Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 18. Oktober 1955 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundestages in seiner 40. Sitzung über die beim Institut für Raumforschung vorgekommenen Unregelmäßigkeiten berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1818 vervielfältigt.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt ein Antrag einer großen Zahl von Abgeordneten betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten vor. Wir beantragen, diesen Gesetzentwurf zur ersten Lesung noch heute auf die Tagesordnung zu setzen, damit die beteiligten Ausschüsse die Möglichkeit haben, ihn schnellstens zu verabschieden, so daß wir in Kürze die abschließenden Lesungen durchführen können. Die Antragsteller verzichten auf eine Begründung und Aussprache. Sie beantragen, den Entwurf dem Ausschuß für Arbeit als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung zu überweisen.
Meine Damen und Herren, wird gegen den Vorschlag des Herrn Abgeordneten Sabel, diesen Gesetzentwurf - Drucksache 1817 - auf die Tagesordnung zu setzen, Widerspruch erhoben? - Das ist nicht der Fall. Dann ist er auf die Tagesordnung gesetzt, und ich darf ihn als ersten Punkt behandeln:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Sabel, Schneider ({0}), Jahn ({1}), Böhm ({2}), Odenthal, Lange ({3}), Kutschera, Becker ({4}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten ({5}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Es ist vorgeschlagen worden, den Entwurf dem Ausschuß für Arbeit als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung zu überweisen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs ({6}) ({7});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({8}) ({9}).
({10})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Wehr. - Ich frage: ist der Abgeordnete Wehr im Hause? ({11})
Ist das Haus geneigt, auf den mündlichen Bericht zu verzichten?
({12})
({13})
- Gut, dann darf ich gleich in die Einzelberatung in zweiter Beratung eintreten.
Ich rufe auf § 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Einzelberatung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich darf feststellen, daß der Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden ist.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften vom 25. Mai 1951 ({14}) ({15});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({16}) ({17}).
({18})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Dr. Berg ({19}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, auf einen ausführlichen Bericht über die Vorlage verzichten zu dürfen, da der Inhalt dieses Abkommens zu umfangreich ist, als daß er hier erörtert -werden könnte. Ich bitte um die Zustimmung des Hauses, da es sich um den Beitritt zu einem Abkommen handelt, der für uns eine Selbstverständlichkeit ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für die Kurzfassung des Berichts. Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. I, - II, - III, - IV, - V, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Das Wort in allgemeiner Aussprache wird nicht gewünscht; Einzelberatung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzt als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 98 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 1. Juli 1949 über die Anwendung
der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen ({0});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({1}) ({2}). ({3})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Scheppmann. Wird auf einen ergänzenden mündlichen Bericht verzichtet und auf den Schriftlichen Bericht verwiesen?
({4})
- Der Herr Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht *) und verzichtet auf eine Ergänzung. Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, - 2, -3, - Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
- Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Eine allgemeine Aussprache wird nicht gewünscht; Einzelberatung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Protokoll vom 1. Februar 1955 betreffend die Verlängerung der Geltungsdauer der Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Vertragspartnern des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens ({5}) und Japan ({6});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({7}) ({8}).
({9})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Frenzel.
({10})
- Der Herr Berichterstatter verzichtet. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Einzelabstimmungen entfallen.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platze zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
*) Siehe Anlage 2,
({11})
Meine Damen und Herren, bei der Kürze, der sich alle Redner befleißigen, und da sich kaum jemand zum Wort meldet, kommen Sie zu einem gewissen Frühsport.
({12})
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs einer Dritten Ergänzung ({13}) zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 ({14});
Mündlicher und Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({15}) ({16}).
({17})
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Vogel. - Es ist inzwischen, wie ich schon erwähnt habe, ein Schriftlicher Bericht*) nachgereicht. Unter diesen Umständen ist eine mündliche Berichterstattung nicht mehr notwendig. Wir können zur zweiten Beratung kommen.
Der Ausschuß hat beantragt, den Dritten Ergänzungsentwurf - Drucksache 1683 - als durch die Beschlußfassung zum Haushaltsgesetz erledigt abzulehnen. - Widerspruch hiergegen erfolgt nicht. Ich darf feststellen, daß es so beschlossen ist.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({18}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Zustimmung zur Überlassung junger Anteile an andere Bezieher als den Bund; hier: Kapitalbeteiligung des Landes Berlin an der Gemeinnützigen Wohnungsbau AG Groß-Berlin ({19}) ({20}).
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Klingelhöfer.
Klingelhöfer ({21}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß empfiehlt in der Drucksache 1783 die Annahme des Antrags der Regierung. Er hat mich aber ermächtigt, dieser Mitteilung noch etwas hinzuzufügen.
Im zweiten Absatz des Antrags der Regierung ist der erste Satz sachlich falsch und müßte - was ich aber nur zu Protokoll geben kann; denn der Haushaltsausschuß kann seinerseits einen Antrag der Regierung ja nicht ändern - durch den folgenden Satz ersetzt werden:
Die Gewobag entstand als Reichsunternehmen 1930 durch Umgründung der Gemeinnützigen Heimstätten AG Groß-Berlin ({22}) mit einem Kapital von zunächst 500 000 Mark, das bis 1938 auf 5 Millionen Reichsmark erhöht wurde.
Hinzufügen darf ich noch ein Zweites: die Feststellung, daß das Bundesministerium für Wohnungsbau im Haushaltsausschuß hat erklären lassen, daß die Aktien dieser Berliner Wohnungsbaugesellschaft im ganzen auf Berlin übergeführt werden sollen.
*) Siehe Anlage 3.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag des Herrn Berichterstatters zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die große Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Weihnachtsbeihilfen für Bedürftige ({0});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Weihnachtsbeihilfe ({1}).
Frau Abgeordnete Finselberger zur Begründung des Antrags der Fraktion des GB/BHE.
Frau Finselberger ({2}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wie im vorigen Jahr, so legt Ihnen auch in diesem Jahr die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE einen Entwurf eines Gesetzes über Weihnachtsbeihilfen für Bedürftige vor. Wir haben - ich betone, es handelt sich um einen Entwurf gleichen Inhalts wie im vorigen Jahr - auch diesmal die Auswirkungen des Gesetzes sehr maßvoll gehalten.
Ich darf auf die Tatsache hinweisen, daß sich das Bundesmietengesetz für viele der in unserem Gesetzentwurf angesprochenen Kreise ungünstig ausgewirkt hat. Auch die Preisentwicklung ist für diese Menschen besonders schwer zu ertragen; das Renten-Mehrbetragsgesetz bedeutet für sie nur einen Tropfen auf einen heißen Stein. Außerdem darf ich unterstreichen, daß eine Anhebung der Alu- und Alfu-Beträge inzwischen nicht erfolgt ist. Es erscheint uns daher als sehr notwendig - auch die Bundesregierung müßte dies einsehen -, daß Weihnachtsbeihilfen bewilligt werden.
Der Kreis der Empfänger soll nach diesem Gesetzentwurf wieder die Bezieher von Alu und Alfu umfassen, ferner die Personen, die Heimkehrerunterstützung oder Renten aus der Kriegsopferversorgung beziehen, und schließlich Unterhaltshilfeempfänger und darüber hinaus alle wirtschaftlich Gleichgestellten.
Wir sind der Meinung, daß die Empfänger der Sozialleistungen 25 DM für sich und für jeden Angehörigen je 10 DM erhalten sollen. Die Bezieher von Arbeitlosenfürsorgeunterstützung sollen eine Weihnachtsbeihilfe von 40 DM für den Hauptunterstützungsempfänger bekommen, wenn die Arbeitslosigkeit länger als 52 Wochen dauert.
Wir halten es für zumutbar, daß die Weihnachtsbeihilfen den Trägern zur Last fallen, die die Sozialleistungen gewähren. Diese Stellen sollten die Beihilfen rechtzeitig auszahlen.
Wir möchten Sie bitten, dem Antrag in diesem Jahr besondere Beachtung zu schenken; denn der Kreis der Empfänger ist noch größer geworden, und die Preise sind, wie wir in den Bundestagsdebatten der letzten Wochen erörtert haben, im Zuge der Entwicklung so erheblich gestiegen, daß sie für die Kreise der nach diesem Gesetz vorgesehenen Beihilfeempfänger besonders schwer zu ertragen sind.
Ich darf Sie darum bitten, den Antrag dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
Wer begründet für die Fraktion der SPD? - Herr Abgeordneter Könen.
Könen ({0}) ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei wünscht mit ihrem Antrag, daß die Bundesregierung beauftragt wird, den Regierungen der Länder zu empfehlen, Weihnachtsbeihilfen in ausreichender Höhe zu gewähren und dabei möglichst ein allzu starkes soziales Gefälle zu vermeiden. Diese Ausdrucksweise besagt bereits, daß wir uns als Antragsteller darüber klar sind, daß wir vom Bundestag aus herzlich wenig Möglichkeiten haben, in der Frage der Weihnachtsbeihilfen selber etwas zu tun.
Ich bitte daher um die Freundlichkeit, bei der Betrachtung unseres Antrags nicht den Versuch zu machen, uns über die gesetzliche Situation zu belehren. Wir sind uns darüber selber restlos klar.
Was wir erreichen möchten, ist folgendes. In der Frage der Weihnachtsbeihilfen soll bei den Ländern ein Vorstoß unternommen werden, damit diese von sich aus und frühzeitig genug und in ausreichendem Maße etwas für die Gewährung von Weihnachtsbeihilfen tun.
Es wäre auch nicht geschickt, etwa geltend zu machen, daß es in der letzten Zeit Rentenerhöhungen und ähnliche Dinge gegeben hat. Wer in der praktischen Arbeit steht, weiß, daß gerade die Ärmsten der Armen heute die kleinen Beträge, die sie z. B. als Rentner mehr erhalten, an der Wohlfahrtsunterstützung wieder abgezogen bekommen, so daß sie praktisch nicht mehr beziehen. Die Not dieser Leute ist also nach wie vor groß.
Ich glaube, ich kann es mir ,ersparen, lange Begründungen zu geben, abgesehen von der Tatsache, daß wir in diesem Hause jedes Jahr erleben, daß man für die Ärmsten der Armen eintritt und fordert, daß etwas unternommen wird. Ich bitte Sie also - jeden von Ihnen! - um die Freundlichkeit, diesem Antrag zuzustimmen, in der Erwartung, daß wir damit den Armen draußen im Lande ein wenig helfen können.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Berg.
({0})
- Er verzichtet. - Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich im Namen der CDU/ CSU-Fraktion zunächst einige kurze Bemerkungen zum Antrag der SPD machen. Der Redner der SPD hat mit Recht auf die veränderte Rechtslage hingewiesen. Er hat darauf hingewiesen, daß es sich hier um einmalige außerordentliche Leistungen der öffentlichen Fürsorge handelt, für die einzig und allein die Länder zuständig sind, und daß für den Bund verhältnismäßig wenig Möglichkeiten bestehen, hier einzuwirken. Die Rechtslage hat sich ja insbesondere durch das Vierte Überleitungsgesetz mit dem Beginn dieses Rechnungsjahres geändert. Sie wissen, daß die Bundesregierung im vorigen Jahr und vor zwei Jahren Bundesrichtlinien an die Länder erlassen hat. Diese Richtlinien sind seit der Pauschalierung der Erstattung der Fürsorgekosten nicht mehr notwendig; sie können vom Bund nicht mehr erlassen werden. Die Länder sind nicht mehr darauf angewiesen, die Verrechnungsfähigkeit ihrer Ausgaben, die sie an Empfänger von Kriegsfolgenhilfeleistungen gewähren, rechtzeitig beim Bund zu sichern. Wir haben mit diesem Vierten Überleitungsgesetz endlich eine klare Abgrenzung der Lasten zwischen Bund und Ländern erzielt, die gerade auf dem Gebiete des Fürsorgewesens, wo es so viele Ermessensentscheidungen gibt, ganz besonders notwendig war. Die Länder tragen nunmehr die Ausgabenverantwortung ganz allein.
Dieser veränderten Rechtslage hat der SPD-Antrag in gewissem Umfang ohne Zweifel Rechnung getragen. Deshalb spricht er auch nicht etwa von einer Erweiterung der früheren Bundesrichtlinien, sondern lediglich von Empfehlungen, die die Bundesregierung an die Länder richten soll. Wir werden uns im Ausschuß darüber Gedanken machen, ob solche Empfehlungen bei der geschilderten Rechtslage möglich sind, ob sie zweckmäßig und ob sie überhaupt nötig sind. Sie wissen, daß solche Empfehlungen sehr leicht als Richtlinien und Weisungen empfunden werden können, und Sie kennen die diesbezüglichen Auseinandersetzungen, die wir laufend mit dem Bundesrat haben. Eine Pauschalierung schließt eben ein Weisungsrecht aus. Würde die Bundesregierung eine bestimmte Höhe der Weihnachtsbeihilfe empfehlen, meine Damen und Herren von der SPD, so könnten das die Länder immerhin als eine Einmischung in ihre Finanzhoheit betrachten und unter Umständen zusätzliche Forderungen gegenüber dem Bund geltend machen. Jedenfalls könnten solche Empfehlungen langwierige Auseinandersetzungen mit dem Bundesrat nach sich ziehen, so daß eine Verzögerung in der Auszahlung der Weihnachtsbeihilfen zu befürchten wäre. Doch wir wollen uns eingehend im Ausschuß darüber unterhalten.
Was nun das sozialpolitische Gefälle angeht, von dem in Ihrem Antrag die Rede ist, also die Tatsache, daß die Länder unter Umständen verschieden hohe Beihilfen zahlen, so steckt darin natürlich ein ernst zu nehmendes Problem. Wir werden uns darüber im Ausschuß besonders unterhalten müssen. Ich muß aber heute schon sagen, daß ich sehr skeptisch bin, ob wir in dieser Beziehung viel ändern können. Ich könnte mir übrigens denken, daß die Länder schon von sich aus ein Interesse daran haben, diese Dinge zu koordinieren. Sie wissen, daß im September dieses Jahres die leitenden Fürsorgereferenten der Länder sich in Berlin zu einer Tagung zusammengesetzt haben; sie könnten bei dieser Gelegenheit auch solche Fragen besprechen und miteinander in Güte regeln.
Nun aber zum Antrag des BHE! Meine Dame und meine Herren vom BHE, Sie haben sich die Arbeit wahrhaftig sehr leicht gemacht. Die SPD hat wenigstens in den letzten Jahren etwas hinzugelernt,
({0})
während Sie einfach Ihren vorjährigen Antrag haben neu drucken lassen. Frau Kollegin Finselberger hat es selber gesagt.
({1})
- Ja, Sie müssen sich mal belehren lassen; ich werde es Ihnen nachher beweisen! - Die SPD hat ihr Anliegen wenigstens technisch richtig gemacht. Sie hat uns eine ganze Reihe von Anträgen au: Sonderzulagen auf den verschiedenen Gebieten de: öffentlichen und sozialen Leistungen vorgelegt
({2})
Sie aber haben lediglich Ihren vorjährigen Antrag wiederholt, und dieser Antrag war wahrhaftig kein Meisterstück; das müssen Sie sich sagen lassen. Das war eine ganz miserable Lehrlingsarbeit, was Sie da gemacht haben.
({3})
Ich meine, meine Dame und meine Herren vom BHE: wenn man schon Anträge einbringt, dann muß man sie wenigstens technisch so gestalten, daß sie sich einigermaßen vor den Leuten, die etwas davon verstehen, sehen lassen können.
({4})
- Darüber werden wir nachher noch zu reden haben. - Es genügt nicht, meine Dame und meine Herren vom BHE, einem gewissen Bedürfnis, sagen wir einmal ganz gelinde: nach Werbung freien Lauf zu lassen; man muß sich schon anstrengen und mit viel Fleiß und auch mit Sachkenntnis an solche Anträge herangehen.
({5})
- Ich bin nicht der Vater des Kindergeldgesetzes. -Wie Sie wissen, wiederholen sich die Weihnachtsbeihilfedebatten in diesem Hause jedes Jahr. Die erste Debatte, die ich in diesem Hause im Jahre 1953 - es war am 3. Dezember 1953 - mitgemacht habe, habe ich nie vergessen. Damals haben manche Kollegen auch aus Ihren Reihen wirklich für die nötige Weihnachtsstimmung in diesem Hause gesorgt. Aber eines habe ich von damals noch in Erinnerung. Damals hat der Vizepräsident Schneider dem Sprecher des BHE - ich glaube, es war Herr Dr. Gille - wörtlich gesagt:
Ihre Formulierung könnte den Eindruck erwecken, daß der BHE bereits nicht mehr zu den Regierungsparteien gehört.
({6})
Das war im Jahre 1953. Nun, meine Damen und Herren, heute ist es so weit: heute zählt sich die Restgruppe des BHE nicht mehr zur Regierungskoalition. Deshalb tut sie sich auch besonders leicht, solche Anträge zu stellen und uns auf den Tisch des Hauses zu legen.
({7})
Aber das will ich Ihnen sagen: solche Anträge können Sie draußen bei Ihren Wählern auch nicht mehr retten.
({8})
- Ja natürlich; das muß Ihnen gesagt werden. Daß Sie sich darüber ärgern, verstehe ich. Aber Sie sollen sich ruhig darüber ärgern!
({9})
Ihre Mitbürger - auch die Kreise, die Sie speziell ansprechen wollen - sind viel vernünftiger und viel einsichtiger, als Sie denken. Die können zwar manchmal auch schimpfen und murren; aber im Grunde kennen sie ganz genau die Grenzen, die uns in der Sozialpolitik gesetzt sind.
({10})
- Ja, das sollten Sie wissen, daß wir enge Gren- ( zen haben,
({11})
daß uns in der Sozialpolitik nichts als Geschenk vom Himmel herunterfällt.
({12}) Auch das müssen Sie vom BHE sich merken.
({13})
- Bitte, lassen Sie mich doch einmal ausreden! - Ich meine, das sind Dinge, die wir ruhig einmal miteinander ausfechten müssen. Diese Menschen draußen trauen viel mehr denjenigen Politikern, die den Mut haben, auf diese Grenzen hinzuweisen, und sie vertrauen den Menschen, die dafür sorgen, daß das, was heute gewährt wird, auch auf die Dauer gewährt werden kann, ohne daß die Kaufkraft dieser Sozialleistungen verwässert und verschlechtert wird.
Meine Damen und Herren, sehen wir uns doch einmal diesen Antrag des BHE ein bißchen näher an! Machen Sie sich einmal die Mühe und nehmen Sie die Drucksache 1747 zur Hand.
({14})
Da heißt es:
Empfänger von öffentlicher Fürsorge und Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung erhalten jährlich
- also auf die Dauer, nicht bloß jetzt, nicht nur in diesem Jahr eine Weihnachtsbeihilfe.
