Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/12/1955

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, das ganze deutsche Volk hat in diesen Tagen mit großer innerer Anteilnahme die Heimkehr der ersten Kriegsgefangenen erlebt, die durch die Vereinbarungen des Herrn Bundeskanzlers mit dem russischen Ministerpräsidenten Bulganin der Freiheit und der Heimat wiedergegeben sind. Der ersten größeren Gruppe, die am Sonntag eingetroffen ist, haben Vertreter der Bundesregierung, des Bundestages und des Landes Niedersachsen zusammen mit vielen anderen einen bewegenden Empfang bereitet. Ich glaube, meine Damen und Herren, in Ihrer aller Sinne zu handeln, wenn ich hier von dieser Stelle aus den Willkommensgruß im Namen des ganzen deutschen Volkes wiederhole. ({0}) Dieser unser Gruß gilt allen, die gekommen sind, er gilt denen, die heute kommen, und er gilt ganz ebenso allen, die noch kommen werden. Die tiefe und aufrichtige Anteilnahme des deutschen Volkes am Geschick dieser seiner durch besonders lange und bittere Leiden gegangenen Söhne und Töchter ist in diesen Tagen unüberhörbar bekundet worden. Der Deutsche Bundestag gibt mit dem deutschen Volke der Freude Ausdruck über ihre Rettung und Heimkehr. Der Deutsche Bundestag gedenkt aber auch in herzlicher Anteilnahme derer, die in diesen Wochen lange gehegte heiße Wünsche und Hoffnungen für immer 'begraben müssen. Sie dürfen des Mitgefühls dieses Hauses, ja des ganzen deutschen Volkes gewiß sein. Den Heimgekehrten aber wünschen wir, meine Kollegen und Kolleginnen, daß ihnen nicht nur der eigene private Lebensbereich, sondern auch das gewandelte Vaterland zu einer Stätte neuen Glückes werde. ({1}) Meine Damen und Herren, ehe wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich das Haus davon unter- richten, daß mir der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers gestern mitgeteilt hat, daß der Herr Bundeskanzler großen Wert darauf lege, die Große Anfrage Drucksache 1733 der Fraktion der SPD betreffend das Verhalten des Bundeskanzlers im Falle Schmeißer persönlich zu beantworten. Infolge seiner Erkrankung sei er jedoch leider nicht in der Lage, an der Bundestagssitzung heute teilzunehmen. Der Herr Bundeskanzler bittet deshalb, das Einverständnis des Bundestages dazu herbeizuführen, daß die Große Anfrage heute von der Tagesordnung abgesetzt wird. Meine Damen und Herren, wir haben gestern im Ältestenrat darüber gesprochen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, diesem Wunsche zu entsprechen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 7. Oktober 1955 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt: Gesetz zur Ausführung der Artikel 33, 34 und 35 des in Bonn am 26. Mai 1952 unterzeichneten Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder In der Bundesrepublik Deutschland und des Art. 3 des am gleichen Tage unterzeichneten Abkommens Ober die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Fassung des in Paris am 23. Oktober 1954 unterzeichneten Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland ({2}); Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete der Abgaben auf Mineralöl; Gesetz über den Vertrag vom 4. November 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Mexikanischen Staaten über den Schutz der Urheberrechte ihrer Staatsangehörigen an Werken der Tonkunst; Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Libanon vom 8. März 1955 auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes; Viertes Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes; Gesetz über das Abkommen vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Arbeitslosenversicherung. Zum Gesetz zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes hat der Bundesrat in der gleichen Sitzung beschlossen, zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Seine Gründe hierzu sind in Drucksache 1745 niedergelegt. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 4. Oktober 1955 die Kleine Anfrage 191 der Abgeordneten Wieninger, Dr. Franz, Bauer ({3}), Seidl ({4}), Dr.-Ing. E. h. Schuberth und Genossen betreffend Bundesstraße 15 Drucksache 1667 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1740 vervielfältigt. Das Bundesministerium für Verteidigung hat unter dem 7. Oktober 1955 die Kleine. Anfrage 192 der Abgeordneten Dr. Jaeger, Frau Dr. Probst. Kemmer ({5}) und Genossen betreffend gesetzgeberische Absichten der Bundesregierung auf dem Gebiet der Wehrpolitik - Drucksache 1682 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1744 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 5. Oktober 1955 die Kleine Anfrage 193 der Abgeordneten Dr. Mommer, Walz, Dr. Becker ({6}), Engell und Genossen betreffend Devisenvergehen des Saarindustriellen Luitwin von Boch - Drucksache 1692 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1743 vervielfältigt. Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 30. September 1955 auf Grund der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 23. Februar 1955 über die bisherigen Schritte der Bundesregierung zur gleichmäßigen und gerechten Besteuerung der Ehegatten und zum Ausqleich der stärkeren steuerlichen Belastung der Arbeitseinkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit berichtet. Sein Schreiben liegt als Drucksache 1741 vor. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 7. Oktober 1955 ihren Antrag betreffend Verkündung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes - Drucksache 1702 - zurückgezogen. Auch damit kommen wir noch nicht zur Behandlung der gedruckt vorliegenden Tagesordnung, weil wir noch einige Mündliche Anfragen aus der Fragestunde vom 29. September 1955 - Drucksache 1698 - nachzutragen haben. Ich darf zunächst die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Arnholz aufrufen.

Otto Arnholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Trifft es zu, daß auf Beschluß des Präsidiums des Europarates Reden, Anträge usw. nur dann ins Deutsche übersetzt werden, wenn die Bundesrepublik die Kosten dafür trägt, und wie ist gegebenenfalls ein solcher Beschluß begründet worden?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Staatsekretär des Auswärtigen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es trifft zu, daß Reden, Anträge usw. beim Europarat nur dann ins Deutsche oder eine andere als die beiden Amtssprachen des Europarats - das ist Englisch und Französisch - übersetzt werden, wenn die Delegation oder Mitgliedregierung bei der Übersetzung mitwirkt, indem sie einen Dolmetscher oder Übersetzer stellt, und wenn sie etwa entstehende besondere Kosten selbst trägt. ({0}) Ein besonderer Beschluß ist hierzu nicht gefaßt worden. Vielmehr ist nach Art. 12 des Statuts des Europarats und nach den Geschäftsordnungen des Ministerkomitees ({1}) und der Beratenden Versammlung ({2}) lediglich eine Übersetzung von Reden und Anträgen i n eine der beiden Amtssprachen, nicht aber Übersetzungen aus den beiden Amtssprachen in eine Nichtamtssprache vorgesehen. Das Büro der Beratenden Versammlung hat sich in seiner Sitzung vom 8. Juli 1954 daher lediglich mit Vorschlägen der Verfahrenskommission für die Aufnahme von in deutscher und italienischer Sprache gestellten Anträgen in die Dokumente des Europarats befaßt und festgestellt, daß die dadurch entstehenden Verwaltungsmaßnahmen kostenmäßig den deutschen und italienischen Delegationen belastet werden würden. Eine entsprechende Feststellung für die Übersetzung von Anträgen und Reden aus den Amtssprachen ins Deutsche und Italienische ist vom Büro der Beratenden Versammlung nicht getroffen oder in Erwägung gezogen worden, da das den vom Statut gezogenen Rahmen - ich sagte schon: Möglichkeit der Übersetzung in die Amtssprachen - überschreiten und eine Änderung des Statuts voraussetzen würde. Die Zulassung der Übersetzung aus den Amtssprachen ins Deutsche, Italienische usw. auf eigene Veranlassung und auf eigene Kosten einer Delegation ist daher rein tatsächlicher Natur und fußt nicht auf einem entsprechenden Beschluß.

Otto Arnholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eine Zusatzfrage, bitte!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Otto Arnholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hält die Bundesregierung diese Tatsache und die Tatsache, daß auch in den anderen internationalen Institutionen die deutsche Sprache nicht als gleichberechtigt anerkannt wird, für vereinbar mit der soviel gerühmten Gleichberechtigung Deutschlands?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Staatssekretär!

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung befindet sich in dieser Frage in der gleichen Lage wie mindestens ein halbes Dutzend anderer Mitgliedregierungen des Europarats. Sie ist infolgedessen nicht diskriminiert.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine letzte Zusatzfrage.

Otto Arnholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung bereit, sich dafür einzusetzen - und welche Schritte hat sie gegebenenfalls bisher unternommen -, daß die deutsche Sprache als gleichberechtigt anerkannt wird?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Staatssekretär!

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung sieht zur Zeit keinen Anlaß, wegen dieser Frage eine Änderung des Statuts des Europarats zu beantragen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Frage 7 auf. Herr Abgeordneter Dr. Menzel!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hat der Herr Bundesaußenminister in Verfolg seiner Erklärung vor dem Bundestag vom 6. Juli 1955 inzwischen festgestellt, ob die französischen und britischen Staatsbürger den gleichen Beschränkungen hinsichtlich des Post-und Fernmeldegeheimnisses unterworfen sind wie die deutschen Staatsbürger, um die Sicherheit der in Großbritannien und Frankreich stationierten fremden Truppen zu gewährleisten?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Staatssekretär!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich habe auf eine Frage von Ihnen bereits am 6. Juli dieses Jahres vor diesem Hohen Hause sagen dürfen, ich sei sicher, daß die Sicherheit der Truppen in den von Ihnen genannten Ländern in ähnlicher Weise gewährleistet sei wie bei uns. Ich darf heute hinzufügen: es besteht weiterhin Grund zu der Annahme, daß auch in Frankreich und Großbritannien auf dem in Frage stehenden Gebiet gewisse Überwachungsmaßnahmen geschehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich aus der Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung bei den Regierungen Großbritanniens und Frankreichs nicht zurückgefragt hat, ob in der Tat solche Überwachungen stattfinden und Vereinbarungen mit Zustimmung jener Regierungen geschlossen worden sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Ja, Herr Abgeordneter! Es bestand kein Anlaß, zurückzufragen, weil kein Grund vorlag, anzunehmen, daß sich die Sachlage inzwischen geändert haben würde. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Frage 8 auf. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Worauf beruht die Annahme der Bundesregierung, daß bei der jetzigen Lage in der Bundesrepublik die Voraussetzungen des Artikels 5 des Generalvertrages vorliegen, d. h. daß die Sicherheit der alliierten Truppen in einem Maße gefährdet sei, daß die Bundesregierung einer Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses glaubt zustimmen zu müssen?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen!

Not found (Staatssekretär:in)

Diese Annahme, Herr Abgeordneter, beruht darauf, daß die Spaltung Deutschlands eine Fülle von Nachrichtenbeziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem sowjetischen Herr2. Deutscher Bundestag - 105. Satzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Oktober 1955 5779 ({0}) schaftsbereich bewirkt. Bei Fortfall aller Überwachungsmaßnahmen würden diese Nachrichtenbeziehungen in einem Umfang nachrichtendienstlich mißbraucht werden, daß damit eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit der Streitkräfte verbunden wäre. Die Sicherheit dieser Streitkräfte ist aber die Sicherheit der Bundesrepublik.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gilt das auch j e t z t noch, nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Moskau?

Not found (Staatssekretär:in)

Ja, das, gilt unverändert weiter. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Frage 26 auf. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind dem Bundesverkehrsministerium die Absichten der Deutschen Bundesbahn bekannt, die dahinzielen, entgegen den früheren Versprechungen eine erhebliche Verschlechterung der Bundesbahnverbindungen auf der Strecke Frankfurt-Basel vorzunehmen?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Der Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums!

