Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir gedenken zweier teurer Toten,
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der Mitglieder des Bundestages Dr. Robert Tillmanns und Dr. Gerhard Lütkens.
Am 12. November 1955 starb in Berlin der Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion und Bundesminister für Sonderaufgaben Dr. Robert Tillmanns im Alter von 59 Jahren.
Minister Dr. Robert Tillmanns wurde am 5. April 1896 in Wuppertal geboren. Nach dem Studium der Staatswissenschaften promovierte er 1921 zum Dr. rer. pol. in Tübingen und widmete sich in den anschließenden Jahren bis 1933 vor allem der Sorge um die Studenten als Geschäftsführer des Deutschen Studentenwerks und der Studienstiftung des Deutschen Volkes. 1930 wurde er Regierungsrat in der preußischen Unterrichtsverwaltung, aus der er 1933 aus politischen Gründen ausschied. Anschließend war er im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau tätig.
Nach dem Kriege arbeitete Dr. Tillmanns im Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zusammen mit Jakob Kaiser und Ernst Lemmer gründete er im Sommer 1945 die CDU in Berlin und in der Sowjetzone. 1949 wurde Dr. Tillmanns zum stellvertretenden Vorsitzenden der CDU in Berlin und 1952 zu ihrem ersten Landesvorsitzenden gewählt. 1955 wurde Dr. Tillmanns zum zweiten Vorsitzenden der CDU Deutschlands berufen. Seit sechs Jahren gehörte er als Berliner Abgeordneter der CDU/CSU-Fraktion den beiden Deutschen Bundestagen an. 1953 wurde er zum Bundesminister für besondere Aufgaben ernannt.
Mit Robert Tillmanns verliert der Deutsche Bundestag wiederum einen Mann, der an führender Stelle das Gesicht des neuen deutschen Rechtsstaates mitgeformt, seine Arbeit verantwortlich mitgetragen und seinen Willen zur Wiederherstellung des freien geeinten Vaterlandes unablässig gestärkt hat. In guten und in bösen Tagen hat Robert Tillmanns makellos dem Vaterlande gedient. Als junger Studentenführer ist er in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg vielen ein Vorbild sozialer Redlichkeit und ein Bahnbrecher der Hilfe geworden. Die Diktatur Hitlers konnte Robert Tillmanns wohl sein Amt nehmen, aber sie konnte seinen Mut nicht brechen. Er war und er blieb derselbe entschlossene Kämpfer gegen die Diktatur in der sowjetisch besetzten Zone. Robert Tillmanns gehörte zu den ersten, die ihre ganze Kraft an den Neubau eines freiheitlichen Rechtsstaates im zusammengebrochenen Vaterland setzten. Dem Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland hat er in den Jahren der bittersten Not als einer meiner nächsten Mitarbeiter mit selbstloser Treue gedient. Mit seinem besonnenen Rat und seiner hingebenden Tat ist er vielen in der östlichen Hälfte Deutschlands zum Retter geworden.
In der Nacht vom 16. zum 17. November starb in Bonn. der Abgeordnete der SPD-Fraktion Dr. Gerhard Lütkens im Alter von 62 Jahren.
Dr. Gerhard Lütkens wurde am 5. Januar 1893 in Pinneberg geboren. Er studierte in Heidelberg
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und in München Rechts- und Staatswissenschaften. 1913 trat Gerhard Lütkens der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei. Er nahm teil als einer der ersten und führenden Köpfe an dem un-vergeßlichen Aufbruch der Freideutschen Jugend auf dem Hohen Meißner. Von 1914 bis 1918 nahm er am ersten Weltkrieg teil. 1920 trat er in den auswärtigen Dienst des Reiches ein und wirkte in den Vereinigten Staaten, in Riga, in Italien und auf dem Balkan. 1936 schied Gerhard Lütkens als Konsul in Galatz aus dem auswärtigen Dienst aus. 1937 mußte er Deutschland verlassen und nach England emigrieren, wo er zunächst als freier Schriftsteller und später als Dozent für internationale Politik an der Universität London arbeitete. Dr. Lütkens war Mitglied des 1. Deutschen Bundestages. Er arbeitete hauptsächlich im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung. Dr. Lütkens gehörte der Beratenden Versammlung des Europarates seit dem Beitritt der Bundesrepublik im Sommer 1950 an. Der Westeuropäischen Union gehörte Dr. Lütkens als Vizepräsident im Vorstand der Versammlung an. Als Mitglied des Politischen Ausschusses wirkte der Verstorbene führend in der Interparlamentarischen Union.
