem Staat die Sicherheit garantiert wird, auf die sie Anspruch haben. Den anderen Sicherheit vermitteln heißt aber nicht, auf die eigene Sicherheit zu verzichten. ({45}) Darum wird es auch kein Gespräch über die Festlegung eines militärischen und politischen Status eines wiedervereinigten Deutschlands geben, der dem deutschen Volke das Maß von Sicherheit versagen würde, ohne das eine freiheitliche Entwicklung undenkbar ist. In seiner überwältigenden Mehrheit bekennt sich das deutsche Volk zu den unverzichtbaren Werten, die gemeinsamer Besitz aller freien Nationen der Welt sind. Über den politischen Standort des wiedervereinigten Deutschlands wird es darum ebensowenig eine Diskussion geben wie über den der Bundesrepublik. Sie gehören beide untrennbar zur freien Welt, und sie werden sich aus dieser Gemeinschaft nicht verdrängen lassen, noch gar freiwillig darauf verzichten. ({46}) Wenn ich das für die Bundesregierung sage, dann hoffe ich, daß diese Erklärung in der ganzen Welt, also auch in der Sowjetunion, richtig verstanden und richtig gewürdigt wird. Alle Völker, die ebenso wie das deutsche Volk dem Frieden dienen wollen, sollten sich darüber klar sein, daß Deutschland die ihm zugewiesene Aufgabe nur erfüllen kann, wenn es in die Lage versetzt wird, seine Entscheidungen frei zu fällen. Eine erzwungene Neutralisierung oder Bündnislosigkeit wäre der schlechteste Weg, den wir wählen könnten oder zu dem man uns zwingen könnte. Das deutsche ({47}) Volk würde durch eine solche Entscheidung mit einer unerträglichen Hypothek belastet. Es müßte seine freundschaftlichen Bindungen zur freien Welt aufkündigen. Es würde ungesichert zwischen dem Osten und dem Westen stehen. Die Vorstellung, daß die ganze Welt sich dahin verständigen könnte, auf Kosten der eigenen Sicherheit diesem Deutschland die Sicherheit zu gewähren, ist utopisch und unrealistisch. Die Wirklichkeit würde anders aussehen: Dieses Deutschland würde zum Spielball widerstreitender Interessen. Jeder würde versuchen, seine politische und wirtschaftliche Kraft zu stärken, solange er damit rechnen könnte, es in seinen Bereich zu ziehen, und jeder müßte versuchen, es zu schwächen, wenn er die Furcht haben müßte, daß es seinem potentiellen Gegner zufallen könnte. Um das deutsche Volk am Leben zu erhalten, müßte Deutschland eine in sich unaufrichtige Politik treiben. Wir wollen das nicht, weil wir damit unser Volk und die anderen Völker in einer unverantwortlichen Weise gefährden würden. Gerade diejenigen, die angeblich in der Wiedervereinigung Deutschlands eine Gefahr erblicken, also besonders die Sowjetunion, sollten erkennen, daß sie auf dem falschen Wege sind. Ein Deutschland, das durch ein Bündnissystem in seiner politischen und seiner wirtschaftlichen Existenz gesichert sein wird, wird auch im Rahmen dieses Bündnissystems der Entspannung dienen. Die feste und unauflösliche Verankerung des wiedervereinigten Deutschlands in der Gemeinschaft der europäischen Völker und der freien Welt bietet die sicherste Gewähr dafür, daß es niemals mit seinen politischen und wirtschaftlichen Kräften Mißbrauch treiben wird. Wenn man diesem Deutschland tatsächlich zutrauen wollte, daß es auf die wahnwitzige Idee kommen könnte, einen neuen Weltbrand zu entfachen, dann kann man es nicht wirksamer daran hindern, als daß man es in ein Bündnissystem einbaut, in dem es freiwillig auf die Möglichkeit verzichtet, mit seinen Kräften Mißbrauch zu treiben. Es ist keine Halsstarrigkeit und noch weniger der Ausdruck der Phantasielosigkeit, wenn sich die Bundesrepublik heute erneut und gerade angesichts des unbefriedigenden Ausgangs der Genfer Konferenz laut und eindeutig zur bisherigen Politik bekennt. ({48}) Sicherlich gibt es andere Wege; sie zu finden bedarf es keiner weitschweifenden Phantasie. Sie zu gehen bedarf es aber, wie ich meine, entweder eines Maßes von Unentschlossenheit und Feigheit, die wir uns angesichts der weltpolitischen Lage nicht leisten dürfen, oder einer vielleicht unbewußten Verantwortungslosigkeit, geboren aus der Verkennung der Tatsache, daß Freiheit und Sicherheit eines Volkes nur ganz - oder gar nicht bestehen können. Die Bundesregierung wird in loyaler Erfüllung der von der Bundesrepublik freiwillig eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen ihre Bemühungen fortsetzen, an der Verteidigung der freien Welt und damit an der Verteidigung der eigenen Freiheit mitzuwirken. Sie ist der festen Überzeugung, daß dies der einzige Weg ist, der ihr vorgeschrieben ist, wenn sie in wirksamer Weise die Interessen des ganzen deutschen Volkes wahrnehmen will. Vielleicht haben gewisse Spekulationen die Sowjetunion in Genf dazu bestimmt, so unversönlich aufzutreten. Es mag sein, daß die Sowjetunion damit rechnet, daß die freie Welt angesichts ihrer Friedensbeteuerungen in ihren Anstrengungen nachlassen wird, sich wirksam zu schützen. Vielleicht hat die Sowjetunion auch damit gerechnet, daß es ihr gelingen könnte, Mißtrauen zwischen den freien Völkern zu säen. Sie hat es unternommen, als sie in Genf die drei Außenminister darauf ansprach, daß es doch nicht in ihrem eigenen Interesse liegen könne, dem deutschen Volk zu vertrauen, und einige Tatsachen aus der vergangenen Zeit mögen ihr dazu den äußeren Anlaß gegeben haben. Aber Herr Molotow mag sicher sein: Wenn es ihm einmal gelungen ist, einen Vertrag mit Herrn Hitler und Herrn von Ribbentrop zu unterschreiben und das Bündnis zweier totalitärer Systeme zu bekräftigen, - einen solchen Vertrag wird Herr Molotow weder heute mit der Bundesrepublik noch morgen mit dem wiedervereinigten Deutschland zustande bringen. ({49}) Ich bin mir klar darüber, meine Damen und Herren, daß diese Politik vielleicht von dem einen oder anderen in der Welt wieder als eine „Politik der Stärke" angeprangert wird. Nichts liegt der Bundesregierung ferner, als auf die Stärke zu pochen. Es liegt ihr ebenso fern, in das Gegenteil zu verfallen und dem Nimbus der Unüberwindlichkeit der Sowjetunion durch Feigheit, Unentschlossenheit und Schwäche Tribut zu zollen. ({50}) Wir sind überzeugt, daß nur diese Politik die Sowjetunion veranlassen kann, aber auch veranlassen wird, an einer neuen Konferenz teilzunehmen, auf der nach dem Willen der Bundesregierung die Frage Deutschland und europäisches Sicherheitssystem wieder den ersten Punkt der Tagesordnung einnehmen wird. Die Völker der ganzen Welt sehnen sich nach Frieden. Es wäre aber verhängnisvoll, wenn man glaubte, das unaufrichtige Bekenntnis zur Entspannung bedeute bereits den Frieden. Entspannung kann man nicht dadurch herbeiführen, daß man feststellt, sie sei vorhanden. Die Entspannung herbeiführen wollen bedeutet, daß man die Tatbestände ausräumt, die Ausdruck und Folge der Spannung sind, die so unerträglich auf den Völkern der Welt lastet. Diese Politik, von der ich eben sprach, wird die Bundesregierung nicht hindern, alles zu tun, was wir als Deutsche zu tun vermögen, um das brennende Problem der deutschen Spaltung zu lösen. Auch von uns aus werden wir alles tun, um die Sowjetunion davon zu überzeugen, daß der von uns beschrittene Weg der einzige ist, den wir gehen können und gehen dürfen, aber auch der einzige, der zum Frieden in der Welt führt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion uns die Gelegenheit geben wird, die Sowjetunion zu überzeugen. Ich zitiere aus der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, die er nach der Konferenz von Moskau abgegeben hat: Das Fehlen von Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten, die sich daraus für uns ergebende Unmöglichkeit, unsere nationalen Anliegen auch selbst in Moskau zu vertreten, ist eine Anomalie. . . . Ich glaube daher, daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion in Verbindung mit der gerad({51}) linigen Weiterführung unserer Bündnispolitik mit dem Westen in der Frage der Wiedervereinigung fördernd wirken wird. Das bedeutet nicht, daß wir mehrgleisige Verhandlungen führen werden. Zu keiner Zeit und durch keine Handlung werden wir das Vertrauen und die Freundschaft aufs Spiel setzen, die uns mit denen verbinden, die das deutsche Anliegen bedingungslos zu ihrem eigenen gemacht haben. Überhaupt kann von uns die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion zunächst nur als ein technischer Vorgang gewertet werden. Es liegt in der Hand der Sowjetunion, die Normalisierung der Beziehungen zwischen dem deutschen und dem russischen Volk zu verwirklichen. Solange die Sowjetunion von der Teilung Deutschlands und der Existenz zweier deutscher Staaten ausgeht, bestehen keine normalen Beziehungen zwischen den beiden Staaten. ({52}) Erst mit dem Tage, an dem das gesamte deutsche Volk in Moskau durch einen Botschafter vertreten ist und die Sowjetunion ein en Botschafter bei der gesamtdeutschen Regierung in der deutschen Hauptstadt bestellt, beginnt eine neue Etappe in den Beziehungen zwischen unseren Völkern. Erst von diesem Tage an werden wir von normalen Beziehungen sprechen können. ({53}) Aber noch anderes in diesem Zusammenhang auszusprechen fühlt sich die Bundesregierung verpflichtet. Die Regierung der Sowjetunion hat in Moskau die feierliche Erklärung abgegeben, die 9626 Kriegsgefangenen, die nach ihren Angaben bei ihr registriert sind, in die Heimat zu entlassen. Sie hat sich darüber hinaus verpflichtet, auch allen anderen Deutschen, die gegen ihren Willen in der Sowjetunion zurückgehalten werden, die Heimkehr zu ermöglichen. Mit Sorge hat die Bundesregierung und hat die deutsche Öffentlichkeit festgestellt, daß seit Wochen die Heimkehrertransporte ausgeblieben sind. Die Bundesregierung appelliert heute in ernster Form an die Regierung der Sowjetunion, dieses Versprechen, das an keinerlei Vorbedingungen geknüpft war, einzulösen. Tausende und aber Tausende von Menschen warten in Deutschland auf ihre nächsten Angehörigen. Es wäre unmenschlich, sie weiter in banger Sorge um ihr Schicksal warten zu lassen. Wir werden auch nichts unterlassen, um die menschlichen Beziehungen zu stärken, die die Deutschen untereinander verbinden, gleichgültig in welcher Zone sie leben. Es bestehen technische Kontakte, die wir nicht abreißen lassen wollen. Wir wollen sie sorgsam pflegen, soweit sie den 17 Millionen Menschen in der Sowjetzone helfen und nutzen können. Wer neue und zusätzliche Beziehungen zu errichten wünscht, sollte in einer Weise, die jeden Zweifel ausschließt, sagen, was er damit meint. ({54}) Die Bundesregierung weiß sich mit dem ganzen Bundestag einig in der Feststellung, daß es keine Form, auch keine verdeckte oder indirekte Form der Anerkennung eines Systems gibt, das nach unserer Auffassung von menschlicher Würde und Freiheit einem Zustand der Sklaverei nahekommt, in dem bis zur Stunde noch 17 Millionen Menschen leben müssen. ({55}) Es gibt eine, aber auch nur eine echte und überzeugende Form des gesamtdeutschen Gesprächs: die freie Wahl! Es mag sein, daß die Sowjetunion zur Zeit noch diese freie Wahl fürchtet, weil sie einem für sie schwer erträglichen Urteil von Millionen von Menschen gleichkommen wird, die sich leidenschaftlich zur Freiheit bekennen. Aber das ist kein ausreichender Grund, um freie Wahlen zu verweigern. Die ganze Welt würde an dem Ergebnis der freien Wahlen erkennen, daß das deutsche Volk in allen Teilen sich zur Demokratie, zur Freiheit und zur Zusammenarbeit mit allen bekennt, für die die Freiheit ein unverzichtbares Gut menschlicher Lebensordnung darstellt. Und es bedarf auch keiner Sorge um die Erhaltung der sozialen und politischen Errungenschaften in diesem oder jenem Teil Gesamtdeutschlands. Seine politische, ökonomische und soziale Ordnung wird sich das deutsche Volk selbst geben, und niemand wird es daran hindern. Wir werden dabei sorgfältig darauf Rücksicht nehmen, daß die Entwicklung in den getrennten Teilen unseres Vaterlandes einen verschiedenen Weg genommen hat. Das deutsche Volk wird an dem Tage, an dem es seine Freiheit zurückerhält, sich versöhnen, aber sich nicht entzweien. Es wird alle Kräfte anrufen, sich an dem gemeinsamen Aufbau eines sozialen Rechtsstaates zu beteiligen. Es wird nicht vergelten, sondern verzeihen. ({56}) Wir können uns nur auf diese große Aufgabe vorbereiten, indem wir im Bereich der Bundesrepublik fortfahren, die politische und soziale und ökonomische Ordnung zu festigen. Wir können es nur, indem wir uns zu den Grundsätzen der Freiheit und der Demokratie bekennen und sie verwirklichen, um den letzten Zweifelnden zu überzeugen, daß das deutsche Volk in allen seinen Teilen nur den einen Wunsch hat, dem Frieden und der Freiheit zu dienen. ({57})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren! Einer Vereinbarung der Fraktionen im Ältestenrat zufolge soll die Diskussion der Regierungserklärung erst morgen um 9 Uhr erfolgen. Wir gehen zu Punkt 2 der Tagesordnung über: Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Deutsche Bedienstete bei den alliierten Besatzungsbehörden, insbesondere den Dienstgruppen ({0}). ({1}) - Meine Damen und Herren, das war keine Aufforderung, den Saal zu verlassen. ({2}) Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Eschmann. Eschmann ({3}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal ist es notwendig, sogar dringend notwendig geworden, daß das Hohe Haus über eine Große Anfrage meiner Fraktion mit der Situation der deutschen Dienstgruppen im besonderen, aber auch mit der Frage der Direktbeschäftigten bei den alliierten Behörden befaßt wird. Es ist selbstverständlich, daß die Situation der Dienstgruppen und der Di({4}) rektbeschäftigten in den einzelnen Zonen und bei den einzelnen Besatzungsbehörden unterschiedlich ist. An dieser Stelle kann das ganze Problem nur in einem allgemeinen Überblick behandelt werden. Auf die besonderen Verhältnisse, allzusehr aufs einzelne abgestellt, einzugehen, würde sicherlich zu weit führen. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, ich bitte um ein wenig Ruhe; der Redner ist nicht zu verstehen. ({0}) - Nein, es liegt nicht am Redner, es liegt an Geräuschen im Saal, die unterbleiben könnten. Eschmann ({1}), Anfragender: Die in der Anfrage meiner Fraktion angesprochene Angelegenheit hat in der Vergangenheit schon des öfteren den 1. und auch den 2. Deutschen Bundestag in seinen Plenarsitzungen beschäftigt; seit dem Bestehen der Bundesrepublik und dieses Bundestages ist das im ganzen, so glaube ich, fünf- oder sechsmal der Fall gewesen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, bitte ich um Ihr wohlwollendes Verständnis, wenn ich heute, bevor ich zur Begründung der einzelnen Punkte unserer Anfrage komme, einige in die Vergangenheit zurückschauende Bemerkungen über die Verhältnisse der Dienstgruppen, ihre Entstehung und ihre Entwicklung im Zusammenhang mit den vorhergegangenen Debatten in diesem Hohen Hause mache. Wenn man sich nämlich einmal der Mühe unterzieht, die Protokolle des 1. Deutschen Bundestages, die dieses Thema zum Gegenstand haben, einer Prüfung zu unterwerfen, dann stellt man fest, daß sich wie ein roter Faden in den Ausführungen der Sprecher aller Fraktionen immer wieder zwei Dinge im besonderen abzeichnen. Einmal war es die Sorge, daß die Dienstgruppen der damaligen Zeit und auch die der Zukunft niemals vormilitärische Organisationen oder, wie man es damals ausdrückte, gar eine Vorleistung zu einem eventuellen Wehrbeitrag oder einer kommenden Wehrmacht sein dürften. Zum andern ist in diesen Protokollen immer wieder die Rede von einer bestimmten Zwielichtigkeit, aus der man die Angehörigen der Dienstgruppen herausbringen müsse. Gemeint war in diesen Debatten mit dieser Zwielichtigkeit die in der Tat damals recht seltsame Stellung dieser Menschen im völkerrechtlichen Sinne. Niemand konnte voraussehen, was die politische Entwicklung bringen und welche Situation sich ergeben würde. Heute wissen wir z. B., was geworden ist, nachdem die Verabschiedung der Pariser Verträge hinter uns liegt. In den Reden um diese Zwielichtigkeit lag ebenso die Forderung begründet, daß man unbedingt zu klaren abgrenzenden Verhältnissen, und zwar ganz besonders im arbeitsrechtlichen Sinne, zwischen der Regierung der Bundesrepublik und den alliierten Besatzungsmächten für die Betroffenen kommen müsse. Es scheint mir von Nutzen, heute an dieser Stelle, wenn auch nur in kurzen Darlegungen, die damaligen Verhältnisse der Dienstgruppen und allgemein der Beschäftigten der Besatzungsbehörden - so etwa als Gedächtnisstütze für die weitere Behandlung unserer Anfrage - in Erinnerung zurückzurufen. Meine Damen und Herren, in diesem Jahre blikken die Dienstgruppen in unserer Bundesrepublik auf ihr rund zehnjähriges Bestehen zurück. Zehn Jahre sind in einem Zeitabschnitt, auch im politischen Leben, nicht viel. Sie finden eine Bewertung bei den Völkern, wenn sie einschneidend und bedeutungsvoll waren. Zehn Jahre sind aber für ein Einzelschicksal von ganz eminenter Bedeutung, ganz besonders dann, wenn sie eine Schicksalsgemeinschaft berühren, wie wir sie gerade in den Dienstgruppen vor uns haben. Diese Menschen sind doch damals in dem Chaos des völligen Niederganges unseres Volkes zu einem großen Teil geradezu in eine Schicksalsgemeinschaft hineingezwungen worden; es geschah zum Teil ungeahnt und ungewollt. Es ist schwerlich ein ähnliches Beispiel zu finden. Viele Angehörige der Dienstgruppen haben ihre Heimat verloren. Ohne Verwandte und Bekannte in ihrer Umgebung zu haben, standen sie damals vor den Fragen des nackten „Was nun?" und des „Wohin?". Jener chaotische Zeitpunkt, als die letzten Bewegungen der deutschen Wehrmachtverbände im Mai, Juni 1945 zum Erliegen kamen, war die Geburtsstunde der deutschen Dienstgruppen. Für die Männer der Dienstgruppen gab es seinerzeit überall Arbeit in Hülle und Fülle. Aus Unordnung und Chaos mußte Ordnung geschaffen werden. Ganz besonders war das in den vielen Lägern mit Internierten und Gefangenen notwendig. Die Versorgung der Insassen dieser Läger mußte sichergestellt werden, Kriegsmaterial und Minen mußten geräumt, Straßen und Brücken in einen benutzungsfähigen Zustand gebracht werden. Ich glaube, meine Damen und Herren, es schadet nichts, auch einmal zum Lobe und zur Ehre dieser Männer zu sagen, daß sie diese Arbeit gut vollbrachten, und zwar zu einem großen Teil ebenso selbstlos, wie sie ihre Pflicht im Kriege getan hatten. Ich möchte hier nur in Erinnerung zurückrufen, daß allein bei der Säuberung des Hürtgenwaldes zwischen Düren und Aachen von Minen rund 50 Männer der Dienstgruppen ihr Leben ließen. Ich hatte geglaubt, daß die Bundesregierung aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens der Dienstgruppen wenigstens einige anerkennende Worte an irgendeiner Stelle, etwa im Bulletin, für sie gefunden hätte. Das ist nicht geschehen. Schade! Diese Arbeiten wurden damals zumeist unter Anleitung und im Auftrage der Alliierten durchgeführt. Die erste Zeit der Berührung der Dienstgruppen mit den Alliierten war für die Männer allerdings keine rosige. Keiner von ihnen, so glaube ich, wünscht diese Zeit zurück. Es war die Zeit einer inneren und äußeren Unordnung, eine Zeit der Willkür und - es mag vielleicht hart klingen - oft auch der Erniedrigung. Ich werde nachher bei der Behandlung der einzelnen Punkte unserer Anfrage darauf zurückkommen müssen, daß es leider auch heute noch, nach mehr als zehn Jahren, im Bereich der Besatzungsbediensteten Beweise für entwürdigende und zum Teil erniedrigende Umstände für die Betroffenen gibt. Ich darf zusammenfassen: Dieses Hohe Haus, die Bundesregierung und vor allem auch die alliierten Besatzungsmächte sollten erkennen, daß es den Männern der Dienstgruppen gegenüber so etwas wie eine, na, sagen wir es ruhig, Dankesschuld gibt. Der geschuldete Dank sollte ihnen erwiesen werden, aber nicht durch Worte, sondern durch die ({2}) Tat, wenn man bereit ist, Recht und Menschenwürde gelten zu lassen. So sollten sich, meine ich, die Alliierten z. B. einmal ruhig überlegen, ob nicht jetzt oder vielleicht schon längst der Zeitpunkt gekommen ist, der deutschen Führung der Dienstgruppen eine größere Selbständigkeit einzuräumen. Ich meine, die Aufsicht der alliierten Arbeitgeberseite könnte zu diesem Zeitpunkt auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden. Mir scheint nämlich, daß die Dienstgruppen ihre Bewährungsprobe bestanden haben. Also Recht und Menschenwürde gelten zu lassen, meine Damen und Herren, das sollte der Hauptzweck unserer Großen Anfrage sein. In aller Öffentlichkeit soll zu den Problemen dieser Menschen Stellung genommen werden, die vom Bundestag, von der Bundesregierung und von den Alliierten erwarten, daß man sich ihrer und ihrer Probleme besser annimmt als bisher. Wie notwendig das ist, werden auch Sie, meine Damen und Herren, einsehen, wenn ich nun zur Behandlung der einzelnen Punkte unserer Großen Anfrage komme. Ich hege hierbei die stille Hoffnung, daß im Gegensatz zu unserer letzten Anfrage am 17. Februar 1955 in der 66. Sitzung dieses Bundestages nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Sprecher der übrigen Fraktionen dieses Hauses zu der Angelegenheit Stellung nehmen und damit der Öffentlichkeit gegenüber auch ihre Meinung zum Ausdruck bringen. In Punkt 1 unserer Großen Anfrage geht es uns auch heute wieder einmal um das Sonderabkommen für die Dienstgruppen, das nun schon, sage und schreibe: seit mehr als drei Jahren zur Behandlung steht und seitens der Betroffenen nun endlich dringlichst erwartet wird. Die beschleunigte Durchführung des Sonderabkommens wurde in der 66. Sitzung dieses Bundestages - unsere damalige Große Anfrage wurde von Herrn Staatssekretär Hartmann vom Bundesfinanzministerium beantwortet - angekündigt. Heute, nach mehr als zehnmonatiger Dauer, ist aber immer noch kein Sonderabkommen für die Dienstgruppen getroffen worden. ({3}) Zwar sind einige Punkte unserer Anfrage vom 17. Februar dieses Jahres, z. B. Weihnachtsgeld und Kindergeld, inzwischen geregelt, und man ist nun auch bereit, wie kürzlich die zuständigen alliierten Stellen verlauten ließen, den Dienstgruppenangehörigen das Treugeld oder, wie man es besser nennt, die Dienstzeitprämie als freiwillige Leistung zu zahlen. Hierzu möchte ich zunächst noch folgendes besonders feststellen. Seit dem 5. Mai 1955 sind die Pariser Verträge in Kraft, und seit diesem Zeitpunkt haben die Dienstgruppenangehörigen einen verbrieften Rechtsanspruch auf einen Tarifvertrag. Dem ständigen Drängen deutscher Stellen, Gewerkschaften und Verbänden nachgebend und aus einer gewissen politischen Zwangslage heraus handelnd, um das Gesicht als sozialer Arbeitgeber nicht zu verlieren, haben die Alliierten schon jetzt der Auszahlung der Dienstzeitprämie für die Dienstgruppen zugestimmt, obwohl dies erst im Tarifvertrag für die Dienstgruppen und in den dazugehörigen Nebenabreden vorgesehen ist. Hinsichtlich dieser Dienstzeitprämie, welche um diese Zeit ausgezahlt werden soll, verhalten sich die Alliierten also so, als wäre der Tarifvertrag für die Dienstgruppen bereits in Kraft. Es gibt für mich keinen Grund, warum man dann z. B. für die diesjährige Weihnachtsgratifikation für die Dienstgruppenangehörigen nicht nach gleichen Gesichtspunkten verfahren will wie bei den Direktbeschäftigten. Seit ganz kurzer Zeit wissen wir, daß dieses Problem für die amerikanische und die englische Besatzungsbehörde geregelt ist. Es bleibt zu wünschen, daß auch die Franzosen in dieser Hinsicht folgen. Vielleicht - ich hoffe es wenigstens - kann die Bundesregierung nachher bei der Beantwortung unserer Anfrage einiges hierzu sagen. Alle diese Dinge - Gewährung von Weihnachtsgeld, Kindergeld, Dienstzeitprämie - werden von den Beteiligten mit Dank anerkannt. Ebenso - auch das möchte ich hier besonders einflechten - wird von den Dienstgruppenangehörigen mit Dank begrüßt, daß sich die zuständigen Stellen des Finanzministeriums durchweg immer bemüht haben, an einer schnellen Regelung solcher Leistungen positiv mitzuwirken. Dasselbe kann man auch über ihr Bemühen, Schnellvorschläge für den Tarifvertrag der Direktbeschäftigten und Vorschläge für das Sonderabkommen auszuarbeiten, sagen. Aber bei der ganzen Geschichte wird man nun einmal den üblen Geschmack auf der Zunge nicht los, daß es sich bei der Vorabgewährung dieser freiwilligen Leistung anscheinend doch um eine ausgesprochene Verzögerungs- und Verschleppungstaktik der alliierten Stellen handelt ({4}) mit dem Zweck, das Zustandekommen eines echten Sonderabkommens, das seine Anerkennung in dem Tarifvertrag der Direktbeschäftigten hätte, zu verhindern. ({5}) Man hat augenscheinlich auch seine Begründung dafür; darüber möchte ich aber bei der Behandlung des dritten Punktes unserer Großen Anfrage noch einiges sagen. Hier sind wir aber nun der Meinung, daß seitens des Bundesfinanzministeriums den Alliierten gegenüber klarer, eindringlicher und nachdrücklicher aufgetreten werden müßte, ({6}) damit das Sonderabkommen auch wirklich zustande kommt. Hier müßte die Bundesregierung, sprich: Bundesfinanzministerium, nach unserer Auffassung einmal selbst aus der zwielichtigen Stellung eines Vermittlers heraus und klar als Regierung und Hoheitsträger auftreten. Politisch gesehen müßte die Bundesregierung doch gerade nach dem 5. Mai dieses Jahres, nach der Wiedererlangung der sogenannten Souveränität, durchschlagende Argumente zur Verfügung haben, mit denen sie sich besser durchsetzen könnte. ({7}) Die Unruhe in den Reihen der Dienstgruppenangehörigen ist groß, und sie wächst ständig. Die Verhandlungen um das Sonderabkommen laufen, wie vorhin schon gesagt, nun bereits über drei Jahre, und die Männer der Dienstgruppen bezeichnen diese schleppenden Verhandlungen - ich gebrauche einen der gelindesten Ausdrücke - glatt als „Kuhhandel", und man kann sich schlecht des Eindrucks erwehren, daß sie das auch sind. ({8}) Meine Damen und Herren, damit ergibt sich nach unserer Auffassung leider die Tatsache, daß die ({9}) Dienstgruppenangehörigen trotz wiedererlangter angeblicher Souveränität im Gegensatz zu den Direktbeschäftigten nach wie vor unter Arbeitsbedingungen stehen wie zu Zeiten des Besatzungsstatuts. ({10}) Das ist eben nicht menschenwürdig, und das haben sie auch nicht verdient. - Ja, verehrter Herr Kollege, über diese Zustände kann man, glaube ich, nicht laut und deutlich genug reden! ({11})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Frau Abgeordnete Weber, die Redner müssen leider auf das Geräusch im Saal Rücksicht nehmen und deswegen lauter sprechen, als sie es sonst gern möchten. Es liegt also am Hause, zu bestimmen, wie laut der Redner spricht! ({0}) Eschmann ({1}), Anfragender: Es ist bei den Dienstgruppen bereits zu Entlassungen gekommen. Dazu auszugsweise nur einige Beispiele. In der französischen Zone betrafen die Entlassungen zum 1. September 1955 2 800 Mann, obwohl seitens der Franzosen kurz vorher noch erklärt worden war, es seien keine Personalkürzungen beabsichtigt. In der amerikanischen Zone kamen am 1. Juli 1955 2 500 Mann zur Entlassung, weitere Entlassungen sind zu erwarten, und in vielen Fällen sind die von der Entlassung Betroffenen alte Leute und Verheiratete mit mehreren Kindern. Diese Entlassungen haben aber leider zur Folge, daß die verbleibenden Dienstgruppenangehörigen erhebliche Überarbeit und Mehrarbeit leisten müssen, in vielen Bereichen sogar über 90 Stunden in der Woche, ({2}) und darüber hinaus noch Sonntags- und Feiertagsarbeit leisten müssen, ohne daß dafür ein Pfennig mehr bezahlt wird. ({3}) Nach den jetzt schon vorgenommenen Entlassungen müssen die verbleibenden Dienstgruppenangehörigen die Arbeit, die bisher von den jetzt Entlassenen geleistet wurde, zusätzlich übernehmen, denn der Umfang der Arbeit ist ja derselbe geblieben. Auch hierfür gibt es keinen Pfennig mehr Lohn oder Gehalt. Leider ist sogar das Gegenteil der Fall: bei den Direktbeschäftigten sind erhebliche Lohn- oder Gehaltskürzungen eingetreten. Aber darüber wäre gleich bei Punkt 2 unserer Anfrage einiges mehr zu sagen. Sie sehen, meine Damen und Herren, an diesen nur wenigen Beispielen - ich könnte ihre Zahl noch beliebig vergrößern -, daß die Dienstgruppen nach wie vor in einer bitteren Zwielichtigkeit stehen. Nur ist unverkennbar diese Zwielichtigkeit heute eine andere, als sie in den Debatten des 1. Bundestages zum Ausdruck kam. Die Entwicklung ist auch hier fortgeschritten. Die Besorgnis, daß die Dienstgruppen eine vormilitärische Einrichtung seien, daß sie eine im stillen vorbereitete Kadertruppe deutscher Streitkräfte seien, die man unbesehen in Bausch und Bogen in die deutschen Streitkräfte übernehmen könne, ist wohl heute nicht mehr zu hegen. Nach Pressemeldungen der letzten Tage ist allerdings in dieser Hinsicht um die Dienstgruppen etwas Bewegung entstanden. Erst kam die Diskussion um den Grenzschutz, und nun sind die Dienstgruppen an der Reihe. Inwieweit den einzelnen Pressemeldungen Tatsachen zugrunde liegen, will ich hier nicht untersuchen. Was aber die Meinung des Herrn Verteidigungsministers betrifft, so kann ich nur sagen, daß er noch kürzlich im Sicherheitsausschuß auf mein Befragen hin erklärte, daß eine globale Übernahme der Dienstgruppen oder die Übernahme geschlossener Einheiten überhaupt nicht in Frage käme. Nun können sich allerdings Meinungen sehr schnell ändern. Man hört ja aus dem Verteidigungsministerium heraus über diese Sache wie auch über andere Dinge nicht allzuviel. Die Presseleute gehen auch gar nicht mehr besonders gern zum Einholen von Informationen dorthin, weil eine Berührung von Journalisten mit dem Verteidigungsministerium sehr leicht in eine Schlacht ausarten oder zur Beschlagnahme von Filmen wie kürzlich in Köln führen kann. Aber vielleicht hören wir heute etwas über die wirklichen Absichten des Verteidigungsministeriums in bezug auf die Dienstgruppen. Es könnte zur Aufklärung und Beruhigung von einigen Gemütern nach meiner Meinung jedenfalls nichts schaden. Abgesehen davon liegt eine solche Absicht der geschlossenen Übernahme auch nicht im Interesse der Dienstgruppen selbst. Sie haben von sich aus bisher noch nie ein solches Ansinnen gestellt. Meine persönliche Meinung ist, daß sie sich zu einer globalen Übernahme schon auf Grund ihrer altersmäßigen Zusammensetzung gar nicht eignen. In der GSO in der britischen Zone, um nur ein Beispiel herauszunehmen, beträgt das Durchschnittsalter der Männer der Dienstgruppen 38 Jahre, vielleicht sogar noch mehr. Von diesen Angehörigen der Dienstgruppen sind zwei Drittel verheiratet, ein Drittel ledig; 75 % sind Heimatvertriebene und Flüchtlinge. Über den Dienstgruppen schwebt nach wie vor die große bange Frage: was wird aus uns? So war es schon im Anfang seit ihrer Entstehung der Fall, und diese Sorge hat die Männer immer begleitet. Heute aber geht es zunächst einmal nur darum, sie unverzüglich aus der jetzigen Zwielichtigkeit herauszubringen. Der nicht mehr tragbare Zustand eines Besatzungsrechts muß beseitigt werden. An seine Stelle muß genau wie bei den Direktbeschäftigten deutsches Arbeitsrecht treten und dann aber auch klar und ohne Abschwächung zur Anwendung kommen. Hierzu wünschen wir, daß gerade die alliierten Stellen den Sinn unserer heutigen Großen Anfrage zur Kenntnis nehmen und danach handeln. Wenn die Alliierten, wie auch aus Pressemeldungen hier und da zu entnehmen ist, Befürchtungen über die Abwanderung von Spezialisten aus den Dienstgruppen zu den deutschen Streitkräften hegen, - nun, sie haben und sie hatten es doch selber in der Hand, die Verhältnisse durch ihr eigenes Verhalten für ihre eigenen Zwecke besser zu gestalten. ({4}) Der Bundesregierung und dem Bundesfinanzministerium empfehlen wir, hierin das notwendige Rückgrat zu zeigen und die Härte zu haben, die nun einmal zur Lösung dieses Problems unbedingt erforderlich ist. ({5}) Zum Punkt 1 unserer Großen Anfrage möchte ich abschließend noch folgendes ausführen und dabei besonders wieder das Verteidigungsministerium ansprechen. Es gibt bei den Dienstgruppen tatsächlich eine große Anzahl von Männern, die auf Grund ihrer langjährigen Tätigkeit bei den Alliierten über gute Erfahrungen und Unterrichtung auf vielen Gebieten, auch auf militärischen, verfügen. Sie sind im Laufe der Zeit z. B. mit Waffen und Gerät der Besatzungsmächte vertraut geworden; sie sind auf diesem Gebiet nicht zuletzt in sprachlicher Hinsicht gut geschult. Mir scheint, sie sind ebenfalls charakterlich und in ihrer sonstigen allgemeinen Lebensweise und Einstellung zur heutigen Zeit gereift. Daher glaube ich, daß sie durchaus geeignet sein könnten, in den deutschen Streitkräften Verwendung zu finden. Daß der Herr Verteidigungsminister auch an diesen Spezialkräften besonders interessiert ist, hat er ebenfalls kürzlich in einer Diskussion im Sicherheitsausschuß bestätigt. Eines aber muß völlig klar sein: Die interessierten Männer der Dienstgruppen müssen sich genau wie jeder andere deutsche Staatsbürger auf dem üblichen Wege bewerben, wenn sie in die Streitkräfte eingestellt werden wollen. Ebenso unterliegen sie den gleichen Kontrollen wie jeder andere. Eine besondere Vorrechtstellung haben sie nicht und können sie nicht haben. Ich habe aber an das Verteidigungsministerium die Bitte, bei eventuellen Überprüfungen von Bewerbern oder deren Einstellung daran zu denken, daß es bei diesen Leuten neben Zivilisten nicht nur ehemalige Offiziere, sondern auch viele gute Angehörige aus dem früheren Mannschaftstande und ehemalige - besonders technisch qualifizierte - Unteroffiziere und Feldwebel gibt. Ich hoffe und wünsche, daß bei einer eventuellen Berücksichtigung von Bewerbern - und gerade bei den ehemaligen Soldaten - eine gleichwertige Behandlung erfolgt. ({6}) Und nun, meine Damen und Herren, zu Punkt 2 unserer Großen Anfrage. Dieser Punkt betrifft hauptsächlich die Direktbeschäftigten bei den Besatzungsmächten. Seit dem 1. Februar dieses Jahres gibt es für diesen Teil der Zivilbediensteten einen Tarifvertrag - abgekürzt: TVAL - vom 1. Februar 1955. Wie inzwischen bekannt wurde, ist dieser Vertrag aber bereits von der Gewerkschaft ÖTV federführend für alle gekündigt worden. Auf Einzelheiten dieses Vertrages hier an dieser Stelle einzugehen, würde sicherlich zu weit führen. Es muß aber an dieser Stelle etwas gesagt werden zu den Begebenheiten um die Auslegung und die Anwendung dieses Vertrages und zu den Auswirkungen, die sich daraus .für die Betroffenen ergeben. Was hierbei leider, meine Damen und Herren, an Einseitigkeit und Willkür festzustellen ist, ({7}) ja teilweise sogar auch an Diffamierung für die Bediensteten, ist nun wirklich alles andere als erfreulich. Ich sagte schon zu Beginn meiner Ausführungen, daß es auch heute noch, nach über zehn Jahren, in diesem Bereich Dinge gibt, die leider nichts von den unmöglichen Zuständen der damaligen turbulenten Zeit nach 1945 verloren haben. In diesen Bereich, den der Auslegung und Anwendung des Tarifvertrages, fällt z. B. die Neueingruppierung der Beschäftigten nach einem im Vertrag vorgesehenen, ziemlich fest umrissenen Katalog. Bei diesem Eingruppierungsverfahren zeigt sich leider, daß Einseitigkeit und Willkürlichkeit - um nichts Schlimmeres zu sagen - erhebliche personelle und materielle Nachteile für die Betroffenen herbeiführen, die - auch das muß gesagt werden - ebenso zu einem großen Teil zu Lasten der alliierten Behörden gehen. Zur Erhärtung einige wenige Beispiele von vielen. Ein Angestellter, 54 Jahre alt, verheiratet, mit einem Kind, erhält nach Vergütungsgruppe VII bisher ein Gesamtgehalt von 505 DM, nach dem TVAL Anhang 6 Gruppe 3 Stufe 2 aber jetzt nur noch 406 DM. Mithin hat er eine Gehaltseinbuße von 99 DM im Monat. Ein anderes, noch krasseres Beispiel: Ein Angestellter, 44 Jahre alt, verheiratet, sechs Kinder, erhielt bisher 681 DM; nach der neuen Situation erhält er nur noch 480 DM, er hat mithin eine Einbuße von monatlich 201 DM. Sie können sich sicher vorstellen, meine Damen und Herren, wie es einer solchen Familie zumute ist, die sich doch in ihrer ganzen Lebenshaltung auf das bisherige höhere Einkommen eingerichtet hatte und nun erheblich weniger bekommt. Und noch ein anderes Beispiel. Bei einer anderen Gelegenheit werden qualifizierte angelernte Munitionsarbeiter willkürlich als ungelernte weitergeführt, Erschwernis- und Gefahrenzulagen einfach nicht mehr gezahlt, ({8}) obwohl der TVAL, Anhang S, Ziffer 4 bis e und folgende, diese Zahlungen klar und eindeutig vorsieht. Auch das bedeutet erhebliche Einkommensminderung. Wie gesagt, die Beispiele könnten beliebig erweitert werden; die Unterlagen dafür liegen schwarz auf weiß vor. Die Hoffnungen auf Lohn- und Gehaltsaufbesserungen nach dem Inkrafttreten des TVAL sind nach diesen einseitigen Auslegungen des Vertrages mit einem Schlage zerstört worden. Die Verbitterung bei den Betroffenen ist mit Recht groß und wächst ständig. Hier erhebt sich die Frage an die Bundesregierung, an das Bundesfinanzministerium: Was gedenkt man zu tun, um diesen bitteren Verhältnissen Einhalt zu gebieten? Ein anderes Kapitel sind die Entlassungen, die ja auch bei den Direktbeschäftigten im Augenblick vorgenommen werden. Betroffen sind hier ebenfalls in erster Linie ältere Leute und Verheiratete mit Kindern. In unserer letzten Anfrage vom 17. Februar 1955 habe ich schon ausgeführt, daß diese Menschen es sehr schwer haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Einmal sind sie zu alt, um noch günstig vermittelt werden zu können, auch wenn sie erst um die 40 herum sind, und leider ist das auch in der augenblicklichen sogenannten überhitzten Konjunktur nicht viel anders. Zum andern trifft es leider immer noch zu, was schon damals zur Begründung unserer Anfrage gesagt wurde, daß nämlich die Industrie diese Menschen nicht gern aufnimmt. Man sagt es ihnen zwar nicht unmittelbar ins Gesicht, daß man sie deshalb nicht nimmt, weil sie bei den Alliierten beschäftigt gewesen sind - man findet dafür zumeist irgendeine andere fadenscheinige Begründung -; aber immer noch weisen in erster Linie diejenigen diese Menschen ab, die einer Partnerschaft mit den ({9}) Alliierten, die damals der Inkraftsetzung der Pariser Verträge und heute einer beschleunigten Wiederaufrüstung allzu eifrig das Wort reden. Das Bedauerlichste an der ganzen Tatsache aber ist folgendes. Die Betroffenen lassen diese erbärmlichen Geschehnisse über sich ergehen, weil sie regelrecht unter Druck und Angst gestellt sind, unter den Druck und die Angst nämlich, daß sie, wenn sie Einspruch erheben, gekündigt werden und ihre Beschäftigung verlieren und dann so leicht nicht mehr unterkommen. Dafür nehmen sie lieber eine Minderbezahlung in Kauf und gehen mit bitteren Gefühlen den unteren Weg. Sie werden zugeben, meine Damen und Herren, daß das wirklich nicht mehr mit der deutschen Auffassung von arbeitsrechtlichen Bedingungen zu vereinbaren ist. Hinzu kommt noch, daß sich der betroffene Personenkreis selten eine gut funktionierende Vertretung, Betriebsräte usw., hat schaffen können, weil da oft mit unüberwindlichen Schwierigkeiten gerechnet werden mußte, und zwar nicht nur bei den alliierten Behörden, sondern leider auch bei deutschen Stellen. Also von daher gab es nicht allzuviel Unterstützung für sie. Hierzu möchten wir heute eingehend erfahren, gründlicher jedenfalls als beim letztenmal, gerade auch in bezug auf Punkt 3 unserer Großen Anfrage, wie die Bundesregierung, wie das Bundesfinanzministerium oder das Bundesarbeitsministerium es sich vorstellen, daß hier Abhilfe geschaffen wird. Bitte nehmen Sie die Angelegenheit nicht auf die leichte Schulter! Die Situation ist wirklich ernst. Der Einseitigkeit und Willkür bei der Auslegung der Tarifbestimmungen muß ein Ende gemacht werden. Gerechte Entlohnung, sozial gerechtfertigte Bedingungen bei Entlassungen, gerechte Eingruppierungs- und Einstufungsverfahren müssen Platz greifen. Das Problem bleibt auch dann bestehen, wenn der TVAL jetzt von der Gewerkschaft ÖTV für alle gekündigt ist; das spielt dabei gar keine Rolle. Hier ist man wirklich geneigt, zu sagen: Bundesregierung, Bundesfinanzministerium, werde endlich hart! Sagen Sie uns bitte heute zu den Punkten 2 und 3 unserer Anfrage, welche konkreten Maßnahmen Sie ergreifen wollen, um den betroffenen Menschen die dringend notwendige Unterstützung zu geben. Nun zum letzten Punkt unserer Großen Anfrage. Aus Art. 45 Abs. 5 des Truppenvertrages ergibt sich, daß die alliierten Mächte zumindest seit dem 5. Mai 1955 zu einer arbeits- und tarifrechtlichen Regelung der Arbeitsverhältnisse für die Dienstgruppen grundsätzlich verpflichtet sind. Es heißt dort wörtlich: Die bei Inkrafttreten dieses Vertrages. geltenden Arbeitsbedingungen im Sinne des Unterabsatzes ({10}) des Abs. ({11}) des Art. 44 werden alsbald - und das Wörtchen „alsbald" muß hier unterstrichen werden im Einvernehmen zwischen den deutschen Behörden und den Behörden der Streitkräfte überprüft und im wesentlichen einheitlich festgelegt. Allerdings hatten sich die Alliierten schon am 28. Januar 1955 zu diesen Maßnahmen verpflichtet, als sie den Tarifvertrag für die Direktbeschäftigten genehmigten, der in § 1 Ziffer 3 vorsieht, daß die Arbeitsbedingungen in einem Sonderabkommen geregelt werden. Nach den Verträgen sollen nun die Dienstgruppen innerhalb von zwei Jahren aufgelöst werden. Aber noch ist es nicht so weit. Wenn heute in Auswirkung des Finanzvertrages die Bundesrepublik an Stationierungskosten für ein Jahr 3,2 Milliarden DM an Stelle der bisherigen 7,2 Milliarden DM bezahlt, ergibt sich doch daraus, daß die Alliierten am 5. Mai dieses Jahres über einen Besatzungskostenüberhang von mehr als 4 Milliarden DM verfügt haben. Die ursprünglichen Besatzungskosten überstiegen also die finanziellen Bedürfnisse der Besatzungsmächte, denn anders hätte sich der Besatzungskostenüberhang überhaupt nicht ansammeln können. Aus dieser Überlegung ergibt sich, daß die Alliierten zumindest bis 1. Mai 1956 über dieselbe Menge Geld verfügen wie zur Zeit des Besatzungsstatuts. Deshalb können die Alliierten doch jetzt nicht sagen, sie seien aus budgetären Gründen gezwungen, Entlassungen größeren Stils bei ihren deutschen Beschäftigten vorzunehmen. Auch Eingruppierungen und Einstufungen mit solchen erheblichen Lohn- und Gehaltseinbußen, wie sie eben aufgezeigt wurden, stehen damit nicht im Einklang. Die Entlassungen in der französischen Zone zum 1. September 1955 aber wurden offiziell aus finanziellen Gründen durchgeführt. Ich bin der Meinung: da ist etwas faul, sogar oberfaul im Staate. Alle diese eben geschilderten Maßnahmen gehen ausschließlich auf Kosten der zivilen Beschäftigten. Das hat nun mit Souveränität wirklich nichts zu tun. Deshalb erwarten wir von der Bundesregierung eine Erklärung, wie sie sich zu diesen Verhältnissen stellt. Bitte beantworten Sie in diesem Sinne unsere Große Anfrage, aber geben Sie bitte die Antwort auch unter Zugrundelegung dieser meiner hier gegebenen Begründung. Eine große Anfrage, formuliert auf dem Papier, hat meist nur in gedrängter Form und in wenigen Sätzen den Gegenstand der Beratung zum Inhalt. Die Vertreter der Bundesregierung, die heute hierzu Stellung nehmen werden, sind, hoffe ich, mit der Materie so vertraut, daß sie im Interesse der Sache eine erschöpfende, allumfassende Antwort geben können, der meine Begründung mit zugrunde liegt. Zum Schluß noch eine kleine Randbemerkung, die Sie vielleicht als etwas zynisch empfinden werden. Anläßlich des damaligen Besuchs einer deutschen Delegation in Moskau unter der Führung des Herrn Bundeskanzlers wurde in einem Garten bei der Vorführung eines Propagandaballons, dessen Herkunft strittig war, dem Herrn Bundeskanzler gesagt, daß wir ja alliierte Streitkräfte in der Bundesrepublik hätten, und der Bundeskanzler war der Meinung, daß diese vielleicht den Ballon, der die sowjetische Luftfahrt störte, aufgelassen hätten. Der Herr Bundeskanzler wurde von Herrn Bulganin oder von Herrn Chruschtschow - genau weiß ich nicht mehr, wer es gewesen ist - gefragt: Ich denke, Herr Adenauer, Sie sind souverän? In der hier anstehenden Sache, die vielleicht nicht so wichtig ist wie die Angelegenheit in Moskau, ist man aber auch geneigt, zu fragen: Verehrte Bundesregierung, sind wir nun in dieser Sache souverän, oder sind wir es nicht? ({12})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD hat der Herr Staatssekretär der Finanzen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, mir eine Vorbemerkung zur Gro-Ben Anfrage zu erlauben. Nach der Herstellung der Souveränität sind an die Stelle der alliierten Besatzungsbehörden nunmehr die Einrichtungen der Stationierungsmächte getreten, und ich glaube, es empfiehlt sich, diesen Sprachgebrauch allgemein beizubehalten. ({0}) Der Herr Abgeordnete Eschmann hat soeben eine ausführliche Antwort auf seine mündlichen Darlegungen gewünscht. Ich darf dazu bemerken, daß mir der umfangreiche Inhalt dessen, was er zu sagen beabsichtigte, vorher nicht bekannt war. Mir hat nur die schriftlich formulierte Große Anfrage vorgelegen. Ich bin daher, wenn ich jetzt sofort antworte, auch nur in der Lage, zu den schriftlich formulierten vier Punkten Stellung zu nehmen, was ich gern so ausführlich wie möglich machen werde. Sollten darüber hinaus weitere Ausführungen gewünscht werden, so können sie selbstverständlich gemacht werden; das wäre dann aber erst in einer späteren Sitzung des Hohen Hauses möglich. Ich komme zu Punkt 1 der Anfrage: Sonderabkommen für die deutschen Dienstgruppen. Das Bundesfinanzministerium hat, wie der Herr Fragesteller erwähnt hat, in der 66. Sitzung des Hohen Hauses mitgeteilt, daß die Verhandlungen für die Dienstgruppen unmittelbar nach Abschluß des Tarifvertrags vom 28. Januar 1955 für die allgemeinen Arbeitnehmer bei den Streitkräften erfolgen würden und nach den Wünschen der deutschen Seite mit der größten Beschleunigung durchgeführt werden sollten. Die Verhandlungen sind zwischen den Vertretern der Bundesregierung, der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und der Deutschen Angestelltengewerkschaft alsbald aufgenommen worden und haben bereits am 23. und 24. Februar 1955 zum Abschluß eines Vorentwurfs geführt, der dann von den Vertragsparteien gebilligt und am 29. März 1955 den Streitkräften zur Stellungnahme zugeleitet worden ist. Ein Einvernehmen mit den Streitkräften in den Grundsatzfragen war im Hinblick auf Art. 45 Abs. 5 des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte erforderlich. Bei der Abstimmung über die Grundlagen dieser Sondervereinbarungen müssen ja die Besonderheiten der Aufgaben der Dienstgruppen mit den Bedürfnissen der Stationierungsmächte in Einklang gebracht werden. Nach mehreren zwischenzeitlichen Rückfragen der Streitkräfte beim Bundesministerium der Finanzen einerseits und bei den Regierungen ihrer Heimatstaaten andererseits haben die Streitkräfte Mitte Juli um Vorlage eines neuen Entwurfs gebeten, der die bisher entstandenen Zweifelsfragen klären sollte. Die Vertragspartner auf der deutschen Seite, die ich soeben genannt habe, haben dann am 11. und 12. August 1955 den abschließenden Entwurf einer Sondervereinbarung für die Dienstgruppen fertiggestellt und den Streitkräften bereits am 18. August 1955 mit der Bitte um Zustimmung vorgelegt. Eine Zusatzregelung, die nur die schwimmenden Einheiten der Dienstgruppen der amerikanischen Streitkräfte betrifft, wurde auf deutscher Seite am 31. August 1955 vereinbart und mit Schreiben vom 12. September 1955 den Streitkräften übersandt. Die Streitkräfte sind zur Zeit mit der Prüfung der Sondervereinbarung für die deutschen Dienstgruppen beschäftigt. Wir haben immer und immer wieder um alsbaldige Stellungnahme zu den vorliegenden Entwürfen gebeten und haben nunmehr die Mitteilung erhalten, daß am 1. Dezember 1955 um 16 Uhr, also heute nachmittag, dem Bundesministerium der Finanzen die Stellungnahme der Streitkräfte bekanntgegeben wird. Dem Vernehmen nach war es den Streitkräften bisher nicht möglich, eine Rückäußerung der Regierungen ihrer Heimatstaaten zu einem früheren Zeitpunkt einzuholen. Das Bundesfinanzministerium hätte es sehr begrüßt, wenn den Streitkräften die Übermittlung ihrer Stellungnahme wenigstens einige Tage vor der heutigen Bundestagssitzung möglich gewesen wäre, damit wir heute in die Lage versetzt worden wären, dem Hohen Hause schon den Inhalt der Antwort der Streitkräfte bekanntzugeben. Wir hoffen, daß der Inhalt dieser Antwort nunmehr einen alsbaldigen Abschluß der Verträge ermöglicht. Andernfalls würden wir unverzüglich das Hohe Haus über den Fortgang dieser Besprechungen informieren. Zur Frage 2, der Frage der Fehleinstufungen nach dem Tarifvertrag für die Angestellten bei den Streitkräften. Ich sagte schon, daß ich die hier vorgebrachten Einzelheiten nicht erörtern kann. Ich darf aber auf die Regelung verweisen, die in dem Tarifvertrag vorgesehen ist. Wir haben laufend Besprechungen einerseits mit den Gewerkschaften, andererseits mit den Streitkräften und schließlich mit den Vertretern der Länder wegen einer einheitlichen Anwendung des Tarifvertrags für die angestellten Bediensteten gehabt. In § 17 Ziffer 3 des Tarifvertrags ist ja eine Besitzstandsklausel enthalten. Diese Besitzstandregelung stellt sicher, daß die Arbeitnehmer bei gleichbleibender Arbeitszeit und bei gleichen Tätigkeitsmerkmalen ihre bisherigen Gesamtbezüge einschließlich der Kinderzuschläge für ein Jahr unverändert weiterbeziehen. Sofern nach Ansicht der Arbeitnehmer die Einstufungen den für sie zutreffenden Tätigkeitsmerkmalen nicht entsprechen sollten, haben die Lohnstellen der Länder diese zu überprüfen und im Benehmen mit den Streitkräften auf den Tarifvertrag abzustimmen. Außerdem sieht § 10 Ziffer 5 des Tarifvertrags einen paritätisch besetzten Ausschuß für die Überprüfung der Eingruppierungen vor, der vom Arbeitnehmer jederzeit angerufen werden kann. Diese Ausschüsse sind inzwischen in Tätigkeit getreten. Nach den Mitteilungen der Länder ist uns nicht bekanntgeworden, daß Fehleinstufungen größeren Umfanges vorgenommen wurden, die nicht im Wege der Überprüfung beseitigt werden könnten. Es ist angesichts der großen Zahl der Bediensteten bei den Streitkräften unvermeidlich, daß die Umgruppierungen eine längere Zeit in Anspruch nehmen. Die örtlichen Arbeitsämter mußten bei der großen Anzahl von gleichzeitig eingegangenen Umgruppierungsvorschlägen seitens der Streitkräfte vielfach rein vorsorglich Einsprüche einlegen, um die vereinbarte Widerspruchsfrist von vier Wochen nicht zu versäumen. Dabei kann es vorgekommen sein, daß bei dem einen oder anderen örtlichen Arbeitsamt einmal die Zahl der Widersprüche 80% der vorgelegten gesammelten Umgruppierungsvorschläge betragen hat. Nach Mitteilung des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen kann aber dieser hohe Hundertsatz keineswegs auf die Gesamtzahl der durchgeführten Umgruppie({1}) rungen auch nur annähernd übertragen werden. Nach Auskunft aller Länderfinanzministerien sind die Umgruppierungen Ende November nahezu abgeschlossen. Für einige Hundert Einsprüche, die aber im Verhältnis zur Gesamtzahl für die Beurteilung wohl nicht von entscheidender Bedeutung sind, fehlt noch eine abschließende Stellungnahme der Streitkräfte. Vereinzelt sind in einigen Ländern Prozesse wegen zu niedriger Eingruppierung bei den Arbeitsgerichten anhängig. Einkommensminderungen von 100 DM und mehr, wie sie soeben erwähnt wurden, können nur dann eintreten, wenn sich die Tätigkeitsmerkmale eines Arbeitnehmers nach dem Inkrafttreten des Tarifvertrags geändert haben sollten oder wenn z. B. kürzere Arbeitszeiten festgesetzt worden sind. Durch organisatorische Maßnahmen bei den Dienststellen haben sich für einzelne Arbeitnehmer Veränderungen der Tätigkeitsmerkmale ergeben. Die Auswirkungen dieser Veränderungen stehen jedoch mit der Einführung des Tarifvertrags in keinem Zusammenhang, sondern hätten ebensogut vorher wie nachher vorkommen können. Zur Frage 3: In der seinerzeitigen Beantwortung ist bereits ausgeführt worden, daß im Tarifvertrag sehr lange Kündigungsfristen vorgesehen sind und daß notfalls Sondermaßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Herrn Bundesminister für Arbeit erfolgen sollen. Die Streitkräfte haben sich auf Antrag der Bundesregierung bereit erklärt, Entlassungsmaßnahmen frühzeitig den örtlichen Arbeitsämtern und den Landesarbeitsämtern anzuzeigen, und zwar möglichst schon vor dem Aussprechen der Kündigung. Bei eventuell auftretenden Massenentlassungen ist von den Streitkräften zugesagt worden, zusätzlich die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und das Bundesarbeitsministerium davon in Kenntnis zu setzen. Auch die von mir erwähnten Sondermaßnahmen, die sich im Bereich der Streitkräfte durchführen lassen, sind mit diesen bereits besprochen worden. Dabei wurde vereinbart, bei der Vermittlung von Arbeitnehmern für Dienststellen der Streitkräfte insbesondere älteren Arbeitnehmern mit längerer Dienstzeit bei den Stationierungsmächten den Vorzug bei der Wiedereinstellung zu geben. Im übrigen ist doch wohl bei der gegenwärtigen Lage am Arbeitsmarkt nicht damit zu rechnen, daß die Arbeitsvermittlung größere Schwierigkeiten bereitet. Die Streitkräfte haben übrigens mitgeteilt, daß Entlassungen größeren Umfangs kurzfristig nicht zu erwarten seien. Zur Frage 4: Gesamtsituation. Nach Wiedererlangung der Souveränität sind für die Beurteilung der Rechtsstellung der Arbeitnehmer die Bestimmungen der Artikel 44 und 45 des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte maßgebend. Danach sind grundsätzlich die für die deutschen Bundesbehörden geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften anzuwenden mit Ausnahme der tarifvertraglichen Regelungen, soweit nicht eine gemischte Kommission, die in Art. 44 vorgesehen ist, im Hinblick auf besondere militärische Erfordernisse eine abweichende Entschließung fassen sollte. Ich muß bemerken, daß nach unseren Mitteilungen die Gesamtsituation der Arbeitnehmer bei den Streitkräften sich nach der Erlangung der Souveränität verbessert hat. Es ist auch nicht anzunehmen, daß sich nach Ablösung des Truppenvertrages durch neue Vereinbarungen auf der Grundlage des NATO-Stationierungsabkommens eine Situation entwickeln wird, die irgendwie zu ernsten Besorgnissen Anlaß geben könnte. Zusammenfassend darf ich nochmals darauf hinweisen, daß das Bundesfinanzministerium sich die Wahrung der Interessen der deutschen Arbeitnehmer bei den Einrichtungen der Stationierungsmächte bisher nachdrücklichst hat angelegen sein lassen und daß das Bundesfinanzministerium sich mit derselben Härte - so sagte wohl der Herr Fragesteller -, die es sonst bei Wahrnehmung der ihm anvertrauten Interessen anzuwenden pflegt, für die Interessen der deutschen Arbeitnehmer einsetzen ,und, falls die Vorschläge, insbesondere bezüglich der Dienstgruppen, nicht befriedigend sein werden, nachdrückliche Vorstellungen auf hoher Ebene ins Auge fassen wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Sie haben die Antwort der Bundesregierung gehört. Ich frage, ob in eine allgemeine Beratung eingetreten werden soll. Wird die allgemeine Beratung gewünscht? ({0}) - Keine ausreichende Unterstützung. ({1}) - Herr Abgeordneter Lulay, Sie wollten hier zur Sache sprechen? ({2}) - Ich kann Ihnen das Wort nicht geben, wenn nicht 30 oder mehr als 30 Mitglieder des Hauses eine allgemeine Aussprache wünschen. ({3}) - Ja, eben, Herr Abgeordneter, danach frage ich. Also Sie beantragen diese Debatte. ({4}) Die allgemeine Aussprache ist beantragt. Der Antrag ist hinreichend unterstützt. Das Wort hat der Abgeordnete Lulay.