Not found (Staatssekretär:in)

Im Sommerfahrplan 1955 verkehrten von Frankfurt bis nach Basel und in umgekehrter Richtung 13 F-, D- und Eilzugpaare. Davon fallen im Winterfahrplan zwei aus. Auf der sogenannten Rheinstrecke, also der Strecke, die von Köln nach Basel führt, ohne Frankfurt und Darmstadt zu berühren, verkehrten im Sommerfahrplan 1955 neun F-Zug- und D-Zugpaare. Davon fällt im Winterfahrplan ein Paar aus. Diese Veränderungen, die der Winterfahrplan gegenüber dem Sommerfahrplan bringt und die verhältnismäßig bescheiden sind, erklären sich einfach aus der Tatsache, daß die drei ausfallenden Zugpaare Saisonzüge sind, die seit Jahren immer nur in der Hauptreisezeit gefahren worden sind. Der Winterfahrplan 1955/56 weist gegenüber dem vorjährigen Winterfahrplan keine Veränderungen auf und trägt nach dem Ergebnis der bisherigen Erfahrungen sowohl den innerdeutschen Bedürfnissen wie auch den internationalen Anforderungen Rechnung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zusatzfrage?

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wird damit gesagt, daß das Bundesverkehrsministerium keine Kenntnis von Bestrebungen hat, den Verkehr auf der Strecke Frankfurt-Basel mehr und mehr nach einer anderen Richtung zu verlagern?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Staatssekretär!

Not found (Staatssekretär:in)

Von solchen Tendenzen ist mir nichts bekannt. Sie hatten in Ihrer Anfrage, Herr Abgeordneter, schon angedeutet, daß die Bundesbahn eine Haltung zeige, die mit früheren Versprechungen im Widerspruch stehe. Es ist mir nicht gelungen, zu ermitteln, welche Versprechungen hier gemeint sind. Ich kann auch nur sagen, daß dem Bundesverkehrsministerium bisher von derartigen Tendenzen einer Verschlechterung des Verkehrs zwischen Frankfurt und Basel nichts bekannt ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine letzte Zusatzfrage. - Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Ritzel. - Meine Damen und Herren, wir können die Fragestunde nicht in Ordnung abwickeln, wenn nicht mehr Ruhe eintritt. Wir haben hier die größte Mühe, überhaupt zu verstehen, was hin- und hergesprochen wird. - Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, sich einmal bei der Bundesbahndirektion Frankfurt zu erkundigen, die mir schriftlich erklärt hat, daß an dieser Sache etwas Wahres sei?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Staatssekretär!

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann diese Frage uneingeschränkt bejahen. Wir werden der Sache nachgehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe auf die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Kortmann.

Johannes Kortmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001184, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich frage den Herrn Bundesverkehrsminister: Ist es dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß die für den Badeverkehr mit den ostfriesischen Inseln während der Badesaison eingesetzten Sonderschnellzüge ({0}) durchweg aus Wagen älterer bzw. ältester Bauart zusammengesetzt waren? Ist der Herr Bundesminister bereit, auf die Bundesbahn einzuwirken, daß für das kommende Jahr die Ausstattung der Züge den berechtigten Ansprüchen des reisenden Publikums angepaßt wird, damit ein wirksames Angebot für den Reiseverkehr mit den Nordseebädern durch die Bundesbahn erzielt wird?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Die Deutsche Bundesbahn hat ihren Wagenpark bisher so weit verbessern können, daß für Schnell- und Eilzüge im Regelverkehr fast ausnahmslos Stahlwagen aus den Baujahren 1929 bis 1952, d. h. Wagen mit guter Ausstattung verwendet werden können. Der trotzdem noch fühlbare Mangel an Reservewagen zwingt aber leider dazu, Verwaltungs- und Gesellschaftssonderzüge aus Fahrzeugen älterer Bauart zu bilden. Dies macht sich naturgemäß gerade während der Sommerspitze des Reiseverkehrs unangenehm bemerkbar, aber nicht nur etwa bei den Badezügen, die an die Nordsee fahren, sondern ebenso bei den Sonderzügen in andere Erholungsgebiete. Die Bundesbahn bedauert dies ebenso wie der Bundesminister für Verkehr und bleibt auch für das kommende Jahr bemüht, die Ausstattung der Züge den berechtigten Ansprüchen des reisenden ({0}) Publikums anzupassen. Daß ihre bisherigen Anstrengungen in dieser Richtung trotz der bekannten finanziellen Schwierigkeiten nicht vergeblich gewesen sind, ergibt sich aus der Tatsache, daß die Bundesbahn seit 1953 allein 1100 moderne vierachsige Leichtstahlwagen in Betrieb genommen und 2200 hölzerne dreiachsige Wagen mit neuen stählernen Wagenkästen versehen hat. Es besteht daher begründeter Anlaß zu der Hoffnung, daß sich die von Ihnen, Herr Abgeordneter, betonten Beschwerden im Laufe der nächsten zwei Jahre vermindern werden,