An der Bahre von Robert Tillmanns und Gerhard Lütkens nimmt das deutsche Volk Abschied von zweien seiner getreuesten Söhne, die das Schicksal unseres Volkes und Vaterlandes in unserer Generation männlich getragen haben. Wir nehmen Abschied von zwei aufrechten Verfechtern des freiheitlichen Rechtsstaates. Das Parlament trauert um zwei furchtlose Kämpfer für die Freiheit und Einheit ganz Deutschlands.
Robert Tillmanns und Gerhard Lütkens haben sich um das Vaterland verdient gemacht. Sie haben sich zu Ehren der toten Kollegen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich darf dem Hause bekanntgeben, daß als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Sassnick der Herr Abgeordnete Prennel in den Bundestag eingetreten ist. Als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Griem ist die Abgeordnete Frau Ganswindt in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße die beiden neuen Mitglieder des Hauses und wünsche ihnen eine gute Mitarbeit.
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Den Glückwunsch zum 60. Geburtstag am 15. November darf ich dem Herrn Abgeordneten Schlick aussprechen.
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Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 11. November 1955 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 98 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 1. Juli 1949 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen;
Sechstes Gesetz zur Änderung des Zolltarifs ({4});
Gesetz über das Protokoll vom 1. Februar 1955 betreffend die Verlängerung der Geltungsdauer er Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Vertragspartnern des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens ({5}) und Japan;
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften vom 25. Mal 1951 ({6});
Gesetz zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes.
Der Herr Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen hat unter dem 12. November 1955 die Kleine Anfrage 197 der Fraktion der SPD betr. Verkehr zwischen der Bundesrepublik und den anderen deutschen Ländern - Drucksache 1774 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1856 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 11. November 1955 die Kleine Anfrage 199 der Abgeordneten Kühlthau, Caspers, Daum, Huth. Stiller und Gen. betr. rechtzeitige und vermehrte Bereitstellung von Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau - Drucksache 1801 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1858 vervielfältigt.
Nun, meine Damen und Herren, kommen wir zur Tagesordnung. Einziger Punkt:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Renten-Mehrbetrags-Gesetzes ({7}) ({8});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({9}) ({10}). ({11})
Ich eröffne zunächst noch einmal die allgemeine Beratung dritter Lesung und frage, ob das Wort dazu gewünscht wird.
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Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Stingl.
Stingl ({13}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Freitag der vergangenen Woche hat das Hohe Haus auf Antrag der CDU/CSU nach Beendigung der Generaldebatte in der dritten Lesung des Entwurfs eines Zweiten Renten-Mehrbetrags-Gesetzes die Vertagung der Einzelberatung und die Rücküberweisung des Gesetzentwurfs an den Sozialpolitischen Ausschuß beschlossen. In der deshalb einberufenen Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses am 15. November legten die Koalitionsparteien Änderungsanträge zum Ergebnis der zweiten Beratung des Plenums vor.
Ein Sprecher der Koalition, der die Änderungsanträge begründete, betonte, daß in den Anträgen das Bemühen gesehen werden möge, im Interesse der Rentner eine für alle Mitglieder des Hauses tragbare Kompromißlösung zu finden. Nach einigen klärenden Fragen an die Antragsteller wurde die Sitzung in gegenseitigem Einvernehmen unterbrochen, damit auch die anderen Fraktionen Gelegenheit hatten, die Anträge zu begutachten.
Nach Wiedereröffnung erklärte ein Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion wie auch die Vertreterin des GB/BHE, daß man den Anträgen grundsätzlich zuzustimmen bereit sei. Nach kurzer Debatte, deren Inhalt ich später bei der Erläuterung der Einzelvorschriften der Ausschußvorlage erwähnen werde, nahm der Ausschuß einstimmig die Anträge der Koalitionsparteien an. Sie liegen Ihnen nunmehr in der Drucksache 1859 für die Beratung in dritter Lesung vor.