Wilhelm Adam Lulay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001395, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, daß heute vormittag die Möglichkeit gegeben ist, sich mit dem hier schon wiederholt durch Große Anfragen aufgeworfenen Problem der Beschäftigten bei den Besatzungsmächten bzw. den jetzigen Streitkräften zu befassen. Ich bin allerdings der Meinung, daß man den Leuten, die hier betroffen sind, mehr dient, wenn man die Dinge einer nüchternen Betrachtung unterzieht, als wenn man das Problem in einer Form vorbringt, die wirklich der ganzen Sache wenig dienlich ist. Wer wie ich selber die Möglichkeit gehabt hat, an der Abfassung des Tarifvertrags für die bei den Streitkräften Beschäftigten von der ersten Stunde an mitzuwirken, der weiß, welche Schwierigkeiten gerade bei der Abfassung dieses Tarifvertrags bestanden haben. Es ist durchaus richtig, daß die Alliierten die Hauptverantwortung dafür tragen, daß die Dinge sich so lange hingezögert haben, weil sie zu Beginn und fast bis zum Schluß dieser Verhandlungen der Meinung waren, daß das deutsche Arbeitsrecht für ihre Bediensteten nicht angewendet werden könne. Erst mit der Zeit ist man dazu übergegangen, Teile des deutschen Arbeitsrechts anzuerkennen, bis dann zum Schluß die Gewerk({0}) schaften, unterstützt durch den Herrn Bundesfinanzminister, mit Recht die Auffassung vertreten haben, daß der Abschluß eines Tarifvertrags für diese Bediensteten nur unter der Voraussetzung der Anwendung deutschen Arbeitsrechts möglich ist. Wenn dieser Vertrag und vor allen Dingen diese Abkommen dazu geführt haben, daß das deutsche Arbeitsrecht nun anerkannt worden ist, dann ist das in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die Bundesregierung es durch diplomatische Schritte bei den damaligen Hohen Kommissaren erreicht hat, daß diese der Bedingung, an die der Abschluß eines Tarifvertrags geknüpft war, der Einführung deutschen Arbeitsrechts, zugestimmt haben. Bedauerlich war vor allen Dingen die Tatsache, daß die deutschen Dienstgruppen, die j a im wesentlichen in der Großen Anfrage Drucksache 1713 angesprochen worden sind, nicht in diesen Tarifvertrag aufgenommen wurden, und zwar nur deshalb nicht, weil die Alliierten die Auffassung vertreten haben, daß die besondere Dienststellung und die besonderen Tätigkeiten es nicht zuließen, diese Leute in einen Hauptvertrag einzufügen, daß für sie vielmehr ein Sonderabkommen notwendig sei. Dazu kam, daß auch die Bediensteten der Alliierten im Berliner Raum in diesen Vertrag nicht einbezogen worden sind, eine Tatsache, die wir angesichts der Berliner Situation nur allzusehr bedauern müssen. Gerade die Berliner Situation macht es notwendig, daß die Bedenken der Alliierten gegenüber diesem Tarifvertrag endlich einmal zurückgestellt werden, damit die Berliner Beschäftigten bei den Alliierten endlich zu diesem Tarifvertrag kommen. Gerade das Ausschließen der deutschen Dienstorganisationen auch in diesem Tarifvertrag bringt für die dort Beschäftigten sehr große Nachteile mit sich. Sie wurden teilweise schon angeführt. Auf eines darf ich insbesondere hinweisen: Diese Differenzierung der Beschäftigten in zwei Gruppen - in eine, die einen Tarifvertrag hat, und eine andere, die noch keinen hat - bringt es mit sich, daß nach wie vor - ich möchte nicht das Wort „Willkür" gebrauchen, wie es der Herr Kollege Eschmann getan hat - leider die Voraussetzungen einer einheitlichen Regelung - es wäre möglich, sie durch einen Tarifvertrag zu schaffen - nicht gegeben sind. Insbesondere bestehen in der Frage des Weihnachtsgeldes Unterschiede. Die amerikanischen und britischen Stellen haben sich entschlossen, bei den Dienstorganisationen Grundsätze anzuwenden, die bei den unter den Haupttarifvertrag fallenden Personen angewendet werden. In der französischen Zone jedoch gibt man diesen Leuten lediglich 50 DM. Eine Schreibkraft bei den Amerikanern erhält einen Weihnachtsbetrag von 150 bis 200 DM, während sich ein kinderreicher Familienvater, der bei den Dienstorganisationen der Franzosen beschäftigt ist, mit 50 DM zufrieden geben muß. ({1}) Durch das Nichtabschließen des Tarifvertrags für die bei den Dienstgruppen Beschäftigten ergibt sich einerseits eine erhebliche Unsicherheit. Ich darf nur daran erinnern, daß die Fragen des Kündigungsschutzes, des Urlaubs, der Strafen, der Gerichtsbarkeit die Betroffenen in dienstrechtlicher und sozialpolitischer Hinsicht in ständiger Unruhe halten. Auf der anderen Seite ist der nicht mehr vertretbare Zustand vorhanden, daß Bürger der souveränen Bundesrepublik im eigenen Lande nach fremdem Recht behandelt werden. ({2}) Das Finanzministerium und die beteiligten Gewerkschaften haben bereits frühzeitig - das wurde auch durch die Antwort des Herrn Staatssekretärs bestätigt - an einem Vertragsentwurf gearbeitet, ihn fertiggestellt und den Alliierten zugeleitet. Diese haben leider erst zu spät zu diesem Entwurf Stellung genommen und dann Beanstandungen vorgetragen, die eine Klärung in einem weiteren Entwurf notwendig gemacht haben. So ist hier wirklich eine Verschleppung eingetreten, die keineswegs im Interesse der dort beschäftigten Menschen liegt. Vor Abschluß des Haupttarifvertrags bestanden sowohl zwischen den einzelnen Zonen - das muß hier einmal gesagt werden, um die Schwierigkeiten darzustellen, die dem Abschluß eines solchen Tarifvertrags entgegenstanden - als auch innerhalb der einzelnen Zonen Unterschiede in den Arbeitsbedingungen und in der Entlohnung. So wurden z. B. in der britischen Zone die TOB, also die Grundsätze der Entlohnung für die gewerblichen Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, Industrietarife, ortsübliche Tarife, die TOA für die Angestellten, ein sogenannter Militärtarif usw. angewendet; insgesamt wurden einige Hundert Tarife zur Entlohnung dieser Leute angewandt. Dieses Durcheinander wurde durch den Abschluß dieses Tarifvertrags in dankenswerter .Weise beseitigt. Herr Kollege Eschmann, Sie haben im besonderen die Eingruppierungsfrage hier ausgeweitet. Bei einem solchen Durcheinander von angewandten Tarifverträgen für die Bezahlung dieser Leute liegt es in der Natur der Sache, daß bei Anwendung des neuen Tarifvertrags Fehleinstufungen und gewisse Härten auftreten. Dazu kam - und das war in der Angelegenheit mit das Entscheidende -, daß bei Inkrafttreten des Vertrags vor allen Dingen von der britischen Seite, aber auch von der amerikanischen Seite aus ein neuer Stellenplan und neue Eingruppierungsrichtlinien angeordnet worden sind, ohne daß man darüber die Tarifvertragsparteien verständigt hat. Es wäre nach meiner Auffassung viel richtiger gewesen, wenn sich die alliierte Seite über diese Maßnahmen mit den Vertragsparteien verständigt hätte. Dann wären vermutlich manche Härten und, manche Unruhe, die namentlich im Raum von Nordrhein-Westfalen aufgetreten sind, vermieden worden. Mit entscheidend für die Maßnahmen der Alliierten ist gewesen, daß die Bediensteten der Besatzungen, ehe der Tarifvertrag und ehe die Pariser Abkommen mit dem Truppenvertrag und den darin vorgesehenen Folgen in Kraft traten, durch die Besatzungskostenämter aus deutschen Mitteln entlohnt wurden, während sie jetzt mit alliierten Mitteln bezahlt werden müssen. Ich bin überzeugt: wenn dieser Zustand heute noch bestünde, wäre manche Schwierigkeit nicht aufgetaucht. Man hat das Gefühl, daß hier die Sparsamkeit teilweise übertrieben worden ist. Vermutlich ist man von einem Extrem in ein anderes hineingefallen. Was die Eingruppierungen selbst betrifft, so ist es folgendermaßen. In § 10 Ziffer 3 des Tarifvertrags ist ein paritätisch zusammengesetzter Eingruppierungsausschuß festgelegt, und es ist jedem einzelnen möglich, vor diesem im Beschwerdeverfahren eine Änderung seiner Eingruppierung zu ({3}) erwirken. Man wollte durch die Aufnahme dieser Bestimmung im Tarifvertrag Schwierigkeiten, die bei der Eingruppierung auftreten, möglichst weitgehend im eigenen Hause beseitigen, ohne die Arbeitsgerichte oder sonstige Rechtseinrichtungen zu behelligen. Daß von dieser Beschwerdemöglichkeit weitgehend Gebrauch gemacht worden ist, liegt in der Natur der Sache. Ein großer Teil hatte nämlich Gründe dazu. Allerdings sind die Beschwerden zum weitaus größten Teil abgeschlossen. Der Tarifvertrag bestimmt nichts darüber, daß damit etwa die Sache erledigt sei; vielmehr kann jeder, der sich nach Abschluß des Beschwerdeverfahrens noch irgendwie beschwert fühlt, das Arbeitsgericht in Anspruch nehmen. Von dieser Möglichkeit ist in der Vergangenheit ebenfalls Gebrauch gemacht worden. Zur Vermeidung besonderer Härten wurde in einem weiteren Paragraphen des Tarifvertrags eine sogenannte Besitzstandsklausel aufgenommen, die vor allen Dingen dort von Bedeutung ist, wo die Beschäftigten nach den Grundsätzen der TOA und der TOB entlohnt wurden und Kinderzuschläge erhielten, die nach dem Inkrafttreten des Tarifvertrags nicht mehr gewährt werden. In der Zwischenzeit sind durch die Bestimmung, daß auch den Bediensteten bei den Alliierten die Kinderzuschläge zugute kommen, die durch das Familienausgleichskassengesetz festgelegt worden sind, in dieser Richtung bereits gewisse Ausgleiche erfolgt. Die Besitzstandsklausel läuft bis zum 31. Januar des nächsten Jahres. Es besteht aber die Absicht, eine neue Besitzstandsklausel zu vereinbaren, die über diesen Termin hinaus in besonderen Härtefällen zur Anwendung kommen soll. Dahingehende Besprechungen mit den Sozialattachés und den Personalsachbearbeitern der Streitkräfte haben dieser Tage bereits stattgefunden und scheinen auch einen Erfolg zu bringen. Daß sich die Bundesregierung, vertreten durch den Herrn Bundesfinanzminister, alle erdenkliche Mühe gegeben hat, in Verbindung mit den Gewerkschaften die aufgetretenen Schwierigkeiten rasch zu beseitigen, muß unter allen Umständen hier einmal lobend erwähnt werden. Ich möchte nur dem Herrn Staatssekretär gegenüber - der Herr Bundesfinanzminister ist leider nicht da - die Bitte aussprechen, einmal zu überprüfen, ob das beim Bundesfinanzministerium eingerichtete Sachgebiet personell ausreichend besetzt ist, um den gestellten Aufgaben gerecht zu werden. Mir jedenfalls scheint die Besetzung nicht ausreichend, wenn ich mir überlege, welche Aufgaben dieser Stelle zugeordnet sind. Eine der Aufgaben dieses Sachgebietes ist es, die alliierten Stellen in allen arbeitsrechtlichen, tarifrechtlichen und sozialpolitischen Fragen zu beraten. Wenn das Sachgebiet in der Vergangenheit, mindestens in den ersten Monaten nach Inkrafttreten des Tarifvertrags, entsprechend besetzt gewesen wäre, hätte bei der Anwendung des neuen Vertrags manche Härte vermieden werden können. Statt dessen haben sich die alliierten Stellen Mitarbeiter bedient, die, obwohl Deutsche, leider nicht allzusehr an einem harmonischen Ablauf der Dinge interessiert waren und denen es oft nur darauf ankam, selbst alle Möglichkeiten des Tarifvertrags für sich auszuschöpfen, ohne daß sie zu einer Befriedung ihre Mitarbeit geboten hätten. Ich kann mich mit der Auffassung des Herrn Staatssekretärs durchaus einverstanden erklären, daß durch die Aufnahme der deutschen Kündigungsschutzbestimmungen und aller anderen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in den Tarifvertrag eine Sicherung des Arbeitsplatzes gewährt worden ist, zumal da - das ist dabei noch entscheidend - durch die Artikel 44 und 45 des Truppenvertrages weitere Sicherheiten gegeben worden sind. Der Herr Staatssekretär hat auch angeführt, daß im Zusammenhang mit der Ablösung des Truppenvertrages durch entsprechende Abmachungen mit der NATO gewisse Absichten bestehen, die deutschen Dienstorganisationen über den in dem Truppenvertrag vorgesehenen Zeitraum von 24 Monaten hinaus zu beschäftigen. Ich bin dagegen der Meinung, daß wir dem Wunsche, der da und dort vorhanden ist, nicht Rechnung tragen sollten. Wenn die 24 Monate abgelaufen und die Voraussetzungen gegeben sind, könnten die Leute in diesen Organisationen, in denen wir nach wie vor, soweit die Wachleute in Frage kommen, immer etwas Militärisches erblickt haben und erblicken, vielmehr von den inzwischen aufgestellten deutschen Streitkräften ohne weiteres übernommen werden. Die Alliierten haben im letzten Jahr rund 200 000 Bedienstete infolge Wegfallens von Aufgaben und infolge von Einschränkungen entlassen. Die zur Entlassung Gekommenen haben zum allergrößten Teil in der Wirtschaft ein Unterkommen gefunden. Wenn in der Unterbringung irgendwelche Schwierigkeiten aufgetreten sind, dann ist es auch hier wieder das Problem der älteren Angestellten, das auch bei anderen Gelegenheiten immer eine besondere Rolle spielt. Es wäre wichtig und wertvoll, daß man bei den Möglichkeiten, die sich neuerdings bei den deutschen Streitkräften ergeben, insbesondere an die Unterbringung der älteren Angestellten denkt. Nach meiner Auffassung und meinem Überblick über die Dinge, den ich nun einmal habe, ist kaum zu erwarten, daß in der nächsten Zukunft bei den alliierten Dienststellen und bei den Streitkräften größere Entlassungen von Zivilbeschäftigten vorkommen werden; denn die rund 300 000 Beschäftigten, die heute noch dort sind, sind das Minimum dessen, was erforderlich ist, um den Aufgaben, die in den Verwaltungen, den Kasernen usw. gestellt sind, gerecht zu werden. Bei der Lage des deutschen Arbeitsmarktes ist es auch ohne weiteres möglich, einzelne zur Entlassung kommende Arbeitskräfte unterzubringen. Auf eines darf ich allerdings in diesem Zusammenhang hinweisen. Leider besteht in weiten Kreisen der Wirtschaft, auch in gewissen Verwaltungen, die Meinung, daß es sich bei diesen Menschen um minderwertige Arbeitskräfte handelt. Gegen diese Art von Diskriminierung möchte ich mich mit aller Schärfe wenden. Bei diesen Menschen handelt es sich zum weitaus größten Teil um hochwertige Arbeitskräfte, von denen die meisten schon acht bis zehn Jahre bei den Alliierten beschäftigt sind und nur deshalb eine Beschäftigung bei den Alliierten gesucht und gefunden haben, weil sie zu jener Zeit, 1945/46, in der deutschen Wirtschaft infolge ihres Darniederliegens eine Unterkunftsmöglichkeit nicht gefunden haben. Ich erinnere dabei daran, daß sich unter diesen Beschäftigten ein sehr großer Teil von Heimatvertriebenen befindet, die erst durch die Aufnahme einer Beschäftigung bei den Alliierten wieder eine Existenzgrundlage erhalten haben. Dabei gibt es unter diesen Menschen eine ganze Anzahl hervorragender Fachleute und Spezialisten; ich denke hier vor allem an die Radar-Spezialisten, an hochwertige Facharbeiter für Baugerät, Spezialmaschinen, an Flugpersonal ({4}) usw. Diese Menschen sind langgeschultes Fachpernal, zum Teil noch geschult in der ehemaligen deutschen Wehrmacht. Sie haben ihre Kenntnisse bei den Alliierten nur erweitern können, und ich möchte meinen, daß sich der Bundesminister für Verteidigung die Kenntnisse und Fähigkeiten dieses Personals zunutze machen sollte, wenn sich etwa die Notwendigkeit ergibt, solches Fachpersonal bei den neuen deutschen Streitkräften zu beschäftigen. Allerdings möchte ich mich ebenfalls dagegen wenden, daß man diese Dienstorganisationen korporativ in die neuen deutschen Streitkräfte übernimmt. Man sollte vielmehr diese Leute je nach Notwendigkeit und je nach Charakter und Fähigkeiten einstellen. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Wilhelm Adam Lulay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001395, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Hier meldet sich einer der Herren Kollegen. - Herr Abgeordneter, wünschen Sie eine Frage zu stellen? ({0}) Auf Mikrophon 12 ist hier eine Lichtmeldung. ({1}) - Also, meine Damen und Herren, ich bitte sich doch mit etwas Zweckmäßigerem zu beschäftigen als mit unserem komplizierten technischen Apparat! ({2}) Sie sehen, welche Folgen das hat! Fahren Sie fort, Herr Abgeordneter!