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Johannes Kortmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001184, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe mich inzwischen überzeugt, daß schon in den letzten Monaten auf dieser Strecke eine wesentliche Verbesserung eingetreten ist. Dafür danke ich, und ich bitte, daß in der Zukunft auch die Badezüge entsprechend ausgestattet werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, das ist zwar keine Frage, aber ich glaube, daß wir damit diese Debatte schließen. Sonst noch eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Damit sind alle Fragen beantwortet. Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung und rufe auf: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten ({0}) ({1}). Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Der Herr Bundesverteidigungsminister hat das Wort.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der dem Hohen Hause vorliegende Entwurf eines Soldatengesetzes stellt das erste für die Dauer vorgesehene Gesetz aus der Reihe der Wehrgesetze dar, die in der Regierungserklärung vom 27. Juni 1955 erwähnt worden sind. Ich bin dankbar, daß mir Gelegenheit gegeben war, in monatelangen Beratungen im Sicherheitsausschuß des Bundestages die Grundgedanken dieses Gesetzes zu erörtern. Die Regierung hat manche Anregung hieraus ebenso gewinnen können wie aus den vielen Diskussionen mit Verbänden und Organisationen, insbesondere aus Diskussionen mit dem Deutschen Bundesjugendring. Nun gilt es, über die solcherart zustande gekommenen Vorschläge endgültig zu entscheiden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden mir gestatten, auf die umfangreiche schriftliche Begründung, die dem Gesetzesvorschlag beigefügt ist, zu verweisen. Aber Sie werden mir des weiteren sicherlich gestatten, auch heute morgen einige Ausführungen zu den Grundgedanken dieses Gesetzesvorschlages zu machen. Die Bedeutung dieses Gesetzes wird vornehmlich darin zu sehen sein, ,daß es unternimmt, und zwar in Deutschland zum ersten Male unternimmt, das Wesen des Soldaten, soweit es in und durch Normen erfaßt werden kann, in einem von dem Parlament zu verabschiedenden Gesetz zu regeln. Vielleicht ist dieses Neuartige wichtiger als manche von den bisherigen Gewohnheiten abweichende einzelne Bestimmungen. Die Rechte und Pflichten der Soldaten waren früher verstreut über mannigfache Vorschriften, Erlasse und Richtlinien, die nicht der Entscheidung der Parlamente unterlagen. Seit alters her faßten die Kriegsartikel, deren letzte Fassungen in den Jahren 1922 und 1935 erfolgten, einzelne Rechte und vor allem die Pflichtgebote für die Soldaten zusammen. Unmittelbar rechtlich verpflichtende Wirkung hatten sie schon lange nicht mehr. Ihre Bedeutung erschöpfte sich, abgesehen von der moralischen Bindung, darin, daß sie bei der Handhabung des Militärstraf- und -disziplinarrechts als Hilfen für die Auslegung benutzt wurden. Heute aber ist mit der Aufgabe, Streitkräfte in unserem demokratischen Rechtsstaat zu errichten, eine völlig neue Situation gegeben. Die Aufnahme der Rechte und Pflichten in den Katalog des Soldatengesetzes wird zur Folge haben, daß eine Verletzung der Pflichten als Disziplinarverstoß geahndet werden kann und eine Verletzung der Rechte des Soldaten einen Rechtsanspruch des Verletzten entstehen läßt. In beiden Fällen wird über die Rechtsfolgen, nämlich über die Disziplinarstrafen oder die Beschwerden, letztlich ein unabhängiges Gericht zu entscheiden haben. Vor diesem Hintergrund sind die Normierungen der Rechte und Pflichten des Soldaten zu sehen. Damit wird das Soldatengesetz zu einem Grundgesetz des Soldatentums. Die Regierung glaubt dabei davon ausgehen zu müssen, daß Berufssoldaten, Soldaten auf Zeit und Wehrpflichtige, Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften im gleichen Dienst stehen und durch die gleiche Aufgabe miteinander verbunden sind. Der Versuch, ein solches grundlegendes Gesetz für das Soldatentum zu schaffen, bringt uns in die Nähe des Rechts des zivilen Staatsdienstes, nämlich des Beamtentums. In der Tat gibt es hier Parallelen. Formal stellt das Soldatengesetz in gleicher Weise ein personales Grundgesetz für den Soldaten dar, und zwar für die Soldaten aller Kategorien und Laufbahnen, wie es die Beamtengesetze für die Beamten aller Laubahnen sind. Auch inhaltlich finden sich hier manche Verpflichtungen wieder, von der besonderen Loyalitätspflicht oder Staatsverbundenheit, dem Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung über den Eid bis zur Verschwiegenheitspflicht und ähnlichem mehr. Aber man sollte über diesen Gemeinsamkeiten des Staatsdienertums wesentliche Unterschiede nicht übersehen. Der Soldat kann nicht einfach als uniformierter Beamter begriffen werden. Von seiner schnellen Reaktion auf Befehle, von der sofortigen Erfüllung der Gehorsamspflicht hängt oft das Leben vieler Menschen ab. An den Gehorsam werden daher stärkere Anforderungen bei ihm gestellt als an die Unterworfenheit des Beamten. Wo der Beamte in aller Regel zurückfragen kann, verbieten sich für den Soldaten in kritischen Situationen Gegenvorstellungen von selbst. Wenn dem Beamten zumeist eine Begründung für eine Weisung mitgeteilt werden kann, so ist das beim Befehl des Soldaten oft genug unmöglich, soll nicht das Leben der Kameraden gefährdet werden. Und schließlich: der Beamte ist zwar dem Berufssoldaten darin gleich, daß beide einen Beruf versehen; das gilt aber nicht für den Wehrpflichtigen, und das ist doch die große Masse der Soldaten, die zwar Dienst leistet, aber nicht in einem frei gewählten Beruf steht. ({0}) Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus wird zu prüfen haben, ob die Regelung des vorgelegten Entwurfs die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen Beamten und Soldaten richtig verteilt und, wie ich glaube, das Maximum einer Gleichstellung in Rechten und Pflichten erreicht, bei dessen Überschreitung die gegebenen Wesensunterschiede verwischt werden würden. Es muß im Rechtsstaat als selbstverständlicher Grundsatz gelten, daß Freiheit nur so weit eingeschränkt wird und auch die Soldaten der Befehlsgewalt nur so weit unterworfen werden, als der besondere Zweck und die Aufgabe des Soldaten es notwendig machen. Auch dieser Grundsatz wird hier zum erstenmal gesetzlich festgelegt. Wenn der Vorgesetzte Befehle nur zu dienstlichen Zwecken erteilen darf, wenn die Wahrheitspflicht des Soldaten auf die Aussage im dienstlichen Verkehr beschränkt wird, wenn der Soldat von der Befolgung eines verbrecherischen Befehls befreit wird, so leuchtet hier überall jener Grundgedanke hervor. Am deutlichsten wird das aber bei den politischen Rechten und Pflichten, cl. h. dort, wo die allgemeinen Staatsbürgerrechte berührt werden. Die Frage, wieweit sie zurückzutreten haben, wieweit der Soldat sich Einschränkungen der Meinungsfreiheit gefallen lassen muß, muß auf Grund der allgemeinen Anschauungen vom Wesen und von der Aufgabe des Soldaten aus der heutigen Situation entschieden werden. Rückblicke - das möchte ich ausdrücklich sagen - helfen hier nur wenig. Heute wollen und müssen wir eine Wehrmacht des ganzen Volkes auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht aufbauen, und diese Wehrmacht muß in und mit der Demokratie leben. Demokratie kann aber nicht ohne freie Diskussion existieren, und es wäre meiner Ansicht nach eine Sünde wider den-Geist der Demokratie, wollte man versuchen, durch mechanische Verbote die Diskussion aus der Soldatenunterkunft zu verbannen. Freilich gibt es eine selbstverständliche Grenze. Die Notwendigkeit, Menschen der verschiedensten Berufsstände, der verschiedensten Herkunft und der verschiedensten politischen Anschauungen in Kasernen Tag und Nacht zusammenzuhalten, darf nicht als Chance dafür benutzt werden, planmäßig den Andersdenkenden für eine eigene politische Richtung oder eine Partei zu gewinnen. Parteipolitisch aktive Betätigung muß daher untersagt werden, und wer gar als Offizier oder Unteroffizier zur Führung von Menschen berufen ist, muß unter allen Umständen die Zurückhaltung üben, die allein es glaubhaft macht, daß er sich auch im Dienst überparteilich verhält. Mit diesen Anforderungen verträgt es sich durchaus, daß die Soldaten aller Kategorien und Rangordnungen ihr aktives Wahlrecht ausüben. Die der Wahl vorausgehende gesteigerte politische Anteilnahme wird auch im Bereich der Streitkräfte die politische Diskussion beleben und befruchten. Das braucht, da es sich lediglich um eine Diskussion handelt, die auch in sonstigen Bereichen nicht unterbunden werden kann und auch nicht unterbunden werden soll, den Zusammenhang und die Kameradschaft nicht zu beeinträchtigen. Anders aber ist es beim passiven Wahlrecht. Es kann nur auf Grund eines klaren Bekenntnisses nach außen zu einer politischen Partei mit einer werbenden Tätigkeit zugunsten einer politischen Partei ausgeübt werden. Das ist mit der erwünschten überparteilichen Haltung eines Soldaten, namentlich eines Vorgesetzten, nicht zu vereinbaren, und daher sind in dem Entwurf Beschränkungen für die Wählbarkeit des Soldaten vorgesehen. Die geforderte überparteiliche Haltung stellt das Korrelat, die sinnvolle Ergänzung zu der unentbehrlichen Zurückaltung der politischen Parteien vor einer Einflußnahme auf die personelle Besetzung der Offiziers- und Unteroffiziersstellen dar. Nur wenn sich die Soldaten von parteipolitischer Betätigung zurückhalten, wird umgekehrt auch von den Politikern und von den Parteien erwartet werden können, daß sie auf eine parteipolitische Einflußnahme auf die Streitkräfte verzichten. Ich möchte hier mit Nachdruck-gewisse Diskussionen, die gegenwärtig in der Öffentlichkeit geführt werden, zwingen mich dazu, Betonung darauf zu legen - folgendes sagen: So selbstverständlich die Kontrolle des Parlaments und der Parteien in bezug auf die Führung und das innere Leben der Truppe ist, so selbstverständlich muß es sein, daß eine irgendwie geartete Beeinflussung der Besetzung der Offiziers- und Unteroffiziersstellen durch die Parteien staatspolitisch nicht verantwortet werden kann. ({1}) Die zukünftige Wehrmacht dient dem ganzen Volk. Die Regierung und insonderheit der Verteidigungsminister sind bei der Wahrnehmung der Führungsaufgaben Treuhänder des gesamten Volkes und nicht einzelner Parteien. So also sollte, wenn meine Vorstellungen richtig sind - was Ihrer Kritik unterliegt -, vom Menschen aus gesehen das Verhältnis des Soldaten zur Politik sein. Er darf nicht unter einer großen Glocke leben, nicht abgeschieden vom Volk und von den das Volk bewegenden Strömungen, sondern muß mitten in ihm und in ihnen leben, aufgeschlossen und teilnehmend an allen großen politischen Fragen und Ereignissen, stets von innen heraus die Grundgedanken unseres demokratischen und sozialen Rechtsstaates bejahend, niemals in falscher Neutralität gegenüber diesem Staat, niemals schlechthin unpolitisch, sondern überparteilich und dem Gesamtvolk verpflichtet. Meine Damen und Herren, ich habe mich bemüht, mit den Worten, die mir gegeben sind, die prinzipielle Stellung des Soldaten im Volke, im Staat, zum Volke und zum Staat darzutun. Ich bin des Glaubens: wenn dieses erreicht wird, dann wird der Soldat dem Staat jederzeit, auch in kritischen Zeiten, gehorchen, und zwar gehorchen aus Einsicht. Er wird diesen Gehorsam leisten in allen Stufen und Rängen und gerade in den Spitzenstellungen. Damit wäre vom Menschen aus der wesentliche Beitrag zu einem festen Einbau der Streitkräfte in unsere junge Demokratie geleistet, um den wir uns mit institutionellen Mitteln an anderer Stelle so sehr bemühen. Der Entwurf des Soldatengesetzes liegt Ihnen vor. Ich bin sicher, daß der Deutsche Bundestag, der so häufig nach außen sichtbare Beweise dafür abgelegt hat, mit welchem Ernst er all die Fragen, die im Zusammenhang mit der Verteidigung stehen, behandelt, in seinen künftigen Beratungen dieses Gesetz entsprechend seiner Bedeutung behandeln wird. Ich würde mich glücklich preisen, wenn wir bei der gemeinsamen Arbeit in den Ausschußberatungen und in den weiteren Verhandlungen im Plenum in der zweiten und dritten Lesung fest({2}) stellen könnten, daß wir, unbeschadet der Divergenz in der Frage der Verteidigung, uns einig fänden in dem heißen Bemühen, eine Wehrmacht aufzubauen, die ihre Stellung in der Demokratie hat, die zum Schutze der Freiheit des Volkes und des Staates nach außen da ist, die aber zugleich dazu da ist, zu ihrem Teil auch diese demokratischen Freiheiten zu garantieren, d. h. eine Wehrmacht zu schaffen mit einer Stellung im und zum Staate, im und zum Volke, wie ich sie eben mit einigen bescheidenen Worten zu skizzieren versucht habe. ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, Sie haben die Einbringung gehört. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001130, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Verteidigungsminister hat zum Eingang seiner Ausführungen darauf hingewiesen, daß es sich bei dem zur Diskussion stehenden Entwurf eines Soldatengesetzes um das erste für die Dauer vorgesehene Gesetz im Zuge der Wehrgesetzgebung handelt. Daraus ergibt sich, daß wir auch die noch zu prüfende Auswirkung eines solchen Gesetzes von Anfang an ebenso als eine dauernde erkennen und begreifen müssen. Wenn wir diese Tatsache in Verbindung bringen mit der Feststellung, daß dieses Gesetz Probleme von entscheidender Bedeutung aufwirft, so haben Wir, glaube ich, einen brauchbaren Ansatz zur Diskussion gefunden. Wenn ich von den entscheidenden Problemen dieses Gesetzes spreche, so meine ich, daß es sich hierbei um das Grundgesetz für den künftigen deutschen Soldaten handelt, id. h. um ein Gesetz, das für die Entwicklung und Sicherung der deutschen Demokratie von einer schicksalhaften Bedeutung sein kann und auch sein wird. Die Frage, die mit der Erörterung dieses Gesetzentwurfs an uns herantritt, ist die: Sind die gesetzgeberischen Körperschaften der Bundesrepublik in der Lage - soweit gesetzgeberische Körperschaften überhaupt allein dazu in der Lage sind -, die künftigen deutschen Streitkräfte so in unser demokratisches Staatsgefüge einzuordnen, daß unheilvolle Spannungen, wie wir sie in der Vergangenheit gekannt haben, ausbleiben und diese Streitkräfte nicht zu einer Belastung der demokratischen Entwicklung unseres Volkes werden? Es ist daher erforderlich, daß dieses Gesetz in einer klaren und eindeutigen Weise die Stellung des Soldaten im Staate und zum Staate zum Ausdruck bringt. Eins sei dabei betont: Es kann sich dabei weder um eine Stellung handeln, die dem Soldaten in irgendeiner Weise einen Vorrang vor den anderen Ständen unseres Volkes gibt, noch um eine Stellung, die ihn gegenüber den anderen Ständen zurückstellt und vernachlässigt. ({0}) Es muß herausgestellt werden, daß das Prinzip der Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Staatsbürger auch für die Stellung des künftigen Soldaten allein maßgeblich sein muß. Es ist meines Erachtens sehr zu begrüßen, daß der Herr Minister in seinen Ausführungen besonders auf die Beziehungen des Soldaten zur politischen Wirklichkeit unseres Volkes eingegangen ist und die Auffassung der Bundesregierung von den politischen Rechten und Verpflichtungen des deutschen Soldaten klar herausgestellt hat. Diese Gedanken - der Herr Minister erwähnte es schon - sind des öfteren auch im Sicherheitsausschuß besprochen worden. Ich glaube daher, daß auch in diesem Problem eine einheitliche Meinungsbildung zwischen den Fraktionen möglich sein wird. Meine Damen und Herren, es ist nicht der Sinn der ersten Lesung, die Einzelberatung vorwegzunehmen. Aber ich glaube, dieser Gesetzentwurf enthält neben dem erwähnten Grundproblem auch noch einige andere Fragen, deren Beantwortung jeden von uns vor schwerwiegende Entscheidungen stellt. Da handelt es sich zum Beispiel in § 16 des Entwurfs um die Frage des Fahneneides. Ich möchte von vornherein sagen, daß ich hier weder für meine politischen Freunde noch für mich persönlich eine bereits abgeschlossene Meinung vortragen kann, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil meines Erachtens jeder, der sich mit dem Problem des Fahneneides in einer künftigen deutschen Wehrmacht einmal ernstlich befaßt hat oder befaßt, bald vor der Erkenntnis stehen wird, daß hier eine schwerwiegende Gewissensentscheidung - um nicht sogar von einer echten Gewissensnot zu sprechen - von ihm verlangt wird. Diese Tatsache ist es, die jeden von uns zwingen wird, alle Argumente pro und contra Fahneneid genauestens zu erforschen, ehe er sich zu einer abschließenden Meinungsäußerung bekennt. Die Argumente, die für den Fahneneid sprechen, sind bekannt. Sie wurzeln vor allem in dem Bestreben, durch den Eid moralische Kräfte in weitestem Maße zu wecken, anzusprechen und zur Mitarbeit am Staate heranzuziehen. Demgegenüber wird milt Recht auf die Gefahr des Mißbrauchs des Eides hingewiesen, und es erhebt sich an dieser Stelle die Frage, õb nicht gerade den jungen Menschen, die nicht aus eigenem Antrieb, sondern nur auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung Soldat werden, hier ein Gewissenszwang auferlegt wird. Auch die Kompromißlösung, die erörtert wird, nur die Freiwilligen durch einen Eid zu binden, wie das meines Wissens beispielsweise in England und Holland bereits verwirklicht ist, kann nicht voll befriedigen. Auf der einen Seite steht das Argument, man könne nicht von jedem Beamten ohne Rücksicht auf die Bedeutung seines Aufgabengebietes die eidliche Bindung an den Staat verlangen und dann bei Offizieren, denen nicht nur die stärksten Machtmittel des Staates, die ultima ratio regis, sondern auch das Leben und die Wohlfahrt unserer Jugend anvertraut werden, auf den Eid verzichten. ({1}) - Da müssen Sie sich mal erkundigen, Herr Kollege! ({2}) Au! 'der anderen Seite muß man sich fragen, ob man nicht durch eine unterschiedliche Behandlung von Freiwilligen und Wehrpflichtigen in der schwerwiegenden Frage des Eides die Einheit des Begriffs „Soldat" zerstört, auf deren Bedeutung der Herr Minister vorhin mit Recht so sehr hingewiesen hat. Wir müssen, glaube ich, alle diese Argumente und noch weitere sehr ernst nehmen, ({3}) und nichts wäre in dieser Stunde verfehlter, als ungewollt in der Öffentlichkeit den Eindruck hervorzurufen, als ob wir uns über all diese auftauchenden Fragen leichten Herzens so oder so hinwegsetzten. Aus diesem Grunde müssen wir uns ein abschließendes Urteil in der Frage des Eides vorbehalten. Wenn ich mir für die Arbeit des Sicherheitsausschusses in diesem Zusammenhang eine Anregung erlauben darf, so möchte ich meinen, der Ausschuß wäre gut beraten, wenn er zur Erörterung dieser Frage und zu einer Darlegung der gesamten Problematik kompetente Vertreter der Kirchen wie der Weltanschauungsgemeinschaften zu seinen Beratungen hinzuzöge. Ein ähnliches Problem, das durch den § 6 des Entwurfs eng mit der Frage des Eides als einer Gewissensentscheidung verknüpft ist, ist folgendes: Der § 6 spricht von Treue und Tapferkeit. Es wäre allerdings noch festzustellen, wem die Treue zu -schulden ist. Im § 10 wird die Kameradschaft als gesetzlich verankerte Pflicht festgelegt. Der § 12 lautet: „Der Soldat muß im dienstlichen Verkehr die Wahrheit sagen." Alle diese Vorschriften enthalten ein Gemeinsames: sie sprechen sittliche Normen an, die an sich dazu bestimmt sind, der freien Entfaltung der sittlichen Persönlichkeit - ich betone, der freien Entfaltung der Persönlichkeit - in Erziehung und Selbsterziehung zu dienen. Der Entwurf will nun diesen sittlichen Normen den Charakter einer gesetzlichen Vorschrift geben. Da die auf Grund dieser Normen sich entwickelnde sittliche Persönlichkeit unseres Erachtens die Voraussetzung für die Existenz geordneter menschlicher Gemeinschaften bildet und die Gesetze eines Staates ihren Sinn in der Sicherung solcher Gemeinschaften haben, sind grundsätzlich gegen ein derartiges Verfahren wohl keine Einwendungen zu erheben. Aber das enthebt uns nicht der Verpflichtung, im Einzelfall darüber nachzudenken und zu befinden, ob und inwieweit das Hineinzwängen sittlicher Normen in die Paragraphen eines Gesetzes notwendig und damit vertretbar ist. ({4}) Der Gesetzentwurf spricht von den Rechten und Pflichten des Soldaten. Das ist sehr begrüßenswert, vor allen Dingen der Versuch der Zusammenfassung in diesem Gesetz. Wir sind der Auffassung, daß der damit beschrittene Weg besser dem Wesen eines ¡demokratischen Staates entspricht als die Praxis der Vergangenheit, 'die der Herr Minister ja bereits angesprochen hat. Es wäre meines Erachtens nur zu überlegen, ob einer Darstellung der Grundpflichten der Soldaten im Gesetze nicht auch eine Manifestierung seiner Grundrechte gegenübergestellt werden sollte. Wenn ich hier von Grundrechten spreche, so denke ich dabei nicht so sehr an den Katalog der Grundrechte in 'den einzelnen Artikeln unseres Grundgesetzes, sondern an eine Herausstellung der Anerkennung der menschlichen Achtung und der Menschenwürde, wie sie ja auch die Grundlage unserer Verfassung bilden. Was den verfassungsrechtlichen Katalog der Grundrechte angeht, so ist er in dem vorliegenden Gesetzentwurf nur zum Teil, speziell etwa in der Frage des Wahlrechts, angesprochen. Ich möchte auf die damit verbundenen Probleme hier nicht eingehen, halte es aber für notwendig, darauf hinzuweisen: Aus der Nichtanführung anderer Grundrechte, beispielsweise der Koalitionsfreiheit, im Regierungsentwurf schließen wir eindeutig und zweifelsfrei, daß nach dem Willen der Regierung in einer künftigen deutschen Wehrmacht keines dieser Grundrechte einer Einschränkung durch das Gesetz unterworfen sein soll. Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf wird nach seiner Verabschiedung Wirkungen hervorrufen, die sich nicht auf das Gebiet des Politischen im engeren Sinne beschränken, sondern die auch tief in idas wirtschaftliche und soziale Gefüge unseres Volkes hineingreifen. Es ist hier nicht der Ort, diese Wirkungen im einzelnen zu beurteilen, vor allen Dingen auch deshalb nicht, weil das vorliegende Gesetz wohl nicht die Möglichkeit bieten wird, diese Wirkungen voll und ganz in seinen Bestimmungen zu erfassen. Aber es sollte doch der Öffentlichkeit klarwerden, daß wir die hier auf den verschiedenen Gebieten auftauchenden Probleme erkennen und auch im Auge behalten werden. Erlauben Sie mir noch, Sie in diesem Zusammenhang auf eine Einzelfrage aufmerksam zu machen, die meines Erachtens eng verknüpft ist mit den Problemen, die uns die gegenwärtige soziologische Struktur unseres Volkes und die soziologischen Erfahrungen der Nachkriegszeit aufgeben. § 40 des Gesetzentwurfs schlägt vor, daß für Berufsunteroffiziere das vollendete 55. Lebensjahr und für Berufsoffiziere das vollendete 60. Lebensjahr die Altersgrenze sein sollen. Wir wissen nun alle, daß das Problem ¡der zur Verfügung stehenden menschlichen Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit nicht allein mit einem Hinweis auf die derzeitige konjunkturelle Situation beantwortet werden kann. Soziologen, Wirtschaftler, Psychologen und andere mehr weisen uns immer wieder darauf hin, welche besondere Bedeutung Lebenserfahrung und insbesondere Erfahrung in der Menschenführung für die Wirtschaft, aber auch für alle anderen Zweige unseres Lebens gerade heute haben; und das wird sich in Zukunft noch steigern. Wir werden uns also auch von vornherein Gedanken darüber machen müssen, we man Kräften, die aus Gründen, die im Wesen soldatischer Tätigkeit liegen, im besten Mannesalter oder an der Schwelle der Altersreife von einer beruflichen Tätigkeit entbunden werden, noch die Möglichkeit geben kann, ihre Lebenserfahrung und ihre Erfahrung im Dienste der Menschenführung dem ganzen Volk in irgendeiner Form - natürlich nur nach dem Prinzip der Freiwilligkeit zur Verfügung zu stellen. Zugleich könnte darin auch eine Anerkennung des Wertes soldatischer Leistung gesehen werden. Diese Überlegungen sind meines Erachtens um so notwendiger, als ich glaube feststellen zu können, daß die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Altersgrenze vielleicht noch etwas theoretisch ist und der Wirklichkeit nicht voll und ganz gerecht wird. Es könnte sich daher - ich will es nicht behaupten - in der Praxis über kurz oder lang für die Bundesregierung die Notwendigkeit ergeben, von der im Entwurf vorgesehenen Möglichkeit einer Rechtsverordnung Gebrauch machen zu müssen, die eine Herabsetzung der Altersgrenze enthalten kann. Ich glaube, wir können uns als Volk den Luxus nicht erlauben, alle diese freiwerdenden Kräfte in beruflicher Hinsicht von vornherein auszuschließen. Ich möchte sodann noch ¡auf den Umstand hinweisen, daß der Gesetzentwurf an verschiedenen Stellen - ich erwähne als Beispiel die vorgesehene ({5}) gesetzliche Regelung des Beschwerderechts des Soldaten - auf andere, noch ausstehende Gesetze hinweist. Hieraus ergibt sich nach unserer Meinung die Notwendigkeit, das Soldatengesetz nicht allzu lange allein im Raum stehenzulassen und sich ergebende Lücken in der Gesetzgebung baldmöglichst zu schließen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, bald zu einer endgültigen gesetzlichen Regelung der Besoldungs und Versorgungsfragen zu kommen. Daher ergeht heute unsere Bitte an die Bundesregierung, den gesetzgebenden Körperschaften baldigst diejenigen Gesetzentwürfe zuzustellen, die erst zusammen mit dem Soldatengesetz ein geschlossenes Ganzes ergeben können. Zum Abschluß möchte ich noch eines erklären: Die Einordnung der künftigen Streitkräfte in den demokratischen Staat läßt sich nach unserer Überzeugung nur auf der Basis gegenseitigen Vertrauens bewältigen. ({6}) Natürlich, wenn man an das Vertrauen appelliert, meldet sich auch die Skepsis, und es ist nicht nur das Recht, sondern wohl auch die Funktion der Opposition, den Gedanken und Entwürfen der Bundesregierung mit einem von der Sache her vertretbaren Maß von Skepsis zu begegnen. So nehme ich an, daß auch die Skepsis hier noch zu Worte kommen wird. Aber wir sollten uns doch einig sein in der einen Feststellung, daß Skepsis allein die Probleme, vor denen wir stehen, nicht lösen kann. Dazu bedürfen wir eben, wie gesagt, des gegenseitigen Vertrauens. Wir wissen nun um die starken Ressentiments, die in den Kreisen ehemaliger Berufssoldaten und, in entgegengesetzter Form, in anderen Schichten unseres Volkes noch sehr weit verbreitet sind. Wir verstehen den Ursprung dieser Ressentiments und würdigen sie als Ergebnisse einer weithin persönlichen Erfahrung. Aber diese Feststellung enthebt uns nicht der Pflicht, hier auszusprechen, daß die staatspolitischen Probleme der deutschen Wiederbewaffnung nicht aus dem Emotionalen heraus gelöst werden können, sondern daß die Überwindung aller auch noch so fest verhafteten Ressentiments auf beiden Seiten die notwendige Veraussetzung für die Schaffung einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens und damit zu einer Meisterung der Probleme ist. Nur wenn Staat und Wehrmacht fest zueinander stehen und bereit sind, füreinander einzustehen, vermeiden wir es, die dunklen Schatten einer unseligen Vergangenheit heraufzubeschwören. Sachliche Arbeit im gegenseitigen Vertrauen allein vermag es, die Aufgabe der Einfügung der Streitkräfte in die demokratische, in die freiheitliche Ordnung so zu bewältigen, daß das erreicht wird, wonach wir doch alle streben sollten, daß nämlich ,der künftige deutsche Soldat als der demokratische Staatsbürger in Uniform nicht zu einer Belastung wird, welche die demokratische Entwicklung unseres Volkes hemmt, sondern zu einer Kraft, die sie fördert. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Merten.