Die Einzelbestimmungen besagen:
§ 1 Abs. 1: Allen Empfängern von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, nämlich der IV, der AV und der knappschaftlichen Rentenversicherung, die Anspruch auf einen Rentenmehrbetrag nach dem vorjährigen Renten-MehrbetragsGesetz haben, wird zweimal - im Dezember 1955
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und im Juni 1956 - das Sechsfache dieses Rentenmehrbetrages als Sonderzulage ausgezahlt. In den Personenkreis sind nicht einbezogen die Rentner, die 1924 oder später geboren sind und deren Witwen sowie Rentner und deren Witwen - bis auf Ausnahmen -, die vor 1939 keine Beiträge in die gesetzlichen Rentenversicherungen geleistet haben.
Der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion, der diese Tatbestände in der Diskussion noch einmal erwähnte, betonte zugleich, daß nach der Systematik des Gesetzentwurfs in der jetzigen Form eine andere Lösung kaum zu finden sei.
Abs. 2 des § 1 regelt die Gewährung einer Sonderzulage auch für die Empfänger von Waisenrenten. Sie sollen zweimal je 15 DM erhalten. Maßgebend ist die Rentenberechtigung in den Monaten Dezember 1955 und Juni 1956. Die Zulage an die Waisen ist pauschaliert, weil die Mehrarbeit für die Rentenversicherungsträger bei einer verfeinerten Zulage zu groß wäre. Der Gesamtaufwand für die Empfänger von Waisenrenten entspricht etwa dem, der für eine Erweiterung des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes auf die Waisen errechnet worden war. Der Vertreter des Bundesfinanzministers erklärte, daß vom Finanzminister trotz der vermehrten Lasten, die durch diese Einbeziehung der Waisen entstehen, keine Einwendungen erhoben werden.
Abs. 3 des § 1 regelt durch die Bezugnahme auf § 7 des vorjährigen Renten-Mehrbetrags-Gesetzes die Aufbringung der Mittel. Eine längere Diskussion, in der die Frage erörtert wurde, ob die Rentenversicherungsträger die Lasten nur vorschußweise tragen sollten, ergab, daß die durch das Renten-Mehrbetrags-Gesetz geschaffene Regelung beibehalten werden solle; die endgültige Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherung könne trotzdem noch andere Lösungen bringen.
In Abs. 3 wird weiter auf § 11 Abs. 3 des vorjährigen Renten-Mehrbetrags-Gesetzes verwiesen. Damit bleiben die Sonderzulagen für die Rentner, die Witwen und die Waisen unberücksichtigt bei Versorgungsrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz, bei der Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz, bei den Teuerungszulagen nach dem Teuerungszulagengesetz, beim Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge, bei der fürsorgerechtlichen Prüfung der Hilfsbedürftigkeit und bei der Arbeitslosenfürsorge. Gegen diese Bestimmungen erhoben sowohl der Vertreter des Bundesinnenministeriums wie insbesondere der Vertreter des Bundesfinanzministeriums Einwendungen. Die Ausschußmitglieder anerkannten die Berechtigung von Bedenken, sofern sie sich gegen die Nichtanrechnung von laufenden Erhöhungen der Renten richten. In solchen Fällen sollte man die Regelung in den jeweiligen Gesetzen finden. Für die vorliegende Sonderzulage jedoch könne man - wie im Vorjahr bei den Vorschüssen - die Anrechnung nicht verantworten. Es handle sich um einmalige Zahlungen, diese sollten den Empfängern zusätzlich voll zugute kommen. Das Gefüge der anderen Sozialleistungen sei durch diese jeweils einmaligen Zahlungen nicht gestört.
§ 2 bestimmt, daß bis zum 20. Dezember 1955 bzw. 20. Juni 1956 Vorschüsse auf die Sonderzulagen an Rentner und Witwen gezahlt werden. Diese Vorschüsse sollen in einem vereinfachten Verfahren aus dem Rentenzahlbetrag errechnet werden, wie es auch in der zweiten Beratung des
Plenums vorgesehen war. Der Vorschuß soll mindestens jeweils 20 DM betragen. Die Bezugnahme auf § 11 Abs. 2 des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes bedeutet, daß bei der endgültigen Berechnung der Sonderzulage zuviel gezahlte Beträge nicht zurückgefordert werden. Praktisch ist damit die Mindesthöhe der Sonderzulage auf jeweils 20 DM bzw. 20 vom Hundert der Steigerungsbeträge bis zu Rentenzahlbeträgen von 200 DM festgelegt.