Eine gleiche Weihnachtsbeihilfe erhalten, soweit sie den Personenkreisen des Absatzes 1 wirtschaftlich gleichstehen, die Empfänger von ....
- es sind sechs Gruppen: versicherungsmäßige Arbeitslosenunterstützung, Heimkehrerunterstützung, Sozialversicherung, Kriegsopferversorgung usw.
Dann kommt die erste Ermächtigung an die Bundesregierung. Es sind sechs Ermächtigungen an die Bundesregierung in diesem Antrag. Hier heißt es:
Inwieweit wirtschaftliche Gleichstellung vorliegt, bestimmt die Bundesregierung.
Arme Bundesregierung, muß man da sagen, wenn man sie so überfordert!
({15})
Im § 2 gleich zwei Ermächtigungen an die Bundesregierung!
Weihnachtsbeihilfe erhält nur, wer ....
2. diese Sozialleistungen bereits während einer Mindestdauer bezieht.
Die Bundesregierung
- alles auf die Bundesregierung abschieben! setzt für die einzelnen Personenkreise die Mindestdauer fest.
Sie haben sehr viel Vertrauen - das freut mich - zur Bundesregierung!
({16})
({17})
Weiter heißt es dann:
Die Bundesregierung kann vorschreiben, daß gewisse Unterbrechungen im Bezuge unberücksichtigt bleiben.
Im § 3 lesen Sie wieder:
Die Weihnachtsbeihilfe beträgt
- Sie haben es von Frau Kollegin Finselberger gehört für den Empfänger der Sozialleistung 25 Deutsche Mark und für die Angehörigen je 10 Deutsche Mark. Die Bundesregierung bestimmt, wer als Angehöriger gilt.
({18})
Und nun die fünfte Ermächtigung an die Bundesregierung in Abs. 4 des § 3:
Die Bundesregierung kann die Häufung von Weihnachtsbeihilfen in einer Familiengemeinschaft einschränken oder ausschließen.
Die sechste Ermächtigung finden Sie schließlich in § 4:
Die Bundesregierung kann Härteregelungen vorsehen.
Und das alles im Wege von Rechtsverordnungen, die mit dem Bundesrat ausgehandelt werden müssen, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen! Wenn wir nach Ihrem Antrag verfahren, dann bekommen diese Empfangsberechtigten ihre Weihnachtsbeihilfe nicht im Jahre 1955, sondern im Jahre 1956 zu Weihnachten.
({19})
Also, meine Damen und Herren, wenn Sie noch Lust haben, diesen Antrag den Ausschüssen zu überweisen, dann schlage ich Ihnen vor, ihn dem Haushaltsausschuß als federführendem Ausschuß und - jetzt müssen Sie es aber auch so machen - zur Mitberatung dem Ausschuß für Kriegsopfer-und Heimkehrerfragen, dem Ausschuß für Sozialpolitik, dem Ausschuß für Arbeit und dem Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge zu überweisen.
({20})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch um etwas Ruhe bitten.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Ausführungen des Herrn R u f sind deshalb irgendwie originell, weil er sich heute mit diesem Antrag ganz besonders stark beschäftigt hat, während er voriges Jahr die Zeit dafür nicht aufbringen zu können glaubte. Vielleicht liegt es daran, Herr Kollege Ruf, daß wir heute nicht mehr in der Koalition sind.
({0})
Wir fühlen uns heute unabhängiger und können unseren sozialpolitischen Anliegen einen stärkeren Nachdruck verleihen, als es bisher der Fall gewesen ist.
({1})
Ich möchte Ihnen noch eines sagen, Herr Ruf: Ich wünschte, Sie hätten auch jene von Ihnen eingebrachten Anträge so kritisch beurteilt, die zu jener „Kinderverwirrungsgesetzgebung" geführt haben.
({2})
Wir haben uns bereits über ein Jahr damit beschäftigt.
Herr Kollege Ruf, Sie hätten ja in den ganzen Jahren Zeit genug gehabt, auch von Ihrer Seite aus - Sie gehören ja der stärksten Koalitionspartei an - einmal dafür zu sorgen, daß für die Verwirklichung der Neuordnung der sozialen Leistungen etwas mehr getan wird. Dann hätten sich wahrscheinlich ein solcher Weihnachtsbeihilfeantrag oder eine solche Empfehlung der SPD ohnedies erübrigt.
Sie sollten hier nicht Anträge einer anderen Fraktion, durch die einem sozialpolitischen Anliegen Rechnung getragen werden soll, lächerlich und madig machen. Es kommt sehr wohl darauf an, ob ein sozialpolitisches Anliegen auch ernstgemeint ist. Ich meine, wenn es um die Frage der Weihnachtsbeihilfe für diejenigen geht, die sie wohl am allermeisten brauchen, sollte das Gebot der christlichen Nächstenliebe nicht untergehen vor einem fiskalischen Denken, wie wir es seit zwei Jahren in diesem Hause gewohnt geworden sind.
({3})
Wir haben diesen Antrag schon im vorigen Jahre gestellt. Dies hätte Ihnen sehr wohl als Anregung dienen können, sich auch einmal etwas damit zu beschäftigen. Dann hätten wir die Frage der Weihnachtsbeihilfen für die Bedürftigen in diesem Jahre nicht wieder aufzuwerfen brauchen. Diese Frage hätte von Ihnen als der größten Koalitionspartei schon so rechtzeitig gelöst werden können - Sie haben ja die einfache Mehrheit -, daß diese Anträge überhaupt nicht mehr nötig gewesen wären.
({4})
Bisher haben wir nur gelesen, daß etwas seitens der Länder geschehen soll. Aber was geschehen soll, wissen die Empfänger der Alu und Alfu, die Rentner usw. bis heute noch nicht.
Eines, Herr Ruf, möchte ich Ihnen zum Schluß noch zu bedenken geben - und das möchte ich auch im Hinblick auf zukünftige Aufgaben empfehlen -: die Kritik, die Sie heute geübt haben, einmal auf Ihre eigenen sozialpolitischen Gedankengänge zu konzentrieren.
({5})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen zur Sache liegen nicht mehr vor. Es bestehen nun, glaube ich, Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Überweisung an die Ausschüsse. Der Ältestenrat hatte die Überweisung beider Anträge an den Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge zur federführenden Behandlung und an den Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung vorgesehen. Der Herr Abgeordnete Ruf hat vorgeschlagen: federführend Haushaltsausschuß und mitberatend einige andere Ausschüsse. Vielleicht können Sie das noch einmal sagen, Herr Abgeordneter Ruf. Bei der etwas schnellen Art, in der Sie hier vorgetragen haben, bin ich nicht mitgekommen.
Meine Damen und Herren! Ich unterstütze die Überweisung des SPD-Antrags an den Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge
- federführend - und an den Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung. Bei dem BHE-Antrag handelt es sich um eine Finanzvorlage. Bitte, denken Sie an die gestrige Debatte! Finanzvorlagen müssen zur federführenden Behandlung an den Haushaltsausschuß gehen und dann zur Mitberatung an andere Ausschüsse.
An welche anderen Ausschüsse?
Streng genommen müßten wir alle Ausschüsse mitbeteiligen, die ich vorhin erwähnt habe. Wir wollen sie aber vor Mehrarbeit schützen. Deshalb schlage ich vor: federführend Haushaltsausschuß, mitberatend Sozialpolitischer Ausschuß.
Meine Damen und Herren, es besteht Einstimmigkeit darüber, daß der Antrag der SPD, Drucksache 1711, an den Ausschuß für öffentliche Fürsorge - federführend - und an den Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung überwiesen wird. - Es ist so beschlossen.
Bezüglich des Antrags des GB/BHE, Drucksache 1747, liegt also nun der Vorschlag vor, an den Haushaltsausschuß zu überweisen, der federführend ist. Auch hier erfolgt kein Widerspruch.
({0})
- Welchen Antrag stellen Sie?
({1})
- Welcher Ausschuß soll nach Ihrem Wunsch federführend sein?
({2})
- Im Ältestenrat ist darüber nichts beschlossen worden. Es war nur vorgesehen: Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge federführend. Ich muß schon die Herren Fraktionsvorsitzenden bitten, zu sagen, was Sie wünschen.
({3})
- Also federführend der Ausschuß für Sozialpolitik. Der eine Antrag geht somit dahin, an den Haushaltsausschuß - federführend -, der andere dahin, an den Sozialpolitischen Ausschuß - federführend - zu überweisen. Wer dem zuerst gestellten Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist - federführend - dem Haushaltsausschuß überwiesen.
Dann schlage ich Ihnen vor, sich darüber zu einigen, daß wir den Antrag zur Mitberatung an die Ausschüsse für Fragen der öffentlichen Fürsorge und für Sozialpolitik überweisen. - Widerspruch erhebt sich nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betreffend Vereinfachung der Verwaltung ({4}).
Wer begründet den Antrag? - Herr Abgeordneter Dr. Bergmeyer!
Dr. Bergmeyer ({5}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß die Absicht besteht, die heutige Sitzung vorzeitig zu schließen. Ich will daher versuchen, meinen Antrag so schnell wie nur möglich zu begründen.
Bei dem Antrag, den ich heute zu vertreten habe, geht es um die ernste Sorge, die wir alle haben, nämlich um die weitere Aufgaben- und Ausgabenentwicklung im Bund, in den Ländern und Gemeinden. Wir können dieser katastrophalen Entwicklung, diesem luxuriösen Verwaltungsaufbau als verantwortliche Parlamentarier - denn wir sind verantwortlich - nicht länger mehr schweigend zusehen. Daß wir zu teuer regiert werden, weiß jeder; ebenso, daß schon längst hätte etwas geschehen müssen.
({6})
Aber bisher ist nur geklagt worden. Versuche wurden unternommen, die nicht energisch genug bis zum Ende durchgeführt worden sind. Praktisch ist wenig geschehen.
Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis heute kann man nur von drei wirklich großen Verwaltungsreformen sprechen: erstens der Napoleonischen Reform, durch die die vielen Hundert Landesherrschaften zusammengeworfen und unter einer einheitlichen französischen Gesetzgebung miteinander verschmolzen wurden, dann der Stein-Hardenbergschen Reform von 1808 bis 1816, die die Grundlage der kommunalen Selbstverwaltung und die Einteilung des Staatsgebiets in Provinzen, Regierungsbezirke und Landkreise schuf, drittens der preußischen Reformgesetzgebung der Jahre 1856 bis 1887. Die Geschichte der Verwaltungsreformversuche seit der Jahrhundertwende ist dagegen wenig ermutigend. Trotz dreier revolutionärer Umgestaltungen von Staat, Wirtschaft und Währung seit 1918 sind die Reformmaßnahmen auf dem Gebiet der Verwaltung kaum weitergekommen. Deshalb ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, das vier t e große Reformwerk in Gang zu setzen. Die Verwaltungs- und Staatsvereinfachung auf allen Gebieten und auf allen Ebenen des Bundesgebietes, und zwar - ich betone das ausdrücklich - 'in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden läßt sich nicht länger mehr aufhalten. Das gesamte deutsche Volk in allen seinen Schichten, Parteien und Landesteilen wünscht die Vereinfachung. Das deutsche Volk fordert, daß jetzt etwas Durchgreifendes und wirklich Großes geschieht.
Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, einige Tatsachen mitteilen, die Sie sicherlich davon überzeugen werden, daß eine radikale Ausgabensenkung unumgänglich ist. Seit 25 Jahren hat sich die Zahl der im öffentlichen Dienst Tätigen nahezu verdoppelt. Auf 66 Einwohner entfiel damals ein öffentlich Bediensteter; am 1. Oktober 1953 entfiel bereits auf 36 Einwohner 1 Bediensteter. Sie können sich also selbst ausrechnen, wohin wir kommen, wenn diese Entwicklung so weitergeht. Die Zentralinstanzen des verhältnismäßig kleinen Lan({7})
des Nordrhein-Westfalen beschäftigten nach einer Erklärung des Ministerpräsidenten Arnold im Jahre 1952 3200 Bedienstete in 8 Ministerien, während sich Preußen in 7 Ministerien mit nur 600 Bediensteten mehr begnügte, obwohl die Bevölkerungszahl dreimal so groß und die Fläche neunmal so groß war wie die von Nordrhein-Westfalen. In Bayern ist die Zahl der Bediensteten von 1932 bis 1954 um 361 % gestiegen, aber nicht, wie das Ihnen sicherlich bekannte bayerische Gutachten ausdrücklich betont, infolge bloßer Aufgabenvermehrung, sondern vor allem durch den unnötigen Ausdehnungsdrang der Bürokratie. Die gleiche Tendenz ist in allen übrigen Ländern der Bundesrepublik feststellbar. Alle deutschen Länder unterhalten in dieser kleinen westdeutschen Bundesrepublik umfangreiche Vertretungen mit zum Teil groß aufgemachten Häusern in Bonn.
Ich möchte hier aus eigener Kenntnis einmal auf die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten verweisen. Hier haben die Senatoren, die ihre Länder in Washington vertreten - dabei handelt es sich um Länder, die zum Teil weit größer sind als das frühere Deutsche Reich -, keine eigenen Häuser. Jeder Senator hat im Senatsgebäude ein großes, gut ausgestattetes Dienstzimmer und für den assistant und das Sekretariat vier bis fünf weitere Räume. Das ist alles, und das ist das reiche Amerika, während wir uns hier nach verlorenem Kriege solch einen Luxus erlauben.
Wie vor einigen Jahren die englische Zeitschrift „Economist" feststellte, ist Deutschland das zur Zeit überregierteste Land der Welt. Das war 1952, als wir noch in der glücklichen Lage waren, nur 64 Länderminister und 15 Bundesminister zu haben. Heute wird Westdeutschland von nicht weniger als 119 Ministern
({8})
und weit mehr als 1000, nämlich 1804 Bundes- und Länderabgeordneten, regiert.
({9})
Ministerpräsident Arnold hat am 28. April 1952 erklärt, daß die Bevölkerung an dem Verwaltungsaufbau der Länder, vor allem an der zu großen Zahl der Ministerien, Anstoß nehme; die Bevölkerung habe ganz einfach den Eindruck, daß in der Bundesrepublik zuviel Ministerien vorhanden seien.
({10})
Daraus hat sich auch eine gewisse ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber den Ländern ergeben. Wir haben das bei der Umfrage gesehen, die das Allensbacher Institut für Demoskopie im Frühjahr dieses Jahres in Nordrhein-Westfalen veranstaltet hat. Auf die Frage: Sind Sie an der Landespolitik interessiert? antworteten 98 % aller Befragten klar mit Nein. Bundesfinanzminister Schäffer steht sogar auf dem Standpunkt, daß bei einer Abstimmung im Bundestag 60 % der Abgeordneten für eine Auflösung der Länder eintreten würden. Ich mache mir diese Äußerung nicht zu eigen, wie ich auch nicht die Absicht habe, den Föderalismus in Grund und Boden zu verurteilen oder mich gegen die Länder zu stellen. Im Gegenteil, ich betone immer wieder die Notwendigkeit
engster Zusammenarbeit mit den Ländern, wenn wir mit diesem großen Problem fertig werden wollen. Aber es zeigt sich heute bereits, daß sich auch der größte Föderalist für eine Stärkung der Bundesgewalt, für eine Ordnung in den Verhältnissen zwischen Bund und Ländern einsetzt,
({11})
weil bei Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes eine wachsende Abneigung gegen den an sich gesunden Gedanken des Föderalismus unvermeidbar ist.
({12})
Der Direktor der Staatsschuldenverwaltung in Karlsruhe, Dr. Ernst, hat vor einiger Zeit erklärt: Man kann nicht die Föderation Europas wollen und zu Hause in Kantons-Politik machen. Die Situation - so fährt er fort - wird nämlich dann ernst, wenn sie den Steuerzahler Milliarden kostet. Der Aufwand, den heute - so erklärt er weiter - ein überspitzter Föderalismus fordert, ist einfach unvertretbar. Das sage nicht ich, das sagt ein maßgebender Vertreter des Südweststaates.
({13})
Jetzt möchte ich Ihnen auch an einigen Beispielen, die beliebig vermehrt werden können, zeigen, wie im einzelnen gewirtschaftet wird. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat nach einem Bericht des Bundesrechnungshofs ein neues Dienstgebäude in Köln errichtet. Mit den Bauarbeiten wurde ohne die nötige Vorbereitung überstürzt begonnen. Die veranschlagten Kosten wurden um 127 000 DM überschritten. Schon kurze Zeit, nachdem das Gebäude seiner Zweckbestimmung übergeben war, stellte sich heraus, daß der geschaffene Raum nicht ausreichte. Da eine Erweiterungsmöglichkeit nicht bestand, sind dann für die Errichtung eines neuen Verwaltungsgebäudes in den Bundeshaushalt 1953/54 insgesamt 3 070 000 DM Baukosten neu eingesetzt worden. Die Frage, die hier entsteht, ist, wer für diese Ausgabenverschwendung verantwortlich ist
({14})
und ob der Verantwortliche nach den §§ 32 und 33 der Reichshaushaltsordnung wegen Mißbrauchs öffentlicher Mittel bzw. wegen ungesetzlicher Haushaltsüberschreitung zur Rechenschaft gezogen wird. Man kann auf die Anwendung dieser Haftungsbestimmungen nicht mehr verzichten. Von der spartanischen Einfachheit, wie sie früher in allen Zweigen des Staatswesens geherrscht hat, ist heute nicht mehr viel zu sehen.
({15})
Der Etat des Bundespresseamtes ist seit 1950 auf das Zehnfache, nämlich von 1,9 Millionen auf 19,4 Millionen DM gestiegen. Die Kosten des neuen Dienstgebäudes betrugen mehr als 5 Millionen DM.
Die Größe der von den Regierungsbezirken betreuten Verwaltungsgebiete ist sehr unterschiedlich. Die Regierungsbezirke sind um 1815 geschaffen worden, als es noch keine Post, keine Eisenbahn, kein Telephon und kein Auto gab. Man hat aber trotzdem die alten Bezirke ohne Notwendigkeit beibehalten.
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Als einzige Länder der Bundesrepublik leiden die Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen unter der Zweigleisigkeit der kommunalen Verwaltung, die durch die britische Besatzungsmacht angeordnet worden ist und in anderen Teilen Deutschlands nicht besteht.
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Sie verursacht zusätzlich etwa 25 Millionen DM.