Wilhelm Adam Lulay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001395, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Durch die Verwendung dieser Leute in den neuen deutschen Streitkräften könnte nach meiner Auffassung viel Zeit und Geld für die Ausbildung anderer Personen erspart werden. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß in dem Tarifvertrag alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen Berücksichtigung gefunden haben. Damit ist für die Betroffenen eine wesentliche Sicherheit geschaffen worden. Ich hoffe auch, daß es baldigst möglich ist, den Sondervertrag für die Arbeitseinheiten abzuschließen, wie ich mich auch der Hoffnung hingebe, daß auch der Berliner Vertrag nun endgültig und rasch, d. h. noch vor Weihnachten, seinen Abschluß findet. Ich glaube hier auch dem Willen der Mitglieder dieses Hohen Hauses zu entsprechen, wenn ich an die Alliierten den Wunsch richte, daß sie nun nicht nur den Vertragsabschluß beschleunigen, sondern auch die Bedenken, die da und dort gegen die Anwendung des deutschen Arbeitsrechts lautwerden, endgültig zurückstellen und damit diesen 50 000 deutschen Arbeitnehmern durch die Anwendung des deutschen Arbeitsrechts endlich die soziale Sicherheit gewähren, die jeder andere deutsche Staatsbürger besitzt. Die Bundesregierung möchte ich bitten, alle Möglichkeiten auszunutzen, damit der Vertragsabschluß beschleunigt und den Leuten die entsprechende Sicherheit gegeben wird. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, annehmen zu können, daß das Lichtzeichen, das soeben versehentlich gegeben wurde, wohl ein Zeitzeichen aus der Sorge um unsere heutige Tagesordnung gewesen sein könnte. Ich darf mich daher nach den bisherigen ausführlichen Vorlesungen für die Fraktion der Freien Demokraten auf eine kurze freie Rede beschränken. Wir begrüßen die Anfrage der Fraktion der SPD über die Dienstgruppen, weil wir glauben, auf diese Weise auch vom Parlament aus einen gewissen Druck auf die bisher leider verschleppten Tarifverhandlungen ausüben zu können. Wir stehen auf der gleichen Basis wie die bisherigen Sprecher. Wir unterstellen, daß das ganze Haus gewillt ist, sich des Schicksals der 50 000 Dienstgruppenangehörigen anzunehmen, und "daß es in dieser Frage keine Unterschiede gibt. Ich unterstreiche das, was der Kollege Eschmann in seiner Begründung hier dargelegt hat, daß sich viele der Dienstgruppenangehörigen nach 1945 Verdienste um die Verständigung mit den Siegermächten erworben haben. Viele von ihnen konnten nicht mehr nach ihrer mitteldeutschen oder ostdeutschen Heimat zurück und waren gewissermaßen darauf angewiesen, das am Anfang in der deutschen Bevölkerung keineswegs angesehene Amt eines Dienstgruppenangehörigen anzutreten. 70 % der Dienstgruppenangehörigen sind Heimatvertriebene. Wir sollten aber nicht nur die materiellen Werte anerkennen, die diese Menschen in der Verwaltung von Gerät, in der Ersparnis von Besatzungskosten ihrem Volk zugute kommen ließen. Wir sollten auch die ideellen Werte anerkennen, die darin liegen, daß die Dienstgruppenangehörigen die ersten waren, mit denen die Siegermächte zusammenarbeiten mußten. Das hat viel dazu beigetragen, Brücken von Mensch zu Mensch zu schlagen und die Kollektivurteile der Vergangenheit über Deutschland zu revidieren. Es darf auch nicht vergessen werden - auch das darf ich noch einmal unterstreichen -, was die Dienstgruppenangehörigen bei den Katastrophen in Bayern und in Holland geleistet und wie oft sie unter Lebensgefahr bei den Minenräumern zu Lande und zur See für uns alle ein schwieriges Werk vollbracht haben. Nun ist jedoch in der Frage der Tarifverhandlungen nach unseren Informationen, Herr Kollege Eschmann, die Verzögerung vielleicht nicht nur auf seiten der Bundesregierung zu suchen, sondern möglicherweise auch auf der Seite der Tarifverhandlungspartner selbst. Wir erfahren, daß die Ursachen zum Teil in der hinhaltenden Taktik der englischen und französischen Stellen liegen, zum Teil aber auch in einer gewissen Verzögerungstaktik der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, indem diese Gewerkschaft auf ihrer Forderung bestehenbleibt, die Entlohnung ausschließlich nach Tätigkeitsmerkmalen zu stufen. Die Dienstgruppen lassen sich aber nicht ohne weiteres' in ein solches Schema pressen. Das hat verwaltungstechnische und dienstliche Gründe! Wie in der öffentlichen Verwaltung, so gibt es auch bei den Dienstgruppen Dienststufen. Über diese Frage konnte bei den Tarifvertragsverhandlungen bisher leider keine Verständigung erzielt werden. Die Gewerkschaft ÖTV wehrt sich, solche Dienststufen anzuerkennen, weil sie zugegebenermaßen in den Dienstgruppen einen Modellfall für ähnliche Orga({0}) nisationen im Rahmen der Verteidigungsstreitkräfte sieht. ({1}) - Das ist die Information, die wir von leitenden Angehörigen der Dienstgruppen selbst haben. Nun eine Frage, die der Kollege Eschmann zu Ziffer 3 angeschnitten hat: die Frage der Verwendung der Dienstgruppenangehörigen bei den künftigen Verbänden der Wehrmacht. Ich glaube, wir sollten uns keine Sorge bezüglich des Arbeitsmarktes machen. Hier unterstreichen wir das, was der Staatssekretär Hartmann bezüglich der Unterbringungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt gesagt hat. Herr Kollege Eschmann, niemand hat bisher daran gedacht, die Verbände der Dienstgruppen kollektiv oder korporativ als Kader für die neuen Verbände zu übernehmen. Wir haben ja gerade in einer der nächsten Sitzungen als Tagesordnungspunkt den Bericht des Bundesministers für Verteidigung über die Behandlung der Dienstgruppen vorgesehen. Auf der anderen Seite ist aber nicht zu verkennen - das haben Sie ja selber festgestellt -, daß sich bei den 50 000 Dienstgruppenangehörigen eine erhebliche sprachliche und auch technische Erfahrung angesammelt hat. Wir werden auf Grund des amerikanischen Hilfsgesetzes, das wir als nächsten Tagesordnungspunkt heute behandeln, Milliardenwerte an ausländischem Gerät übernehmen. Es kommt sehr darauf an, schon bei der Übernahme des Geräts, aber auch nachher bei der Pflege und Wartung Verluste möglichst zu vermeiden. Hier müssen wir auf jene Kräfte zurückgreifen, die bei den Dienstgruppen schon in den vergangenen zehn Jahren die Pflege und Wartung dieses amerikanischen, englischen, französischen Rüstungsmaterials übernommen haben. Wir werden wahrscheinlich auch kleine Teams und Organismen - etwa 30 bis 50 Leute - geschlossen übernehmen. Ich denke an technische Teams auf Flugplätzen oder bei großen Depots. Man sollte also die individuelle Übernahme nicht streng auf eine Einzelperson beschränken, sondern möglicherweise auch die Teams zusammen-lassen; man sollte organisch Gewachsenes nicht willkürlich zerreißen. - Ich sehe an Ihrem Kopfnicken, Herr Kollege Eschmann, daß Sie der gleichen Auffassung sind. Eine Kaderübernahme - gewissermaßen als nachträgliche Remilitarisierung durch die Hintertür - wird von niemandem beabsichtigt, und selbst unsere Partner aus dem NATO-Vertrag würden sich dagegen sträuben müssen, weil auch sie für eine Übergangszeit auf die Weiterarbeit eines großen Teils der Dienstgruppenangehörigen angewiesen sind. Ich möchte mit diesen Bemerkungen unsere Stellungnahme zu der Frage der Dienstgruppenangehörigen beenden, in der Hoffnung, daß baldigst ein Vertrag abgeschlossen wird, der auf der einen Seite den Erfordernissen der Dienstgruppenangehörigen Rechnung trägt und sie nicht weiter unter Sonderrecht stellt, auf der andern Seite aber die Dienstgruppenangehörigen auch davor bewahrt, in ein allzu schematisches, formalistisches Tarifsystem gepreßt zu werden. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen zu Punkt 2 der Tagesordnung liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Der Punkt 2 ist erledigt. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 30. Juni 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Verteidigungshilfe ({0}). Ich frage, ob das Wort zur Einbringung bzw. Begründung gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Beratung in der ersten Lesung. Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr Riederer von Paar.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Pariser Verträge, insbesondere der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO, haben der Bundesrepublik militärische Verpflichtungen auferlegt. Sie hat einen militärischen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung des freien Westens übernommen. Wir kennen die Sorgen, die wir in diesen Monaten über ,die finanzielle und wirtschaftspolitische Durchführung dieses Verteidigungsbeitrages gehabt haben. Wir wissen, daß die Übernahme dieser Verpflichtung gar nicht möglich gewesen wäre, wenn nicht die Zusage der militärischen und der finanziellen Hilfe von seiten der Vereinigten Staaten vorgelegen hätte. Wir befinden uns dabei in keiner anderen Lage als die übrigen NATO-Staaten. Es ist bekannt, daß diese, einschließlich der Großmächte wie Frankreich und Großbritannien, ebenfalls Hilfeleistungen in Geld und in Natur von den Vereinigten Staaten erhalten haben. Die Hilfe wird grundsätzlich unentgeltlich gewährt, entweder endgültig überlassen oder leihweise ohne Vergütung. Es ist deshalb verständlich, daß die Vereinigten Staaten ihre Hilfe an Bedingungen knüpfen. Diese Bedingungen werden jeweils mit den Empfängerstaaten vertraglich vereinbart. Sie sind durch ein amerikanisches Gesetz, den Mutual Security Act, umrahmt. Dieses Gesetz stammt aus dem Jahre 1949. Es ist wiederholt novelliert worden und liegt jetzt in der neuesten Fassung vom 26. August 1954 vor. Dieses Gesetz enthält die Bedingungen, die in die Verträge mit den einzelnen Empfängerstaaten jeweils aufgenommen werden. Der Vertrag, der zu diesem Zweck von der Bundesregierung mit der Regierung der Vereinigten Staaten abgeschlossen worden ist, liegt uns heute zur Ratifizierung vor. Er ist vom 30. Juni 1955 datiert, ist also kurz nach dem Inkrafttreten der Pariser Verträge ausgehandelt worden. Daß der Vertrag ratifizierungsbedürftig ist, kann nach Art. 59 des Grundgesetzes nicht zweifelhaft sein. Sein Inhalt deckt sich in allem Wesentlichen mit den Verträgen, die die Vereinigten Staaten mit den anderen Empfängerstaaten abgeschlossen haben. Die Ratifizierung des Vertrages ist eilig. Sie ist deshalb eilig, weil schon am 1. Januar sowohl in der Bundesrepublik wie in den Vereinigten Staaten Lehrgänge anlaufen. Diese Lehrgänge bedürfen zu ihrer Durchführung der Waffen, die ja nur von Amerika kommen können. Die Teilnehmer der Lehrgänge drüben werden, wenn dieses Vertragswerk ratifiziert ist, auf Kosten der Vereinigten Staaten hinüberbefördert. was ohne die Ratifi({0}) zierung nicht möglich wäre. Schließlich ist auch das amerikanische Lehrpersonal, das wir insbesondere für die Lehrkompanien hier und die Lehrkurse drüben brauchen, davon abhängig, daß dieser Vertrag ratifiziert wird. Man kann sich fragen und man hat sich gefragt, wie es kommt, daß uns dieses Abkommen erst jetzt zur Ratifizierung vorgelegt wird. Es ist, wie ich vorhin schon erwähnt habe, am 30. Juni dieses Jahres abgeschlossen worden, und ich glaube, daß - auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Parlamentsferien in die Zwischenzeit gefallen sind und das Abkommen den Bundesrat hat passieren müssen - etwas mehr Eile durchaus möglich gewesen wäre und daß wir das Abkommen immerhin einige Wochen früher hätten erhalten können. Der Inhalt des Abkommens wird in den Ausschüssen und eventuell in der zweiten Lesung noch im einzelnen zu erörtern sein. Ich will mich daher heute auf einen kurzen Überblick beschränken. Es handelt sich um ein Rahmenabkommen, das im weiteren Verlauf durch Einzelabkommen auszufüllen sein wird. Die Präambel enthält eine Feststellung, daß das Abkommen im Rahmen des Art. 3 des NATO- Vertrages liegt, daß also keine Verpflichtungen übernommen werden, die nicht schon auf dem NATO-Vertrag beruhen, und daß der Frieden am besten durch wirksame Verteidigungsmaßnahmen aufrechterhalten wird. In Art. I findet sich die Zusage der Hilfeleistung, wobei, wie ich betonen möchte, jede einzelne Hilfeleistung von der Regierung der Vereinigten Staaten genehmigt werden muß, ebenso aber auch von der Bundesregierung, so daß wir dagegen geschützt sind, daß uns etwa Ladenhüter aufgehängt werden, daß wir veraltete oder unbrauchbare Waffen übernehmen müßten. Die Bundesregierung übernimmt in dem Artikel die Verpflichtung, das Material nur im Sinne des NATO-Vertrages und nur zu Verteidigungszwecken zu verwenden. Es ist verständlich, daß sich die Vereinigten Staaten bei Gewährung derartiger Hilfe auch die vertragsmäßige Gewähr dafür verschaffen wollen, daß ein Empfängerstaat mit diesem Material nicht etwa eine Aggressionspolitik betreibt. Da das Material unentgeltlich geliefert wird, muß es, wenn es nicht mehr gebraucht wird - sei es, daß es veraltet ist oder daß es aus anderen Gründen überholt ist -, wieder zurückgegeben werden. Auch diese Verpflichtung ist in dem Vertrag niedergelegt. Es ist ferner gesagt, daß das Material nicht an andere weitergegeben werden darf, auch eine Selbstverständlichkeit. Schließlich enthält das Abkommen die Bestimmung, daß das Material, das seinerzeit vom Bundesgrenzschutz übernommen worden ist, nun auch für die Streitkräfte verwendet werden darf. Es sind damals im Jahre 1953 besondere Abkommen über dieses Material geschlossen worden, und nur die ausdrückliche Erwähnung in diesem Abkommen gestattet es, im Falle einer Übernahme des Bundesgrenzschutzes auch die Waffen mit zu übernehmen. Die deutsche Gegenverpflichtung geht grundsätzlich dahin, daß auch wir verpflichtet sind, im Rahmen unserer Möglichkeiten den Vereinigten Staaten Hilfe zu leisten. Es ist klar, daß diese Verpflichtung im wesentlichen theoretischer Natur ist und gewissermaßen nur das Korrelat bildet zu der Hilfsverpflichtung der Vereinigten Staaten. Die Formulierung ist in dem Abkommen so getroffen, daß keinerlei Besorgnis bestehen kann, es würde etwa durch unzeitgemäße amerikanische Hilfswünsche die deutsche Volkswirtschaft in Gefahr gebracht werden; denn alles, was etwa auf Grund dieser Gegenverpflichtung deutscherseits zu leisten ist, muß in jedem einzelnen Fall von der Bundesregierung frei genehmigt werden, ohne daß Einzelansprüche der anderen Vertragsseite bestehen. Es folgt eine Anzahl von Bestimmungen mehr selbstverständlichen formalen Charakters, z. B. daß militärische Patente ausgetauscht werden, daß die Geheimhaltungspflicht aufrechtzuerhalten ist, daß die gelieferten Waffen und Materialien gegen Zugriff Dritter, etwa im Wege der Pfändung, geschützt bleiben müssen, daß die gelieferten Waffen und Ausrüstungsgegenstände unter das Off-shoreSteuerabkommen vom Jahre 1954 gestellt werden - auch eine Selbstverständlichkeit! - und schließlich, daß ein kleiner Stab alliierten Überwachungspersonals in der Bundesrepublik stationiert wird. Es wird sich im ganzen nur um sechs Personen mit volldiplomatischem Status und um etwa hundert Personen mit, sagen wir, halbdiplomatischem Status handeln, die der amerikanischen Botschaft zugeteilt werden und deren Aufgabe es ist, sich zu vergewissern, daß die Waffen, Ausrüstungsstücke usw. in dem Sinne verwendet werden, in dem sie gegeben wurden. Aber auch diese Tätigkeit kann nur im Einvernehmen mit der Bundesregierung ausgeübt werden. Es ist also die Sicherheit gegeben, daß diese Überwachungsorgane nun nicht etwa auf eigene Faust im Lande herumreisen und Inspektionen vornehmen. Die deutschen Verpflichtungen im Rahmen der Verträge sind in Art. IX des Abkommens noch einmal zusammengefaßt und so formuliert - ich verweise auf die Drucksache -, daß keinerlei Bedenken gegen die Annahme dieser Formulierung bestehen können. Schließlich geht das Abkommen noch auf die Cocom-Verpflichtungen ein, d. h. auf das Verbot der Ausfuhr strategischer Güter nach Ländern, die den Frieden bedrohen könnten. Auch das ist nichts Neues und schon in den entsprechenden Abkommen aus früherer Zeit enthalten. Das Abkommen ist mit einjähriger Frist kündbar. Gewisse Bestimmungen wie etwa die Geheimhaltungsbestimmungen usw. laufen über die Kündigungsfrist weiter, bis sie im Wege gegenseitiger Vereinbarung aufgehoben sind. Schließlich ist noch Konsultation zwischen den beiden Vertragsteilen für den Fall vorgesehen, daß sie sich bei Anwendung des Abkommens als erforderlich erweisen sollte. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die in dem Abkommen zugesagte Hilfe der Vereinigten Staaten für die Durchführung unserer Politik gemeinsamer Verteidigung der westlichen Freiheit und für die Erfüllung unserer militärischen Verpflichtungen aus den Pariser Verträgen unentbehrlich und eilig ist, daß diese Hilfe nach dem amerikanischen Verfassungsrecht, nach dem Mutual Security Act, nur gewährt werden kann, wenn das Abkommen in der vorgesehenen Form von uns ratifiziert wird. Die von uns übernommenen Verpflichtungen sind teils mehr oder weniger formale Selbstverständlichkeiten - wie etwa die Geheim({1}) haltungspflicht -, teils sind sie vernünftige Korrelate für die unentgeltliche Überlassung - also etwa die Rückgabe- und die Kontrollpflicht -, und schließlich enthalten sie politische Verpflichtungen, die in keiner Weise über diejenigen hinausgehen, die wir durch Abschluß der Pariser Verträge bereits übernommen haben. Ich beantrage daher namens meiner Fraktion, den Entwurf des Gesetzes über das Abkommen vom 30. Juni 1955 zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten dem Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit - federführend - und dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zur Mitberatung zu überweisen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).