Für die Waisenrentensonderzulage sind die Termine 20. Dezember und 20. Juni nicht genannt, weil keine Vorschußzahlungen nötig sind. Es dürfte damit zu rechnen sein, daß die Sonderzulage für Waisen erst nach dem 20. Dezember gezahlt werden kann.
An den Bestimmungen über die Erstreckung auf Berlin und über das Inkrafttreten hat der Ausschuß nichts geändert.
Die vorgesehene Änderung der Vorschriften verlangt eine Änderung der Überschrift. Der Ausschuß schlägt Ihnen folgende vor: Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Sonderzulagen in den gesetzlichen Rentenversicherungen ({15}).
Auf Anregung eines Sprechers der sozialdemokratischen Fraktion erklärten sich alle Ausschußmitglieder bereit, sich in ihren Fraktionen mit Nachdruck dafür einzusetzen, daß im Plenum keine neuen Änderungsanträge gestellt werden.
Ich bin beauftragt, Sie darauf hinzuweisen, daß die jetzige Vorlage Elemente aller Anträge auf Rentenerhöhungen, nämlich der Drucksache 1687
- das ist ein SPD-Antrag -, der Drucksache 1746
- das ist der Antrag des GB/BHE -, der Drucksache 1780 - das ist der Antrag der CDU/CSU - und außerdem - entgegen der Vorlage in der zweiten Lesung Drucksache 1842, Mündlicher Bericht zur zweiten Beratung - auch der Drucksache 1805, Antrag des GB/BHE, enthält und daß damit nach einstimmiger Auffassung des Ausschusses alle diese Anträge erledigt sind, wenn das Plenum der jetzigen Vorlage zustimmt.
Ich habe die Ehre, Sie im Auftrage des Ausschusses um diese Zustimmung zu bitten.
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Meine Damen und Herren, Sie haben den Bericht des Ausschusses gehört. Ich eröffne nunmehr die allgemeine Beratung der dritten Lesung. Wird dazu das Wort gewünscht? - Der Herr Abgeordnete Professor Schellenberg hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben:
Die sozialdemokratische Fraktion ist tief befriedigt, daß dem Hause nunmehr ein einmütiger Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses vorliegt. Insbesondere freuen wir uns, daß es gelungen ist, wesentliche Verbesserungen des ersten Ausschußbeschlusses zu erreichen. Wir freuen uns, daß
1. auch für 1,2 Millionen Waisen Sonderzulagen gewährt werden;
2. die Sonderzulagen nicht auf sonstige Sozialleistungen angerechnet werden und dadurch 1,6 Millionen Rentner, bei denen nach dem frühe({0})
ren Entwurf eine Anrechnung erfolgen sollte, nunmehr in den Genuß der vollen Sonderzulage kommen;
3. alle Rentner, bei denen nach dem vorherigen Entwurf die Zulage unter 20 v. H. der Steigerungsbeträge liegen sollte, nunmehr 20 % des Steigerungsbetrages erhalten, wodurch über 1 Million Rentner, insbesondere der Rentenversicherung der Arbeiter, höhere Zulagen erhalten, und daß schließlich
4. über 900 000 Rentner, deren Zulagen nur zwischen 1 und 3 Mark betragen hätten, jetzt zwei Halbjahreszulagen von mindestens 20 Mark erhalten.
Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt es, daß auf Grund des zweiten Ausschußberichtes nun von den 61/2 Millionen Rentnern, denen nach dem Gesetz Sonderzulagen gewährt werden, über die Hälfte bessere Leistungen erhalten, als ursprünglich vorgesehen war. Diese wesentlichen Verbesserungen ermöglichen es der sozialdemokratischen Fraktion, über gewisse Lücken und Mängel des Entwurfes hinwegzusehen.
Der vorliegende Gesetzentwurf sichert den Rentnern eine weitere Kaufkraftanpassung alter Beiträge durch zwei Halbjahressonderzulagen im Dezember 1955 und Juni 1956. Das Gesetz greift also nicht einer endgültigen Regelung durch die Sozialreform vor. Dies verpflichtet aber die Regierung - und die sozialdemokratische Fraktion muß darauf bei der Schlußabstimmung Wert legen -, in der Zwischenzeit die in der Regierungserklärung gegebene Zusage einer umfassenden Sozialreform zu erfüllen. Die SPD wird dem vorliegenden Gesetzentwurf, der nach der zweiten Ausschußberatung nunmehr die Überschrift des SPD-Gesetzentwurfes: „Gesetz über die Gewährung von Sonderzulagen", trägt, ihre Zustimmung geben.