Und nun zur Kabinettsreform! Ich halte auch eine Kabinettsreform für unumgänglich notwendig. Der Präsident des Bundesrechnungshofs hat im Jahre 1949 auf Anfrage des Parlamentarischen Rates 9 Ministerien als genügend für die Bundesverwaltung bezeichnet. Der Organisationsausschuß der Ministerpräsidenten hat diese Zahl dann auf 10 erhöht. Heute haben wir 21 Ministerien. Das Groteske dabei ist, daß die Absicht bestehen soll, die Zahl der Ministerien nicht etwa herabzusetzen, sondern sogar noch zu erhöhen
({18})
und verschiedene Ministerien aufzuteilen. Wenn diese Gerüchte stimmen sollten, muß ich deutlich meine warnende Stimme gegen solche unverantwortlichen Pläne richten. Ich werde mich hierbei auch nicht dadurch beirren lassen, daß voraussichtlich bald allenthalben mit Überzeugungskraft betont wird, die von mir angeführten Gerüchte seien nicht ernst zu nehmen. Sie können gar nicht ernst genug genommen werden. Nach meinem Dafürhalten geht es dabei nicht nur um erheblich vermehrte Verwaltungskosten, sondern um verstärkte Pressionsmöglichkeiten von seiten der Interessenten sowie um gesteigerte Kompetenzstreitigkeiten und damit schließlich um die Funktionsfähigkeit der Regierung schlechthin. Für besonders schwerwiegend halte ich es aber - und das ist für mich entscheidend -, daß die Aufteilung einzelner Ressorts zu der Aufspaltung eines einheitlichen Aufgabenkreises in getrennte Interessenbereiche führt. Ich bin überzeugt, daß mit der Aufteilung des Bundeswirtschaftsministeriums z. B. die Einheitlichkeit der Wirtschaftspolitik in Frage gestellt wäre.
Nicht minder groß ist die Gefahr, die in den Sonderwünschen von Interessentengruppen begründet ist. Jede Organisation möchte nach Möglichkeit ihr eigenes Ministerium haben, die Ärzteschaft ein Gesundheitsministerium, die Geistesarbeiter ein Ministerium für geistige Arbeit. Es fehlt unter den bisher angemeldeten Ansprüchen nur das Hebammenministerium.
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Wollte man derartigen Bestrebungen nachgeben, dann hätten wir bald kein Bundeskabinett mehr, sondern ein Parlament von Ministern, wobei der Minister dann nicht mehr als Ressortchef, sondern als oberster Exponent einer Interessengruppe angesehen würde.
Damit komme ich zu der ernsten Frage: Wer soll das bezahlen?
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Bezahlen muß es der kleinste Steuerzahler und wir alle, darunter auch der finanziell Schwächste. Ich habe damit den Kernpunkt meiner Ausführungen angeschnitten. Im Jahre 1952 belief sich der Bundeshaushalt auf 20 Milliarden DM, im Jahre 1955,
also nach drei Jahren, auf 30 Milliarden DM. Einige Jahre später werden wir, wenn das so weitergeht - das wird mir von Sachverständigen bestätigt -, einen Etat von 40 Milliarden DM haben. Wissen Sie, was das bedeutet? Das bedeutet den Anfang vom Ende eines gesunden Staatswesens
({21})
und eine unerträgliche Überbelastung des Staatsbürgers.
Staatssekretär Hartmann hat in seiner Etatrede vom 8. Dezember 1954 von dem „ehernen Gesetz" des ständig wachsenden Staatsbedarfs gesprochen. Ich lehne dieses „eherne Gesetz" ab und kann die damit bezeichnete Entwicklung nicht als naturgesetzlich unentrinnbare Schicksalsbestimmung hinnehmen. Wir selbst haben es in der Hand, diese gefährliche Entwicklung zu verhindern. Wir stehen keinem unentrinnbaren Schicksal gegenüber. Aber es wird allerhöchste Zeit, durchzugreifen und sich nicht dem unvermeidlichen Geschick zu fügen, denn es geht um mehr. Die Bank deutscher Länder, die ja die Hüterin der Währung ist, hat kürzlich erklärt, daß eine übertriebene Ausgabenwirtschaft, wie wir sie heute haben, zur Inflation führen muß.
({22})
Wenn wir jetzt nicht aufpassen, kommt also das, was wir alle vermeiden wollen, vermeiden können, vermeiden müssen und vermeiden werden: die Inflation. Ich mache früh genug darauf aufmerksam.
Wie soll nun die Verwaltungsreform aussehen? Wo ist der Hebel anzusetzen? Damit ist nichts erreicht, daß da und dort eine Planstelle oder ein Dienstauto weggenommen wird. Wir wollen nicht an Symptomen herumkurieren, sondern an den Kern des Übels herangehen. Die Zeit der Halbheiten ist vorbei.
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Das erste, was unternommen werden muß, ist, die weitere Aufblähung der Verwaltung sofort abzustoppen und zu verhindern, daß der Staatsapparat von Jahr zu Jahr immer größer wird. Wenn dieses Ziel erreicht ist, nämlich, daß jetzt mit der weiteren Ausdehnung Schluß ist, dann haben wir zunächst schon viel erreicht. Das heißt grundsätzlich Einstellungsstopp mit Ausnahme des normalen Nachwuchses. Gleichzeitig ist Hilfe - ich betone das ausdrücklich - beim Aufbau des Verteidigungsministeriums zu leisten. Diese Arbeit ist vordringlich und muß mit aller Beschleunigung in Angriff genommen werden, damit ein moderner, durchrationalisierter Apparat entsteht, ein Apparat, der frei ist von allen überflüssigen Aufgaben.
Ein weiteres Gebiet ist die Eindämmung der Gesetzesflut und die Überprüfung der Notwendigkeit neuer Gesetze. Ist ein Gesetz aber unvermeidbar, dann soll es einfach und klar und mit einem Kostenvoranschlag über die entstehenden neuen Verwaltungskosten von der Spitze bis zur Ortsstufe versehen sein, damit jeder Abgeordnete sich darüber klar ist, ob der Aufwand für dieses Gesetz auch verantwortet werden kann. Ein Muster für gesetzgeberischen Perfektionismus ist die vor wenigen Tagen vom Bundesrat angenommene gesetzliche Regelung der Mindestanforderungen an Schafböcke, obwohl allgemeine Körordnungen bestehen. Und das ist geschehen, obwohl wenige Augenblicke vorher der neue Bundesratspräsident
({24})
von Hassel sich für die notwendige Eindämmung der Gesetzesflut eingesetzt hatte.
Die Hauptschuld an der Aufblähung aber tragen wir selbst, wir, die Gesetzgeber. Aber nicht nur wir, sondern auch die Wähler, die gesamte Bevölkerung, die immer wieder nach dem Staate ruft. Dieser allgemeine Ruf nach dem Staate ist eine ganz wesentliche Ursache für das Übermaß der Verwaltungsarbeit. Hier haben Presse, Rundfunk und politische Parteien in Zukunft eine ungeheuer wichtige erzieherische Aufgabe zu erfüllen. Die Bevölkerung ist sich ja gar nicht bewußt, daß neue und erweiterte Aufgaben immer wieder neue Ausgaben erfordern, die dann im Wege höherer Lasten auf sie selber zurückfallen.
Nun sind die Schuldigen aber nicht nur der Gesetzgeber, also das Parlament, bzw. die Wähler; schuld an der Aufblähung ist vor allem auch die Bürokratie selber. Sie nutzt die Gelegenheit. Krebsartig wuchern die Behörden aller Stufen und Arten. Ein Mitglied des Rechnungshofs vor 1933 soll einmal gesagt haben: Wenn man einer Bürokratie ohne besondere Aufgabe ein großes Bürohaus zur Verfügung stellt, so kann diese aus sich selbst heraus sich so stark beschäftigen, daß sie nach wenigen Jahren einen Erweiterungsbau von entsprechender Größe und entsprechendem Personal benötigt. Jeder Referent hat den Ehrgeiz, sein Arbeitsgebiet als besonders wichtig erscheinen zu lassen. Wo früher ein Regierungsrat saß, sitzt heute ein Regierungsdirektor oder Ministerialrat. Sachen, die von einem Amtsrat entschieden werden könnten, werden hinaufgetrieben bis zum Abteilungsleiter. Minister kümmern sich um Bagatellsachen, die früher kaum Assessoren oblagen. Ein Bundesministerium ist an 670 Ausschüssen beteiligt. Stellen Sie sich einmal vor, wie viele Beamte dadurch festgelegt und ständig beschäftigt werden müssen, nur um den Wünschen mancher Interessenten zu entsprechen!
Aber wir haben nicht nur zuviel Staat, der in jede Privatsphäre eindringt. Wir haben vor allem zuviel Zentralstaat, der alles, was kommt, in seine Klauen nimmt. Es braucht nicht alles vom Zentralstaat gemacht zu werden, weil dann ein Rattenschwanz von Prüfungen, von Nachweisungen, von Reglementierungen vom Zentralstaat durch alle Instanzen hindurch bis unten hin die Folge ist. Deshalb sollte eine Verlagerung der Aufgaben nach unten erfolgen. Dort, wo die Aufgaben anfallen, sollen sie erledigt werden, in eigener Verantwortung. Man sollte nicht erst auf Weisungen von oben warten.
Ich komme damit zum Aufgabenabbau und zur Rationalisierung der Verwaltung. Beim Aufgabenabbau handelt es sich um die mühselige Kleinarbeit, zu ermitteln, welche Aufgaben wegfallen, welche Aufgaben einfacher gestaltet werden können, wie eingeschränkt werden kann, z. B. wegen Doppelarbeit oder Überschneidungen, wieweit Aufgaben von Stellen außerhalb der öffentlichen Verwaltung übernommen werden können. Die Fragestellung lautet nicht mehr: was kann die öffentliche Hand betreiben?, sondern: was m u B unbedingt von ihr noch durchgeführt werden?
Der Aufgabenabbau ist also entscheidend, und hier muß die Axt angesetzt werden. Ich habe eine ganze Reihe von praktischen Beispielen der Presse bereits genannt, so daß ich sie hier nicht noch einmal zu wiederholen brauche.
Ein weiteres Kapitel ist die Überprüfung uralter Gesetze daraufhin, ob sie nicht veraltet sind, neu kodifiziert, übersichtlicher und 'einfacher gestaltet werden müssen.
Die Ausgaben auf der ganzen Linie müssen rücksichtslos eingeschränkt werden. Insbesondere ist ein grundsätzliches Verbot der Errichtung öffentlicher Dienstbauten zu erlassen. Die Haushaltspläne sind so knapp auszugleichen, daß nur noch Mittel für das unbedingt Notwendige zur Verfügung stehen. Unter dem Zwang der Diktatur der leeren Kassen hört die Verwaltung auf, aus dem Vollen zu wirtschaften und die Haushaltsreste zu verpulvern. Die Voranschläge müssen die Einnahmen bis zum Rand des Defizits senken. Erst dann beginnt die Kunst der öffentlichen Hand, mit wenigen Mitteln Wirksames zu gestalten und zu schaffen.
Ich komme nunmehr zur Rationalisierung der Verwaltung. Wir haben viel zuviel Leerlauf. Es fehlt das richtige Verhältnis zwischen Aufwand und Erfolg. Die gegenwärtigen Aufgaben können billiger und rationeller wahrgenommen werden. Ebenso ist der Leistungsgrundsatz in das Beamtenrecht mit einzubauen. Die Rationalisierung der öffentlichen Verwaltung gehört zu den vordringlichsten Aufgaben der modernen Gesellschaft. Für die höherwertige Leistung könnte unbedenklich eine bessere Besoldung gewährt werden. Es ist einmal gesagt worden: Gebt mir die Hälfte der Beamten, aber qualifizierte.
Nun, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen kurz einige Beispiele 'für die Notwendigkeit der Rationalisierung geben. Die Akte eines Kriegsbeschädigten, der 70 % erwerbsgemindert ist, geht, wenn sein Verfahren durch die Instanzen läuft, durch die Hände von wenigstens 28 bis 30 Beamten und Angestellten. Dazu kommt bei der Sozialversicherung, wenn auch das Verfahren für seine Invalidenrente durch die Instanzen läuft, etwa die gleiche Zahl anderer Beamter: alles in allem rund 60 Verwaltungsbeamte, Ärzte und Richter für einen einzigen Rentner. Dann möchte ich auf das verweisen, was Herr Kollege Lücke vor dem Hohen Hause bereits angeschnitten hat, als er darauf hinwies, daß die Antragsformulare für die Erstellung einer Wohnung im sozialen Wohnungsbau aneinandergereiht eine Länge von über 130 m ausmachen.
Auf der anderen Seite aber einige erfreuliche Mitteilungen. Die Bundesstelle für den Warenverkehr - jetzt Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft - hatte nach einem Bericht des Bundesrechnungshofs im Jahre 1953 717 Beamte und Angestellte. Das Bundeswirtschaftsministerium hat diese Zahl auf 350 reduziert. Störungen sind dadurch nicht eingetreten. Ich kenne ein Bundesministerium, das nach mir gemachten Angaben mit drei Viertel seiner Beamten und Angestellten ohne weiteres auskommen würde. Von zwei weiteren Bundesministerien sind außerdem sehr weitgehende Vereinfachungsvorschläge gemacht worden.
Ich komme jetzt zum Schlußkapitel, nämlich zu der Frage, welchen Weg wir zur Verwirklichung der Vereinfachung beschreiten wollen. Ihnen liegt die Drucksache 1383 ({25}) vor. Danach soll ein unabhängiger Ausschuß aus Vertretern des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesregierung, der kommunalen Spitzenverbände und aus sonstigen Sachverständigen von der Regierung eingesetzt werden. Der Ausschuß wird nicht aus Interessen({26})
ten oder Persönlichkeiten, die Einzelinteressen wahrnehmen möchten, besetzt sein, sondern nur aus wirklich unabhängigen Experten allererster Qualität. Wir hätten damit gewissermaßen einen unabhängigen Generalstab, der das Ganze sachgerecht steuert. Er wird die Mittel und Wege finden und zeigen, die für eine totale Reform an Haupt und Gliedern und auf allen Sachgebieten notwendig sind.
({27})
Dabei wünschen wir - ich wiederhole das nochmals - eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden. Die Vorschläge des Ausschusses werden der Öffentlichkeit übergeben. Die Öffentlichkeit der Arbeit des Ausschusses ist also ein sehr wichtiges Mittel zur Durchsetzung der erarbeiteten Vorschläge. Die Initiativanträge der Fraktionen des Bundestages und der Länderparlamente werden ebenfalls zur Verwirklichung der Aufgabe beitragen. Außerdem wird der Ausschuß bei jedem einzelnen Vorschlag, den er macht, im einzelnen die Wege angeben, die zu seiner Verwirklichung zu gehen sind, und das ist ja wohl das Entscheidende. Ich denke mir auch eine enge Verzahnung zwischen diesem Ausschuß und den entsprechenden Ausschüssen der Länder.
Ferner bin ich der Meinung, daß die Stellung der Organisations- und Finanzreferenten - wir Rönnen sie auch Vereinfachungsreferenten nennen - in den obersten Bundesbehörden verstärkt werden sollte, daß sie mit Vetorecht gegen Anträge und Vorschläge der verschiedenen Abteilungen einer Bundesverwaltung ausgestattet sein sollten und das Recht haben müßten, bestimmte Ausgaben zu beanstanden. Diese unabhängigen - das betone ich - Referenten würden dann auch in enger Zusammenarbeit mit dem Ausschuß stehen. Es wird dafür gesorgt werden, daß in diesem Ausschuß gehandelt und daß keine unproduktive oder rein theoretische Arbeit geleistet wird, damit wir schnellstens zu praktischen Ergebnissen kommen.
Nun, meine Damen und Herren, zum Schluß eine herzliche Bitte an die Opposition. Die Durchführung der Verwaltungsreform sollte nicht zum Gegenstand parteipolitischer Erwägungen gemacht werden, sondern ein heiliges, unaufschiebbares Anliegen aller sein, ohne Ansehen der politischen Partei, der Konfession und dergleichen. Ich habe den neuen Antrag - den Ergänzungsantrag der SPD - hier vorliegen. Er stellt sich grundsätzlich hinter den Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Ich glaube, daß wir im großen und ganzen hinter diesen Vorschlägen stehen werden.
Wir wollen jetzt nicht über Kleinigkeiten stolpern, sondern anfangen. Wir können jetzt auch keine Skeptiker oder ewigen Verneiner gebrauchen, die jede Arbeit hemmen. Was wir bei dieser fast übermenschlichen Arbeit brauchen, sind Optimisten und Mitarbeiter, die mit neuem Schwung an dieses große Werk herangehen. Ich hoffe, daß auch unser hochverehrter Herr Bundeskanzler die wichtige Frage der Verwaltungs- und Staatsvereinfachung persönlich aufgreift, uns jetzt auch auf diesem wichtigen innerpolitischen Gebiete seine volle Unterstützung zuteil werden läßt und sich mit seiner ganzen Person hinter diese Aktion stellt.
Ich beantrage daher namens meiner Fraktion die Überweisung an den Ausschuß für innere Verwaltung als federführenden und an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß.
({28})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß selten eine an sich durchaus diskutierfähige Angelegenheit schlechter begründet worden ist, als es diesmal der Fall war.
({0})
Ich stehe auch nicht an, in aller Form namens meiner Freunde mein Bedauern darüber auszusprechen, daß hier eine Angelegenheit, die die Fraktion mit ihrem Namen deckt und die sie im Prinzip durchaus für richtig hält, mit Wendungen begründet worden ist, die wir ablehnen.
({1})
Auf der andern Seite möchte ich in aller Klarheit folgendes sagen: - ({2})
- Wenn Sie das mit unterschreiben wollen?
({3})
- Wir können uns über Ministerien ja immer unterhalten; das wissen Sie. Wir sind für solche Dinge durchaus aufgeschlossen.
({4})
Sie wissen, daß wir bei der Debatte über diese Dinge in voller Klarheit erklärt haben, daß bestimmte politische Entscheidungen nicht in einen Topf mit Verwaltungsvereinfachungsmaßnahmen geworfen werden sollen. Das hat gar nichts miteinander zu tun. Darüber sind wir uns, glaube ich, völlig einig. Aber wir dürfen hier nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und Vorwürfe gegen die Verwaltung als solche richten, die uns, meine Damen und Herren, selber treffen.
({5})
Wenn dieses Hohe Haus nicht eine solche Unzahl von Gesetzen beschließen würde, wäre es auch nicht notwendig, draußen den Verwaltungsapparat entsprechend zu erweitern.
({6})
Ich habe keineswegs die Absicht, diese Debatte, die wir nicht wünschen und die wir heute jedenfalls nicht in diesem Umfang führen wollen, zu vertiefen. Ich könnte darüber eine Stunde lang Ausführungen machen, um das zum Teil wieder zurechtzurücken, was vorher den Anschein erwecken konnte, als ob meine Fraktion die Absicht hätte, die Verwaltung als solche zu verdammen und ihr Vorwürfe zu machen, die weiß Gott zu einem großen Teil nicht berechtigt sind.
