Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Im Mai dieses Jahres hat der Deutsche Bundestag beschlossen, eine Arbeitswoche in Berlin abzuhalten. Der Bundestag will damit kundtun, daß er sich für das Schicksal dieser Stadt mitverantwortlich fühlt. Die Freiheit Berlins und die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes sind ein selbstverständlicher Inhalt und ein entscheidendes Ziel der deutschen Politik. Darin ist sich dieses Haus einig, auch wenn die Meinungen über den besten Weg zu diesem Ziel auseinandergehen.
Der Bundestag ist nicht nach Berlin gekommen, um hier eine Feierstunde abzuhalten, sondern um zu arbeiten. Es ist wichtig, daß wir von Zeit zu Zeit in unserer Arbeit innehalten, um unser Tun und Lassen vor der geschichtlichen Vergangenheit und der Zukunft der Nation zu prüfen. Wichtiger aber ist, daß wir uns im parlamentarisch-politischen Alltag redlich um die uns gestellten Aufgaben bemühen.
Wenn die Wiedervereinigung Deutschlands und - ich darf wohl auch hinzufügen - die Wiederherstellung Berlins als Reichshauptstadt in den freien Entschluß dieses Hauses gestellt wären, dann wäre beides längst gelöst und vollendet.
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Aber weil es nicht an dem ist, weil wir täglich neu erfahren, wie sehr wir dabei abhängig sind von dem gegenseitigen Verhältnis der Mächte, die in dieser Stadt ebenso wie in der Welt noch immer gegeneinanderstehen, deshalb machen wir uns keine Illusionen über die großen Widerstände, denen unser Wille zur Einheit unseres ganzen Volkes noch begegnen wird. Aber was bleibt uns, als entweder resigniert die Hände sinken zu lassen, vor dem Status quo zu kapitulieren, am Brandenburger Tor müde wieder umzukehren, oder aber mit letzter Entschiedenheit weiter um die Einheit und Freiheit unseres Vaterlandes zu ringen?!
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Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß darüber noch manches Herz bricht. Das deutsche Volk als Ganzes aber kann und darf dennoch keinen Augenblick davon ablassen, wenn es sich nicht selber verlieren will. Muß dieses Haus, muß sein Sprecher, muß die Bundesregierung oder das Oberhaupt dieser Stadt der Welt versichern, daß dieser Anruf zur Einheit und Freiheit Deutschlands kein Auftakt zur
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Wiederholung alter Versuche gescheiterter deutscher Großmachtpolitik ist? Daß das auch kein Anruf, keine Wiedererweckung eines ungeläuterten deutschen Nationalismus ist? Wir appellieren nicht an den deutschen Nationalismus, wir appellieren an die Solidarität unseres Volkes, und wir appellieren an die Charta der Vereinten Nationen. Wir appellieren an die menschlichen, an die sittlichen Grundrechte der Völker. Wir werden nicht müde werden, das zu tun. Es darf nicht geschehen, daß wir Deutsche uns jemals beruhigen und einschlafen über der Spaltung unseres Landes und über der Unfreiheit von 18 Millionen Angehöriger unseres Volkes.
Weil wir das nicht wollen, weil wir wach und arbeitsam der Einheit und Freiheit unseres Volkes dienen wollen, deshalb, meine Damen und Herren, sind wir heute hier in der Hauptstadt des Reiches, an der Stätte großer Taten und auch schuldhaft bitterer Geschehnisse.
Der Deutsche Bundestag beginnt seine Arbeit in Berlin in dem Bewußtsein, daß seit dem Jahre 1933 in dieser Stunde zum ersten Male wieder eine freigewählte, legitime oberste gesetzgebende Körperschaft des deutschen Volkes ihre Arbeit hier aufnimmt.
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Wir sind nicht hierher gekommen, um zu klagen oder anzuklagen; aber ich betrachte es als eine hohe Ehre, daß ich in dieser Stunde über alle Parteiunterschiede hinweg dem festen Willen dieses Hauses Ausdruck geben darf, daß die oberste gesetzgebende Körperschaft des deutschen Volkes sich niemals mehr beugen wird unter das Joch der Tyrannei und Rechtsbrechung, gleichgültig mit welchen Farben es sich drapiert.
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Wir wissen und wir halten fest, daß der Deutsche Bundestag mit der Bundesrepublik Deutschland nur ein Provisorium ist bis zu dem Tag, an dem auch die frei gewählten Vertreter der heute noch in Unfreiheit gehaltenen 18 Millionen ein gesamtdeutsches Parlament bilden.
Aber dieses Bewußtsein des Provisoriums hält uns keinen Augenblick davon ab, die Grundsätze der freiheitlichen Rechtsordnung des deutschen Volkes als allezeit verpflichtend für uns und unser Volk anzusehen. Auch wenn kein Ton davon in der hier sogleich beginnenden Tagesarbeit des Deutschen Bundestages laut würde, so darf Berlin, so dürfen die 18 Millionen in der sowjetisch besetzten Zone, so darf das ganze deutsche Volk gewiß sein, daß hier keiner ist, der nicht in solcher Gesinnung, dieser Stadt und Zone, der Freiheit unseres Volkes und dem Frieden der Welt zu dienen, willens wäre.
Dem Regierenden Bürgermeister, dem Senat von Berlin und dem Rektor der Technischen Universität danke ich, daß sie der legitimen Vertretung des deutschen Volkes die Möglichkeit gegeben haben, nach 22 Jahren zum erstenmal wieder zu einer Arbeitstagung zusammenzutreten in Deutschlands Hauptstadt Berlin.
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Meine Damen und Herren! An Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Pfleiderer ist die Frau Abgeordnete Margarethe Hütter in den Bundestag eingetreten. Ich heiße Frau Hütter in unserer Mitte wieder willkommen.
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Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 15. Oktober 1955 die Kleine Anfrage 193 der Abgeordneten MüllerHermann, Schmidt ({7}), Rademacher und Genossen betreffend tarifpolitische Pläne des Bundesverkehrsministeriums - Druchsache 1726 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1800 vervielfältigt.
Wir kommen dann zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde ({8}).
Zur Frage 1 hat das Wort der Abgeordnete Kahn-Ackermann.
Ist dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau ein Urteil des Verwaltungsgerichts München bekannt, nach dem die Wohnungsbewirtschaftung als so durchlöchert angesehen wird, daß einem Vermieter nicht mehr zugemutet werden könne, die vom Wohnungsamt unterbreiteten Bewerber zu wählen, und daß Zwangseinweisungen unzulässig seien?
Was gedenkt das Bundeswohnungsbauministerium zu tun, um nach diesem Urteil den Behörden noch eine Handhabe dafür zu geben, daß kinderreichen Familien Wohnungen beschafft werden können?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister für Wohnungsbau hat sich sofort, als ihm dieser Wortlaut der Frage des Herrn Abgeordneten bekannt wurde, um die Beschaffung des erwähnten Urteils bemüht. Leider sind die Nachfragen bei den in Frage kommenden Stellen vergeblich geblieben.
Aber gleichgültig, ob nun ein solches Urteil oder ein ähnliches vorliegt, betrifft die Anfrage ja ein besonders wichtiges Problem der Wohnungswirtschaft überhaupt. Es hat bereits zu einer Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Menzel in der Fragestunde am 13. März 1954 Anlaß gegeben. Damals hat Herr Minister Dr. Preusker eingehende Ausführungen gemacht, die auch heute noch volle Geltung haben und auf die wohl im einzelnen verwiesen werden darf.
Unterstreichen möchte ich aber noch einmal, was Herr Minister Dr. Preusker damals generell zum Ausdruck gebracht hat. Das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz vom 31. März 1953, dessen Vollzug bei den Ländern liegt, gibt an sich Möglichkeiten zur Unterbringung der kinderreichen Familien. Wir stehen über diese Frage in einem ständigen Erfahrungsaustausch mit den Ländern. Die hierbei zutage getretenen Auffasungen sind allerdings nicht ganz einheitlich, und es muß wohl zugestanden werden, daß die mit dem Wohnraumbeschaffungsgesetz versuchte Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft da und dort zu Schwierigkeiten führt. Im ganzen ist uns aber berichtet worden, das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz sei elastisch genug, um Handhaben für die Unterbringung kinderreicher Familien zu bieten. Gerade das Bayerische Ministerium des Innern, das bis vor einem Jahre dort für die Wohnungsangelegenheiten zuständig war, hat dies auf ähnliche Vorstellungen - wie in der hier gestellten Frage - im Bayerischen Landtag nachdrücklich erklärt.
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Aber, wie Herr Minister Dr. Preusker seinerzeit auch schon gesagt hat: Ein durchgreifender Dauererfolg ist auf diesem schwierigen Gebiet wohl nur zu erzielen mit einer weiteren verstärkten Erstellung von geeigneten, vor allem also preisgünstigen Wohnungen für Kinderreiche. Wir sind seit dem Zeitpunkt der damaligen Anfrage heute immerhin ein erhebliches Stück weiter, weil das Wohnungsbau- und Familienheimgesetz jetzt in zweiter Lesung im Bundestagsausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen beraten wird und sich bereits übersehen läßt, daß in diesem Gesetz einige Bestimmungen enthalten sein werden, die gerade nach der Richtung der Fragestellung Fortschritte versprechen.
Auch in dem engen Rahmen der Fragestunde darf ich wohl auf zwei Punkte hinweisen. Einmal will das Gesetz den vorhandenen Wohnungsbestand in organische Verbindung mit der Neubautätigkeit zur Unterbringung gerade auch von kinderreichen minderbemittelten Familien bringen. Und ein zweites, was wohl besonders bedeutsam ist: die Gewährung zusätzlicher Kinderdarlehen für den Bau von Familienheimen für Familien mit mehr als zwei Kindern. Ursprünglich war vom Ausschuß ein Betrag von 1000 DM je Kind vorgesehen für diese Darlehen vom dritten Kind an. Gestern hat nun der Bundestagsausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen hier in Berlin beschlossen, diese Familienzusatzdarlehen von 1000 DM auf 1500 DM zu erhöhen. Wenn dieser Berliner Beschluß und weitere Beschlüsse mit ähnlicher Zielrichtung endgültig Aufnahme in das kommende Gesetz finden, dann werden damit wirklich erfolgversprechende Wege zur wohnlichen Unterbringung kinderreicher Familien frei gemacht.
Eine Zusatzfrage! Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die von Ihnen angedeuteten Maßnahmen ausreichend sind und vor allem in so kurzer Zeit wirksam werden können, daß dem von Ihnen zugegebenen Mißstand dann grundsätzlich abgeholfen werden kann?
Einen Augenblick, Herr Staatssekretär!
Meine Damen und Herren! Ich appelliere an Sie in Anbetracht dessen, daß wir 40 Fragen vorliegen und nicht mehr als 60 Minuten Zeit haben, sich möglichst kurz zu fassen und sich bei der Stellung von Zusatzfragen möglichst zu beschränken.
Ich möchte dazu sagen: Es kommt - schon beim Wohnraummangelgesetz - sehr auf die Handhabung des Gesetzes an. In Beantwortung an uns herankommender Fragen bemühen wir uns seitens der Bundesregierung in der gewünschten Richtung. Im übrigen hoffen wir, daß nun das Hohe Haus das Wohnungsbau- und Familienheimgesetz bald verabschiedet; davon erwarten wir uns wirklich Erfolg.
Zu Frage 2 Herr Abgeordneter Dr. Leiske!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus meiner persönlichen Verbundenheit mit Berlin stelle ich folgende Fragen.
Mit welchen Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung den Fremdenverkehr aus dem Auslande, d. h. aus Übersee und aus europäischen Ländern, und aus dem Inlande nach Berlin anzuregen und zu fördern, um das Wirtschaftsleben von Berlin, insbesondere seine Gastronomie, seine Hotellerie und seinen Einzelhandel stärken zu helfen?
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Ist die Bundesregierung im besonderen Benehmen mit der Deutschen Zentrale für Fremdenverkehr, Frankfurt ({1}), bereit, durch Fühlungnahme mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag, dem Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und auch mit den kommunalen Spitzenverbänden darauf hinztiwirken, daß großen und mittleren Körperschaften und Verbandsorganisationen empfohlen werden möchte, mehr und planmäßiger als bisher ihre Plenar-Versammlungen und auch ihre Ausschuß-Sitzungen von Zeit zu Zeit in Berlin abzuhalten?
Der Herr Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium!
Die Bundesregierung ist hierzu bereit, und sie hat sich auch schon in den letzten Jahren bemüht, nach denselben Grundsätzen zu verfahren. Die Aktivität ,des Bundes ist leider dadurch begrenzt, daß für die Auslandswerbung nur reichlich 4 Millionen DM zur Verfügung stehen. Das ist etwas mehr als in früheren Jahren, aber immer noch nur halb so viel wie das, was vergleichbare andere europäische Länder für die Fremdenverkehrswerbung ausgeben.
Nicht nur der Bundesminister für Verkehr, sondern auch der Herr Bundesminister für Wirtschaft bemühen sich gemeinsam mit der Deutschen Zentrale für Fremdenverkehr, ausländische Besucher aus Europa und von Übersee hierher zu ziehen, und man wirbt dabei mit besonderem Nachdruck auch für Berlin.
Die Deutsche Zentrale für Fremdenverkehr stellt Berlin bei allen ihren Publikationen bevorzugt heraus. Das ist bisher in 15 Millionen Prospekten' geschehen. Auch der Pressedienst der Deutschen Zentrale widmet sich mit besonderem Nachdruck den Berliner Interessen. Die „Deutschland-Revue" hat ein Sonderheft „Berlin" herausgegeben. Außerdem ist die Deutsche Zentrale für Fremdenverkehr bemüht, durch die Beratung von Reisebürofachleuten, von Journalisten und von Photoreportern immer wieder die Aufmerksamkeit ausländischer Kreise auf Berlin zu lenken.
Was die von Ihnen hervorgehobenen Tagungen angeht, Herr Abgeordneter, so sind die beiden genannten Ministerien in Zusammenarbeit nicht nur mit der Deutschen Zentrale für Fremdenverkehr, sondern auch mit den von Ihnen genannten Organisationen laufend bemüht gewesen, schon bisher möglichst viele Tagungen nach Berlin zu ziehen. Der Erfolg dieser Anstrengungen ergibt sich daraus, daß die Zahl der von Ihnen gemeinten Veranstaltungen hier in Berlin von 76 im Jahre 1951 auf 176 im Jahre 1954 gestiegen ist und daß schon in den ersten neun Monaten d. J. 230 Tagungen in Berlin stattgefunden haben.
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Dieser Erfolg soll die Bundesregierung nicht etwa veranlassen, ihre intensiven Bemühungen in dieser Richtung weniger heftig fortzusetzen als bisher.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Frage 3: Der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}) !
Ist es richtig, daß die zum Straßentransport von Eisenbahngüterwagen und anderen Schwergütern verwendeten sogenannten Kulemeyer-Fahrzeuge der Deutschen Bundesbahn von dieser in eigener Zuständigkeit ohne Mitwirkung der Straßenverkehrsbehörden zugelassen werden, obgleich die Kulemeyer-Fahrzeuge, insbesondere bei Zusammenkoppelung mehrerer Einheiten, die in der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung erlaubten Höchstmaße weit überschreiten und die Flüssigkeit des Straßenverkehrs stark beeinträchtigen?
Der Herr Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium!
Es ist in der Tat so, daß nach der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung die den Verwaltungsbehörden obliegenden Befugnisse betreffend die Zulassung von Kraftfahrzeugen bei den Fahrzeugen der Bundesbahn, der Bundespost, des Grenzschutzes und der Polizei von deren Dienststellen wahrgenommen werden. Daraus ergibt sich, daß die Bundesbahn selbst darüber entscheiden kann, ob eines ihrer Fahrzeuge zum Straßenverkehr zugelassen werden kann oder nicht. Diese Entscheidung bezieht sich aber nur auf die Beschaffenheit des Fahrzeuges und nicht darauf, ob das von der Bundesbahn zugelassene Fahrzeug nun auch wirklich die Straßen benutzen darf. Dazu ist, weil es sich hier um großräumige und besonders schwere Transporte handelt, eine besondere Erlaubnis der Straßenverkehrsbehörde notwendig, und diese besondere Erlaubnis kann die Bundesbahn in eigener Zuständigkeit nicht geben. Es hängt also von der Straßenverkehrsbehörde ab, ob die Bundesbahn mit den von ihr zugelassenen Schwerfahrzeugen auf der Straße fahren darf oder nicht.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bergemann, sind Sie nicht der Auffassung, daß sich die augenblicklich bei uns und allgemein sehr scharfe Tendenz auf Einschränkung der Gewichte und der Ausmaße von Lastwagen auch auf die KulemeyerUngetüme erstrecken müßte, daß zum mindesten die Verwendung dieser Fahrzeuge in Großstädten eingeschränkt werden muß, aber auch die allgemeine Zulassung nicht mehr der Bundesbahn allein überlassen bleiben darf?
Diese Frage ist sehr naheliegend, und als ich mich mit dieser Angelegenheit befaßt habe, habe ich sie mir natürlich auch selbst gestellt. Es sind nicht ganz so viele KulemeyerFahrzeuge existent, wie man meint. Aber wenn es auch früher so gewesen sein mag, daß die Straßenverkehrsbehörde gegenüber der Bundesbahn manchmal großzügig gewesen ist - ich habe das nicht herausfinden können -, so ist es meines Erachtens jedenfalls jetzt die Tendenz der Straßenverkehrsbehörde, hier einen strengen Maßstab anzulegen. Diese ist unverkennbar. Um aber sicherzugehen, haben wir vor, in den Ausführungsbestimmungen zur Straßenverkehrsordnung ausdrücklich noch einmal zu klären, unter welchen Umständen eine solche Ausnahmeerlaubnis überhaupt gegeben werden darf: danach soll das nur in dringenden Fällen geschehen. Solche Fälle liegen nur dann vor, wenn die Zerlegung des Transportguts aus technischen Gründen unmöglich ist oder unzumutbare Kosten verursacht und wenn der Transport nicht auf dem Schienen- oder auf dem Wasserwege möglich ist.
Danke!
Die Frage ist beantwortet. Ich rufe Frage 4 auf. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hübner.
Ich frage den Herrn Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen:
Ist damit zu rechnen, daß die ehemaligen Kasernen in Darmstadt, in denen zur Zeit das Posttechnische Zentralamt und das Fernmeldetechnische Zentralamt untergebracht sind, wieder ihrem ursprünglichen Zweck für die künftigen deutschen Streitkräfte zugeführt werden?
Hat der Herr Bundesminister für diesen Fall die Rückführung beider Ämter in das in Berlin-Tempelhof hierfür noch vorhandene Gebäude, in dem beide Dienststellen bis zum Zusammenbruch untergebracht waren, vorgesehen?
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen!
Herr Abgeordneter, die vom Fernmeldetechnischen und vom Posttechnischen Zentralamt der Deutschen Bundespost benutzten Teile der ehemaligen Dragonerkaserne in Darmstadt werden für militärische Zwecke nicht in Anspruch genommen.
Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, darf ich diese Antwort so verstehen, daß auch aus anderen Gründen eine Verlegung eines Amtes nicht in Frage kommt, es sei denn die Rückverlegung der beiden Ämter nach Berlin?
Herr Bundesminister!
Herr Abgeordneter, wenn die Verlegung der Postverwaltung nach Berlin aktuell wird, sehe ich kein Hindernis auch die beiden Zentralämter nach Berlin zurückzuverlegen.
Bitte noch eine Zusatzfrage.
Noch eine letzte Zusatzfrage!
Herr Minister, erwägen Sie, gleichviel aus welchem Anlaß, etwa eine Zwischenlösung, die anders ist als die Endlösung einer Rückverlegung nach Berlin?
Eine Zwischenlösung wird von uns nicht erwogen.
Danke!
Ich rufe auf die Frage 5. Herr Abgeordneter Schmidt ({0})!
Wie viele Verstöße gegen gesetzliche und tarifrechtliche Bestimmungen hat die Bundesanstalt beim Güterkraftverkehr bis jetzt festgestellt?
Wie viele dieser Verstöße und Zuwiderhandlungen wurden den zuständigen Behörden der Länder mit dem Ersuchen um Anwendung der Straf- und Bußvorschriften des Güterkraftverkehrsgesetzes zugeleitet?
In wie vielen Fällen ist tatsächlich eine Geldbuße ausgesprochen worden?
Darf ich gleich eine Zusatzfrage anknüpfen?
Zur Vereinfachung? Bitte, fahren Sie fort.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht 'der Meinung, daß es vielleicht besser wäre, wenn in Zukunft die Bußen und Strafen statt von den Länderbehörden unmittelbar von der Bundesanstalt ausgesprochen werden könnten?
Eine zuverlässige Statistik der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr gibt es seit Frühjahr 1954. Ich habe jetzt den Zeitraum vom 1. April 1954 bis zum 31. Juli 1955 untersucht; das sind also 15 Monate.
In diesen 15 Monaten haben die Leute von der Bundesanstalt für den Güterkraftverkehr rund 40 000 Verstöße gegen das Güterkraftverkehrsgesetz festgestellt. In 13 000 Fällen hat die Bundesanstalt im Benehmen mit den Länderbehörden von einer Weiterverfolgung abgesehen, weil man diese Fälle als nicht so schwerwiegend betrachtet hat. In 29 000 Fällen aber hat die Bundesanstalt bei den Länderbehörden die Verhängung eines Bußgeldes beantragt. Daraufhin sind dann von den Länderbehörden in 12 000 Fällen auch Geldbußen verhängt worden; in 10 000 Fällen hat man nur eine Verwarnung ausgesprochen oder das Verfahren eingestellt. Die beiden letzteren Zahlen, die 10 000 und die 12 000, ergeben allerdings nicht 29 000. Dies erklärt sich daraus, daß zwar über eine Reihe von Anträgen der Bundesanstalt für den Güterkraftverkehr, die schon vor dem 1. April 1954 gestellt waren, in der Berichtszeit entschieden worden ist, daß aber auch sehr viel mehr Anträge der Bundesanstalt vor dem 31. Juli 1955 gestellt worden sind, die hier noch nicht mit berücksichtigt werden konnten.
Ihre Frage, Herr Abgeordneter, ob es nicht besser wäre, die Bußgeldbefugnis der Bundesanstalt zu übertragen, wird sicherlich von der Bundesregierung bejaht werden. Die Bundesregierung nimmt aber nicht an, daß sie hierbei den ungeteilten Beifall des Bundesrates finden wird. Daher wird es noch erheblicher Diskussionen über diese Frage bedürfen.
Man darf allerdings bei der zunächst erschrecklichen Zahl von 40 000 Zuwiderhandlungen nicht vergessen, daß das eine sehr „vollständige" Zahl ist und daß nach § 54 des Güterkraftverkehrsgesetzes die Bundesanstalt verpflichtet ist, nun auch jeden Verstoß zunächst den Ländern zu melden. Vielleicht ist das sogar etwas zuviel des Guten.
Die Frage ist beantwortet. Frage 6 wird zurückgezogen.
Ich rufe auf Frage 7. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Wie ist die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vor den Bundestagswahlen 1953 in der Hamburger Ernst-Merck-Halle vom 21. April 1953, daß die vom Präsidenten Eisenhower am Tage der Abreise des Kanzlers aus den USA mitgeteilte Beendigung des Beschlagnahmeverfahrens gegenüber deutschem Eigentum eine Rettung deutschen Auslandsvermögens von mindestens 100 Millionen Dollar bedeute, vereinbar mit der jetzigen Verlautbarung aus Washington, daß aus der Verwertung von in den Vereinigten Staaten immer noch beschlagnahmten deutschen Vermögen auch im 1. Halbjahr 1955 ein Erlös von 11 Millionen Dollar erzielt werden konnte?
Der Herr Bundesaußenminister!
Herr Kollege Menzel, das mir vorliegende, nach einem Tonband angefertigte Protokoll der Rede des Herrn Bundeskanzlers in der Hamburger Ernst-Merck-Halle vom 21. April 1953 enthält keine Äußerung darüber, daß die erwähnte Erklärung des Präsidenten Eisenhower eine Rettung deutschen Auslandsvermögens von mindestens 100 Millionen Dollar bedeute. Vielmehr hat der Herr Bundeskanzler in dieser Rede nur die Rückgabe von etwa 350 Schiffen durch die Vereinigten Staaten erwähnt.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesaußenminister, wie ist es dann damit vereinbar, daß das Bulletin der Bundesregierung vom 23. April 1953 die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers bringt, Eisenhower habe ihm erklärt, daß nunmehr die Beschlagnahmeverfahren gegen das deutsche Vermögen und die Verwertung des beschlagnahmten deutschen Vermögens nicht fortgesetzt werden würden?
Herr Bundesaußenminister!
Ich kenne die Nummer des Bulletins nicht. Die Notiz darin kann sich wohl nur auf die Erklärung des Präsidenten Eisenhower vom 17. April 1953 beziehen. Diese Erklärung wurde damals in einer Presseverlautbarung des Weißen Hauses bekanntgegeben. Sie besagte, daß auf Weisung des Präsidenten der amerikanische Justizminister nach dem 17. April 1953 keine neuen vesting orders, d. h. enteignungsähnliche Verfügungen, für das deutsche Vermögen in den Vereinigten Staaten ererlassen werde. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits
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fast alle der amerikanischen Regierung bekannten deutschen Vermögen durch diese vesting orders in die Hand des Feindtreuhänders überführt worden.
Die Frage ist beantwortet.
Frage 8. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Ich frage den Herrn Bundesarbeitsminister:
Wie hoch war das gesamte Vermögen der sozialen Rentenversicherung am 31. Dezember 1954 - gegliedert nach Hauptpositionen der Vermögensanlagen und des Barvermögens der einzelnen Sparten -, und mit welchem Vermögenszuwachs wird etwa für das Jahr 1955 gerechnet?
Herr Bundesminister für Arbeit!
Herr Professor, das Gesamtvermögen der gesetzlichen Rentenversicherungsträger belief sich Ende 1954 auf 5 940 000 000 DM. Davon entfallen auf die Invalidenversicherung 3 931 000 000, auf die Angestelltenversicherung 1 816 000 000 und auf die knappschaftliche Rentenversicherung 193 000 000.
Nach den Hauptpositionen der Vermögensanlagen gliedert sich das Vermögen wie folgt. Bei der Invalidenversicherung: Hypotheken 153 000 000, Wertpapiere 1 164 000 000, Darlehen und Festgeldanlagen 1 702 000 000, Grundstücke, Inventar und bauliche Einrichtungen 220 000 000, kurzfristig angelegte Mittel 692 000 000. Bei der Angestelltenversicherung ergeben sich folgende Zahlen: Hypotheken 85 000 000, Wertpapiere 737 000 000, Darlehen und Festgeldanlagen 656 000 000, Grundstücke etc. 29 000 000, kurzfristig angelegte Mittel 300 000 000. Bei der knappschaftlichen Rentenversicherung schließlich: Hypotheken 21 000 000, Darlehen und Festgeldanlagen 28 000 000, Grundstücke etc. 14 000 000, kurzfristig angelegte Gelder 130 000 000.
Dann zu der Frage 2: Was wird sich im Jahre 1955 an weiteren Überschüssen ergeben? Hier kann ich natürlich nur davon ausgehen, daß der jetzige gesetzliche Stand so bleibt. Unter diesen Umständen würde sich eine Gesamtvermögenszunahme für die drei Versicherungsträger von 1 830 000 000 DM ergeben. Davon würden entfallen auf die Invalidenversicherung 1 100 000 000, auf die Angestelltenversicherung 700 000 000 und auf die knappschaftliche Rentenversicherung 30 000 000.
Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister! Halten Sie .es bei dieser günstigen Finanzentwicklung für möglich, noch vor der Sozialreform die Renten allgemein zu erhöhen?
Herr Bundesarbeitsminister!
Daß die Renten allgemein erhöht werden könnten, halte
ich nicht für möglich. Ich halte es aber wohl für möglich, daß wir dem Kreis der besonders bedrängten Rentenempfänger eine Erleichterung geben.
Darf ich eine weitere Zusatzfrage stellen?
Eine letzte Zusatzfrage!
Wie hoch muß nach Ihrer Meinung der Vermögenszuwachs sein, damit alle Renten, auch die Waisenrenten, erhöht werden können?
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Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen.
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Meine Damen und Herren, wir befinden uns in einer Fragestunde! - Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Ich wollte dazu sagen: Darauf eine klare Antwort zu geben, ist ohne eine besondere Errechnung der Grundlagen natürlich nicht möglich. Ich bin der Meinung, Herr Professor: Wir haben alle Veranlassung, jetzt, wo wir vor der Sozialreform, vor der Neuordnung der sozialen Leistungen stehen, unsere Verhältnisse auch finanziell so zu gestalten, daß eine wirklich gesunde neue Grundlage gefunden werden kann.
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Ich rufe auf Frage 9. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Wie erklärt es sich, daß nach der versicherungtechnischen Bilanz der Rentenversicherung am 31. Dezember 1953 Erstattungsansprüche der Rentenversicherungsträger nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes in einer Höhe von über 940 Millionen DM noch nicht erfüllt waren, und was ist zur Verwirklichung dieser Ansprüche unternommen worden?
Der Herr Bundesminister für Arbeit!
Das Ergebnis der Ermittlungen über die Höhe der Erstattungsansprüche nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes in den versicherungstechnischen Bilanzen stützt sich auf Angaben über die Anzahl und die Höhe der Leistungen der Rentenversicherungsträger an die Kriegsopfer, die auf Meldungen von Rentenversicherungsträgern zurückgehen. Zur Zeit werden im Bundesministerium für Arbeit Kontrollrechnungen über die Höhe der Erstattungsansprüche durchgeführt, die einerseits von den Ergebnissen der eigens zu diesem Zweck erweiterten Statistik des Statistischen Bundesamtes - es handelt sich hier um die sogenannte „L-Statistik" - ausgehen werden, andererseits von den Ergebnissen einer am 31. Mai 1955 durchgeführten Statistik der Versorgungsämter, deren Ergebnisse im August dieses Jahres fertiggestellt worden sind. Die Arbeiten im
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Bundesministerium für Arbeit zur Erledigung dieser Frage werden mit Hochdruck fortgeführt. Entsprechende Verhandlungen mit dem Herrn Bundesfinanzminister haben bereits einige Male stattgefunden; sie müssen nach der endgültigen Festlegung des ersten Tatbestandes zu einem Abschluß gebracht werden.
Eine Zusatzfrage?
Warum konnten Sie, Herr Minister, in der Fragestunde vom 25. Februar 1953 erklären, daß die klärenden Vorschriften noch in der ersten Legislaturperiode des Bundestages erlassen und daß dann etwaige Mehrbeträge vom Bunde erstattet werden?
Herr Bundesarbeitsminister!
Das war sehr einfach. Damals waren Überprüfungen durch den Bundesrechnungshof im Gange. Ich glaubte, daß eine völlig klare Darstellung der Tatbestände erarbeitet werden könnte. Es hat sich wieder einmal herausgestellt, daß sich doch allerlei Schwierigkeiten ergeben, wenn so viele Instanzen an der Erledigung derartiger Fragen beteiligt sind.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Minister, wann wird es möglich sein, in dieser für die Rentenversicherung und damit für die Leistungen an die Rentner - es handelt sich um fast 1 Milliarde DM - wichtigen Angelegenheit bindende Rechtsvorschriften zu erlassen?
Herr Bundesminister für Arbeit.
Ich glaube nicht, daß hier Rechtsvorschriften wirksam werden können. Die Ansprüche, die die Rentenversicherungsträger an den Bund haben, sind ganz klar in § 90 des Bundesversorgungsgesetzes festgelegt. Hier handelt es sich nicht um Vorschriften, sondern es geht um die Feststellung von Tatsachen.
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Ich rufe auf die Frage 10. Herr Abgeordneter Meyer ({0}).
Ich frage den Herrn Minister:
Sind Erwägungen von der Bundesregierung angestellt worden, an Rentenzahltagen die Menschenschlangen in den Postämtern zu verkleinern?
Ist daran gedacht, wenigstens den über 70 Jahre alten Sozialrentnern und in stärkerem Maße als bisher den Körperbehinderten die Rente durch den Postboten ins Haus bringen zu lassen, wie es in den Jahren von 1933 bis 1945 üblich war?