Nach Auffassung der SPD sollten bei den weiteren sozialpolitischen Arbeiten die bei der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfes gewonnenen Erfahrungen gebührend berücksichtigt werden. Dabei wird es ungeachtet unterschiedlicher Auffassungen nicht an dem guten Willen der Sozialdemokraten fehlen, im Interesse der hilfesuchenden Menschen durch eine sinnvolle Zusammenarbeit den bestmöglichen sozialpolitischen Erfolg zu erreichen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Auch die Fraktion der CDU/CSU möchte heute vormittag ihrer besonderen Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß eine von ihr zunächst in der Koalitionsbesprechung und anschließend im Sozialpolitischen Ausschuß durch Koalitionsantrag vorgeschlagene Lösung im Ausschuß einstimmige Annahme gefunden hat.
Es ist bei diesem Arbeitsergebnis in dritter Lesung meines Erachtens nicht angebracht, nun erneut irgendwelche Diskussionen zu führen, weder polemisch noch grundsätzlich mit dem Ausblick auf die kommende Sozialreform. Ich bin der Auffassung, daß wir mit der Lösung, die wir gefunden haben, namentlich mit der zweiten Auszahlung am 20. Juni 1956, die Lösung haben, die, wie ich zuversichtlich hoffe, bis zu einer endgültigen Neuordnung der sozialen Rentenversicherung weitere Sonderzahlungen überflüssig macht.
Ich möchte ebenfalls den Wunsch aussprechen, wie meine politischen Freunde das schon des öfteren getan haben, daß wir bis zu diesem Zeitpunkt einen Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Neuordnung der sozialen Rentenversicherung in Bearbeitung nehmen können. Die Erledigung dieser Arbeit ist dringlich. Wir sind der Meinung, daß sie als erste Maßnahme zur Neuordnung der sozialen Leistungen überhaupt von diesem Hause im kommenden Jahre so bald wie möglich beschlossen werden sollte.
Meine Freunde stimmen selbstverständlich der jetzt gefundenen Regelung zu. Wir geben unserer besonderen Freude darüber Ausdruck, daß es damit möglich geworden ist, bis zum 20. Dezember die Anspruchsberechtigten in den Genuß dieser Bezüge zu bringen.
Was die Waisenrenten angeht, so weiß ich nicht, ob hier die Auszahlung bis zum gleichen Zeitpunkt garantiert werden kann. Sollte das nicht der Fall sein, dann spreche ich von dieser Stelle die dringende Bitte und die Erwartung aus, daß alles getan wird, um auch den Waisenrentnern diese 15 Mark pro Monat mit aller tunlichen Beschleunigung zuzuwenden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner Freunde möchte auch ich der tiefen Befriedigung über die Einigung, die im Ausschuß und in den Fraktionen erzielt worden ist, Ausdruck geben. Ich möchte dabei nicht unerwähnt lassen, daß das vielleicht auch zum Teil unserer vermittelnden Haltung zwischen den etwas starr gewordenen Fronten zu verdanken ist.
Wir werden dieser Vorlage, die nun schon eingehend gewürdigt worden ist, vor allen Dingen im Hinblick auf die große Not gerade der Armsten der Armen unsere Zustimmung geben, trotz einiger Bedenken über die Finanzierung, die wir aufrechterhalten müssen.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich darf im Auftrage meiner Fraktion, des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE, unserer Genugtuung Ausdruck geben, daß es nun doch möglich geworden ist, dem Bundestag 'eine gemeinsame Vorlage zu unterbreiten, die einstimmig angenommen werden wird. Wir freuen uns darüber, daß unserem besonderen immer wiederholten Verlangen, daß auch die Bezieher von Waisenrenten einbezogen werden, in dieser Vorlage Rechnung getragen worden ist. Wir möchten auch unserer Freude darüber Ausdruck geben, daß der Kreis der Rentner sehr viel weiter gezogen wurde als im ersten Renten-Mehrbetrags-Gesetz. Es ist auch unser Wunsch erfüllt worden, daß die Sonderzulagen nicht anrechnungsfähig sein sollen, daß sie also nicht mit anderen Rentenbezügen aufgerechnet werden.