({7})
Außerdem möchte ich eins in aller Klarheit feststellen: Wer die mühsame, mehr als mühsame Ar({8})
beit des Haushaltsausschusses kennengelernt hat - und ich würde Herrn Kollegen Bergmeyer sehr dringend einladen, sich als Hospitant an dieser Arbeit zu beteiligen -,
({9})
der würde doch zumindest Respekt davor gewonnen haben, was dort in 44 langen Sitzungen vor der Verabschiedung des letzten Haushalts an Einsparungen erarbeitet worden ist. Das Hohe Haus hat mit großer Mehrheit den Antrag meines Kollegen Brese angenommen, wonach jeder vierte freiwerdende Posten eingespart wird. Das ist eine Maßnahme, meine Damen und Herren, die, auf weite Sicht gesehen, mehr Einsparungen bringen wird als der Antrag, der uns heute vorliegt.
({10})
Wir sind auf der anderen Seite der festen Überzeugung, daß man für die Vereinfachung und für die Verkürzung des Kompetenzweges etwas tun sollte. Dem dient auch der Antrag. Sie werden das erkennen, wenn Sie ihn aufmerksam durchlesen. Es läßt sich daraus etwas machen. Aber, meine Damen und Herren, der schärfste Appell muß an uns selbst gerichtet werden. Entweder wir beachten bei künftigen Gesetzen, welche Ausgaben sie verursachen und welche neuen Verwaltungen sie bedingen, oder jede Anstrengung zur Verminderung der öffentlichen Verwaltung wird nutzlos sein. Damit will ich ganz kurz schließen.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Anklagerede, die Herr Kollege Dr. Bergmeyer gegen die Bundesregierung gehalten hat, könnte ich es mir an sich sehr einfach machen. Aber ich will es mir nicht einfach machen; denn die Fragen um eine Verwaltungsreform sind nicht so einfach, sie sind sehr komplex, und je mehr man sich mit ihnen befaßt, desto mehr sieht man, wie schwierig und heterogen alle diese Probleme sind.
Für den Bundestag ist diese Aussprache über eine Verwaltungsreform die erste ihrer Art. Diese Debatte wird zeigen, wie machtlos wir geworden sind - das soll kein abwertendes Urteil, sondern nur die Feststellung von Tatsachen sein - gegenüber der Allmacht der Bürokratie und gegenüber der Entwicklung des modernen Staates in den letzten Jahrzehnten, vor allem seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die Bemühungen um eine Verwaltungsreform sind nicht neu. Bei jedem Wahlkampf, sei es im Bund, sei es in den Ländern, wird sie neu angekündigt. Dann werden Sonderausschüsse in den Ländern eingesetzt, und nachher stellt man fest, daß die Verwaltungen doch immer wieder umfangreicher geworden sind als vor Einsetzung der Sonderkommisionen.
Die Schwierigkeit, meine Damen und Herren, besteht nämlich gar nicht darin, eine Verwaltungsreform zu fordern - das haben im letzten Jahrhundert schon viele getan -, die Schwierigkeiten beginnen erst, wenn man versucht, sich einmal konkrete Vorstellungen darüber zu machen, was denn nun zu geschehen habe.
({0})
Insofern befriedigt uns der von Herrn Kollegen Dr. Bergmeyer ausgegangene und nunmehr von seiner Fraktion übernommene Antrag nicht ganz, weil er sich im wesentlichen noch darauf beschränkt, ein bestimmtes Verfahren vorzuschlagen, während unser Ergänzungsantrag - insofern halte ich ihn für besser - sich bemüht, zugleich darüber etwas zu sagen, von welchen konkreten Vorstellungen der Ausschuß, den wir grundsätzlich bejahen, auszugehen hat. Auch die Herren Antragsteller haben offensichtlich dieses Dilemma gemerkt, wenn sie beantragen, daß diesem Ausschuß alle Denkschriften, „die auf diesem Gebiet seit 1910 abgefaßt worden seien, vorgelegt werden müßten". Aber meine Herren Antragsteller, ist Ihnen nicht klargeworden, daß das Waggonladungen von Altpapier sein würden? Der Ausschuß würde nicht nur in diesem Altpapier ersticken, sondern sich von vornherein alle Chancen zu produktiven Vorschlägen verbauen. Er würde in Gutachten ersticken, die damals, 1910, von ganz anderen Vorstellungen ausgegangen sind, von Vorstellungen über eine Situation, die mit der heutigen gar nicht mehr vergleichbar ist. Ich glaube, es wäre viel besser, wenn der Ausschuß völlig von neuem anfangen und nicht erst Unterkommissionen einsetzen müßte, die nur in den alten Akten blättern würden, ohne daß etwas dabei herauskäme. In der Tat dürfen die Schwierigkeiten, vor denen wir stehen, nicht übersehen werden. Ich sagte schon: je mehr man in eine einzelne Verwaltungsorganisation hineinleuchtet, desto mehr türmen sich die Bedenken gegenüber Reformvorschlägen auf.
Im allgemeinen wird immer noch viel zuwenig erkannt, wie sich die Aufgaben des Staates, beginnend in der Mitte des vorigen Jahrhunderts und dann sich fortsetzend bis nach dem zweiten Weltkriege, verlagert und vermehrt haben. Die Entwicklung vom Polizei- zum Rechtsstaat und dann später vom reinen Rechtsstaat zum modernen Wirtschafts-, Sozial- und Wohlfahrtsstaat hat auch den Aufbau der Organisation unserer Verwaltung tiefgreifend beeinflußt; sie hat die Aufgaben der Bürokratie erheblich vermehrt. Da sind, um nur einige neu hinzugekommene Aufgaben zu erwähnen, nach dem ersten Weltkrieg erstmalig die Probleme der Kriegsopferversorgung, dann die Schaffung von Siedlungsmöglichkeiten durch das Reichssiedlungsgesetz, die Bodenreform und schließlich, um einmal etwas längst Vergessenes wieder ins Gedächtnis zurückzurufen, die Aufwertungsämter als Folge der damaligen Geldentwertung.
Diese Entwicklung hat sich nach dem zweiten Kriege in einem erheblichen Maße fortgesetzt. Da sind die Probleme um den Wiederaufbau unserer zerstörten Städte, die man nur durch die Errichtung neuer Verwaltungen für den Wiederaufbau lösen konnte. Oder nehmen Sie die Organisationen zur Bewältigung der Vertriebenenprobleme und des Flüchtlingselends. Denken Sie an die vermehrte Kriegsopferversorgung, an die Spätheimkehrer und ihre Betreuung oder die Besatzungskostenämter. Oder nehmen Sie einmal etwas, was wir alle als etwas erfreuliches Neues in unserem Staat nach 1945 begrüßt haben, die neuen Gerichte: Bundesverfassungsgericht, der Ausbau der Landesverwaltungsgerichte zum Schutz des einzelnen Staatsbürgers, die Entschädigungsämter für die Opfer des Faschismus.
Das sind alles Aufgaben, vor denen der Staat vor einem Jahrhundert gar nicht stand, woran er
({1})
auch gar nicht denken konnte. Ist es ein Wunder, wenn sich die Zahl der öffentlichen Bediensteten von 1925 bis heute fast verdoppelt hat? Oder ist es ein Wunder, daß im Jahre 1913, wenn ich einmal die Haushaltsziffern durch die Zahl der Bevölkerung teile, an Ausgaben auf den Kopf der Bevölkerung nur je 125 Mark entfielen?; im Jahre 1925 waren es schon 230 Mark, und heute sind es rund 1000 DM. Ich weiß, daß die Kaufkraft von heute nicht vergleichbar ist mit dem Kaufpreis von damals. Was ich mit diesen Zahlen beweisen will, ist lediglich, zu zeigen, in welche Entwicklung wir im letzten Jahrzehnt hineingeraten sind. Hätte der Staat versucht, sich von der Lösung aller dieser neuen Probleme fernzuhalten, er wäre doch gegenüber der Bevölkerung, gegenüber dem einzelnen Staatsbürger in eine hoffnungslose und geradezu tödliche Isolierung geraten; denn die Masse der Bevölkerung sah doch vor allem seit der zunehmenden Industrialisierung, weil der einzelne, auf sich allein gestellt, hilflos sein mußte, in diesem Staate jenes Wesen, das bereit war, ihm im Falle der Not, der Krankheit, der Invalidität zu helfen. Darum durfte sich der Staat diesen Problemen gar nicht entziehen.
Ich sage das vorweg, meine Damen und Herren, um nicht durch eine oberflächliche Propaganda, die immer wieder mit der Forderung nach einer Verwaltungsreform verbunden wird, draußen falsche Vorstellungen entstehen zu lassen. Wir müssen die Dinge auf das konkrete Maß zurückführen und sehen, daß bei dem Wesen des modernen Staates der Beschneidung der Verwaltung gewisse Grenzen gesetzt sind.
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Diese Entwicklung zum modernen Staat ist deshalb auch die große Hypothek, die auf allen Überlegungen für eine Verfassungsreform lastet. Selbst ein so kenntnisreicher Mann, einer der besten Verwaltungswissenschaftler, den Deutschland jemals gehabt hat, Gustav von Schmoller, ist als Vorsitzender der 1914 eingesetzten Verwaltungsreformkommission schließlich an der Entwicklung gescheitert, die die deutsche Verwaltung nach 1914/1918 genommen hat.
Aber - und hier wende ich mich insbesondere an Kollegen Bergmeyer - von dieser Entwicklung ist auch die Wirtschaft nicht verschont geblieben. Herr Kollege Bergmeyer kommt aus der Wirtschaft. Gerade sie hat seit jeher nach einer Verbilligung, nach einer Vereinfachung des staatlichen Verwaltungsapparats gerufen. Aber ist denn die Industrie nicht den gleichen Weg wie die öffentliche Hand gegangen? Ist sie denn jemals bereit gewesen, vor ihrer eigenen Türe zu kehren? Haben wir bei ihr nicht die gleiche Entwicklung hinsichtlich des verwickelten Verwaltungsaufbaus, hinsichtlich der monströsen Verwaltungspaläste in der Wirtschaft wie beim Staat? Haben wir nicht auch in der Wirtschaft eine Entwicklung, die zum Teil noch das Maß dessen überschreitet, was wir heute bei der öffentlichen Hand leider feststellen müssen?
({3})
Nordrhein-Westfalen hat nicht weniger als 20 Industrie- und Handelskammern. In Düsseldorf standen bereits vor einigen Jahren nicht weniger als 300 Wirtschaftsverbände im Telefonbuch. In Köln waren es nicht weniger als 42 Bundesverbände. So hat die Wirtschaft ihre Verwaltungen in einem
viel schnelleren Tempo ausgebaut, als es der Staat jemals getan hat. Daher sind wir skeptisch und mißtrauisch, wenn gerade aus jener Ecke der Ruf nach einer Verbilligung der Verwaltung kommt, die selber nicht bereit ist, sich mehr zu bescheiden, sondern ihre Betriebswirtschaft und ihre Betriebsbürokratie auf Kosten des Konsumenten über das rechte Maß hinaus aufbaut.
({4})
Der Antrag des Kollegen Bergmeyer hat damals viel Aufsehen erregt. Das ist verständlich. Fragen der Verwaltungsreform sind immer beliebt, weil mancher glaubt, dabei wegen eines ablehnenden Bescheides, den er bei irgendeinem Antrag bekommen hat, sein Mutehen kühlen zu können.
Aber, Kollege Bergmeyer, noch-überraschter war man, als die Antragsteller dann beim ersten Anlauf Angst vor der eignen Courage bekamen. Als die SPD-Fraktion bei den Haushaltsberatungen nicht nur die Streichung überflüssiger Ministerien, sondern auch die Streichung einiger Baufonds, Einschränkungen bestimmter Geheimfonds forderte, wurden diese unsere Anträge ausgerechnet auch durch die Antragsteller von heute zu Fall gebracht.
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Vergleichen Sie die Größe des Kabinetts von 1949 und heute! Daß man bei der Einrichtung von Sonderministerien nach wie vor ein schlechtes Gewissen hat, ergibt sich schon daraus, daß man die Blöße dieser etwas nackten Ministerien immer wieder dadurch zu bemänteln sucht, daß man ihnen so kleine Angelegenheiten zukommen läßt, - die Wasserwirtschaftsfragen Herrn Kraft, die Mittelstandsfragen Herrn Schäfer und die Atomfragen jetzt Herrn Strauß. Es bleibt nur einer übrig, der nichts bekommen hat.
Denken Sie auch an das Feuerwerk, das damals, 1953, die Regierung von Nordrhein-Westfalen veranstaltete, als sie der erfreuten Öffentlichkeit mitteilte, sie werde an einen radikalen Abbau der Verwaltung herangehen, von den sechs Regierungspräsidenten würden nicht weniger als vier verschwinden und auch die staatlichen Aufgaben werde man abbauen. Das ist alles kläglich zusammengebrochen. Wir haben heute noch so viele Regierungspräsidenten wie früher, wir haben sogar eine Vermehrung der Mittelinstanzen in Nordrhein-Westfalen, indem man nicht nur die Mittelinstanz der Regierungspräsidenten gelassen, sondern darüber hinaus eine neue Mittelinstanz in der Form der beiden alten Provinzialverbände als Landschaftsverbände geschaffen hat.
({6})
- Herr Kollege Stücklen, sicherlich gibt es das woanders auch, aber nachdem wir sie in Nordrhein-Westfalen Gott sei Dank abgeschafft hatten, um eine Vereinfachung durchzuführen, lag überhaupt keine Veranlassung vor, erneut eine zweite Mittelinstanz zu schaffen.
({7})
1950 hatte Nordrhein-Westfalen rund 100 000 öffentliche Bedienstete; aber nach der Ankündigung des Verwaltungsabbaus hatte Nordrhein-Westfalen genau 200/0 mehr Bedienstete. Selbst wenn ich die Polizei herauslasse, die inzwischen verstaatlicht worden
({8})
war, ist das ein typisches Beispiel für das wirkliche Verhältnis von Propaganda und Wirklichkeit.
Oder nehmen Sie den letzten Konflikt in Schleswig-Holstein, wo die Landesregierung - an der wir Sozialdemokraten ja nicht beteiligt sind - mitten im Haushaltsjahr die Schaffung von mehr als hundert neuen Planstellen durchgedrückt hat, mit der Begründung, wenn wir nächstens eine neue Wehrmacht hätten, brauche auch die Landesregierung Schleswig-Holstein mehr Planstellen für Zivilbeamte und Angestellte.
Die Länderverwaltungen haben sich vergrößert, obwohl den Ländern seit 1949 erhebliche Aufgabengebiete abgenommen und auf den Bund verlagert worden und obwohl seit 1950 weitere Zweige der Verwaltung ganz verschwunden sind, z. B. die Wirtschafts- und die Ernährungsämter.
Wir sind begreiflicherweise skeptisch, ob die Länder bereit sein werden, Richtlinien, die hier - oder im Ausschuß - erarbeitet werden, zu akzeptieren. Aber ich glaube, daß trotz dieser Skepsis, die wir nach all den Erfahrungen der letzten Jahre haben, der Bundestag sich diesen Aufgaben nicht entziehen darf.
({9})
Zunächst müssen wir allerdings die leidige Frage der Zuständigkeit prüfen. Natürlich gäbe es ein reiches Betätigungsfeld auch dann, wenn wir uns auf die Verwaltung des Bundes beschränken müßten und würden. Denn der Bund beschäftigt immerhin zur Zeit - ohne die Betriebsverwaltungen von Post und Eisenbahn - rund 108 000 Personen. Wenn Sie es wenigstens da mit Ihrem Antrag wirklich so meinen, wie es draußen gesagt worden ist, kämen wir schon ein gutes Stück weiter. Denn Sie und wir haben schließlich die Mehrheit im Bundestag.
Aber, meine Herren Antragsteller: wenn Sie sich mit Ihrem Antrag nur auf eine Reform der Bundesverwaltung beschränken, dann muß ich darauf hinweisen, daß Sie das doch hätten viel einfacher haben können, wenn Sie das, was Sie heute so laut fordern, schon vom Anbeginn des Aufbaues der Bundesverwaltung beherzigt hätten.
({10})
Sie beklagen sich heute über die vielen Verwaltungen, über die vielen Beamten und über die vielen Abgeordneten des Bundes und der Länder. Aber damals, als wir im Parlamentarischen Rat das Grundgesetz schufen, las man es anders. Natürlich
- ich werde nachher noch einige Worte dazu sagen
- akzeptieren wir den Föderalismus. Aber der Druck, den Ländern mehr Macht einzuräumen als dem künftigen Bund, was eine noch größere Apparatur in den Ländern zur Folge gehabt hätte, ging doch damals gerade von Ihnen aus.
({11})
Es ist recht billig, sich heute hinzustellen und gegen das zu polemisieren, was man selbst geschaffen und als großen Erfolg hingestellt hat und was man hätte von Anfang an vermeiden können, wenn man es wirklich gewollt hätte.
Ich sagte, der Antrag Bergmeyer und der CDU beschränkt sich leider auf die Bundesverwaltung und auf die „Verbindung zwischen dem Bund und den Ländern". Wir aber sind der Meinung, daß das nicht ausreicht. Wenn wir der Sache wirklich auf den Grund gehen wollen, meine Damen und Herren, müssen wir versuchen, mit den Vorstellungen über einen vernünftigen Verwaltungsaufbau, d. h. der Schaffung einer einfacheren, für den Staatsbürger viel durchsichtigeren Verwaltungsorganisation, bis in die Länder und bis in die Gemeinden vorzudringen. Sonst bleiben unsere Bemühungen Stückwerk. Im öffentlichen Dienst der Länder und Gemeinden sind, nach einer Veröffentlichung des „Bulletins" vom 5. August dieses Jahres, zweieinhalb Millionen Personen beschäftigt, also fünfundzwanzigmal mehr als im Bund. Schon aus diesen Zahlen sehen Sie, daß der Schwerpunkt unserer Bemühungen bei den Ländern und Gemeinden liegen muß. Ich verweise auf Art. 83 ff. des Grundgesetzes, wonach alle Bundesgesetze von den Ländern auszuführen sind. Das heißt, was wir hier beschließen, bedeutet fast immer eine Vermehrung der Verwaltungsorganisation der Länder.