Ist erwogen worden, ähnlich wie bei einem Teil der Kindergeldzahlungen durch die Familienausgleichskassen Zahlungsbescheide auszugeben und so die Sparkassen zur Auszahlung der Sozialrenten mit heranzuziehen?
Herr Bundesminister für Arbeit.
Auch ich halte es für einen Übelstand, daß das Abholen von Renten bei den Postämtern häufig mit langem Anstehen verbunden ist. Ich bin gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen bemüht, alle nur möglichen Maßnahmen zu treffen, um hier Abhilfe zu schaffen.
Was die über 70 Jahre alten oder körperbehinderten Rentner betrifft, so sind nach den Bestimmungen, die schon seit dem Jahre 1928 gelten, die laufenden Renten dann gebührenfrei zuzustellen, wenn der Rentner wegen seines körperlichen Zustandes, besonders wegen Alters, Krankheit oder Gebrechens die Rente am Postschalter nicht selbst abholen kann. Bis vor wenigen Wochen hatten die Rentner dies durch eine Bescheinigung der Orts- und Polizeibehörden nachzuweisen. Neuerdings hat der Herr Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen die Postämter ermächtigt, in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, ob die für eine Zustellung der Renten erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Diese Bestimmungen sind bei den Rentnern anscheinend noch nicht genügend bekannt. Deshalb ist vorgesehen, daß ihnen diese Tatbestände in geeigneter Weise bekanntgegeben werden.
Darüber hinaus kann ein Anstehen dadurch vermieden werden, daß der Rentner beantragt, die Rentenzahlungen auf das eigene Postscheckkonto zu überweisen oder auf das Postscheckkonto von Geldanstalten, wo sich der Rentner ein Konto einrichtet.
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Soweit es sich um die Frage handelt, ob man eine ähnliche Regelung für die Auszahlung der Renten treffen soll, wie sie bei den Kindergeldregelungen jetzt üblich ist, bin ich doch der Meinung, daß man erst die Erfahrungen einer gewissen Zeit sich auswirken lassen soll.
Ich möchte an dieser Stelle keine Zusatzfrage stellen.
Frage 11! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel.
Herr Staatssekretär, ich habe folgende Frage:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, Maßnahmen zu ergreifen, um statt der verwirrenden und irreführenden Vielfalt der zur Zeit gebräuchlichen Richtungszeichen an Kraftfahrzeugen - auch Motorrädern - eine einheitliche und einwandfreie Regelung herbeizuführen?
Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr!
Jawohl, Herr Abgeordneter. Man sieht hier, daß auch verhältnismäßig klare gesetzliche Vorschriften in der Praxis nicht mehr zu gebrauchen sind, wenn die Technik einen zu schnellen Fortschritt macht und zu vielfältigen Ergebnissen führt.
Eigentlich haben wir ja nur zwei Fahrtrichtungsanzeiger, nämlich entweder einen Winker oder einen Blinker. Aber die Art der Ausführung die({0})
ser beiden Fahrtrichtungsanzeiger ist so außerordentlich unterschiedlich, daß man sich allmählich nicht mehr durchfindet. Die Größe, Länge und Breite, die Leuchtstärke und auch ihr Platz an den Fahrzeugen sind so verschieden bei diesen Einrichtungen, daß in der Tat die viel beklagte Verwirrung entstehen muß. Dazu kommt ja noch, daß auch viele ausländische Fahrzeuge sich auf den Straßen bewegen, deren diesbezügliche Eigenart die Übersichtlichkeit noch erschwert.
Es gibt Richtlinien für Fahrzeugteile. Diese Richtlinien werden vom Bundesminister für Verkehr in regelmäßigen Abständen überprüft, erneuert und im Verkehrsblatt veröffentlicht. Bei der bevorstehenden Neufassung dieser Richtlinien soll auch mit besonderem Nachdruck darauf hingewirkt werden, daß diese beiden noch zulässigen Fahrtrichtungsanzeigemethoden, nämlich der Winker und der Blinker, so einheitlich wie möglich nicht nur gebaut, sondern auch angebracht werden.
Man muß dabei auch möglichst darauf hinwirken, daß die Farbe dieser beiden leuchtenden Zeichen einheitlich ist. Wir sind dafür, daß sie orange ist. Zur Zeit ist sie vorn orange oder weiß und hinten orange oder rot.
Außerdem muß man darauf hinwirken, daß international eine einheitliche Regelung erfolgt, damit die Klarheit, die man hinsichtlich seiner eigenen Fahrzeuge mit Mühe gewinnt, nicht wieder getrübt wird durch die Unklarheit, die ausländische Fahrzeuge erzeugen.
Wir halten Ihre Frage für sehr berechtigt, Herr Abgeordneter. Das wird uns ein Ansporn sein, die Überprüfung der Richtlinien und auch unsere internationalen Anstrengungen zu beschleunigen.
Eine Zusatzfrage!
Hat sich der Herr Minister bereits entschieden, ob man Winker und Blinker beibehalten will, oder gehen die bisherigen Studien in einer Richtung, daß nur das eine oder das andere beibehalten werden soll?
Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr.
Der Herr Bundesminister für Verkehr ist der Meinung, daß einstweilen kein Anlaß besteht, die eine oder andere Art dieser beiden Fahrtrichtungsanzeiger abzuschaffen. Wir glauben, man soll es bei der Zulässigkeit der Winker u n d der Blinker belassen. Die Entwicklung wird dahin führen, daß der Winker langsam verschwindet und durch den Blinker ersetzt wird. Das sieht man in anderen europäischen Länder und vor allen Dingen in den Vereinigten Staaten. Sie sehen auch, daß der Winker an anderen Fahrzeugen, z. B. bei den Straßenbahnen, immer mehr verschwindet. An seine Stelle tritt in zunehmendem Maße der Blinker.
Eine letzte Zusatzfrage!
Hat sich der Herr Bundesverkehrsminister eingehend über die Erfahrungen des Auslandes orientiert?
Ich hoffe!
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Meine Damen und Herren! Ich komme nunmehr zu der Frage 12. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Ist es richtig, daß die Finanzverwaltung es in einigen Fällen mit Billigung des Bundesfinanzministers ablehnt, Urteile der Steuergerichte, auch des Bundesfinanzhofs und des früheren Obersten Finanzgerichtshofs, anzuwenden?
Herr Bundesminister der Finanzen!
Es ist ganz selbstverständlich, daß sämtliche rechtskräftigen Urteile der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs von den Finanzverwaltungen auf den betreffenden Einzelfall angewendet werden. Eine andere Frage - auf die Sie anspielen - ist die, ob diese Urteile auch in rechtsähnlichen Fällen allgemein - als neue Weisung an die Verwaltung sozusagen - in Anspruch genommen werden. Hier ist die Praxis genau die gleiche, wie sie in der Zeit der Weimarer Republik gewesen ist. Der Regelfall ist - und das hat unter 7000 Urteilen bei 6985 zugetroffen -, daß diese Urteile sozusagen als Weisung an die Verwaltung gelten.
Einzelne Fälle gibt es, in denen die Finanzverwaltung trotz der Bestimmungen der Abgabeordnung an der Urteilsfindung nicht beteiligt gewesen ist. Es wird in § 287 der Reichsabgabenordnung bestimmt, daß die Finanzverwaltung beteiligt werde in den Fällen, in denen entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis neue Richtlinien durch das Urteil ergehen. Es kommt aber vor, daß übersehen wird, die Finanzverwaltung zu beteiligen. In diesem Fall geht die Finanzverwaltung so vor, daß sie einen zweiten rechtsähnlichen Fall in das Rechtsmittelverfahren bringt, um in diesem zweiten rechtsähnlichen Fall beteiligt zu werden und den Standpunkt der Finanzverwaltung vor dem Bundesfinanzhof zur Geltung bringen zu können.
Um es für künftige Fälle überhaupt auszuschließen, daß sich das wiederholt, hat sich in einer Besprechung am 15. Oktober dieses Jahres zwischen dem Präsidenten des Bundesfinanzhofs und den Herren meines Hauses eine Vereinbarung erzielen lassen, daß in all den Fällen, in denen das Urteil für die ständige Verwaltungspraxis von einer Bedeutung - und zwar im Sinne einer Abänderung der bisherigen - sein kann, die Finanzverwaltung - also Land und Bund - rechtzeitig beteiligt wird und so rechtzeitig auf die Rechtsprechung Einfluß nehmen kann.
Eine Zusatzfrage!
Darf ich Ihre Antwort so auffassen, Herr Minister, daß also in Zukunft in aller Regel keine generelle Anweisung mehr ergeht, etwa ein Urteil in rechtsähnlichen Fällen nicht anzuwenden, sondern daß eben dann ein neuer Musterprozeß durchgeführt wird?
Selbstverständlich. Erstens hoffe ich, daß wir sogar die Fälle, in denen ein neuer Musterprozeß notwendig ist, auf ein äußerstes Minimum beschränken können. Das ist ja der Sinn der Beteiligung. Zweitens wird es nicht mehr heißen, wie das früher
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einmal auch in der Weimarer Republik der Fall war: Das Urteil ist nicht anzuwenden. Vielmehr würde es heißen: Bis zur Erledigung des neuerlich anhängigen rechtsähnlichen Falles ist eine Entscheidung der Finanzverwaltung abzuwarten.
Zur Frage 13 hat das Wort der Abgeordnete Stingl.
Eine Frage an den Herrn Bundeswirtschaftsminister:
Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, wann mit einer angemessenen Umstellung und Auszahlung der infolge der Spaltung der Stadt Berlin im Ostsektor eingefrorenen Postscheck- und Bankguthaben gerechnet werden kann?
Die gestellte Frage wegen der Umstellung und Auszahlung von Guthaben bei Finanzinstituten des Berliner Ostsektors ist in der letzten Zeit Gegenstand häufiger Beratungen zwischen dem Berliner Senat und der Bundesregierung gewesen. Es konnte noch nicht eindeutig geklärt werden, welche Stelle die mit der Umwandlung der Altgeld-Guthaben verbundene Belastung der öffentlichen Hand tragen soll. Die einzelnen Guthaben tragen so unterschiedlichen Charakter, daß es nicht leicht ist, zu ermitteln, ob es sich um sogenannte überörtliche Guthaben oder vielmehr um lokalgebundene Guthaben handelt. Von der Entscheidung dieser Frage hängt es zum wesentlichen Teil ab, ob der Bund oder Berlin die mit der Regelung verbundenen Lasten zu tragen haben. Nach Ansicht der Bundesregierung müßte das Land Berlin entsprechend § 1 des Dritten Überleitungsgesetzes ebenso wie die übrigen Länder grundsätzlich die Ausgleichslasten übernehmen, die sich aus der Neuordnung des Geldwesens ergeben, und zwar auch soweit diese aus der Umwandlung von Konten entstehen, deren Inhaber nicht ihren Wohnsitz in dem betreffenden Gebiet haben. Der Finanzsenator von Berlin teilt diesen Standpunkt nicht.
Außerdem sind noch einige Fragen mehr technischer Natur zu klären, wie z. B. das Verfahren, das beim Fehlen geeigneter Unterlagen eingeschlagen werden soll.
Über die noch offenen Fragen finden Verhandlungen zwischen dem Senat Berlin und den Bundesressorts statt. Es kann erwartet werden, daß ein diskussionsreifer Vorschlag für eine Regelung im Frühjahr 1956 vorgelegt werden wird. Bis zur Beendigung dieser Arbeiten kann auch noch nicht abschließend dazu Stellung genommen werden, welches Umstellungsverhältnis der Gesetzentwurf vorsehen wird.
Zur Frage 14 Herr Abgeordneter Stingl.
Weshalb vertreten Sie, Herr Bundesarbeitsminister, in Übereinstimmung mit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung die Auffassung, daß bei Arbeitnehmern, die bisher im Ostsektor oder in der Sowjetzone gearbeitet haben, wenn sie unter 750 DM Ost verdient haben, eine Überprüfung der Verdiensthöhe notwendig sei, während eine solche Überprüfung bei einem Verdienst von über 750 DM Ost nicht stattfindet?
Läßt sich die Auffassung rechtfertigen, daß bei 750 DM Ost Einkommen keine „Überhöhungen" vorkommen?
Herr Bundesminister für Arbeit:
Erstens. Ich vertrete nicht die Auffassung, daß bei Arbeitnehmern, die im Ostsektor von Berlin oder in der Sowjetzone gearbeitet und ein Entgelt unter 750 DM Ost hatten, generell bei der Bemessung der Arbeitslosenunterstützung eine Überprüfung dieses Entgelts stattzufinden halbe. Vielmehr wird die Unterstützung in der Regel nach diesem Entgelt und unter Anwendung des Grundsatzes Ostmark gleich Westmark gewährt, wobei übrigens ohnehin höchstens - wie in der Krankenversicherung beim Krankengeld - 500 DM der Bemessung der Unterstützung zugrunde liegen können. Denn der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wird auch bei Entgelten von über 500 DM höchstens von 500 DM erhoben.
Lediglich in den Ausnahmefällen, in denen offensichtlich das Ostmarkentgelt deshalb wesentlich höher ist als das Entgelt einer entsprechenden Beschäftigung im Bundesgebiet, weil es nicht nur nach wirtschaftlichen und sozialen, sondern auch nach politischen Gesichtspunkten zusammengesetzt ist, habe ich die Auffassung vertreten, daß das sowjetzonale Entgelt nur insoweit als Entgelt bei der Bemessung der Unterstützung berücksichtigt werden kann, als es auch bei einer vergleichbaren Tätigkeit im Bundesgebiet hätte erzielt werden können. Verführe man anders, so würde die Unterstützung in diesen Ausnahmefällen günstiger bemessen werden als bei jedem anderen Unterstützungsempfänger des Bundesgebiets.
Zweitens. Derselbe Gesichtspunkt, der bei der Bemessung der Arbeitslosenunterstützung in den genannten Ausnahmefällen der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes Ostmark gleich Westmark entgegensteht, verbietet aber gleichzeitig, bei Angestellten in Fällen eines Ostmark-Entgelts über 750 DM die Gewährung von Arbeitslosenunterstützung zuzulassen. Denn wer als Angestellter über 750 DM verdient, ist in der Bundesrepublik nicht angestellten- und damit auch nicht arbeitslosenversicherungspflichtig. Man würde demnach diejenigen, deren Ostmark-Entgelt über 750 DM aus politischen Gesichtspunkten überhöht ist - sofern man sie als arbeitslosenversichert anerkennen würde -, gegenüber 'denjenigen bevorzugen, die ein gleich hohes, aber nur nach allein wirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammengesetztes Entgelt erhielten. Denn die letzteren können unzweifelhaft ebensowenig Arbeitslosenunterstützung beziehen wie ein Angestellter mit gleich hohem Verdienst in der Bundesrepublik.
Frage 15. Herr Abgeordneter Stingl!
Welche Überlegungen stellt die Bundesregierung dazu an, daß bei der Spaltung der Stadt Berlin in einigen Fällen von westlichen Persönlichkeiten der Rat gegeben wurde, Arbeitsplätze im Osten nicht zu verlassen, sondern auszuhalten, daß in der Folgezeit diese Arbeitnehmer, die daraufhin im Osten tätig blieben, entlassen worden sind und nun ein Teil von
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ihnen entweder gar keinen oder nur einen geringer bezahlten Arbeitsplatz erhalten kann?
Ist daran gedacht, die daraus entstehenden Nachteile, etwa bei der Rentenversicherung, auszugleichen?
Der Herr Bundesminister für Arbeit!
Bei dem in der Anfrage angesprochenen Personenkreis handelt es sich einmal um Arbeitnehmer, die in WestBerlin wohnhaft sind und bisher in Ost-Berlin tätig waren. Zum anderen kommen hier solche Personen in Betracht, die von Ost-Berlin, wo sie wohnhaft und tätig waren, nach Verlust ihres Arbeitsplatzes nach West-Berlin oder in die Bundesrepublik zugewandert sind. Bei dem letztgenannten Personenkreis handelt es sich um echte Sowjetzonenflüchtlinge, die im Falle ihrer Notaufnahme die Vergünstigungen auf Grund des Bundesvertriebenengesetzes genießen. Sie haben hiernach einen Anspruch auf bevorzugte Arbeitsvermittlung.
Hinsichtlich des erstgenannten Personenkreises wird in der Anfrage unterstellt, daß die erwähnten Personen, wenn sie bei der Spaltung der Stadt Berlin ihren Arbeitsplatz aufgegeben hätten, in West-Berlin sofort einen neuen, gleichwertigen Arbeitsplatz gefunden und auch dauernd behalten hätten. Von einer solchen Voraussetzung kann aber nicht ausgegangen werden.
Der Schutz der Arbeitslosenversicherung ist in den in der Anfrage behandelten Fällen grundsätzlich gegeben. Die Frage, ob Zeiten der Nichtbeschäftigung, wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit, als rentensteigernd berücksichtigt werden können, wird allgemein gemäß dem Beschluß des Hohen Hauses in der 77. Sitzung am 31. März 1955 im Zusammenhang mit der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung zu überprüfen sein.
Frage 16. Herr Abgeordneter Freidhof!
Ich frage die Bundesregierung:
Wann ist mit der Vorlage der Denkschrift der Bundesregierung über die Behebung der Not in den Zonenrandgebieten zu rechnen, die Herr Bundesminister Kraft nach seinen Angaben vom 7. Juni 1954 in Kassel im Auftrage des Herrn Bundeskanzlers anfertigen sollte?
Der Herr Bundesminster für Wirtschaft!
Die von Herrn Bundesminster Kraft nach sehr eingehenden Ermittlungen verfaßte Denkschrift ist sowohl im Kabinett als auch im Kabinettsausschuß ausführlich erörtert worden. Die in ihr enthaltenen Vorschläge, Hinweise und Anregungen waren für die fortgesetzten Erörterungen der Bundesregierung über die Gestaltung einer wirksamen Zonenrandhilfe von großem Nutzen. Es war nicht vorgesehen, diese für die Bundesregierung als gutachtliche Außerung bestimmte Arbeit zu veröffentlichen.
Um die Durchführbarkeit einiger von Herrn Bundesminister Kraft gegebenen Vorschläge zu prüfen, mußten noch Verhandlungen mit den in Betracht kommenden Ländern geführt werden.
Diese Verhandlungen sind jetzt so weit abgeschlossen, daß der Kabinettsausschuß demnächst an Hand der Denkschrift über die Frage ergänzender Maßnahmen der Zonenrandhilfe beschließen kann. Sobald der Beschluß des Wirtschaftskabinetts vorliegt, wird die Bundesregierung in einer Verlautbarung bekanntgeben, in welcher Weise die Maßnahmen zur Förderung der Zonenrandgebiete fortgeführt werden.
Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage!
Wird den Mitgliedern des Bundestages von dem Ergebnis dieser Untersuchungen Kenntnis gegeben werden?
Von dem Beschluß des Wirtschaftskabinetts!
Zu Frage 17 Abgeordnete Frau Dr. Lüders!
Wann gedenkt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf über die Erweiterung des Jugendarbeitsschutzes vorzulegen?
Der Bundesminister für Arbeit!
Ein erster Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz der arbeitenden Jugend ist in meinem Haus erstellt worden und liegt zur Zeit den Sozialpartnern, den Arbeitsministern der Länder, den beteiligten Bundesressorts und einer Anzahl interessierter Verbände zur Stellungnahme vor. Der Entwurf hat, da er zahlreiche Änderungen und Erweiterungen des geltenden Rechts bringt, in der Öffentlichkeit und den beteiligten Kreisen starke Beachtung gefunden. Vor allem werden die vorgeschlagene Herabsetzung dier Arbeitszeit, die Einführung eines ärztlichen Überwachungsdienstes für alle beschäftigten Jugendlichen und die Ausdehnung des Jugendarbeitsschutzes auf die Jugendlichen, die in der Landwirtschaft und im privaten Haushalt tätig sind, lebhaft diskutiert. Die bisherigen Erörterungen haben gezeigt, daß die Meinungen zu zahlreichen Fragen noch sehr weit auseinandergehen und daß es noch einer Reihe weiterer Besprechungen bedarf, bevor man eine Übereinstimmung unter den Beteiligten erzielen kann. Diese Besprechungen werden bei uns schnell fortgeführt, und wir hoffen, recht bald mit einem Gesetzesvorschlag vor das Hohe Haus treten zu können, der weitgehend die Zustimmung aller Beteiligten findet.
Eine Zusatzfrage? Frau Dr. Dr. h. c. Lüders ({0}): Nein.
Frage 18! Frau Dr. Dr. h. c. Lüders ({0}):
Beabsichtigt die Bundesregierung angesichts der großen Zahl schwerer und schwerster an Kindern und Jugendlichen verübten Verbrechen - wie schwerer Mißhandlungen und Sittlichkeitsverbrechen zum Teil mit Todesausgang - vor dier allgemeinen Strafrechtsreform
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dem Bundestag einen Vorschlag für die Verschärfung des Strafmaßes für solche Delikte vorzulegen?
Die Frage, sehr verehrte Frau Dr. Lüders, die Sie eben angeschnitten haben, ist schon lange Gegenstand ernster Sorge der Bundesregierung gewesen. Das Bundesjustizministerium hat die damit zusammenhängenden Probleme einer gewissenhaften Prüfung unterzogen. Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich nicht empfiehlt, bereits vor Durchführung der Strafrechtsreform hier strafverschärfende Maßnahmen zu treffen. Ich darf Ihnen die Gründe, die uns zu diesem Ergebnis kommen ließen, kurz vortragen.
Einmal: Für Kindesmißhandlung ist in § 223 b des Strafgesetzbuches eine Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren und für Sittlichkeitsdelikte gegenüber Kindern in § 176 eine Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren angedroht. Nun sind in beiden Fällen bei Vorliegen gravierender Umstände Erhöhungen dieses Strafmaßes möglich. Es kann also sogar bis auf lebenslängliche Zuchthausstrafe erkannt werden. Allerdings - das muß ich einräumen - ermöglichen die Vorschriften beim Vorliegen mildernder Umstände die Verhängung leichterer Strafen. Ich glaube aber, daß auf solche leichteren Strafen bei Vorliegen mildernder Umstände im Augenblick nicht verzichtet werden kann. Es gibt leichtere Fälle von Kindesmißhandlungen und auch von Sittlichkeitsdelikten an Kindern, bei denen das Verhalten des Täters zwar verwerflich, aber doch nicht zuchthauswürdig ist. Nach unserer Überzeugung sind die Vorschriften des geltenden Rechts durchaus geeignet, um in jedem einzelnen Fall zu einer gerechten Strafe zu kommen. Damit soll aber nicht zum Ausdruck, gebracht werden, daß unter Umständen nicht doch eine Änderung angezeigt erscheint. Warum sie im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für richtig gehalten wird, ergibt sich daraus, daß wir nicht an das Vorliegen eines Bedürfnisses glauben, aber auch aus unserer Auffassung, daß die große Strafrechtsreform doch eine Reihe sehr wesentlicher rechtspolitischer, kriminalpolitischer Gesichtspunkte würdigten muß, für die bis jetzt eine einheitliche Stellungnahme noch nicht erarbeitet ist. Wenn wir heute durch eine Novelle die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs in diesen Fragen änderten, dann könnte es vorkommen, daß infolge der großen Strafrechtsreform aus kriminalpolitischen Gesichtspunkten eine nochmalige Änderung notwendig erscheinen würde. Aus allen diesen Gründen glauben wir nicht, daß es angezeigt ist, schon jetzt eine Änderung eintreten zu lassen.
Ihre sehr interessanten Ausführungen über die Möglichkeit der Verhängung hoher Strafen veranlassen mich zu einer ganz kurzen Zusatzfrage. Welche Möglichkeiten sieht die Regierung, auf eine strengere Anwendung der bestehenden Vorschriften hinzuwirken?
Bitte, Herr Bundesjustizminister!
Ich darf hierzu folgendes bemerken. Es ist richtig, daß das Strafmaß, das heute bei derartigen Delikten häufig angewendet wird, auch mir große Sorgen bereitet. Ich möchte nicht verschweigen und möchte dies an dieser Stelle auch mit Nachdruck betonen: wir halten es nicht für richtig, daß nach Möglichkeit im. mer die Mindeststrafe angewendet wird. Es gibt, gerade was den Schutz der Integrität unserer Kinder betrifft, Fälle, in denen es notwendig ist, mit aller Schärfe zu strafen.
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Noch eine Zusatzfrage?
Ich danke bestens.
Wir kommen zur Frage 19. Das Wort hat Frau Dr. Maxsein.
Stimmt es, daß mit Änderungen des Bundesnotaufnahmegesetzes zu rechnen ist?
In welcher Richtung sollen sich diese Änderungen bewegen, und zu welchem Zeitpunkt kann man mit der Vorlage einer Novelle rechnen?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.
Frau Abgeordnete, es trifft zu, daß von meinem Haus und von den anderen beteiligten Bundesressorts zur Zeit geprüft wird, ob und in welchem Ausmaß durch die Änderung einzelner Bestimmungen des Notaufnahmegesetzes und der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz das bisherige Aufnahmeverfahren vereinfacht und beschleunigt werden kann. Eine Änderung des materiellen Notaufnahmerechts sieht der Entwurf nicht vor. Zu welchem Ergebnis die Überlegungen führen, kann noch nicht gesagt werden, zumal die notwendigen Verhandlungen mit Berlin und den Aufnahmeländern noch nicht abgeschlossen sind. Da es sich hier um eine sehr schwierige Aufgabe handelt, die auch ein besonderes politisches Gesicht hat, ist eine sehr eingehende Würdigung und Abwägung aller damit zusammenhängenden Fragen erforderlich. Es läßt sich daher zur Zeit noch nicht absehen, ob und wann mit der Vorlage einer Novelle gerechnet werden kann.
Eine Zusatzfrage? Frau Dr. Maxsein ({0}): Nein.
Meine Damen und Herren, ich muß damit die Fragestunde abbrechen. Die noch nicht behandelten Fragen werden, wie es Übung ist, schriftlich beantwortet. Die nächste Fragestunde findet am Donnerstag, dem 1. Dezember 1955, statt. Der Schlußtermin für einzureichende Fragen ist Freitag, der 25. November 1955, 12 Uhr. Wir verlassen damit Punkt 1 der Tagesordnung.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat die Beratung der konjunkturpolitischen Lage im Deutschen Bundestag
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zu diesem Zeitpunkt und hier in Berlin im Einvernehmen mit den Fraktionen des Hohen Hauses bewußt herbeigeführt, um von hier, aus der Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschland, dem deutschen Volke vor Augen zu führen, wie die Bundesregierung die derzeitige konjunkturelle Lage und die sich aus ihr abzeichnenden wirtschaftlichen Entwicklungen beurteilt, aber auch dazutun, welche wirtschafts- und finanzpolitischen Mittel ihr für diese spezifische Phase der Konjunktur geeignet erscheinen, um eine aktive Konjunkturbeeinflussung vorzunehmen und damit wieder mögliche Gefahren rechtzeitig zu bannen.
Daß diese Konjunkturdebatte hier in Berlin stattfindet, erachtet die Bundesregierung als einen glücklichen Umstand. Die Grenze zwischen dem Wirtschaftssystem der Freiheit und dem Wirtschaftssystem des Zwanges geht mitten durch die Stadt Berlin. Trotz der besonders schwierigen Verhältnisse, unter denen sich der wirtschaftliche Aufbau dieser Stadt vollziehen mußte, und trotz der hier noch zu lösenden Probleme werden an dieser in der Welt sichtbarsten Nahtstelle von Freiheit und Unfreiheit die Erfolge einer freiheitlichen Wirtschaftspolitik, wie sie die Bundesregierung eingeleitet hat, besonders deutlich sichtbar und spürbar. Sie mahnen uns gleichzeitig, der Sorgen Berlins und der großen Aufgaben eingedenk zu bleiben, die uns in einer hoffentlich recht nahen Zukunft gestellt werden. Wir werden auch auf dem wirtschaftlichen Felde und im sozialen Bereich mit Zuversicht und Entschlossenheit an die uns mit der Wiedervereinigung aufgegebenen Probleme herangehen. Wenn ich darum einleitend einige wirtschaftliche Daten und Fakten anführe, die den in sieben Jahren aus dem Zusammenbruch zurückgelegten Weg des Wiederaufbaus kennzeichnen sollen, dann geschieht das vornehmlich, um allen deutschen Menschen in Ost und West, die die Einheit unseres Vaterlandes in Frieden und Freiheit ersehnen, eine neue Hoffnung zu setzen.
Von Mitte 1948, dem Beginn der Politik der Sozialen Marktwirtschaft, bis Mitte 1955 ist die industrielle Produktion von 63 % - Basis 1936 - auf nunmehr über 200 % gestiegen. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten von 13,4 Millionen auf 17,7 Millionen, also um über 4,3 Millionen.
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Die deutsche Ausfuhr erhöhte sich von 2,9 Milliarden im Jahre 1948 auf schätzungsweise 24 Milliarden DM für das Jahr 1955. Die Bank deutscher Länder, die zum Zeitpunkt der Währungsreform über keinerlei materielle Reserven verfügte, weist heute einen Gold- und Devisenbestand von 12,5 Milliarden DM aus, während gleichzeitig die Spareinlagen von 1,6 Milliarden auf 19,4 Milliarden angewachsen sind.
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Trotz dieser gewaltigen Aufbauleistung sind, vor allem auch in einem internationalen Vergleich, Preise und Lebenshaltungskosten trotz gewisser Erhöhungstendenzen, über die noch zu sprechen sein wird, bemerkenswert stabil geblieben. Auf Indexbasis 1950 erhöhten sich die Bruttostundenverdienste des deutschen Arbeiters vom zweiten Vierteljahr 1949 zum gleichen Quartal 1955 von 93,3 auf 137,1 % - das sind rund 47 % Steigerung -, während sich der Reallohn von 87,2 % auf 125,8 % - das sind rund 44 % - verbesserte.
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Während im Jahre 1950 in der Bundesrepublik für soziale Leistungen 11,4 Milliarden DM aufgewendet wurden, errechnet sich für 1955 ein Betrag von 22 Milliarden DM. Ich möchte meinen, daß ein Volk und eine Volkswirtschaft, die unter so harten Bedingungen diese hier in wenigen Ziffern charakterisierte Aufbauleistung vollzogen haben, auch vom Ökonomischen her gesehen auf diesen Zustand vertrauen dürfen.
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Doch nun zur Konjunkturlage. Die Bundesregierung ist mit der Bank deutscher Länder der Auffassung, daß die bisherige tatsächliche Entwicklung der Erzeuger-, Handels- und Verbraucherpreise für sich allein betrachtet keinen Anlaß zu einer ernsten Besorgnis bietet.
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Obwohl sich die Wirtschaft der Bundesrepublik in einer ausgesprochenen Hochkonjunktur befindet, ist das Preisniveau - und das besonders auf den Verbrauchsgütermärkten - im wesentlichen stabil geblieben.
Was indessen die Bundesregierung in den letzten Wochen mit einer gewissen Beunruhigung erfüllt hat, ist das Verhalten der Menschen im wirtschaftlichen Prozeß. Die Maßstäbe für das, was jeder einzelne aus einer Hochkonjunktur für sich an Nutzen ziehen kann, und für das, was der gesamten Volkswirtschaft dienlich ist, drohten allenthalben verloren zu gehen. Der Widerstand gegen höhere Preise ist sowohl innerhalb der Wirtschaft selbst als auch bei der Verbraucherschaft schwächer geworden. Diese Haltung läßt darauf schließen, daß man in manchen Kreisen und Gruppen der Wirtschaft mit der Möglichkeit rechnet, höhere Kosten durch eigene Preiserhöhungen oder eine Verteuerung der Lebenshaltung durch die Erhöhung des eigenen Arbeitseinkommens wettmachen oder sogar überkompensieren zu können. Aus einer so gedankenlosen inneren Einstellung erwächst naturgemäß die große volkswirtschaftliche Gefahr, daß überhöhte Löhne gefordert und auch zugestanden werden,
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die Preise aber dabei in eine wirtschafts- und sozialpolitisch gleichermaßen gefährliche Entwicklung geraten. Die bekannte Spirale, in der sich Preise und Löhne gegenseitig hochschrauben, ist in diesen letzten Wochen der breiten deutschen Öffentlichkeit wenn schon noch nicht sichtbar, so doch in ihrer möglichen Gefahr bewußt geworden. Diese Sorge war es denn auch, die zu einer sichtbaren Verschlechterung des Preisklimas beigetragen hat.