Helmut Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002007, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat eben schon den inneren Zusammenhang dieses Vertrages mit dem System der Pariser Verträge deutlich gemacht. In der Tat handelt es sich um einen zwar zeitlich verspäteten, im übrigen aber integrierenden Bestandteil dieses Vertragssystems. Daher wird die rechte Seite des Hauses nicht erwarten, daß die Sozialdemokratie diesem Vertrage zustimmt. Ich kann an diesem Tage darauf verzichten, dazu eine nähere Begründung zu geben. Zum Vertrag selbst, dessen Inhalt wir eben so ausführlich dargestellt bekommen haben, möchte ich einige wenige Bemerkungen machen. Wenngleich es, wie der Herr Abgeordnete von Paar ausgeführt hat, quasi ein Formularvertrag ist, d. h. ein Vertrag, der in ähnlicher Form auf Grund desselben amerikanischen Gesetzes mit einer Reihe von europäischen Staaten schon abgeschlossen worden ist, so wirft dieser Vertrag doch eine Reihe von Fragen auf, die hier geprüft werden müssen. Insbesondere ist es zweifellos nicht so, wie mein Herr Vorredner suggeriert hat, daß in diesem Vertrag nur von unentgeltlichen Leistungen der Amerikaner die Rede ist, sondern es. ist durchaus zwischen solchen unterschieden, für die keine Entgelte gezahlt werden sollen, und solchen, die abgegolten werden. Ich mache darauf aufmerksam, daß hier eine Sache nicht klar ist, nämlich die Größe, der Umfang und der Zeitpunkt der finanziellen Verpflichtungen, die sich für die Bundesrepublik aus der Durchführung dieses Vertrages ergeben können. In dem Vertrag wird nicht gesagt: was soll geliefert werden, wieviel, wann soll geliefert werden, zu welchem Preis, zu welchen Zahlungsmodalitäten, und wann muß gezahlt werden? Da die Bundesregierung ihrerseits bei der Einbringung darauf verzichtet hat, eine Begründung oder eine nähere Darlegung gerade dieser Fragen zu geben, scheint es mir notwendig, daß diese Fragen in den Ausschüssen geklärt werden. Es scheint auch notwendig, daß der Öffentlichkeit gerade über diese Fragen Aufklärung gegeben wird. Es ist ja allen Experten der Rüstung - ich meine hier: der materiellen Rüstung -- klar, daß die Rüstungspläne so, wie die Bundesregierung sie veröffentlicht hat, finanziell einen Aufwand erfordern werden, der etwa doppelt so hoch ist wie der, den der Herr Bundesfinanzminister mit 9 Milliarden jährlich immer wieder angekündigt hat. Es ist nun die große Frage, ob die Lücke, die zwischen der Zielsetzung des Plans und dem besteht, was man im Haushaltsplan zur Verfügung stellt, mit diesem Abkommen ganz ausgefüllt werden soll. Ich glaube, es wäre auch für die allgemeine Wirtschaftspolitik und für die allgemeine konjunkturpolitische und konjunkturpsychologische Entwicklung eine gute Sache, wenn die Bundesregierung hierüber öffentlich Aufschluß gäbe. Denn es dürfte sich niemand Zweifeln darüber hingeben, daß die konjunkturelle Überhitzung, von der wir in diesem Herbst gesprochen haben, daß die psychologische Überspannung der Konjunkturerwartungen nicht zuletzt aus der Erkenntnis herrührte, die jedem Industriellen und jedem Industrieverband selbstverständlich und gemeinsam war, aus der Erkenntnis nämlich, daß mit den 9 Milliarden Haushaltsmitteln jährlich allein diese Aufrüstungspläne niemals finanziert werden können, daß die Rüstungsaufwendungen also weit darüber hinausgehen werden. Vielleicht wäre hier ein Punkt, um etwas Konjunkturpsychologie zu treiben, indem man einmal sagt, wieviel beispielsweise auf Grund der amerikanischen Hilfe gemacht werden soll, d. h. welcher Teil der Rüstung nicht aus dem deutschen Potential herausgeholt und infolgedessen nicht konjunkturauftreibend wirken würde. Ich glaube also, daß zumindest zu diesem Punkt bei der zweiten Lesung auch von der Regierungsbank etwas gesagt werden muß. Im übrigen darf ich mir erlauben, darauf hinzuweisen, daß nach Art. I und Art. VIII dieses Vertrags eine sehr weitgehende amerikanische Verwendungskontrolle für die amerikanische Hilfe vorgesehen ist. Wir werden eine sehr ausgedehnte amerikanische Militärmission in Godesberg erhalten, die zum Teil diplomatischen Status bekommen soll. Ich halte dafür, daß im Sicherheitsausschuß die Rechte und die Aufgaben dieser amerikanischen Militärmission des Näheren dargelegt und behandelt werden müssen. Ich darf gleichfalls aufmerksam machen auf die Bestimmung über die amerikanisch inspirierte Embargopolitik gegenüber den Ostländern, die der Herr Vorredner schon erwähnt hat. Sie finden in Art. X eine Verpflichtung der Bundesregierung zur Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten wegen der Sicherheitskontrollen beim Export von strategisch wichtigem Material nach Ostländern. Mein Herr Vorredner hat gesagt, das sei alles etwas Selbstverständliches und bedeute nichts Neues. Ich darf darauf aufmerksam machen: Die Bundesregierung selber weist in ihrer schriftlichen Begründung darauf hin, daß die Verpflichtung aus diesem Abkommen weiter geht als die Verpflichtungen, die wir bisher auf dem Gebiet der Embargopolitik eingegangen waren. Das berühmte Cocom - das ist das internationale Gebilde in Paris, das diese Embargopolitik steuert und von dem auch der Herr Vorredner gesprochen hat - beruhte bisher auf der Absprache von Regierungen, während wir in dem Vertragswerk hier völkerrechtliche Verpflichtungen eingehen. Die Art der Formulierung macht klar, daß wir uns vielleicht noch stärker als bisher in dieser Frage unter die Führung der amerikanischen Regierung begeben. Ich darf für meine Fraktion vorbehalten, daß wir gerade diesen Teil des Abkommens im zuständigen Ausschuß noch näher prüfen. Wir glauben, daß es grundsätzlich nicht gut ist, wenn die deutsche Bundesregierung ihre handelspolitische Handlungsfreiheit auf diese Weise völkerrechtlich einschränkt. ({0}) Am Schluß dieser kurzen Bemerkung möchte ich darauf hinweisen, daß später, wenn dieser Vertrag in Kraft getreten sein sollte, in den zuständigen Ausschüssen die sicherheits- und wehrpolitischen, aber auch die haushaltsmäßigen und die handelspolitischen Folgewirkungen dieses Vertrags laufend beobachtet werden müssen. Es handelt sich hier nicht um ein Vertragswerk, wo es damit abgetan ist, wenn es einmal unterschrieben ist, sondern es ergeben sich in der Zukunft laufend handelspolitische, haushaltsmäßige und selbstverständlich militärpolitische Auswirkungen. Für die gegenwärtige Ausschußberatung stimmen wir dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu und plädieren auch unsererseits dafür, die Vorlage an den Außenpolitischen und an den Sicherheitsausschuß zu überweisen. Ich danke Ihnen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Berendsen. - Sie haben sich zum Wort gemeldet! ({0}) - Das ist beantragt, Herr Abgeordneter. Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit - federführend - und an den Auswärtigen Ausschuß zur Mitberatung. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Nun kommen wir zum Punkt 4 der. Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Lücke, Jacobi, Dr. Will, Engell, Dr. Schild ({1}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Bundesbaugesetzes ({2}). Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir mit Punkt 4 auch den Punkt 12 der Tagesordnung verbinden und daß wir daran die Punkte 11 a und 11 b anschließen. Ich darf daran erinnern, daß im Ältestenrat eine entsprechende Abmachung erzielt worden ist, wonach diese Gegenstände möglichst vorgezogen werden sollten, weil der Herr Bundeswohnungsbauminister heute durch eine Konferenz mit den zuständigen Länderministern vom Mittag an besetzt ist. Wir haben dem Herrn Minister das zugesagt, und ich schlage vor, daß das Haus entsprechend verfährt. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. ({3}) - Auf das Wort zur Einbringung wird verzichtet. Ich eröffne die Beratung in erster Lesung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gegewünscht. Ich schließe die Beratung in erster Lesung. Beantragt ist die Überweisung an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht - federführend - und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen zur Mitberatung. ({4}) - Möchten Sie dazu das Wort? ({5}) - Sie wollen einen weiteren Überweisungsantrag einbringen. Dann erteile ich Ihnen dazu das Wort.

Eduard Platner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001721, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Drucksache ist ein Gesetzentwurf vorgelegt, der sehr weitgehende Eingriffe in das Grundeigentum enthält. Damit stellen sich verfassungsrechtliche Fragen. Ich halte es deshalb für notwendig, daß diese Gesetzesvorlage zur Mitberatung auch an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen wird, ({0}) damit die diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Fragen doch eingehend einer Prüfung unterzogen werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zur Frage der Überweisung hat das Wort der Abgeordnete Jacobi.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, den soeben gestellten Antrag abzulehnen. Mit Bedacht ist von den Initianten darauf verzichtet worden, dem Plenum gleichzeitig mit dieser Vorlage die Drucksache 1812 zu unterbreiten, die eine Grundgesetzänderung vorsieht. Das ist deshalb geschehen, weil wir zunächst einmal in der sachlichen Ausschußberatung die Frage prüfen wollen, ob mit irgendeiner Regelung des Entwurfs eines Bundesbaugesetzes überhaupt Grundgesetzänderungen verbunden sind. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß der Ältestenrat mit Recht darauf Rücksicht genommen hat, daß es sich hier um entscheidende Rechtsfragen handelt, und Ihnen als federführenden Ausschuß den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht vorgeschlagen hat. Wir können im Laufe der Beratung zunächst einmal feststellen, ob überhaupt verfassungsrechtliche Grundsätze berührt werden, was sich erst in der materiellen Beratung ergibt. Danach können weitere Ausschüsse eingeschaltet werden. Zusätzlich aber beantrage ich, unter allen Umständen auch den Ausschuß für Kommunalpolitik mit der Vorlage zu befassen, weil diese Vorlage unstreitig tiefe Eingriffe in den Städtebau vorsieht und deshalb den Kommunalpolitikern Gelegenheit gegeben werden muß, sich mit der Gesamtmaterie zu befassen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich möchte folgendes sagen. Der Ältestenrat hat sich lange darüber unterhalten, welche Überweisungen hier zweckmäßig sind. Der Geschäftsordnungsausschuß hat mir neulich einen, wie ich glaube, sehr wohlbegründeten Brief geschrieben, in dem er darauf aufmerksam macht, daß es nicht gerade im Sinne unserer Geschäftsordnung ist, daß immer mehr Vorlagen an immer mehr Ausschüsse überwiesen werden. ({0}) Ich möchte empfehlen, diesen Rat des Geschäftsordnungsausschusses in diesem Hause sehr ernst zu nehmen. Wir haben im Ältestenrat die größte Mühe, die Tagesordnungen zusammenzustellen. Wir müssen unbedingt zu einer flüssigeren Arbeits({1}) weise kommen, und dazu kann auch dienen, daß wir uns in der Auswahl der Ausschüsse wirklich beschränken. ({2}) Wenn weitere Vorschläge für Ausschußüberweisungen nicht gemacht werden, dann komme ich jetzt zur Abstimmung, und zwar lasse ich zunächst darüber abstimmen, ob dieser Entwurf - das ist der Antrag, den der Herr Abgeordnete Platner hier gestellt hat - auch an den Rechtsausschuß überwiesen werden soll, obwohl er - ich mache das Haus darauf aufmerksam - an den Ausschuß für Bau- und Boden recht als federführenden Ausschuß überwiesen werden soll. Wer also dafür ist, daß der Entwurf auch an den Rechtsausschuß als mitberatenden Ausschuß geht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich lasse über den Antrag des Abgeordneten Jacobi abstimmen, den Entwurf auch dem Ausschuß für Kommunalpolitik als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Hier wird das Ergebnis der Abstimmung bezweifelt. Meine Damen und Herren, bevor wir zum Hammelsprung kommen, wollen wir uns erheben. Ich bitte um Wiederholung der Abstimmung. Wer dem Antrag des Abgeordneten Jacobi auf Mitüberweisung an den Kommunalpolitischen Ausschuß zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Nun muß ich noch über den Vorschlag des Ältestenrates abstimmen lassen, daß die Vorlage an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht - federführend - und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen geht. Darf ich bitten, daß diejenigen, die diesem Antrag zustimmen wollen, ein Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Nun komme ich zu dem Antrag unter Punkt 12 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Huth, Dr. Schneider ({3}), Wittenburg und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung für die Enteignung von Grundstücken, die Beschränkung von Grundeigentum und die Entziehung und Beschränkung anderer Rechte ({4}). Auch hier wird auf das Wort zur Einbringung verzichtet. Ich eröffne die Beratung in erster Lesung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Der Ältestenrat hat Ihnen die Überweisung an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht vorgeschlagen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Weitere Überweisungsvorschläge liegen nicht vor. Damit ist Punkt 12 der Tagesordnung erledigt. Nun rufe ich Punkt 11 a der Tagesordnung auf: a) Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Geschäftsraummietengesetzes ({5}); b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Geschäftsraummietengesetzes und des Mieterschutzgesetzes ({6}). Herr Abgeordneter Lücke! Lücke ({7}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 58. Sitzung am 8. Dezember 1954 ein Gesetz zur Änderung des Geschäftsraummietengesetzes beschlossen, das am 28. Dezember 1954 verkündet worden ist. Durch diese Novelle wurde die Geltungsdauer des Geschäftsraummietengesetzes mit gewissen Einschränkungen vom 31. Dezember 1954 bis zum 31. Dezember 1955 verlängert. Im Anschluß an die Verabschiedung dieser Novelle wurde ein Entschließungsantrag aller Fraktionen des Hohen Hauses angenommen, durch den die Bundesregierung ersucht wurde, bis zum 30. Juni 1955 die Lage auf dem Geschäftsraummarkt erneut zu überprüfen und dem Bundestag Vorschläge zu unterbreiten, die u. a. - so steht es in der Entschließung - geeignet sind, nach Ablauf der Schutzbestimmungen der §§ 8 und folgende des Geschäftsraummietengesetzes etwa eintretende schwere soziale Härten zu vermeiden. Bedauerlicherweise - das darf ich hier sagen - hat die Bundesregierung diesen Vorschlag erst am 26. September 1955 abgegeben. Er ist dem Hohen Hause als Drucksache 1701 zur Kenntnis gebracht worden. In dieser Stellungnahme der Bundesregierung sind vielerlei Gründe angeführt, die eine gewisse Änderung dieses Gesetzes auch über den 31. Dezember 1955 hinaus rechtfertigen. Der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen hat zu der Frage Stellung genommen. Wir stellten fest, daß die verspätete Einbringung der Drucksache 1701 keine Möglichkeit mehr läßt, so rechtzeitig eine Verlängerung des Geschäftsraummietengesetzes, wie es die Vorlage vorsieht, vorzunehmen, daß am 1. Januar 1956 kein Vakuum entsteht. Ich erlaube mir deshalb, Ihnen auf Vorschlag des Ausschusses die Annahme des interfraktionellen Antrags Drucksache 1891 zu empfehlen. Dieser Antrag beinhaltet, daß die Bestimmungen des Geschäftsraummietengesetzes um weitere drei Monate verlängert werden, damit wir während dieser drei Monate - Januar, Februar, März - Gelegenheit haben, die Drucksache 1701 zu beraten. Um nicht in Zeitdruck zu kommen und um dem Bundesrat Gelegenheit zu geben, hierzu Stellung nehmen zu können, bitte ich, den interfraktionellen Antrag auf Drucksache 1891 in erster, zweiter und dritter Lesung ausnahmsweise schon jetzt anzunehmen. Es gilt nur, unter allen Umständen zu vermeiden, daß am 1. Januar 1956 plötzlich schwere soziale Härten auf dem Geschäftsraummarkt entstehen. Das endgültige Gesetz wird dann zu gegebener Zeit vorgelegt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, das würde bedeuten, daß die unter Punkt 11 a aufgeführte Vorlage an den Ausschuß überwiesen und der unter 11 b vorgesehene Entwurf heute in drei Lesungen verabschiedet werden soll. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. ({0}) - Sie widersprechen. Dann kommen wir zunächst einmal zur Beratung von Punkt 11 a. Ich nehme an, daß das Wort zur ({1}) Begründung von seiten der Regierung nicht gewünscht wird. Ich eröffne hiermit formell die Debatte in erster Lesung und frage, ob dazu das Wort gewünscht wird - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung. Es ist Überweisung der Drucksache 1845 an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen - federführend -- und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht - mitberatend - beantragt. Wer diesen Überweisungsanträgen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Nun kommen wir zu dem Punkt 11 b. Herr Abgeordneter Lücke, es ist, wenn widersprochen wird, unmöglich, alle drei Lesungen an einem Tag durchzuführen. ({2}) - Herr Kollege Schoettle, dazu? ({3}) Herr Abgeordneter Schoettle hat das Wort zu dem Antrag, jetzt alle drei Lesungen vorzunehmen.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte zu verstehen, daß es nicht böser Wille der widersprechenden Abgeordneten ist, wenn wir sagen, daß es nicht nötig ist, einen Gesetzentwurf, der einem großen Teil der Mitglieder des Hauses, soweit sie nicht sachverständig sind, nicht verständlich sein kann - ich sage ausdrücklich: nicht verständlich sein kann -, in allen drei Lesungen durchzuziehen, ohne daß eine Möglichkeit - wenigstens theoretisch - gegeben ist, sich auf den Inhalt dieses Antrags zu besinnen. Ich glaube, das sollte man nicht mehr machen. Wir haben sowieso schon einige Pannen mit kurzfristig eingebrachten Gesetzentwürfen erlebt; denken Sie an den Kupfernen Sonntag, der in der Luft hängt.. Wollen wir denn dieses Spiel weitertreiben? Ich erkläre Ihnen, Herr Kollege Lücke und allen Ihren Freunden von der Sachverständigenseite, daß wir nichts tun wollen, um Ihnen Schwierigkeiten für eine fristgerechte Verabschiedung zu bereiten. Aber hier muß man aus prinzipiellen Überlegungen einmal sagen: so wollen wir es nicht machen. Wir tun damit auch dem Parlament keinen Gefallen. Die Rücksicht auf die Geschäftsraummieter in allen Ehren; aber auch das Parlament hat einen Standpunkt zu vertreten. Wenn Sie meinetwegen morgen mit einem fix und fertigen Vorschlag kommen, der bei Ihnen im Ausschuß formell beraten worden ist, sind wir gern bereit, die Angelegenheit morgen noch zu erledigen. Das wird keine Schwierigkeiten geben, und man braucht darüber gar nicht groß zu debattieren. Herr Kollege Lücke, ich meine, Sie könnten auf diese Planke treten. Wir hätten dann wenigstens einmal das Gesicht des Parlaments gewahrt. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Lücke!