Nun wissen wir natürlich, daß, wenn wir die Länder etwas an die - jetzt im freundlichen Sinne gemeint - Kandare nehmen wollen, das nicht leicht sein wird und daß die Unterschiedlichkeiten bei den Länderverwaltungen erheblich sind. Das fängt schon bei dem sehr heiklen Problem der Kompetenzverteilung zwischen der Regierung und den Selbstverwaltungskörperschaften an. Das Ausmaß der Kommunalaufsicht ist - nicht nur in der Länder-Gesetzgebung, sondern vor allem auch in der täglichen Praxis der Administration - in dem einen Lande völlig anders als in dem anderen. Hier müßten wir, weil sich eine gute oder schlechte Gemeindeorganisation immer bis zum letzten Staatsbürger auswirkt, für den sich der Staat zumeist nicht im Bund, sondern in seiner Gemeindeverwaltung repräsentiert, um dieses Staatsbürgers willen versuchen, in etwa gewisse gleichmäßige und einheitliche Richtlinien vorzuschlagen.
Ich denke an das leidige Problem der Sonderbehörden, die Gott sei Dank in den Ländern weitgehend verschwunden sind, weil sie in einem politischen Zwielicht standen. Ich erinnere an das leider auch nicht überall glücklich gelöste Problem der staatlichen und der kommunalen Polizei und ihr Verhältnis zu ihrer „Konkurrenz", dem Bundesgrenzschutz, und der Verwaltung des Paßwesens und des Zolldienstes.
Ich sage dabei, um nicht mißverstanden zu werden, ausdrücklich, wir wünschen nicht, daß auf allen diesen Gebieten eine Einheitlichkeit in den Ländern geschaffen wird. Aber wir sind der Meinung, daß sich trotzdem gewisse allgemeingültige Grundsätze aufstellen lassen, um die Verwaltung der Länder durchsichtiger zu gestalten als bisher.
Daher möchte ich namens meiner politischen Freunde folgendes sagen. Sollten die Länder, falls der Ausschuß wirklich zu vernünftigen, allseitig akzeptierten Vorschlägen kommen sollte, nicht bereit sein, diese Empfehlungen anzunehmen - wenn auch vielleicht von Fall zu Fall etwas nuanciert -, dann wären wir unter Umständen zu einer Verfassungsänderung bereit, damit der Bund die Länder anhalten könnte, das zu tun, was ihnen frommt. Es wäre auch zu überlegen - das zu untersuchen wird eine weitere Aufgabe des Ausschusses sein -, ob die Mitglieder jener Kommission nicht vom Bundespräsidenten ernannt werden sollten, damit sie sich unabhängiger fühlen und ihre Vorschläge draußen nachdrücklicher zur Kenntnis genommen werden würden. Ich sage, das ist eine Überlegung, die wir anstellen müssen. Die
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endgültige Entscheidung wird davon abhängen, was der Ausschuß erarbeiten wird.
Wir hoffen aber - und das ist wirklich unser ehrlicher Wunsch -, daß es solcher Mittel gegenüber den Ländern nicht bedarf. Denn die Länder waren, ehe der Bund entstand, durchaus bereit, sich auf vielen Gebieten über einen einheitlichen Aufbau eines Teiles ihrer Verwaltungen zu einigen und zu verständigen.
Ich erinnere - die Zeit ist manchmal sehr kurzlebig, und es ist gut, wieder daran zu denken - an die einstimmigen Beschlüsse des Zonenbeirats von Godesberg vom 13. Juni 1946, in denen für den Bereich der britischen Zone Richtlinien gegeben wurden, wie die Länder nicht nur hinsichtlich ihrer Grenzziehung, sondern auch hinsichtlich ihrer inneren Verwaltung aufgebaut werden sollten.
Ich erinnere an die sehr eingehenden Denkschriften und Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände, des Landkreistages, des Städtebundes und vor allem an die Denkschriften und sehr klaren Vorschläge des Städtetages über den Aufbau der Selbstverwaltungskörperschaften. Sie haben, Herr Kollege Bergmeyer, die Zweigleisigkeit der Kommunalverwaltung in Nordrhein-Westfalen kritisiert. Ich war es ja, der im Lande Nordrhein-Westfalen einer der Vorkämpfer der alten kollegialen Magistratsverfassung war, und ich habe mich bis zum letzten gegen die auch von Ihnen mit Recht kritisierte Zweigleisigkeit der neuen Städteordnung gewehrt. Aber, Herr Kollege Bergmeyer, es war Ihre Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen, die darauf bestand, dieses System der Zweigleisigkeit endgültig in unsere Städteordnung zu übernehmen.
Ich erinnere schließlich an die Meinberger Beschlüsse der Innenminister vom Mai 1948 über den einheitlichen Aufbau der Polizei in den Ländern.
Meine Damen und Herren, bei den Vorstellungen von den Möglichkeiten einer Verwaltungsreform gehen wir von folgenden Grundsätzen aus. Zunächst müssen wir uns darüber klar sein - und wir sollten das auch nach draußen mit aller Offenheit und mit Mut vertreten -, daß sich eine Verwaltungsreform nicht erschöpfen kann in dem Herumstreichen an dieser oder jener Planstelle oder an diesem oder jenem Sachtitel. Natürlich sind wir für jede Einsparung, das ist ganz selbstverständlich. Aber dies er Teil der Überlegungen ist und kann nur der geringste Teil einer Verwaltungsreform sein. Denn die Planstellen und damit der Umfang des Personal- und Verwaltungsapparates sind doch nur eine Folge richtiger oder falscher Verwaltungsorganisation und einer richtigen oder falschen Aufteilung der Funktionen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Zweifellos ist eine Einsparung von Planstellen und bei den Sachtiteln sehr dankenswert, und hier könnten sich die Landesrechnungshöfe und die Gemeindeprüfungsämter noch reichlich betätigen. Man hat früher viel über die Preußische Oberrechnungskammer gelästert, und über sie ist manche gute Anekdote durch die Amtsstuben gegangen. Aber ich meine, es wäre manches auch bei uns besser und der Staatsbürger könnte wirklich manchen Taler sparen, wenn der Geist der alten Preußischen Oberrechnungskammer bei uns umginge.
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- Wir Sozialdemokraten waren ja nie schlechte Preußen, Herr Dresbach!
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Das haben Sie vor allem bei der Preußen-Regierung von 1918 bis 1933 gesehen.
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- Mit d e r Begründung wäre ich einverstanden.
Ein zweiter, mehr theoretischer Grundsatz, der sich aber in der Praxis ausbauen ließe: Ich meine eine bessere Verteilung der Verwaltungsverantwortung. Ich habe manchmal den Eindruck, daß die Vielheit der Behörden hier und dort dazu führt, daß die Einheit der Verwaltung und die Klarheit der Verwaltungsverantwortung sich verwischt,
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d. h. daß, wenn in der Verwaltung einmal etwas schiefgegangen ist, sich immer einer auf den anderen als den wahren Schuldigen beruft. Das ist ein anonymes Kollegialsystem, das wir nicht gebrauchen können. Nur durch solche klaren Grenzziehungen können wir Überschneidungen und Reibungen zwischen den Verwaltungen vermeiden. Sie ersehen aus unserem Antrag*), daß wir vor allem hinsichtlich der Bundesoberbehörden Zweifel und Bedenken haben. Je weniger Oberbehörden wir haben - es werden nicht alle zu vermeiden sein, das wissen auch wir -, desto weniger besteht die Gefahr von Doppelzuständigkeiten und Reibungsverlusten.
Nun noch zwei positive Forderungen. Bei allem Respekt, auch bei dem Ausbau parlamentarischer Vertretungen bescheiden zu bleiben, werden wir uns dagegen wehren, daß eine Verwaltungsreform etwa dazu führt, irgendeinen Verwaltungsapparat der politisch-parlamentarischen Kontrolle zu entziehen. Das gilt auch für die Gemeinden. Es darf nicht dahin kommen, daß sich durch Herumstreichen an den Vertretungen - ich meine hier speziell die Gemeindevertretungen - die Behörden einer effektiven Kontrolle der jeweiligen politischen Vertretung entziehen könnten.
({17})
Und die zweite Forderung, an der gerade uns liegt und an der wir auf Grund gewisser Erfahrungen in den Ländern unbedingt festhalten: Wir würden uns dagegen wenden, daß eine Verwaltungsreform lediglich als Vorwand dafür benutzt werden würde, soziale Errungenschaften, sei es im Bund, in den Ländern, in den Gemeinden oder auch in der Wirtschaft, abzubauen.
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Denn der wirtschaftlich, der sozial Schwache braucht den Staat, gerade er! Es wäre ein verhängnisvoller Schritt des Staates, wenn er unter dem Vorwand einer Verwaltungsreform solche Errungenschaften der modernen Zeit abbauen wollte.
({19}) *) Siehe Anlage 4.
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Noch ein weiterer Gesichtspunkt: Die Verwaltungsreform im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden kann natürlich nicht isoliert gesehen werden. Sie muß auch gesehen werden im Zusammenhang mit der - ja, man geniert sich bald, es ständig zu wiederholen - längst fälligen Sozialreform, die ja nicht nur eine Reform des materiellen Sozialrechts bedeuten soll, sondern doch wohl auch eine Reform des Sozialverwaltungswesens. Dann muß sie ferner gesehen werden in Verbindung mit der neuen uns bevorstehenden Aufblähung des Verwaltungsapparates durch die Schaffung einer Wehrmacht. Die Militärverwaltungen werden wahrscheinlich bald das Mehrfache der jetzigen Zivilverwaltung kosten. Hier haben Sie, meine Herren Antragsteller, die Chance, nicht erst wieder 6 Jahre später, sondern gleich von Anfang an mit uns dafür zu sorgen, daß der Rotstift möglichst weitgehend gebraucht wird.
({21})
Der dritte Komplex, der nicht außer acht gelassen werden darf, umfaßt die Fragen der Finanz- und der Steuerreform: Es wäre recht reizvoll, bei dieser Gelegenheit etwas zu der Frage der einheitlichen Finanzverwaltung zu sagen; aber wir wollen das Problem der Verwaltungsreform nicht auch noch heute und hier mit diesem recht diffizilen Problem belasten. Daher fordern wir in unserem Zusatzantrag nur, daß sich der Ausschuß mit der Überlegung befassen möge, ob er, wie immer man zu der Frage einer reinen Bundesfinanzverwaltung oder einer reinen Landesfinanzverwaltung stehen möge, eine Entscheidung empfiehlt, daß entweder der eine, d. h. der Bund, oder die anderen, d. h. die Länder, diese Finanzverwaltung übernehmen. Denn das Doppelgleisige ist es ja auch hier, was uns bei diesem Problem interessiert. Sie wissen - es hat sich allmählich herumgesprochen -, daß durch eine Vereinheitlichung immerhin mehrere hundert Millionen DM gespart werden können.
({22})
- Ach, ich glaube schon, Herr Kollege Gülich; sie haben nur nicht alle die Traute, sich dazu zu bekennen!
({23})
Ich will nicht, obwohl man es auch in diesem Zusammenhang tun könnte und Herr Kollege Bergmeyer sie angeschnitten hat, auf alle politischen und verwaltungsorganisatorischen Probleme des Föderalismus eingehen. Das Grundgesetz bejaht den Föderalismus, und wir Sozialdemokraten bejahen ihn nicht nur deshalb, weil das Grundgesetz ihn vorschreibt, sondern weil sich bei dem wachsenden Aufgabengebiet des Bundes und der Länder in zunehmendem Maße herausgestellt hat, daß die riesige Verwaltung, die unsere Gesetzedurchführen muß, zumindest auf der Länderebene nur dann noch einigermaßen kontrolliert werden kann, wenn wir zwischen Bundesparlament und Gemeinderat eine weitere politische Kontrollinstanz einbauen. Man kann das Problem des Föderalismus nicht gleich so vereinfachen wie jene Illustrierte, die vor einiger Zeit die Bilder aller Bundes- und Landesminister auf zwei Seiten brachte und ihren Lesern kurzerhand erklärte, daß davon mindestens die Hälfte aller Bundesminister und alle Länderminister verschwinden könnten.
Herr Kollege Vogel hat das, was ich am Ende meiner Ausführungen sagen möchte, in seinem kurzen Zwischenspiel dankenswerterweise bereits angeschnitten. Ich glaube, es wäre falsch und wir würden uns selber etwas vormachen, wenn wir nur die Bürokratie beschuldigten, daß ihr Personalaufwand größer sei, als wir alle es wünschen. Ich meine, ein ehrliches Parlament müßte auch sich selbst etwas anklagend an die Brust schlagen. Wir beschließen viel zuviel Gesetze. Als wir im Juli dieses Jahres in die Ferien gingen, konnte der amtierende Bundestagspräsident mit einem gewissen Stolz und einem Gefühl der Genugtuung auch für uns feststellen, wieviel Gesetze wir verabschiedet haben. Für beide Bundestage sind es wohl rund 700. Wird auf diesem Gebiet nicht etwas zuviel des Guten getan? Hat der Bundesrat nicht mit Recht Vorlagen der Bundesregierung häufig zurückgewiesen, weil sie überflüssig seien? Da gab es vor einiger Zeit den Entwurf einer Verordnung über Speiseeis. 15 Seiten lang, und nur über die Herstellung, nicht einmal über den Vertrieb! Mit Recht hat der Bundesrat sie als übertriebenen Perfektionismus zurückgewiesen. Dann erinnere ich an eine langatmige Verordnung über die Behandlung von Enteneiern. Danach waren Enteneier zu stempeln, entweder mit einem „nicht verwisch-baren, nicht giftigen, unauskochbaren" Aufdruck: „Entenei! 10 Minuten kochen!",
({24})
oder aber, wenn es sich um Bruteier handelt: „Entenei! Vor Gebrauch mindestens 10 Minuten kochen oder in Backofenhitze durchbacken!"
({25})
Im Bundesanzeiger vom März dieses Jahres gibt es - um das dritte Beispiel zu nennen - eine Bekanntmachung des Herrn Bundesarbeitsministers - zu seiner Ehrenrettung will ich sagen: es könnte auch jeden anderen Minister treffen -, die eine Seite dieses großen Bundesanzeigers umfaßt. Sie lautet:
Bekanntmachung des Heimarbeitsausschusses für Spielwaren aller Art ({26}), Christbaumschmuck, Festartikel und verwandte Artikel über den Entwurf einer bindenden Festsetzung der Entgelte für die Herstellung von Teddybären in Heimarbeit.
({27})
Ich darf noch einmal sagen: all das erfordert natürlich Überwachungspersonal, Kontrollorgane und Polizeibeamte. Wer findet sich denn heute noch im Kindergeldgesetz zurecht? Dem ursprünglichen Gesetze wurden, kaum, daß es verabschiedet war, es war noch nicht einmal die erste Rate gezahlt, drei oder vier Ergänzungen nachgeschickt.
({28})
Nehmen wir all die Berufsordnungen, die uns vorliegen. Der Bundestag hat sich in der übernächsten Woche mit dem Antrag einer Bundestagsfraktion zur Änderung der Gewerbeordnung zu beschäftigen. In diesem Entwurf wird mit sehr viel Paragraphen eine Berufsordnung für das Bestattungsgewerbe gefordert.
({29})
Da ist eine Bestattungsprüfung vorgesehen, und
jemand, der zu dieser Bestattungsprüfung zugelassen werden soll, muß eine mindestens fünfjährige
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Tätigkeit vorweisen können, um, wie es heißt, „die erforderliche Fertigkeit" zu erwerben.
({31})
Nun, vielleicht läßt er sich lieber selber begraben; dann hat er sie gleich!
({32})
Wer kann sich noch in dem komplizierten System all unserer Steuer- und Sozialgesetze zurechtfinden? Gerade die Sozialgesetze sind ein sehr dringendes Anliegen für den einfachen Menschen draußen, der hilflos vor Bescheiden steht, in denen eine Fülle von Paragraphen zitiert werden, mit denen er doch nichts anfangen kann. Das sind doch nur Steine statt Brot.
So meine ich, auch im Bundestag ist eine Flurbereinigung erforderlich. Aber auch hier ist es wie zumeist im Leben: diejenigen, die als erste nach einer Vereinfachung der Gesetzgebung rufen, sind dann für ihren Berufszweig wieder diejenigen, die am meisten drängeln und erklären: Ja, alles andere ist nicht so wichtig, aber hier für unseren Berufs- und Wirtschaftszweig ist es vordringlich.
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Wenn man wirklich zu einer durchgreifenden Verwaltungsreform von unten bis oben kommen will, dann bedarf es auch der Bereitschaft und des Willens zu einer - vielleicht ist das zuviel gesagt, aber es ist, glaube ich, doch richtig - gewissen politischen Erneuerung. Preußen schuf vor 150 Jahren das gute Vorbild. Die Stein-Hardenbergsche Reform war ein sehr legitimes Kind der französischen Revolution und zugleich ein sehr legitimer Protest gegen den alles regelnden Polizeistaat und die Omnipotenz des Obrigkeitsstaates.
({34})
Aus diesem Protest heraus gelang es der großen Idee der Selbstverwaltung, dem vorigen. Jahrhundert den politischen Stempel aufzudrücken. Mit der Idee der Selbstverwaltung wurden überhaupt erst die Voraussetzungen für unseren heutigen Staat geschaffen; denn durch die Selbstverwaltung wurde dem einzelnen Gemeindebürger die Chance gegeben, sich zunächst an den öffentlichen Geschäften seiner Gemeinde zu beteiligen, um sich dann zu einem Staatsbürger zu entwickeln, der darüber hinaus auch die Lenkung der Geschicke des gesamten Landes mit in die Hand nehmen konnte.
Heute aber stehen wir wie wohl damals die Männer vor 150 Jahren vor der bitteren Erkenntnis, daß unsere Verwaltung allmählich wieder in einen Zustand der Perfektion gelangt, der das freiheitliche Leben des einzelnen zu ersticken droht. Nur selten spürt man, daß ein einzelner Staatsbürger oder seine Parlamente den Mut haben, sich gegen die wachsenden Fangarme der Verwaltung zu wehren. Daher sollten wir als Bundestag nicht nur bei der Anzahl der Gesetze sparsamer sein als bisher, sondern bei ihrem Inhalt mehr als bisher den persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten des Staatsbürgers Spielraum geben.
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Wir alle sehen, glaube ich, viel zuwenig die Gefahr, die für unsere gesamte freiheitliche und demokratische Staatsordnung entstehen muß, wenn wir den Staatsbürger in zunehmendem Maße in seiner Persönlichkeit durch Gesetze, Verordnungen,
Erlasse, Bekanntmachungen, und was es alles auf diesem Gebiete gibt, einengen, normieren und kontrollieren. Daher hat eine vernünftige Verwaltungsreform nicht zuletzt auch die Verpflichtung, die Freiheit des einzelnen Staatsbürgers zu schützen; vielleicht ist das sogar ihre vornehmste Aufgabe.