In dieser Lage war die Bundesregierung zum Eingreifen entschlossen, und ich als verantwortlicher Minister habe es mir im besonderen angelegen sein lassen, alle Gruppen der Bevölkerung zunächst unmittelbar anzusprechen, um ihnen die Zusammenhänge und Konsequenzen eines leichtfertigen und bedenkenlosen Verhaltens deutlich vor Augen zu führen. So sind mit den Gewerkschaften Gespräche darüber geführt worden, in welchen Grenzen, gesamtwirtschaftlich gesehen, Lohnerhöhungen gerechtfertigt und tragbar erscheinen. Der Industrie, dem Handel und dem Handwerk ist zu ernster Überlegung anheimgegeben worden, ob nicht trotz mancher Kostenerhöhungen durch Vollbeschäftigung und Mengenkonjunktur doch auch Kostensenkungen bewirkt wor({7})
den sind, die in individueller, unternehmerischer Verantwortung mancherorts auch Möglichkeiten der Preissenkung zulassen würden.
Nicht zuletzt habe ich mich auch an die Verbraucher, insbesondere die Hausfrauen gewandt, daß sie wach sein und sich ihrer Macht als Käufer bewußt werden möchten, weil gerade ihr Verhalten im Markte ein preisstabilisierender Faktor erster Ordnung ist.
Die Bundesregierung hat diesen undogmatischen Weg, der den Vorstellungen einer klassischen Konjunkturpolitik vielleicht nicht entspricht, dennoch bewußt beschritten, weil sie der Auffassung ist, daß der Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens weitgehend von dem Willen lebendiger Menschen gestaltet wird und daß der Appell an die wirtschaftliche Vernunft sehr wohl Gefahren zu beseitigen geeignet ist, denen jede Wirtschaft ausgesetzt sein muß, in der Maß und Besinnung verloren zu gehen drohen. Wenn jene psychologischen Mittel ein verändertes wirtschaftliches Verhalten der Bevölkerung bewirken, werden sie zu einer ökonomischen Realität und erfüllen den gleichen Zweck wie andere Maßnahmen der hergebrachten Konjunkturpolitik. Das Ziel der psychologischen Einflußnahme ist in jedem Fall, die Konjunktur, die Stabilität der Währung und ein gesundes Wachstum unserer Wirtschaft zu erhalten, schädliche Auswüchse aber zu beseitigen.
Diese teilweise belächelten Mittel der Konjunkturbeeinflussung haben bereits gewisse Wirkungen gezeitigt. Eine Anzahl von Unternehmungen hat bereits Preissenkungen auch für solche Güter durchgeführt, die der breiten Masse der Bevölkerung zugute kommen, andere haben ihre Bereitschaft bekundet, so daß für die nächste Zukunft
mit weiteren positiven Ergebnissen gerechnet werden kann.
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Auch die Arbeitnehmerschaft hat anerkannt, daß ihr persönliches Schicksal, die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze, von dem Erfolg jener Bemühungen abhängig ist, die die Sicherung der Stabilität unseres Preisniveaus auch für die Zukunft zum Ziele haben.
Die Bundesregierung darf unter keinen Umständen zulassen - das hier zu erklären, ist meine Pflicht -, daß durch die Verfolgung von Gruppeninteressen, von welcher Seite auch immer sie vertreten werden mögen, die Stabilität unserer Währung gefährdet wird.
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Millionen von Menschen haben trotz zweimaliger Geldentwertung im Vertrauen auf die Politik der Bundesregierung wieder die Tugend des Sparens geübt und nahezu 20 Milliarden DM zurückgelegt.
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Millionen von Rentnern insbesondere werden von jeder Preissteigerung in ihrem sozialen Sein aufs härteste betroffen.
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Diese Menschen dürfen nicht verraten und betrogen werden.
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Die Bundesregierung fühlt sich hier als Sachwalterin der wirtschaftlichen Interessen aller Bürger
und möchte darum mit allem Nachdruck versichern, daß sie die Stabilität der Währung unter allen Umständen aufrechterhalten wird und aufrechterhalten kann.
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Sie verfügt in der Einheit von Wirtschafts- und Finanzpolitik über ein Instrumentarium von volkswirtschaftlichen Einwirkungsmöglichkeiten, die die notwendige Stabilität von Wirtschaft und Währung auch für die Zukunft gewährleisten.
Die Bundesregierung wird aber auch auf dem internationalen Felde alle Anstrengungen unternehmen, um jener gefährlichen These zu begegnen, daß eine leichte, fortdauernde Verdünnung der Kaufkraft sogar als ein wertvoller Konjunkturimpuls gelten könne.
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Solange diese Verwirrung nicht völlig überwunden ist, wird auch der Schrei nach dem Wohlfahrts- und Versorgungsstaat nicht verstummen können; wenn diesem gefährlichen Denken nicht Einhalt geboten wird, droht die Gefahr des allmählichen Erliegens eines freien Kapitalmarktes und eine Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Volkswirtschaft mit Kapital. Unstabiles Geld zerstört die gesellschaftlichen und sozialen Grundlagen jeder freien staatlichen Ordnung.
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Die Bundesregierung vertritt ferner die Auffassung, daß das gemeinsame Interesse Wege der Konjunkturpolitik vorschreibt, die der unterschiedlichen Lage der einzelnen Zweige unserer Wirtschaft und der verschiedenen sozialen Bevölkerungsschichten gerecht werden. Sie hat ein Programm aufgestellt, das diesen Erfordernissen Rechnung zu tragen versucht. Dieses Programm geht davon aus, daß besondere Anspannungen und deshalb auch Störungen vor allem auf dem, Arbeitsmarkt, auf dem Baumarkt und teilweise auch im Investitionsgüterbereich zu verzeichnen sind. Es gilt zu vermeiden, daß diese bisher auf Teilgebiete beschränkten Spannungen auf die gesamte Wirtschaft übergreifen. Die Gefahr eines solchen Überflutens ist gegeben, da die inländischen Arbeitskraftreserven durch die stark angestiegene Bau- und Investitionstätigkeit weitgehend erschöpft und die Kapazitäten in wichtigen Teilen der Wirtschaft voll ausgenutzt sind, während die Nachfrage noch auf eine Steigerung der Produktion drängt.
Das konjunkturpolitische Programm geht weiter davon aus, daß besondere Anstrengungen unternommen werden müssen, auch den Rentnern, Sozialversicherungsempfängern und allen Bevölkerungskreisen, die dem Produktionsprozeß ferner stehen und die deshalb mit ihrem Einkommen nicht automatisch an dem wirtschaftlichen Fortschritt und steigenden Wohlstand teilhaben können, dennoch das Gefühl und die Gewißheit einer immer besseren Existenzsicherung zu vermitteln.
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- Ich weiß gar nicht, welche Einwände Sie dagegen haben können.
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Die Bundesregierung ist sich der besonderen Lage und Schwierigkeiten einzelner Wirtschafts({18})
Bereiche wie z. B. der Landwirtschaft oder ähnlicher Zweige des Mittelstandes sehr wohl bewußt. Zwar hat die Landwirtschaft aus der konjunkturellen Entwicklung insoweit Nutzen gezogen, als mit dem wachsenden Volkseinkommen und der wachsenden Kaufkraft auch ihre Erlöse gestiegen sind; aber sie hat dafür auch Belastungen auf sich nehmen müssen, da die Produktionskosten und Löhne ebenfalls gestiegen sind. Diese Anliegen gehen indessen über die umfassende Fragestellung der Konjunkturpolitik hinaus; sie bedürfen einer speziellen Behandlung, für die die Bundesregierung innerhalb ihrer Ressorts eingehende Vorbereitungen getroffen hat.
Die Bundesregierung läßt sich von dem Gedanken leiten, daß der hohe Grad unseres wirtschaftlichen Fortschritts, den die gemeinsame Arbeit aller ermöglicht hat, auch der gesamten Bevölkerung zugute kommen muß. Im Jahre 1945 war Deutschland politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich ein Trümmerfeld. Wenn der Wiederaufbau bis zu diesem sichtbaren Erfolg gelungen ist, sollten die Grundsätze dieser unserer Wirtschaftspolitik auch für die Zukunft Anwendung finden
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und nicht hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit gelegentlich in Zweifel gezogen werden.
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Das Erreichte könnte nur durch den Sieg der Gruppeninteressen gefährdet werden.
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I Die Bundesregierung handelt in ihrer Politik für das gesamte deutsche Volk und fühlt sich auch für dessen wirtschaftliche und soziale Zukunft voll verantwortlich.
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Sie wendet sich daher eindringlich gegen alle jene Bestrebungen, die Gruppenziele als konjunkturpolitische Erfordernisse deklarieren und Maßnahmen vorschlagen, deren Anwendung in der Tat gerade zu einer Übersteigerung der Konjunktur und damit auch zu Preissteigerungen unerwünschten, ja vielleicht sogar gefährlichen Ausmaßes führen müßten. Niemand wird verkennen wollen, daß angesichts unserer Arbeitsmarktlage weitere Fortschritte der Rationalisierung im Interesse aller liegen und jede Verbesserung der Lebensführung wesentlich nur aus Erfolgen dieser Art fließen kann. Aber dazu bedarf es in unserer derzeitigen Konjunkturlage keiner zusätzlichen Investitionsanreize, noch scheint es tunlich zu sein, die Nachfrage nach solchen Gütern durch besondere steuerliche Maßnahmen noch zu steigern, ja unter Umständen sogar übersteigern zu wollen. Wenn wir das Volumen der Investitionen - die Investitionsquote beträgt 27 % des Brutto-Sozialprodukts, die Zunahme der einschlägigen Produktion gegenüber dem Vorjahre ebenfalls 27 % -auf dem derzeitigen hohen Stand behaupten können, dann bewegen wir uns auch im internationalen Vergleich auf Rekordhöhe und haben das Menschenmögliche getan. Das Maßhalten bedeutet also beileibe keine Resignation und keinen Fatalismus, sondern zeugt nur von der notwendigen. Einsicht in die realen Gegebenheiten und Möglichkeiten.
Da in dieser Beziehung fast eine Sprachverwirrung Platz gegriffen hat, erklärt die Bundesregierung, daß sie hinsichtlich der Investitionen also keineswegs an eine radikale Drosselung denkt, daß sie aber auch keiner Ausdehnung zustimmen kann, die die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die allgemeinen Störungstendenzen nur verschärfen müßte. Die Bundesregierung weiß also sehr wohl, daß die Rationalisierung das wichtigste Mittel darstellt, um konjunkturelle Spannungen zu beseitigen. Aber sie weiß auch, daß eine weitere Aufblähung des Investitionsanteils am Sozialprodukt zu Lasten des Verbrauchs den konjunkturellen, ökonomischen, sozialen und politischen Rahmen sprengen und daneben jene schon erwähnten gefährlichen Preisauftriebstendenzen auslösen muß.
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Das mit statistischem Material sehr wohl beweisbare Zurückhinken der Verbrauchsgütererzeugung und des Verbrauchs gegenüber der Investitionstätigkeit ist, wie ich wohl kaum zu versichern brauche, nicht etwa Ausfluß einer bewußt auf Begünstigung oder Benachteiligung abzielenden Politik, sondern vollzog sich in Konsequenz der wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die uns vor die sozial drängende Aufgabe stellten, für 10 Millionen Flüchtlinge Vorsorge zu treffen, für über 4 Millionen Menschen Arbeitsplätze zu schaffen und die Produktivität unserer Wirtschaft auf den hohen Stand zu bringen, der uns in der Welt wettbewerbsfähig werden ließ. Hier sind Schicksalsfragen des deutschen Volkes angesprochen, über die sich keine Regierung hinwegsetzen konnte.
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Die Bundesregierung kann und darf heute keine Konjunkturpolitik vertreten, die den Willen nach einer bewußten Verkürzung des Verbrauchs erkennen ließe; denn eine solche Zielsetzung wäre konjunkturpolitisch insofern sogar widerspruchsvoll, als die Spannungen und Preisauftriebstendenzen nicht in der Verbrauchs-, sondern fast ausschließlich in der Investitionsgütersphäre in Erscheinung treten. Eine solche Politik wäre auch unrealistisch, weil nach Maßgabe eines sich ständig ausweitenden Sozialprodukts eine Steigerung der Massenkaufkraft zur Erhaltung des Gleichgewichts sogar notwendig ist und eine moderne aufstrebende Volkswirtschaft des Fundaments einer breitgeschichteten Massenkaufkraft gar nicht entraten kann. Ich selbst kann wohl am wenigsten in den Verdacht geraten, verbrauchsfeindlich eingestellt zu sein.
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Aber das wiederum kann nicht besagen, daß eine übermäßige Verbrauchssteigerung nicht ebenfalls konjunkturpolitische Gefahren zeitigen könnte. In jedem Fall aber würde eine nach dieser Richtung übersteigerte Politik im Hinblick auf die Sicherung des Fortschritts und die Mehrung des Wohlstandes auch für die Zukunft dem Interesse des ganzen deutschen Volkes wenig dienlich sein. Es ist darum nicht eine billige Redensart, sondern bedeutet oberstes volkswirtschaftliches Gebot, wenn die Bundesregierung von allen Schichten unseres Volkes Verständnis für das rechte Maßhalten und innere Disziplin fordert.
Wenn die Bundesregierung zur Sicherung ihrer auf die Stabilität von Wirtschaft und Währung abgestellten Politik willens ist, auch Mittel der Handels- und besonders der Zollpolitik einzusetzen, ist sie sich bewußt, daß sie sich 'damit in keiner Weise
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der Zweckentfremdung dieser Instrumente schuldig macht. Wenn die Bundesregierung auch nicht daran denkt, sich des Trumpfes der Zollpolitik zur Aushandlung zollpolitischer Zugeständnisse seitens des Auslandes ohne Gegenleistung zu begeben, so würde doch ein Verzicht auf Anwendung von zollpolitischen Maßnahmen auch für rein innerwirtschaftliche Zwecke nicht verantwortet werden können. Eine recht angesetzte Zollpolitik vermag gerade in dier gegenwärtigen Konjunkturlage zu einem preisstabilisierenden Faktor von besonderem Gewicht zu werden; sie stellt sicher, daß beide Partner, d. h. in diesem Falle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, nicht aus der volkswirtschaftlichen Front gemeinsamer Verantwortung ausbrechen können.
Nicht die Marktwirtschaft ist es, die in dieser Konjunkturphase versagt haben soll; diese Ordnung droht vielmehr dort gestört zu werden, wo ihr innerstes Element, der Wettbewerb, erlahmt. Darum ist es nur folgerichtig, diesen nach Kräften zu beleben und auch von außen in unsere Volkswirtschaft hereinzutragen. Der Preis wird nicht dort als überhöht empfunden, wo echter, vielgestaltiger Wettbewerb herrscht, sondern dort, wo der Wettbewerb eingeschränkt ist. Es erübrigt sich fast, dem hinzuzufügen, daß die Bundesregierung in der internationalen Zusammenarbeit stets in der Front derer stehen wird, die für eine Weitung und Befreiung der Märkte eintreten. Sind auf diesem Felde erst noch größere Erfolge erreicht, dann wird dieser Fortschritt nicht ohne Einfluß auf die innerwirtschaftlichen Konjunkturverhältnisse bleiben.
Die vorstehenden Überlegungen sind neben den rein finanzpolitischen Notwendigkeiten auch der Grund dafür, weshalb die Bundesregierung in dier gegenwärtigen Konjunktursituation nicht zu größeren Zugeständnissen in der Richtung einer allgemeinen Steuersenkung bereit sein kann. Wenn sie sich trotzdem unter bestimmten Voraussetzungen zur Senkung von Verbrauchsteuern bereit erklärt, tut sie das, um auch ihrerseits einen Beitrag zur Preissenkung im Verbrauchsgütersektor zu leisten.
Die Bundesregierung hat - entgegen den über Jahrzehnte reichenden Erfahrungen - die feste Absicht, die derzeitige Konjunktur nicht wieder in den wirtschaftlichen Abschwung, die Depression und die Krise einmünden zu lassen. Der gesunde Menschenverstand wehrt sich mit Recht dagegen, daß man in der für alle segensreichen guten Konjunktur eine Gefahr erblicken will. Aber der gleiche gesunde Menschenverstand müßte auch allen Schichten unseres Volkes deutlich machen, daß niemand aus einer illusionären Einschätzung der konjunkturpolitischen Möglichkeiten so viel verdienen kann, wie er mit Sicherheit verlieren muß, wenn es um der Sicherung der Währung willen notwendig werden sollte, einer sich verstärkenden und ausbreitenden Konjunkturüberhitzung mit den allgemein wirkenden Maßnahmen der Geld- und Kreditpolitik zu begegnen.
({27})
Die Bundesregierung hegt vielmehr die feste Überzeugung, daß es ihr mit der Unterstützung aller Bevölkerungsschichten und aller wirtschaftlichen Gruppen möglich ist, die Hochkonjunktur zu erhalten und einen weiteren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu gewährleisten. Das Kernstück unserer neuen ökonomischen Ordnung beruht gerade darauf, die hektischen Konjunkturschwankungen aus dem Entfaltungsprozeß der
Wirtschaft zu eliminieren und den Zustand einer vollen Beschäftigung bei gleichzeitiger Ausschöpfung aller Möglichkeiten des Fortschritts und des Wachstums als für die Volkswirtschaft normal zu konstituieren.
Aus dieser Verantwortung heraus legt die Bundesregierung dem Hohen Hause das folgende konjunkturpolitische Programm vor.
1. Die Bundesregierung wird im Zusammenwirken mit der Bank deutscher Länder die Stabilität von Wirtschaft und Währung mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gewährleisten
2. Sie unternimmt selbst und unterstützt alle Bemühungen, Preissenkungen dort, wo sie betrieblich möglich sind, zu verwirklichen. Sie ist überzeugt, daß eine maßvolle Haltung der Unternehmen in ihrer Preispolitik dem eigenen Interesse und dem Nutzen aller mehr dient als eine bedenkenlose Ausschöpfung aller konjunkturellen Möglichkeiten.
3. Gleichzeitig erwartet die Bundesregierung von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern und deren Organisationen, daß sie Lohnbewegungen in einem vernünftigen, gesamtwirtschaftlich vertretbaren Maße halten, das nicht zu Preissteigerung und Gefährdung des Lebensstandards der sozial schwächsten Schichten führt.
({28})
4. Die Bundesregierung wird ihrerseits darum bemüht sein, die staatlich gebundenen Preise und Tarife nicht zu erhöhen. Sie wird auf die Länderregierungen, die Städte, Kreise und Gemeinden einwirken, sich dem Beschluß der Bundesregierung für ihre Bereiche anzuschließen. Unbeschadet dieses Grundsatzes wird die Bundesregierung ihre Verpflichtungen aus dem Landwirtschaftsgesetz und dem Bundestagsbeschluß vom 8. Juli 1955 erfüllen.
5. Auch die Bundesregierung wird einen Beitrag zur Preissenkung leisten, indem sie dem Bundestag Senkungen von Verbrauchsteuern da vorschlägt, wo die Sicherheit besteht, daß die Senkung dieser Steuern dem Verbraucher voll und dauernd zugute kommt.
({29})
6. Die Fortführung der bisherigen erfolgreichen Außenhandelspolitik, die durch eine fortschreitende Liberalisierung und eine freizügige Zollpolitik gekennzeichnet ist, wird der Bundesregierung auch in der gegenwärtigen konjunkturellen Lage ein besonderes Anliegen bleiben.
Die Bundesregierung hat ein Programm für Zollsenkungen vorbereitet, das eine 50%ige Senkung aller Zölle bei den sächlichen Betriebsmitteln der Landwirtschaft, den Baumaterialien und Baubedarfsgütern zum Ziele hat. Vorschläge zu weiteren Zollsenkungen bei Betriebsmitteln des Handwerks und des Handels wird die Bundesregierung ehestens dem Bundestag zuleiten.
7. Wenn die finanzielle Vorsorge, die der Bundeshaushalt für die Zwecke der in den nächsten Jahren auf uns zukommenden Ausgaben zu treffen hat, nicht gefährdet werden soll, müssen weitere steuerliche Maßnahmen im Einklang mit den finanzwirtschaftlichen Erfordernissen gehalten werden. Aus diesen und zugleich auch aus konjunkturpolitischen Gründen kann die Bundesregierung zur Zeit keine allgemeinen Steuersenkungsmaßnahmen erwägen.
({30})
Sie erachtet indessen die Förderung geeigneter Rationalisierungsmaßnahmen auf volkswirtschaftlich wichtigen Einzelgebieten für geboten.
Sie will des weiteren dem Parlament Verbesserungen der Ehegattenbesteuerung und der Werbungskostenpauschale vorschlagen.
8. Zur Entlastung des Baumarktes wird die Bundesregierung ihre eigenen Bauvorhaben erneut auf ihre Dringlichkeit prüfen und sie mit der Gesamtlage des Baumarktes in Einklang halten. Die Bundesregierung wird sich bei den Ländern, Kreisen, Städten und Gemeinden und den sonstigen öffentlichen Körperschaften dafür einsetzen, daß auch sie ihre Investitionsvorhaben daraufhin untersuchen, wieweit durch eine Zurückstellung eine Entlastung des Baumarktes erreicht werden kann. Die Bundesregierung hat die gleiche Aufforderung an die Bundesunternehmen und jene Firmen gerichtet, an denen der Bund maßgebend beteiligt ist.
Zur Leistungssteigerung in der Bauwirtschaft fördert die Bundesregierung auch weiterhin mit allen Mitteln die kontinuierliche Beschäftigung durch Ausdehnung der Bausaison von neun auf elf Monate.
9. Im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt wird die Bundesregierung unverzüglich Vorbereitungen treffen, um in bestimmten kritischen Arbeitsbereichen ausländische Arbeitskräfte und deutsche Arbeitskräfte im Auslande, die sich zu einer Rückkehr in die Bundesrepublik entschließen, heranzuziehen.
10. Die Bundesregierung ersucht den Bundestag und den Bundesrat, den von der Bundesregierung am 24. März 1955 erneut zugeleiteten Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beschleunigt zu verabschieden.
({31})
11. Die Bundesregierung hat die Frage der Einführung einer Vorschrift gegen Preisüberhöhungen in das Wirtschaftsstrafgesetz geprüft. Die von der Bundesregierung in Aussicht genommene Fassung der Vorschrift unterscheidet sich wesentlich von den früheren Preistreibereivorschriften. Sie erfaßt nicht die wettbewerbliche Preisbildung. Der Bundeswirtschaftsminister wird jedoch in die Lage versetzt, auf anderen Märkten im Bedarfsfalle gegen Preisüberhöhungen vorzugehen.
Die Bundesregierung hat sich bei der Aufstellung dieses Programms davon leiten lassen, daß die vor uns liegenden großen Aufgaben der Wiedervereinigung und der Sicherung von Frieden und Freiheit die Stetigkeit der Konjunktur erfordern und nicht von einer schrumpfenden, sondern nur von einer wachsenden und noch produktiver werdenden Volkswirtschaft erfüllt werden können.
({32})
Das gleiche gilt auch für die Aufgaben, die uns heute noch im Wohnungs- und Straßenbau gestellt sind. Die Bundesregierung fühlt sich - ich wiederhole es noch einmal - als Sachwalterin der wirtschaftlichen Interessen aller Bürger; vor allem wird sie das Vertrauen der sozial schwachen Bevölkerungsschichten und der Sparer nicht enttäuschen.
({33})
Sie weiß sich in diesem Streben mit dem gesamten Volk einig.
Die Berliner Bevölkerung mag trotz aller wirtschaftlichen Fortschritte, die auch in dieser Stadt sichtbar geworden sind, angesichts einer noch bestehenden größeren Arbeitslosigkeit vielleicht das Empfinden haben, daß hier vorzugsweise Probleme debattiert werden, die sich aus der wirtschaftlichen Entwicklung im Westen unseres Landes ergeben, die aber nicht voll mit ihren eigenen Sorgen übereinstimmen. Einer solchen Betrachtungsweise sei entgegengehalten, daß eine blühende Wirtschaft in der Bundesrepublik immer stärker auch auf Berlin ausstrahlt. Gerade die hohe, an die Kapazitätsgrenzen pressende Produktionsleistung wird immer mehr zu einer Auftragsverlagerung nach Berlin und, wie ich hoffe, auch zur Errichtung neuer Produktionsstätten in Berlin führen.
({34})
Die Bundesregierung wird auf die Wirtschaft einwirken, daß die in Berlin noch vorhandenen Kapazitätsreserven dem Aufbau unserer deutschen Volkswirtschaft auf die Dauer nutzbar gemacht werden.
Wenn wir die wirtschaftlichen Sorgen des freien Deutschland hier in Berlin in aller Offenheit besprechen, so erkennt die ganze Welt, daß es jene glücklichen Sorgen sind, die sich aus dem erfolgreichen Wiederaufbau und der vollen Ausnutzung aller Produktivkräfte für Zwecke der menschlichen Wohlfahrt ergeben. Eine blühende deutsche Volkswirtschaft mag unseren deutschen Brüdern im Osten Hoffnung und die Gewißheit geben, daß hier im Materiellen, im Seelischen und im Geistigen die Kraft lebendig ist, die die Lebensmöglichkeiten der Menschen im deutschen Osten mit dem Tage der Wiedervereinigung schnell auf das Niveau des freien Deutschland heben kann.
({35})
Diese erste Sitzung des Deutschen Bundestages in Berlin, der Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschland, und die Verkündung einer Regierungserklärung, die die Sicherung des wirtschaftlichen Fortschritts und der sozialen Wohlfahrt zum Ziele hat, sei zugleich Symbol der Arbeit und der Ideale eines freien Volkes und bestärke uns alle in der heiligen Verpflichtung, alles daran zu setzen, das ganze Deutschland in Frieden und Freiheit vereinigt zu sehen.
({36})
Meine Damen und Herren! Sie haben die Erklärung der Bundesregierung gehört.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung und Beratung der Anträge und Initiativgesetzentwürfe zur konjunkturpolitischen Lage ({0}).
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Deist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um den Rahmen meiner Ausführungen abzugrenzen und Raum zu bekommen für die Behandlung der konkreten Fragen, die in der augenblicklichen Situation zur Diskussion stehen, möchte ich mit einigen grundsätzlichen Feststellungen beginnen, über die, soweit ich sehen kann, Übereinstimmung besteht, so daß sie - jedenfalls
({0})
soweit die Sozialdemokratische Partei in Frage kommt - keiner weiteren ausführlicheren Erörterung bedürfen.
Zunächst möchte ich erklären: Wir sind stolz darauf, hier in Berlin feststellen zu können, daß die einmalige Entwicklung der deutschen Wirtschaft in den letzten zehn Jahren die Frucht einer politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung war, die auf dem Fundament der Freiheit beruht.
({1})
Diese Entwicklung wäre ohne die gemeinsame Arbeit aller Schichten der Bevölkerung nicht möglich gewesen,
({2})
aber auch nicht möglich gewesen ohne das politische Kräftespiel der verschiedenen politischen Gruppen, das zu den wesentlichen Grundelementen der politischen Demokratie gehört.
({3})
Ich möchte den Gedanken unterstreichen, daß die Sicherung der Stabilität der Währung eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen Wirtschaftspolitik ist.
({4})
Alle unsere bisherige Arbeit wäre vergebens gewesen, wenn wir diesem Gedanken nicht unsere ganze Aufmerksamkeit widmeten.
({5})
Wir werden daher alle Bemühungen unterstützen, die Stabilität der Währung zu sichern.
({6})
Ich möchte aber ergänzend sagen: Die Sozialdemokratie ist sich bei der Stellung ihrer Anträge zur augenblicklichen Konjunkturdebatte dieser ihrer Verpflichtung durchaus bewußt gewesen, und sie nimmt für sich in Anspruch, daß sie diesen Gesichtspunkt der Stabilisierung der Währung bei ihren Anträgen berücksichtigt hat.
({7})
Eine dritte Feststellung. Wir leben im Zeichen einer Wirtschaft, die auf hohen Touren läuft. Wir stimmen darin überein, daß es falsch wäre, von einer Überhitzung der allgemeinen Konjunkturentwicklung zu sprechen.
({8})
Die Tatsachen können noch nicht als alarmierend angesehen werden.
({9})
Aber das Problem, vor dem wir stehen, besteht darin, daß es erhebliche Spannungen in der Wirtschaft gibt und daß es unsere Aufgabe ist, diese Spannungen zu beseitigen.
({10})
Das Wirtschaftssystem der freien Welt kann sich nicht nur darin bewähren, daß in seinem Rahmen ein wirtschaftlicher Aufschwung aus der Tiefe möglich ist, sondern es hat sich darin zu bewähren, daß es einen hohen Grad der Beschäftigung bei stabilem Preisniveau und bei stabiler Währung erhalten und sichern kann.
({11})
Damit komme ich zu den konkreten Problemen, die heute und morgen vor uns stehen. Die Entwicklung der letzten Monate etwa seit der Mitte des vergangenen Jahres ist durch drei Tatsachen gekennzeichnet.
Die starke, steigende Expansion hat die Ungleichgewichte, die in der deutschen Wirtschaft bestehen, verstärkt. Zu diesen Ungleichgewichten gehört die Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Investitions- und der der Verbrauchsgüterindustrie; dazu gehören auch gewisse Spannungen in der Rohstoffversorgung.
Die hohe Beschäftigung, die wir in gewissen zentralen Gebieten der Wirtschaft zu verzeichnen haben, hat zum Ergebnis geführt, daß hier keine großen Reserven an Arbeitskräften mehr vorhanden sind, d. h. daß die Position der Tarifpartner am Arbeitsmarkt verändert ist.
Und eine weitere Feststellung! Insbesondere in der Investitionsgüterindustrie hat die große Nachfrage dazu geführt, daß kein Überangebot mehr vorherrscht, so daß sich hier nunmehr auch die Preissituation am Markte verändert hat.
Meine Damen und Herren, das sind bei hoher Beschäftigung normale Erscheinungen, und die Zeiten, in denen wir preisend mit viel schönen Reden die Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft begleiten konnten, sind vorbei.
({12})
Wir stehen jetzt vor der Aufgabe, wirtschaftspolitisch zu handeln.
({13})
Dabei möchte ich auf einen Gesichtspunkt besonders hinweisen: Es handelt sich nicht um einen Ausnahmezustand, dem man mit Ausnahmemitteln begegnen könnte, sondern es handelt sich um einen normalen Zustand in einer hochbeschäftigten Wirtschaft, bei dem es darauf ankommt, das normale Instrumentarium der Wirtschaftspolitik zu entwickeln, um den Schwierigkeiten zu begegnen, die eine hohe Beschäftigung nun einmal aufwirft.
Gestatten Sie mir, daß ich hierzu einige wichtige Daten anführe, weil mir eine globale Behandlung der augenblicklichen konjunkturellen Situation nicht ausreichend erscheint. Das wichtigste Ungleichgewicht, das die Wirtschaft heute aufweist, ist das Ungleichgewicht zwischen der Entwicklung der Investitionsgüterindustrie und der der Verbrauchsgüterindustrie. Während sich die Produktion der Gesamtindustrie im Laufe des letzten Jahres um 17 % erhöht hat, ist die Verbrauchsgüter-industrie mit einer Zuwachsrate von 10 % erheblich zurückgeblieben; demgegenüber hat die Investitionsgüterindustrie eine Zuwachsrate von 25 % im ersten Halbjahr 1955 und von mehr als 27 % im August dieses Jahres zu verzeichnen.
({14})
Entsprechend haben sich die Bruttoanlageinvestitionen entwickelt. Der Anteil der Anlageinvestitionen am gesamten Sozialprodukt ist seit dem Jahre 1951 ständig stark gestiegen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat die augenblickliche Investitionsquote mit 27 % angegeben. Meine Damen und Herren, es gibt natürlich keine ewig und allgemein gültige Relation zwischen Investitionen und dem Sozialprodukt. Aber alle ernsthaften Beobachter der konjunkturellen Situation sind sich darin einig, daß unsere Investitionsquote für normale Verhältnisse überhöht ist.