Hans Merten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001480, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften, die wir am 15. und 16. Juli dieses Jahres in diesem Hause hatten, sind von meinen Freunden Ausführungen darüber gemacht worden, ob es zweckmäßig erscheine, gerade jetzt die gesetzlichen Grundlagen für die Aufstellung von deutschen Truppen zu schaffen, und ob es weiterhin zweckmäßig sei, das gerade in der Form zu tun, wie die Vorlagen der Bundesregierung dem Hohen Hause vorgelegt worden sind. Die Äußerungen, die damals - vor einem Vierteljahr - in bezug auf das Freiwilligengesetz gemacht worden sind, und die Bedenken, die damals hier zum Ausdruck gebracht worden sind, scheinen mir auch heute noch in vollem Ausmaß gültig zu sein; ja ich glaube, sie haben sich sogar noch durch die politische Entwicklung der Zwischenzeit verstärkt. Die politischen Erkenntnisse, die in diesem Vierteljahr gewonnen werden konnten, haben uns noch in der Auffassung bestärkt, daß es im Augenblick nicht richtig, nicht zweckmäßig und nicht vernünftig ist, derartige Dinge durch das Hohe Haus regeln zu lassen. Wir standen damals genau wie heute vor einer wichtigen Konferenz der vier Besatzungsmächte in Genf. Wir stehen heute ebenfalls am Vorabend einer derartigen Konferenz. Jeder von uns weiß, daß auf dieser Konferenz Dinge besprochen und vielleicht auch entschieden werden, die für die Zukunft unseres Landes von entscheidender Bedeutung sind. Wir alle hoffen, daß diese Entscheidungen den Weg frei machen für die Wiedervereinigung unseres Landes in Frieden und Freiheit, ohne die, wie wir glauben, es keine Entspannung und keine friedliche Entwicklung geben kann. Die Sozialdemokratische Partei hat vor einem Vierteljahr vor der Aufrüstung der Bundesrepublik gewarnt, weil sie glaubt, daß durch diese Aufrüstung die Wiedervereinigungsverhandlungen erschwert, verzögert oder gar unmöglich gemacht werden können. Wir sind heute nicht sehr glücklich darüber, feststellen zu müssen, wie sehr wir damals recht gehabt haben. Deswegen sprechen wir uns auch heute wieder aus außenpolitischen und innenpolitischen Gründen gegen die Vorlage dieses Gesetzes zu diesem Zeitpunkt aus. Ich werde nicht weiter wiederholen, was noch im einzelnen von dieser Stelle aus zu dieser Frage gesagt werden könnte. Wir werden darauf zurückzukommen haben, wenn die zweite und dritte Beratung des Gesetzes anstehen. Ich habe jedoch noch erhebliche Bedenken innenpolitischer Natur anzumelden, die ich hier zum Ausdruck bringen will, und zwar nicht, um, wie mein Kollege Kliesing vorhin zu vermuten schien, einer Skepsis schlechthin das Wort zu reden, sondern um von dieser Skepsis her einen positiven Beitrag für eine vernünftige und vertrauensvolle Entwicklung zu liefern. Der Herr Verteidigungsminister hat im Sommer dieses Jahres in einer Regierungserklärung den Umfang der Wehrgesetzgebung umrissen. Er hat damals Ausführungen über die Wehrverfassung und über den verfassungsrechtlichen Standort der Wehrorganisation gemacht. Aus diesen Ausführungen haben wir entnehmen können, daß die Frage des Oberbefehls, die Frage der landsmannschaftlichen Gliederung der Streitkräfte, die Frage der Wehrverwaltung und die Frage des Notstandsrechtes dringend einer Regelung bedürfen. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit ferner daran, daß der Bundesrat sich bei der Beratung dieser Vor({0}) lage auf den Standpunkt gestellt hat, daß die verfassungsmäßigen Voraussetzungen für die Durchführung dieses Gesetzes nicht gegeben sind. Obwohl wir also vor einer ganzen Reihe von ungeklärten Verfassungsfragen stehen - Fragen, die unser Grundgesetz betreffen, Fragen, die auch für die künftige Entwicklung der Truppe im Gefüge des Staates von entscheidender Bedeutung sind -, obwohl das alles bekannt ist, wird, wie ich den Eindruck habe, frisch drauflosgewirtschaftet, um ja möglichst schnell zu Leuten zu kommen, die man in eine Uniform stecken kann. Dazu kommt noch etwas anderes. Neben diesen verfassungsrechtlichen Fragen muß nach Auffassung der Sozialdemokraten noch eine Fülle von Einzelgesetzen geschaffen werden, bevor der erste Soldat eingestellt wird, um von vornherein klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Herr Kollege Kliesing hat auf diese Tatsache ebenfalls hingewiesen und hat den Wunsch geäußert, daß möglichst bald, vor Abschluß der Beratungen über dieses Gesetz auch die anderen dringend notwendigen Einzelgesetze vorgelegt werden, damit klare Rechtsverhältnisse geschaffen werden können. Ich denke dabei u. a. an die Gesetze über die Organisation der Verteidigung, die Spitzengliederung der Streitkräfte und die endgültige Organisation des Bundesverteidigungsministeriums. Die Notwendigkeit dieser Gesetze ist durch die Beschlüsse des Hauses zum Freiwilligengesetz festgelegt worden; sie ist bekannt. Diese Gesetze gehören an den Anfang der Entwicklung und nicht an ihr Ende; denn dann müssen, sie sich mit vollendeten Tatsachen auseinandersetzen. Wir alle kennen die Schwierigkeiten, die dem Gesetzgeber von der Verwaltung bereitet werden, indem man ihn vor vollendete Tatsachen stellt, ehe es gelungen ist, die Dinge auf dem Wege der Gesetzgebung zu regeln. Wir warnen vor einer derartigen Entwicklung. Ich denke ferner an die Regelung über Einstellung und Entlassung von Berufssoldaten, über die Disziplinarverfahren und Disziplinarstrafen, an die Beschwerdeordnung. Ferner sind, wie Herr Dr. Kliesing schon gesagt hat, ein Besoldungsgesetz und ein Versorgungsgesetz notwendig. Es ist notwendig, gewisse strafrechtliche Bestimmungen für die Wehrmacht zu schaffen. Notwendig ist welter die gesetzliche Regelung der parlamentarischen Kontrolle über die Streitkräfte, des Wehrmachtbevollmächtigten oder wie immer Sie diese Institution nennen wollen. Alle diese Gesetze, die ich jetzt genannt habe - und es sind nur die wichtigsten gewesen -, müßten vorher erledigt sein, ehe man sich mit der Materie befaßt, die in dem vorliegenden Entwurf behandelt wird. Ich glaube, daß die einzigen Gesetze, die erst nachher behandelt zu werden brauchen, das Wehrpflichtgesetz und das Gesetz über die Kriegsdienstverweigerung sind, die ja zusammengehören und gleichzeitig verabschiedet werden müssen. Die Sozialdemokratische Partei bedauert es sehr, daß man offensichtlich nicht gewillt ist, vor der Aufstellung von Streitkräften hier eine saubere Arbeit auf dem Gebiete der Gesetzgebung zu leisten, sondern daß man es aus Gründen politischer Art, über die man streiten kann, für richtig hält, sich auf einer unsicheren Rechtsgrundlage zu bewegen. Es ist unsere Pflicht gerade gegenüber den zukünftigen Soldaten und nicht zuletzt gegenüber dem gesamten Gefüge unseres Staates, der Organisation der Streitkräfte eine klare Rechtsgrundlage zu geben und aus dem rechtlichen Zwielicht herauszukommen, in dem wir uns augenblicklich mit der Aufstellung der Streitkräfte bewegen. ({1}) Die aufgezeigten Gründe sind neben den bereits erwähnten politischen Gründen für meine Freunde und mich maßgebend dafür gewesen, mit einer außerordentlichen Skepsis an die Betrachtung des vorliegenden Entwurfs heranzugehen. Ich möchte noch einige Bemerkungen zum Inhalt des vorliegenden Entwurfs machen. Die ganze Konstruktion des Gesetzentwurfs leidet darunter, daß man versucht hat, die Rechtsverhältnisse von vier ganz verschiedenen Personengruppen in einem Gesetz zusammenzufassen. Der Entwurf handelt von den Berufssoldaten, er spricht von den Soldaten auf Zeit, die Wehrpflichtigen werden in diesem Gesetz angesprochen und nicht zuletzt und merkwürdigerweise, möchte ich sagen, die Zivilangestellten der zukünftigen Streitkräfte. In der Begründung des Herrn Ministers und in der schriftlichen Begründung der Bundesregierung heißt es, daß alle Soldaten durch die Gleichartigkeit des Pflichtenkreises so eng miteinander verbunden seien, daß man sie in einem einzigen Gesetz ansprechen könne. Meine Damen und Herren, das trifft erstens nur in einem beschränkten Umfang zu. Zweitens aber ist es niemals eine ausreichende Begründung dafür, die Rechtsverhältnisse von Menschen in einem Gesetz zu regeln, die zwar ziemlich gleichartige Pflichten, aber ganz verschiedene Rechte haben. Hieraus entsteht naturgemäß eine Unzahl von technischen Schwierigkeiten, unter denen das ganze Gesetz leidet. Das geht schon daraus hervor, daß, wie Herr Dr. Kliesing mit Recht betont hat, in diesem Gesetz auf eine Unzahl von zukünftigen Gesetzen und Rechtsverordnungen hingewiesen wird, die noch gar nicht existieren. Ich habe nach einer Zählung festgestellt, daß es insgesamt 14 Gesetze und Rechtsverordnungen sind, die noch benötigt werden, um dieses Gesetz ausführen zu können. ({2}) Wir wissen aus der Erfahrung der Praxis, daß derartige Verweisungen in Gesetzen keine schöne Angelegenheit sind und die Ausführung und auch das Verständnis der Gesetze erschweren. Das ist bereits nicht schön, wenn die anderen Gesetze, auf die verwiesen wird, schon existieren; es ist aber ein unmöglicher Zustand, wenn auf Dinge verwiesen wird, deren Regelung überhaupt erst in der Zukunft erfolgen soll. Die Regelung dieser Dinge ist aber mit dafür entscheidend, wie dieses Gesetz nachher angewandt wird. Der Gesetzgeber muß schon jetzt, wenn er dieses Gesetz beschließt, wissen, wie die anderen Regelungen aussehen werden; denn sonst kann er einem solchen Gesetz nicht mit gutem Gewissen seine Zustimmung geben. ({3}) Man sollte von einem Gesetz überhaupt eine nüchterne und klare Sprache verlangen; denn ein Gesetz soll Rechtsfragen regeln und soll der Verwaltung und der Rechtsprechung die Voraussetzungen schaffen, damit sie schnelle und klare Entscheidungen treffen können. Ich habe das Gefühl, daß in dem vorliegenden Entwurf diese Bedingungen nicht erfüllt werden. Der Entwurf versucht zwar, etwas zu tun, was wir außerordentlich begrüßen und was auch der Herr Minister in seinen ({4}) einführenden Worten angesprochen hat: er versucht, die Pflichten der Soldaten in ein Gesetz hineinzuschreiben, d. h. er versucht, sie der parlamentarischen Zustimmung und der parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen im Gegensatz zu einer Zeit, wo derartige Dinge lediglich in den Erziehungsleitsätzen und in den militärischen Vorschriften zu finden waren, die nicht dem Einfluß des Parlaments unterlagen. Wir begrüßen diese Absicht sehr, und wir werden uns mit allen Kräften daran beteiligen, diese Absicht auch wirklich zum Tragen zu bringen. Aber muß man, um nun diese Absicht verwirklichen zu können, in ein Gesetz mit einer Sprache, die ich geradezu als heraldisch bezeichnen möchte, die aber zumindest reichlich antiquiert ist, ethische Forderungen in Paragraphen hineinbauen, die, wenn man sich diese Paragraphen genau ansieht, letzten Endes zu nichts verpflichten, weil jeder dieser ethischen Begriffe, der da drinsteht, zumindest stark umstritten ist, auf jeden Fall aber außerordentlich auslegungsfähig, ja auslegungsfähig ist bis in das genaue Gegenteil von dem, was der Gesetzgeber in diesem Entwurf eigentlich wollte? ({5}) Ich glaube, daß man, wenn man die Pflichten des Soldaten in ein Gesetz hineinschreiben will, das in einer Sprache tun muß, die gar nicht nüchtern und einfach genug sein kann. ({6}) Man muß sich außerordentlich davor hüten, Begriffe zu gebrauchen, die den Schluß zulassen könnten, daß gewisse Leute doch noch nicht aus einem antiquierten Denken herausgekommen sind, daß in ihrem Denken immer noch die Kategorien gültig sind, die vor, sagen wir, 30 oder gar 50 Jahren einmal gültig waren. Wenn man in einem solchen Gesetz auf diese Dinge zu sprechen kommt, muß man auch zu unterscheiden wissen, was in das Gesetz und was in die Leitsätze zur Erziehung gehört, die selbstverständlich in einer ganz anderen Sprache geschrieben sein können, als es die Gesetzessprache sein muß. Wir werden also bei der Beratung dieses Gesetzes zu prüfen haben, ob nicht vieles aus den §§ 6, 8, 10, 11 und 31, die hauptsächlich diesen Komplex umfassen, umformuliert und in eine Form gebracht werden muß, die dann nachher als Richtlinie für die Ausbildung brauchbar ist. Zu einer anderen Frage, die bereits Herr Dr. Kliesing angesprochen hat, möchte ich ebenfalls noch einige Worte sagen: der Frage des Eides. Meine Damen und Herren, der Sicherheitsausschuß dieses Hauses hat sich wiederholt und sehr ausführlich mit der Frage des Eides befaßt. Obwohl er das getan und dieses Haus bei der Verabschiedung des Freiwilligengesetzes geglaubt hat, von der Festlegung des Fahneneides absehen zu sollen, und an seine Stelle eine Verpflichtung gesetzt hat, obwohl also der Wille des Parlaments verhältnismäßig klar zum Ausdruck gekommen ist, finden wir in diesem Entwurf in § 16 doch wieder die Verpflichtung zur Eidesleistung. Dr. Kliesing hat über die Gewissensnot und die Schwierigkeiten gesprochen, die sich mit dieser Frage verbinden. Die Gewissensnot besteht nicht nur für den Gesetzgeber, sondern sie entsteht ja noch in weit größerem Maße bei denen, die nachher diesen Eid Leisten sollen. Es bedarf also einer erneuten Diskussion über diese Frage. Ich kann Ihnen aber heute schon sagen, daß sich meine Freunde und ich auf jeden Fall gegen die Verankerung des Fahneneides in diesem Gesetz für alle Soldaten aussprechen werden. Es wird darüber gesprochen werden können, ob man es für die Verpflichtung bei der Formel des Freiwilligengesetzes beläßt oder eine andere, bessere Formel findet. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Herrn Ministers Dr. Straeter verweisen, die er am 22. Juli zu dieser Angelegenheit im Bundesrat gemacht hat und denen man eigentlich nicht viel hinzuzusetzen braucht. Er berief sich darauf, daß gerade die Älteren unter uns unter der Anrufung Gottes seit 1900 bereits viermal einen Eid auf vier völlig verschiedene politische und militärische Systeme leisten mußten. Manchmal wurden sie von diesem Eid entbunden, manchmal aber auch nicht. Das hat jedoch keinen Menschen und vor allen Dingen den Staat nicht gehindert, trotzdem einen neuen, anderen Eid von ihnen zu verlangen und ihnen mit Entlassung aus dem öffentlichen Dienst zu drohen, falls sie diesen Eid nicht leisten sollten. In diesem Punkt hat sich der Staat, wenn es ihm richtig erschien, über alle Gewissensnöte, über alle Gewissens- und schwere religiöse Bedenken hinweggesetzt. Dadurch ist der Diensteid natürlich überhaupt entwertet worden. Ich gehe so weit, zu sagen, daß er wegen des viermaligen Änderns und der Zumutung an einen öffentlichen Bediensteten, sich viermal über den alten Eid hinwegzusetzen, letzten Endes zu einer Farce für diese Leute geworden ist. Es werden keine moralischen Kräfte mehr durch ihn geweckt, sondern es wird allenfalls das böse Gewissen durch ihn lebendig. Wir freuen uns darüber, daß auch von weiten kirchlichen Kreisen die Auffassung vertreten wird, daß die Schaffung des Diensteides in bezug auf die künftigen Soldaten verhindert werden sollte, eben im Interesse der religiösen Kräfte, die in den Menschen lebendig sind. Auch über diese Frage werden wir im Ausschuß hoffentlich schnell zu einer Einigung kommen. Der Herr Minister hat in seinen Ausführungen einen verhältnismäßig breiten Raum der Frage der politischen Betätigung der Soldaten gewidmet. Auch ich möchte zu dieser Frage etwas sagen, weil sie in diesem Gesetz an zwei Stellen sehr deutlich angesprochen ist. Wir haben in den vergangenen Jahren eine Menge schöne Worte über den „Staatsbürger in Uniform" gehört. Wir hatten nicht immer das Gefühl, daß diese Worte sehr ehrlich gemeint gewesen sind. ({7}) Den Beweis dafür erbringt der vorliegende Entwurf; denn in seiner politischen Funktion wird der Soldat gegenüber den Beamten und erst recht gegenüber den übrigen Staatsbürgern schlechter gestellt, als es die besonderen militärischen Belange erforderlich machen würden. Die Regeln für die aktive Betätigung des Soldaten in der Politik, die in § 15 niedergelegt sind, sind außerordentlich unklar und sehen Einschränkungen der politischen Betätigung vor, die in dieser Form nicht notwendig zu sein scheinen. Meine Damen und Herren, gerade in diesem Hause, das sich doch aus politischen Parteien zusammensetzt, sollte eigentlich keine Meinungsverschiedenheit darüber bestehen, daß die intensive politische Mitarbeit in einer demokratischen Partei die denkbar ({8}) beste staatsbürgerliche Erziehung überhaupt ist, die sich eindemokratischer Staat nur wünschen kann. ({9}) Aber die Erziehung zur politischen Neutralität, die man heute an vielen Stellen unter überparteilicher Staatsbürgerkunde versteht, führt letzten Endes zu nichts anderem als zu politischem Abseitsstehen. ({10}) Wir müssen die Mitarbeit der Soldaten in den Parteien mit allen Mitteln fördern, dürfen sie aber nicht bremsen, wie es in diesem Gesetz geschehen ist; sonst hätten wir nämlich aus der Vergangenheit wahrhaftig nicht allzuviel gelernt. Gestatten Sie mir eine weitere Bemerkung zur Stellung des Soldaten im politischen Leben seines Volkes, nämlich zum passiven Wahlrecht. Warum werden die Soldaten in bezug auf das passive Wahlrecht schlechter gestellt als die übrigen Staatsdiener? Praktisch läuft das, was in diesem Gesetz steht, doch darauf hinaus, daß die Aufstellung als Kandidat auf Kreis-, Landes- oder Bundesebene für irgendeine Wahl mit dem Verlust der Existenz gleichbedeutend ist. Das geht unter gar keinen Umständen; denn das bedeutet praktisch, daß man den Soldaten das passive Wahlrecht nimmt. ({11}) Darüber kann man sich durch noch so viele schöne Formulierungen nicht hinwegtäuschen. Ich bin der Auffassung, daß die Soldaten in bezug auf das passive Wahlrecht den anderen Staatsdienern völlig gleichgestellt werden müssen. Ich kann keinen Grund dafür einsehen, daß sie schlechter gestellt werden sollen. Gerade an dieser Stelle des Entwurfs stößt man auf ein veraltetes Denken, ja man spürt geradezu den Geist der alten Reichswehr, der aus diesen Worten spricht - die Formulierungen stammen ja auch daher -, den Geist, der in der Politik Geschäft unwürdiges Geschäft sieht, zu dem sich ein Soldat nicht herablassen oder mit dem er sich nicht beflecken sollte. Dieser Geist muß in der künftigen Truppe ausgerottet werden, und es muß verhindert werden, daß er überhaupt auch nur in den kleinsten Anfängen aufkeimen kann. Darüber werden wir im Ausschuß zu reden haben. Nach den Ausführungen des Hern Ministers und auch des Herrn Kollegen Kliesing glaube ich, daß wir in den Grundsätzen einig sind und auch eine Form finden werden, die diese Grundsätze in die Praxis übersetzen kann. Zur Frage des Vertrauensmannes möchte ich noch ein Wort sagen. Der Vertrauensmann in der Truppe wird in diesem Gesetz an zwei Stellen angesprochen, in § 30 und in den Schlußbestimmungen. Aber die Regelung, die hier gefunden ist, scheint uns nicht befriedigend zu sein; sie wird auf „besondere Gesetze" - zum mindesten zwei - und eine Rechtsverordnung verwiesen. Ich glaube aber, daß diese Frage gelöst sein muß, ehe der erste Soldat eine Uniform anzieht. ({12}) Gar nicht früh genug und gar nicht umfassend genug kann man über diese Frage sprechen. Gerade meine Freunde und ich legen den allergrößten Wert auf eine gute gesetzliche Regelung der Stellung des Vertrauensmannes in der Tuppe. Denn gerade er kann für den Geist der Truppe, oder ich möchte mich anders ausdrücken: für das Betriebsklima in den Streitkräften von entscheidender Bedeutung sein, je nachdem, ob seine Funktion richtig gesehen und gesetzlich entsprechend geregelt wird oder nicht. Eine Fülle von Fragen, die hier nicht im einzelnen behandelt werden sollen, die uns aber im Ausschuß sehr stark beschäftigen werden, ergibt sich aus dem Vergleich des Beamtenrechts mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. Er bezieht sich an unzähligen Stellen auf das Beamtenrecht, übernimmt es zum Teil wörtlich, teilweise auch aus dem Entwurf des Beamtenrechts Rahmengesetzes, das noch gar nicht verabschiedet ist. Er schafft an einigen Stellen Unterschiede zwischen den Beamten und den Berufssoldaten, die mir nicht recht verständlich erscheinen. Es muß über diese Dinge geredet werden. Gerade jetzt scheint es doch sehr erwägenswert zu sein, ob nicht die Regelung zweckmäßig ist, die man in Österreich bei der Aufstellung der dortigen Truppen gefunden hat, indem nämlich die Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere als eine Beamtenkategorie einfach in das Bundesbeamtenrecht der österreichischen Republik übernommen worden sind. Ich glaube, daß die Änderungen des Beamtenrechts, die sich in bezug auf ,die Berufssoldaten vielleicht als notwendig erweisen - sie werden sehr wenige Punkte umfassen -, einfacher durchzuführen sind, als hier in einem besonderen Gesetz einen sehr großen Komplex zu schaffen und damit nun doch wieder neben den Beamten eine besondere Kaste von Staatsdienern in unserem Volke aufzubauen und ,alle Gefahren in Kauf zu nehmen, die damit bekanntlich verbunden sind. Die Bedeutung des verbrecherischen Befehls ist angesprochen worden. Die Lösung in diesem Gesetz ist besonders dann, wenn man die. Begründung gelesen hat, nicht befriedigend, weil sie nämlich doch letzten Endes das gesamte Risiko für die Ausführung eines verbrecherischen Befehls dem Untergebenen aufbürdet ({13}) und nicht etwa idem, der diesen Befehl gegeben hat. Ich hätte gedacht, daß man nach den Erfahrungen ides letzten Krieges und nach den Prozessen, die gegen ehemalige deutsche Soldaten von ausländischen Staaten geführt worden sind, hier eine Regelung gefunden hätte die derartige Prozesse in der Zukunft unmöglich gemacht bzw. bei diesen Prozessen die tatsächlich Verantwortlichen erreicht hätte und nicht diejenigen, die bei Nichtausführung eines Befehls doch damit rechnen mußten, ihr Leben zu verlieren. ({14}) Eine weitere Frage ist ebenfalls in diesem Gesetz zu klären - sie ist im Entwurf überhaupt nicht angesprochen -, nämlich die Frage der Entlassung der Berufssoldaten. Es werden nur die Entlassungsgründe aufgeführt, die auch im allgemeinen Beamtenrecht gegeben sind. Aber bei Soldaten gibt es ,auch noch Entlassungsgründe anderer Natur. Was soll werden, wenn beispielsweise einmal die Armee aus irgendeinem Grunde verkleinert werden muß? Diese Möglichkeit wird doch heute im Zeitalter der Abrüstung nicht von der Hand zu weisen sein. Was soll werden, wenn beispielsweise die Armee einmal aufgelöst werden ({15}) muß? Wenn man sich ernsthaft mit der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands und den Rechtsfolgen, die daraus entstehen, befaßt, muß man auch mit der Möglichkeit rechnen, daß - als Vorbedingung der Wiedervereinigung - die in den beiden Teilstaaten aufgestellten Armeen einmal aufgelöst werden müssen. Man sollte gerade in dieser Situation auch die gesetzlichen Möglichkeiten ins Auge fassen, die da notwendig sind, damit nicht plötzlich enorme rechtliche Schwierigkeiten entstehen. Ich sehe vor meinem geistigen Auge schon schreckhaft die „Interessengemeinschaft der Wiedervereinigungsgeschädigten" aufsteigen. Auch daran sollte man also rechtzeitig denken, damit dann nicht wieder eine neue Zeitnot in dieser Frage entsteht. Auch die Frage der Übernahme der ehemaligen Wehrmachtangehörigen - und die werden ja im Augenblick überhaupt das Hauptkontingent der zu übernehmenden Soldaten sein - bedarf noch einer eingehenden Prüfung. Gerade der § 55, der sehr gut gemeint ist, öffnet letzten Endes dem Denunziantentum Tür und Tor. Mir wäre mehr Sorgfalt und etwas längere Zeitdauer bei der Einstellung erheblich lieber, als daß nach der Einstellung angefangen wird, in der Vergangenheit des Betreffenden herumzurühren und von da aus Entlassungsgründe zu finden, die sonst im Beamtenrecht urbekannt sind. Wir müssen da zu einer besseren Lösung kommen. Es ist auch nicht hinzunehmen, daß hier für die früheren Soldaten ein gegenüber den Beamten und den neuen Soldaten, die unter diese Bestimmung nicht Lallen, ungleiches Recht geschaffen wird. Die Frage der Koalitionsfreiheit ist bereits angesprochen worden. Auch hier muß festgestellt werden, daß die Verhandlungen des Sicherheitsausschusses und seiner Unterausschüsse bei der Schaffung dieses Entwurfs nicht in dem Umfange (beachtet worden sind, wie wir das gern gesehen hätten. Darüber ist kein Wort gesagt; es ist aber notwendig, daß diese Frage jetzt schon geregelt wird. Wir verlangen auch hier - und wir werden das im Ausschuß durchzusetzen haben -, daß die Verhandlungen des Sicherheitsausschusses aus früheren Jahren mehr Beachtung finden, als das tatsächlich geschehen ist. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Wir Sozialdemokraten haben schwere politische und auch schwere rechtliche Bedenken gegen diesen Entwurf. Die politischen Bedenken zu beseitigen, liegt erstens nicht allein in der Hand der Mehrheit dieses Hauses, und zweitens glauben wir auch nicht, daß es Ihnen gelingen könnte, sie zu beseitigen. Ob die schweren rechtlichen Bedenken beseitigt werden können, wird die Arbeit im Ausschuß zeigen. Die Sozialdemokratische Partei ist zur Mitarbeit im Ausschuß so lange bereit, solange das Verhalten der Mehrheit eine derartige Mitarbeit sinnvoll erscheinen läßt. Wir haben nicht die Absicht, Skepsis um jeden Preis gegenüber diesem Gesetz und gegenüber der Mitarbeit im Ausschuß zu treiben. Die Skepsis allein genügt nicht, sagte Herr Dr. Kliesing mit Recht; aber Sie müssen mir verzeihen, wenn ich Ihnen sage, daß unser Verhalten nichts anderes ist als eben der Widerhall dessen, wie sich die Mehrheit des Ausschusses in der Diskussion und im Gepräch verhält. ({16}) Die Behandlung des Freiwilligengesetzes und des Personalgutachterausschuß-Gesetzes im Sicherheitsausschuß des Bundestages hat in unsere bereits sehr verhärteten Gemüter wieder ein ganz klein wenig Hoffnung einziehen lassen. Ob diese Hoffnung berechtigt war oder nicht, wird die weitere Arbeit im Ausschuß zeigen. Sollte sie berechtigt gewesen sein, dann können Sie auf eine konstruktive Mitarbeit der Sozialdemokratischen Partei rechnen, aber eben nur so lange. Ich hoffe, daß es dann gelingt, auch in den politischen Fragen, die mit diesem Gesetz auf das engste zusammenhängen, zu einer Annäherung der Standpunkte zu kommen und letzten Endes auch in bezug auf die Aufstellung bewaffneter Streitkräfte das zu finden, was uns allen, unserm Land und der Zukunft unseres Landes dienstbar und wertvoll ist. ({17})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur eine kurze Richtigstellung vornehmen. Mein sehr verehrter Herr Vorredner hat u. a. gesagt, in der Regierungserklärung sei zum Ausdruck gekommen, daß eine Reihe von Regelungen dringend einer Verfassungsänderung bedürfe. Ich darf daher mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Herr Präsident, damit dieser Irrtum nicht im Raum stehenbleibt, aus der damaligen Regierungserklärung ein kurzes Zitat geben. Ich habe damals, am 27. Juni 1955, gesagt: Wenn sich einerseits aus den bisherigen Darlegungen ergibt, daß für den endgültigen Aufbau der Streitkräfte eine große Zahl von Gesetzen nötig ist, so ist die Bundesregierung andererseits der Auffassung, daß es einer formellen Ergänzung des Grundgesetzes für die Aufstellung der Streitkräfte aus rechtlichen Gründen nicht bedarf. ({0}) - Ich wiederhole, Herr Abgeordneter Becker, nur, was ich damals gesagt habe, um damit die Behauptung zurückzuweisen, daß die Regierung damals gesagt habe, es bedürfe einer solchen Regelung. Ich zitiere weiter: Gemäß der Koalitionsvereinbarung vom 26. Februar 1954 sollen jedoch folgende Tatbestände verfassungsrechtlich geregelt werden: Oberbefehl, landsmannschaftliche Gliederung, Wehrverwaltung. Dies zur Richtigstellung. ({1}) - Ihr Zuruf „Na also!" bringt mich auf die Vermutung, daß hier offenbar ein Mißverständnis vorliegt. Ihr Kollege hat gesagt, die Regierung habe erklärt, es bedürfe verfassungsrechtlicher Änderungen. Ich sage noch einmal, indem ich die Regierungserklärung zitiere: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es aus rechtlichen Gründen einer solchen Änderung nicht bedarf. Sie hat auch weiter damals ausgesprochen, daß gemäß der Koalitionsvereinbarung gewisse Tatbestände einer verfassungsrechtlichen Regelung unterzogen werden sollen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Merten.