({36})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Wir konnten nicht den Eindruck erwecken, daß wir dem im öffentlichen Leben viel diskutierten Problem einer Verwaltungsreform aus dem Wege gehen wollten. Aber wir müssen es in die richtige Perspektive bringen. Wir müssen nicht von Einzelheiten ausgehen, sondern die Aufgabe in ihren großen Zusammenhängen sehen. Wir müssen von Wirklichkeiten ausgehen.
Die Aufgabe hat nicht nur eine finanzielle, sie hat noch viel mehr eine funktionelle Seite im Staate.
({0})
Diese funktionelle Seite ist, wie ich mit Freude sehe, auch in den Anträgen der SPD-Fraktion angesprochen worden. Wenn ich diese funktionelle Seite hervorhebe, so bedeutet das: nicht ein Zuviel an Nebeneinander von allgemeinen und Sonderbehörden, keine Auseinanderreißung der Verwaltungserfahrung, vor allem auch keine Auseinanderreißung der politischen Verantwortung. Die politische Verantwortung muß in einer einheitlichen Verwaltung zur Geltung kommen. Das sind diese funktionellen Aufgaben, die eine Verwaltungsreform ins Auge fassen muß.
Ich darf gleich darauf hinweisen, daß diese Aufgabe nicht allein in Deutschland zur Lösung steht, sondern in allen Ländern, auch in Ländern, die während des Krieges neutral geblieben sind. Ich werde noch auf diese Zusammenhänge aufmerksam machen.
Nun wurde vielfach gesagt, es hätte doch keine Bedeutung, diese Aufgaben anzugreifen; man müsse sich in einer gewissen Resignation damit abfinden, daß es im Zuge der Zeit nun einmal zu einer Ausdehnung der Verwaltung und der Verwaltungsaufgaben komme. Ein Treibenlassen aber dürfen wir uns nicht zuschulden kommen lassen. Wir haben hier die Verantwortung gegenüber dem Staatsbürger und gegenüber dem Staat, auch wegen der finanziellen Belastung.
Aber eines muß ich hervorheben, auch gegen über dem Herrn Kollegen Bergmeyer. Es ist falsch, zu sagen, daß auf diesem Gebiet nie irgend etwas geschehen sei.
({1})
Ich mache darauf aufmerksam, daß trotz der Ausdehnung der Verwaltungsaufgaben und der Verwaltungseinrichtungen infolge der ersten Inflation die Finanzausgleichsgesetzgebung des Dr. Luther zustande gekommen ist, der doch aus der Kommunalverwaltung und aus dem Deutschen Städtetag kam, daß er schon damals die Vereinfachung auf dem Gebiet der Fürsorgeverwaltung durchgeführt hat. Zwischen 1924 und 1932 sind eine Reihe von großzügigen Maßnahmen ergriffen worden, besonders in Württemberg, auch in Bayern. Ich erinnere
({2})
auch an die neue Verwaltungsordnung, die damals in Thüringen eingeführt worden ist.
Dann kam die große Wirtschaftskrise zwischen 1929 und 1932, die die Fortführung derartiger Maßnahmen unmöglich gemacht hat, weil die sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben gedrängt haben und weil damals mit der Devisenbewirtschaftung usw. wieder neue Einrichtungen geschaffen worden sind. Darnach kam das Dritte Reich mit der übermäßigen Einrichtung von neuen Verwaltungszweigen und vor allem von Verwaltungen - ich erinnere nur an den Reichsnährstand -, die teils staatlich, teils berufsständisch waren. Die Leichtigkeit, mit der damals - auch mit der Finanzierung durch Papiergeld ({3})
diese Verwaltungen aufgebläht worden sind, wirkt natürlich heute auch noch nach.
Weiter kam die Kriegsverwaltung. Es bleibt natürlich etwas davon hängen, wenn ein Volk zwei Kriegsverwaltungen und zwei Inflationen mit ihren Auswirkungen auf die Verwaltung mitgemacht, sich durch den Art. 48 an die Leichtigkeit des Erlasses von Verordnungen gewöhnt und im Dritten Reich die Gesetzgebung durch die Ministerialreferenten kennengelernt hat. Das führt dazu, daß man bei jeder Gelegenheit von uns ein Bundesgesetz oder eine Novelle verlangt. Das wissen Sie ja alle aus den Petitionen und Eingaben, auch daß man glaubt, für jede Aufgabe eine neue Organisation schaffen zu müssen.
({4})
Ich habe die Gründe genannt, aus denen sich allmählich der Glaube verbreitet hat, daß das Organisatorische allein oder der Erlaß eines Gesetzes allein schon die Verhältnisse ändern könne. Es handelt sich, wie Herr Kollege Menzel richtig gesagt hat, nicht nur um eine Aufgabe des Bundes, sondern auch um eine Aufgabe in den Ländern. Da muß ich auf eines hinweisen: Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, als ob wir in das Organisationsrecht der Länder eingreifen wollen.
({5})
Herr Bergmeyer, das ist aus Ihren Ausführungen nicht hervorgegangen, sondern daraus konnte man das Gegenteil entnehmen. Wir haben aber im Grundgesetz bei den Vorschriften über die Ausführung der Gesetze die Verbindung mit der Länderverwaltung. Auch darauf hat der Kollege Menzel hingewiesen. Wir haben die Auftragsverwaltung; wir haben in erster Linie die Durchführung der Gesetze durch die Länderverwaltung, und wir haben die Möglichkeit der Errichtung eigener Bundesbehörden.
Das ist der Zusammenhang, auf Grund dessen auch die Länderverwaltungen in den Bereich dieser Prüfungen einbezogen werden können. Außerdem habe ich gar keinen Zweifel, daß die Erfahrungen der Länder aus früherer und aus der neuesten Zeit in der Gesetzgebung und in der Ausführung der Gesetze sehr wohl in den Rahmen dieser Aufgabe passen. Die Länder werden sich dieser Aufgabe nicht verschließen, werden auch ihrerseits ihre Erfahrungen in der Verwaltungsvereinfachung und ihre konkreten Planungen - ich erinnere nur an die Kollmann-Denkschrift in Bayern - zur Verfügung stellen. Dadurch wird in keiner Weise das Organisationsrecht der Länder in Zweifel gezogen.
Die Mängel, die eingetreten sind, sind für jeden völlig klar, der seit dem ersten Weltkrieg in der Verwaltung gestanden hat und alle diese Bewegungen und Katastrophen miterlebt hat, die das Schicksal und eigene Fehler uns gebracht haben. Aber wir müssen uns hüten, für jede Aufgabe sofort eine neue Organisation schaffen zu wollen. Anträge, die wir in nächster Zeit behandeln müssen, werden für diese Tendenz erneut einen Beweis bringen. Diese Feststellung gilt für alle Unterzeichner, die, wie es scheint, verschiedenen Fraktionen angehören. Bevor man noch eine Aufgabe klar in den Einzelheiten sieht, verlangt man schon die Schaffung einer neuen Bundesanstalt.
({6})
Wie viele Anträge auf Errichtung neuer Ministerien und auf Errichtung von Staatssekretärsstellen sind in diesen letzten Jahren gestellt worden! Man hat völlig übersehen, daß der Staatssekretär der zusammenfassende und leitende Beamte in einem Ministerium ist, und hat ihn als einen gehobenen Interessenvertreter betrachten wollen.
({7})
Die Sonderverwaltungen dürfen sich nicht weiter entwickeln, denn sie zerreißen, wie ich gesagt habe, die Einheit der Verwaltung, die Einheit der Verwaltungserfahrung, die für jede Regierung außerordentlich wichtig ist, und die Einheit der politischen Verantwortung. Alles dies, was ich als funktionelle Bedeutung bezeichnet habe, ist mindestens ebenso wichtig wie, wenn nicht wichtiger als die finanzielle Seite selbst.
Endlich muß ich noch darauf hinweisen, daß die Vertreter von Wirtschaftsinteressen ebenso wie die Fachverbände der Beamten mitverantwortlich sind, daß immer neue Sonderverwaltungen, besonders in den Ländern, geschaffen werden. Wenn diese Angelegenheiten ausdiskutiert werden, wird sich das ganz klar ergeben. Ich will, um die Zeit nicht zu sehr in Anspruch zu nehmen, auf Einzelheiten gar nicht eingehen.
Von der Gesetzgebung hat vorhin schon der Herr Kollege Menzel gesprochen. Ich habe vorhin gesagt: man verlangt von uns ständig neue Bundesgesetze, man verlangt ständig weitere Novellen. Soweit es sich um Fragen der Versorgung der hilfsbedürftigen Bevölkerung handelt, ist das durchaus verständlich. Aber sie werden auch sonst verlangt. Man hat den Eindruck, wir stehen in einem fließenden Gesetzgebungsverfahren. Es kommt weiter hinzu, daß wir - ich habe das schon früher einmal gesagt - jetzt weniger Rechtssätze in die Gesetze setzen als Tatbestände und Zustände regeln, daß wir dadurch die Auslegung und Anwendung der Gesetze und die Findung der Urteile durch die Gerichte sehr erschweren und sie zu einer engen Auslegung der Gesetze zwingen. Es ist notwendig, bei künftigen Gesetzen auch nach dieser Richtung hin vorsichtig vorzugehen. Weiterhin spielt eine Rolle, daß wir durch eine Sondergesetzgebung, die zum Teil durch unsere Schwierigkeiten begründet ist, den Rechtszusammenhang immer mehr zerreißen und unübersichtlich machen und auch dadurch die Anwendung der Gesetze in der Verwaltung sehr erschweren.
Ich darf Sie auf noch einen Gesichtspunkt aufmerksam machen, der sehr entscheidend ist. Früher
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galt der Grundsatz, daß die Ministerien regieren und die Behörden verwalten sollen. Dieser Grundsatz wurde im Laufe der Zeit immer mehr umgekehrt, u. a. auch deshalb, weil die Bevölkerung auch uns in Anspruch nimmt, Fragen, die irgendwie zu entscheiden sind, sofort an die Ministerien zu bringen und diese zu Einzelentscheidungen zu zwingen. Auch das muß wieder geändert werden. Es ist auf die Verwaltungsreform vor 150 Jahren hingewiesen worden. Damals war sowohl in Preußen wie in Bayern der Grundsatz aufgestellt worden: Der Minister hat nicht in die Regierungen einzugreifen, solange es nicht im Wege der Dienstaufsicht oder wegen einer allgemeinen Staatsnotwendigkeit erforderlich ist. Die Regierungen und ebenso die Unterbehörden müssen in eigener Verantwortung verwalten. Hier muß man den Staat, der von oben nach unten aufgebaut ist, sich von unten nach oben entwickeln lassen.
Das sind die großen leitenden Gedanken. Sie werden nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Ländern und, wie ich gesagt habe, auch in während des Krieges neutral gebliebenen Ländern eingehend besprochen.
In der Wirtschaft besteht eine völlig falsche Vorstellung von der Vereinfachung der Verwaltung. Man verwechselt die Verwaltung mit einem Wirtschaftsbetrieb oder mit einem Konzern, und ich kann mich noch gut erinnern, daß Ende der zwanziger Jahre eine große Tageszeitung in Zusammenhang mit diesen Fragen von dem „Konzern Deutschland" geschrieben hat. Meine Damen und Herren, falscher kann man die Verhältnisse nicht beurteilen. Es ist ein Unterschied zwischen der Produktion von Gütern und dem Vertrieb von Gütern und der Besorgung von Aufgaben für die Bevölkerung. Hier handelt es sich um Menschen, um Staatsbürger, um Einwohner, um Hilfsbedürftige. Diese Aufgaben können nicht in dem gleichen Zusammenhang gesehen werden wie dem bei der Rationalisierung eines großen Betriebes.
Zweitens muß man zwischen der Vereinfachung und zweckmäßigen Gestaltung der Verwaltung und der bürotechnischen Verbesserung der Verwaltung unterscheiden.
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Das ist wieder eine Sache für sich, die mit einem Fabrikbetrieb im Zusammenhang mit den Beamten gelöst werden muß. Aber diese Verhältnisse werden immer wieder verwechselt.
Nun muß auch ich bestätigen, was schon gesagt worden ist - auch von dem Herrn Kollegen Menzel -: die großen Verbände machen dieselben Fehler, die uns vorgeworfen werden, und sie betreiben auch die Gesetzgebung, die Novellierung von Gesetzen. Sie gehen wegen jeder Kleinigkeit an die Spitze der Verwaltung. Ich habe es in den zwanziger Jahren erlebt, daß man Aufgaben, die man mit einem Telefongespräch hätte klären und lösen können, zu einer Angelegenheit der Ministerien gemacht hat, so daß sie dann auf dem Dienstwege herunter bis zur letzten Verwaltungsstelle gekommen sind. Da aber mußte man sagen, daß die ganze Sache in einem Gespräch hätte erledigt werden können. Auch das ist eine Übertreibung, die uns durch die Verbände aufgezwungen wird. Von den Zeitschriften, von den Drucksachen, die uns gegeben werden, will ich gar nicht reden. Hier muß also in der Öffentlichkeit Klarheit über die Aufgabe geschaffen werden, und das ist ein Zweck dieses Antrags. In der Zusammenarbeit mit den Ländern und den Kommunen müssen die Wege gefunden werden.
Die Sache hat aber eine noch viel größere Bedeutung, nämlich im Hinblick auf die Staatsauffassung. Je mehr die Gesetze mechanisch angewendet werden, je mehr Übertreibungen in der Gesetzgebung vorkommen, je mehr neue Behörden für jede Aufgabe geschaffen werden, desto mehr wird der Staatsbürger zum Objekt der Gesetzgebung und der Verwaltung. Das ist das Gegenteil dessen, was wir wollen und was unser Grundgesetz und die Verfassungen in den Ländern wollen, nämlich den demokratischen Staat von unten aufbauen. In diesem Zusammenhang aber muß auch diese Aufgabe gesehen werden.
Nun ist bezweifelt worden, ob man die Denkschriften noch einmal behandeln soll, die in früheren Jahren zu dieser Frage geschrieben worden sind. Meine Damen und Herren, es sind nicht viele, aber es sind wichtige Denkschriften, und sie enthalten eine Fülle von Feststellungen, eine Fülle von Erkenntnissen und Vorschlägen, die durch die Verhältnisse nicht überholt sind. Damit wird der Beweis geführt, daß diese Aufgabe nicht, wie der Herr Kollege Bergmeyer gemeint hat, erst jetzt, im Jahre 1955 oder 1956, angegriffen werden muß, sondern daß sie längst erkannt und bearbeitet worden ist, daß aber die Verhältnisse - ich erinnere nur an die große Wirtschaftskrise, ich erinnere an den zweiten Weltkrieg, ich erinnere an die Katastrophe von 1945 und an die Zerstörung des Staatsgefüges - verhindert haben, daß sie schon früher gelöst wurde.
Ich will auf Einzelheiten auch in dem Antrag der SPD nicht eingehen, obwohl es sehr verlockend wäre, noch einiges dazu zu sagen. Aber ich glaube, die Aufgabe muß entweder im großen und in den Zusammenhängen gesehen werden, oder der Antrag soll überhaupt verschwinden. Wenn man nur Kleinigkeiten bereinigen will, ist es eine Enttäuschung und eine Verschwendung der Arbeit. Aber wenn die Aufgabe im großen gesehen wird, dann wird sie Bedeutung haben erstens einmal für die Staatsidee und zweitens auch für die Verfassung, die geschaffen werden muß, wenn die Wiedervereinigung Deutschlands erreicht wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei meiner Stellungnahme zu dem Antrag der CDU befinde ich mich in einiger Verlegenheit, weil die Darlegungen der Kollegen Dr. Bergmeyer und Dr. Vogel klar gezeigt haben, daß in dieser Fraktion zwei völlig entgegengesetzte Auffassungen bestehen, so daß man nicht mehr den Eindruck haben kann, es mit der Auffassung einer Fraktion zu tun zu haben. Ich werde mich aus der Affäre ziehen, indem ich die gut fundierte Begründung, die Herr Dr. Vogel dem Antrag gegeben hat, zum Gegenstand meiner Auslegungen mache.
Meine Damen und Herren, im Urteilsbild der Öffentlichkeit sind die Verwaltungen seit jeher Organismen, die Fettpolster ansetzen, und nach der gleichen Meinung gibt es kein auf die Dauer wirksames Rezept, diese Fettpolster abzubauen. Deshalb verbindet die Öffentlichkeit das dringende
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Erfordernis der Einsparungen und Verwaltungsreformen immer mit einer tiefen Skepsis, ja, ich möchte sagen, mit einem vorsorglichen Fatalismus. Damit, daß jetzt der Bundestag diesen Fragenkomplex aufgreift, um ihn zu lösen, geht er das Risiko ein, von der Öffentlichkeit über die Grenzen seiner Wirksamkeit aufgeklärt zu werden. Wenn wir uns in diese Gefahr nicht begeben wollen, dann müssen wir diesen ganzen Fragenstoff aus dem Bereich von Deklamationen herausheben und uns nur mit seinem wirklichen Gehalt, mit den realisierbaren Möglichkeiten beschäftigen. Dann dürfen wir auch nicht unbesehen der Auffassung der Öffentlichkeit folgen, die mit ihrer generalisierenden. Meinung doch große Fehlurteile fällt.
Ich habe sehr den Eindruck, daß der Kollege D r. B er g m e y er im Schatten solcher Auffassungen der Öffentlichkeit gestanden hat. Er sagte z. B.: schuld ist die Bürokratie. Ich verstehe zunächst einmal nicht, weshalb Herr Dr. Bergmeyer dieses Urteil fällt. Es wurde ihm ja hier der Zuruf gemacht: „Na, Sie haben doch dem Haushalt zugestimmt!" Und tatsächlich gab doch die Haushaltsberatung und Abstimmung die Gelegenheit, Einspruch gegen eine zu große und zu stark aufgeblähte Bürokratie zu erheben. Herr Dr. Bergmeyer ist allerdings die Antwort auf diesen Zwischenruf schuldig geblieben.
Nun, meine Damen und Herren, diese Auffassung stimmt aber auch in ihrem Gehalt nicht. Es ist einfach nicht so, daß die Bürokratie von sich aus sich jeder Rationalisierung entgegenstemmt. Im Gegenteil, es findet tatsächlich eine fortlaufende Vereinfachung statt.
Mir ist gerade in dieser Woche ein Heft in die Hände gefallen, das mit Unterstützung des Ministeriums für das Post- und Fernmeldewesen herausgegeben wird und in dem sich ungefähr die Hälfte der Artikel mit den Vereinfachungen befaßt, die in der letzten Zeit getroffen worden sind. Da hat besonders ein Absatz meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, in dem darauf hingewiesen wurde, daß unter diesen Vereinfachungsmaßnahmen auch die Maßnahme getroffen worden ist, daß beim Abhaken der Rechnungsbeträge nicht mehr blaue Tinte, sondern künftighin schwarze Tinte verwendet werden kann. Nun, meine Damen und Herren, ich mußte über diese Einsparungsmaßnahme schmunzeln, bin aber doch nachdenklich geworden. Sehen sie, hier zeigt sich an einem Beispiel, wie die mittleren und unteren Verwaltungsstellen bemüht sind, die Rationalisierung wirklich in jeden Winkel zu tragen. Daß sie die Rationalisierung nicht in den großen Formen unserer Verwaltungen zum Durchbruch bringen können, liegt einfach an ihrer Zuständigkeit. Aber man kann dann auch nicht sagen, daß die Bürokratie an sich daran schuld sei.