({15})
({16})
Die Entwicklung der Investitionsquote erklärt sich selbstverständlich aus dem großen Nachholbedarf nach dem Kriege. Danach mußte die Investitionsquote in der ersten Zeit höher sein als normal. Aber seit dem Jahre 1953 steht das Problem vor uns, wiederum ein Gleichgewicht zwischen Investition und Verbrauch herzustellen. Meine Damen und Herren, das ist keine neue Erkenntnis. Im zweiten Quartal des Jahres 1953 haben wir erstmals einen großen Versuch gemacht, die Nachfrage, den privaten Bedarf durch erhebliche Konsumstöße anzuregen und damit zu einer Steigerung der Verbrauchsgüterproduktion zu kommen. Im zweiten Quartal des Jahres 1953 haben die Erhöhung der Beamtengehälter, die Erhöhung der Renten, die kleine Steuerreform und die ersten großen Vorschußzahlungen aus dem Lastenausgleich zu einer erheblichen Steigerung der Massenkaufkraft geführt. Das Ergebnis dieser Maßnahmen war, daß sich eine stärkere Nachfrage nach Konsumgütern geltend machte und daß wir erstmals Ansätze zu einer Verbrauchskonjunktur zu verzeichnen hatten.
Es ist bedauerlich, daß es bei diesem einmaligen Impuls geblieben ist. Weitere Impulse zur Anregung der Verbrauchsgütererzeugung wurden jedenfalls durch die Wirtschaftspolitik nicht ausgelöst, und seither, seit dem Ende des Jahres 1953, wird unsere Konjunktur wieder einseitig durch die Investitionsgüterindustrie getragen. Seit dem Ende des Jahres 1953 steht daher stetig stärker das Problem vor uns, dieses Mißverhältnis zu beseitigen.
Meine Damen und Herren! Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, der Kollege Ollenhauer, hat in seiner Antwort auf die Regierungserklärung am 28. Oktober 1953 folgendes ausgeführt:
In der heutigen Situation wird der Ansatzpunkt für eine Ausweitung der Wirtschaft in erster Linie auf dem Gebiet der Konsumgüterindustrie liegen müssen.
Und achten Sie bitte auf den nächsten Satz:
Die erforderliche Stabilität der Wirtschaft kann daher nur durch ein harmonisches Entwicklungsverhältnis von Konsumgüter- und Investitionsgüterindustrie erreicht werden. Hierzu bedarf es des konstruktiven Einsatzes der wirtschaftspolitischen Mittel, die der Bundesregierung zur Verfügung stehen.
Das ist dieselbe Forderung, meine Damen und Herren, die heute wiederum erhoben werden muß.
Im Laufe des Jahres 1954 haben die konjunkturwissenschaftlichen Institute in einem gemeinsamen Gutachten darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, wieder ein normales Wechselspiel zwischen Verbrauch und Investitionen herbeizuführen. Seither haben wir eine ständige Diskussion darüber, daß der private Verbrauch und die Verbrauchsgüterindustrie zurückstehen. Viele kompetente Stellen haben sogar auch im Jahre 1954 sehr ernsthafte Überlegungen angestellt, ob nicht Lohnsteigerungen das notwendige Korrekturelement sein müßten, um eine Ausweitung der Produktion in der Verbrauchsgüterindustrie anzuregen. Die Öffentlichkeit hat davon keine Kenntnis genommen. Die Bundesregierung - wir wissen nicht, ob sie Kenntnis genommen hat - hat jedenfalls keine wirtschaftspolitischen Konsequenzen gezogen.
Die steigende Diskrepanz zwischen Investitions- und Verbrauchsgüterindustrie birgt nunmehr so große latente Gefahren in sich, daß ihr mit energischen Mitteln entgegengewirkt werden muß.
Die amtliche Konjunkturberichterstattung und auch ein Teil der privaten Konjunkturberichterstatter glaubten im zweiten Quartal dieses Jahres feststellen zu können, daß im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung allmählich auch die Konsumgüterindustrie wieder nachziehe und den Anschluß an die allgemeine Entwicklung finde. Die zwischenzeitlichen Feststellungen insbesondere über die Entwicklung im Juli und August haben gezeigt, daß es sich hier um eine vorübergehende, wahrscheinlich nur saisonal zu erklärende Entwicklung gehandelt hat. Es ist der Lagebericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers vom August, der sehr deutlich ausführt, daß von einem starken konjunkturellen Nachziehen, von neuen Impulsen für die Wirtschaftsentwicklung von seiten der Konsumgüterindustrie keine Rede mehr sein könne. Das Problem steht daher genauso wie Ende 1953, nur in verschärfter Form, vor uns.
Das Ergebnis dieser kurzen Analyse ist, daß in der Produktions- und Investitionsgüterindustrie die Grenzen der Kapazität weithin erreicht sind, so daß das Angebot geringer als die Nachfrage ist. Es zeigen sich jetzt deutlich Versorgungsengpässe: der allgemeine Versorgungsengpaß Kohle, der besondere Versorgungsengpaß Baustoffe für die Bauwirtschaft. Außerdem treten in diesen Zweigen der Wirtschaft starke Spannungen am Arbeitsmarkt auf. Die Verbrauchsgüterindustrie zeigt demgegenüber ein anderes Bild. Im ganzen können wir sagen, daß die Kapazitäten der Verbrauchsgüterindustrie nicht voll ausgenutzt sind. Dabei darf man sich nicht davon verleiten lassen, daß naturgemäß im Augenblick im Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft bei den Verbrauchsgüterindustrien eine verhältnismäßig hohe Beschäftigung herrscht. Die Investitionen in der Verbrauchsgüterindustrie stagnieren im Schnitt seit dem Jahre 1950. Das Angebot an Verbrauchsgütern ist - natürlich bei Differenzierungen hier und dort - größer als die Nachfrage. Auch die Arbeitsmarktprobleme sind auf dem Gebiet der Verbrauchsgüterindustrie geringer. Im Juli 1955 betrug die Arbeitslosenquote bei den bergmännischen Beschäftigten 0,3 %, in der Produktions- und Investitionsgüterindustrie 1,2 %, dagegen in der Verbrauchsgüter-, Nahrungs- und Genußmittelindustrie 4 %. Auf dem Gebiet der Konsumgüterindustrie sind überdies größere Reserven auf dem Markt der weiblichen Arbeitskräfte vorhanden als z. B. für die Produktions- und Investitionsgüterindustrie.
Aus dieser verschiedenen Situation der beiden Wirtschaftsbereiche ergeben sich unterschiedliche Folgen für die Preisbildung. Das Bundeswirtschaftsministerium hat im August dieses Jahres in seinem Lagebericht über die Erzeugerpreise festgestellt, daß die Preise der Grundstoffe und Produktionsgüter gegenüber dem Vorjahr um 7 %, die der Investitionsgüter um 2,5 %, in der Bauwirtschaft um 11 %, dagegen die Preise der Verbrauchsgüter nur um 0,7 % gestiegen sind.
Was ist das Fazit, das wir aus diesen Zahlen zu ziehen haben? Diese Übersicht zeigt, daß im Rahmen der Produktions- und Investitionsgüterindustrie der automatische Preismechanismus nicht mehr funktioniert, daß den zunehmenden Preis({17})
erhöhungen nicht mehr in dem Ausmaß, wie es möglich und notwendig wäre, Preissenkungen gegenübertreten, so daß wir generell mit einem steigenden Preistrend zu rechnen haben. Hingegen können wir feststellen, daß in der Konsumgüterindustrie keine wesentlichen Veränderungen des Preisstandes erfolgt sind. Wir dürfen uns diese Tatsache auch nicht durch die Erkenntnis verschleiern lassen, daß der Lebenshaltungsindex sich anders entwickelt hat; denn in dem Lebenshaltungsindex spielen die Ausgaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die um 3 % im Laufe eines Jahres gestiegen sind, sowie Hausbrand und Miete eine entscheidende Rolle, so daß für das Ende des Jahres 1955 mit einer Steigerung der Lebenshaltungskosten um insgesamt 3 % gerechnet wird.
Nun scheint mir eines interessant zu sein. Dieser Entwicklung auf dem Gebiet der Produktion entsprechen ähnliche Entwicklungen auf dem Gebiet der Einkommensströme. Die Frage der Einkommensströme, also die Frage der Lohnquote, des Sozialeinkommens und der Selbständigen-Einkommen, ist Gegenstand großer öffentlicher Auseinandersetzungen. Man kann nur bedauern, daß man sich in der Regel in diesen Auseinandersetzungen nicht die Mühe gibt, von den feststehenden Tatsachen auszugehen, über die die Konjunkturstatistik eindeutige Aussagen macht. Ich sehe mich daher genötigt, hierzu einige Worte zu sagen.
Die Lohnquote, das ist also der Anteil der Lohn- und Einkommensbezüge am Gesamtsozialprodukt, hat sich im Laufe der letzten Jahre nicht wesentlich verändert. Sie bewegt sich zwischen 40 und 41 % des Nettosozialprodukts. Wir haben aber im ersten Halbjahr 1955 erstmalig ein Absinken der Lohnquote gegenüber dem ersten Halbjahr 1954 zu verzeichnen, und das ungeachtet der Lohnbewegungen, die im Laufe des Jahres 1954 und im Laufe des ersten Halbjahrs 1955 durchgeführt wurden. Die Konjunkturwissenschaftler sind der Auffassung, daß die Lohnquote im gesamten Jahr 1955 voraussichtlich niedriger sein wird als im Jahre 1954.
({18})
- Herr Kollege, ich habe soeben darauf hingewiesen. daß diese Voraussage auf verhältnismäßig eindeutigen konjunkturstatistischen Feststellungen beruht, und ich würde es sehr begrüßen, wenn wir in der Diskussion gemeinsam von festgestellten Tatsachen und nicht von Ressentiments ausgehen könnten.
({19})
Meine Damen und Herren! Dabei ist noch eines zu beachten. Wir haben nämlich eine strukturelle Veränderung im Beschäftigtenstand zu verzeichnen. Sie geht dahin, daß der Anteil der Unselbständigen an den Beschäftigten ständig steigt, so daß wir tendenziell eine steigende Lohnquote haben müßten. Wenn man diese Dinge objektiv beurteilt, so kann man von einer konjunkturellen Übersteigerung des Lohnniveaus in keiner Weise sprechen. Wir müssen vielmehr feststellen, daß es durch die Tarifbewegungen des letzten Jahres höchstens gelungen ist, den Anteil der Lohn- und Gehaltseinkommen am Sozialprodukt knapp zu halten. Unter diesen Umständen ist es sehr bemerkenswert, daß der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie am 4. Oktober in Hamburg von einer relativen Überhöhung des Anteils des Sozialprodukts, der auf die Unselbständigen entfällt, sprechen konnte. Meine Damen und Herren, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie braucht anscheinend nicht zu wissen, daß das Nettosozialprodukt je Beschäftigter um 6,6 % gestiegen ist, der Lohnanteil je Beschäftigter jedoch nur um 6,4%. Er braucht nicht zu wissen, daß der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände noch Ende September davor gewarnt hat, die Lohnbewegung zu dramatisieren, da sie sich bisher im Rahmen der Ertragskraft der Unternehmen gehalten hätte. Er braucht anscheinend auch nicht zu wissen, daß die Bundesregierung am 16. September 1955 in ihrem Bericht an die OEEC ausgeführt hat, die Steigerung der Löhne und Gehälter halte sich durchaus im Rahmen der Produktivitätssteigerung.
({20})
Zu den jetzigen Lohnbewegungen darf ich eine Bemerkung machen. Nach den vorliegenden Berechnungen sind in dem ersten Halbjahr 1955 Lohnbewegungen für etwa 23 °/o der Arbeitnehmer durchgeführt worden. Insgesamt haben diese Lohnbewegungen zur Erhöhung des gesamten Lohn- und Gehaltsniveaus um 2 % geführt - innerhalb eines halben Jahres meine Damen und Herren! Dabei vertreten maßgebliche konjunkturwissenschaftliche Beobachter die Auffassung, daß bei einer Steigerung. des Sozialprodukts von 8 bis 10 % Lohnerhöhungen um 5 % im Jahre durchaus unbedenklich sind.
({21})
Damit möchte ich meine Ausführungen über die Lohnquote abschließen.
Tragischer und für unsere konjunkturpolitischen Überlegungen von größerer Bedeutung ist die Entwicklung des Sozialeinkommens, d. h. die Entwicklung des Einkommens jener Schichten, die auf die niedrigen Renten, deren Erhöhung bei uns so schwer durchzusetzen ist, angewiesen sind. Das Sozialeinkommen bleibt in seinem Anteil am Sozialprodukt seit Jahren ständig hinter der Entwicklung der übrigen Einkommensströme zurück.
({22})
Es betrug im ersten Halbjahr 1954 rund 15 % des Nettosozialproduktes, im ersten Halbjahr 1955 nur noch 13,7 %.
({23})
Meine Damen und Herren! Das sind die Kreise der Bevölkerung, deren Ausgaben nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes zu 72 % auf Lebensmittel, Wohnung, Heizung und Beleuchtung entfallen, d. h. auf die Ausgabeposten, die gerade in der letzten Zeit und in der Zukunft einer Preissteigerung unterliegen bzw. unterliegen werden. Es ist die Tragik dieser Bevölkerungsschicht, daß sie auf der einen Seite keinen angemessenen Anteil an der Steigerung des Sozialprodukts hat, daß aber auf der anderen Seite die Lasten aus Preiserhöhungen um so stärker auf sie heruntergehen.
({24})
Aus dieser Entwicklung ist es zu erklären, daß die Masseneinkommen - das sind also die Lohn- und Gehaltseinkommen und das Sozialeinkommen - im ersten Halbjahre 1955 erstmalig einen Tiefstand erreicht haben. Hier liegt die Quelle für die Tatsache, daß der private Verbrauch in Deutschland stetig abnimmt, nämlich von einem Satz von 63 % im zweiten Quartal 1953 auf weniger als 60 % im ersten Quartal 1955. In dieser Entwicklung
({25})
der Masseneinkommen und in dieser Entwicklung des privaten Verbrauchs liegt die Ursache für das Nachhinken der Einzelhandelsumsätze ebenso wie für das Nachhinken der Entwicklung in der Verbrauchsgüterindustrie.
Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Diskussionen um diese Probleme etwas näher ansieht, dann kann man nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß die sogenannten Selbständigen-Einkommen seit dem Jahre 1954 eine diametral entgegengesetzte Entwicklung genommen haben.
({26})
Die Zuwachsrate der Selbständigen-Einkommen betrug im zweiten Halbjahr 1955 gegenüber dem ersten Halbjahr 1955 20 % bei einer Steigerung des Sozialprodukts um nur 14 %. Das sind Tatsachen, die man bei einer konjunkturpolitischen Debatte nicht außer Betracht lassen kann.
({27})
Um den Zusammenhang der Daten, die ich soeben gegeben habe, stärker herauszustellen, möchte ich diese Analyse in sieben Zahlen zusammenfassen. Das Bruttosozialprodukt ist im zweiten Quartal 1955 gegenüber dem zweiten Quartal 1954 um 14 % gestiegen. In der gleichen Zeit zeigten das Masseneinkommen eine Zuwachsrate von nur 12 %, die Einzelhandelsumsätze eine solche von 10 % und der Produktionsindex der Verbrauchsgüterindustrie ebenfalls eine solche von 10 %. Beachten Sie aber bitte: Bei einem Zuwachs des Sozialprodukts von 14 % sind die Selbständigen-Einkommen um 10 %, die Anlageinvestitionen um 25 % und der Produktionsindex der Investitionsgüterindustrie um 24 % gestiegen.
({28})
Hier liegt der Schlüssel für die Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Investitionsgüterindustrie und der der Produktionsgüterindustrie, und die Feststellung, die wir zu treffen haben, ist, daß es in diesem wirtschaftlichen Aufschwung, in dem wir stehen, zahlreiche Gruppen gibt, die in der Sonne dieser Entwicklung stehen - das sind die Selbständigen-Einkommen, das ist im Rahmen der Industrie die Investitionsgüterindustrie -, und daß es eine große Gruppe gibt, die im Schatten dieser Entwicklung steht, das sind die Masseneinkommensempfänger und folgerichtig die Konsumgüterindustrie.
Meine Damen und Herren! Wenn diese Analyse richtig ist, dann ergeben sich daraus entscheidende Konsequenzen. Dann ergibt sich zunächst einmal, daß die konjunkturpolitischen Maßnahmen so unterschiedlich sein müssen, wie die wirtschaftliche Lage unterschiedlich ist. Infolgedessen sind - und darin stimmen wir überein - kreditpolitische Maßnahmen zu grob und zu roh, als daß sie den augenblicklichen Tatbeständen Rechnung tragen könnten. Aber man soll der Bank deutscher Länder nicht vorwerfen, daß sie in der entscheidenden Situation die ihr gemäßen Mittel - und ihr stehen nur kreditpolitische Mittel zur Verfügung - anwendet, wenn die Wirtschaftspolitik es unterläßt, die ihr gemäßen wirtschaftspolitischen Mittel zum Einsatz zu bringen.
({29})
Ein zweites Ergebnis ergibt sich aus dieser Analyse: daß wir eine vorsichtige Dämpfung der Investitionspolitik vornehmen müssen. Aber, meine Damen und Herren - und ich werde darauf noch einmal zurückkommen -, wir müssen uns der Grenzen einer solchen Dämpfungsmöglichkeit bewußt sein.
Die dritte Konsequenz, die sich ergibt, ist die Notwendigkeit einer Umschichtung der Einkommensströme, um eine Steigerung der Nachfrage nach den traditionellen Verbrauchsgütern herbeizuführen.
({30})
Nur durch solche gezielten Maßnahmen können wir die augenblicklichen Spannungen, die auf der unterschiedlichen Entwicklung von Investitionsgüterindustrie und Konsumgüterindustrie beruhen, beseitigen.
Und dann eine vierte Konsequenz, meine Damen und Herren, die wir nicht vergessen sollten! In einer Situation wie der augenblicklichen, in der diese Spannungen eine Tatsache sind, werden wir auch auf ernsthafte preispolitische Maßnahmen nicht verzichten können.
({31})
Das bedeutet nicht, daß wir eine Preisstarre wünschen. Aber wir wünschen, daß die Wirtschaftspolitik von den ihr zustehenden Mitteln Gebrauch macht. Sie muß ausschließen, daß Preissenkungen dort, wo sie durchaus möglich sind, im Hinblick auf die augenblickliche Marktlage unterbleiben, und dafür sorgen, daß Preiserhöhungen dort, wo sie nicht notwendig sind, unter allen Umständen vermieden werden.
({32})
Meine Damen und Herren! Auf diesen Überlegungen beruhen die Vorschläge der Sozialdemokratie zur augenblicklichen konjunkturpolitischen Situation, die ich im einzelnen begründen darf. Es handelt sich dabei um eine Einheit von Vorschlägen. Es handelt sich um gezielte wirtschaftspolitische Maßnahmen, weil wir ebenfalls nicht wünschen, daß ohne Not von unmittelbaren verwaltungsmäßigen Eingriffen in die Wirtschaft Gebrauch gemacht wird.
({33})
Meine Damen und Herren! Zu dem ersten Punkt: Dämpfung der Investitionsgüterkonjunktur. Auf die Frage, worauf die Übersteigerung in Teilen der Investitionskonjunktur, insbesondere im Rahmen der Bauwirtschaft, zurückzuführen ist, herrschen die merkwürdigsten Vorstellungen. Es scheint mir daher notwendig, die Zusammenhänge hier etwas deutlicher darzulegen, weil sich wieder einmal die Tendenz abzeichnet, die öffentliche Wirtschaft zum Sündenbock für Entwicklungen in der freien Wirtschaft zu machen.
({34})
Von der Gesamtinvestitionsquote des ersten Halbjahres 1955 entfielen allein 60 % auf die sogenannten Ausrüstungsindustrien, d. h. auf den Bereich der privaten Wirtschaft. Nur 40 % der gesamten Investitionen spielen überhaupt eine Rolle für die öffentliche Wirtschaft, also für die Bauindustrie, - ({35})
- Bitte, nicht so früh! Ich habe gesagt: „kommen dafür überhaupt in Frage". Wie hoch der Anteil der öffentlichen Wirtschaft an diesen 40 % ist, das kann 'ich Ihnen leider nicht im selben Satz, sondern nur in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen sagen.
({36})
({37})
Von den Bauinvestitionen, die insgesamt also nur 40 % des Investitionsvolumens ausmachen, entfallen, gemessen nach den Arbeitsstunden, 46 % auf den Wohnungsbau. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob einer hier im Saale ist, der ernsthaft verlangt, daß der Wohnungsbau gedrosselt werden soll,
({38})
zumal der soziale Wohnungsbau nicht einmal seinen Anteil an der gesamten Bauproduktion gehalten hat, sondern absolut zurückgegangen ist.
({39})
Meine Damen und Herren, diese 46 % der Bauproduktion fallen also für Dämpfungsmaßnahmen aus. Ich sehe, daß wir darüber einig sind.
Die Bauinvestitionen der gewerblichen Industrie erstrecken sich auf 22,5 % des Bauvolumens - immerhin ein nicht sehr unwesentlicher Faktor -, und ich komme darauf zurück, ob nicht steuerpolitische Maßnahmen der Bundesregierung mit daran schuld sind, daß diese Investitionen so massiert im Jahre 1955 aufgetreten sind.
({40})
Damit komme ich zum öffentlichen und zum Verkehrsbau.
Der Verkehrsbau hat einen Anteil von 20 %. Das ist ein hoher Satz. Vielleicht aber ist doch allgemein bekannt, daß im Verkehrsbau der Einsatz von Maschinen eine entscheidende Rolle spielt und daß im gesamten Tiefbau wesentliche Anspannungen auf dem Arbeitsmarkt nicht aufgetreten sind. Hier ist also eine Gelegenheit, die Baumaßnahmen in gewissem Umfange auszudehnen, ohne daß sich ungünstige Folgen für die Entwicklung der Konjunktur zu ergeben brauchen.
Auf den Hochbau der öffentlichen Hand - in ihn fallen auch die zwei oder drei oder vier Opernhausbauten, die wir genau wie Sie gern zurückgestellt wünschten - entfallen ganze 8 % des Bauvolumens.
({41})
Darin sind enthalten die Krankenhausbauten, die Schulhausneubauten und die zahlreichen Gesundheitseinrichtungen, die die Kommunen schaffen. In diesem Sektor des Hochbaues der öffentlichen Hand hat es eine Steigerung um 4 % gegeben, während die Investitionen in Gewerbe und Industrie um 20 % gestiegen sind.
({42})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind die Tatsachen. Und dann frage ich Sie, was von den Ausführungen eines Wirtschaftsjournalisten in der „Welt" mit Namen Ferdinand Fried zu halten ist, der am 14. Oktober folgendes schrieb:
Derselbe Staat, der die Wirtschaft beschwor, Maß zu halten, war in seiner Bauwut einer Maßlosigkeit erlegen, die schließlich die ganze Wirtschaft hypnotisiert.
Meine Damen und Herren, das ist eine maßlose Sprache, die mit den Tatsachen in keiner Weise in Übereinstimmung zu bringen ist.
({43})
Der zweite Block von Anträgen, die wir eingebracht haben, befaßt sich mit idem Problem, der Verbrauchsgüterindustrie den Anschluß an die allgemeine Entwicklung der Wirtschaft zu schaffen. Wir stimmen überein, daß generelle Steuersenkungen heute währungs- und konjunkturpolitisch das Falscheste wären, was man unternehmen kann. Nötig sind gezielte Maßnahmen, die zur Folge haben, daß die Nachfrage nach den traditionellen Verbrauchsgütern angeregt wird. Es kann meines Erachtens kein Zweifel darüber bestehen, daß diese spezielle Nachfrage gestärkt werden würde, wenn man die ganz niedrigen Einkommen erhöht. Darum unsere Anträge, die Bezüge der Rentner zu erhöhen und die Einkommensteuerfreigrenze anzuheben. Das sind ganz gezielte Maßnahmen, ergriffen in der bewußten Absicht, nur die niedrigen Einkommen zu vergrößern, um jedenfalls in gewissem Umfang zu gewährleisten, daß die neugeschaffene Kaufkraft auf die Bereiche zuläuft, in idenen noch Produktionskapazitäten offen sind und bei denen nicht zu befürchten ist, daß eine unglückliche Entwicklung der Konjunktur eingeleitet wird.
({44})
Unsere Anträge auf Senkung der Zölle und Verbrauchsteuern gehen in die gleiche Richtung. Wir haben dabei das Bestreben, die neugeschaffene Kaufkraft in gewissem Umfang auf Einfuhrgüter zu verlagern und damit einen etwaigen Anreiz auf die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland zu vermindern.
Der dritte Komplex von Anträgen, die meine Fraktion gestellt hat, befaßt sich mit der Normalisierung der Preisentwicklung. Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, daß es sich hier um ein entscheidendes Problem handelt und daß von der Preisentwicklung die größeren Gefahren für unsere konjunkturelle Weiterentwicklung drohen. Wir glauben aber, daß die Bundesregierung wirksamere wirtschaftspolitische Maßnahmen als in der Vergangenheit treffen müßte.
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Unsere Anträge zielen dahin, die wesentlichen Verbrauchsteuern, die für die Verbraucher von Bedeutung sind, sowie die Zölle auf Kaffee, Tee und Kakao zu beseitigen. Bei Annahme unserer Anträge würde der Preis für ein Pfund Zucker von 68 auf 55 Pf gesenkt werden können, der Preis für eine Schachtel Streichhölzer von 10 auf 5 Pf. Uns ist es dabei ganz gleichgültig, ob die Senkung der Verbraucherpreise für Kaffee, Tee und Kakao auf dem Wege über idle Zölle oder auf dem Wege über die Verbrauchsteuer herbeigeführt wird. Darüber lassen wir durchaus mit uns reden. Uns kommt es darauf an, eine effektive Senkung der Verbraucherpreise auf diesen Gebieten zu erzielen.
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Auf dem Gebiete der Landwirtschaft ist nach unserer Auffassung bei der augenblicklichen Konjunktursituation kein Platz für Preiserhöhungen für Lebensmittel jeder Art.
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Ich sage das mit allem Nachdruck, weil nach unserer Auffassung ein empfindliches Element für die Gestaltung des Preisklimas auch der Milchpreis ist, der im Augenblick unter keinen Umständen erhöht werden darf. Wir sind uns durchaus klar darüber, daß auf dem Gebiete der Rationalisierung und Kostensenkung innerhalb der Landwirtschaft einiges getan werden muß. Wir haben uns darum auch nicht darauf beschränkt, zu beantragen, daß Preiserhöhungen verhindert werden, sondern wir haben
({48})
umfangreiche Vorschläge zur Rationalisierung der Landwirtschaft gemacht, und wir haben insbesondere nicht unwichtige Umsatzsteuersenkungen auf diesem Gebiete vorgeschlagen. Wir sind 'begierig darauf, die Regierungsvorschläge zu erhalten, die uns in der Regierungserklärung angesagt worden sind. Wir werden sie mit aller Objektivität und Gründlichkeit prüfen.
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Aber dann kommt ein vierter Punkt unseres Programms. Ein ,entscheidendes Kriterium für eine wirksame Konjunkturpolitik ist, daß schnell gehandelt wird. Das ist nur möglich, wenn der Regierung ein Instrumentarium zur Verfügung steht, das sie im gegebenen Augenblick ohne große Verzögerungen anwenden kann.
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Wir 'bedauern sehr, daß die Erklärung der Bundesregierung auf diesem Gebiete, soweit ich sehen kann, nichts enthält. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zu Beginn dieses Jahres einen großen Feldzug für eine Ermächtigung zu Zollherabsetzungen gestartet. Er hat dafür aus der Gewalt seiner Sprache einen sehr prägnanten Ausdruck gebraucht. Er sprach von der „fleet in being", die in Zukunft jede Steigerung der Preise verhindern würde. Als wir im Juli/August wieder Preissteigerungen zu verzeichnen hatten, tauchte dieses Projekt erneut aus dem Kreise des Bundeswirtschaftsministeriums auf. Ich bedaure sehr, daß die Bundesregierung sich nicht hat entschließen können, ein solches wichtiges konjunkturpolitisches Mittel anzuwenden und damit den Interesseneinflüssen entgegenzutreten, von denen auch in der heutigen Regierungserklärung wieder gesprochen wurde.
Wir wünschen weiter, daß die Bundesregierung von den Möglichkeiten der Preisprüfung, die insbesondere bei öffentlichen Aufträgen zur Verfügung stehen, etwas rasanter und wirksamer Gebrauch macht, als es ihrer Gepflogenheit entspricht.
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Schließlich darf ich an ein weiteres Instrument erinnern, den bekannten Preistreiberei-Paragraphen. Da die Widerstände bei den verschiedenen Interessengruppen dieses Hauses gegen diesen Preistreiberei-Paragraphen offenbar sehr stark sind, hat der Herr Bundeswirtschaftsminister auch hier die Zuflucht zu schlagkräftigen Formulierungen gesucht und mehrfach von dem „Dolch im Gewande" gesprochen, der ihm nun endlich zur Verfügung gestellt werden müsse.
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Wie wichtig der Preistreiberei-Paragraph ist, können wir der Vorlage der Bundesregierung entnehmen, die Sie seinerzeit leider abgelehnt haben. Darin hieß es nämlich:
Auch in einer Marktwirtschaft können auf einzelnen Gebieten Engpässe auftreten, die von uneinsichtigen Elementen benutzt werden können, volkswirtschaftlich ungerechtfertigte Preise zu fordern. Ein solches Verfahren kann nicht geduldet werden.
Ich bin durchaus der Auffassung, daß ein solches Verfahren nicht geduldet werden kann und nicht geduldet werden darf.
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Dann sollte sich aber die Bundesregierung bereit finden, in ihrer Regierungserklärung nicht nur vage und verklausulierte Zusagen und Versprechungen zu machen, sondern ernsthafte Vorschläge auszuarbeiten.
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In diesem Zusammenhang möchte ich von einem weiteren Instrument der Wirtschaftspolitik sprechen, das von der Regierung auch nicht sonderlich tatkräftig ausgenutzt wird. Das ist die sogenannte Auskunftspflichtverordnung. Wir haben die akrobatischen Übungen des Herrn Vertreters des Bundeswirtschaftsministers in einer der letzten Sitzungen miterlebt, in denen er darzulegen versuchte, inwieweit er über die Kostenlage in der Mineralölindustrie im Bilde sei und inwieweit nicht. In diesem Zusammenhang erscheint es sehr tragisch - und damit wende ich mich an Sie, meine Herren hier in der Mitte des Hauses -, daß Sie im Oktober vorigen Jahres noch den Mut gefunden haben, einen Antrag einzubringen, der zum Ziel hatte, diese Auskunftspflichtverordnung zu beseitigen,
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eines der wenigen Mittel, mit denen eine Regierung, die auf unmittelbare Eingriffe in die Wirtschaft verzichtet, sich wenigstens einen Überblick über das verschaffen kann, was in der Wirtschaft vor sich geht.
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Meine Damen und Herren, die Anträge der SPD stellen, wie ich hoffe dargelegt zu haben, ein konjunkturpolitisches Gesamtprogramm dar; sie sind daher im Zusammenhang zu sehen. Sie werden unter ihnen auch alte Bekannte finden, manche alte Bekannte, Anträge, die wir, die Sozialdemokratie, Ihnen im Laufe der letzten Jahre mehrfach vorgelegt und die Sie mutig abgelehnt haben, wobei Sie heute überlegen müssen, ob Sie ernsthaft bei dieser Ablehnung bleiben sollen. Sie werden aber auch einige Bekannte finden, Anträge, die Anregungen der Bundesregierung bzw. des Herrn Bundeswirtschaftsministers entsprechen. Wir sind gar nicht so. Wenn gute Einfälle von der Bundesregierung kommen, sind wir gern bereit, sie im gegebenen Moment aufzunehmen.
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Aber, meine Damen und Herren, wir möchten doch einmal feststellen, ob es zu den Richtlinien der Politik der Bundesregierung gehört - die hat ja wohl der Herr Bundeskanzler aufzustellen -, daß jeder Bundesminister je nach Belieben gelegentlich unverbindliche Vorschläge in die Welt setzen darf, ohne daß sie von der Bundesregierung ernsthaft gewollt waren oder aufgenommen werden.
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Meine Damen und Herren, damit komme ich zu dem Programm der Bundesregierung. Ich möchte sagen: es ist ein legitimes Kind seiner Eltern.