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Ich halte es auch für angebracht, an dieser Stelle zum Ausdruck zu bringen, daß das Arbeitsklima dieser letzten Ausschußsitzung sehr erfreulich gewesen ist. An der Durchsetzung jener sozialpolitischen Anliegen, die doch mit großer Verantwortung und tiefem Ernst behandelt werden sollten, sollten wir alle mithelfen. Ich selbst werde mich darum bemühen, wie ich es auch bisher getan habe, daß wir in dem gleichen gemeinsamen Geiste die Ziele weiterverfolgen, um die Menschen, die der Hilfe am meisten bedürfen, wirksam zu unterstützen. Ich habe mit großer Befriedigung die Versicherung des Herrn Kollegen Horn zur Kenntnis genommen, daß auch die größte Fraktion dieses Hauses, die Fraktion der CDU/CSU, sich darum bemühen wird, daß wir bis zur zweiten Zahlung, die nach dieser Vorlage am 20. Juni nächsten Jahres zu erfolgen hat, die Vorlage der Regierung über die Neuordnung der sozialen Leistungen, d. h. über die umfassende Sozialreform auf dem Tisch des Hauses haben werden. Wir werden gern daran mitarbeiten in dem gleichen Geiste, wie er in der letzten Ausschußsitzung zum Ausdruck gekommen ist. Wir werden dieser Vorlage unsere Zustimmung geben.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auch die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt die im Sozialpolitischen Ausschuß des Bundestages erzielte Verständigung über den Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Sonderzulagen in den gesetzlichen Rentenversicherungen. Wir halten die Entscheidung auch nicht deshalb für mehr oder weniger wertvoll, weil im Zeichen des Kompromisses auch die Gesetzes-Überschrift von der Partei übernommen worden ist, mit der wir gemeinsam die sozialen Anliegen unserer Zeit beraten wollen. Wenn auch nicht alle Wünsche der Fraktion der Deutschen Partei, die sie besonders für die soziale Befriedung der alten Menschen wiederholt ausgesprochen hat, mit diesem Gesetz erfüllt werden konnten - weil Gesetze über die Reform der Rentenversicherungen dazu nicht geeignet sind und daher ihre Begrenzung haben -, so sind doch wesentliche Bedenken, die die Deutsche Partei gegen eine Präjudizierung der Reform der Rentenversicherung durch ein zweites Renten-Mehrbetrags-Gesetz ausgesprochen hat, durch diese Regelung behoben worden.
Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt mit den übrigen Fraktionen insbesondere, daß auch ihrer dringenden Forderung, die Waisen in die Gewährung von Sonderzulagen einzubeziehen, entsprochen wurde und daß darüber hinaus den Empfängern von Rentenzulagen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, die einen Anspruch auf einen Mehrbetrag nach dem ersten RentenMehrbetrags-Gesetz haben, diese Sonderzulagen eine fühlbare wirtschaftliche Erleichterung bringen werden. Die Deutsche Partei stellt auch mit Genugtuung fest, daß ihre bei den Beratungen in der dritten und zweiten Lesung in Berlin und hier in Bonn ausgesprochenen Warnungen, Mehrleistungen allein auf Kosten der Versicherten und aus den Kassenbeständen der Rentenversicherungsträger zu finanzieren, Gehör gefunden haben; sie hält die im Gesetz vorgesehene Lösung für besser und gerechter. Soweit die Bestimmungen des § 11
Abs. 3 des ersten Renten-Mehrbetrags-Gesetzes auch auf die Leistungen nach dem Sonderzulagengesetz angewendet werden sollen, halten wir auch diese Vorschrift für notwendig und richtiger als die Praxis, versprochene Mehrleistungen durch Kürzungen wieder illusorisch zu machen.