Das stimmt übrigens auch schon aus folgendem Grunde nicht. Herr Kollege Dr. Bergmeyer, Sie werden diesen Antrag ja nicht unvorbereitet gestellt haben. Trotzdem muß ich sagen, daß Ihre Ermittlungen nicht abgerundet sind. Ihnen muß ja bekannt sein, daß der Verkehr bei der Bundesbahn und bei der Bundespost jährlich erheblich zunimmt - bei der Post sind es jährlich rund 10 % - und daß der Arbeitsanfall ohne Vermehrung des Personals bewältigt wird. Das bedeutet also, daß hier ständig Rationalisierungen vorgenommen werden. Das ist ein Beispiel, das für andere spricht.
Wir in der FDP sind trotzdem immer diejenigen gewesen, die eine Verwaltungsvereinfachung gefordert haben. Wir haben es aber nie bei Forderungen belassen, sondern haben Vorschläge gemacht. Erlauben Sie mir, daß ich auf einige dieser Vorschläge zurückkomme.
Für den Ausgangspunkt der Ermittlung der Ursachen, die die Verwaltungserweiterungen herbeigeführt haben, bitte ich Sie, sich doch einmal folgendes klarzumachen. Es hat sich gegenüber früher tatsächlich bei den Behörden in der Publikumsabwicklung doch etwas geändert. Früher wußte der Gesuchsteller, daß er einer Stelle gegenübertrat, die letztgültige Entscheidungsbefugnis hatte. Dieses Bild besteht schon seit langem nicht mehr. Heute hat der Bürger das sichere Gefühl, daß er sich nicht einer Stelle mit letztgültiger Entscheidungsbefugnis gegenüber befindet, sondern gewissermaßen einer Vorsortierung unterliegt, und es ist immer sein Bemühen, zu demjenigen vorzudringen, der die Entscheidung endgültig zu seinen Gunsten treffen kann, also Hürden zu überspringen.
Hier muß natürlich eine Änderung einsetzen. Herr Dr. Kleindinst hat darauf verwiesen und mit Recht gesagt: Man muß die Kompetenzen, man muß die Verantwortung nach unten verlegen. Das ist eine Forderung, deren Erfüllung bestimmt eine weitere Einsparungsmöglichkeit mit sich bringen wird. Ich entsinne mich noch sehr gut der Zeiten, als diese untersten Stellen wegen ihrer Sachkenntnis und ihrer letztgültigen Entscheidungsbefugnis nicht nur den Respekt des Publikums, sondern auch den Respekt der vorgeordneten Beamten genossen, weil diese Beamten oftmals vor der Erfahrung und dem Sachwissen dieser Leute kapitulieren mußten und sich, wie es richtig ist, auf die Geltendmachung übergeordneter Gesichtspunkte zurückgezogen haben.
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Wir müssen also dazu kommen, daß die Entscheidungsbefugnis, die heute weitgehend gefächert ist, wieder zusammengezogen, und zwar nach unten verlegt wird. Diese Forderung ist für einen Bereich seitens der FDP von dieser Stelle aus bereits zweimal erhoben worden, und zwar bei der Beratung des Haushalts des Ministers für das Post- und Fernmeldewesen.
Ich möchte hier ganz kurz auf die Lage bei den Betriebsverwaltungen eingehen. Es handelt sich dabei immer um Personalkörper, die außerordentlich groß sind. Ich habe selber damals darauf hinweisen dürfen, daß die bisherige Gliederung - Ministerien, Direktionen, Verkehrsämter - nicht mehr wirksam ist, daß sich aus den Ansprüchen, die die Technik unserer Zeit an uns stellt, neue Organe - in Form der technischen Zentralämter - dazwischengestellt haben. Bei der Eisenbahn hat sich noch ein Organ dazwischengestellt, das sich die Oberbetriebsleitung nennt. Daraus ergeben sich zwangsläufig Überschneidungen. Auf der Seite der Direktionen werden gewissermaßen Mitlaufwerke in Betrieb gesetzt, die nur eine Erschwerung des Verwaltungsablaufs mit sich bringen. Hier wäre bestimmt etwas zu machen.
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- Ich komme schon dazu Herr Kollege; das gehört aber letztlich dazu!
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Wir kommen sonst nicht zu einer Einsparung, wenn Sie nicht auf die Gliederung eingehen. Ich bin damit auch fertig.
Meine Damen und Herren, wir müssen dazu kommen, daß die übergeordneten Stellen von Einzelentscheidungen befreit werden, daß sie, wie es früher einmal der Fall war, nur Richtlinien herauszugeben und sich mit der Kontrolle des Verwaltungsablaufs zu befassen haben.
Ich glaube, Ihnen auch noch folgendes Beispiel der Möglichkeit einer Verwaltungsvereinfachung darlegen zu sollen. Sie alle haben wahrscheinlich Zuschriften darüber bekommen, daß das Zollausschlußgebiet Jestetten die Forderung stellt, wieder zum Ausschlußgebiet zurückgeführt zu werden. Hier haben wir bekanntlich zur Zeit eine Grenze von 40 km zolltechnisch abzuschließen, während diese Arbeit früher auf 4 km zusammengerückt worden ist, was eine erhebliche Ersparnis mit sich gebracht hat. Wie hier, ist auch in zahlreichen anderen Fällen eine Ersparnismöglichkeit gegeben.
Aber lassen Sie mich noch auf eine Frage eingehen, die mir von grundsätzlicher Bedeutung zu sein scheint. Wenn wir an die Verwaltungsvereinfachung herangehen, dürfen wir auch nicht eine Vereinfachung im materiellen Aufwand außer acht lassen - ich meine damit den technischen Aufwand -, sonst kommen wir nicht zu echten Ersparnismaßnahmen. Heutzutage drängt nämlich schon der technische Aufwand tief in unsere Verwaltungen ein. Zur Zeit ist ja eine Möglichkeit, den Aufwand der Verwaltung zu prüfen, nur durch den Bundesrechnungshof gegeben, der sich aber darauf beschränkt, die sparsame Verwaltung der Mittel - Angebotsverfahren, Kostenanschläge und die Preisprüfung usw. - zu kontrollieren. Nach meiner Auffassung fehlt eine Prüfung des technischen Aufwandes völlig. Wenn man dieser Forderung gerecht werden will, muß der Bundesrechnungshof in seiner personellen Zusammensetzung allerdings durch einen Stamm von kundigen Technikern und Ingenieuren ergänzt werden. Wenn dieser Techniker- und Ingenieurstamm schon vorhanden gewesen wäre, dann hätte es nicht vorkommen können, daß, wie hier schon erwähnt worden ist, bei den großen Betriebsverwaltungen Hunderte von Personenkraftwagen zur Pflege und zur Reparatur über weite Strecken in die betriebseigenen Kraftfahrzeugwerkstätten gefahren werden müssen, obwohl sich unweit des Dauerstandorts dieser Fahrzeuge eine Werkstätte der betreffenden Kraftfahrzeugtype befindet, und dann wäre es auch nicht vorgekommen, daß man in diesen Werkstätten auch noch Fahrräder und Schreibmaschinen als Füllsel für die Arbeit dazugenommen hätte.
Man soll sich auch einmal klarmachen - und auch das wäre die Aufgabe eines Rechnungshofes -, welch ungeheure Aufwendungen die Ersatzteillager verschlingen. Meine Damen und Herren, es liegen hier Millionenwerte in Form von Ersatzteilen. Hinzu kommen die sehr hohen Aufwendungen für Grundstücke, für Personal, für die Verwaltung dieser Lager. Durch ein Normblattsystem oder ein Sammelkartensystem könnte man sehr gut dieses Zwischenglied ausschalten. Man würde dadurch enorme Beträge einsparen. Hinzu kommt, daß diese Zeugämter oder Ersatzteillager Funktionen übernehmen, die im Regelfall die Verteilerorganisationen der Wirtschaft ausüben. Die Verwaltungen erhalten aber keinen Rabatt für die Übernahme dieser Funktionen. Schließlich ist es eine Erfahrungstatsache, daß solche zentralisierten Ersatzteillager keineswegs die Aufgabe der Zusammenfassung erfüllen, sondern die einzelnen Dienststellen sich doch Filiallager halten. Dadurch wird der gute Zweck völlig verwässert.
Meine Damen und Herren, die Funktion des Rechnungshofes hat zweifellos sehr viel Nutzen im Sinne der hier verfochtenen Forderungen gebracht. Wir meinen aber, die Institution des Rechnungshofes, und zwar der Präsident des Rechnungshofes in seiner Eigenschaft als Beauftragter für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung, sollte doch noch mehr in Anspruch genommen werden. Man sollte weit mehr Gutachten einfordern, sollte diese Gutachten aber auch dem Bundestag vorlegen, und der Bundestag sollte - das scheint uns das Wesentliche zu sein - den Haushaltsausschuß mit der Verwertung dieser Prüfberichte beauftragen, damit sie nicht im leeren Raum stehen bleiben, ohne Folgerungen bleiben, sondern der Bundestag auch die Wirksamkeit der Prüfungen und der, wie zu hoffen ist, daran geknüpften Maßnahmen verfolgen kann.
Ich sagte schon zu Beginn: wir haben hier mehrfach Vorschläge für Verwaltungseinsparungen gemacht. Wir hatten manchmal den Eindruck, daß sich zwischen diesem Rednerpult und der Regierungsbank ein „toter Winkel" einschaltete. Um so mehr sind wir bereit, diesen toten Winkel überbrücken zu helfen und mitzuhelfen, eine wirklich sparsame Verwaltung zu schaffen. Wir werden uns dabei aber - das ist unser Grundprinzip - nicht auf Forderungen beschränken, die, wenn sie ohne Begründung sind, keinen Effekt auslösen können, sondern wir werden immer konkrete Vorschläge machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Engell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Befürchten Sie nicht, daß ich Sie mit längeren Ausführungen behelligen werde. Ich möchte auf den Antrag zurückkommen und einige Sätze zu ihm sagen. Wenn man sich einmal, wie ich es getan habe, mit den Äußerungen der Presse zu der Zeit beschäftigt, als diese Gedanken erstmalig von dem Kollegen Bergmeyer vorgetragen wurden, und sich überlegt, was daraus geworden ist, dann ist doch dazu zu sagen: man sollte solche Dinge nicht in dieser Form vorbringen. Wir sollten ein so wichtiges Problem wie die Verwaltungsreform vielleicht interfraktionell untereinander besprechen und hier dann gemeinsam Anträge stellen. Die Bevölkerung draußen unterscheidet teilweise gar nicht so, welche Partei einen Antrag eingebracht hat, sondern sie sagt: Ihr in Bonn habt einen Antrag eingebracht, ihr habt großen Wirbel gemacht. Und was ist daraus geworden? Gar nichts, es bleibt alles beim alten.
Ich glaube, man sollte in Zukunft bei solchen Problemen, die gar keinen Anlaß geben, parteipolitische Meinungsverschiedenheiten auszutragen, zur Förderung unserer Arbeit und auch des Ansehens des ganzen Hauses Anträge nicht in dieser Form einbringen. Ich glaube, auch die heutige Debatte hat erwiesen, daß das nicht zweckmäßig gewesen ist, auch nicht für die Fraktion, der der Antragsteller angehört.
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Noch ein Weiteres. Wir sollten nicht glauben, mit der Bildung des Ausschusses alles getan zu haben, was getan werden kann. Man wird uns auch hier wieder sagen: man schiebt das ab, das wird nun vertagt und vielleicht erst in einigen Jahren behandelt werden. Einige Dinge sind durchaus für Entscheidungen reif. Da, wo entschieden werden kann, sollten wir es tun. Anläßlich der Beratung des Haushalts werden wir Gelegenheit nehmen, derartige Anträge zu stellen.
Insbesondere sind wir aber der Meinung, daß die Frage einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung durchaus spruchreif ist. Diese Angelegenheiten können vorgezogen werden und brauchen nicht in einem Ausschuß zu schlummern, in dem sehr viel weitergehende Probleme behandelt werden sollen. Nach dieser Richtung wird sich meine Fraktion also einschalten und versuchen, das, was durchführbar ist und was spruchreif geworden ist, dem Hause vorzutragen und das Haus zu einer Entscheidung aufzufordern.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal klang es wie Resignation, als ob Verwaltungsvereinfachung nicht möglich wäre. Ich will Ihnen an einem ganz kurzen Beispiel zeigen, wie Verwaltungsvereinfachung möglich war. Wir haben sie hier im 1. Bundestag erlebt in Verfolg der Erhardschen Wirtschaftspolitik. - Nun klatschen Sie doch auch mal da drüben!
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Meine Damen und Herren, allein auf der Kreisstufe, die ich aus meiner Vergangenheit am besten kenne, folgende Feststellung: verschwunden ist das Ernährungsamt, verschwunden ist das Wirtschaftsamt: das Straßenverkehrsamt, einstmals eine Quelle großen Übels, ist praktisch wieder die alte Zulassungsstelle geworden; die Preisbehörde ist verschwunden und wird von einem Justitiar so am linken Finger noch erledigt. Meine Damen und Herren, das war Verwaltungsvereinfachung!
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Sie ist noch dazu von einem Minister ausgegangen, der es eigentlich gar nicht so gern mit der Verwaltung zu tun hatte.
Wo aber waren diese Verwaltungsanbauten geschaffen worden? In der Kriegswirtschaftsverordnung vom September 1939!
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Ich möchte einmal kurz dartun, daß die Kriege, die Rüstungen und die Kriegsliquidationen am meisten zur Komplikation der Verwaltung und zur Vermehrung der Staatsaufgaben beigetragen haben.
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Der Art. 120 unseres Grundgesetzes legt in kurzen dürren Worten dar, wie diese Verwaltungsaufgaben und -ausgaben des Staates durch die Notwendigkeit einer Vorsorgepolitik entstanden sind, als Folge der Kriege. Die Kriege haben zweimal mit der Inflation geendigt und machten es notwendig, für die Opfer dieser Inflation vorzusorgen.
Meine Damen und Herren, ich will nicht von Ersatzteillagern und auch nicht von roter und schwarzer Tinte sprechen,
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sondern ich möchte diesen Dingen einen gewissen Schwung geben auch ins Hochpolitische hinein. Wenn wir auf diesem Erdteil und auf der Welt überhaupt viele, viele Jahrzehnte Frieden behalten, dann werden sich eine ganze Reihe von Dingen aus sich selber liquidieren. Dann wird es eines Tages keine Kriegsbeschädigten mehr geben, auch keine Kriegshinterbliebenen und -waisen mehr geben; sie werden ausgestorben sein. Es wird eines Tages auch keine sonstigen Geschädigten mehr geben. Alles unter der Voraussetzung, daß wir Frieden behalten! Meine Damen und Herren, hier ist es nicht eine Frage der Verwaltungstechniker, sondern eine Frage der großen Politik,
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die Staatsverwaltung wieder zu vereinfachen durch Friedenspolitik!
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man .über einem Antrag liest „Vereinfachung der Verwaltung", dann sagt man sich, daß sich das sehr leicht schreibt und sagt, daß es aber ein ungeheures Problem aufzeigt, mit dem man, wie wir im Lauf der Debatte gehört haben, nicht erst seit einigen Monaten, sondern seit Jahrzehnten fertig zu werden versucht. Mir ist während dieser Debatte heute vormittag mehrfach der Gedanke durch den Kopf gegangen, daß wir zwar in einer freien parlamentarischen Demokratie leben, daß wir aber im Grunde alle miteinander hier eine Art Aufstand gegen die Diktatur des modernen sozialen Verwaltungsstaates unternehmen. Herr Kollege Dresbach hat gerade sehr eindrucksvoll gesagt, daß den Umfang der Verwaltung, den wir heute beklagen, nicht zuletzt verlorene Kriege, die Vertreibung einer Millionenzahl von Menschen und die damit gegebenen Probleme der Versorgung und des Lastenausgleichs hervorgerufen haben.
Aber, meine Damen und Herren, ich will auf etwas Praktisches hinweisen, nämlich darauf, daß schon vor Jahren die Bundesregierung einen Beschluß über die Einsetzung eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung gefaßt hat. Dies ist ein Beschluß vom 8. Januar 1952, und er steht im „Bundesanzeiger" Nr. 128 vom 5. Juli 1952, gleichzeitig mit ausführlichen Richtlinien über die Aufgaben und die Tätigkeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in. der Verwaltung. Ich darf vielleicht die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf einen Passus in diesen Richtlinien lenken, in dem es u. a. heißt:
Der Bundesbeauftragte wird auf Ersuchen des Bundestags, des Bundesrats, der Bundesregierung und des Bundesministers der Finanzen gutachtlich tätig werden. Die Gutachten sind der ersuchenden Stelle unmittelbar zuzuleiten. Der Bundesbeauftragte soll jedoch auch von sich aus in sein Aufgabengebiet fallende Fragen aufgreifen und den zuständigen Bundesministern gutachtliche Äußerungen und Vorschläge machen. Bei der Erstattung seiner Gutachten ist er von Weisungen irgendwelcher Art unabhängig.
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Mit dem Auftrag, der hier skizziert ist, ist der Präsident des Bundesrechnungshofs betraut worden. Er hat sich zur Erfüllung dieser Aufgaben der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofs zu bedienen.
Das ist etwas, was schon Jahre alt ist, was in einem gewissen Umfang praktiziert worden ist, was aber doch wohl zeigt, daß das Problem, das hier behandelt werden soll, nicht etwa mit grenzenlosem Optimismus betrachtet werden darf. Man soll nicht glauben, daß ein neuer Ausschuß in der Lage wäre, all das zu tun, woran in den verschiedenen Sektoren schon seit langem gearbeitet worden ist.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir dann ein ganz offenes Wort, das nicht nur die Organisation der Arbeit der Bundesregierung, sondern auch die Organisation der Arbeit des Bundestages angeht. Vorhin sind Zahlen über die Vergrößerung des Verwaltungsapparats im Laufe der Jahrzehnte genannt worden, und darauf ist mit Zahlen über die Vergrößerung des Apparats auch der Wirtschaftsverbände erwidert worden. Ich könnte hinzusetzen: wenn Sie diese Zahlen einmal in Relation setzen zur Vergrößerung des Sozialprodukts in den betreffenden Jahren, werden Sie finden, daß sich diese Zahlen vielleicht milder betrachten lassen, als das gelegentlich geschieht, wenn man sie unverbunden nebeneinanderstellt.