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Es trägt etwas sehr stark die hektischen Züge der Unrast, Unsicherheit und Unklarheit der letzten drei Monate. Mir scheint, es ist nicht frei von der Erblast der Wirtschaftspolitik der letzten sechs Jahre.
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- Darüber werden wir uns etwas später unterhalten, nicht jetzt.
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Es ist ein wichtiges Element der modernen Konjunktur- und Wirtschaftspolitik, daß sie frühzeitig und schlagkräftig handelt, um nicht eines schönen Tages gezwungen zu sein, schärfere und unerwünschtere Maßnahmen zu treffen. In dem Bericht der Wirtschaftsberater des amerikanischen Präsidenten, der sich mit der Bekämpfung der Recession im vergangenen Jahre befaßt, wird darauf hingewiesen, daß ein wesentliches Element der Wirksamkeit der Regierungsmaßnahmen das schnelle Handeln gewesen sei.
Jetzt darf ich einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung der letzten drei Monate werfen. Im Juli zeigten sich die ersten stärkeren Spannungen, von denen ich gesprochen habe. Wenn die Presse richtig berichtet hat, hat auch der Herr Bundeskanzler im Juli den Herrn Bundeswirtschaftsminister darauf aufmerksam gemacht, daß ihm da einiges nicht ganz in Ordnung zu sein scheine. Die Bank deutscher Länder hat am 3. August 1955 mit den ihr angemessenen Mitteln prompt reagiert.
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Wir wollen nachher einmal untersuchen, welche Maßnahmen wirksamer gewesen sind, die Maßnahmen der Bundesregierung während dieser drei Monate oder die Maßnahme der Bank deutscher Länder am 3. August!
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Nach diesem 3. August begann eine sehr geschäftige Ministertätigkeit. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hielt zahllose Besprechungen ab; er begann mit den Metzgermeistern und endete beim Bundesverband der Deutschen Industrie. Er eilte von Tagung zu Tagung, von Messe zu Messe, von Rundfunk zu Rundfunk. Die übrigen Minister beteiligten sich in gemessenem Abstand an dieser Tätigkeit.
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Das ganze Kaleidoskop dieser drei Monate kann man an einem Abend nicht darbieten. Ich darf aber diese Entwicklung durch drei Beispiele charakterisieren. Der Herr Vizekanzler Blücher war einer der ersten, der sich äußerte und damals zu wissen gab, daß nur Steuersenkungen möglich seien, die nicht den Verbrauch anregten. Es hat nicht sehr lange gedauert, bis der Herr Bundeswirtschaftsminister und der Herr Bundesfinanzminister Vorschläge für die Senkung von Verbrauchsteuern vorlegten.
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Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zu Beginn dieser Aktion ein großes Programm für Jedermann-Einfuhren gestartet. Wir waren alle, glaube ich, erstaunt, als wir beinahe am selben Tage eine Verordnung des Herrn Bundesfinanzministers zu Gesicht bekamen, wonach nunmehr beim Grenzübergang nicht mehr ein halbes Pfund Kaffee ohne Verzollung mitgeführt werden darf!
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Ich habe nicht gehört, daß diese Verordnung des
Herrn Finanzministers aufgehoben worden wäre.
Aber von dem Jedermann-Programm habe ich beim
aufmerksamen Verfolgen der Regierungserklärung ebenfalls nichts entdecken können.
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Und nun die dritte Tatsache! Der Herr Bundeswirtschaftsminister führt seit Jahren einen anerkennenswerten Kampf .um Preissenkungen, und wenn die Presse wiederum richtig berichtet hat -ich habe keinen Zweifel daran -, dann hat der Herr Bundesernährungsminister ihm letzthin erklärt, er habe nun zwei Jahre lang von Preissenkungen gehört, er habe aber immer nur Preiserhöhungen für Betriebsmittel der Landwirtschaft gesehen; jetzt verlange er auch seinen Milchpreis. Da kann ich es verstehen, daß der Herr Bundeskanzler in einer, wie es in der Presse hieß, bewegten und temperamentvollen Sitzung am 28. September dieses Jahres zu dem Ergebnis kam, unter diese etwas hektische Tätigkeit müsse nun endgültig ein Schlußstrich gezogen werden, und irgend etwas müsse man dem Bundestag gelegentlich anbieten können.
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Das war das Gegenteil von raschem, konjunkturbewußtem Handeln. Das war schlechteste Psychologie; denn sie hat den Maßnahmen der Bundesregierung von vornherein einen Teil ihrer Wirksamkeit genommen.
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Meine Damen und Herren! Ich kann mich nicht enthalten, auch ein Wort über die Investitionspolitik der Bundesregierung zu sagen. Die Bundesregierung scheut dieses Wort wie das Feuer das Wasser. Wir waren einmal so weit. Das war im Jahre 1951. Da wußten wir alle, und da begriff es auch die Bundesregierung, daß es notwendig sei, größere Investitionsmittel in gewisse Engpaßindustrien, insbesondere in die Grundstoffindustrien zu lenken. Ein kluger Mann, der nicht zur Sozialdemokratie gehört, der Herr Präsident Abs von der Wiederaufbaubank, entwickelte einen Plan über die Verwendung von Abschreibungen für Investitionszwecke. Der Herr Bundesfinanzminister, der in solchen Fällen erfreulicherweise prompt zu reagieren pflegt, hatte bereits, wie die Presse mitteilen konnte, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorbereitet. Aber der Herr Bundeswirtschaftsminister sagte: Was nicht sein darf, das kann nicht sein,
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es darf keine Investitionslenkung geben, sondern wir müssen daraus so etwas wie eine freiwillige Selbsthilfe der deutschen Wirtschaft machen.
Die sah nun folgendermaßen aus: Die freiwilligen Selbsthelfer weigerten sich in großer Zahl, dieses freiwillige Opfer zu bringen, und mußten von den Vollstreckungsbeamten der Finanzämter gezwungen werden, ihren Obolus zu entrichten. Ein Teil dieser freiwilligen Selbsthelfer ging zum Bundesverfassungsgericht, weil sie der Auffassung waren, das sei vielleicht doch eine verspätete Auflage jenes freiwilligen Zwanges, den wir längst hinter uns glaubten.
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Das Bundesverfassungsgericht hat erfreulicherweise sehr deutlich gesagt, was hier vorliegt. Es hat in einer Entscheidung, die dann veröffentlicht
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worden ist, gesagt, es handle sich hier um ein Gesetz, mit dem der Staat ordnend und lenkend in die Wirtschaft eingreift, das bezwecke, Kapital zu Investitionszwecken aus einem bestimmten Bereich der Wirtschaft in einen anderen zu leiten, und hat abschließend gesagt, daß es sich dabei um eine durchaus legitime Aufgabe des modernen Staates handele.
Meine Damen und Herren! Wir wären wesentlich weiter gewesen, wenn wir diese Investitionslenkung auf dem normalen Weg der Gesetzgebung durchgeführt hätten. Dann wäre sie einmal nicht zwei Jahre zu spät gekommen und dann wäre sie auch nicht zwei Jahre zu spät beendet worden. Ihnen, meine Damen und Herren, ist dann das Pech passiert, daß Sie in diesem Gesetz eine weitere Bestimmung verankert haben, die sich als konjunkturpolitisch außerordentlich gefährlich erwiesen hat, indem Sie nämlich die Wirksamkeit der Abschreibungsmöglichkeiten nach § 3 b des Gesetzes auf den 31. Dezember 1954 terminisierten. Nun gingen sämtliche Unternehmungen dazu über, Ende 1954 noch schnell ihre Aufträge unterzubringen; und darauf ist ein erheblicher Teil dieser massierten Investitionen, die wir in diesem Jahre 1955 erleben, zurückzuführen.
Ich bin gerade bei der Steuerpolitik. Wir haben im letzten Jahr die Steuerreform verabschiedet zu einem Zeitpunkt, in dem die Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Investitions- und der Konsumgüterindustrie ganz offen lag und die Bedeutung der Entwicklung der Unternehmenseinkommen ebenfalls klar war. In dieser Sitzung hat mein Freund Kurlbaum - es war die Sitzung vom 18. November 1954 - folgendes ausgeführt:
Um so erstaunlicher ist es, daß die Regierungsvorlage und auch die Ausschußbeschlüsse wieder an der einseitigen und bevorzugten Entlastung gerade derjenigen Einkommen festhalten, die in erster Linie für die Investitionen in Frage kommen. Dabei läuft seit Anfang des Jahres wieder einmal die Investitionsgüterproduktion der stagnierenden Konsumgüterproduktion weg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie diese Mahnungen beachtet hätten, brauchten wir nicht zu verzeichnen, daß im ganzen Ablauf des letzten Jahres die Belastung des Lohneinkommens gesteigert worden ist, während die selbständigen Einkommen wesentlich entlastet worden sind, so daß sich stetig neue Impulse für weitere Investitionen ergaben.
In dem Steueraufkommen des zweiten Quartals 1955 wirkt sich das so aus: gegenüber 1954 ist das Lohnsteueraufkommen um 18 %, das Zoll- und Verbrauchsteueraufkommen um 17 %, dagegen sind die Einkommensteuer- und Körperschaftsteueraufkommen nur um 2 % gestiegen,
({75})
obwohl die Gewinne und Einkünfte der Unternehmungen im vergangenen Jahr wesentlich gestiegen sind.
({76})
Meine Damen und Herren, das ist das Gegenteil einer konjunkturbewußten Steuerpolitik.
Zum Schluß darf ich noch auf die Tragödie der Kohleversorgung hinweisen. Wir wissen seit langer Zeit, daß wir in der Kohleversorgung in einem Engpaß sind. Bei der Bundesregierung aber ist ein
Optimismus anzutreffen, der in keiner Weise mit den Realitäten in Übereinstimmung zu bringen ist. Darauf ist es mit zurückzuführen, daß wir diesen Versorgungs- und Preiswirrwarr haben und daß wir im Endeffekt - dazu sehen Sie sich bitte die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Sozialdemokratie an - eine echte, wenn auch schlechte Bewirtschaftung der Kohle haben mit alten, überholten und unwirksamen Kontingentsvorstellungen.
({77})
Sie müßten erkennen, daß der Verzicht auf aktive Maßnahmen der Wirtschaftspolitik schwerwiegende Folgen haben kann.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in seiner Regierungserklärung der Sorge über das Verhalten der Menschen im wirtschaftlichen Prozeß Ausdruck gegeben. Selbstverständlich wird die wirtschaftliche Entwicklung von Menschen gemacht, und infolgedessen spielt auch das menschliche Verhalten in der Wirtschaft eine Rolle. Darum ist eine psychologische Beeinflussung nicht unwichtig. Aber es ist einmal zu beachten, daß auf die gleichen psychologischen Maßnahmen die Reaktionen in den verschiedenen angesprochenen Kreisen durchaus verschieden sein können und daß es für psychologische Maßnahmen sehr enge Grenzen gibt.
Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister auf einer der großen Veranstaltungen, auf denen er sprach, davon redete, er fühle sich als Vorkämpfer psychologischer Meinungsbildung in der Wirtschaft, oder wenn er vor der deutschen Werbewirtschaft sagte, er sei sein eigener Werbeleiter,
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und wenn er dann offenbar in Durchführung dieses Programms in der Presse nach Art der großen Markenartikelfirmen halbseitige Inserate veröffentlichte.
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Meine Damen und Herren, es ist doch sehr die Frage, ob es richtig ist, ein Ministerium für Wirtschaftspolitik zu einer wirtschaftspsychologischen Versuchsanstalt abzuwerten.
({80})
Das Problem liegt doch tiefer, es liegt darin, daß in einer so kritischen Situation, wie wir sie durchmachen, von den Menschen in der Wirtschaft ein Verhalten verlangt wird, das man in der Wissenschaft als antizyklisch bezeichnet, d. h. ein Verhalten, das mit ihrer normalen privatwirtschaftlichen Denkungsweise nicht mehr übereinstimmt. Was verlangen Sie von dem Unternehmer? Sie verlangen von ihm, bei guter Absatzlage, wo sich für ihn privatwirtschaftlich eine Möglichkeit zur Preiserhöhung ergibt, plötzlich zu sagen: Nein, ich verzichte auf Preiserhöhung. - Sie verlangen auf einmal entgegen allen Ihren Darlegungen über die Bedeutung der Privatinitiative und der privatwirtschaftlichen Denkungsweise von dem Unternehmen in einem Zeitpunkt, in dem es hohe Gewinne hat, es dürfe diese Mittel keineswegs zu Investitionen verwenden. Sie verlangen von der Arbeitnehmerschaft in einem Augenblick, in dem ihre arbeitsmarktpsychologische Situation erstmalig günstiger ist, sie müsse ausgerechnet in diesem Augenblick auf Lohnerhöhungen verzichten.
({81})
({82})
- Richtig, Herr Bundeswirtschaftsminister, nicht verzichten! Aber Sie reden ihnen gut zu, sich in dem Rahmen zu halten, welcher usw., und das wird dann wieder' von allen Seiten jeweils völlig verschieden verstanden.
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Herr Bundeswirtschaftsminister, man sollte einsehen, daß für die psychologische Beeinflussung sehr enge Grenzen gezogen sind. Es gibt einen lebendigen Gegenbeweis gegen die Wirksamkeit solcher psychologischer Maßnahmen. Dieser lebendige Gegenbeweis ist der Herr Präsident Berg, der mit unnachahmlicher Treffsicherheit dieses ganze psychologische Entspannungsgebäude des Herrn Bundeswirtschaftsministers zum wesentlichen Teil wieder zerstört hat.
Wir müssen uns hiernach darüber klar sein, daß der psychologischen Beeinflussung nicht die Bedeutung beigemessen werden kann, die ihr im Rahmen der Regierungserklärung gegeben wird, daß mit ihr die Erfolge, die der Bundeswirtschaftsminister meint erzielen zu können, nicht zu erreichen sind. Das gute Zureden hat seine Grenzen. Es kommt entscheidend darauf an, wirtschaftspolitische Tatsachen zu schaffen, die die psychologischen Reaktionen. verändern.
Die psychologische Wirkung der Zinsheraufsetzung und die Erhöhung der Mindestreservesätze durch die Bank deutscher Länder ist wesentlich größer gewesen als die Reden und psychologischen Versuche des Herrn Bundeswirtschaftsministers. Dabei bin ich gerne bereit, diese Reden sämtlich zu addieren und dabei darauf zu verzichten, Negatives und Positives gegeneinander zu kompensieren.
Zu dem Erfolge dieser psychologischen Preissenkungstätigkeit hat sich der Herr Bundeswirtschaftsminister in seiner Erklärung geäußert. Meine Damen und Herren, ich glaube, man muß diesen Satz aufmerksam lesen. Er lautet:
Diese teilweise belächelten Mittel der Konjunkturbeeinflussung
- das hat also auch der Herr Bundeswirtschaftsminister inzwischen erfahren müssen haben bereits gewisse Wirkungen gezeitigt. Eine Anzahl von Unternehmungen hat bereits Preissenkungen auch für solche Güter durchgeführt, die der breiten Masse der Bevölkerung zugute kommen, und andere haben ihre Bereitschaft bekundet.
Ich habe dargelegt, daß auch meine Fraktion auf effektive Preissenkungen entscheidenden Wert legt. Aber ich glaube nicht, daß z. B. die Senkung der Strompreise durch das RWE für Kleinstabnehmer-das sind, glaube ich, 1 % der Verbraucher von RWE-Strom - wirklich eine Bedeutung preispolitischer Art hat. Ich glaube nicht, daß die Senkung des Preises der Helmstedter Braunkohle für 600 000 t Briketts im Jahr bei einer Gesamtförderung an Kohle von 120 bis 130 Millionen t eine nennenswerte preispolitische Bedeutung hat. Ich kann nicht anerkennen, daß die Senkung der Preise für Sanella um 2 Pf für ein Pfund - d. h. etwa 1 % auf den gesamten Absatz von Margarine
- eine nennenswerte Bedeutung für das Preisklima und die Preisentwicklung hat. Herr Bundeswirtschaftsminister, wir sind zutiefst davon überzeugt, daß Preissenkungen ein wichtiges Element der augenblicklichen Wirtschaftspolitik sind;
({84})
schiefe preispolitische Optik aber ist kein solches Mittel.
({85})
Zu den konkreten Punkten der Erklärung der Bundesregierung kann ich mich, da sie einen verhältnismäßig engen Rahmen im Zusammenhang der Ankündigungen enthalten, verhältnismäßig kurz fassen. Wir haben Kenntnis davon genommen, daß allgemeine Steuersenkungen nicht möglich sind, daß insbesondere nicht zu zusätzlichen Investitionen angereizt werden soll. Das scheint mir ein Gesprächsthema zwischen Bundesregierung und Koalitionsparteien zu sein, so daß ich mich nicht näher damit zu befassen brauche.
Zur Senkung der Verbrauchsteuern bedauern wir, daß sich die Bundesregierung nicht in der Lage gesehen hat, uns irgendwelche konkreten Ansatzpunkte für diese Maßnahmen zu nennen.
({86})
Die Bundesregierung hat sich leider nach dreimonatiger Tätigkeit darauf beschränkt, ganz vage, allgemeine Grundsätze mitzuteilen.
({87})
Die Zollsenkung für Betriebsmittel der Landwirtschaft, für Baustoffe und Bedarfsgüter bleibt nach unserer Auffassung hinter dem Notwendigen zurück. Wir hätten gewünscht, daß die Bundesregierung unseren Vorschlag, diese Zölle aufzuheben, übernommen hätte.
Zu einem vierten Punkt gestatten Sie mir eine besondere Bemerkung. Hier spricht die Bundesregierung von ihrem Bemühen, staatlich gebundene Preise und Tarife nicht zu erhöhen. Wir werden Gelegenheit haben, im Laufe dieser Debatte in bezug auf den Milchpreis festzustellen, wie weit die Wirksamkeit dieses Bemühens geht.
Ein weiterer Punkt bedarf einer besonderen Erörterung. Die Bundesregierung hat unter ihren, ich glaube, elf Punkten keinen einzigen Punkt, der die Frage berührt, ob nicht durch die Erhöhung bestimmter niedriger Einkommen der Verbrauch angeregt und damit eine Steigerung der Verbrauchsgütererzeugung herbeigeführt werden kann. Ich habe mit einigem Erstaunen den Satz gehört, die Bundesregierung vertrete keine Konjunkturpolitik, die den Willen erkennen ließe, den Verbrauch bewußt zu verkürzen. Ich weiß nicht, ob der Ton auf „bewußt" oder auf „erkennen ließe" liegt. Aber ich darf doch darauf hinweisen, daß die Steuerreform des Jahres 1954 jedenfalls objektiv dahin geführt hat, daß der Verbrauch nicht die Entwicklung genommen hat, die er bei einer angemessenen Steuerpolitik hätte nehmen können und müssen.
({88})
Das Problem ist nicht, im Augenblick - bewußt oder unbewußt - die Verbrauchsgüterindustrie zu bremsen, das Problem ist, die Verbrauchsgüterindustrie zu fördern, um ihr wieder den Anschluß an die allgemeine Konjunkturentwicklung zu verschaffen.
Meine Damen und Herren, ich darf meine Bemerkungen zu den Vorschlägen der Regierung ab({89})
schließen. Mir scheint, diese Regierungserklärung war, wenn man sie als Programm zur Konjunkturpolitik betrachtet, kein Meisterstück.
({90})
Ich habe mich nun noch mit den Anträgen der verschiedenen Fraktionen dieses Hauses zu befassen. Wir bedauern, daß sich die Anträge der Koalitionsparteien fast ausschließlich auf allgemeine, unverbindliche Empfehlungen beschränken,
({91})
,daß insbesondere die größte Regierungspartei fast
ausschließlich die Bundesregierung bittet, gewisse
Dinge zu prüfen, zu untersuchen und zu erwägen.
({92})
Meine Damen und Herren, in der augenblicklichen Situation reicht das nicht als Dokumentation eines echten Willens zur konjunkturpolitischen Aktivität aus.
({93})
Ein Teil dieser Anträge kommt leider etwas zu spät.
Die CDU hat die Überprüfung von Baumaßnahmen verlangt. Sie wissen, daß der entsprechende Antrag der SPD - nur mit einer kleinen wichtigen Variation - seit langer Zeit vorliegt. Auch die Wissenschaftlichen Beiräte des Bundesfinanzministeriums und des Bundeswirtschaftsministeriums z. B. sind der Meinung, daß hier der Rüstungswirtschaft eine entscheidende Bedeutung zukommt.
({94})
Dieser entscheidende Punkt ist leider in Ihrem Antrag nicht besonders erwähnt, was bei seiner Bedeutung notwendig wäre.
({95})
Die Freie Demokratische Partei hat einen großen Anlauf unternommen, um die Beseitigung aller Verbrauchsteuern zu verlangen. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß die entscheidenden Anträge - ich erinnere an die Zuckersteuer und an di& Zündwarensteuer - bereits seit langem von der Sozialdemokratie gestellt worden sind. Sie hätten auch am 13. Oktober dieses Jahres im Ausschuß Gelegenheit gehabt, aus Anlaß der Beratung unseres Antrags auf Beseitigung der Zuckersteuer die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten zu dokumentieren.
({96})
Darüber hinaus scheint mir eines bemerkenswert. Ich weiß nicht, ob es nicht doch etwas sehr schnell gegangen ist und sehr unüberlegt ist, wenn Sie in diese Beseitigung der Verbrauchsteuern auch die Branntweinsteuer einbeziehen. Mir scheint, daß im Augenblick Steuermittel, die freizumachen sind, in erster Linie anderen Kreisen der Bevölkerung zugeführt werden sollten.
({97})
Die CDU-Fraktion hat einen Antrag über Teilzahlungsgeschäfte eingebracht. Wir halten das für eine wertvolle Anregung und werden sie ernsthaft beraten und prüfen. Wir meinen allerdings, Sie hätten Gelegenheit gehabt, Ihre konjunkturpolitischen Anliegen vorzubringen, als unser Antrag zum Teilzahlungsgesetz in den Ausschüssen zur Beratung stand.
({98})
Nun komme ich zu einem Kreis von Anträgen, die wesentlich größere Bedeutung haben. Das sind
jene Anträge, die wir als konjunkturpolitisch und währungspolitisch gefährlich ansehen müssen, jene Anträge nämlich, die eine generelle Senkung der Einkommen- und der Gewerbesteuer entweder verlangen oder doch zumindest vorsehen, die eine generelle Erleichterung von Abschreibungen und eine Förderung des Exports zum Ziele haben. Es gibt niemanden unter den verantwortungsbewußten Stellen - Herrn Berg rechne ich in diesem Falle nicht dazu -, der nicht der Auffassung wäre, daß derartige Anträge konjunktur- und währungspolitisch gefährlich sind.
({99})
Ich habe dabei aber eine Frage an die beiden Herren Minister Erhard und Schäffer. Ich habe in der Presse gelesen, daß diese Anträge innerhalb der CDU-Fraktion in Anwesenheit oder gar unter Beteiligung der beiden Herren Minister beraten worden seien. Ich habe den Eindruck, daß der Herr Bundesfinanzminister mir soeben zustimmte. Diese Anträge stehen in einem ausgesprochenen Gegensatz zu den lapidaren Grundsätzen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister über die Ablehnung genereller Steuersenkungen hier verkündet hat. Meine Frage lautet: Ist den Herren Ministern die Bedeutung dieser Anträge entgangen, oder waren sie der Auffassung, sie könnten durchgehen, weil es sich doch nur um ganz unverbindliche Entschließungsentwürfe handle?
({100})
Ich sage das mit Absicht in dieser Überspitzung;
denn mir scheint eine solche Politik, von der größten Koalitionspartei betrieben, unmöglich zu sein.
({101})
Die Anträge enthalten darüber hinaus einige besondere Probleme, die einer eingehenden Bearbeitung in den Ausschüssen wert sind. Dazu gehört vor allen Dingen der Antrag, der die Schaffung eines Konjunkturbeirats vorsieht, um eine ständige Konjunkturbeobachtung und konjunkturpolitische Empfehlungen zu ermöglichen. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß zu einer solchen Konjunkturbeobachtung und zu solchen konjunkturpolitischen Empfehlungen ein wichtiges wirtschaftspolitisches Instrument gehört; das ist nämlich eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Ich weiß nicht, ob Sie es übersehen haben: mein Kollege Schoettle hat in der Haushaltsdebatte am 23. Juni 1955 - das ist also noch keine vier Monate her - darauf hingewiesen, daß der Einfluß der Finanz- und Wirtschaftspolitik auf die Wirtschaft so groß ist, daß die Notwendigkeit einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung von niemandem bestritten werden kann. Wir haben damals keine Resonanz gefunden. Ich hoffe, daß der vorliegende Antrag Ausdruck einer besseren Überzeugung ist. Wir sind gern bereit, alle Vorschläge auf diesem Gebiet aufzunehmen, die uns die Möglichkeit zu einer besseren Beurteilung der konjunkturellen Entwicklung geben.
Das gleiche gilt für die Behandlung der Kassenbestände der öffentlichen Hand. Ich hoffe, wir sind uns darüber im klaren, daß das ein höchst vielschichtiges und höchst schwieriges Problem ist, insbesondere soweit nicht nur die Kassenbestände bei Bund und Ländern, sondern auch bei Gemeinden und Gemeindeverbänden in Frage kommen. Aber wir sind gern bereit, unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten den Kerngedanken dieser Anträge einer Überprüfung zu unterziehen.
({102})
Ein Antrag - der CDU/CSU, glaube ich -, befaßt sich mit der Kreditversorgung des Mittelstandes. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir dazu einige Sätze. Seit zwei Jahren befassen wir uns in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages - ich glaube, alle mit gleicher Besorgnis und mit gleichem Eifer - mit diesem Problem der Kreditversorgung der mittleren und kleineren Betriebe. Seit zwei Jahren werden draußen im Lande Kreditgarantiegemeinschaften für Handwerk und Handel gegründet, mit einem bis jetzt jedenfalls nicht überwältigendem Erfolge. Daß wir in diesen Arbeiten bisher nicht vorwärts gekommen sind, ist jedenfalls nicht Schuld der Opposition; das werden Sie mir zugeben. Aber ich bitte Sie: was soll bei dieser Situation ein Antrag, der weiter nichts enthält als die Bitte an die Bundesregierung, doch wieder einmal dieses Problem zu prüfen!
({103})
Dabei handelt es sich - das möchte ich unterstreichen - bei der Kreditversorgung der mittleren und kleineren Unternehmungen um ein außerordentlich ernstes Problem.
({104})
Aber das ist gar nicht so sehr ein konjunkturpolitisches Problem - es gehört eigentlich gar nicht in diese Debatte hinein -, das ist ein ernstes strukturpolitisches Problem. Es hängt mit der Struktur des gesamten Kapitalmarkts in den modernen großen Industriestaaten zusammen. Genau so wie es bei uns Schwierigkeiten bereitet, Personalkredit für das mittlere und kleinere Unternehmen zu schaffen, genau so haben Frankreich und England dieselben Schwierigkeiten, und die gleichen Schwierigkeiten sehen wir auch in einem Land wie Nordamerika, das einen gut funktionierenden Kapitalmarkt hat. Das liegt nämlich daran, daß auf dem Kapitalmarkt die großen Kapitalsammelstellen ein so großes Gewicht bekommen haben und daß diese Kapitalsammelstellen aus der Natur der Sache heraus auf eine gesicherte Anlage Wert legen müssen. Darum handelt es sich hier um ein wichtiges wirtschaftspolitisches Problem, das uns mindestens so am Herzen liegt wie Ihnen. Aber bitte: nicht solche weiße Salbe wie diesen Antrag.
({105})
Damit komme ich zu einigen abschließenden Bemerkungen. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, daß der Ablauf der Wirtschaft nicht allein der Automatik der privaten Wirtschaft überlassen bleiben kann. Wirtschaftspolitische Aktivität und staatliche Intervention sind in begrenztem Rahmen nötig, wenn nicht die Gefahr schwerer Schäden für die gesamte gesellschaftliche Ordnung aufkommen soll. Es gibt leider bei uns in Deutschland einflußreiche Kreise der Wirtschaft, die sich gegen diese staatliche Aktivität wehren, zumal dadurch Gewicht und Einfluß mächtiger Wirtschaftsgruppen stärker auf das Maß zurückgeschraubt wird, das ihnen nach demokratischen Spielregeln zukommt. Deshalb werden - darum habe ich das Beispiel aus der „Welt" angeführt - in der Öffentlichkeit Staat und öffentliche Wirtschaft diffamiert, obwohl die öffentliche Wirtschaftstätigkeit, insbesondere auf dem Baumarkt, für die Entwicklung der Konjunktur von untergeordneter Bedeutung gewesen ist und gerade eine aktive staatliche Wirtschaftspolitik das Gebot der Stunde ist.
Meine Damen und Herren, Sie sollten sich überlegen, ob die Politik der Bundesregierung nicht den Boden für eine solche Haltung mit bereitet hat, ob
nicht auch das Bundeswirtschaftsministerium mit seiner jahrelangen Diffamierung der staatlichen Einflußnahme auf die Wirtschaft einen erklecklichen Anteil Schuld an dieser Entwicklung auf sein Konto buchen muß.
({106})
Die Mehrheit des Hauses möge sich überlegen, ob sie mit ihrer Haltung beim Preistreibereiparagraphen und bei dem Antrag der CDU auf Beseitigung der Auskunftspflichtverordnung nicht ebenfalls ein Stück Schuld an dieser Entwicklung trägt.
({107})
Der Herr Bundeswirtschaftsminister muß inzwischen erschütternde Erfahrungen gemacht haben; er hat sich vor kurzem, zwar nicht in Deutschland, aber in Ischl, also auf einer Tagung in Österreich, hierzu geäußert. Die „Neue Zürcher Zeitung" berichtet darüber:
Eindringlich klingt seine Warnung vor dem Überwuchern der Verbandsmacht. Indem die Organisationen zum Selbstzweck würden und einen eigenen Willen bekämen, sinke der Staat zum Spielball der Interessenten herab.
({108})
Herr Bundeswirtschaftsminister, ich habe den Eindruck, daß Sie in diesem Augenblick nicht die Gewerkschaften als die Interessentengruppen gemeint haben, deren Einfluß Sie zurückdrängen müßten.
({109})
Aber hier liegt ein ernstes Problem. Hier ist die Frage zu entscheiden, ob nicht durch eine solche Politik und eine solche passive Haltung der verantwortlichen Wirtschaftspolitik praktisch die Möglichkeit genommen wird, im entscheidenden Augenblick wirksam zu werden und sich, wie das der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung versprochen und wie das der Herr Bundeswirtschaftsminister heute wieder betont hat, gegen das Überwuchern von Interesseneinflüssen mit Erfolg zur Wehr zu setzen.
Meine Damen und Herren! Warum sage ich das an dieser Stelle? Wir wissen, daß uns in Berlin Millionen Menschen hören, die Wert darauf legen, daß in echt demokratischer Weise die verschiedenen Meinungen frei ausgetragen werden. Aber wir sollen uns über eines nicht täuschen. Millionen von diesen Menschen haben das Fegefeuer zweier Diktaturen mit offenen Sinnen durchgemacht, und bei ihnen besteht die Sorge, daß unsere wirtschaftliche Entwicklung nur zu einer Restauration von Zuständen der Vergangenheit führen könnte.
({110})
Darum sollte diese Debatte vor allen Dingen auch ein Bekenntnis zum sozialen Gehalt der Demokratie sein.
({111})
Die Bevölkerungsschichten, denen unsere Anträge besonders gelten, die kleineren Einkommens- und Rentenbezieher, müssen wissen, daß der demokratische Staat verhindern kann und wird, daß sie vielleicht wieder einmal das hilflose Opfer der konjunkturellen Entwicklung sein werden. Der demokratische Staat muß beweisen, daß er in der Lage ist, die wirtschaftliche Entwicklung mit politischen Mitteln zu gestalten und unabhängig von Interessengesichtspunkten eine gesunde soziale Ordnung zu gewährleisten.
({112})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ,die Redezeit als ein Gradmesser der quotalen Beteiligung an der zur Verfügung stehenden Gesamtredezeit gilt, so, glaube ich, kann sich mein verehrter Kollege Dr. Deist zum mindesten an dieser Stelle nicht über eine Benachteiligung der von ihm vertretenen Quotenseite beklagen.