Paul Lücke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001387, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weil der Antrag interfraktionell gestellt war, nahm ich an, daß er auch in Ihrem Kreise im einzelnen besprochen worden sei. Es geht hier doch nur darum, eine Dreimonatsfrist zu gewinnen, um kein Vakuum entstehen zu lassen, weil - das habe ich ja ausgeführt - die Bundesregierung den Entwurf nicht rechtzeitig vorgelegt hat. Wenn Sie jetzt ablehnen, Herr Kollege Schoettle, kann das also bedeuten, daß die Fristen tatsächlich nicht eingehalten werden. Das wollten wir alle vermeiden; das haben wir im Ausschuß besprochen. Aber wenn wir jetzt nein sagen, hat das zur Folge, daß wir im Bundesrat unter Umständen nicht durchkommen. Wir wollen eine Dreimonatsfrist haben, um die Vorlage der Regierung in Ruhe beraten zu können. Durch die Dreimonatsfrist wird die Gültigkeit des bisherigen Rechts um diese Zeit verlängert; mehr ist es nicht. Ich würde doch im Hinblick auf die unter Umständen eintretenden sozialen Härten bitten, es zu tun. Es war für uns keine Freude, diesen Antrag zu stellen. Kritik verdient die Bundesregierung; ich darf es noch einmal aussprechen. Ich bitte dringend darum, daß Sie der zweiten und dritten Lesung zustimmen, weil wir sonst in Zeitdruck kommen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Nun, meine Damen und Herren, wird der Widerspruch aufrechterhalten? - Der Widerspruch wird aufrechterhalten. Wir können deshalb heute nicht die drei Lesungen durchführen. Ich nehme an, daß auch für diesen Entwurf Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorgesehen ist. ({0}) - Also es ist Überweisung allein an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen beantragt. Meine Damen und Herren, wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Nun darf ich das Haus zunächst davon in Kenntnis setzen, daß auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung von heute vormittag dem Hause vorgeschlagen wird, die Beratung des Punktes 5 bis nach der Mittagspause zurückzustellen. Ich empfehle dem Hause, diesen Vorschlag anzunehmen. Der Ältestenrat wird um 13 Uhr 30 zusammentreten. - Kein Widerspruch. Ich komme zu Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung der Übersicht 14 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen nach dem Stand vom 10. November 1955; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen ({1}) über seine Tätigkeit gemäß § 113 der Geschäftsordnung ({2}). Das Wort zur mündlichen Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Dr. Strosche. Dr. Strosche ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit der letzten mündlichen Berichterstattung über die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages gemäß § 113 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung ist wieder ein halbes Jahr ins Land gegangen. Ich bitte deshalb um Verständnis dafür, daß die Ihnen als Anlagen 1 und 2 zur Drucksache 1833 vorliegenden statistischen Übersichten bereits mit dem Ende des dritten Kalendervierteljahres, d. h. mit dem 30. September 1955, abschließen. Wenn ich im Laufe meiner Ausführungen auf diese Übersichten verweise, so wollen ({4}) Sie bitte berücksichtigen, daß sich inzwischen, d. h. nach dem Ablauf von zwei weiteren Monaten, die Endsumme der beim Bundestag und im Petitionsausschuß eingegangenen Petitionen bzw. Eingaben in der zweiten Wahlperiode vom 6. Dezember 1953 bis 1. Dezember 1955 auf 18 380 erhöht hat. Meine Damen und Herren! Die Herren Kollegen Kahn und Dr. Stammberger haben in ihren letzten Berichterstattungen nachdrücklich darauf hingewiesen, daß nach der bisherigen Übung des Petitionsausschusses in seinen Berichten auch allgemeingrundsätzliche Fragen des Petitionsrechts und Petitionsverfahrens erörtert werden. So hat der sehr verehrte Herr Kollege Kahn in seinem Bericht am 8. Dezember 1954 das Problem der Petitionsmöglichkeit seitens der Beamten betreffs allgemeiner und dienstlicher Fragen - in der Form von Einzelpetitionen und Kollektiveingaben - besprochen. Herr Kollege Dr. Stammberger hat in seinem Bericht vom 4. Mai dieses Jahres die Frage des Rechts des Petitionsausschusses auf eingehende, befriedigende Information seitens der Länderexekutive angeschnitten, weiter alle Fragen berührt, die sich um den Status des Ausschusses, insbesondere seines Sekretariats, und um die Anerkennung von Petitionen als Rechtsmittelschriften drehen. Ferner behandelte Herr Kollege Dr. Stammberger die Frage, ob der Petent bei besonders dringlichem Anlaß persönlich gehört werden sollte, entsprechend der in den USA üblichen Bürgerbefragung in öffentlichen Ausschußsitzungen, oder nicht, und sprach sich in diesem Zusammenhang eindeutig für die Möglichkeit derartiger public hearings aus. Als berichterstattendes Mitglied des Petitionsausschusses lassen Sie mich, bitte, heute folgende grundsätzlich-allgemeine Ausführungen machen. Zu allererst: Die Mitglieder des Ausschusses haben immer wieder das Gefühl und den Eindruck, daß die Arbeit und die Bedeutung dieses Ausschusses keine gerechte Würdigung finden. Es sollte an sich gar nicht notwendig sein, die dem demokratischen Bewußtsein der Staatsbürger in hervorragendem Maße dienliche Bedeutung dieses Ausschusses hierorts noch einmal hervorzuheben. Denn es sollte wohl allen klar sein, daß diese Bedeutung darauf beruht, daß hier ein besonderer, unmittelbarer Kontakt zwischen Staatsbürger und, wie er es sieht, „Staatsspitze" gegeben ist, daß hier der Staatsbürger das Gefühl der Mitarbeit und Mitkontrolle dadurch gewinnt, daß er Anregungen geben kann, Beschwerden vorzutragen vermag, Mängel auffinden und abstellen und daß er darüber hinaus Hilfe und Unterstützung suchen und finden kann. Es sollte an sich auch nicht mehr notwendig sein, die Vorteile aufzuzeigen, die sich durch die Arbeit dieses Ausschusses fraglos auch für die Exekutive ergeben; denn in dieser kontrollierenden Mithilfe des Ausschusses beim Auffinden von Fehlerquellen und unrichtigen, dem Sinn der Gesetze und dem Willen der Gesetzgeber widerstrebenden Einzelmaßnahmen im Vollzug der legislativen Aufträge sind bedeutsame Vorteile zu sehen. Diese mithelfende Korrektur auch von Auffassungen, die einen bürokratisch-fiskalischen Perfektionismus über menschliche Erwägungen und auf den einzelnen Menschen, sein Schicksal, seine Not und seine Gemütsverfassung gerichtete Gefühle die Oberhand gewinnen lassen möchten, stellt letztlich eine Hilfe für die Exekutive dar. Es sollte an sich auch nicht notwendig sein, die Bedeutung des Ausschusses für die Legislative selbst hervorzuheben. Aber auch hier haben die Mitglieder dieses Ausschusses den Eindruck und das Gefühl, daß es notwendig ist, dies im Plenum erneut anzusprechen, weil unseres Erachtens notwendige Lehren und praktisch-technische Folgerungen von diesem Hohen Hause selbst bislang noch nicht erschöpfend gezogen worden sind. Das Anhören der materiellen und geistig-seelischen Nöte der breiten Bevölkerung aller Bundesländer gibt ja nicht nur die Möglichkeit einer mithelfenden, korrigierenden Kontrolle der Exekutive oder eines im unmittelbaren Erlebnis der Auswirkungen von Gesetzen und rechtsetzenden Verordnungen erwirkten Aufspürens von Gesetzeslücken und Fehlerquellen im kleinen, sondern dieses Anhören eröffnet auch eine Fülle von Möglichkeiten, ja, eine Fundgrube für grundsätzliche, allgemeine Überlegungen, z. B. über manche negative Auswirkungen unserer Staatsstruktur bezüglich der unterschiedlichen Kontrollmöglichkeiten der Bundesminister und -ministerien in einzelnen Ländern und bezüglich der Einwirkungsmöglichkeiten unseres Ausschusses auf Länderorgane, die z. B. einen Berücksichtigungsauftrag in einer Kriegsopferversorgungsfrage derart eingeschränkt erscheinen lassen, daß in einzelnen Ländern bei den Landtagen, den Landtagseingabenausschüssen und deren Mitgliedern in der Praxis nahezu höhere Gewalt zu liegen scheint als bei uns und unserem Ausschuß. Ein solches Anhören ist ferner eine unerschöpfliche Quelle für legislative Neuschöpfungen, Gesetzesverbesserungen in verengendem und erweiterndem Sinne, aber auch, aus der praktischen Arbeit des Ausschusses heraus, für Anregungen nach innen - in Richtung Geschäftsordnung und Geschäftsgang! - und nach außen: in Richtung Presse und Rundfunk! Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang im Auftrage des Ausschusses die Presse und vielleicht auch den Rundfunk bitten, einer stärkeren Unterrichtung der offentlichkeit über die uns hier angehenden Belange zu dienen. Es sollte in der Öffentlichkeit mehr bekanntwerden: erstens, daß Wohnungs-, Arbeitsvermittlungs-, Umsiedlungs- und Kommunalangelegenheiten sowie rechtskräftige Entscheidungen von Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichten auf Länderebene durchzufechten sind gegebenenfalls mit Hilfe ortszuständiger Landtags- oder Bundestagsabgeordneter oder durch die parlamentarischen Eingabe- und Beschwerdeausschüsse der Länder. Zweitens sollte die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht werden, daß echte Petitionen nicht an den Herrn Bundespräsidenten oder an den Herrn Bundeskanzler gerichtet werden sollten. Drittens sollte sich die Offentlichkeit mehr als bisher über den Sonderstatus von Eingaben klarwerden, deren Materie Gegenstand eines noch schwebenden, anhängigen gerichtlichen Verfahrens ist. Viertens sollte die Öffentlichkeit dazu angehalten werden, unbedingte Genauigkeit und Wahrhaftigkeit zu üben und in Angaben über den sachlichen Vorgang, aber auch in den personellen Angaben unbedingte Genauigkeit zu beachten, damit es nicht vorkommt, wie unlängst geschehen, daß wir bei der Beratung einer personellen Angelegenheit erst nachher entdecken müssen, daß der Petent durch 13 Vorstrafen kriminell belastet ist. Fünftens sollte der Öffentlichkeit gesagt werden, daß zumindest ein anständiger Ton in den Petitionen gefordert werden muß. Wüste ({5}) Anpöbelungen und in drohendem Ton gehaltene Beschimpfungen von Repräsentanten des Volkswillens und der demokratischen Institutionen unserer Bundesrepublik sind zweifellos unmöglich und können einer Behandlung in keinem Falle dienlich sein. ({6}) Sechstens sollte der Öffentlichkeit klargemacht werden, daß infolge der Fülle der Eingaben und der erforderlichen Einholung von Stellungnahmen durch Länder- und Bundesorgane die Behandlung und Verbescheidung einer Petition nun einmal zwangsläufig geraume Zeit beansprucht. Hinsichtlich grundsätzlicher Anregungen an uns selbst möchte ich das von Herrn Kollegen Dr. Stammberger aufgegriffene Problem heute nochmals unterstreichen. Man sollte sich ernsthaft, etwa im Geschäftsordnungsausschuß, überlegen, ob nicht doch die Möglichkeit zu einer gelegentlichen Zeugeneinvernahme im Petitionsausschuß geschaffen werden könnte, d. h. ob nicht die Verhandlungen des Petitionsausschusses gelegentlich für öffentlich erklärt werden könnten. Ferner sollte man sich Gedanken darüber machen, wie man das Ausschußmaterial und die Ausschußbeschlüsse vielleicht noch zweckentsprechender auswerten und verwerten könnte, und zwar durch eine geschäftsordnungsmäßig zu verankernde intensive Behandlung und Verbescheidung überwiesenen Materials seitens der einzelnen Fachausschüsse, sowohl im Einzelfall wie auch generell! Es liegen hier generelle Probleme vor, die eben besser ausgewertet und ausgeschöpft werden sollten, als dies im Augenblick der Fall ist. Es drängt sich einem hier auch die Frage auf, ob es nicht möglich sein sollte, generelle Fragen und Probleme seitens des Ausschusses direkt bei den einzelnen Bundestagsfraktionen anzumelden, und zwar Fragen und Probleme größerer Bedeutung, also über diese Vierteljahrsberichte und über die zweifellos wahrgenommene Informationspflicht und -aufgabe jedes einzelnen Abgeordneten dieses Ausschusses hinaus. Daß solche Fälle auftreten können, werden Sie an einigen Beispielen sehen. Ein typisches generelles Problem, das auch im Ausschuß besprochen wurde, ist die Frage des Petitionsrechts künftiger Angehöriger unserer Bundeswehr, also die Frage, ob nach der Errichtung einer Wehrmacht der deutschen Bundesrepublik auch Soldaten petitionieren können. Mit dieser Grundsatzfrage hat sich der Ausschuß befaßt und er möchte in deutlicher Unterstreichung des Art. 17 des Grundgesetzes nachfolgende Meinung herausstellen. Die Beantwortung dieser Frage steht zweifelsfrei im Zusammenhang mit der bereits in der Berichterstattung vom 8. Dezember 1954 behandelten Frage, ob auch Beamte petitionieren können. Denn auch bei Soldaten handelt es sich um eine Gruppe von Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis stehen, die damit bestimmte Pflichten übernommen haben und dem Staate gegenüber in einem besonderen Treueverhältnis stehen. Diese Auffassung wird auch in der Begründung der Bundesregierung zum Soldatengesetz, Drucksache 1700. bestätigt. Im Hinblick auf die endgültige Beschlußfassung des erst in erster Lesung verabschiedeten Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten kann ich mich bezüglich des Petitionsrechts auf das beschränken. was in der Berichterstattung des Petitionsausschusses in der 58. Sitzung des Bundestages vom 8. Dezember 1954 durch Herrn Kollegen Kahn gesagt wurde. In der Begründung der Bundesregierung zum Soldatengesetz heißt es bekanntlich: Der Soldat steht, vom Dienst her gesehen, den er dem Staate leistet, neben dem Beamten. Daraus ergibt sich, daß für die Ausgestaltung insbesondere seiner Pflichten die für den Staatsdiener im Beamtenrecht entwickelten Grundsätze herangezogen werden müssen. Das gilt auch für die Beantwortung der Frage, inwieweit das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Soldaten seinem Wesen nach notwendig auf die Ausübung seiner allgemeinen staatsbürgerlichen Befugnisse einwirkt. Dazu kommt noch, daß im § 15 des Entwurfs zum Soldatengesetz gegenüber dem generellen Verbot politischer Betätigung des § 36 des Wehrgesetzes von 1935 ja eine erhebliche Erweiterung des Rechts des Soldaten zur politischen Betätigung vorgesehen ist. Es muß also unsererseits heute festgestellt werden, daß es dem Soldaten genau so wie dem Beamten untersagt ist, unmittelbar, also ohne Einhaltung des Dienstweges, Eingaben an die obersten Dienstbehörden zu richten. Ein Soldat verstößt aber nicht dadurch gegen das Dienststrafrecht, daß er seine Bitte oder Beschwerde nicht zunächst im Dienstweg seinem Vorgesetzten, sondern sofort dem 3. Ausschuß des Bundestages oder einem Landtagsausschuß unterbreitet. Denn aus dem Wortlaut des Art. 17 des Grundgesetzes ergibt sich, daß jedermann, und damit auch den Soldaten, das Petitionsrecht zusteht. Neben dieser Grundsatzfrage tauchten im Petitionsausschuß immer wieder und von neuem allgemeine Fragen auf, deren sofortige Kenntnisnahme nicht bloß durch einzelne dem Ausschuß angehörende und der eigenen Fraktion berichtende Abgeordnete oder via Fachausschüsse, sondern - das gebe ich zu überlegen und zu bedenken - vielleicht auch durch direkte, unverzügliche Benachrichtigung der Fraktionen erwirkt werden könnte, ja vielleicht sollte. Meine Damen und Herren! Der Petitionsausschuß hat Ihnen in den Anlagen 1 und 2 wiederum einige Übersichten vorgelegt, aus denen Sie entnehmen können, in wie starkem Maße erfreulicherweise der Staatsbürger von seinem Petitionsrecht Gebrauch macht. Aus der Anlage 1 der statistischen Übersicht bitte ich Sie zu entnehmen, daß in zwei Jahren der 2. Wahlperiode 17 000 Petitionen eingegangen sind; in der gleichen Zeit der 1. Wahlperiode waren es lediglich 13 000 Petitionen. In der 2. Wahlperiode sind also im gleichen Zeitraum und, was nicht unwichtig ist, bei demselben Personalbestand des Petitionsbüros fast 31 % Eingaben mehr zu bearbeiten gewesen. Von diesen 17 000 Eingaben konnten bis zum 30. September 1955 91 % erledigt werden. Der Petitionsausschuß war in der genannten Zeit mit 42,37 % aller Eingaben beteiligt, während die übrigen Fachausschüsse lediglich mit 5,28 %, die Bundesregierung und andere Behörden mit 35,19 % und die Landtage mit 15,55 % beteiligt waren. Vergleicht man diese Zahlen mit den Angaben der letzten Berichterstattung, so ergibt sich recht deutlich, daß von den Fachausschüssen und den Landtagen immer weniger, vom Petitionsausschuß und der Bundesregierung immer mehr Petitionen behandelt werden. ({7}) Von den Fachausschüssen sind besonders der Ausschuß für Sozialpolitik und der Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen beteiligt. Zusammen mit den 27 200 Petitionen der ersten Wahlperiode ist die Gesamtzahl der beim Deutschen Bundestag eingegangenen Petitionen nach der Darstellung dieser Anlage 1 nunmehr 44 200. In Wirklichkeit sind es bis zum heutigen Tage 45 580 Petitionen! Diese überraschend große Zahl verrät, welch großes Vertrauen die Bevölkerung zu der Arbeit des Ausschusses hat. Sie verrät aber auch die Arbeitsleistung dieses Ausschusses selbst und die übergroße Arbeitsleistung der beamteten und angestellten Hilfskräfte der Ausschußverwaltung, der von dieser Stelle einmal besonderer Dank gesagt werden muß. ({8}) Dabei möchte ich der Anregung Ausdruck geben, an zuständiger Stelle dieses Hauses doch einmal zu prüfen, ob diese Beamten und Angestellten nicht arbeitsmäßig überfordert werden. Ferner finden Sie in der Anlage 1 Angaben darüber, aus welchen Ländern im letzten Jahr, seit Oktober 1954, die insgesamt 8460 Petitionen eingegangen sind. An erster Stelle steht hier das Land Nordrhein-Westfalen mit 30,9%; dann folgen Niedersachsen mit 16,2 %, Bayern mit 12,5 %; es folgen schließlich in der Reihenfolge Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hessen, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Berlin, Bremen, das Ausland und die sowjetische Besatzungszone. Gegenüber der letzten Berichterstattung hat sich hier nur eine kleine Verschiebung ergeben, und zwar ist Hessen von der achten auf die sechste Stelle gerückt. Außerdem war es nicht uninteressant festzustellen, daß von diesen 8460 Petitionen 70 % von Männern, 28,1 % von Frauen und 1,6 % von Organisationen und Verbänden eingebracht wurden. In die Anonymität flüchteten, Gott sei Dank, bloß 0,3 % der Staatsbürger-Petenten. Aus der Anlage 2 zur Drucksache 1833 bitte ich den wesentlichen Inhalt der beim Bundestag in der 2. Wahlperiode eingegangenen und behandelten Eingaben zu entnehmen. An erster Stelle standen hier nach wie vor die Ansprüche aus der Sozialversicherung, aus den Privat- und sonstigen Versicherungen - zirka 14 % -, dann folgen, wie bisher, die Ansprüche aus dem Lastenausgleich - etwa 13 % -, an dritter Stelle die aus dem Bau-und Wohnungswesen - 10 % -, dann die der Kriegsopferversorgung - etwa 10 % -, des öffentlichen Dienstes - 8 % - und schließlich diejenigen, die sich aus dem Zivilrecht ergeben - zirka 5,5 % -. Den wesentlichen Inhalt der übrigen Petitionen bitte ich Sie aus der Strukturübersicht entnehmen zu wollen. Aus dieser Inhaltsstruktur der Petitionen geht fraglos hervor, welch große Probleme und Notstände die Personenkreise der Rentner, der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge und der Kriegsopfer im weitesten Sinne des Wortes auch heute noch bezüglich Existenz und Wohnung belasten. Gestatten Sie mir, daß ich auf Grund der Beratung im Ausschuß einige Ausführungen darüber mache, was uns und mir bei der Durchsicht dieser Vielzahl von Petitionen ganz besonders auffiel. Ich bin mir darüber im klaren, daß diese Ausführungen keineswegs erschöpfend sein können; denn es ist für den Ausschuß wie für das einzelne Mitglied oft schon schwierig, diejenigen Eingaben herauszugreifen, die für den Gesetzgeber von Bedeutung sind und als wertvolle Anregung oder als Vorschlag bzw. als Material der Bundesregierung für eine bevorstehende oder wünschenswerte gesetzliche Regelung hinübergereicht werden sollten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Ich nehme an, daß Sie für Ihre Darlegungen noch etwas Zeit brauchen. - Sie brauchen also noch knapp 30 Minuten. ({0}) - Eine Sekunde, meine Damen und Herren! Wir wollen uns schiedlich -friedlich darüber verständigen, daß jedermann zu seiner Mittagspause kommt, mit Ausnahme der Mitglieder des Ältestenrats; aber dafür sind sie die ältesten. ({1}) Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir jetzt diesen außerordentlich wichtigen Bericht unterbrechen. Erstens verdient die gründliche Art des Vortrags und der Arbeit, die uns hier vorgelegt wird, die Aufmerksamkeit des ganzen Hauses - Herr Kollege, das Haus ist jetzt für Ihren Bericht nicht gut genug besetzt -, und zweitens ist es wichtig, daß die vorgesehene Mittagspause pünktlich eingehalten wird. Ich schlage Ihnen deshalb vor, daß wir jetzt bis 15 Uhr unterbrechen und nach der Mittagspause zunächst den Punkt 5 der Tagesordnung, der zurückgestellt worden ist, aufrufen. Unmittelbar anschließend an den Punkt 5 kehren wir dann zu dem jetzt unterbrochenen Tagesordnungspunkt zurück. Ich glaube, das ist ein Vorschlag, dem das Haus folgen kann. Ich gebe noch bekannt, daß der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen um 17 Uhr in Zimmer 210 Süd zusammentritt und daß der Ausschuß für, Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen nicht um 15 Uhr, sondern um 16 Uhr zusammentritt. Damit unterbreche ich die Sitzung bis 15 Uhr. ({2}) Die Sitzung wird um 15 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier wieder eröffnet.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion des GB/ BHE betreffend Entlassung der Bundesminister Kraft und Prof. Dr. Dr. Oberländer ({0}). Meine Damen und Herren, hier liegt ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gemäß § 29 der Geschäftsordnung vor. Der Antrag ist von dem Abgeordneten Stücklen und Fraktion eingereicht. Außerdem ist mir ein Antrag zur Geschäftsordnung vorgelegt worden - ({1}) - Wird der Antrag mündlich gestellt, Herr Abgeordneter? ({2}) Meine Damen und Herren, den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gemäß § 29 der Geschäfts({3}) ordnung haben Sie gehört. Bevor ich nach § 29 der Geschäftsordnung das Wort einem Sprecher für und einem Sprecher gegen den Antrag gebe, gebe ich das Wort zur Geschäftsordnung für einen Antrag zur Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Arndt.