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Aber dieses Hohe Haus, der Bundestag, benötigt zur Bewältigung seiner Aufgaben - ich sage das ohne ein Wort der Kritik, wie sich versteht - heute auch das Vielfache von Ausschüssen wie etwa voraufgegangene Parlamente. Denken Sie nur an die Reichstagszeit! Wir haben es hier auf eine Zahl von etwa 40 Ausschüssen gebracht, und viele Aufgaben werden gleichzeitig nebeneinander in soundso viel Ausschüssen behandelt. Und nun sage ich das nicht aus der Perspektive des Abgeordneten, sondern aus der Perspektive des Ressortchefs: Daß das natürlich auch eine Beanspruchung der Beamten in einem ungleich gestiegenen Maße bedeutet, das müssen alle diejenigen, die über dieses Problem sprechen, sich, glaube ich, plastisch vor Augen halten, um zu einer gerechten Betrachtung kommen zu können.
Diese Debatte hat bis auf einige kleine Spritzer, möchte ich sagen, gezeigt, daß sich die Aufgabe, die wir hier behandeln, im Grunde nicht für den Parteienstreit eignet. Sie gibt für den Parteienstreit im Grunde wenig her, was man leicht daraus ersehen kann, daß jeweils die Mehrheitsgruppen den anderen oder die Minderheitsgruppen den Mehrheitsgruppen vorgeworfen haben, daß sie ihre großen Pläne zur Vereinfachung der Verwaltung nicht durchgeführt haben. Die Rede des Herrn Kollegen Dr. Menzel ist ja eine Fundgrube für Beispiele dieser Art. Ich möchte, wenn ich mich in diesem Zusammenhang an den Kollegen Menzel wenden darf, hinzufügen: Er hat die Schaffung von Landschaftsverbänden in Nordrhein-Westfalen hart getadelt. Aber er war in der Provinzialregierung von Westfalen noch in einer Zeit tätig, in der sich Westfalen im Gegensatz zu dem Nordrheingebiet den, wie ich glaube, Luxus eines Provinzialverbandes gestattet hat.
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- Ich sage das nur, um darauf hinzuweisen, daß das Hin und Her parteipolitisch nicht sonderlich
ergiebig sein würde, und deswegen möchte ich mich daran nicht beteiligen.
Dann sind drei Stichworte genannt worden, die das Haus sehr animiert haben: Speiseeis, Enteneier und Spielwarenvorschriften. Meine Damen und Herren, man mag darüber streiten, ob es auf dem Gesundheitsgebiet gerade Verordnungen der Bundesregierung sein müssen. Aber Speiseeis ist in der Tat unter dem Gesichtspunkt öffentlicher Gesundheitspflege ein Thema, - ({3})
- Was Herr Sträter dazu gesagt hat, wird sicher sehr witzig und anregend gewesen sein. Ich möchte aber sagen, es ist ein bißchen sehr billig gewesen, Herr Kollege Schmitt, sich über Verordnungen lustig zu machen, die aus der Arbeit von mit diesen Themen sehr vertrauten Gesundheitsreferenten entstanden sind. Es hat sich - es ist vielleicht ganz gut, wenn ich das bei dieser Gelegenheit einmal sage - ergeben, daß sich zwar alle für die Gesundheit Verantwortlichen im Bund und in den Ländern darüber einig waren, daß man aber dann, als man sah, daß dieses ganze Thema vielleicht auch unter einem anderen Gesichtspunkt betrachtet werden konnte, allerdings wohlgemerkt nicht unter dem der Gesundheitspflege, diese Sache einfach beiseite gelegt hat. Ob man damit der öffentlichen Gesundheitspflege gedient hat, das steht auf einem ganz anderen Blatt.
Wozu führt das aber praktisch? Das führt praktisch dazu, daß man auf frühere Vorschriften zurückgreift. Wenn Sie die publizieren, kommen Sie leicht auf 15 Seiten, und wenn Sie alle früheren Vorschriften zusammenfassen wollen, dann mache ich mich anheischig, Ihnen 50 Druckseiten darüber beizubringen. Man darf die Sache nicht daran aufhängen, daß unser modernes Laben in seiner Vielfalt und gerade in der Zusammenballung - das sind im Grunde mehr oder weniger soziologische Tatbestände - einen Staat unter Umständen einfach dazu zwingt, Dinge sehr detailliert zu regeln, die sich eben aus allgemeinen Erkenntnissen, wie hier der Gesundheitslehre, als notwendig ergeben.
Man kann auch nicht sagen, daß wir in unseren Tagen auf dem Gebiet der Versuche zur Verwaltungsreform ganz hinter dem zurückblieben, was Generationen vorher gemacht haben. Es gibt z. B. einen ausgezeichneten praktischen Bericht, nämlich den Kollmann-Bericht, und ich freue mich, daß Herr Kollege Kleindinst seiner bayrischen Heimat die Ehre erwiesen hat, diesen Bericht hier anzuführen. Es ist schade, daß der Kollmann-Bericht nicht viel stärker verbreitet ist. Der Kollmann-Bericht ist ein in Bayern erstattetes Gutachten, das alle Mitglieder dieses Hohen Hauses mit hohem Genuß lesen würden. Aber wenn man dann vor die Frage gestellt wird, ob man die darin gegebenen Folgerungen auf sich nehmen will, dann wird die Sache ungeheuer peinlich, vor allen Dingen, wenn solche Berichte dann noch dazu kommen, daß sie an der Spitze ihrer Betrachtung zunächst einmal die Verringerung der Zahl der Parlamentsmitglieder anbringen. Ich will nicht sagen, daß ich den Bericht in diesem Punkt unterstütze, aber ich sage nur: es ist ein Problem, das nicht isoliert betrachtet werden kann und das gerade dann nicht isoliert betrachtet wird, wenn es einmal praktisch daran geht,
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irgendeiner Stadt oder einer Kleinstadt ein Amtsgericht oder irgendein kleines Amt oder sonst ein Gericht zu nehmen. Dann kann man sich doch nicht retten vor den Erhaltungsbemühungen der Betroffenen. Ich kann nur noch einmal sagen: es redet sich leicht unter der Überschrift „Vereinfachung der Verwaltung", und es handelt sich schwer, nicht zuletzt aus objektiven Gegebenheiten.
Zu den vorliegenden Anträgen, die in den Ausschüssen sicherlich eingehend behandelt werden, möchte ich keine einzelnen Bemerkungen machen, bis auf eine Bemerkung zu Ziffer 5 des Änderungsantrages der Fraktion der SPD. Hier ist - ich hätte beinahe gesagt: sozusagen mit der linken Hand - etwas eingebaut worden, was den Verfassern des Antrags ein altes Anliegen ist, aber ein Anliegen, von dem ich hier gleich festgestellt haben möchte, daß ich es für nicht berechtigt halte. Da wird z. B. gefordert, die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts aufzulösen. Ich weiß, daß das eine Vorstellung ist, die manche der Herren dort haben, aber ich möchte hier gleich aus besonderen Gründen sagen, daß das nach Auffassung der Bundesregierung unmöglich ist. Wir brauchen diese Sicherungsgruppe sehr nötig.
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- Nein, wir brauchen sie nicht contra legem, ich glaube. wír haben ausgeführt, daß sie intra legem, daß gemäß dem Gesetz gebraucht wird. Herr Kollege Menzel, was das contra legem angeht, so haben Sie sich ja heute in einem gewaltigen Umfang zu Verfassungsrevisionen bereit erklärt,
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und notfalls könnte man dann auch dieses Problem
noch einmal unter dem Gesichtspunkt aufgreifen.
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Das Problem der Verwaltungsreform ist sicherlich ein Problem, das jeden, der im öffentlichen Leben steht und arbeitet, beschäftigen muß, dem man aber nur zu Leibe rücken kann, wenn man eine klare Einsicht in die durch die moderne Entwicklung und den modernen Massenstaat gegebenen Funktionen und Tatbestände hat. Wenn ich auf diese Frage angesprochen worden bin, so habe ich eigentlich immer zunächst einmal versucht, auch einen internationalen Vergleich herbeizuführen. Bisher - das darf ich dem Hohen Hause sagen - führt der Versuch des internationalen Vergleichs, soweit die Tatbestände vergleichbar sind, immer noch dazu, zu erkennen, daß wir mit dem Problem Umfang der Verwaltung und Organisation der Verwaltung mindestens auf dem Niveau des internationalen Durchschnitts fertig werden, jedenfalls auch in unserer Verwaltungsvergrößerung den internationalen Durchschnitt nicht etwa überschritten haben. Wenn das ein tröstlicher Gedanke sein mag, so bin ich trotzdem der Meinung, daß alle Mühen, die die Ausschüsse hier und weitere Gremien an diese Frage verwenden, sicherlich nicht umsonst sein werden.
Zwei der Herren haben damit geschlossen, daß sie die Frage auf die Basis der allgemeinen Politik gestellt haben. Was Herr Kollege Dr. Dresbach dazu gesagt hat, ist sicherlich sehr eindrucksvoll gewesen. Aber Herr Kollege Dresbach wird gleichwohl mit mir der Meinung sein, daß wir - wenn wir einmal den großen geschichtlichen Komplex Krieg und Kriegsfolgen und Verteidigung gegen die Kriegsgefahren herausnehmen - in einer wirtschaftlichen Entwicklung stehen, die gewisse Gesetzmäßigkeiten hat, denen wir uns nicht entziehen können.
Ich kann der Erklärung des Kollegen Bergmeyer nicht zustimmen, gewisse von der Wissenschaft aufgestellte eherne Gesetze wolle er nicht anerkennen. Das ehrt ihn in seinem Widerstandswillen. Bei näherer Betrachtung dieses Problems wird sich jedoch erweisen, daß es Notwendigkeiten der Verwaltung gibt - nicht nur bei uns, sondern international -, denen wir nur begrenzt ausweichen können. Aber ich glaube, das Hohe Haus würde sich selbst einen schlechten Dienst erweisen, wollte es etwa zugestehen, daß es in seiner Haushaltspolitik in den letzten Jahren die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vernachlässigt hätte.
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Ich kann aus der Kenntnis meines Haushalts, der ja keiner der kleinsten im Rahmen der Bundesregierung ist, nur sagen, daß ich die Überzeugung habe, daß hier nicht ein Pfennig unnütz oder zuviel ausgegeben wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß sich die Herren Ressortminister, wenn es in einem konkreten Fall an einen Abbau geht, sofort dagegen wenden, dafür hat uns der Herr Bundesinnenminister eben ein beredtes Beispiel geliefert. Wenn die anderen Herren Minister hier wären, dann hätten sie - davon bin ich überzeugt - auch alle gute Gründe gefunden, um die Kompetenzen ihrer Ressorts und die Ausweitung der Verwaltung zu verteidigen.
Das Beispiel vom Speiseeis, das der Herr Minister gewählt hat, um zu demonstrieren, wie notwendig all diese Verordnungen seien, war insofern auch nicht ganz glücklich, weil natürlich die Fachleute aller Ressorts sicher ganz begründete Ansichten von der Notwendigkeit haben, das, was sie denken und was sie erarbeiten, in die Form von Verordnungen und Gesetzen zu bringen. Ich erinnere mich, daß wir in Hessen einmal eine Süßwasserfischverordnung aus dem Landwirtschaftsministerium bekommen haben. Der betreffende Herr Oberfischereirat hat diese Dinge auch mit großer Überzeugungskraft vertreten.
Aber uns als den politisch Verantwortlichen muß es darauf ankommen, zu prüfen, ob und inwieweit es sich mit dem grundsätzlichen Aufbau unseres Staates und der Verfassungsordnung vereinbaren läßt, so weit in der Reglementierung zu gehen. Wenn das zuständige Gremium in der Frage Speiseeis dem Herrn Minister und den Vorschlägen der Gesundheitsbehörden nicht gefolgt ist, so war es sicher nicht allzu schlecht beraten.
Aber noch etwas zu der Frage der Sicherungsgruppe, Herr Minister. Die Sicherungsgruppe ist, wie der Herr Kollege Menzel mit Recht gesagt hat, contra legem, weil wir im Grundgesetz nun einmal keine Exekutive für den Bund haben. Wir haben uns im Ausschuß mit Ihnen und Ihren Herren sehr eingehend darüber auseinandergesetzt. Wenn die
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Regierung so etwas für notwendig erachtet, dann müßte sie Konsequenzen ziehen und Verfassungsänderungen vorschlagen, aber nicht einfach unter Umgehung oder Übergehung des Grundgesetzes eine solche Gruppe schaffen. Erst in den letzten Tagen ist uns wieder eine Sache zugeleitet worden, auf die wir Sie noch ansprechen müssen, wonach diese Stelle offensichtlich Vorladungen ohne einen klaren Absender ausschreibt, etwa mit Abkürzungen wie BNSt. oder so ähnlich. Das sind doch sehr bedenkliche Verfahrensmethoden. Wir müssen uns auch dagegen wenden.
Auch das, Herr Minister, was Sie über die Provinzialverbände gesagt haben, und wie Sie den Herrn Kollegen Menzel angesprochen haben, trifft den Kern der Sache nicht. Die Provinzialverbände sind 1945 - ({1})
- Es ging darum, sie abzubauen, und dann sind
sie 1953 in anderer Form wieder errichtet worden.
Ich wollte nur noch einmal von den Grundsätzen sprechen, um die es mir hier geht. Meine Damen und Herren, wir werden uns in dem Bemühen, den sehr guten und treffenden Gedanken zu folgen, die heute morgen vor allem auch von dem Herrn Kollegen Kleindinst ausgesprochen worden sind, sofort auch dem Wall der Herren Minister, der Regierung gegenüber sehen. Herr Minister, es war nicht sehr überzeugend, wenn Sie uns gesagt haben, daß bereits 1952 ein Sparkommissar eingesetzt worden ist. Dann hätte in den drei Jahren doch etwas mehr herauskommen müssen! Sie haben zwar von der Einsetzung gesprochen, aber von den Erfolgen haben wir nichts gehört. Es wäre doch schön, wenn uns mehr konkrete Einzelheiten über das Wirken und die Arbeit dieses Sparkommissars mitgeteilt würden. Denn durch die Einsetzung von Kommissaren geschieht allein noch nichts.
Wir werden uns also im Ausschuß für innere Verwaltung, der bei der Beratung des Antrags federführend sein wird, im Benehmen mit den beteiligten Ausschüssen die Mühe machen, die Sache eingehend zu prüfen. Nur wird sich dabei zeigen, daß wir allergrößte Widerstände aus allen Kreisen finden werden.
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Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Meine Damen und Herren, ich möchte nicht in eine Punktendebatte eintreten, denn ich kenne die Gefühle des Hohen Hauses um diese Zeit und nehme darauf jede nur mögliche Rücksicht. Aber Herr Kollege Schmitt, ich möchte doch dies sagen: Sie haben die Einrichtung des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung nicht ganz so aufgefaßt, wie ich es dargestellt habe. Ich habe mich vielleicht zu zurückhaltend ausgedrückt, deswegen haben Sie es offenbar überhört. Ich habe mit einem gewissen Unterton gesagt, daß der Bundesbeauftragte auch auf Ersuchen des Bundestages in diesem an sich sehr gut ausgedachten Verfahren tätig werden soll.
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- So, Sie kennen einen Fall, in dem es geschehen ist?
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- Um so besser! Ich bin Ihnen dankbar für den Hinweis. Ich war in diesem Punkte anders unterrichtet. Da kann ich mich, gestützt auf das Zeugnis der Herren Kollegen Mellies und Gülich, darauf berufen, daß diese Einrichtung also einem praktischen Zweck gedient hat. Mir liegt nur daran, zu zeigen, daß hier nicht etwa etwas völlig Neues gestartet werden soll, sondern daß - und die Herren aus dem Haushaltsausschuß bestätigen es ja - in diesem Sinne bereits gearbeitet wird. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir haben ein gewisses Interesse daran, daß die Öffentlichkeit hier nicht zu falschen Betrachtungen veranlaßt wird.
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- Herr Kollege Mellies, ich sehe jetzt lieber Sie an, weil Sie mich gerade sehr wirkungsvoll in einem bestimmten Punkte unterstützt haben. Aber ich würde auch getrost an die Adresse von Herrn Kollegen Bergmeyer sagen - er wird mir darin zustimmen -: auf dieses Problem sind wir nicht erst heute gekommen, sondern dies ist ein altes Problem. Aber für jede Anregung, wie es vielleicht auch noch mit neuen Mitteln behandelt werden kann, sind wir dankbar.
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- Herr Kollege, der Präsident erlaubt mir, daß ich noch auf Ihren Zwischenruf eingehe. - Das hatte ich vorhin auf meinem Zettel stehen; ich habe es aber gelassen. Man kommt, wenn man nicht nur Abgeordneter, sondern auch Minister ist, so leicht in die Gefahr, pro domo zu sprechen. Nun also, in diesem Punkt bin ich eigentlich abgesichert. Das Ressort des Innern gilt als klassisch, wird klassisch bleiben und hat Ihre Unterstützung, wofür ich dankbar bin. Aber die Frage der Kabinettsorganisation ist eine Frage, die in das Problem Vereinfachung der Verwaltung doch nur sehr entfernt hereinreicht.
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- Sie sehen mich erstaunt an. Die Zeit würde nicht ausreichen, um das auseinanderzusetzen. Der Blick in ein Land, das nicht als verschwenderisch, sondern als sehr praktisch und tüchtig gilt, nämlich nach Großbritannien, lehrt, daß man hinsichtlich der Kabinettsorganisation ein großes Maß von Elastizität braucht, um bestimmten Aufgaben jeweils nach 'bestimmten Notwendigkeiten -gerecht werden zu können. Wenn Sie einen Blick auf die Organisation des englischen Kabinetts im Laufe der Zeiten, sagen wir nur einmal, vom 1. Weltkrieg her richten, werden Sie finden, daß dort manches ist, was - jedenfalls nach meiner Auffassung - für unsere Zwecke vorbildlich sein kann. Nicht die Zahl der Ministerien entscheidet, sondern die Art ihrer Organisation, Aufgabenstellung und Koordinierung. Das braucht nichts zu sein, das unter der Gesamtbetrachtung der Verwaltung auch nur einen
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Pfennig mehr kostet, wenn Sie nicht gerade das Ministergehalt isoliert sehen wollen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung über diese beiden Anträge.
Meine Damen und Herren, vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung - federführend - und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Kommunalpolitik. Wer diesen Überweisungen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages ein auf den 10. November, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.