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- Verzeihen Sie, bitte, wir hatten uns auf 45 Minuten verständigt, und Sie werden mir zugeben, daß es nach der zeitlich stark ausgedehnten Rede, die der verehrte Kollege Deist gebracht hat, außerordentlich schwierig sein wird, nun in 45 Minuten dem allen zu entgegnen. Ich darf von Anfang an also schon bitten, es nicht als ein Ausweichen anzusehen, wenn ich auf gewisse Dinge einfach nicht eingehen kann, weil ich mich eben bemühe, dieser zeitlichen Situation zu entsprechen.
({1})
Ich habe zunächst von der Rede des Herrn Dr. Deist den Eindruck gehabt - wenn ich mir insbesondere auch den Auftakt dieser Rede hier in Erinnerung zurückrufe -, ,daß wir in der konjunkturpolitischen Debatte, die der Bundestag hier durchführt, gegenüber Auseinandersetzungen auf diesem Gebiete etwa in früheren Jahren einen im ganzen erfreulichen Fortschritt zu verzeichnen haben.
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Ich glaube, wir sollten zunächst allseits darüber zufrieden sein, daß wir zu einer Versachlichung der gesamten Auseinandersetzung über die Konjunkturpolitik gekommen sind.
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Daß es uns an dieser Versachlichung brennend liegt, darf ich hier nochmals unterstreichen, und so bitte ich auch meinerseits, ,das, was ich vortrage, genau so sachlich zu behandeln, wie es gebracht worden ist.
Ich glaube aber, hier zunächst etwas ganz Allgemeines sagen zu müssen zu den Möglichkeiten, die ein Parlament hat, überhaupt zur Konjunkturpolitik zu sprechen. Ein Parlament ist kein konjunkturwissenschaftliches Forschungsinstitut,
({4})
ein Parlament ist kein konjunkturpolitischer Beirat, mit dem kurzfristig mitunter sehr dringliche Entscheidungen durchgeführt werden können.
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Ein Parlament kann lediglich die Aufträge formulieren, ({6})
- Verzeihen Sie! Lassen Sie mich doch ausreden. Wir haben Sie ja auch ausreden lassen. - Ein Parlament kann, sage ich, lediglich die Aufträge formulieren, die es für den Einsatz des konjunkturpolitischen Instrumentariums durch die hierfür verantwortlichen Stellen von Regierung und Zentralnotenbank eben durchgeführt haben will. Es kann bei der Beobachtung der konjunkturellen Entwicklung, vor allem seiner politischen Gesamtverantwortung entsprechend, darauf achten, wo
Spannungen, wo unterschiedliche Entwicklungen auftreten. Dann kann es sich durch entsprechende Maßnahmen der Gesetzgebung einschalten, um derartige Spannungen und unterschiedliche Beteiligungen am konjunkturellen Ablauf zu korrigieren. Vor allem eines aber hat das Parlament zu tun: als Kontrollorgan der öffentlichen Instanzen, die in der Exekutive die Konjunkturpolitik zu gestalten haben, darauf zu achten, daß die konjunkturpolitische Steuerung durch die verantwortliche Zentrale überall wirksam wird, auch dort, wo andere öffentliche Instanzen zunächst nicht unmittelbar erreicht werden können.
Es ist das Problem der zentralen Konjunkturpolitik, daß wir in einem bundesstaatlichen Aufbau eben aber verschiedene Instrumente von der Seite der Bundesgesetzgebung und Bundesregierung aus nicht so verfügen können, wie es etwa gegenüber anderen Instanzen der öffentlichen Hand möglich wäre. Sie werden den Anträgen der CDU-Fraktion schon entnommen haben, daß es sich hier insbesondere um die Anlage öffentlicher Gelder handelt, um die Auftragserteilung der öffentlichen Hand an verschiedene Stellen. Ich glaube also, der Bundestag kann sich hier auch verantwortlich dafür fühlen, daß der Appell zu einer wirklich wirksamen, zentralen konjunkturpolitischen Steuerung gegenüber allen Bereichen der öffentlichen Hand ausgesprochen wird.
Für den einzelnen Mann draußen im Lande, in der Bevölkerung, seien es Unternehmer, Arbeitnehmer, Steuerzahler, Rentner, Produzenten wie Verbraucher, Kreditnehmer wie Sparer, für sie alle ist die öffentliche Hand noch eine Einheit. Sie sehen die Gesamtverantwortung der öffentlichen Hand für den konjunkturellen Ablauf, und sie können sich nicht mit staats- und verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten hinsichtlich der Wirksamkeit zentraler Mittel befassen. Das ist die Gesamtverantwortung, die alle öffentlichen Instanzen bei uns haben. Ich glaube, sie auszusprechen, ist ein Auftrag, den der Bundestag hat.
In der jetzigen Situation, meine Damen und Herren, stellt sich nun eine 'doppelte Aufgabe. Wir sehen unterschiedliche konjunkturelle Entwicklungen, die eben zu bestimmten Spannungen führen. Sie rechtzeitig aufzufangen, rechtzeitig darauf einzuwirken, daß keine ungesunden, die gesamtwirtschaftliche Weiterentwicklung störenden Verschiebungen eintreten ist eine Aufgabe, die sowohl in der Regierungserklärung wie in den Worten des Herrn Dr. Deist zum Ausdruck gekommen ist.
Ich kann hier nicht in die ganze breite Diskussion zur Kennzeichnung der derzeitigen konjunkturellen Lage eintreten. Es ist zur Genüge gesagt worden, daß die Investitionsgüterindustrien eine stärkere Entwicklung genommen haben als die Konsumgüterindustrien. Aber, Herr Kollege Dr. Deist, ist es wirklich richtig, daß die Konsumgüterindustrie so zurückgeblieben ist? Ist nicht im August, zum mindesten im Spätsommer 1955 der Auftragsbestand der gesamten Konsumgüterindustrie, selbst in der am stärksten zurückhinkenden Textilindustrie, wesentlich höher geworden, als er vor einem Jahr, im Sommer 1954 war? Ich glaube, man sollte also auch diese jüngste Entwicklung in der Gesamtentwicklung nicht vergessen.
({7})
Man hat über die hohe Investitionsquote gesprochen. Ich darf zunächst dazu folgendes sagen.
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„Investitionsquote" ist ein Gesamtbegriff, der über die Zusammensetzung der Investitionen in den einzelnen Bereichen relativ wenig aussagt, und die Frage, ob die absolute Höhe der Investitionen hier zu gefährlichen Erwartungen Anlaß geben muß oder ob es nur bestimmte Spitzen in der Auftragserteilung sind, müßte doch einmal sorgfältiger geprüft werden.
Sie haben von der Bautätigkeit gesprochen und gesagt, daß gerade die öffentliche Hand mit ihrem Anteil an dem Bauvolumen nicht so ausschlaggebend sein könne. Nun, bei den drei Vierteln des Bauvolumens, die auf Wohnungsbau, auf öffentlichen und Verkehrsbau entfallen, können schon relativ geringfügige Überschreitungen des Auftragsvolumens zu unerwünschten Erscheinungen führen. Das gleiche gilt im übrigen selbstverständlich auch für die Spitzen bei industriellen Investitionen. Wird überhaupt nicht bestritten! Ich glaube, wir sollten überhaupt hier nicht den Versuch machen, dem einen oder anderen nun besondere Pluspunkte oder besondere Minuspunkte in seinem konjunkturellen Verhalten zuzuteilen. Aber denken Sie doch bitte einmal daran, Herr Dr. Deist, was es bedeutet, wenn die öffentlichen Aufträge dort, wo die öffentliche Hand als Auftraggeber auftritt, in einen ganz bestimmten, durch die Haushaltsdispositionen bestimmten Zeitraum zusammenfallen. Sie laufen praktisch erst im Mai an, und dann soll alles noch bis zum Einbruch des Winters fertig sein. Gerade die von der öffentlichen Haushaltsdisposition her bestimmte Massierung ist es doch, die uns immer so zu schaffen macht. Ich glaube daher, daß wir auch Ihr Verständnis für den in unseren Anträgen enthaltenen Auftrag erwarten können, daß gerade die öffentliche Hand als größter Auftraggeber in der gesamten Bauwirtschaft auf eine längere Erstreckung ihrer Aufträge zunächst im Jahresablauf achtet, zum anderen aber, weil ihre Bauinvestitionen ja über Jahre hinausgehen, eine langfristige Planung des Bauvolumens vornimmt, damit sich die Bauwirtschaft ihrerseits auf dieses Bauvolumen einstellen kann.
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Aber zurück zu dem, was ich über die Möglichkeiten des Bundestages sagte. Ich glaube, der Bundestag ist wesentlich auf das angewiesen, was die Institute und die amtlichen Stellen, die die Konjunkturpolitik zu beobachten haben, uns zur Verfügung stellen. Allerdings, verehrter Herr Kollege Deist, was man mit diesem Zahlenmaterial macht, das ist immer noch eine Frage der Interpretation und vielleicht auch eine Frage des Standpunktes. Ich will nicht in eine breite Erörterung der vielen von Ihnen gebrachten Zahlen eintreten; ich will nur einen Punkt, der jedoch eine Schlüsselstellung in Ihrer Argumentation einnahm, nämlich die angebliche Verringerung der Lohnquote, zur Sprache bringen. Nach den vom Statistischen Bundesamt in seinem letzten Heft veröffentlichten Angaben über das Bruttosozialprodukt 1955 im ersten Halbjahr ist der Anteil des Nettoeinkommens aus unselbständiger Arbeit am Nettosozialprodukt zu Faktorkosten gegenüber 1954 nicht gesunken, sondern von 48,0 auf 48,5 °/o gestiegen.
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Ich will, verehrter Herr Kollege Deist, nun nicht auf der absoluten Aussagekraft dieser Rechnung fußen. Ich glaube, dann kann ich aber verlangen, daß auch von Ihrer Seite nicht auf umstrittene
Rechnungen mit einer absoluten Gewißheit gepaukt
wird und man uns diese Zahlen hier entgegenhält.
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Ich darf hier auf einen Versuch zur Versachlichung dieser ganzen ja nun über Jahre gehenden Auseinandersetzung über die Lohn- und Gewinnquote zurückkommen. Vor mehreren Jahren, in einer ganz ähnlichen Situation, wie sie konjunkturell die heutige ist, im Sommer 1951, haben Spitzen der Arbeitgeberorganisationen mit denen der Gewerkschaften zusammengesessen und sich über die Möglichkeiten zur Versachlichung der lohnpolitischen Diskussion in ihren wissenschaftlichen Grundlagen unterhalten. Es war das berühmte Limburger Gespräch. Dieses Gespräch ist leider nicht mehr fortgesetzt worden. Die Unterlagen der Arbeitgeberseite sind damals den anwesenden Gewerkschaftsführern übergeben worden. Man verzichtete darauf, sie zu veröffentlichen, um zunächst eine interne sachliche Prüfung des Materials in die Wege zu leiten. Wäre das damals weitergegangen, ich glaube, wir könnten längst bei einer Versachlichung dieser ganzen zunächst noch wissenschaftlich fundierten Diskussion angelangt sein. Ich gebe die Hoffnung einfach nicht auf, daß es eines Tages beiden Seiten als wichtigstes Anliegen erscheint, die Versachlichung der lohn- und preispolitischen Diskussion bei uns auf den Stand zu bringen, wie es in anderen Ländern zum Teil schon der Fall ist.
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Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß eine Einrichtung wie das amerikanische Bureau of Labor Statistics, das Büro für Arbeits- und Sozialstatistik, welches von beiden Sozialpartnern anerkannt wird, als eine wissenschaftlich neutrale Grundlage auch bei uns errichtet würde. Damit wäre dann allen gedient, und wir wären wirklich aus dieser die Öffentlichkeit zu Unrecht immer wieder sehr beunruhigenden Diskussion über die Aussagewerte bestimmter Zahlen heraus.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch schon kurz zu dem Antrag der FDP-Fraktion über die Errichtung eines Konjunkturrates Stellung nehmen. Ich gebe Ihnen, Herr Dr. Deist, völlig recht: Eine Institution allein tut es nicht, wenn nicht die Mittel der volkswirtschaftlichen Gesamtanalyse in Form einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erarbeitet werden.
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Aber ich erinnere daran, meine Damen und Herren, wie wir in vielen zentralen Stellen unserer volkswirtschaftlichen Gesamterfassung vorläufig mit Schätzungen arbeiten. Denken Sie etwa an die Unterlagen über die Vermögensberechnungen, Einheitswerte von 1935! Auf vielen anderen Gebieten fußen wir auf Vorkriegsdaten, die wir lediglich mit groben Schätzungen auf den heutigen Stand haben fortschreiben können. Hier müssen eben alle statistischen Ämter und sonstigen wissenschaftlichen Stellen eine Nachholarbeit führen, und dafür müssen allerdings auch gewisse Mittel bereitgestellt werden. Ich erinnere daran, daß die Aufarbeitung der Einkommensteuerstatistiken noch für Jahre aussteht und daß wir die Unterlagen dazu, ich glaube, erst für 1950 haben. Hier muß also an allen Stellen, die mit der volkswirtschaftlichen Gesamtdurchleuchtung befaßt sind, eine Aufarbeitung, eine Intensivierung des zur Verfügung stehenden Stoffs erfolgen, ehe wir hier von einem
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wirklich ausreichenden Instrumentarium sprechen können. Mit Zahlen läßt sich trefflich streiten, habe ich vor Jahren einmal in einer ähnlichen Situation gesagt. Wir sollten alle, Sie wie wir, unseren Ehrgeiz darein setzen, den Streit mit Zahlen soweit als möglich aus der Welt zu schaffen, indem wir uns auf einheitliche wissenschaftliche Grundlagen einigen.
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Nun, meine Damen und Herren, zu den akuten Fragen, deren Behandlung und Formulierung sowohl gegenüber der Bundesregierung wie auch gegenüber der Öffentlichkeit ich als Aufgabe des Bundestages ansehe. Ich sprach davon, daß der Bundestag in einer solchen Situation zunächst die divergierenden Tendenzen in der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung erkennen und aus der Erkenntnis bestimmte Maßnahmen der Anpassung ableiten muß. Zum andern aber ist es die Aufgabe des Parlaments auch, rechtzeitig die gesetzlich und institutionell notwendigen Regelungen in die Wege zu leiten, die zur Sicherung der konjunkturellen Entwicklung über einen größeren Zeitraum für die Zukunft erforderlich sind. Ich werde auf diesen Punkt noch besonders zu sprechen kommen.
Für die Durchführung der nun erkannten Fragestellung hat das Parlament, haben wir, gleichgültig, wo wir parteipolitisch stehen, folgende Grundgedanken zur Richtlinie zu machen und sie gegenüber der Regierung auch zu formulieren. Der erste ist, daß die Einheit der Wirtschaftspolitik zur Verwirklichung konjunkturpolitischer Maßnahmen über alle Ressortgrenzen hinweg zu wahren ist. Das ist ein Anliegen jeder Seite dieses Hauses. Es ist wohl auch kein Geheimnis, daß die weitgehende Aufteilung der gesamtwirtschaftlichen Aufgaben in einzelne Ressorts die Gefahr unterschiedlicher Maßnahmen im Hinblick auf die konjunkturell notwendigen Entscheidungen in sich birgt. Immer wieder die Einheit der Wirtschaftspolitik aus der konjunkturpolitischen Aufgabenstellung heraus zu verlangen und zu erzwingen, ist Aufgabe des Parlaments.
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Das zweite ist die konjunkturpolitische Verantwortung der öffentlichen Hand, von der ich vorhin in anderem Zusammenhang schon einmal gesprochen habe. Der Bundestag hat diesen Appell auszusprechen und klarzustellen, daß er niemanden im öffentlichen Bereich aus der Mitverantwortung für den konjunkturell richtigen Verlauf entlassen kann.
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Es ist, verehrter Herr Kollege Deist, keine Diffamierung, wenn hier auf bestimmte Bereiche der öffentlichen Hand oder der öffentlichen Wirtschaft hingewiesen wird.
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Soll ich an die Entwicklung der Holzpreise erinnern mit der Wirkung auf dem Baukostensektor? Soll ich an die Standortwahl bestimmter öffentlicher oder unter öffentlicher Verwaltung stehender Unternehmungen bei der Anlage neuer Kapazitäten erinnern? Soll ich daran erinnern, daß es mitunter nur derartige einzelne Fehldispositionen sind, die konjunkturpolitisch in einem ganzen Bezirk schädlich durchschlagen können?
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- Sicher, man darf es nicht verallgemeinern. Aber ich erinnere daran: Es ist manchmal die Spitze, es ist nur der Tropfen, der eine Flasche zum Überlaufen bringen kann, und da sollte' eigentlich alles, was im öffentlichen Wirtschaftsbereich wirkt, seinen Ehrgeiz darein setzen, nicht der Tropfen zu sein, der die Flasche zum Überlaufen bringt.
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In einer solchen Situation hat das Parlament einen Appell auch an diejenigen Gruppen und Kräfte zu richten, in deren Hand ein großer Teil von Mitverantwortung für den konjunkturellen Ablauf und für die Sicherung des Ganzen liegt. Ich meine damit die Sozialpartner, die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften, denen mit der Tarifautonomie ein hohes Maß von Selbstverwaltung und Selbstverantwortung in die Hand gegeben ist. Daß von diesem Instrument ein Gebrauch gemacht werde, der nicht die Stabilität der Währung, der nicht die Sicherung der Kaufkraft antastet, ist das ernsteste Anliegen, das Bundesregierung und Bundestag in dieser Stunde zum Ausdruck zu bringen haben.
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Wir haben gerade gestern in Straßburg eine Debatte gehabt über den Entwurf einer europäischen Sozialcharta. In dieser Sozialcharta ist ein großes Maß von staatlichen dirigistischen Eingriffen auch auf dem Gebiet der Lohnfindung und der Lohnfestsetzung vorgesehen. Kollege Birkelbach und ich waren in unseren Diskussionsbeiträgen übereinstimmend der Meinung, daß wir in Deutschland gegenüber diesen Tendenzen der westeuropäischen Länder unter allen Umständen den Grundsatz der Tarifautonomie der Sozialpartner, der Selbstverwaltung und' Selbstverantwortung der Sozialpartner für die Findung von Lohn- und Arbeitsbedingungen aufrechterhalten müssen. Aber an vielen Stellen dieser Sozialcharta steht ebenso eindeutig, daß alle sich ihr anschließenden Staaten die Verpflichtung haben sollen, für die Stabilität der Währung und die Erhaltung der Kaufkraft zu sorgen.
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Unter diese Verpflichtung muß auch die Tarifhoheit der Sozialpartner gestellt sein; denn sonst würde sie sich ins Gegenteil verkehren, würde auf die Dauer wahrscheinlich doch nicht aufrechtzuerhalten sein.
Eine weitere Aufgabe, die der Bundestag zu lösen haben wird, sehe ich in der Lösung der Frage, in welchem Maße die zentrale Notenbank durch Gesetz in den Stand gesetzt werden soll, sich kreditpolitisch auch dort durchzusetzen, wo ihr zunächst keine Zuständigkeit gegeben ist. Wir bedauern, daß wir bis heute noch kein neues deutsches Notenbankgesetz haben. Wir können in dieser Legislaturperiode wohl kaum noch mit der Verabschiedung eines solchen Gesetzes rechnen. Um so wi tiger ist aber, den Punkt vorzuziehen, der für die konjunkturpolitische zentrale Steuerung wesentlich ist, um so wichtiger ist es, daß auch diejenigen Überschüsse der öffentlichen Kassen währungs- und kreditpolitisch neutralisiert werden, die auf einer anderen als der Bundesebene anfallen. Das ist bei Anträgen zum Bundesnotenbankgesetz im 1. Bundestag schon zum Ausdruck gebracht worden. Bis heute aber ist, wie ich schon
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sagte, nichts davon verwirklicht worden. Daher unser Antrag, die Bundesregierung möge uns eine entsprechende Vorlage machen.
In diesem Zusammenhang eine Bemerkung nebenbei. Verehrter Herr Kollege Deist, wenn die Anträge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Aufträge an die Bundesregierung wünschen, wenn sie nicht bereits in Paragraphen aufgeführte Gesetzesentwürfe sind, dann deswegen, weil nahezu jeder Punkt in unseren Anträgen sowohl die Legislative wie die Exekutive betrifft und weil hier bei den weiteren Beratungen sehr genau abgegrenzt werden muß, wo es um die Zuständigkeit des Gesetzgebers und wo es um die Verantwortung der Bundesregierung als Exekutive geht.
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- Ich komme bei der Einzelbehandlung unserer Anträge noch auf diese Dinge zurück.
Ich darf nun zunächst etwas über die Aufgabe sagen, die gesamte wirtschaftliche Entwicklung auch für die Zukunft nach richtigen Maßstäben zu sichern. Ich komme damit zu jenem Punkt, wo wir vielleicht jetzt schon, voraussichtlich aber auch in den kommenden Jahren die engste Begrenzung für eine weitere Expansion haben werden. Ich meine die Frage der Arbeitskräfte. Es nützt nichts, daß wir uns darüber hinwegtäuschen. Man mag die Investitionsquote zu hoch finden. Aber, verehrter Herr Kollege Deist, haben Sie auch einmal nachgerechnet, was die für einen Arbeitsplatz heute notwendige Investition kostet, etwa gegenüber den Preisen von 1950 oder gar denen von 1938? Ich glaube, auch von dieser Seite sollte man einmal die Höhe der Investitionen und der Investitionsquote prüfen.
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- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen.
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Ich wollte gerade von einem Anliegen sprechen, von dem ich eigentlich annehmen dürfte, daß es Ihnen ganz besonders am Herzen liegt. Ich meine die Überlegung: Was und wie muß in Zukunft investiert werden, damit das Ergebnis des Apparats, der vorgenommenen Investierung zur Herstellung der Güter wesentlich vermehrt werden kann. An dieser Stelle ist die wesentliche Vermehrung der Produktion, der Produktivität und damit die Hebung des Lebensstandards zentral angesprochen.
Wir werden in den kommenden Jahren mit einer wachsenden Verknappung der Arbeitskräfte rechnen müssen. Ich erinnere daran, daß die Zahl der Schulentlassenen Jahr für Jahr erheblich zurückgehen wird; es sind die geburtenschwachen Kriegsjahrgänge, die nunmehr aus der Schule entlassen werden. Wir werden also auf jeden Fall mit einer erheblichen Verknappung der Arbeitskräftezahl zu rechnen haben, ganz abgesehen von den Kräften, die zum Wehrdienst aus der Wirtschaft herausgezogen werden müssen.
Die Aufrechterhaltung des heutigen Lebensstandards aber setzt dann voraus, daß für die in der Wirtschaft produktiv Tätigen durch entsprechende Investitionen am Arbeitsplatz eine wesentlich höhere Produktionsleistung möglich wird. Mit andern Worten: Es muß der Produktionsapparat intensiviert werden, und insofern sind wir tatsächlich an einem Wendepunkt in der Investitionspolitik unserer Wirtschaft angelangt. Die bisherige
Investitionstätigkeit ging überwiegend in die Erstellung neuer Kapazitäten, sie ging in das Extensive. Es wurden neue Arbeitsplätze geschaffen, es wurden Millionen von Menschen zusätzlich in Arbeit gebracht. Nunmehr ist es die Aufgabe, an die Stelle extensiver Kapazitätsentwicklungen eine Intensivierung des Apparates am öffentlichen Arbeitsplatz herbeizuführen.
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Daß damit aber wesentlich höhere Aufwendungen notwendig sind als in der extensiven Kapazitätsausweitung, das darf ich Ihnen, meine Damen und Herren, an einem einzigen Beispiel zeigen.
Die Investition für einen Arbeitsplatz in der Drahtziehereiindustrie hat früher 10 000 Reichsmark gekostet - vor dem Krieg. Wir müssen jetzt 50 000 DM für diesen einen Arbeitsplatz rechnen, allerdings dann auch bei einer Versiebenfachung der Leistung, die der einzelne an diesem Arbeitsplatz erbringen kann.
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Wenn Sie sich die Kasten der Arbeitsplätze in einzelnen Industriezweigen ansehen, dann wird erst einmal deutlich, welches Ausmaß von Investitionen gerade durch die Steigerung der technischen Anforderungen an den einzelnen Arbeitsplatz verursacht worden ist.
In der eisenschaffenden Industrie kostet der durchschnittliche Arbeitsplatz heute 80- bis 100 000 DM, im Maschinenbau 20 000 DM, beim Fahrzeugbau 25 000 DM, in der Elektroindustrie 25 000 DM. In der Holzverarbeitung sind wir noch auf dem ursprünglichen durchschnittlichen Satz von 10 000 DM. Insgesamt gesehen haben sich in den letzten fünf Jahren die durchschnittlichen Kosten der Investition für einen Arbeitsplatz der Industrie etwa um 50 % erhöht.
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Nun, ich will hier nicht auf allzu viele Einzelheiten in dieser Frage eingehen. Ich glaube aber, daß nur aus diesen Überlegungen heraus beurteilt werden kann: Was hat zu geschehen, um bei verringerter Arbeitskräftezahl die volkswirtschaftliche Gesamtleistung als Ganzes und insbesondere auch den für den Massenkonsum notwendigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten? Was hat zu geschehen, um das bei rückläufiger Arbeitskräftezahl zu ermöglichen? Daß das nur mit zusätzlicher Investition am einzelnen Arbeitsplatz stattfinden kann, ist, glaube ich, selbstverständlich.
Ich glaube, dieser einzige Hinweis genügt auch, um die Besorgnisse, ,die ein führender Konsumgüterfabrikant hat, deutlich zu machen, ein Konsumgüterfabrikant, der, weil er diese Situation sieht, sich für die Aufrechterhaltung des Investitionsvolumens ausspricht und auch bereit ist, Konjunkturbelebungen zusätzlicher Art in der Konsumgüterindustrie selbst !zurückzustellen. Dieser Konsumgüterfabrikant ist allerdings der von Ihnen offenbar als Autorität nicht sehr geschätzte Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Herr Berg. Ich glaube aber, es genügt, hier auszuführen, daß man nicht von einer momentanen Situation, etwa aus der Sicht von wenigen Monaten heraus Entscheidungen über das notwendige Investitionsvolumen treffen kann, wenn auf dieses Investitionsvolumen Aufgaben, die ich soeben geschildert habe, in Kürze zukommen. Ich bin auch überzeugt, daß ein nicht unerheblicher Teil
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der derzeitigen Investitionstätigkeit bereits eine Vorwegnahme der kommenden Entwicklung am Arbeitsplatz darstellt. Ein großer Teil der Unternehmer macht sich seit langem Gedanken und Sorgen darüber, wie er seine Produktion aufrechterhalten kann, wenn er Arbeitskräfte verliert. So ist wohl auch ein nicht unerheblicher Teil des derzeitigen Investitionsvolumens begründet.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf verschiedene Punkte in den Anträgen der CDU selbst eingehen.
Ich habe schon von der zentralen Rolle gesprochen, die wir unserem Antrag betreffend die Anlage öffentlicher Gelder zuerkennen. Es handelt sich einfach darum, der zentralen Notenbank ihr Instrumentarium zur Kreditpolitik so zu vervollständigen, wie es nach Lage der Dinge eben einfach notwendig ist. Daß innerhalb der gesamten Stationen der öffentlichen Hand hier bestimmte Dinge einer Überprüfung bedürfen, wird man sicher nicht als Diffamierung betrachten können. Sehen Sie sich einmal das Steueraufkommen an, wie es in allen Instanzen erheblich über den Vorschätzungen liegt. Sehen Sie sich vor allem auch an, daß die Gewerbesteuer sich wesentlich stärker in ihrem Aufkommen erhöht hat als die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Sehen Sie sich an, daß durch die letzten Einkommensteuergesetze des Bundes Erhöhungen der Bemessungsgrundlagen für die Gewerbesteuer eingetreten sind, weil für die Gewerbesteuer wirksame Sondervergünstigungen - etwa der 7er-Gruppe - im Einkommensteuergesetz in Fortfall gekommen sind. Es ist nur natürlich, daß wir in eine Überprüfung dieser Dinge eintreten, daß wir nicht eine divergierende Entwicklung etwa der Gewerbesteuer auf der einen und der Bundes- und Länder-Einkommen- und Körperschaftsteuer auf der anderen Seite haben wollen.
Bei dem Antrag, der von der Bundesregierung konjunkturpolitische Überprüfung der öffentlichen Ausgaben verlangt, unterscheiden wir einmal jene Ausgaben, bei denen die Bundesregierung nicht unmittelbaren Einfluß hat, bei denen sie also tatsächlich nur auf den guten Willen der beteiligten Instanzen angewiesen ist. Wir sind überzeugt, daß sich keine der öffentlichen Instanzen diesem Appell ,an den guten Willen verschließen wird. Wir unterscheiden dann jene öffentlichen Ausgaben für Investitionsvorhaben, wo Bundesmittel unmittelbar eingesetzt werden. Hier soll die Hergabe von Bundesmitteln von einer Überprüfung der Dringlichkeit und der Auftragslage in dem jeweiligen Baubereich abhängig gemacht werden.
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Wir appellieren ferner in diesem Antrag daran, daß die Bundesregierung die im Eigentum des Bundes oder unter seiner Verwaltung stehenden Unternehmen zu einer stärkeren Anpassung an die konjunkturpolitischen Erfordernisse anhält, insbesondere dann, wenn zusätzlich neue Kapazitäten in Bezirken erstellt werden sollten - was nun leider geschieht -, wo ohnehin schon Engpaßbezirke durch starke industrielle Zusammenballung bestehen.
Wir fordern weiterhin die Bundesregierung auf, alle öffentlichen Auftraggeber zu einer langfristigen Unterrichtung der Bauwirtschaft über ihre künftigen Bauvorhaben zu veranlassen, damit diese sich bei ihren Investitionen an arbeitssparenden Maschinen usw. auch auf eine Auftragsentwicklung auf lange Sicht einstellen kann.
Zu dem Antrag über die Kreditversorgung des Mittelstandes wird mein Kollege Schmücker noch sprechen. Ich darf hier nur einen Gedanken kurz erwähnen, der auch in diesem Antrag mit angesprochen wird. Wir haben eine große Zahl öffentlicher Fonds, Fonds auf Landes- und anderen Ebenen, aus denen nun Gewerbe- oder andere Förderungsmaßnahmen gespeist werden sollen. Die starke Zersplitterung dieser Fonds ist diametral entgegengesetzt der Aufgabe, ,die sie haben, nämlich gegebenenfalls auch zentral gesteuert zur Erzeugung bestimmter wirtschaftspolitischer Wirkungen eingesetzt zu werden. Ich glaube, daß gerade diese Überprüfung der verschiedenen Fonds mit ein Anliegen dieses Antrags sein wird.
Zu dem Thema Teilzahlungsgeschäfte kann ich mich kurz fassen. Ich freue mich über die Unterstützung, die hier zugesagt worden ist. Aber, verehrter Herr Kollege Dr. Deist, wenn wir dem Antrag der SPD nicht den Vorzug gegeben haben - er ist ja auch noch nicht abschließend beraten -, so aus folgender Überlegung. Ich glaube, mit einem Ausbau des Verbraucherschutzes beim Abschluß von Abzahlungsgeschäften allein kommt man dem konjunkturpolitischen Problem nicht näher; denn je leichter ich von einem Teilzahlungsvertrag zurücktreten kann, um so leichtfertiger kann ich unter Umständen einen solchen Vertrag abschließen,
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und das würde konjunkturpolitisch zu zusätzlichen Überspitzungen führen, indem Auftragsvolumina entstehen, die vielleicht nachher gar nicht realisiert werden können.
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Daher halte ich die Übernahme von Regelungen, wie sie in USA und England und anderen Ländern bestehen, das Teilzahlungsgeschäft an die kreditpolitischen Instanzen anzuhängen - auch durch gesetzliche Vorschriften über Anzahlungshöhe und über Laufzeit der monatlichen Raten -, für den wirksameren Weg.