Hans Merten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001480, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dazu folgendes feststellen. Ich habe das Wort „Verfassungsänderung" bei meinen Ausführungen nicht gebraucht, aber ich gebe dem Herrn Minister zu, ich habe sie gemeint. Wenn ich jedoch überhaupt noch lesen und verstehen kann, dann habe ich der Regierungserklärung vom 27. Juni 1955 folgendes entnommen, was der Herr Minister auch eben zitiert hat: Gemäß der Koalitionsvereinbarung vom 26. Februar 1954 sollen jedoch folgende Tatbestände verfassungsrechtlich geregelt werden: Oberbefehl, landsmannschaftliche Gliederung, Wehrverwaltung. ({0}) Nichts anderes habe ich gesagt. Wenn der Herr Minister das in einer Regierungserklärung sagt, dann muß ich doch wohl annehmen, daß sich die Regierung hinter diese Forderung stellt, auch wenn das keine Vereinbarung der Regierung, sondern eine Vereinbarung der Koalition ist. Ich glaube, daß man derartig feine Unterschiede nun nicht in diese Dinge hineinlesen kann. ({1}) Mir ist sehr wohl bekannt, daß die Bundesregierung im Bundesrat erklärt hat, sie glaube nicht, daß eine Änderung des Grundgesetzes zur Durchführung der bisher vorliegenden Gesetze notwendig sei. Der Bundesrat und ein Teil dieses Hauses stehen auf einem anderen Standpunkt. Daß aber in die Zukunft hinein eine Änderung des Grundgesetzes von der Regierung aus für notwendig erachtet wird, das und nichts anderes muß man doch wohl dieser Regierungserklärung entnehmen, wenn man überhaupt noch etwas aus dem entnehmen und von dem verstehen soll, was in einer Regierungserklärung gesagt wird. Dann hätten Sie, Herr Minister, damals klarer herausstellen müssen, daß die Bundesregierung sich von dieser Koalitionsvereinbarung distanziert, und ich wäre Ihnen dankbar für die Aufklärung darüber, ob Sie sich durch das, was Sie eben hier gesagt haben, von der Koalitionsvereinbarung vom 26. Februar 1954 in der Form distanzieren und sagen wollen, daß die Bundesregierung diese geplante Grundgesetzänderung nicht für notwendig hält. Das wäre auch für die Sozialdemokratische Partei und ihr politisches Verhalten in der Zukunft sehr interessant zu wissen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Der Herr Bundesverteidigungsminister!