Die Deutsche Partei begrüßt die heute wieder abgegebenen Erklärungen, zur Beschleunigung der Reform der Rentenversicherung beizutragen. Sie wird ihre Bemühungen fortsetzen, damit die in ihrem Antrag Drucksache 1822 vom 27. Oktober dieses Jahres geforderte Novelle zur Reform der Rentenversicherung schnellstens vorbereitet und dem Parlament zur Entscheidung vorgelegt wird. Sie erwartet nach den heute morgen hier abgegebenen Erklärungen aller Fraktionen, daß sie sich der dringend notwendigen Beratung der Probleme der Reform der Rentenversicherung nicht länger entziehen werden, damit der Bundesminister für Arbeit aùs der Debatte des Bundestages, des allein zuständigen Parlaments, die Meinung dieses Parlaments erkennt und seine Gesetzesvorlage entsprechend vorbereiten kann. Die Fraktion der Deutschen Partei glaubt, daß alles geschehen muß, um die Novelle zur Reform der Rentenversicherung und eine Novelle zur Reform der Krankenversicherung schnellstens vorzulegen. Für die alten Menschen aber, denen mit 'diesem Gesetz nicht geholfen werden kann, weil sie keinen Anspruch aus Rentenversicherungen haben, müssen neue Wege sozialer Hilfe gesucht werden, um denen, für die das Lastenausgleichsgesetz und die jetzigen Bestimmungen in der öffentlichen Fürsorge nicht ausreichen, besser als bisher zu helfen.
Wir sehen in 'der heute erfreulicherweise zustande gekommenen Verständigung nicht den Erfolg der einen oder anderen Partei; wir sehen in der Verständigung aller Fraktionen nur eine Hoffnung auf eine gemeinsame Arbeit bei der Lösung der schweren sozialen Probleme unserer Zeit.
Die Fraktion der Deutschen Partei wird dem Entwurf zustimmen.
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Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich dem Hohen Hause gegenüber meine große Befriedigung über die Lösung dieses Problems zum Ausdruck bringe. Es ist vorhin gesagt worden, daß es noch nicht sicher sei, ob auch die Zulagen zu den Waisenrenten fristgemäß, also erstmalig am 20. Dezember, ausgezahlt werden könnten. Ich habe heute nachmittag noch eine Besprechung mit dem Postministerium, und ich habe die bestimmte Erwartung, daß es uns dabei möglich sein wird, einen Weg zu finden, der die Auszahlung auch dieser Zulagen zum 20. Dezember garantiert.
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Weitere Wortmeldungen zu der allgemeinen Aussprache in dritter Lesung liegen nicht vor. Ich schließe damit diese Aussprache.
Aus den Erklärungen der Sprecher aller Fraktionen habe ich entnommen, daß eine Einzelberatung offensichtlich nicht notwendig ist und auch nicht gewünscht wird. Ich mache Ihnen deshalb den
W. Dr. Gerstenmaier)
Vorschlag, daß wir nunmehr zur Abstimmung kommen und dabei nach § 83 der Geschäftsordnung die §§ 1, - 1 a, - 1 b, - 2, - 2 a und 3 nach der Vorlage des Ausschusses zusammenfassen.
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Wer diesen Vorschlägen des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme dieser Vorschläge fest.
Ich komme zur Abstimmung über die §§ 4, - 5, - Einleitung und geänderte Überschrift. Ich bitte Sie, den Wortlaut der Überschrift dem Antrag des Ausschusses zu entnehmen:
Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Sonderzulagen in den gesetzlichen Rentenversicherungen ({1}).
Wer diesen §§ 4 und 5, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der gegenwärtig vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle die einstimmige Annahme dieses Gesetzes fest.
Damit ist die Tagesordnung für heute erschöpft. Ich darf folgendes bekanntgeben:
Die Fraktion der SPD tritt sofort nach Schluß der Plenarsitzung zu einer kurzen Fraktionssitzung zusammen.
Die Sitzung des Verkehrsausschusses findet erst eine Stunde nach der Plenarsitzung statt.
Der Beirat des Bundestages für handelspolitische Beziehungen bittet mich, bekanntzugeben, daß er eine halbe Stunde nach Beendigung des Plenums zu einer Sitzung im FDP-Saal, Zimmer 205 A, zusammentritt.
Der Ausschuß für Beamtenrecht teilt mit, daß er heute um 14 Uhr eine gemeinsame Sitzung mit dem Ausschuß für Fragen der Wiedergutmachung abhält, und der Haushaltsausschuß bittet mich, bekanntzugeben, daß er heute nachmittag um 14 Uhr zusammentritt.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 1. Dezember 1955, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.