Im ganzen darf ich sagen, daß die Entwicklung des Teilzahlungsgeschäftes als solche noch nicht zu Beunruhigungen Veranlassung gibt. Da wir aber auf diesem Sektor in einer sehr kurzfristigen, sehr raschen Entwicklung stehen, sollte man das Instrument der Steuerung dieses Geschäftsbereichs rechtzeitig schaffen und nicht erst dann kommen, wenn vielleicht schon eine Überhitzung auf diesem Gebiet eingetreten ist.
Nun zu dem Antrag betreffend die Beschaffung von Arbeitskräften in der Bundesrepublik! Meine Damen und Herren, es gibt eine alte Regel, daß manche Dinge zu spät und zu wenig kommen, und ich befürchte, daß wir bei den Möglichkeiten, Arbeitskräfte aus Ländern mit starker Arbeitslosigkeit zu beschaffen, um eine Verstärkung unseres Arbeitskräftepotentials herbeizuführen, bereits zu spät kommen. Diese Anregungen sind vor Jahresfrist wiederholt erörtert worden.
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Sie sind auf starken Widerstand gestoßen, weil man offenbar befürchtete, daß damit die böse Absicht eines Lohn- oder Sozialdumpings verbunden sei. Daher haben wir, um derartigen Befürchtungen auch jetzt entgegenzutreten, in unserem Antrag ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß die Hereinnahme ausländischer Arbeitskräfte „ohne Beeinträchtigung des bestehenden Lohnniveaus
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und der bestehenden arbeits- und sozialrechtlichen Bedingungen" zugelassen werden sollte. Leider sind wir gegenüber den Ländern, die noch Arbeitskräfte in größerem Umfang zur Verfügung stellen könnten, vermutlich jetzt nicht mehr in der günstigen Verhandlungsposition wie vor einem Jahr.
Ich glaube aber, daß die gesamte Entwicklung der Arbeitskräftesituation, von der ich vorhin schon gesprochen habe, noch ganz andere Maßnahmen von uns verlangt, Maßnahmen, die auch in Verbindung mit der Sozialreform gesehen werden müssen: die Reaktivierung von nur teilweise einsatzfähigen Arbeitskräften, die Anpassung von Arbeitszeit und anderen Arbeitsbedingungen an nur in geringem Maß Erwerbsfähige, an nur teilweise zu wenigen Stunden am Tag zur Arbeit heranzuziehende Kräfte und nicht zuletzt auch durch die Auslagerung von industriellen Arbeitsplätzen in solche Bezirke, in denen zwar keine sichtbare Arbeitslosigkeit besteht, wohl aber keine gleichbleibende Vollbeschäftigung der Bevölkerung für das ganze Jahr. Ich meine damit die sogenannten Randgebiete und vor allem auch die landwirtschaftlichen Notstandsgebiete, wo die Bevölkerung wirklich nur wenige Monate im Jahr in der landwirtschaftlichen Produktion voll tätig ist, in den übrigen Monaten des Jahres aber durch industrielle Aussiedlung erhebliche Gelegenheiten für zusätzlichen Verdienst, zusätzliches Einkommen finden würde. Unsere dringende Bitte an die beteiligten Ressorts geht dahin, auf dieses Problem auch außerhalb der derzeitigen Konjunkturdebatte noch einmal zurückzukommen und konkrete Maßnahmen auf lange Sicht einzuleiten, die eine Umstrukturierung landwirtschaftlicher Notstandsgebiete durch erleichterte industrielle Ausssiedlung zum Gegenstand haben.
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Ich komme dann zu dem schon von Herrn Dr. Deist allerdings nicht sehr positiv angekündigten Gesetzentwurf betreffend die Änderung des Einkommensteuergesetzes. Die Änderung des Einkommensteuergesetzes, die von unserer Fraktion beantragt wird, greift zunächst Vorschläge auf, bei denen wir uns auch mit der Opposition in Übereinstimmung befinden. Die Erhöhung der Freibeträge für freie Berufe und die unselbständig Tätigen soll auf diesem Gebiet nämlich eine stärkere Entlastung schaffen, weiterhin sind aber auch wesentliche Erleichterungen bei der Ehegattenbesteuerung vorgesehen. Hier müssen bestimmte Pläne endlich nachgezogen werden, die wir seinerzeit bei der Steuerreform haben zurückstellen müssen. Ich glaube, daß an dieser Stelle auch gesagt werden soll, daß nicht nur die mithelfende, die erwerbstätige, die mitverdienende Ehefrau gemeint ist, sondern daß auch die Ehefrau als Hausfrau bei diesen Überlegungen zur Reform der Ehegattenbesteuerung ihre gebührende Berücksichtigung finden muß.
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Was unseren Antrag betreffend die Scheingewinnbesteuerung angeht, so darf ich hier auf Beschlüsse verweisen, die der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundestages bereits im letzten Jahre gefaßt hat, die aber, um die Sache nicht zu verzögern, bei der Einkommensteuerreform Ende des Jahres 1954 zurückgestellt werden mußten. Ich glaube, heute ist der Zeitpunkt da, diese Dinge wieder aufzugreifen.
Dann hat Herr Dr. Deist vor allem Bedenken gegen die Aufnahme einer Aufforderung in bezug
auf erleichterte Abschreibungen angemeldet. Ich bitte, doch den Wortlaut dieses Antrags nochmals genau zu lesen. Er beauftragt die Bundesregierung, bei der Handhabung der degressiven Abschreibung der konjunkturellen Lage entsprechend Sorge dafür zu tragen, daß die Finanzverwaltungen eine degressive Abschreibung auch bei beweglichen Wirtschaftsgütern mit einer Lebensdauer von sechs bis zehn Jahren usw. zulassen. Die Bundesregierung bzw. die Finanzverwaltung wird also lediglich darauf hingewiesen, von den bereits jetzt bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten administrativ den entsprechenden Gebrauch zu machen. Die Grenze für diese Möglichkeit ist, wie Sie wohl wissen, durch ein finanzgerichtliches Urteil inzwischen geklärt.
Wir haben nun unter den steuerpolitischen Anträgen noch einen weiteren, der lediglich ganz allgemein geeignete Maßnahmen anregt, um Rationalisierungsinvestitionen sowie Beiträge für Forschung und Berufsausbildung zu erleichtern. Ich darf nochmals daran erinnern, welches die Investitionsaufgabe der deutschen Wirtschaft im Hinblick auf die Entwicklung des Arbeitskräfteangebots sein wird, und Sie werden mir im Hinblick
darauf recht geben, daß dieser Antrag lediglich den Auftrag beinhaltet, diese Dinge rechtzeitig in Arbeit zu nehmen. Daß dabei gerade auch besondere Aufwendungen für die industrielle Forschung, für die Forschung allgemein und für die Intensivierung der Berufsausbildung gemeint sind, das ist bei der Situation, in der wir uns befinden, doch selbstverständlich.
Noch ein letztes Wort zu dem Thema Energiepreise. Ich glaube, daß man hier wirklich einmal sine ira et studio an die Frage herantreten muß, wieso die Energiepreise bei uns eine Höhe haben, die einmal angesichts der Poduktivitätsentwicklung der Energieerzeugung in den letzten Jahren und zum andern im Vergleich zu anderen Ländern überraschend erscheint. Hier sollte zumindest eine Überprüfung vorgenommen werden, damit man zu klaren Vorstellungen kommen kann. Es ist ja wohl kein Geheimnis, daß ein nicht unerheblicher Teil des Preises, den der Verbraucher für den Strom zu zahlen hat, in unmittelbare oder mittelbare kommunale oder sonstige öffentliche Abgaben fließt. Hier sollte also zumindest eine Überprüfung dieser Überlagerung der einheitlichen Energiepreise durch andere Abgaben vorgenommen werden.
Die anderen Punkte, die im Antrag auf Überprüfung der Energiepreise genannt sind, beziehen sich vor allem auf das Auslaufen des § 36 des Investitionshilfegesetzes. Hier werden nach unseren Berechnungen erhebliche Beträge frei werden, die bisher im Energiepreis zur Speisung der notwendigen Investitionen enthalten waren.
Herr Kollege Deist hat zum Investitionshilfegesetz noch einige kritische Bemerkungen gemacht, die ich hier nicht in aller Breite behandeln kann. Ich darf aber noch einmal darauf aufmerksam machen, daß Herr Kollege Deist von dem Investitionshilfegesetz, insbesondere von § 36, als konjunkturwidrig gesprochen hat. Ich glaube, wir können keinen einheitlichen Begriff des Konjunkturgemäßen und des Konjunkturwidrigen begründen, sondern die konjunkturelle Situation kann zur einen Zeit das eine Mittel und zur anderen Zeit ein anderes Mittel erforderlich machen. Beide Mittel haben aber die Eigenschaft, daß sie unter veränderten Bedingungen unter Umständen auch ne({38})
gative Wirkungen haben können. Ich gebe völlig zu, daß ein Auftragsstau, der durch das Auslaufen eines Termins - wie beim § 36 - entsteht, konjunkturpolitisch recht unangenehme Wirkungen haben kann und wohl auch gehabt hat. Aber das ist ja wohl immer in solchen Bereichen der Fall. Bei öffentlichen Investitionen oder bei der Bereitstellung öffentlicher Gelder haben wir häufig auch ganz bestimmte Terminierungen für öffentliche Gelder oder Subventionen, die dann zu einem Stau der Aufträge führen. Mir ist bekannt, daß in einem deutschen Bundesland die Bereitstellung von Landesmitteln für Schulhausbauten an Gemeinden bis Ende dieses Jahres ablaufen soll. Sie können sich vorstellen, wie ein solcher Termin zur Aufstauung von plötzlichen Schulhausbauaufträgen führt, die uns konjunkturpolitisch höchst unerwünscht kommen. Auch das als eine Illustration dafür, wie etwas normalerweise Konjunkturgemäßes unter veränderten Umständen konjunkturwidrig sein kann, und umgekehrt.
Im ganzen darf aber abschließend über das Investitionshilfegesetz folgendes gesagt werden. Man mag diese vor vier Jahren eingeleitete Aktion aus der Sicht der Wirtschaftspolitik heraus als einen mehr oder weniger großen Schönheitsfehler, als eine Sünde wider den heiligen Geist oder auch als Tropfen auf den heißen Stein empfinden. Insgesamt dürfte aber wohl feststehen: Wenn in der jüngsten Expansion der gesamten deutschen Wirtschaft die Bereitstellung von Kohle, Eisen, Stahl und Energie in einem solchen Umfang möglich war, daß keine erwähnenswerten Engpaßerscheinungen von dort gekommen sind, so ist das ganz wesentlich die Wirkung des Investitionshilfegesetzes gewesen.
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Ich muß mich beeilen, zum Schluß zu kommen, und kann an dieser Stelle nur noch kurz etwas über zwei Bereiche sagen, die bei der wirtschaftspolitischen Gesamtdebatte vielleicht ungerechtfertigterweise etwas in den Hintergrund treten könnten. Das ist einmal die Landwirtschaft, und zum anderen sind es die Bereiche von Einkommensempfängern, bei denen die Anpassung ihrer Einkommen an das Tempo der industriellen Entwicklung und der von ihr ausgehenden Einkommenssteigerung nicht ohne weiteres möglich ist.
Was die Landwirtschaft angeht, so ist durch den bei Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes erteilten Auftrag bereits eingeleitet, daß hier noch weitere Maßnahmen zu ergreifen sind. Wie man das macht, ob man das an der einen oder der anderen Stelle durch einen Preis oder durch die steuerliche Entlastung zu erreichen versucht, wie verschiedene Anträge es anregen, oder auch durch die Übernahme bestimmter Dinge, die vorläufig im landwirtschaftlichen Bereich finanziert werden müssen, die aber mit öffentlichen Mitteln durchgeführt werden könnten - wie etwa die Tbc-Bekämpfung beim Rindvieh , das sind Fragen, die wir in Ausschußberatungen wohl klären können.
Was zum andern die Einkommensentwicklung bei den Rentnern und dem Kreis der ihnen zuzurechnenden Bezieher von Festbeträgen angeht, so darf ich hier grundsätzlich zum Ausdruck bringen, was meine Fraktion mit ihrem Antrag zum Rentenmehrbetragsgesetz bereits zu erkennen gegeben hat: daß Anpassungsmaßnahmen dort, wo sie als Folge der Preisentwicklung dringend notwendig sind, selbstverständlich zu treffen sind.
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Aber es soll nicht plötzlich eine Unruhewelle entstehen, durch die das, was mit der Sozialreform als gemeinsame Arbeit angestrebt wird - die Gesamtleistungen des Gesamthaushalts zu intensivieren -, verbaut oder durch Vorwegmaßnahmen an dieser oder jener Stelle zersplittert wird. Ich glaube, die Anpassung dort, wo es notwendig ist, betrachtet jeder in diesem Saal als ein berechtigtes Anliegen. Aber wir wollen nicht bereits jetzt durch Vorwegnahme und Zersplitterung von Maßnahmen, die mit der Sozialreform zu kommen haben, die Wirkung des Gesamtplans gefährden.
Es liegt mir noch sehr am Herzen, hier ein Schlußwort zu sagen über die besondere Situation, in der wir uns hier befinden, nämlich in Berlin und im Angesicht der sowjetischen Besatzungszone. Es wird für Berlin und die Berliner Bevölkerung ein etwas merkwürdiges Bild sein, daß man sich im Deutschen Bundestag gewissermaßen über die Folgen einer zu schnellen, einer zu guten wirtschaftlichen Entwicklung streiten konnte. Die Berliner werden sagen: Eure Sorgen möchten wir auch haben!
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Ich glaube aber, der enge Zusammenhang zwischen der Konjunktur in der Bundesrepublik, ihrer Aufrechterhaltung und Stabilisierung und der Lebensfähigkeit der Berliner Wirtschaft und damit des freien Berlins liegt schlechthin auf der Hand. Was Berlin erzeugt, wird überwiegend auf dem Markt der Bundesrepublik abgegeben und dort aufgenommen. Die Aufrechterhaltung und die weitere Ausdehnung der wirtschaftlichen Leistung Berlins ist also unmittelbar abhängig von der Aufnahmefähigkeit des westdeutschen Marktes. Daher ist dieser Zusammenhang gerechtfertigt, wenn auch hier das Thema völlig unter der Sicht der Bundesrepublik erörtert wird.
Aber etwas anderes sollte in Berlin zum Ausdruck gebracht werden. Wir könnten, wenn wir uns hier über den Anteil 'der einen oder anderen Gruppe am Sozialprodukt oder am Zuwachs des Sozialprodukts auseinandersetzen, den Eindruck erwecken, als wenn für uns Wirtschaftspolitik lediglich ein Verteilungsproblem nach materiellen Gesichtspunkten wäre. Wir möchten ganz klar herausstellen, daß auch die Wirtschaftspolitik einer höheren Aufgabe untergeordnet ist, nämlich der, unter Beweis zu stellen, daß die freiheitliche Staats-, Gesellschafts- und Sozialordnung unter allen Umständen menschenwürdiger und daher wertvoller und es wert ist, verteidigt zu werden, als irgendeine andere.
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Das in Berlin zum Ausdruck zu bringen, sollte bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen werden.
Ich darf hier an alle unsere Landsleute, die im Wirtschaftsleben in der Bundesrepublik stehen, einen anderen Appell richten. Es ist viel von dem Maßhalten gesprochen worden. Der Herr Bundeswirtschaftsminister führt seinen psychologischen Feldzug, der von dem Kollegen Dr. Deist offenbar nicht ganz so geschätzt oder, ich möchte sagen, nicht für so ganz durchschlagend angesehen wird, wie es vielleicht sein sollte. Nun, über die psychologischen Kräfte in der Wirtschaft, die Gruppen und die Verbände, müssen wir uns bei anderer Gelegenheit einmal unterhalten. Ich möchte das Thema nicht vertiefen. Sie dürfen aber sicher sein, daß Sie in mir einen an diesem Thema ungemein interessierten Gesprächspartner haben, wie wir es
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uns wiederholt bereits in Diskussionen versichert haben. In deh Worten des Bundeswirtschaftsministers liegt der Appell zum Maßhalten. Ich möchte es einmal anders sagen: Auch die Freiheit, die in unserer Wirtschaftsordnung das vorherrschende Merkmal ist - dazu gehört auch die Verbandsfreiheit, die Koalitionsfreiheit, die Tarifautonomie der großen Verbände - trägt in sich die Verpflichtung zu Bindungen, und sie trägt in sich auch die Verpflichtung, dann aufrechterhalten zu werden, wenn sie einmal zu Störungen oder zu Härten für den einen oder anderen führen sollte. Sich für die Freiheit einzusetzen, auch dann, wenn es einmal etwas kostet, ist der Appell, den wir wohl an alle unsere Landsleute, unter allen Umständen an die Gruppen und die Verbände zu richten haben. Vor allem ist diese Freiheit nicht isoliert aus dem Blickwinkel der einzelnen Gruppe oder des Einzelnen zu sehen, sondern sie ist nur zu sehen in der Verantwortung, in der Bindung an die Gemeinschaft. Denn diese Gemeinschaft, verkörpert durch den Staat und seine Organe, Parlament und Regierung, hat die Freiheit idem Einzelnen und den Gruppen erst zu garantieren. Wer diese Freiheit aufs Spiel setzt, riskiert, daß die Gemeinschaft diese Freiheit nicht mehr aufrechterhalten kann.
Meine Damen und Herr, ein letztes Wort an dieser Stelle! Ich glaube, daß man auch in der sowjetischen Besatzungszone und darüber hinaus in allen jenen Gebieten, denen unsere Gedanken in dieser Stunde gelten, mit Leidenschaft und mit heißester Anteilnahme nicht so sehr die theoretischen Diskussionen über das eine oder andere unserer volkswirtschaftlichen Rechnung verfolgt, sondern daß man dort vor allem eines mit Leidenschaft verfolgt: daß die freiheitliche Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, wie die Bundesrepublik sie nunmehr seit Jahren zu verwirklichen sich bemüht hat, Bestand hat und eines Tages auch die Freiheit für das ganze deutsche Volk darstellen wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scheel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist etwas schwer, sozusagen bei abbröckelnder Konjunktur hier bei Ihnen noch anzukommen.
({0}) Ich will es daher etwas leichter einleiten.
Es ist nicht bloß ein Akt der Höflichkeit, wenn ich als erster Sprecher meiner Fraktion den Berlinern für den so freundlichen Empfang danke, sondern es ist mir ein herzliches Bedürfnis, das zu tun.
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Der Herr Regierende Bürgermeister hat in seinen Begrüßungsworten gesagt, daß die Luft hier prikkelnd frisch sei und geradezu zur Arbeit anrege. Ich stimme ihm da voll zu. Die Verlegung der Tätigkeit des Bundestages nach Berlin könnte geradezu die physischen Kräfteverhältnisse zwischen der Regierung und dem Parlament verändern. Denn ein skandinavischer Journalist hat ja wohl einmal gesagt, daß es nur einen einzigen Mann in Bonn gebe, der die stickig-feuchte Atmosphäre dort körperlich gut vertragen könne, nämlich den
Herrn Bundeskanzler, dem es jetzt Gott sei Dank gesundheitlich wieder besser geht. Wir möchten also nicht nur häufig nach hier kommen, sondern wir möchten am liebsten hier bleiben.
Berlin hat aber auch für die rein sachliche Aussprache, die heute hier stattfindet, seine besondere Bedeutung. Nicht nur, daß es, wie der Herr Wirtschaftsminister eben ausgeführt hat, im Schnittpunkt zweier weltweiter politischer und wirtschaftlicher Systeme liegt, nein, auch in der Konjunkturentwicklung der Bundesrepublik ist Berlin ein besonderes Beispiel für den Kern der Schwierigkeiten. Eine gewisse Disproportionalität der Entwicklung bereitet uns heute ja einige Sorge, und dafür ist Berlin auch ein Beispiel. Aber wie eine kommunizierende Röhre ist die Berliner Wirtschaft mit der Westdeutschlands verbunden, und darum wird die heutige Diskussion sicher auch mit großem Interesse gerade hier verfolgt werden.
Nun, zur Sache ist zu sagen: Das Ziel jeder vernünftigen Wirtschaftspolitik steht unter dem Motto: Alle sollen besser leben. Dabei muß man drei Grundsätze beachten. Erstens muß die Währung stabil bleiben, zweitens muß ein größtmöglicher Beschäftigungsgrad erreicht werden, und drittens muß das Volkseinkommen stetig steigen. Wenn wir die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung an diesen Maßstäben messen, so dürfen wir mit Recht sagen, daß sie sehr erfolgreich gewesen ist. Die Währung ist absolut stabil, das Volkseinkommen wächst ständig, das Einkommen aus unselbständiger Arbeit zeigt eine erfreuliche Wachstumsrate, der private Verbrauch nimmt weiter zu, und das Realeinkommen der Arbeitnehmer liegt 25 % über dem Vorkriegsstand. Und das alles, meine Damen und Herren, nach einer fast völligen Zerstörung des Wirtschaftsgefüges durch den Krieg, nach einer jahrelangen Pause, in der man noch nicht wieder an einen Aufbau herangehen konnte.
In diesem Jahr haben wir nun auch den dritten Punkt, den es zu erfüllen gilt, erfüllt. Wir haben den größtmöglichen Beschäftigungsgrad erreicht, und jetzt sollte man meinen, daß ein solcher Erfolg uns alle befriedigen müßte und daß wir beruhigt in die Zukunft sehen dürfen. Wir erleben aber im Gegenteil seit Wochen eine lebhafte Diskussion in der Öffentlichkeit über die Frage, ob wir nicht schon eine Erhitzung unserer Konjunktur hätten, die gefährlich sei. Geht es uns etwa zu gut? Stürzen wir nicht von diesem Gipfel herab? Die öffentliche Diskussion überschlägt sich. Man malt das Gespenst der Inflation an die Wand, und alle überhaupt nur verfügbaren Heilslehren werden zur Beseitigung der sogenannten Krise angeboten. Dieses große Interesse an dieser so wichtigen Frage unserer Konjunkturentwicklung ist zu begrüßen, wird aber problematisch, wenn die erteilten Ratschläge ins Doktrinäre gehen.
Der „Industriekurier" hat vor etwa einem Jahr einmal sehr treffend gesagt:
Wieviel einfacher wäre bei uns die Politik, wenn man nicht aus jeder praktischen Frage der wirtschaftlichen oder sozialen Ordnung eine grundsätzliche Forderung machen würde, womöglich auf der Basis einer Weltanschauung, auf der man dann den kategorischen Imperativ etwa des Samstag-Nachmittag-Ladenschlusses oder den der expansiven Lohnpolitik wie eine Bombe explodieren läßt.
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Damit sollte sicherlich nicht gesagt werden, daß es keines bestimmten marktwirtschaftlichen Ordnungsprinzips bedürfe, ganz gewiß nicht. Aber ein Ordnungssystem ist nur der Rahmen einer sozialen Zielsetzung, in dem sich praktische Erwägungen entwickeln sollten. Und das ist gewiß etwas anderes, als dem Totemismus eiserner Grundsätze zu folgen.
Heute nun, wo sich Anzeichen einer leicht erhöhten Temperatur in unserem Konjunkturablauf zeigen - das ist bei Kindern ja gar kein Anzeichen für eine ernste Gefahr; unsere soziale Marktwirtschaft ist ja ein noch junger Organismus -, sind wir Deutschen eifrig bemüht, unsere doktrinäre Veranlagung unter Beweis zu stellen. Gewerkschaften, Verbände und Politiker rücken gegen den Herrn Wirtschaftsminister vor, knallen ihre Theorien nicht ohne Schadenfreude auf den Tisch des Hauses und bitten, ihre Grundsätze doch nunmehr Allgemeingut der deutschen Wirtschaftspolitik werden zu lassen. Natürlich ist die eine oder andere Forderung berechtigt, und ihr wird sicherlich auch entsprochen werden. Aber es geht nicht an, daß jeder Verein sich bemüht, die opportunen praktischen Erwägungen in das Festkleid seiner Grundsätze zu pressen, um ihnen Bestand für die Ewigkeit zu geben.
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Nichts wäre im Augenblik gefährlicher, als verallgemeinernde Feststellungen zu treffen und allgemeine Maßnahmen treffen zu wollen. Bei einer sorgfältigen Analyse der konjunkturellen Lage stellen wir sehr bald fest, daß die Entwicklung der einzelnen Wirtschaftsbereiche nicht gleichförmig gelaufen ist, sondern daß dem steilen Anstieg in einzelnen Bereichen flachere Kurven oder gar Stagnationen in anderen Sektoren gegenüberstehen. Die lebhafte öffentliche Diskussion der letzten Wochen hat ein Gutes gehabt. Sie hat die von mancher Seite wohl etwas übereilt global aufgestellte Behauptung, wir befänden uns in einer überhitzten Konjunktur, weitgehend entzerrt. Man darf heute unterstellen, daß kaum noch bestritten wird, daß bei näherer Prüfung der wirklichen Verhältnisse in der Wirtschaft von einer übernormalen konjunkturellen Entwicklung eigentlich nur noch auf dem Arbeitsmarkt gesprochen werden kann, möglicherweise auch auf dem Baumarkt, und einen besorgniserregenden Engpaß bildet darüberhinaus die Lage in der Kohlenversorgung.
Wie liegen nun die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt? Von 1950 an hat die Zahl der Beschäftigten von stark 13 Millionen bis heute auf fast 18 Millionen zugenommen. Die Arbeitslosenzahl ist im gleichen Zeitraum von fast 2 Milionen auf unter 500 000 gesunken.
Im Facharbeiterbereich ist schon seit geraumer Zeit ein fühlbarer Mangel festzustellen. Die nächsten ins Wirtschaftsleben einströmenden Jahrgänge sind im Schnitt um 25 % schwächer als normal. Die Wehrmacht wird uns bald eine halbe Million aus dem Produktionsprozeß ziehen. Das sind keine guten Aussichten, fürwahr nicht! Die Beschäftigung von Fremdarbeitern wird keine fühlbare Entlastung bringen, da wir aus Italien und Griechenland nur Hilfsarbeiter bekommen können und dazu noch in der Sommersaison. Andererseits scheinen innere Reserven des Arbeitsmarktes doch unterschätzt worden zu sein. Die Industrie- und Handelskammer Düsseldorf schreibt zu diesem Thema:
Die starke Expansion der Wirtschaft des Kammerbezirks findet ihren Ausdruck in der ständigen Zunahme der Beschäftigung. Der Beschäftigungszuwachs betrug von 1952 auf 1953 12 000, von 1953 auf 1954 rund 19 000 und von 1954 auf 1955 rund 20 000. Dies ergibt die Annahme einer immer noch großen Elastizität des Arbeitskräftepotentials.
Da im Vergleich zu anderen Industrieländern das Angebot an Arbeitskräften im Verhältnis zur Bevölkerung bei uns noch geringer ist, kann man hier noch eine stärkere Ausschöpfung erwarten. Auf die Dauer ist dieses Problem aber nur durch die stärkere arbeitskraftsparende Rationalisierung zu lösen, die auch uns den Weg zur „automatischen Fabrik" gehen läßt, den die Amerikaner schon gegangen sind. Der Lebensstandard unseres Volkes ist letztlich das Ergebnis der Produktivität unserer Wirtschaft. „Put more horse-powers behind the man!" Hier beginnt das Arbeitsmarktproblem nun ein Problem des Kapitalmarktes zu werden und eine Frage der Kapazität der Investitionsgüterindustrien. Nun ist die Produktivität der Industrie in den Jahren 1950 bis 1954 um durchschnittlich 6,6 % gestiegen, und in 1955 ist sie gegenüber dem Vorjahr um 7,6 % angestiegen, wobei die Eisen- und Stahlerzeugung, die bis 1954 eine unterdurchschnittliche Steigerung hatte, in diesem Jahr um 22,6 % anstieg.
Dieser erwiesene Produktivitätsanstieg ist eine der Ursachen für unsere heutige Diskussion. Mit der Motivierung, wegen gestiegener Produktivität einen größeren Anteil am Sozialprodukt beanspruchen zu müssen, kündigten viele Industriegewerkschaften die Tarifverträge. Das Lohn-PreisGespräch war in Gang gekommen. Nun hat die Steigerung der Produktivität in der Industrie nie jemand bestritten, und auch die Unternehmer sind sich darüber im klaren, daß nur eine Verteilung dieses Erfolgs auf die drei Komponenten - Investitionen, Löhne und in Preissenkungen hinein - auf die Dauer auch für sie von Vorteil ist. Eine andere Frage ist es, den Goldenen Schnitt zu finden, den eine Verteilung nach den volkswirtschaftlichen Belangen verlangt.
Die Gewerkschaften verlangen Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen zugleich und in einem Ausmaß, daß sie in den Metallbereichen in Nordrhein-Westfalen unter Hinzurechnung der geforderten Änderungen der Rahmentarife eine effektive Lohnerhöhung von zirka 40 % ausmachen würden.
Man muß sich dabei an die Krise in den Vereinigten Staaten Ende der zwanziger Jahre erinnern. Seit dem ersten Weltkrieg war dort das Preisgefüge stabil geblieben. Nach den damaligen Erkenntnissen der Wirtschaftswissenschaft setzte man diese Tatsache mit einer Stabilität der Wirtschaft gleich. Hinter dem stabilen Preisgefüge aber hatten sich gewaltige Technisierungsprozesse abgespielt. Die ökonomischen Erfolge dieser Rationalisierungen waren aber nicht der gesamten Volkswirtschaft durch Preissenkungen zugute gekommen, sondern unter Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Industrie allein aufgeteilt worden. Die Folge war eine zunehmende Labilität der sozialen Verhältnisse, ein Absinken weiterer mittelständischer Schichten, vor allen Dingen der Farmer, das letztlich in die Katastrophe hineinführte.
Wir stehen heute vor einer ganz ähnlichen Situation. Aber wir haben aus der Vergangenheit
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gelernt. Das öffentliche Bewußtsein verlangt von den beteiligten Kreisen die Einsicht, in der Lohnfrage keine leichten Kompromisse zu schließen, die doch nur auf Kosten des ganzen Volkes gehen müssen. Wir haben ein Übermaß an Menschen zu versorgen, denen ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, die nicht mehr am Produktionsprozeß teilnehmen können. Niemand wird die Verantwortung übernehmen wollen, durch eine verfehlte Entwicklung diese Menschen ins Elend zu stürzen.
Die Freie Demokratische Partei appelliert daher an die Verhandlungspartner, sich bei allen Lohnverhandlungen dieser Verantwortung bewußt zu sein. Niemand wird sie aus dieser Verantwortung entlassen.
Die Lösung des Arbeitsmarktproblems ist also auf lange Sicht durch eine stetige Rationalisierung der Wirtschaft möglich; das muß hier ausdrückich betont werden. Die Forderungen auf dem Lohnsektor haben im Untergrund ein unruhiges Preisklima geschaffen, das bald beruhigt werden muß. Der Index der Lebenshaltungskosten hat sich gegenüber dem Vorjahre nur um 1,9 % erhöht. Aber es ist ja nicht die effektive Preissituation, die die Entwicklung bestimmt, sondern es sind die Erwartungen. Wenn ich heute nur fälschlich annehme, daß die Preise steigen, dann werde ich schnell noch etwas kaufen. Das treibt die Preise nach dem marktwirtschaftlichen Gesetz in der Tat nach oben. Die Bedeutung psychologischer Strömungen und von Imponderabilien in der Wirtschaft ist eine unbestreitbare Tatsache. So mögen vielleicht manche über den Werbefeldzug des Wirtschaftsministers gelacht haben. Er war richtig angesetzt und wird darüber hinaus auch Erfolg haben.
In der gleichen Linie liegt der Entschluß meiner Fraktion, dem Hause eine Reihe von Anträgen vorzulegen, die die Beseitigung von Verbrauchsteuern zum Ziele haben. Insgesamt würde sich durch diese Beseitigung von Steuern ein Einnahmeausfall von etwa 900 Millionen DM für den Etat ergeben.
Wer gehofft hatte, daß der Bundesminister der Finanzen dem Bundestag Vorschläge für eine Reform der Umsatzsteuer unterbreiten würde, dürfte enttäuscht sein. Als Folge des konjunkturellen Aufschwungs der Bundesrepublik ist aber auch das Aufkommen aus der Umsatzsteuer ständig gestiegen. An einer Reform der Umsatzsteuer wird man daher auf längere Sicht gesehen nicht vorbeikommen. Die Umsatzsteuer ist abwälzbar und beeinflußt deshalb den Preis. Gerade vom Preis her drohen aber der Konjunktur und auch der Währung Gefahren. Eine Herabsetzung der kumulativen Umsatzsteuerbelastungen würde einen vom Staat festgesetzten Kostenfaktor mildern und sich in den verschiedensten Produktionsstufen bis zum Endverbraucher in Preissenkungen auswirken. Da aber die Reformarbeiten in einem wünschenswerten Umfang wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden, glauben wir unser Ziel auch durch eine Beseitigung von Verbrauchsteuern erreichen zu können.