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Geschäftsordnung beantrage ich namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion erstens: die Abstimmung über den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung bis zum Schluß der Beratung zurückzustellen und zunächst die Sachdebatte durchzuführen, zweitens: die Zahl der Redner, die zum Antrag auf Übergang zur Tagesordnung sprechen, nicht zu beschränken, jedenfalls jede Fraktion durch einen Sprecher zu diesem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung zu Wort kommen zu lassen. Ich glaube nicht, daß dieser Antrag auf einen anderen Paragraphen der Geschäftsordnung gestützt zu werden braucht als auf den, daß man Anträge zur Geschäftsordnung stellen kann. Aber hilfsweise - nur hilfsweise! - berufe ich mich auch auf § 127. Meine Damen und Herren, es ist inzwischen schriftlich ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung eingegangen. Ein solcher Antrag kann zwar nach § 29 der Geschäftsordnung jederzeit bis zur Abstimmung zurückgestellt werden, aber die Geschäftsordnung schreibt nicht vor, daß über einen solchen Antrag s o f o r t entschieden werden muß. Im Gegenteil, in § 29 Abs. 1 Satz 3 ist nur für die Reihenfolge der Abstimmungen angeordnet, daß im Zuge der Abstimmungen ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung den Vorrang vor Änderungsanträgen hat. Daraus folgt im Wege des Umkehrschlusses, daß keinesfalls ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung unbedingt die Beratung unterbricht. Sonst würde auch ein Widerspruch zwischen den §§ 29 und 30 bestehen. Denn ein Antrag auf Schluß der Beratung bedarf nach § 30 Abs. 2 der Unterstützung von 30 anwesenden Abgeordneten, während ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 von jedem einzelnen Abgeordneten ohne alle Unterstützung gestellt werden kann. Ist aber ein einzelner Abgeordneter nicht befugt, den Antrag auf Schluß der Beratung zu stellen, so wäre es nicht sinnvoll, wenn er doch den gleichen Erfolg auf dem Umweg über den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung erreichen könnte. Andernfalls würde jede Minderheit, ja sogar jeder einzelne Abgeordnete in der Lage sein, jederzeit den zumindest vorläufigen Abbruch der Beratungen zu erzwingen und den Gang der Debatte durch den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung und die Abstimmung darüber zu unterbrechen. Der Wortlaut und der Sinn der Geschäftsordnung lassen es also offen, zu welchem Zeitpunkt über einen Antrag auf Übergang zur Tagesordnung abzustimmen ist, solange die Beratung noch nicht geschlossen ist. Infolgedessen steht es im Ermessen des Herrn Präsidenten, über den Zeitpunkt dieser Abstimmung zu entscheiden, vorausgesetzt, daß dieser Zeitpunkt nicht zum Gegenstand eines Antrags zur Geschäftsordnung und eines Beschlusses gemacht wird. Denn im Zweifel entscheidet immer der Bundestag selber durch Plenarbeschluß, wie verfahren werden soll. Ein Beschluß des Bundestages ist nur dort unzulässig, wo die Geschäftsordnung ausnahmsweise dem Präsidenten abschließend ein freies Ermessen einräumt, etwa im § 34 zu der Frage, ob überhaupt das Wort zur Geschäftsordnung erteilt wird. In § 29 ist dem Herrn Bundestagspräsidenten keine solche Ermessensfreiheit eingeräumt, so daß auf Antrag das Plenum kraft seiner Autonomie verbindlich darüber zu beschließen hat, wann es über einen Antrag auf Übergang zur Tagesordnung abstimmen will. Es würde der Bedeutung unserer Beratung über den von der Bundestagsfraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE eingebrachten Antrags, den Herrn Bundeskanzler um den Vorschlag auf Entlassung zweier Bundesminister zu ersuchen, nicht entsprechen, hierbei lediglich je einen Redner für und gegen den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung zu Worte kommen zu lassen. Wenn es in § 29 Abs. 1 Satz 2 heißt, daß vor der Abstimmung ein Redner für und ein Redner gegen den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung zu hören sind, so handelt es sich hierbei nur um das Mindestmaß der Worterteilungen, wie im Kommentar von Ritzel/ Koch zutreffend ausgeführt ist. Aber diese Vorschrift über ein Mindestmaß der Debatte steht nicht der Möglichkeit entgegen, auch noch weitere Redner zu Wort kommen zu lassen. Der Präsident ist befugt, weitere Wortmeldungen zu berücksichtigen, und der Bundestag ist frei darin, selber darüber zu beschließen, welchen Raum er dieser Erörterung geben will. Stets hat es sogar bei Auseinandersetzungen über die Geschäftsordnung zu den guten Gepflogenheiten aller Präsidenten des 1. und 2. Bundestages gehört; in Angelegenheiten von grundsätzlicher und hochpolitischer Bedeutung die Diskussion nicht abzuschneiden und mindestens jeder Fraktion Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. So hat z. B. der 1. Bundestag den von der Bayernpartei eingebrachten Antrag auf Wiedereinführung der Todesstrafe erst erschöpfend beraten, ehe nach Schluß der Sachdebatte die von zwei Abgeordneten gestellten Anträge auf Übergang zur Tagesordnung zur Abstimmung kamen. Hier steht heute ein Antrag auf der Tagesordnung, der sowohl prinzipielle Fragen über die rechtlichen und politischen Beziehungen zwischen Bundestag und Bundesregierung aufwirft, als auch die Amtsführung insbesondere des Herrn Bundesministers für Angelegenheiten der Vertriebenen zum Gegenstand hat. Der Bundestag täte nicht gut daran, einer gründlichen und freien Aussprache über diese Frage auszuweichen. Aber wie ist es denn dazu gekommen, daß der Herr Abgeordnete Stücklen diesen Antrag schriftlich eingereicht hat? Der Herr Abgeordnete Stücklen hatte im Ältestenrat zugesagt, daß ein Antrag auf Absetzung von der Tagesordnung nicht gestellt werden würde, wohl aber mit einem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung zu rechnen sei. Das veranlaßte mich, von meinem Recht Gebrauch zu machen, mich sehr frühzeitig, sofort nach Beginn der Tagesordnung, schriftlich zu diesem Punkt 5 zu melden. Dann haben sich auch Herr Kollege Stücklen gemeldet und Herr Kollege Engell für den BHE, und es entstand die Frage, wer sich zuerst gemeldet hatte. Der Herr Kollege Kunze hat zwar mit der ihm eigenen Selbstgewißheit, die auch seine Zwischenrufe auszuzeichnen pflegt, ({0}) ({1}) gesagt, „natürlich" habe sich der Herr Abgeordnete Stücklen zuerst gemeldet. Aber es ergab sich dann, daß ich etwas früher aufgestanden war. Dieser Tatsache verdanken wir dieses Novum in der Geschäftsordnung, daß man neuerdings zur Hilfe schriftlich vorzulegender Anträge greift, wie es im Reichstage früher üblich gewesen sein soll. Meine Damen und Herren, ich muß deshalb auch sagen, daß die ausführliche Debatte darum notwendig ist, weil hier mit dem Antrage auf Übergang zur Tagesordnung ein offenkundiger Mißbrauch getrieben werden soll. ({2}) Der Bundestag kann gewiß einen Gegenstand von der Tagesordnung absetzen. Diese im § 26 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung anerkannte Befugnis ist eine Folge der parlamentarischen Autonomie, ergibt sich also aus dem Recht des Bundestages, durch eigenen Entschluß seine Sitzungen und somit auch die Tagesordnung der Sitzungen festzusetzen. Aber damit ist noch keineswegs gesagt, daß der Bundestag willkürlich und nach Belieben jeden Gegenstand mit der Absicht und mit dem Ziel von seiner Tagesordnung absetzen kann, die Beratung eines Gegenstandes überhaupt oder jedenfalls auf unabsehbare Zeit zu verweigern. ({3}) Deshalb ist es notwendig, die im § 26 der Geschäftsordnung über die Tagesordnung gegebenen Bestimmungen in Verbindung mit der Regelung für die Beratung von Anträgen auszulegen. In § 76 Abs. 1 der Geschäftsordnung heißt es: . . . die Anträge von Abgeordneten . . . werden gedruckt und an die Mitglieder des Bundestages . . . verteilt. Nach dieser zwingenden Vorschrift darf daher kein Antrag vom Druck und von der Verteilung ausgeschlossen werden. Da es . in § 99 Abs. 1 weiterhin heißt: „Anträge . . . werden sofort beraten oder ohne Beratung an einen Ausschuß überwiesen", so geht daraus hervor, daß unsere Geschäftsordnung die Notwendigkeit, einen jeden Antrag zu behandeln, schlechthin als selbstverständlich voraussetzt. ({4}) Die Befugnis zur Absetzung von der Tagesordnung nach § 26 bezieht sich infolgedessen lediglich auf den technischen oder formalen Geschäftsgang, soll und darf also kein Mittel bedeuten, einen Gegenstand materiell zu erledigen. Was hier mit dem Antrage bezweckt wird, ist ja nichts anderes, als daß man auf eine Vertagung der Sache hinaus will. Meine Damen und Herren, der Bundestag würde einen unheilvollen Weg beschreiten, wollte er eine antragsberechtigte Minderheit dadurch mundtot machen, daß er ihren Anträgen durch Übergang zur Tagesordnung die parlamentarische Verhandlung versagt. ({5}) Eine der CDU nahestehende Zeitung, die „Neue Frankfurter Presse", hat dieser Tage einen ihrer Leitartikel mit der Überschrift versehen: „Demokratie ohne Spielregeln". Nun, Sie werden gewiß eines in der umfangreichen Geschäftsordnung nicht finden und auch nicht zu finden brauchen, weil das eigentlich jeder Abgeordnete und jede Fraktion von sich aus mitzubringen hätten: das ist der Geist der Fairneß. ({6}) Gegen diesen Geist der Fairneß ist gerade in der letzten Zeit ganz erheblich gesündigt worden. ({7}) - Ja, zur Geschäftsordnung, weil es zur Geschäftsordnung gehört! ({8}) Das Anliegen, das hier von einer Fraktion dieses Hauses vorgebracht worden ist, ist ein Anliegen zahlreicher Heimatvertriebener, zu denen zwar Sie, Herr Hilbert, nicht gehören. ({9}) Über dieses Anliegen wünschen Sie zur Tagesordnung überzugehen. - Ihnen kommt das außerordentlich lächerlich vor. ({10})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, einen Augenblick!

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber es gibt eine ganze Reihe Mitglieder dieses Hauses, denen es nicht lächerlich vorkommt, wenn man in dieser Weise mit dem gerechtfertigten Antrag einer kleinen Fraktion Schindluder treibt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, einen Augenblick! Ich muß Sie bitten, abzubrechen. Ich habe in einer außerordentlich großzügigen Weise, was ich schon vorher im Ältestenrat gesagt habe, Ihnen hier das Wort zugestanden. Die Geschäftsordnung zwingt mich, Sie aber nunmehr zu bitten, unverzüglich abzubrechen. ({0})

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich bin am Ende.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie doch, den § 34 der Geschäftsordnung nachzusehen. Dann werden Sie sehen, daß wir denkbar großzügig sind. ({0}) - Nein, Herr Abgeordneter Wehner. Ich bin hier an die Geschäftsordnung gebunden, und ich muß Sie bitten, Herr Abgeordneter Dr. Arndt, zum Schluß zu kommen.

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich will nur noch einen Schlußsatz sagen, indem ich wiederhole, daß Sie, meine Damen und Herren, sich auf einen sehr schlechten Weg begeben, wenn Sie auf eine solche Weise eine Minderheit des Hauses mundtot machen und wenn Sie, die Sie Demokraten sein wollen, das auch noch lächerlich finden. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Arndt, ich wäre dankbar, wenn ich den ({0}) Text bekommen könnte. - Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, dem Antrag, der eben gestellt worden ist, noch einen Augenblick Ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Es ist beantragt, die Abstimmung über den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung bis zum Schluß der Beratung zurückzustellen und zunächst die Sachdebatte durchzuführen. Ich bin der Meinung, daß dieser Antrag nicht in Übereinstimmung mit dem § 29 der Geschäftsordnung steht. Der § 29 der Geschäftsordnung schreibt vor, daß, falls einem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung widersprochen wird, vor der Abstimmung ein Redner für und ein Redner gegen den Antrag zu hören ist. Im Kommentar zur Geschäftsordnung - ich kann nicht versprechen, daß ich ihm in allen Stücken folge - ist etwas niedergelegt, was nach der Prüfung, die ich inzwischen angestellt habe, bis jetzt Brauch im Hause war. Es heißt im Kommentar, daß der Antrag jederzeit gestellt werden könne und daß über den Antrag sofort abzustimmen sei. Jedoch dürfe eine Rede vor Ablauf der Redezeit durch die Abstimmung nicht unterbrochen werden. Wenn Widerspruch gegen den Antrag erfolge, so werde erst abgestimmt, wenn ein Redner für und ein Redner gegen den Antrag gesprochen habe. Nun bin ich der Meinung, daß der Antrag, den der Herr Abgeordnete Arndt dem Hause vorgelegt hat, ein Antrag ist, der dennoch vom Hause gehört werden muß und über den das Haus vor dem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung entscheiden muß. Ich berufe mich dabei auf § 127 der Geschäftsordnung, den auch der Herr Antragsteller bereits zitiert hat. § 127 lautet folgendermaßen: Abweichungen von den Vorschriften der Geschäftsordnung können im einzelnen Fall - ich unterstelle also: hier in diesem Fall mit Zweidrittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages beschlossen werden. wenn die Bestimmungen des Grundgesetzes dem nicht entgegenstehen. Ich bin der Meinung, daß wir nun auf Grund des § 127 zur Abstimmung über den Antrag zur Geschäftsordnung, den der Herr Abgeordnete Dr. Arndt vorgetragen hat, kommen müssen. Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen Mitglieder des Hauses, die diesem Antrag zur Geschäftsordnung zustimmen wollen, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! ({1}) Das zweite ist die Mehrheit. Der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt zur Geschäftsordnung ist abgelehnt. ({2}) Ich frage, ob das Wort zu dem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gewünscht wird. - Für den Antrag? ({3}) - Herr Abgeordneter Stücklen hat das Wort.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag des BHE will den Bundestag veranlassen, den Herrn Bundeskanzler zu ersuchen, dem Herrn Bundespräsidenten die Entlassung der Minister Prof. Dr. Oberländer und Kraft vorzuschlagen. Nach Artikel 64 des Grundgesetzes ernennt und entläßt der Herr Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers die Bundesminister. ({0}) Eine Mitwirkung des Parlaments ist dabei nicht vorgesehen. Wir sehen in dem Antrag des BHE einen Verstoß gegen den Geist des Art. 64 des Grundgesetzes ({1}) und lehnen aus diesem Grunde die Behandlung dieses Antrages ab. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren! Ich gebe nach § 29 der Geschäftsordnung noch einem Redner gegen den Antrag das Wort. Das Wort hat der Abgeordnete Seiboth.

Frank Seiboth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002149, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage jener Kolleginnen und Kollegen, die dem Antrag des Kollegen Stücklen und der CDU/CSU-Fraktion widersprochen haben, möchte ich hier sagen, wir widersprechen nicht nur diesem Antrag, sondern wir verwahren uns sehr entschieden gegen diese Art und Weise der Behandlung eines Antrags, der begründet und aus einer ehrlichen Sorge ({0}) um den Stil, der sich zwischen Regierung und Fraktionen dieses Hauses entwickelt, gestellt worden ist. ({1}) Anträge gemäß § 29 der Geschäftsordnung des Bundestages sind im 1. Bundestag in zehn Fällen gestellt worden, darunter siebenmal zur Abwendung von ausgesprochen destruktiven und Agitationsanträgen der damaligen KPD-Fraktion und nur in drei Fällen zu Anträgen anderer Kollegen oder Fraktionen; aber in diesen drei Fällen ist jedesmal, wie der Herr Kollege Dr. Arndt hier schon erwähnt hat, der Erledigung auf diese Art und Weise eine ausführliche Sachdebatte vorausgegangen. ({2}) Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wenn Sie nun diesen § 29 der Geschäftsordnung zur Abtötung dieses Ihnen unangenehmen Antrages anwenden wollen - ({3}) - Der ist nicht für uns unangenehm, denn es handelt sich gar nicht in erster Linie um die beiden Herren Minister Kraft und Oberländer. ({4}) ({5}) Hier handelt es sich in erster Linie um das Verhalten des Herrn Bundeskanzlers, und deshalb ist Ihnen das unangenehm. ({6}) Sie scheuen eben aus diesem Grunde die Sachdebatte in diesem Hause; ({7}) darum wenden Sie den Artikel nicht so an wie in jenen drei Fällen des 1. Bundestages. Sie weichen der Debatte aus. Oder aber Sie wollen über ein Problem, das seit Monaten, seit Juli, in der deutschen Öffentlichkeit ({8}) in der Presse, von Rundfunkkommentatoren, im Kölner Bahnhofsgespräch und überall ({9}) diskutiert wird und das die ganze Öffentlichkeit ({10}) mit Sorge erfüllt, ({11}) so urteilen wie seinerzeit über kommunistische Agitationsanträge. Dann aber, meine Damen und Herren, stellen Sie sich in einen Gegensatz zur öffentlichen Meinung, der nicht nur für Sie, sondern der wegen Ihres Verhaltens im Parlament für dieses Parlament gefährlich werden könnte. ({12}) Bei einer Handhabung der Geschäftsordnung in dieser Art erhebt sich für uns die Frage, in welcher Weise dann eine Minderheit im Bundestag die ihr im Interesse der Demokratie und ihrer Praktizierung wichtig erscheinenden Fragen im Parlament noch zur Diskussion stellen kann, wenn die Mehrheit des Hauses - in diesem Falle die CDU/CSU-Fraktion - ihre Stimmen dazu benutzt, all das, was ihr nicht in den Kram paßt, zum Schweigen zu bringen. ({13}) - Meine Damen und Herren, Sie sagen: „Unerhört". Es ist der Herr Abgeordnete Lemmer gewesen - ({14})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich bitte, den Redner fortfahren zu lassen.