Außer einer Reihe von Bagatellsteuern, deren Aufkommen die Verwaltungsarbeiten kaum lohnen dürfte, fallen bei unseren Vorschlägen die Zucker- und die Kaffeesteuer ins Auge. Über die Zuckersteuer brauche ich hier kein Wort zu sagen, da der Vorteil der Beseitigung für die breiten Schichten unseres Volkes offensichtlich ist. Herr Kollege Dr. Deist hat sich soeben dazu auch geäußert.
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- Ich bin leider nicht in Ihrem Ausschuß gewesen, Herr Dr. Gülich. - Zur Kaffeesteuer aber muß gesagt werden: ich halte es für eine notwendige Wiedergutmachung eines alten Unrechts, den Kaffeepreis in Deutschland auf ein international vernünftiges Maß zu bringen. Kaffee ist lange kein Genußmittel mehr, sondern ist ein Volksgetränk.
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Sie wissen wie ich, wie sich gerade unsere alten Leute nach einer guten Tasse Kaffee sehnen. Wollen Sie, Herr Finanzminister, sie ihnen vorenthalten? - Er ist gar nicht mehr da, wie ich sehe, und kann meinen Appell nicht hören. Darüber hinaus würde gerade die Senkung des Kaffeepreises einen großen psychologischen Effekt haben. Denn die Beseitigung der Steuer von 3 Mark per Kilo - das ist ja der Betrag - würde eine Preissenkung von bis zu 3 Mark per Pfund ausmachen. Also ich apelliere noch einmal an den abwesenden Herrn Finanzminister: Weg mit dieser Kaffeesteuer!
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Und noch einen Gedanken hatten wir bei unseren Vorschlägen: Alle Verwaltungen dieser Steuerarten können aufgelöst werden, wenn die Steuern beseitigt sind. Natürlich bin ich nicht naiv genug anzunehmen, man könnte dann die Beamten und Angestellten der öffentlichen Verwaltung abbauen; das fordert nur der Wissenschaftliche Beirat der beiden Ministerien. Aber ich möchte die dann überflüssigen Herren schon für die zukünftige Wehrverwaltung in gebührende Erinnerung bringen.
Ich muß noch zu der Bemerkung von Herrn Dr. Deist über die Beseitigung von Branntweinsteuern etwas sagen. Ich muß annehmen, daß Herr Dr. Deist wenig Alkohol trinkt; sonst würde er sich mit diesem Vorschlag etwas näher befaßt haben. Denn es geht nicht um die Beseitigung von Branntweinsteuern, sondern um die Beseitigung eines kleinen Teiles der sogenannten Essigsäuresteuern, deren Beseitigung auf der anderen Seite gewisse Korrelate notwendig machen würde, weil sie sonst in die Wettbewerbsfähigkeit der Essigindustrie einwirken würde. Es ist darüber meiner Auffassung nach im Ausschuß noch eingehend zu sprechen. Die von diesen Steuerbeseitigungen, die wir vorschlagen, ausgehenden Preissenkungen sind aber in allen Fällen kontrollierbar, und das ist das Wichtige.
Außer diesen Anträgen haben wir dem Hause weitere Anträge vorgelegt, die auf eine Senkung und Verbesserung der Einkommensbesteuerung hinzielen. Neben einer Erhöhung der Freibeträge und einer Verbesserung der Ehegattenbesteuerung fordern wir die Senkung der Einkommensteuer um 10 % in allen Stufen und eine Wiedereinführung des § 10 a in der Fassung von 1950. Daß wir, wie alle Jahre, die Erhöhung der steuerlichen Freigrenze für Weihnachtsgratifikation beantragen, wird den Herrn Finanzminister kaum überrascht haben.
Nun ist in letzter Zeit von verschiedenen Seiten, zuletzt von dem Wissenschaftlichen Beirat der Ministerien und auch in der Diskussion in diesem Hause erklärt worden, daß eine Senkung von Einkommensteuern aus konjunkturpolitischen Gründen nicht zu vertreten sei. Die Herren der Wissenschaft und auch Herr Dr. Deist werden uns gestat({8})
ten, daß wir ganz und gar anderer Auffassung sind. Aber wir fühlen uns mit unserer Meinung nicht einmal so einsam, denn ich lese, daß z. B. Professor Dr. Wagemann erklärt hat, in dieser konjunkturpolitischen Situation müsse der Staat mit gutem Beispiel vorangehen. Zur Zeit, so sagt Herr Professor Wagemann, tut er es noch nicht; sonst würde er durch allgemeine Steuersenkungen und nicht nur durch steuerliche Einzelentlastungen eine finanzielle Konsolidierung im Bereiche der unternehmenden Wirtschaft ermöglichen. Damit stößt Professor Wagemann ein ernstes Problem an. Die Untersuchungen im Zuge der Konjunkturdebatte haben ergeben, daß nicht nur viele Wirtschaftszweige auf der Schattenseite der Konjunktur leben, sondern daß gerade im Bereich unserer mittelständischen Wirtschaft bedrohliche Verhältnisse in der Finanzstruktur festzustellen sind.
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Dr. Bötzkes von der Industriekreditbank in Düsseldorf gab vor wenigen Tagen einige Zahlenbeispiele, die erhellen, daß die Umsatzsteigerung und die Kapazitätserweiterungen in einigen Industriezweigen nur durch starke Erhöhung der kurzfristigen Verbindlichkeiten möglich waren. Weder konnte das Eigenkapital in geeigneter Weise gestärkt werden, noch konnten Abschreibungen in genügender Höhe vorgenommen werden. Der größte Teil der kleineren und mittleren Unternehmen ist bei der Finanzierung seiner Investitionen von jeher auf den von ihm erzielten Betriebsgewinn angewiesen gewesen. Durch die hohe steuerliche Belastung hat sich jedoch die Lage der Unternehmer ständig verschlechtert und ist das Eigenkapital erheblich zurückgegangen. Es müssen deshalb Mittel und Wege gefunden werden, der Kapitalnot insbesondere der mittleren und kleinen Betriebe zu begegnen. Dies ist insbesondere deswegen erforderlich, um die zur weiteren Steigerung der Produktivität erf order-lichen Rationalisierungsmaßnahmen durchführen zu können.
Eine Milderung der Kapitalnot fast aller deutschen Unternehmen ist in der gegenwärtigen Lage z. B. durch eine Änderung unseres Abschreibungssystems zu erreichen. Die jetzigen Abschreibungen reichen wegen der seit 1945 eingetretenen Preissteigerungen bei Investitionsgütern nicht mehr aus, die Wiederbeschaffungskosten zu decken, was in vielen Fällen zu einer Überalterung des Maschinenparks geführt hat. So ist z. B. in der Textilindustrie die Hälfte des Maschinenparks älter als 25 Jahre und ist damit im Durchschnitt fast doppelt so alt wie in den Ländern, mit denen Deutschland im Wettbewerb steht. Eine bessere und billigere Produktion und eine Entlastung des Arbeitsmarktes läßt sich nur durch Modernisierung und Rationalisierung der Betriebe erreichen, wobei wesentliche Finanzierungshilfe etwa das englische, holländische oder belgische Abschreibungssystem bringen könnte. Die in diesen Ländern mögliche zusätzliche Abschreibungsquote von 20 bzw. 30 % über den Anschaffungspreis hinaus hat es den Betrieben ermöglicht, moderne und rationelle Maschinen zu beschaffen und damit besser und billiger zu produzieren.
In der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage können derartige Sonderabschreibungen allerdings nur in bestimmten Wirtschaftszweigen wie z. B. in der Textilindustrie und im Bergbau gestattet werden, wobei in einigen anderen Sparten eine Verlangsamung der Investitionen erwünscht sein dürfte. Diese Verlangsamung könnte durch steuerliche
Schonung der Rücklagenbildung erreicht werden, wie dies z. B. in der Schweiz und in Schweden aus konjunkturellen Überlegungen geschieht.
Bei der Befürchtung, eine Steuersenkung würde den Konsum unangemessen steigen lassen und weitere Friktionen in der Investitionsgüterindustrie entstehen lassen, übersieht man wohl zunächst, daß eine solche Steuersenkung einen bestimmten Betrag nur aus der Hand des Investors und in gewissem Sinne auch Konsumenten statt in die Hände vieler individueller Konsumenten und Investoren bringt. Das schon bringt eine gewisse Beruhigung; denn konjunkturpolitisch ist der Investor Staat im Augenblick viel gefährlicher als der Privatinvestor.
Ich habe vorhin schon betont, daß die FDP die konjunkturpolitische Krise nicht zu verallgemeinern wünscht. Wir stellen daher neben die Erkenntnis, daß in gewissen Industriezweigen arbeitskraftsparende Rationalisierungsmaßnahmen zwingend notwendig und auch ohne Störungen möglich sind, den Antrag, steuerliche Vergünstigungen für Investitionsrückstellungen zu gewähren, deren Durchführung zwar ökonomisch möglich, aber als Kapazitätsausweitung nicht vordringlich ist und zurückgestellt werden könnte. Wir haben bei unserem Antrag bewußt darauf verzichtet, bestimmte Formen der steuerlichen Vergünstigungen anzuregen; sie müssen durch ein intensives Studium dieser Materie gefunden werden. Nur eines ist natürlich grundsätzlich zu fordern: die geldmarktneutrale Anlage im Zentralnotenbanksystem. Eine eventuelle Verzinsung oder Prämiierung der Beträge, die neben der Abschreibungsmöglichkeit gewährt werden müßte, sollte aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Die Erfahrungen, die man in der Schweiz mit einem solchen System gemacht hat, sind noch nicht abgeschlossen. Wohl sind schon größere Beträge von Schweizer Unternehmen in diesen Arbeitsbeschaffungsfonds, wie er dort genannt wird, eingezahlt worden, aber wegen der günstigen Konjunktur ist seit dem Bestehen dieser Einrichtung, 1952, noch keine Freigabe von Beträgen erfolgt.
Hier stellt sich sofort die Frage, wer eine solche Freigabe beschließen soll und ob sie allgemein oder nur für bestimmte Wirtschaftszweige gelten soll. Es fehlt uns nicht nur für diesen Fall, sondern auch für konjunkturpolitische Entscheidungen und Empfehlungen ganz allgemein ein Gremium, das, gestützt auf breite und einwandfreie Unterlagen, zuständig ist und das auch in dem Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit eine Autorität besitzt.
Die Amerikaner, die gewiß über große Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügen, haben den Rat der Wirtschaftsexperten. Wir haben Ihnen, meine Damen und Herren, daher einen Antrag vorgelegt, der die Regierung ersucht, das Wirtschaftskabinett mit dieser Aufgabe zu betrauen und ihm einen institutionellen Beirat beizugeben, der aus Parlamentariern - Bundestag und Bundesrat -, Wirtschaftlern und Wissenschaftlern bestehen soll. Ein solches Beratungsgremium würde den in der Vergangenheit immer wieder geäußerten Wünschen nach der Schaffung eines wirtschaftspolitischen Beratungsorgans in der Bundesrepublik entgegenkommen und in dieser Gestalt einen nützlichen Zweck erfüllen. Es ist schon eine dankenswerte Aufgabe, die statistischen Grundlagen für konjunkturpolitische Maßnahmen zu verbessern, wenn möglich auf internationaler Basis. Auch das konjunkturpolitische Bewußtsein unseres Volkes gilt es zu stärken.
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J Das mag dem Herrn Wirtschaftsminister manchmal vielleicht schwerfallen. Denn es ist nicht einfach, auf einmal zu behaupten, daß es nicht immer richtig sein muß, sich am Marktpreis zu orientieren, nachdem man jahrelang das Gegenteil gepredigt hat. Man muß auch bedenken, daß am Wirtschaftsprozeß beteiligte Gruppen wohl einsehen mögen, daß es in manchen Lagen, auf lange Sicht gesehen, besser sein mag, sich antizyklisch zu verhalten, als kurzfristig seinen Vorteil zu suchen. Aber man weiß auch, daß die langfristig wohltuende Wirkung des Konjunkturbewußtseins einer Gruppe nur bei gleichartigem Verhalten einer Gruppe eintritt. Im Wirtschaftsleben ist es kaum üblich gewesen, als weltanschaulicher Stoßtruppführer auf Flatterminen zu laufen. Ich meine, daß die augenblickliche Situation zu einer vorsichtigen Bildhauerarbeit an gewissen Denkschemas Anlaß geben sollte.
Eine besondere Situation liegt im Steinkohlenbergbau vor. Während der Produktionsindex der übrigen Industrie sich in der Zeit von 1949 bis 1954 verdoppelt hat, beträgt die Zuwachsrate im Steinkohlenbergbau in derselben Zeit nur 25 v. H. Diese Entwicklung ist einmal durch das Fehlen von Neuaufschlüssen und zum andern durch ungenügende Rationalisierung im Bergbau eingetreten. Zur Erhaltung der Förderfähigkeit hätte wenigstens alle zwei Jahre eine große Anlage in Betrieb genommen werden müssen. In den letzten 30 Jahren sind jedoch im Bergbau nur drei Bergwerke in unerschlossenen Feldern und acht Neuanlagen in bereits aufgeschlossenen Feldern in Betrieb genommen worden. Die Folge davon ist, daß in der Bundesrepublik der Kohlenbedarf nicht mehr gedeckt werden kann und teure Importkohlen eingeführt werden müssen. Der Steinkohlenbergbau ist arbeits- und lohnintensiv und wegen des politischen Kohlenpreises lange nicht in der Lage gewesen, auch nur eine bescheidene Rendite zu erwirtschaften oder etwa gar Dividende zu verteilen. Eine Erhöhung oder die Beschaffung von Fremdkapital ist daher insbesondere für die mit großem Risiko behafteten, nur in langen Zeiträumen amortisierbaren Untertageanlagen im Bergbau heute kaum möglich. Es verbleibt somit nur die Finanzierung durch eigene Mittel, was eine steuerliche Schonung des Gewinns voraussetzt.
Da die Sonderabschreibungen für den Bergbau nach § 36 des Investitionshilfegesetzes nur kurze Zeit gewährt worden sind, halten wir eine Verlängerung dieser Bestimmungen für den Bergbau um wenigstens 5 Jahre für erforderlich. Die Neuabteufung von Schächten ist in dieser Zeit nicht durchzuführen und kann außerdem wegen der hohen Kapitalaufwendungen nur in wenigen Einzelfällen erfolgen, so daß hier andere Mittel noch Platz greifen müssen. Neben dem § 131 der Abgabenordnung müßten wir möglicherweise auch an Umsatzsteuermaßnahmen für den Bergbau denken. In allen Ländern, insbesondere in Frankreich, Belgien und England wird die Eigenart des Bergbaus durch steuerliche Sondermaßnahmen berücksichtigt. Es gilt deshalb auch hier, Versäumtes möglichst schnell nachzuholen, um volkswirtschaftliche Schäden zu verhindern.
Die schwierige Engpaßlage in der Kohlenindustrie ist sicher die Folge einer Kette von falschen Entscheidungen in der Vergangenheit. Die FDP hat sich in dieser Frage keinen Vorwurf zu machen; denn sie hat schon im Wirtschaftsrat die Entzerrung der Preise gefordert. Im Niederbreisiger Programm von 1951, das von unserem Kollegen Preusker maßgeblich mit entwickelt worden ist, hat sie erneut eine einschneidende Maßnahme in der Kohlepreisfrage gefordert. Ich möchte gern wissen, ob die Herren, die damals solche Entscheidungen verhindert haben, heute errechnen können, was diese mangelnde Entschlußfreudigkeit für die deutsche Volkswirtschaft auf die Dauer kosten wird. Daß die steigende Einfuhr von teurer USA-Kohle gegen Dollar auch unsere Devisenbilanz beeinflußt, ist klar. Eine wirksame Hilfe zur Förderung des Baues neuer Schachtanlagen wird uns darum auf die Dauer Kosten sparen.
Eine konjunkturpolitisch schwierige Lage finden wir auch auf dem Baumarkt, dessen Preiserhöhungen ganz wesentlich zu der augenblicklichen Preislabilität beigetragen haben. Der Mangel an Arbeitskräften zwingt die Bauindustrie zu außergewöhnlichen Anstrengungen auf dem Gebiet der Mechanisierung. Hier ist nun die Frage zu prüfen, ob die Baumaschinenindustrie überhaupt in der Lage ist, diesem vermehrten Bedarf in angemessener Frist Rechnung zu tragen, oder ob sie zuvor ihre Kapazität erweitern müßte, was an sich unerwünscht ist.
Nach meinen Feststellungen hat die deutsche Baumaschinenindustrie innerhalb weniger Jahre den Vorsprung aufgeholt, den andere Länder inzwischen erreicht hatten. Sie exportiert heute 60 % der erzeugten Produktion. Geräte für den Erdbau und Straßenbaumaschinen werden dem wachsenden Bedarf folgend hergestellt.
Aber auch für die Baugebiete, die zur Zeit noch verhältnismäßig viel Arbeiter binden, ist die Produktionskurve dem Bedarf der Bauindustrie im großen und ganzen angepaßt. Die größte Schwierigkeit der Bauwirtschaft liegt also offensichtlich nicht in der weiteren Mechanisierung, sondern in der zu kurz ausgenutzten Bausaison. Die Bundesregierung hat diese Frage mit Recht in Punkt 8 der Erklärung angesprochen. Die ins Auge gefaßten Maßnahmen - „fördert auch weiterhin mit allen Mitteln", so heißt es da - scheinen mir allerdings nicht ausreichend zu sein. Wir werden einfach nicht darum herumkommen, uns ernsthaft mit der Frage zu befassen, ob nicht das Haushaltsjahr auf das Kalenderjahr gelegt werden muß. Wenn wir uns dazu entschließen könnten, wäre die Frage der Bauindustrie mit einem Schlage gelöst. Die Bedrohung unserer wirtschaftlichen Entwicklung, die von dieser Sachlage immer wieder ausgeht, muß uns eine solche Änderung wert sein.
Obgleich das Wachstum der Investitionstätigkeit, das seit dem Herbst vorigen Jahres stürmisch nach oben ging, sich seit dem Frühjahr dieses Jahres etwas verlangsamt hat und obgleich auch die allgemeine Expansion unseres Wirtschaftskörpers etwas an Tempo verloren hat, beschloß die Bank deutscher Länder Anfang August dieses Jahres die Erhöhung des Diskontsatzes auf 3,5 % und eine Erhöhung der Mindestreserven um 1 %. Diese Maßnahmen waren in ihrer psychologischen Wirkung durchschlagend und wohl auch so beabsichtigt. Sie lösten - außer den Lohnforderungen der Gewerkschaften - das weite Gespräch um die Wirtschaftsentwicklung aus.
Ob der direkte und praktische Erfolg der kreditpolitischen Maßnahmen der Notenbank ebenso durchschlagend war, mag bezweifelt werden. Da
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sich die konjunkturpolitische Situation der Bundesrepublik durch die Vielfalt unterschiedlicher Sonderkonjunkturen, die eine ins Auge fallende Disproportionalität im Gefolge haben, auszeichnet, können so allgemeine Maßnahmen, wie sie für die BdL nur möglich sind, keine gezielten Erfolge haben; im Gegenteil, sie sind manchmal geeignet, das Bild noch stärker zu verzerren. Aber es hieße die Notenbank auch bei weitem überfordern, wenn man von ihr konjunkturpolitische Maßnahmen erwarten wollte. Ihre Aufgabe ist die Sorge für die Stabilität der Währung. Ich darf wohl sagen, daß es niemanden unter uns gibt, der den verantwortlichen Herren der BdL nicht bescheinigen müßte, daß sie unser vollstes Vertrauen verdienen. Die bisherige Haltung der Verantwortlichen der BdL hat - das darf ich einmal sagen - in diesem Punkte für die künftigen Beratungen des Notenbankgesetzes günstige , psychologische Voraussetzungen geschaffen.
Die augenblickliche Lage fordert aber geradezu dazu heraus, zu untersuchen, ob die Währungspolitik der Notenbank nicht noch in ihrer Wirksamkeit verbessert werden kann. Ich glaube, kein Geheimnis zu verraten, wenn ich feststelle, daß man inzwischen als einen beachtlichen Störungsfaktor in unserer Konjunkturentwicklung die öffentliche Hand entdeckt hat. Vornehmlich ihre Investitionstätigkeit und ihr Auftreten am Geldmarkt berechtigen zu dieser Feststellung.
Vor einigen Tagen schrieb mir ein Kollege, ob es nicht möglich wäre, die Steuertermine auseinanderzuziehen, da sich nach seiner Feststellung durch die Zahlungszusammenballungen beträchtliche Liquiditätsschwierigkeiten in der Wirtschaft ergäben. Nun, wir haben einen dahingehenden Antrag gestellt. Wenn Sie sich aber nun einmal bildlich vor Augen halten, was an einem solchen Zahlungstermin am Geldmarkt geschieht, dann erkennen Sie sogleich die Schwäche unseres Systems in der Einlagenpolitik der öffentlichen Hand. Die Wirtschaft entblößt sich ihrer Mittel, die teilweise auf dem Kreditwege wieder beschafft werden müssen, und führt sie an die öffentlichen Kassen ab. Von hier kommen sie zu ganz bestimmten Geldinstituten, wo sie kumuliert werden.
Wenn man sich den Geldmarkt einmal als eine Relieflandschaft vorstellt, in der die Bankinstitute als Erhebungen zu erkennen sind, so sind jene besonderen Typen die Himalaja-Riesen des Geldmarktes, und zwischen den Riesen und der BdL und den Kassen der öffentlichen Hand laufen starke Ströme hin und her. Nun darf ich Sie noch bitten, sich vorzustellen, wie etwa die Mindestreservenpolitik der BdL in diesem Relief funktionieren würde. Herr Präsident Vocke würde das Relief um ein oder mehr Prozent tiefer in das umgebende Wasser ziehen. Da würde sicher mancher kleine Hügel nur noch mühsam dicht über der Wasseroberfläche blinzeln können, während mancher Himalaja-Präsident finster, aber hoch oben auf seinem Berge säße, die hinteren Extremitäten vielleicht zur BdL gewandt und einschlägige Gedanken faßte.
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Verzeihen Sie mir, wenn ich weiter im Bild bleibe. Wünschenswert wäre es, wenn alle Erhebungen ähnlich hoch aus dem Wasser sähen.
Herr Abgeordneter Scheel, einen Moment bitte. Ich darf Sie bitten,
bald zum Schluß zu kommen, da Sie wissen, daß nach einer Vereinbarung im Ältestenrat die heutige Sitzung möglichst vor 19 Uhr geschlossen werden soll.
Ich werde mich bemühen und nur den Versuch machen, die Verspätung, mit der ich angetreten bin, einzuhalten. - Wünschenswert wäre es, wenn die Erhebungen ähnlich hoch aus dem Wasser sähen, dem Griff des Herrn Vocke gleichermaßen ausgesetzt, und wenn auch keine reißenden Ströme mehr hin- und herflössen, sondern nur noch eine angenehme Dünung zu spüren wäre.
Ich habe vor einiger Zeit einmal eine Reise nach den Vereinigten Staaten gemacht und gesehen, daß dort die Einlagenpolitik der öffentlichen Hand anders ist als hier. Die Begründung dafür habe ich Ihnen eben gegeben, und diese Politik hat sich hervorragend bewährt.
Es sollen möglichst alle Schwankungen in der Liquidität des Kreditsystems vermieden werden, wie ich sie soeben geschildert habe. Es wäre für den Wirtschaftsminister einmal ganz interessant, zu wissen, wieweit die öffentliche Hand im Bereich des Geldmarkts konjunkturpolitisch denkt. Es könnte doch heute vorkommen, daß ein Länderfinanzminister - contra legem allerdings - seine Kassenmittel aus Steuergeldern bei seiner „Staatsbank" verzinslich anlegt. Wenn die Zinsen dann unter den Diskontsatz von, sagen wir einmal, 3 % sanken, hätte es ihm vielleicht richtiger erscheinen können, seine Millionen nunmehr in kühnem Erinnern an seine Pflicht bei dem Zentralbanksystem einzulegen, gegen Ausgleichsforderungen, versteht sich, wegen der 3 %. Aber vielleicht ist seine Reue überhaupt zu spät gekommen, weil der Landeszentralbankleiter aus Sorge, er könne wegen der vielen Zinsen vielleicht ein Defizit nach Frankfurt melden müssen, seine Millionen gar nicht gewollt hat. Das klingt allerdings wie ein Märchen.
Eine weitere Bereinigung des etwas verschlammten Geldmarktes könnte im Bereich des sozialen Wohnungsbaues vorgenommen werden. Darauf bezieht sich unser Antrag Drucksache 1776, den zu begründen ich mir aus Gründen der Zeitersparnis versage. Meine Fraktion glaubt, daß durch ihre Anträge, soweit sie sich auf den Geldmarkt beziehen, das Instrumentarium für die Währungspolitik erheblich verbessert werden kann.
Schwierig bleibt die Frage der verfassungsmäßigen Zulässigkeit der konjunkturpolitischen Beeinflussung der öffentlichen Hand in allen Stufen. Ich brauche wohl nicht besonders darauf hinzuweisen, daß die Bundesregierung heute erheblich weniger Sorge hätte, wenn sie sich den Überlegungen unseres verstorbenen Parteifreundes Höpker-Aschoff über eine Bundesfinanzverwaltung angeschlossen hätte.
Wir wollen es aber nicht bei diesem Hinweis bewenden lassen und uns im übrigen schadenfroh die Hände reiben, sondern wir möchten durch einen konstruktiven Vorschlag auch hier das Instrumentarium verbessern helfen. Mit unserem Antrag Drucksache 1775 schlagen wir vor, daß die Statistik des Geldvermögens der öffentlichen Hand nach einheitlichen Richtlinien geordnet wird. Man fährt bisher auf diesem Gebiet immer nur mit der Stange im Nebel herum. Wenn die Publizität des Geldvermögens der öffentlichen Hand voll gewährleistet ist, dann müßte es gelingen, den Fiskus, so({0})
weit er sich konjunkturschädlich verhält, unter den Druck der öffentlichen Meinung zu setzen. Das wäre dann eine dankenswerte Aufgabe des Konjunkturbeirates und auch der Presse.
Es ist der Bundesregierung bis heute noch nicht einmal gelungen, die eigenen Werke in ihr Programm einzuspannen, und das ist eine Schande. Wir haben in unserem Antrag Drucksache 1766 von der Bundesregierung Maßnahmen gefordert, die in einigen wichtigen Bereichen Preissenkungen bringen mußten. Eine Senkung des Volkswagenpreises liegt nicht nur in der Luft, sondern ist das Gebot der Stunde. Darum sehen wir der Erfüllung des Punktes 2 der Regierungserklärung mit besonderem Interesse entgegen.
Die Regierungserklärung hat eine Analyse der augenblicklichen Lage versucht und einen groben Richtungsweiser für die nahe Zukunft aufgestellt. Wir wissen uns in vielen Punkten mit der Regierung einig. Die Situation ist gekennzeichnet durch eine verzerrte Entwicklung verschiedener Wirtschaftsbereiche untereinander. Eine automatische Normalisierung dieser Situation durch den Automatismus des Marktes scheint nicht zu erfolgen. Deswegen soll die Bundesregierung in der Form der aktiven Konjunkturbeeinflussung Maßnahmen ergreifen, die die entstandenen oder in der Entstehung begriffenen Disproportionalitäten beseitigen. Zu diesen Maßnahmen gehört in erster Linie auch eine aktive Agrar- und Mittelstandspolitik.
Die Bundesregierung hat in ihrer Erklärung mit unserer vollen Zustimmung festgestellt, daß sie das Gleichgewicht der Wachstumsraten zwischen Investitionen und Verbrauch im Auge behält. Es ist in der Tat die Grundlage einer stetigen Expansion unseres Volkseinkommens. Bei alledem wissen wir, daß eine konjunkturpolitische Prophylaxe immer billiger ist als etwa eine Konjunkturtherapie. Restriktionsmittel der Notenbank sollten daher nur zuletzt angewandt werden. Das Zusammenwirken von Bundesregierung und Notenbank, die absolute Stabilität unserer Währung zu garantieren, muß im Interesse des ganzen deutschen Volkes die einhellige Zustimmung des ganzen Hauses finden.
Die Bundesregierung hat, um entstandene Sprachverwirrungen - wie sie sagt - zu beseitigen, erklärt, daß sie den stetigen Anstieg der Konjunkturkurve zu stabilisieren trachte. Wir haben eine Verbesserung des wirtschafts- und währungspolitischen Instrumentariums vorgeschlagen, das dieser Verpflichtung nützen könnte.
Ein Punkt der Erklärung kann unsere Zustimmung naturgemäß nicht finden, nämlich der Punkt 7. Ich habe persönlich den Eindruck, daß die Zwangskoalition der beiden Herren Minister Erhard und Schäffer gegen Herrn Berg den Bundeswirtschaftsminister vom rechten Wege abgedrängt hat. Er war doch sonst nicht so! Wir sind der Auffassung, daß sich unsere Steuersenkungsvorschläge durchaus in der Möglichkeit des Etats bewegen.
Herr Finanzminister, Sie werden mir entgegenhalten, daß meine Schätzungen falsch seien. Erstens
gestatte ich mir dazu zu sagen, daß er - ich sehe ihn im Augenblick hier nicht - nicht gerade ein besonders bewährter Prophet ist. Wenn aber meine Schätzungen tatsächlich Fehlschätzungen sind, so haben sie den konjunkturpolitisch wohltuenden Effekt, daß sie sich zu den Fehlschätzungen des Finanzministers antizyklisch verhalten.
Lassen Sie mich zum Schluß noch eins sagen, gerade hier in Berlin! Als ich während der Berliner Blockade hier in der Stadt war und in einem Hotelbett schlief, dessen Bettwäsche im kalten Winter noch nicht ganz trocken war, weil es damals nicht möglich war, sie trocken zu bekommen, da habe ich noch nicht davon geträumt, hier eines Tages zu stehen und mich mit meinen Kollegen darum zu sorgen, wie wir den Gipfelpunkt einer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung weiter behaupten können. Sollte uns das nicht mit etwas Dankbarkeit erfüllen gegenüber denen, die ihre ganze Kraft dafür eingesetzt haben, diesen erfolgreichen Weg für unser Volk zu gehen?
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Ich bin als FDP-Angehöriger stolz darauf, daß prominente Mitglieder meiner Fraktion bedeutenden Anteil an dieser Arbeit gehabt haben. Nachdem ich heute den Sprecher der Oppositionspartei gehört habe, bin ich - vielleicht im Gegensatz zu dem Eindruck, der hier und da entstanden ist - zu der Auffassung gelangt, daß die Opposition im Kern ganz nahe bei den Regierungsparteien steht. Ich habe keine Sorge, daß wir gemeinsam auch die schwere Aufgabe meistern werden, die uns erwartet, wenn der Tag der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes endlich herbeikommt.
Von hier aus möchte ich den Brüdern und Schwestern in Berlin und in der Zone um Berlin herum die Zuversicht geben, daß sie uns für diesen Tag auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik gerüstet finden und daß wir darauf warten, diese Aufgabe auch für sie zu übernehmen.
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Meine Damen und Herren, es ist die Frage an das Präsidium herangetragen worden, ob es möglich sei, die Aktentaschen im Saal zu lassen. Die Aktentaschen können liegenbleiben. Es kann natürlich von der Verwaltung des Bundestags nicht eine absolute Garantie dafür übernommen werden, daß etwa wertvolle Photoapparate oder gar Schmuck oder sonst etwas drinbleibt. Ich bitte also, entsprechend zu verfahren.
Dann darf ich die Damen und Herren bitten, die ihnen heute übergebenen Unterlagen zu dieser Sitzung morgen wieder mitzubringen, da sie aus technischen Gründen nicht noch einmal verteilt werden können.
Ich berufe die nächste, die 107. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 20. Oktober 1955, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.