Frank Seiboth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002149, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Es ist der Herr Abgeordnete Lemmer, ein Kollege aus Ihren Reihen gewesen, der vor wenigen Wochen am Berliner Abend als Ansager - für diese Funktion hatte er sich liebenswürdigerweise zur Verfügung gestellt - dem Sinne nach etwa gesagt hat: Es ist das Ende der Demokratie, wenn man politischen Kabarettisten das Maul verbietet. ({0}) - Meine Damen und Herren, Ihre Heiterkeit - ({1}) - Meine Damen und Herren, Ihre Heiterkeit ist mir nicht ganz verständlich. ({2}) - Ich meine nämlich: wenn Sie vielleicht - bitte, ich bin so offen - in Ihren Köpfen die Meinung hegen sollten, hier sei auch politisches Kabarett, ({3}) dann muß ich Sie aber fragen, ({4}) ob Sie das Programm der Partei, für die ich hier spreche und in dem die Wiedervereinigung Deutschlands und die soziale Befriedung stehen, ({5}) auch als Kabarettprogramm betrachten! ({6}) Ich habe Sie fragen wollen: Wenn Sie schon der Meinung sind, daß die Beschneidung der Meinungsfreiheit bei politischen Kabarettisten das Ende der Demokratie heraufbeschwört, wohin muß es dann in dieser Demokratie führen, wenn Sie durch solche Anträge frei und demokratisch gewählten Abgeordneten hier den Mund verbieten wollen! ({7}) Was im Interesse des parlamentarischen Stils, der Demokratie, des Verhältnisses zwischen Regierung und Koalitionsparteien, zwischen Regierung und Parlament zu diskutieren wichtig ist, das können Sie doch nicht einfach mit Ihrer Mehrheit im Parlament entscheiden. Es ist doch nicht so, daß Demokratie die Mehrheit ist. Demokratie ist Diskussion und der Wille zum Kompromiß. Wenn Sie das nicht so sehen ({8}) und diesen Willen zum Kompromiß nicht haben, ({9}) dann kann ich Ihnen nur sagen, daß wir durch Ihre Haltung gezwungen werden, die Diskussion um so wichtige staatspolitische Fragen eben außerhalb des Parlaments zu führen; aber den schlechten Dienst, der damit der Demokratie erwiesen wird, haben dann nicht wir, den haben Sie zu verantworten. ({10})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Übergang zur Tagesordnung, Punkt 5 - ({0}) - Wir sind in der Abstimmung. Ich bedauere, ich kann das Wort nicht dazu geben. ({1}) Ich habe erklärt, daß wir nach § 29 der Geschäftsordnung verfahren werden. Ich habe weiter erklärt, daß ein Redner für und ein Redner gegen den Antrag sprechen. ({2}) - Einen Augenblick! In diesem selben Augenblick wird mir gesagt, daß das Wort zur Abstimmung nach § 58 gewünscht wird und daß namentliche Abstimmung beantragt werden soll. Habe ich Sie damit recht verstanden? Ich habe soeben dem Antragsteller gesagt, daß dieser Antrag nach § 58 deshalb nicht zulässig sein kann, weil namentliche Abstimmung unzulässig ist über a) Stärke eines Ausschusses, b) Abkürzung der Fristen, c) Sitzungszeit und Tagesordnung usw. ({3}) - Meine Damen und Herren, ich bitte, sich vor allem nicht aufzuregen. ({4}) - Herr Abgeordneter, bitte nehmen Sie Platz! Wir können diese Frage in aller Ruhe diskutieren. Ich habe im Ältestenrat meine Gründe dafür dargelegt. Ich bin auch hier der Meinung, daß es sich allerdings bei dem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung um eine Entscheidung handelt, die implizite eine Sachentscheidung ist. Das ist ohne Zweifel. § 58 erlaubt aber doch wohl nichts anderes, als seinem Wortlaut zu folgen, wo es unter c heißt: Sitzungszeit und Tagesordnung. ({5}) - Einen Augenblick! Ich bin bereit, dazu das Wort zur Geschäftsordnung zu geben, weil es das Privileg des Präsidenten ist, jederzeit das Wort zur Geschäftsordnung zu geben oder zu verweigern. Herr Abgeordneter Ritzel, ich gebe Ihnen dazu das Wort zur Geschäftsordnung.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Darf ich das Hohe Haus auf folgendes aufmerksam machen. Die Bestimmung des § 58 c der Geschäftsordnung über die Unzulässigkeit einer namentlichen Abstimmung wird von dem Herrn Präsidenten, dessen Geschäftsführung ich nicht kritisieren will, dahin interpretiert, daß sie nicht erlaubt, über Sitzungszeit und Tagesordnung, wenn sie hier behandelt werden sollen, in einer namentlichen Abstimmung zu entscheiden. Dazu darf ich folgendes feststellen. Der Punkt, um den es sich hier handelt, Punkt 5 der heutigen Tagesordnung, steht auf der Tagesordnung. Das ist das Entscheidende. Die Frage, wie ein auf der Tagesordnung stehender Punkt von dem Hohen Hause entschieden werden soll, ist eine zweite Frage, die aber eine geschäftsordnungsmäßige Regelung des Punktes umfassen muß, der auf der Tagesordnung steht. Also nicht ein Problem der Tagesordnung an sich, sondern die Erledigung eines Punktes, der auf der Tagesordnung steht, ist das Entscheidende. Daher erlaube ich mir, aus einer genügenden Praxis festzustellen, daß der § 58 der geltenden Geschäftsordnung erlaubt, daß in diesem Falle namentlich abgestimmt wird. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Ritzel, ich möchte weder Ihnen und Ihrem Vorschlag unbedingt widersprechen noch bin ich der Meinung, daß sich das Haus bei dieser Frage in einen Streit begeben sollte, der nicht notwendig ist. Herr Abgeordneter, ich habe mit Aufmerksamkeit Ihre Darlegungen gehört. Ich darf nur feststellen, daß in Ihrem Kommentar zu § 29 steht: „Namentliche Abstimmung ist unzulässig." ({0}) Ich lasse den Antrag auf namentliche Abstimmung zu. ({1}) - Der Antrag ist doch gestellt. ({2}) - Entschuldigen Sie, der Antrag ist doch gestellt. ({3}) - Sie haben ihn doch gestellt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich Sie noch aufhalten muß. Ich hatte meinen Antrag bisher nicht gestellt, sondern nur dem Herrn Präsidenten angekündigt, daß ich ihn stellen wolle. Jetzt stelle ich diesen Antrag. ({0}) Ich möchte Ihnen zunächst um unser aller willen sagen, daß ich glaube, daß wir uns hier nicht als Kabarettisten traktieren sollten und daß wir uns auch nicht als Kabarettpublikum fühlen sollten, ({1}) das etwa hierhergekommen sein sollte, um sich zu amüsieren. Dazu ist die Sache zu ernst, denn es geht auch bei dieser Geschäftsordnungsdebatte um eine Frage der Demokratie. ({2}) Der Grund, weswegen wir den Antrag auf namentliche Abstimmung stellen, ist der: Übergang zur Tagesordnung ist eine Entscheidung in der Sache, denn damit wird die Sache für erledigt erklärt, und wir möchten gern wissen, welche von Ihnen der Meinung sind, daß die Sache mit dem Antrag des Abgeordneten Stücklen auf Übergang zur Tagesordnung für erledigt erklärt sein soll. Gleichzeitig stellen wir diesen Antrag deswegen, weil uns daran liegt, hier noch einmal klarzumachen, daß alle diejenigen von uns, die die Ehre hatten, im Parlamentarischen Rat das Grundgesetz zu beraten, zwar der Meinung waren, daß es nicht zu den Prärogativen des Bundestages gehören sollte, der Regierung oder einem Minister das Mißtrauen im technischen Sinne des Wortes auszusprechen, d. h. damit einen Zwang zur Abberufung auszuüben, daß wir aber der Meinung waren, daß ({3}) jedem Parlament das Recht zusteht, der Regierung zu sagen, was es von ihr wünscht. ({4}) Das ist, wenn ich mich nicht täusche, der Sinn Ihres Antrags, verehrte Kollegen vom BHE. Uns liegt daran, zu wissen, wer von Ihnen der Meinung ist, daß unter den gegebenen Umständen von der Regierung gewünscht werden sollte, aus dem Verhalten bestimmter Fraktionen gewisse Konsequenzen zu ziehen. Daher unser Antrag auf namentliche Abstimmung. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich gebe diesem Antrag auf namentliche Abstimmung statt. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß ich meinerseits im Sinne des § 129 der Geschäftsordnung den Geschäftsordnungsausschuß mit dem gesamten Komplex noch befassen werde. Ich bitte nun die Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. ({0}) Ist jemand im Saal, der seine Karte noch nicht abgegeben hat? - Die Abstimmung ist geschlossen. ({1}) Meine Damen und Herren, ich darf bitten, Platz zu nehmen. Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekannt. Abgestimmt haben 403 Mitglieder des Hauses. Mit Ja, also für den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung, haben 212 Mitglieder des Hauses gestimmt. Mit Nein haben 162 Mitglieder des Hauses gestimmt. Enthalten haben sich 29. Berliner Abgeordnete: abgegebene Stimmen 17. Mit Ja haben 4 gestimmt, mit Nein 11. Enthalten haben sich 2 Mitglieder. ({2}) Damit ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung angenommen. Wir kommen nunmehr nochmals zu Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung der Ubersicht 14 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen nach dem Stand vom 10. November 1955. Meine Damen und Herren, ich habe heute morgen den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Strosche, gebeten, heute nachmittag in seinem Bericht fortzufahren. Ich darf bitten, daß der Herr Berichterstatter das Wort nimmt. Dr. Strosche ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich in der mündlichen Berichterstattung über die Tätigkeit des Petitionsausschusses fortfahre. Ich habe heute vormittag zum Abschluß gesagt, daß ich auf Grund der Beratungen im Ausschuß einige Ausführungen darüber machen möchte, was uns und mir bei der Durchsicht der Vielzahl von Petitionen ganz besonders aufgefallen ist. Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 6154. Wie bereits angedeutet und auch in der letzten Berichterstattung durch Herrn Kollegen Dr. Stammberger erwähnt worden ist, werden die Antworten oberster Bundesbehörden an den Ausschuß dadurch behindert, daß einzelne Länder ihre Auskunftspflicht oder -aufgabe über die Ausführung der ihrer Durchführung übertragenen Bundesgesetze verschieden eng bzw. verschieden weit auslegen. Ein Beispiel: In drei Petitionsfällen lehnte es das Bayerische Staatsministerium des Innern im Hinblick auf Art. 83 und 84 des Grundgesetzes aus, wie es hieß, verfassungsrechtlichen Gründen - unter Hinweis auf den Eingaben- und Beschwerdeausschuß des Bayerischen Landtags! - ab, Auskünfte zu erteilen, weil eine derartige Behandlung - so hieß es - durch Bundesorgane einen Eingriff in die Staatshoheit der Länder bedeute. Die Aufforderung der Bundesorgane, bei der Erlangung von Informationen Hilfe zu leisten, bedeutete also einen Eingriff in die Staatshoheit der Länder! Meine Damen und Herren, wir glauben, daß hier der dringende Wunsch entsteht, endlich einmal verfassungsgerichtlich das Problem der Auskunftspflicht zwischen Bund und Ländern zu klären. Derartige oftmals auch noch unterschiedliche Auslegungen der Auskunftpflicht seitens der Länder führen etwa auch dazu, daß z. B. die Stellungnahmen des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte den Ausschuß des öfteren weniger befriedigten als zum Beispiel die des Bundesfinanzministeriums oder des Bundesarbeitsministeriums. Dennoch ist der Ausschuß der Ansicht, daß der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte bemüht bleiben sollte, den genauen Sachverhalt der Petitionen, die ihm zur Berichterstattung zugehen, auch bei den nachgeordneten Stellen und Behörden der Länder aufzuklären. Wenn der Bundesminister für Arbeit und der Bundesminister der Finanzen nahezu stets in der Lage sind, tatsächliche Verhältnisse auf Länderebene zu klären und somit brauchbare Stellungnahmen vorzulegen, dann sollte das auch dem Bundesvertriebenenminister mittels energischerer Vorstellungen möglich sein. Hier sollte dem Bundesvertriebenenministerium das Bundesausgleichsamt nacheifernswertes Vorbild sein, das sich auch sonst durch eine echte Initiative, Hilfeleistung und, wenn ich so sagen darf, Anwendung gesunden Menschenverstandes sowie durch Aufzeigung gangbarer Wege der Hilfeleistung rühmenswert auszeichnet. Wie ungeschickt und unbeholfen manchmal in bezug auf die Rekonstruktion tatsächlicher Verhältnisse bei der Exekutive gearbeitet wird, mögen Sie der Tatsache entnehmen, daß anläßlich der Behandlung eines BVG-Witwenrentenfalles - es handelte sich um die Witwe eines kriegsblinden Sudetendeutschen, eines langjährigen Tabaktrafikanten in Warnsdorf in Böhmen - die zuständige bundesministerielle Stelle erst gleichsam mit der Nase auf die Existenz einer sudetendeutschen Landsmannschaft, ihrer Bundesleitung in München und ihrer ortszuständigen Heimatauskunftstelle gestoßen werden mußte. Wie lässig manchmal gearbeitet wird, können Sie an Hand eines Falles ersehen, wo erst auf Grund einer angeforderten Stellungnahme einem Versorgungsamt die Erleuchtung kam, daß zwar dem Beschwerdeführer eine Elternrente nach dem BVG § 50 Abs. 2 für seine zwei vermißten Söhne nicht gewährt werden könne, aber doch eigentlich seiner Ehefrau hätte schon längere Zeit gewährt werden ({4}) können, die nun ab sofort Nachzahlung und laufende Elternrente erhalten kann. Ein in einer anderen Hinsicht erwähnenswerter Fall. Ein heimatverjagter Landwirt aus Ostpreußen hatte um einen Kredit zur Errichtung einer Hühnerfarm und eines Gartenbaubetriebes nachgesucht. Er hatte durch die Vermittlung eines Gütermaklers ein landwirtschaftliches Anwesen in der Größe von 1 ha gepachtet. Dabei war ein jährlicher Pachtzins von 1320 DM vereinbart worden, so daß monatlich 110 DM vom Pächter aufzubringen gewesen wären. Auf Grund dieses vereinbarten Pachtzinses war es zur Eröffnung eines Flüchtlings-Siedlungsverfahrens darum nicht gekommen, weil die Treuhandstelle der Flüchtlingssiedlung in dem beabsichtigten Vorhaben keine geeignete Existenzgrundlage erblickte. Der Ausschuß hatte sich nun weniger über die ablehnende Einstellung der Treuhandstelle gewundert, als vielmehr darüber, daß die Verpächterin einen solchen wucherischen Pachtzins überhaupt verlangen konnte. Die Mitglieder des Ausschusses meinten, daß sich hier der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angesprochen fühlen sollte, um solchen Auswüchsen, die offenkundig nur darauf abgestellt sind, die Not der Heimatvertriebenen auszunutzen, aufs energischste entgegenzutreten. In anderem Zusammenhang ist es dem Ausschuß aufgefallen, daß bei der Gewährung von Aufbaudarlehen nach dem LAG von den Ausgleichsämtern bei der Prüfung der Sicherheitsfrage ein überstrenger Maßstab angelegt wird. Wenn beispielsweise einem Heimatvertriebenen zur Errichtung einer orthopädischen Werkstätte nur deshalb bloß 3500 DM Aufbaudarlehen gewährt werden, weil er für einen höheren Betrag keine Sicherheit leisten kann, so ist das eine reine Fehlspekulation. Mit der Gewährung eines derart niedrigen Darlehens wird höchstens eine latente Existenzgefährdung begründet. Die Ausgleichsämter sollten unseres Erachtens von einer derart knauserig-engstirnigen Einstellung abgehen und als Durchschnitts- betrag ein Vielfaches für eine Darlehensgewährung gegenüber früher ansetzen, wenn gegenwärtig eine Existenzgründung tatsächlich sinnvoll, d. h. immer halbwegs krisenfest sein soll. In diesem Zusammenhang sei auch auf Fälle verwiesen, bei denen mit den Begriffen von Kausalzusammenhang von Vertreibung und gegenwärtiger Existenzlage, von kriegsbedingter Verschlimmerung eines Leidens und - wie es so schön oder besser unschön heißt - „anlage-", ja, seit neuestem auch „schicksalsbedingten" Umständen in einer Art operiert wird, die im Zweifels-. oder Wahrscheinlichkeitsfalle zumeist nicht zugunsten der menschlichen Anteilnahme und Hilfeleistung, sondern zugunsten einer formalistisch-fiskalischen und einer sich dem geringsten Widerstand anpassenden Weise zu entscheiden beliebt. Verweisung des Kriegsopfers auf die öffentliche Fürsorge oder auf langwierige, kostspielige Rechtsmittelverfahren pflegt dann der Weisheit letzter Schluß zu sein. Es gäbe eine Fülle von aus Petitionen aufleuchtenden Problemen, die einer eingehenden Unterstreichung wert wären. Ich denke z. B. an die Nöte der Jugoslawiendeutschen bezüglich ihres Staatsangehörigkeits-Status, der Familienzusammenführung, ja sogar der Erlaubnis zum Besuch ihrer in der Bundesrepublik wohnhaften Verwandten, zumeist von Österreich aus. Ich denke hier an das Problem der sogenannten „Möbelkinder" im Felde der LAG-Hausratshilfe, der Umsatzsteuerleistung durch freiberuflich, aber im Behördenauftrag Tätige, der Angestelltenversicherungsbeitragsleistung durch ehemals bei der NSDAP hauptamtlich tätige Angestellte; da sind weiterhin der als Strafe empfundene Entfall der Unterhaltshilfe für eine Witwe und Mutter z. B., deren Sohn auf Grund einer infolge seiner Intelligenz und seines Fleißes erwirkten Sondergenehmigung vorzeitig seine Gesellenprüfung abgelegt hatte, ferner immer noch merkbare Unzulänglichkeiten im Bereich der Bundesbeihilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge - nach den Richtlinien vom 17. Oktober 1951 -, alles Fälle, die den Ausschuß besonders beschäftigten und - sofern nicht bereits geregelt - unser aller Willen zur Änderung und Verbesserung anregen sollten. Oder hören Sie einmal folgenden Fall, der sich vor einigen Tagen ereignete und auch ein grundsätzliches Problem aufreißt. Ein schadhafter Rundfunkempfänger - Kondensatorschaden -, dessen Fehler sich im Betrieb nicht bemerkbar machte, setzte die Außenantenne unter Strom. Als eines Tages bei Bauarbeiten diese Antenne beschädigt wurde und herabfiel, führte sie zum Tode eines jungen Baumeisters, welcher eine kaum versorgte Familie hinterläßt. Ein Verschulden des Rundfunkteilnehmers liegt nicht vor, da sich der Fehler im Apparat nicht bemerkbar machte. Auch der Rundfunk lehnt nach der geltenden Rechtslage eine Haftung ab. Es besteht eine Vermutung dahin, daß solche Schäden öfters unbemerkt auftreten und dann im Einzelfall durchaus zu solch tragischen Unglücksfällen führen können wie dem eben beschriebenen. Es müßte also geprüft werden, wie einem solchen Zustand für die Zukunft abgeholfen werden kann, wobei vielleicht die Frage auftauchen könnte, ob man an eine obligatorische Kollektivversicherung gegen derartige Fälle denken sollte. Manchmal spielen allerdings Schicksal und Rechtsstandpunkte ein noch teuflisch-grausameres Spiel, so daß guter Rat und heilsame Tat sehr teuer werden. Ein Beispiel hierfür gibt der auch durch die Presse aufgegriffene Fall der Frau Martha Klever, wohnhaft in Joditz bei Hof in Bayern. Hören Sie bitte: Die Petentin heiratete 1920 den Tischler Josef Klever. Beim Zusammenbruch im Jahre 1945 mußten die Petentin und ihre Kinder flüchten. Sie kamen nach Joditz bei Hof. Der Ehemann der Petentin, der zurückgeblieben war, ließ nichts mehr von sich hören. Erst nachdem nach mehreren Monaten der Suchdienst ihn aufgefunden hatte, schrieb er einen Brief an seine Tochter, durch welchen er der Petentin mitteilte, daß er wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten in die sowjetisch besetzte Zone zu gehen beabsichtige. Dann vergingen drei Jahre, ohne daß der Mann etwas von sich hören ließ. 1950 erhielt die Petentin durch einen Polizeibeamten die Mitteilung, der Mann habe sich in Köln das Leben genommen. Die Petentin fuhr dann nach Köln, wo sie erfuhr, daß Klever sie gerichtlich hatte für tot erklären lassen, indem er angegeben hatte, die Petentin sei bei einem Fliegerangriff ums Leben gekommen. Klever selbst hatte sodann eine Witfrau geheiratet, von der er sich nach kurzer Zeit wieder hatte scheiden lassen. Die Petentin stellte daraufhin bei der Bayerischen LVA Antrag auf Gewährung einer Witwenrente, die in Höhe von 25 DM bewilligt wurde. 1953 stellte jedoch die LVA fest, daß durch die Wiederverheiratung Klevers die erste Ehe aufgelöst worden und nur die zweite ({5}) Ehe rechtsgültig sei. Die Petentin mußte die Witwenrente zurückzahlen. Die Petentin betrieb sodann die Nichtigkeitserklärung der Ehe. Zu diesem Begehren stellte Anfang 1955 der Oberstaatsanwalt Köln folgendes fest - ich zitiere -: Ihrem Antrag auf Erhebung der Nichtigkeitsklage bezüglich der am 27. Oktober 1947 geschlossenen Ehe des Josef Klever mit der Anna Klever, geborene Over, verwitwete König, vermag icht nicht stattzugeben. Diese Ehe ist nach § 38 Abs. 1 des Ehegesetzes nicht nichtig gewesen, da Sie als die erste Ehefrau des Josef Klever durch Beschluß des Amtsgerichts Köln vom 28. Juli 1947, Aktenzeichen . . . der am 23. 9. 1947 rechtskräftig geworden war, für tot erklärt worden waren und Frau Anna Klever bei der Eheschließung nicht wußte, daß Sie noch leben. Nach § 38 Abs. 2 des Ehegesetzes wurde Ihre Ehe mit Josef Klever durch die zweite Eheschließung bei dieser Sachlage aufgelöst. An der gesetzlich bestimmten auflösenden Wirkung der zweiten Eheschließung hat sich weder durch die spätere Scheidung dieser zweiten Ehe noch durch die spätere Aufhebung des vorerwähnten Todeserklärungsbeschlusses etwas geändert. Ich verkenne nicht, daß diese vom Gesetzgeber bestimmte Regelung für Sie einen Härtefall bedeutet. Es ist mir jedoch nicht möglich, entgegen der gesetzlichen Regelung eine Nichtigkeitsklage zu erheben, die das Gericht doch abweisen müßte. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich unter Darstellung der besonderen Härte, die die gesetzliche Regelung für Sie mit sich bringt, an die zuständigen Versicherungsinstanzen zu wenden, damit diese prüfen können, ob Ihnen nicht doch geholfen werden kann. Gewiß ist der Rechtsstandpunkt des Oberstaatsanwalts Köln nach den derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen kaum zu beanstanden, - aber! Und dieses Aber ist es, um dessentwillen wir uns wohl in Zukunft einige Gedanken machen sollten! Doch nun noch einige positiv erledigte Fälle allgemeinen Interesses, zu denen übrigens da und dort auch herzliche Dankschreiben von Petenten vorliegen. Zu einem erfreulichen Ergebnis führte u. a. eine Petition der Pauline Marton aus Hamburg-Harburg. Ihr Ehemann war 1942 auf dem Nachhauseweg von seiner Arbeitsstätte von einem Wehrmacht-Pkw angefahren und dabei getötet worden. Die Wehrkreisverwaltung hatte die Schuld anerkannt und eine Monatsrente von 127 Mark gezahlt. Die Zahlung der Rente wurde jedoch vom Oberfinanzpräsidenten eingestellt, nachdem der verstorbene Ehemann im Juli 1947 das 65. Lebensjahr vollendet gehabt hätte. Durch Verhandlungen des Petitionsausschusses mit dem Bundesminister für Arbeit und dem Bundesminister der Finanzen wurde der Standpunkt vertreten, daß gemäß § 844 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht das 65. Lebensjahr, sondern die mutmaßliche Lebensdauer des Verunglückten für die Gewährung der Rente maßgebend sei. Der Petentin wurde daraufhin eine Nachzahlung geleistet. Darüber hinaus wurde die mutmaßliche Lebensdauer des tödlich Verunglückten unter Berücksichtigung aller in Betracht zu ziehenden Umstände auf den Zeitpunkt der Vollendung des 80. Lebensjahres festgesetzt, so daß die Petentin noch eine Rente bis zum 31. Juli 1962 erhalten kann. Bei einem andern Fall hatte ein 80jähriger Petent einen Sparerschaden von 8180 RM erlitten. Da der Petent ein Einfamilienhaus mit einem Einheitswert von 4600 DM besitzt, war das Ausgleichsamt davon ausgegangen, daß ein Verlust der Existenzgrundlage nicht angenommen werden könne, da hierfür ein Schaden von mehr als 10 000 RM erforderlich ist. Der Petent hatte hierauf eine Unterhaltshilfe auf Zeit erhalten, die im März 1954 wegen Erreichung des Grundbetrages eingestellt wurde. Durch das Eingreifen des Petitionsausschusses hat eine Überprüfung ergeben, daß bei dem Petenten mit Rücksicht auf sein hohes Alter auch bei dem unter 10 000 RM liegenden Sparerschaden der Verlust der Existenzgrundlage angenommen werden konnte. Das zuständige Ausgleichsamt wurde daher erfreulicherweise vom Bundesausgleichsamt angewiesen, dem Petenten eine Unterhaltshilfe auf Lebenszeit zu gewähren und die Zahlung von der Einstellung im März 1954 an wieder aufzunehmen. Das sind nur einige ganz wenige unter den vielen zu einem erfreulichen Abschluß gebrachten Petitionen. Bei der Behandlung von Petitionen hat sich bezüglich des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes erneut und mehrfach darin eine Härte gezeigt, daß nach § 5 des Gesetzes der Anspruch auf Entschädigung nur dann vererblich ist, wenn der Berechtigte nach dem 3. Februar 1954 verstorben ist. Hierüber ist wiederum eine große Zahl von Beschwerden eingegangen. Inzwischen liegt bekanntlich dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen unter der Drucksache 1771 ein Antrag vor, durch den dieser leidige Stichtag auf den 31. Dezember 1946 vorverlegt werden soll. Mit Rücksicht auf die Vielzahl der Petitionen, die sich gegen die alte Fassung wenden, wäre der Petitionsausschuß sehr daran interessiert, wenn der Antrag Drucksache 1771 bald vom Plenum verabschiedet werden könnte. Bei der Behandlung von Petitionen auf dem Gebiet der Reichsversicherungsordnung fiel besonders auf, daß das praktische Ergebnis der §§ 898 und 899 RVO sozial unbefriedigend ist. Nach diesen Bestimmungen besteht den Versicherten und deren Hinterbliebenen gegenüber nur dann eine Verpflichtung zum Ersatz des durch Arbeitsunfall verursachten Schadens nach anderen gesetzlichen Vorschriften, wenn strafgerichtlich festgestellt worden ist, daß der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde. Das fahrlässige Herbeiführen eines Unfalls begründet eine Ersatzpflicht, die über die Leistungen der Berufsgenossenschaft hinausgeht, nicht. Der Ausschuß glaubte, daß dieses Problem in dem zuständigen Sozialpolitischen Ausschuß eingehend besprochen werden sollte. Der Petitionsausschuß hat mich ferner beauftragt, mit Nachdruck auf die Mißstände hinzuweisen, die im Zusammenhang mit Unterhaltshaltszahlungen an Kinder in der sowjetisch besetzten Zone entstehen. Eine Verschärfung dieser Mißstände ist dadurch entstanden, daß die sowjetzonalen Behörden im Januar dieses Jahres ein Verbot erlassen haben, wonach die bis dahin geduldete Überweisung von Unterstützungszahlungen an bedürftige Personen in der Sowjetzone in DM- Ost, welche über das Berliner Stadtkontor unter Ausnutzung des Wechselstubenkurses gekauft wurden, nicht mehr möglich ist. Die einschlägigen Verhandlungen der Treuhandstelle für den Inter({6}) zonenhandel, Berlin, mit der sowjetzonalen Delegation sollten unseres Erachtens fortgesetzt werden, selbst wenn die Sowjetzone wie bisher jede Vereinbarung mit der Treuhandstelle, die über den Rahmen des Interzonenhandels hinausgeht, abgelehnt hat. Darüber hinaus sollten der Bundesminister für Wirtschaft, der Bundesminister des Innern, der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, der Bundesminister für Familienfragen sowie die Bank deutscher Länder nicht nachlassen in ihren Bemühungen, nach Wegen zu suchen, die den diesbezüglichen Wünschen allseits gerecht werden. Der Ausschuß hat sich schon mehrfach dafür eingesetzt, daß das Problem der Versorgung von Witwen, deren neue Ehe aufgehoben oder geschieden worden ist, bereits vor der allgemeinen Sozialreform, z. B. im Wege des Härteausgleichs, gelöst wird. Wiederholt wurde darauf hingewiesen, daß im Bundesbeamtengesetz eine Regelung hierfür getroffen worden ist, aber nicht in der Sozialversicherung. Der Ausschuß war sich darüber einig, daß zum mindesten erreicht werden müsse, daß in den Fällen, in denen die zweite Ehe ohne Schuld der Witwe geschieden wird, die Witwenrente nach dem verstorbenen ersten Ehemann wieder auflebt. Die Ausschußmitglieder waren erfreut darüber, daß der Herr Bundesminister für Arbeit in einem Rundschreiben vom September dieses Jahres dieser Auffassung tatsächlich Raum gegeben hat. In ihm ist festgelegt, daß den Witwen, soweit sie das 50. Lebensjahr vollendet haben oder erwerbsunfähig sind oder für mindestens ein Kind des Verstorbenen zu sorgen haben, bis zu einer gesetzlichen Regelung als vorübergehende Maßnahme eine Witwenbeihilfe bis zur Höhe von zwei Dritteln der gesetzlichen Witwenrente im Wege des Härteausgleichs gewährt wird. Voraussetzung ist u. a., daß die zweite Ehe aus Alleinverschulden des Ehemannes aufgehoben oder geschieden worden ist und daß gegenüber dem früheren Ehemann ein Unterhaltsanspruch geltend gemacht wurde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin mir bewußt, Ihre Aufmerksamkeit über Gebühr in Anspruch genommen zu haben. ({7}) Der besonders große Zeitraum seit der letzten Berichterstattung aber, die Fülle von Eingaben und Problemen, die in dieser Zeit wiederum angefallen sind, und die von allen Ausschußmitgliedern empfundene Notwendigkeit, wiederum einmal auf die Bedeutung dieses Ausschusses und seiner Arbeit sowie auf die sich aus ihr ergebenden Verpflichtungen des Hauses hinzuweisen, waren die Triebkräfte dieser vielleicht übergebührlich eingehenden Berichterstattung. Ich habe nunmehr nur noch den ehrenvollen Auftrag, Sie entsprechend der Drucksache 1833 namens des Ausschusses zu bitten, den Anträgen des Petitionsausschusses, wie Sie sie in der Übersicht 14 verzeichnet finden, Ihre Zustimmung zu geben. ({8})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter für den ausgezeichneten Bericht, den er gegeben hat. Ich eröffnet die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache 1833 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Ein- stimmig angenommen. Damit ist der Punkt 6 der heutigen Tagesordnung erledigt. Bevor ich weiterfahre, möchte ich den Herrn oben auf der Tribüne hinter der Glaswand bitten, nicht mehr sein Opernglas zu benutzen. Wir sind hier in keinem Theater. Punkt 7 der heutigen Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Naegel, Kurlbaum, Scheel und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken ({0}) ({1}). Im Ältestenrat war zwischen allen Parteien vereinbart, daß man in der ersten Lesung sowohl auf Begründung wie auf Debatte verzichten sollte. Es hat sich jedoch ein Abgeordneter zu diesem Punkt zu Wort gemeldet. Infolgedessen kann ich trotz der Vereinbarung nicht so verfahren. Wir treten also in die Aussprache ein. Ich erteile dem Abgeordneten Platner das Wort.

Eduard Platner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001721, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, den Ihnen mit der Drucksache 1841 vorgelegten Entwurf eines Zweiten Apothekenstoppgesetzes ausschließlich an den Rechtsausschuß zur Beratung zu überweisen oder aber, wenn Sie diesem Antrag nicht entsprechen sollten, zumindest den Entwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführendem Ausschuß zu überweisen. Gestatten Sie mir, zur Begründung dieses Antrages kurz folgendes zu sagen. Der Wortlaut dieses Zweiten Apothekenstoppgesetzes entspricht völlig dem Wortlaut des Ersten Apothekenstoppgesetzes aus dem Jahre 1953. Gegenüber diesem Ersten Apothekenstoppgesetz hat aber bereits im genannten Jahre die bayerische Landesregierung ein Feststellungsverfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig gemacht mit dem Ziel, die Verfassungswidrigkeit dieses Ersten Apothekenstoppgesetzes festzustellen. Dabei hat die bayerische Landesregierung zur Begründung ihrer Feststellungsklage mehrere rechtliche Gesichtspunkte zur Debatte gestellt. Es bedarf also der Überprüfung dieser rechtlichen Momente durch den Rechts- und Verfassungsausschuß, um zu der Feststellung zu kommen, inwieweit man unter Berücksichtigung der von der bayerischen Landesregierung geltend gemachten verfassungsrechtlichen Zweifel dieses Apothekenstoppgesetz nicht etwas anders formulieren muß, um diese verfassungsrechtlichen Bedenken damit zu beseitigen. Das wollte ich zur Begründung meines Antrages kurz gesagt haben, und ich darf bitten, diesem meinem Antrag zu entsprechen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Herr Staatssekretär Bleek.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß die zweite Verlängerung des Apothekenstoppgesetzes Anlaß geben sollte, verfassungsrechtliche Fragen noch in aller Breite zu prüfen. ({0}) Wir glauben, nachdem die Angelegenheit in Karlsruhe anhängig ist - und man kann ja wohl schon ({1}) sagen: recht lange Zeit anhängig ist -, sollte man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten. Es besteht kein Anlaß, daß etwa der Rechtsausschuß unter Umständen zu einer Meinung kommt, die nachher vom Bundesverfassungsgericht desavouiert wird. Es geht doch jetzt um die sehr simple Frage: Soll man ein Stoppgesetz, das zweimal dagewesen ist, verlängern oder soll man es nicht verlängern? ({2}) Dies ist, glaube ich, nicht der Augenblick, Rechtsfragen und Verfassungsfragen in aller Subtilität noch einmal hier im Hause zu erörtern.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.

Dr. Viktoria Steinbiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich beantrage, den Antrag Platner abzulehnen, und im Namen aller Parteien dieses Hohen Hauses bitte ich, den Entwurf eines Stoppgesetzes dem Ausschuß für Gesundheitsfragen als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung zu überweisen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer. ({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.

Georg Pelster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001687, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin auch der Meinung des Herrn Abgeordneten Platner, daß federführend eigentlich der Rechtsausschuß sein sollte. Ferner habe ich Bedenken gegen die weitere Verlängerung des Stoppgesetzes. Gewiß konnten Apotheker von sich aus irgendwelche neuen Apotheken nicht eröffnen. Aber treu und brav hat sich auch die Bundesregierung bzw. die Abteilung des Ministeriums die für das Apothekenwesen in Frage kommt, daran gehalten. Herr Dr. Bernhardt hat zugegeben, daß heute ungefähr 800 bis 1.000 Apotheken fehlen. Ich will nicht sagen, daß das allein durch das Stoppgesetz kommt. Aber die Regierung soll nicht meinen, daß dieses Stoppgesetz, wenn es wieder durchgeht, für sie Veranlassung genug wäre, jetzt auch einen Stopp bei der Zulassung neuer Apotheken eintreten zu lassen. Es ist wirklich an der Zeit, daß hier endlich einmal eine Änderung durchgeführt wird, daß ein frischer Zug hineinkommt und daß mancher alte Zopf, der bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückreicht, jetzt endlich abgeschnitten wird. ({0}) - Das gilt für die Regierung. Das möchte ich hier zum Ausdruck bringen. Ich hoffe, daß bis zum 31. März 1957, wo dieses Stoppgesetz wieder abgelaufen ist, ein vernünftiges Gesetz zustande gekommen ist. In dem auf Drucksache 1841 vorgelegten Entwurf heißt es allerdings in § 1: Bis zum Inkrafttreten einer bundesgesetzlichen Regelung des Apothekenwesens darf die Erlaubnis oder die Berechtigung zur Errichtung einer Apotheke nur auf Grund der Bestimmungen erteilt werden, die am 1. Oktober 1945 in den einzelnen Ländern des Bundesgebietes galten. In § 3 Abs. 2 heißt es: Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes anderweitig geltenden landesrechtlichen Vorschriften finden für die Geltungsdauer dieses Gesetzes keine Anwendung. Was soll denn da nun gelten, das eine oder das andere?

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Herr Staatssekretär Bleek.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es sehr dankbar empfunden, daß eben der Bundesregierung das Kompliment gemacht worden ist, sie habe sich in diesem Falle treu und brav verhalten, wobei ich es dahingestellt lasse, ob es die verfassungsmäßige Pflicht einer Regierung ist, immer nur treu und brav zu sein. ({0}) Aber ich darf doch auf folgendes hinweisen. Es geht jetzt nicht um die Grundsatzfrage. Die Grundsatzfrage muß bei Gelegenheit der Weiterberatung des bereits vorliegenden Apothekengesetzentwurfs und des daneben stehenden Initiativantrags ausgetragen werden. Es geht jetzt um die Frage, ob man die Zeit, bis diese Grundsatzfrage ausgetragen ist, dadurch überbrücken will, daß man die bereits bestehende Gesetzgebung, die immerhin einen verhältnismäßig einheitlichen Rechtszustand in der Bundesrepublik schafft, im Augenblick weiter verlängert; um nichts anderes geht es. Wenn Apotheken irgendwo fehlen, dann, glaube ich, kann man das doch nicht als Argument gegen das Stoppgesetz anführen. ({1}) Es ist doch so, daß wir durch die Entwicklung in der früheren amerikanischen Besatzungszone in den einzelnen Gebieten eine verschiedene Rechtslage haben. Es war der Zweck der Stoppgesetzgebung, in diesen Gebieten den früheren Rechtszustand nur so lange wiedereinzuführen, bis das einheitliche Apothekengesetz bzw. das, was Sie an dessen Stelle zu setzen wünschen, verabschiedet ist.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Der Abgeordnete Dr. Hammer hat sich erneut zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

Dr. Richard Hammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000795, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Pelster hat vom Zopfabschneiden gesprochen. Er hat völlig recht. Aber ich glaube nicht, daß man Zöpfe abschneidet, wenn man ausgerechnet in diesem Augenblick das Gesetz unnötigerweise weiteren Ausschüssen überweist. Da wird der Zopf nur noch weiter geflochten. Die Überwachung der Errichtung von Apotheken ist eine Angelegenheit der Gesundheitsabteilungen in den Innenministerien. Die Fragen der Errichtung von Apotheken werden nicht vom Justizministerium bearbeitet. Die Aufgabenverteilung in diesem Hause ist doch offenbar so geregelt, daß Fragen der Arzneimittelversorgung in den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens gehören. Bitte, überweisen Sie die Vorlage diesem Ausschuß für Fragen der Gesundheitspolitik. Wir werden sie am Dienstag morgen in fünf Minuten erledigt haben und Ihnen den entsprechenden, notwendigen Beschluß, über den im übrigen fast Einmütigkeit in diesem Hause herrscht, vorlegen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Naegel.

Wilhelm Naegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001579, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich Ihre Zeit noch einen Augenblick in Anspruch nehmen muß. Es wurde von einem Antrag von Interessenten gesprochen. Dem muß ich aber widersprechen; denn es ist ein Gemeinschaftsantrag all derjenigen Kreise, die in der ernsten Beratung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zu dem Schluß gekommen sind, daß der vorgelegte Entwurf eines Apothekengesetzes noch einmal ernsthaft überarbeitet werden müsse und daß wir ihn in der vorliegenden Form nicht akzeptieren könnten. Um keinen rechtlosen Zustand entstehen zu lassen, haben wir uns dann - darin waren wir allerdings initiativ - entschlossen, zu beantragen, daß das bestehende Apothekenstoppgesetz noch einmal verlängert wird. Ich glaube, all die Argumente, die hier vorgetragen wurden, können in der Ausschußberatung eingehend erörtert werden. Ich möchte bitten, jetzt zu der Überweisung zu kommen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Der Antrag Platner liegt mir nicht schriftlich vor. Ich darf ihn wiederholen, damit ich mich selbst überprüfe, ob ich ihn richtig verstanden habe. Herr Abgeordneter Platner, Sie haben doch in erster Linie beantragt: Überweisung nur an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Wenn das abgelehnt wird - das war der Eventualantrag -, dann sollte der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht die Federführung haben, statt der Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens? ({0}) - Gut, ich lasse in dieser Reihenfolge abstimmen. Wer dafür ist, daß die Drucksache 1841 nur dem Rechtsausschuß überwiesen wird, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wer dem Eventualantrag des Abgeordneten Platner, den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß zu bestimmen, zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt. Dann unterstelle ich, daß sich das Haus dahin entschieden hat: Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens federführend und Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung. - Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist so beschlossen. Punkt 8 der heutigen Tagesordnung: Beratung des Antrags der Abgeordneten Naegel, Kurlbaum, Scheel und Genossen betreffend Vorlage des Entwurfs eines Arzneimittelgesetzes ({1}). Das Wort wird wohl nicht gewünscht? - Ich sehe, daß hier vermerkt ist: Abstimmung über den Antrag Drucksache 1840. Es ist ja sonst nicht üblich; meistens wird noch ein Ausschuß damit befaßt. Aber wenn die Vereinbarung getroffen ist, daß sofort abgestimmt werden soll, verfahren wir so; das ist nach der Geschäftsordnung selbstverständlich auch möglich. Der Antrag Drucksache 1840 ist ganz eindeutig; man braucht nur ja oder nein zu sagen. ({2}) Ich komme also zur Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache 1840 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Punkt 9: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika ({3}). Es ist interfraktionell vereinbart, daß auf Einbringung, Begründung und Debatte in der ersten Lesung verzichtet wird. Ich schlage dem Haus Überweisung der Drucksache an den Ausschuß für Außenhandelsfragen - federführend -, den Ausschuß für Verkehrswesen zur Mitberatung vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt. Punkt 10 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Vierte Berichtigungs- und Änderungsprotokoll vom 7. März 1955 zu den Anlagen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens ({4}) und zum Wortlaut der diesem Abkommen beigefügten Zollzugeständnislisten ({5}). Auch hier soll so verfahren werden wie eben. Ich schlage dem Hause Überweisung der Drucksache an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vor. - Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 11 ist heute morgen schon erledigt worden, Punkt 12 auch. Ich rufe Punkt 13 auf: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955 ({6}) ({7}). Auch hier soll auf Begründung und Debatte in der ersten Beratung verzichtet werden. Ich schlage dem Hause Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; es ist so beschlossen. Punkt 14 ist für heute abgesetzt. Ich rufe Punkt 15 auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über Sozialversicherung vom 5. Mai 1953 nebst Schlußprotokoll und Zusatzvereinbarung ({8}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({9}) ({10}). ({11}) Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Hahn. Hahn ({12}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Abkommen regelt die gegenseitigen Beziehungen der beiden Staaten auf dem Gebiet der Sozialver({13}) sicherung. In Art. 1 wird festgelegt, auf welche Gesetzgebungen in den beiden Ländern sich das Abkommen bezieht, und Art. 2 regelt die mögliche freiwillige Weiterversicherung für die Staatsangehörigen, die im Gebiet eines der beiden Vertragsstaaten wohnen und aus einer Versicherung des anderen Vertragsstaates ausscheiden oder ausgeschieden sind. In den Übergangs- und Schlußbestimmungen wird vereinbart, daß die Bestimmungen dieses Abkommens auch für Versicherungsfälle, die vor dem Inkrafttreten dieses Abkommens eingetreten sind, gelten. Das Schlußprotokoll beinhaltet die Erklärung der beiden vertragschließenden Teile darüber, für welche Personen der beiden Vertragsstaaten das Abkommen gilt, wer Versicherter im Sinne seiner Bestimmungen und was freiwillige Versicherung im Sinne dieses Abkommens ist, ferner welche abweichenden gesetzlichen Regelungen im Lande Berlin gelten, sofern das Land Berlin entsprechend dem Art. 3 die Anwendung dieses Gesetzes feststellt. Die Zustimmung des Bundestages ist gemäß Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes erforderlich, da es sich bei dem Abkommen, der Zusatzvereinbarung und dem Schlußprotokoll um Verträge handelt, die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen. Der Ausschuß hat das Abkommen einstimmig gebilligt. Er empfiehlt dem Hohen Haus, der Gesetzesvorlage zuzustimmen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Lesung ein. Ich rufe aus der Drucksache 1642 - denn der Ausschuß hat ja beantragt, die Drucksache 1642 unverändert nach der Vorlage anzunehmen - auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Einleitung und Überschrift in der Einzelberatung. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Ich komme zur Abstimmung. Wer den soeben aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Lesung des Gesetzes beendet. Wir treten in die dritte Lesung ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache. Da zur dritten Lesung Änderungsanträge nicht vorliegen, komme ich zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, möge sich von den Plätzen erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist das Gesetz verabschiedet. Ich rufe Punkt 16 auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({1}) ({2}). ({3}) Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Herrn' Abgeordneten Meyer ({4}). Meyer ({5}) ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses über den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes vom 25. Juni 1952, Drucksache 1807, zu erstatten. In der Begründung zu dem Gesetzentwurf wurde u. a. geltend gemacht, daß die Leistungen nach dem Teuerungszulagengesetz nur noch den Empfängern von Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen gewährt würden, wenn die Zulage nach dem Rentenzulagengesetz weniger als 3 DM monatlich betrage und das gesamte Einkommen den im Teuerungszulagengesetz festgesetzten Betrag nicht übersteige. Seit dem Inkrafttreten des Teuerungszulagengesetzes seien die Sozialleistungen durch verschiedene Gesetze, insbesondere durch das Grundbetragserhöhungsgesetz vom 17. April 1953 und das Renten-MehrbetragsGesetz vom 23. November 1954 erhöht worden. Die Auswirkung dieser Gesetze habe dazu geführt, daß für die große Mehrzahl der Teuerungszulageempfänger die Voraussetzungen für die Gewährung der Teuerungszulagen nicht mehr gegeben seien. Bei der Durchführung des Gesetzes seien die Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen auf die Verwaltungshilfe der Fürsorgeverbände angewiesen, die nicht in der Lage seien, neben ihren eigenen Aufgaben eine Überprüfung der Einkommensverhältnisse von ungefähr 600 000 Empfängern der Teuerungszulage vorzunehmen, und darauf aufmerksam gemacht hätten, daß sie ihren Verwaltungsapparat vergrößern müßten. In der Begründung wurde weiter hervorgehoben, daß die durch eine solche Nachprüfung entstehenden Verwaltungskosten unverhältnismäßig hoch sein würden. Es fehle auch die Übersicht darüber, ob nicht bei einigen Empfängern die gesetzlichen Voraussetzungen weggefallen seien. Die Prüfung sei aber eine gesetzliche Vorschrift. Der Bundesrat hat im ersten Durchgang dem Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes grundsätzlich zugestimmt, jedoch vorgeschlagen, die zur Vermeidung von Härten vorgesehene Abfindung in Höhe des 12fachen Monatsbetrages der Teuerungszulage auf den 24fachen Monatsbetrag zu erhöhen. Auch der Sozialpolitische Ausschuß des Deutschen Bundestages hat sich der von der Bundesregierung und vom Bundesrat vertretenen Auffassung, aus den vorgenannten Gründen sollte das Teuerungszulagengesetz aufgehoben werden, angeschlossen. Ein Antrag der SPD-Fraktion, diese Abfindung auf den 36fachen Monatsbetrag zu erhöhen, verfiel der Ablehnung. Von dieser Seite wurde auch geltend gemacht, daß dieses Gesetz noch so lange Wirkung haben sollte, bis die Sozialreform Gestalt angenommen habe. Es erschien dem Ausschuß nicht angezeigt, das Teuerungszulagengesetz rückwirkend aufzuheben. Der Ausschuß hat deshalb beschlossen, in der Regierungsvorlage in § 1 letzte Zeile und in § 2 Abs. 1 Zeile 6 das Wort „März" durch das Wort „Dezember" zu ersetzen und in § 5, der das Inkrafttreten des Gesetzes regelt, die Worte „April 1955" in die Worte „Januar 1956" zu ändern. Dadurch wird bestimmt, daß das Teuerungszulagengesetz erst mit Ablauf des Jahres 1956 außer Kraft tritt und die vorgesehene Abfindung erst für die Zeit nach dem 31. Dezember 1955 vorzusehen ist. ({7}) In Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesrates erschien dem Ausschuß eine Abfindung in Höhe des 12fachen Monatsbetrages der Teuerungszulage zu gering, zumal da nach Ansicht des Ausschusses hierdurch der Anschluß an die Neuordnung der sozialen Leistungen nicht sichergestellt erschien. Auch er ist der Auffassung, daß eine Abfindung in Höhe des 12fachen Monatsbetrages angezeigt ist. Demgemäß wurde in der Regierungsvorlage in § 2 Abs. 1 Zeile 4 das Wort „zwölffachen" durch das Wort „vierundzwanzigfachen" ersetzt. Die Streichung der Worte „oder entzogen wird" in § 2 Abs. 1 Zeile 7 des Regierungsentwurfs und die Neufassung des § 3 Abs. 2 letzter Satz erfolgen lediglich aus redaktionellen Gründen. Da das Gesetz erst für die Zukunft aufgehoben werden soll, schien dem Ausschuß § 2 Abs. 2 des Regierungsentwurfes überflüssig zu sein. Der Ausschuß bittet, dem Gesetzentwurf in der vorgeschlagenen abgeänderten Fassung zuzustimmen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung, also die Einzelberatung des Gesetzentwurfes ein. Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3, - § 4, - § 5 in der Ausschußfassung, wie sie sich aus Drucksache 1807 ergibt. Ich eröffne die Aussprache in der Einzelberatung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegen;) probe! - Enthaltungen? - Das Ergebnis ist sehr schwer zu beurteilen. Ich darf deshalb die Abstimmung wiederholen. Wer zuzustimmen wünscht, möge sich bitte erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen. Einleitung und Überschrift; wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit der gleichen Mehrheit angenommen. Damit ist die zweite Lesung des Gesetzes beendet. Wir treten in die dritte Beratung ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Freidhof.

Rudolf Freidhof (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000577, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dieser Vorlage der Regierung soll das im Jahre 1952 beschlossene Teuerungszulagengesetz aufgehoben werden. Ich habe bei der Beratung in der ersten Lesung für die sozialdemokratische Fraktion erklärt, daß auch wir bereit sind, der Aufhebung dieses Gesetzes einmal zuzustimmen, aber nur unter der Bedingung, daß bei Aufhebung dieses Gesetzes auf eine andere Art und Weise ein voller Ausgleich geschaffen wird. In den Ausschußberatungen ist zwar die Ablösungssumme vom Zwölffachen auf das Vierundzwanzigfache des Monatsbetrages der Teuerungszulage erhöht worden, aber ein Ausgleich ist nicht geschaffen worden. Es wird niemand bestreiten können, daß dieser Bundestag die Sozialreform wahrscheinlich nicht mehr durchführen wird. ({0}) - Das ist wiederholt hier auch von den Koalitionsparteien gesagt worden. - Auch der neue Bundestag wird nicht sofort oder im ersten Jahr die Sozialreform durchführen. Infolgedessen werden die Rentenempfänger nach 1957, also nach zwei Jahren, nichts mehr bekommen, weil das Teuerungszulagengesetz aufgehoben ist. Es handelt sich immerhin um 600 000 Menschen, und es sind zum größten Teil Fürsorgeempfänger, also die ärmsten Kreise, die von diesem Gesetz betroffen werden. Auch der Bundesrat, der dazu Stellung genommen hat und der im Grundsatz gesagt hat, dieses Gesetz müsse einmal aufgehoben werden, weil es ein schlechtes Gesetz sei, hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß mindestens die Zahlung des sechsunddreißigfachen Monatsbetrages notwendig sei, um einen Ausgleich zu schaffen. Da Sie im Sozialpolitischen Ausschuß unseren Antrag, die Ablösungssumme auf den Betrag für 36 Monate zu erhöhen, abgelehnt haben, wird die sozialdemokratische Fraktion den Antrag auf Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes ablehnen. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.

Josef Arndgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000046, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion stimmt dem Gesetz so, wie es vom Ausschuß beschlossen worden ist, zu. Tatsache ist, daß, nachdem in den letzten beiden Jahren eine Reihe sozialer Gesetze geschaffen worden sind, Leistungen nach dem Teuerungszulagengesetz den Empfängern von Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen nur noch gewährt werden, wenn die Zulage nach dem Rentenzulagengesetz weniger als 3 DM beträgt. In der Zwischenzeit ist eine weitere Verbesserung in der Rentenversicherung durch das Rentenzulagengesetz eingetreten, das wir in der vorvergangenen Woche in diesem Hause geschaffen haben. Nach diesem Gesetz werden an die Rentner zweimal Sechs-Monats-Beträge gezahlt. Darüber hinaus sind wir trotz der pessimistischen Meinung der SPD-Fraktion der Hoffnung, daß es im kommenden Jahr möglich sein wird, die ersten Gesetze für die Sozialreform zu schaffen, und zwar für den Kreis, für den auch dieses Gesetz bestimmt gewesen ist. ({0}) Dann wird mit der Vorauszahlung der bisherigen Teuerungszulage auf 24 Monate durch dieses Gesetz der Anschluß an die kommende Sozialreform erreicht. Deshalb stimmen wir diesem Gesetz zu. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Finselberger.

Erni Finselberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000546, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Lassen Sie mich nur einige Bemerkungen machen. Es ist doch eigentlich erstaunlich, daß wir seit Jahren auf die Neuordnung der sozialen Leistungen, ja, die umfassende Sozialreform warten - wobei wir außerordentlich geduldig gewesen sind - und nun hier die Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes seitens der Regierung hinnehmen sollen, daß man also sehr schnell dabei ist, einen Teil der bisherigen Sozialgesetzgebung einfach vom Tisch zu fegen. Ich glaube, so kann man es nicht machen. Die Regie({0}) rung sollte doch in der Verabschiedung solcher Gesetze dieselbe Geduld haben, wie sie sie vom Parlament und insbesondere von denjenigen Fraktionen verlangt, denen die Neuordnung der sozialen Leistungen ein ganz besonderes Anliegen ist. Wir werden also dem Antrag nicht zustimmen. Ich bin der Meinung, daß man sich nicht damit begnügen kann, zu sagen, in 24 Monaten werde die Sozialreform dasein. Herr Arndgen hat hier soeben die Meinung geäußert, die SPD sei wohl zu pessimistisch. Ich habe den Eindruck, daß wir in bezug auf die Sozialreform bisher zu optimistisch gewesen sind. Aus diesem Grunde haben wir sehr starke Bedenken gegen die Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes anzumelden.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.

Johannes Kunze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es erscheint meiner Fraktion entscheidend wichtig, daß wir durch die Verabschiedung dieses Gesetzes noch vor Weihnachten etwas tun. Mögen manche unter uns Bedenken haben gegen Unvollkommenheiten, mögen manche Zweifel hegen, ob wir in der Sozialreform weiterkommen, ich bin davon überzeugt, daß wir einen Schritt weiterkommen werden, wie Kollege Arndgen gesagt hat. Aber ich leg Wert darauf, namens meiner Fraktion für die Schlußabstimmung namentliche Abstimmung zu beantragen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wird das Wort weiter gewünscht? - Herr Abgeordneter Professor Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kunze, Sie haben ausgeführt, man müsse noch etwas Entscheidendes durch die Annahme dieses Gesetzes tun. Was Sie mit der Annahme des Gesetzes tun, ist, den Empfängern der Zulage von 3 DM pro Kopf die Zulage gegen eine sehr bescheidene Abfindung zu entziehen. Das halten wir vor einer Gesamtordnung der sozialen Leistungen für unsozial, und deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache in der dritten Lesung des Gesetzes. Änderungsanträge liegen mir in der dritten Lesung nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Da von der Fraktion der CDU/ CSU namentliche Abstimmung beantragt ist, auch 50 ihrer Abgeordneten im Saale sind, müssen wir namentlich abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. ({0}) Sind noch Damen und Herren da, die in der namentlichen Abstimmung ihre Stimmkarte bisher nicht abgegeben haben? - Dann bitte ich, das schleunigst zu tun. Ich frage zum letztenmal: Wollen Damen und Herren des Hohen Hauses ihre Stimmkarte zur namentlichen Abstimmung noch abgeben? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die namentliche Abstimmung. ({1}) Ich darf das Haus um Erlaubnis bitten, daß ich während der Auszählung in der Tagesordnung fortfahre. - Ich höre keinen Widerspruch; das Haus ist damit einverstanden. Ich rufe auf Punkt 17: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zustellung von Renten der Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung ({2}). Interfraktionell ist vereinbart worden, daß der Gesetzentwurf weder begründet noch in der ersten Beratung debattiert werden soll. Wir wollen also so verfahren. Strittig ist nur, welcher Ausschuß federführend sein soll, der Ausschuß für Sozialpolitik oder der Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen. Das Wort hat der Abgeordnete Diekmann.

Bruno Diekmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000384, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei diesem Gesetzentwurf in erster Linie um eine soziale Angelegenheit. Deshalb bin ich der Auffassung, daß der Ausschuß für Soziales federführend sein muß. Da aber das Postministerium letzten Endes von der Sozialbehörde den Auftrag bekommt, die Renten zuzustellen, ist es zweckmäßig, daß der Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen mitbeteiligt wird. Ich habe heute morgen mit Herrn Minister Balke darüber gesprochen; er ist mit mir der Auffassung, daß dies die gegebene Lösung ist.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schlage ich dem Hause vor - das war auch die ursprüngliche Absicht -, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - und die Ausschüsse für Post- und Fernmeldewesen sowie für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen - mitberatend - zu überweisen. Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist so beschlossen. Punkt 18 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Günther, Eickhoff, Held und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schwerbeschädigtengesetzes ({0}). Auch hier soll auf Begründung und Debatte in der ersten Beratung verzichtet werden. Ich schlage dem Hause die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; dann ist so beschlossen. - Punkt 19 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlins ({1}) in Gewahrsam genommen wurden ({2}). Auch hier wollen die Antragsteller in der ersten Beratung auf Begründung verzichten; ebenso ist vereinbart, in der ersten Beratung nicht zu debattieren. Ich schlage dem Hause vor, den Gesetzentwurf, Drucksache 1837, an den Haushaltsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen - mitberatend -- zu überweisen. - Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist so beschlossen. ({3}) Punkt 20 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({4}) und des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen ({5}) über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Durchführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes ({6}). Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Gengler. Gengler ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen habe ich zu dem Antrag der FDP - Drucksache 1679 - betreffend Durchführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes folgendes auszuführen. Zu Ziffer 1 des Antrags: Der Bundesfinanzminister hat, um den Aufruf weiterer Dringlichkeitsstufen nicht zu beeinträchtigen, für die Zahlung der Kriegsgefangenen-Entschädigung an die aus Rußland zurückkehrenden früheren Kriegsgefangenen - also die Spätestheimkehrer - den Betrag von 50 Millionen DM als unvorgesehene und unvermeidbare Ausgabe überplanmäßig bereitgestellt. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, diesen Spätestheimkehrern die volle Kriegsgefangenen-Entschädigung umgehend auszuzahlen. Der im Haushalt 1955 für die Kriegsgefangenen-Entschädigung vorgesehene Betrag von 200 Millionen DM erhöht sich dadurch auf 250 Millionen DM. Zu den Ziffern 2 und 3 des Antrags. Für die Spätestheimkehrer sind besondere Betreuungsmaßnahmen inzwischen angelaufen und in der weiteren Durchführung. Die Hilfs- und Betreuungsmaßnahmen sollen nach den Erklärungen der Länderregierungen in einer möglichst unbürokratischen Form geschehen und eine schnelle Durchführung gewährleisten. Damit ist den in dem Antrag Drucksache 1679 enthaltenen Anliegen entsprochen. Die beiden beteiligten Ausschüsse beantragen, den Antrag Drucksache 1679 durch die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen für erledigt zu erklären. Ich beziehe mich auf den Antrag Drucksache 1825 und bitte namens des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen um die Zustimmung des Hauses.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Ausschüsse auf Drucksache 1825 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich kehre nunmehr zu Punkt 16 unserer heutigen Tagesordnung zurück und gebe das vorläufige Ergebnis*) der Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf zur Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes in der dritten Lesung bekannt. Es haben 381 stimmberechtigte Abgeordnete abgestimmt. Mit Ja haben gestimmt 243, mit Nein 138, enthalten hat sich niemand. Berliner Abgeordnete: abgegebene Stimmen 17, Ja 10, Nein 7, keine Enthaltungen. Damit ist das Gesetz zur Aufhebung des Teue*)Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 6154. rungszulagengesetzes in dritter Lesung verabschiedet. Ich rufe nunmehr Punkt 21 unserer heutigen Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Antrag auf Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an reichseigenen Grundstücken des ehem. Pionier-Übungsplatzes auf der Teerhofinsel in Lübeck ({1}). Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Herrn Abgeordneten Dr. Gülich. ({2}) - Der Herr Berichterstatter schlägt dem Hause vor, auf die mündliche Berichterstattung zu verzichten, und beantragt Zustimmung. - Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache 1824 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 22 auf: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen zur Veräußerung der reichseigenen Grundstücke in Northeim a) ehem. Lagerhaus b) ehem. Einfamilien-Wohnhaus an die Firma Linnhoff, Maschinenfabrik, Berlin ({3}). Ich schlage dem Hause die Überweisung dieses Antrages an den Haushaltsausschuß vor. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 23 der Tagesordnung: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen über die nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben für das Rechnungsjahr 1953 ({4}). Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schlage dem Hause Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. - Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 24: Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 ({5}). Wir treten in die erste Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann ist sie abgeschlossen. Wir treten in die zweite Beratung des Gesetzentwurfs ein. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung. ({6}) Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln des Gesetzentwurfs, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ich trete in die dritte Beratung ein und eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.' Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe auf Punkt 25: Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ({7}). Auch hier soll auf Begründung und Debatte in der ersten Beratung verzichtet werden. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen - federführend-und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung zu überweisen. - Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist so beschlossen. Punkt 26: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({8}) über den Entwurf einer Zweiundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({9}) ({10}). Ich erteile das Wort dem Berichterstatter Abgeordneten Hahn. ({11}) - Schriftlicher Bericht liegt vor*). - Das Haus verzichtet auf mündliche Berichterstattung. Wir kommen zur Abstimmung. Den Antrag des Ausschusses haben Sie auf Drucksache 1876 vor sich. Er lautet einmal anders als sonst normalerweise - deshalb mache ich besonders darauf aufmerksam -, nämlich dahin, den Verordnungsentwurf abzulehnen. Wer dem Antrag auf Drucksache 1876 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe auf Punkt 27: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 11. Mai 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba ({12}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({13}) ({14}). ({15}) Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Margulies. *) Siehe Anlage 2. Margulies ({16}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Die Bitte des Außenhandelsausschusses ist etwas ungewöhnlich: einen Vertrag zu ratifizieren, der bereits vor zweieinhalb Jahren abgeschlossen wurde. Es bestanden aber wegen der Inkraftsetzung der vereinbarten Bestimmungen gewisse Schwierigkeiten, die Sie der Begründung der Gesetzesvorlage entnehmen wollen. Trotzdem, um eine neue Verhandlungsbasis zu haben, bittet Sie der Ausschuß für Außenhandelsfragen, der Ratifizierung zuzustimmen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung des Gesetzentwurfs ein. Ich rufe auf in der Einzelberatung Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Ich eröffne die Aussprache und frage: wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Einzelbesprechung in zweiter Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Lesung des Gesetzes beendet. Wir treten in die dritte Beratung ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich bitte erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet. Ich rufe auf Punkt 28: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs ({0}) ({1}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({2}) ({3}). ({4}) Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Thieme. Thieme ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs hat das Hohe Haus in erster Lesung am 27. Oktober passiert. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat die Vorlage Drucksache 1777 am 18. November beraten. Bei den begehrten Änderungen des Zolltarifs handelt es sich überwiegend um redaktionelle Anpassungen an die praktischen Bedürfnisse der Zollverwaltung. Nur in wenigen Fällen, nämlich in § 1 Nr. 2, Nr. 9, Nr. 30 Buchstabe a und Nr. 44 sind materielle Änderungen vorgenommen worden. Während der Ausschußverhandlung hat der Herr Regierungsvertreter einen Ergänzungsvorschlag vorgelegt, der als Ziffer 38 a einzufügen war. Diese in Drucksache 1878 enthaltene Einfügung wurde bei Stimmenthaltung der SPD-Ausschußmitglieder angenommen. Die Stimmenthaltung erfolgte aus der grundsätzlichen Erwägung, daß für nach der ersten Lesung gewünschte Aus({6}) weitungen eines Antrages kaum eine gründliche öffentliche und fachliche Diskussion möglich sei. Im übrigen hat sich der Ausschuß die Begründung der Regierung für die einzelnen Änderungen zu eigen gemacht. Diese Zolltarif-Novelle ist notwendig, um eine reibungslose und einheitliche Handhabung des Zolltarifs zu gewährleisten. Der Text laut Drucksache 1777 wurde vom Ausschuß einstimmig angenommen. Ich ersuche das Hohe Haus, der Zolltarif-Novelle, wie vom Ausschuß in Drucksache 1878 beantragt, die Zustimmung zu geben.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung des Gesetzes ein. Ich rufe auf § 1, und zwar mit der Änderung, die der Herr Berichterstatter hier vorgetragen hat und die Sie gedruckt auf Drucksache 1878 finden, daß hinter der Nr. 38 die dort vermerkte Nr. 38 a eingefügt wird, -§ 2, -- § 3, - § 4, - § 5, - Einleitung und Überschrift. - Ich eröffne die Aussprache und frage: wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir treten in die dritte Beratung des Gesetzes ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. - Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich bitte erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet. Ich rufe auf Punkt 29: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs ({0}) ({1}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({2}) ({3}) ({4}) Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Brand ({5}). ({6}) - Der Herr Berichterstatter scheint nicht im Hause zu sein. Verzichtet das Haus auf mündlichen Bericht? ({7}) - Das ist der Fall. Dann treten wir in die zweite Beratung des Gesetzes ein. Ich rufe auf § 1, -§ 2, - § 3, - Einleitung und Überschrift in der Fassung des Ausschusses. - Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussnrache. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung des Gesetzes erledigt. Wir treten in die dritte Beratung ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache und frage: wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge zur dritten Lesung liegen nicht vor. Ich komme daher zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich bitte vom Platze erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet. Meine Damen und Herren, ich hatte gedacht, daß wir damit am Ende unserer Beratungen seien. Das ist aber nicht der Fall. Sie müssen bitte noch einen Augenblick dableiben. Ich finde hier eine Notiz: „Nach einer Vereinbarung in der heutigen Sitzung des Ältestenrates soll der anliegende Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen heute als letzter Punkt der Tagesordnung verhandelt werden." Ich rufe also auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Geschäftsraummietengesetzes und des Mieterschutzgesetzes ({8}) -, Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen ({9}) und erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Lücke. Lücke ({10}), Berichterstatter: Der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen bittet das Hohe Haus, das Änderungsgesetz zum Geschäftsraummietengesetz nach Drucksache 1891 un- verändert entsprechend der Vorlage in zweiter und dritter Lesung anzunehmen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung des Gesetzes ein. Ich rufe auf Art. I, - Art. II, - Art. III, - Art. IV in der Fassung der Drucksache 1891. - Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung erledigt. Wir treten in die dritte Beratung des Gesetzes ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache und frage: wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich bitte erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Meine Damen und Herren, nun erteile ich zum Schluß gemäß § 36 der Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Lemmer zur Abgabe einer persönlichen Erklärung das Wort.

Ernst Lemmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001314, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, zu Punkt 5 der Tagesordnung hat Herr Kollege Seiboth zitiert, was ich auf dem Berliner Abend in meiner vorübergehenden Funktion als Ansager ausgeführt habe. Er hat erklärt, ich hätte festgestellt, daß die Demokratie da ihr Ende finde, wo die Freiheit des Kabaretts nicht gewahrt bleibe. Das Haus hatte offenbar den Sinn nicht ganz verstanden, brach in Heiterkeit aus und hinderte den Kollegen Seiboth, mein Zitat bis zu Ende zu wiederholen. Damit in das Bewußtsein meiner Kolleginnen und Kollegen nicht der halbe Satz eindringt, möchte ich fortfahren mit dem, was ich in Berlin als Ansager gesagt habe. Ich habe nämlich gesagt, daß auch die Freiheit des Kabaretts da ihr Ende finde, wo die Demokratie aufhöre und zu Ende komme, und ich habe hinzugefügt, wir - also das politische Kabarett mit seiner Freiheit und die parlamentarische Demokratie - säßen in einem Boot. Und ich habe den Eindruck: auch in diesem Hause befinden wir uns alle in einem Boot. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste, die 115. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 2. Dezember 1955, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.