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung braucht sich von ihrer Regierungserklärung durchaus nicht zu distanzieren. Ich will noch einmal versuchen, es in eine ganz knappe Fassung zu bringen, um die Unterschiede in der Auffassung zwischen Ihnen, Herr Kollege, und mir klarzumachen. Aus rechtlichen Gründen bedarf es einer Verfassungsänderung oder -ergänzung nicht, aber gemäß der Koalitionsvereinbarung sollen gewisse Tatbestände verfassungsrechtlich geregelt werden. ({0}) Um es nun ganz klarzumachen, will ich es in einem Satz zusammenfassen: Rechtlich nicht notwendig, gewisse Dinge erwünscht! ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, Sie haben die Klarstellungen gehört. Das Wort hat der Abgeordnete Feller.

Erwin Feller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000532, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir im Juli dieses Jahres unter einem gewissen Zeitdruck und in einer der Sache sicher nicht dienlichen Hast das Freiwilligengesetz berieten, wurde zunächst von allen Seiten dieses Hauses erklärt, daß man es eigentlich kaum verantworten könne, ein Gesetz über die Einstellung von Freiwilligen zu verabschieden, solange man die gesetzlichen Grundlagen noch nicht kenne, aus denen sich die Rechtsstellung dieser Freiwilligen ergebe. Man hat uns damals zuerst geantwortet, es sei zeitlich gar nicht möglich, eine solche Rechtsgrundlage vor der Einstellung der ersten Freiwilligen zu legen. Aber den nachdrücklichen Forderungen entsprechend, die von allen Seiten des Hauses erhoben worden sind, kam dann noch vor der dritten Lesung des Freiwilligengesetzes die Bundesratsvorlage des Soldatengesetzes und schließlich am 23. September die Vorlage an den Bundestag, zu einem Zeitpunkt also, an dem von den 6000 vorgesehenen Freiwilligen noch kaum einer einberufen war. Man wird sagen, daß sich die Einberufung dieser Freiwilligen unerwartet verzögert habe, daß diese Verzögerungen zum Teil in dem von diesem Hause nahezu einmütig beschlossenen Gesetz über den Personalgutachterausschuß begründet lägen. Darüber haben in den letzten Tagen einige Diskussionen in diesem Hause sowohl als in der Öffentlichkeit stattgefunden. Sie veranlassen mich zu der vielleicht paradox klingenden Bemerkung: hätten wir uns mit den beiden im Juli verabschiedeten Gesetzen mehr Zeit gelassen, wären wir wahrscheinlich schneller vorangekommen. Es wird wohl auch niemand den Einwand erheben wollen, daß die Weltgeschichte ohne die beiden Gesetze einen anderen Verlauf genommen hätte. Weder die Genfer noch die Moskauer Verhandlungen bieten einen Anhaltspunkt, der die Annahme rechtfertigte, sie hätten ohne die Verabschiedung des Freiwilligen-gesetzes im Juli ein schlechteres Ergebnis für uns gezeitigt. Das soll keine Kritik an der Schaffung dieser Wehrgesetze überhaupt bedeuten, auch nicht an der des Freiwilligengesetzes, das wir im Prinzip bejaht haben, sondern nur Kritik an der manchmal völlig unverständlichen - vielleicht ist sie überhaupt nicht vorhanden - Zeitplanung der Bundesregierung, die auch unsere Souveränität als Parlament und als Gesetzgeber vor der Öffentlichkeit oft in ein merkwürdiges Licht zu bringen geeignet ist. Aber nach diesen kritischen Bemerkungen auch ein anerkennendes Wort. Die schnelle Vorlage des Soldatengesetzes, das wir heute in erster Lesung zu behandeln haben, muß durchaus anerkannt werden, ebenso die zweifellos gute Leistung, welche das Verteidigungsministerium und seine Referenten mit seiner Formulierung im großen und ganzen vollbracht haben. Es sind Einzelheiten daran auszusetzen, wie es hier schon geschehen ist, aber zu deren Bereinigung sind ja die parlamentarischen ({0}) Beratungen im Plenum und in den Ausschüssen da. Ich möchte den Entwurf, seine Begründung vor allem, als eine durchaus brauchbare Grundlage für diese Beratungen bezeichnen. Im Gegensatz zu vielen anderen Gesetzentwürfen, die wir in diesem Hause zu beraten hatten, bemüht er sich wenigstens, wenn auch nicht immer mit dem letzten wünschenswerten Erfolg, den künftigen Soldaten klar und einigermaßen verständlich zu sagen, welche Rechte und Pflichten sie haben werden. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die weitgehende Weglassung aller Deklamationen ohne irgendwelche rechtliche Bedeutung. Ich glaube kaum, daß wir gut beraten wären, wenn wir die gutgemeinten Vorschläge befolgten, die von außen in dieser Hinsicht an uns herangebracht werden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle etwas einfügen. Wir nehmen die Gelegenheit gern wahr, das zu wiederholen, was wir an anderer Stelle schon oft gesagt haben. Von den ehemaligen Soldaten muß jeder Makel der kollektiven Verunglimpfung und Diffamierung genommen werden. Dazu gehört auch ihre entsprechende Behandlung und Gleichstellung in den Gesetzen, etwa in dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes und anderen Versorgungsgesetzen. Wir brauchen den Rat dieser alten Soldaten und ihre freudige Mitarbeit beim Aufbau der neuen Wehrmacht. Das bedeutet auch eine Anerkennung vieler traditioneller Werte, deren Träger die alten Soldaten sind. Andererseits ist doch ein neues Geschlecht herangewachsen, das in seinen jungen Jahren so viele Eindrücke hat empfangen müssen, die es nüchterner und illusionsloser gemacht haben, als alle Generationen vor ihm waren. Auf diese Jugend müssen unsere Gesetze in erster Linie zugeschnitten sein. Deshalb ist es gut, alle Wendungen darin zu vermeiden, die bei ihr den geringsten Verdacht der Deklamation oder des Pathos hervorrufen könnten. Ich verkenne dabei nicht, daß eine Wehrmacht ohne die idealistische Hingabe ihrer Angehörigen an Beruf und Aufgabe nicht denkbar ist. Aber die Voraussetzungen dafür, die bei uns etwa nicht mehr vorhanden sein sollten, werden nicht durch Gesetzestexte wieder geschaffen werden können, sondern ausschließlich durch den Geist, in dem die Gesetze angewendet werden, und durch die inneren Verhältnisse, die in der neuen Wehrmacht herrschen werden. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch eine kurze Bemerkung zu dem soeben von mir gebrauchten Begriff „Wehrmacht" machen. Ich gebrauche ihn heute zum erstenmal wieder, nachdem ich lange Zeit die Diskussion darüber als müßig angesehen habe. Aber sie hat mich doch davon überzeugt, daß keine zwingende Notwendigkeit mehr besteht, den Begriff „Wehrmacht" aufzugeben. Die westliche Welt wird ihn ebenso akzeptieren wie die Institution, die er umfaßt, und der Osten wird die Institution ebenso beargwöhnen und verdächtigen, ob sie nun „Streitkräfte" oder „Wehrmacht" heißt. Sollte man sich nicht auf „Wehrmacht" verständigen können, dann lieber noch den hier auch schon vorgeschlagenen Ausdruck „Bundeswehr"; denn wer sich wehrt, hat allemal noch mehr Recht auf seiner Seite als der, der 'streitet. Ich möchte zurückkommen auf die feierlichen Formulierungen, die sich im Gesetzestext noch finden und auf die die Kollegen Dr. Kliesing und Merten schon Bezug genommen haben. Ich darf an das anknüpfen, was ich selber vorhin gesagt habe: man sollte bei allen Begriffen, vor allem aber bei abstrakten, wenn man sie rechtsverbindlich verwendet, genauestens überlegen, was sie beinhalten oder welche Vorstellungen sie zu erwecken vermögen. Das scheint uns - bitte, erschrecken Sie nicht - gerade bei dem mehrfach im Gesetz gebrauchten Begriff „Vaterland" nicht ausreichend überlegt worden zu sein. Wir müssen doch noch einmal die Frage aufwerfen: Was ist des Deutschen Vaterland? Die Bundesrepublik, die unsere Soldaten zunächst zu verteidigen haben werden, oder die westliche Welt, zu deren Verteidigung sie nach unseren vertraglichen Verpflichtungen mit eingesetzt werden können? Wir leugnen keineswegs, daß es noch ein Vaterland für uns Deutsche gibt, trotz der Entwertung, die der Begriff in der Vergangenheit, oft durch mißbräuchliche Verwendung, erfahren hat. Aber er umfaßt doch für viele von uns alles das, was wir als Gesamtdeutschland bezeichnen, also auch die sowjetisch besetzte Zone, die Ostgebiete und das Land an der Saar. Der Begriff „Vaterland" bleibt gespalten und vieldeutig, solange wir kein einheitliches Deutschland haben. Deshalb sollten wir uns seine Verwendung für das wiederhergestellte einheitliche Deutschland vorbehalten. Mag sein, daß er dann überholt sein wird oder daß er einem umfassenderen Begriff wird weichen müssen. Heute ist er jedenfalls kaum geeignet, dem jungen Soldaten eine eindeutige Vorstellung dessen zu vermitteln, was zu verteidigen seine Pflicht sein soll. Das hat wohl auch der „Verband deutscher Soldaten" bedacht, der den Begriff „Vaterland" in seinem Vorschlag für eine Präambel nicht ein einziges Mal angewendet hat. Aber in der „Bundeswehrkorrespondenz" finde ich einen Aufsatz, der sich gerade mit dieser Frage auseinandersetzt und der in Erwiderung auf einen offenen Brief, der in der „Lippischen Landeszeitung" von 42 Studenten an den Bundesverteidigungsminister gerichtet worden ist, erklärt, man müsse den Begriff Vaterland vom Ethischen oder Gefühlsmäßigen her erfassen. - Begriffe, die nur vom Ethischen und Gefühlsmäßigen her erfaßt werden können, gehören nicht in ein Gesetz, sie gehören in Feiertagsreden. In einem Gesetz können bloß Normen statuiert werden, die das sittliche Wollen, verbunden mit dem verstandesmäßigen Erkennen, zum Inhalt haben, aber dürfen nicht Begriffe verwendet werden, die man nur noch, wie es hier heißt, aus dem Gefühlsmäßigen heraus erfassen kann. Damit komme ich zu den Bestimmungen über den Diensteid, von dem hier schon gesprochen worden ist. Die Formulierung des Diensteides in § 16 enthält ebenso wie der § 6, der von der Grundpflicht des Soldaten spricht, den eben behandelten Begriff „Vaterland". Ich glaube auch, mich erinnern zu können, daß die überwiegende Meinung im Verteidigungsausschuß - Herr Kollege Merten hat es eben bestätigt - immer dahin gegangen ist, zunächst von der Forderung nach einer Eidesleistung abzusehen, wie es auch beim Freiwilligengesetz geschehen ist. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs ist mir in keiner Weise ersichtlich geworden, warum die Bundesregierung es jetzt plötzlich doch für notwendig erachtet, entgegen den zum Ausdruck gekommenen Auffassungen erneut eine Eidesleistung zu fordern. Der Bundesrat hat sie abgelehnt. Seine Begründung ist beachtlich, aber nicht erschöpfend. ({1}) Bei aller Anerkennung der Gewissensschwierigkeiten, die sich bei der Beurteilung dieser Frage ergeben, möchte ich mir doch erlauben, hierzu eindeutig Stellung zu nehmen. Nach unserer Auffassung sind es die Zeitumstände, ist es die Zeitsituation, die uns verbieten sollten, schon heute wieder eine Eidesleistung von allen Soldaten zu verlangen; denn, meine Damen und Herren, wir wissen doch, daß noch der Vorwurf des Eidbruches herumgeistert, ein Vorwurf gegenüber Männern, die in einer bestimmten Situation glaubten, ihre vom Gewissen diktierte Pflicht höher stellen zu müssen als den geleisteten Eid. Noch ist auch die ernsthafte und verantwortungsvolle Diskussion in der Frage nicht beendet, wo die Verpflichtung auf Grund des Eides ihre Grenzen hat. Deshalb sollten wir es uns versagen, mit gespaltenen Auffassungen in einem gespaltenen Vaterland Eide auf dieses „Vaterland" schwören zu lassen, sollten es vorläufig bei einer Verpflichtung - über deren Formel in den Ausschußberatungen noch zu sprechen sein wird - gegenüber dem Grundgesetz, zum treuen Dienst und zum Einsatz für die Freiheit unseres Volkes und Landes bewenden lassen. Was würde, möchte ich an dieser Stelle noch fragen, in den Seelen deutscher Männer vorgehen, wenn sie, was Gott verhüten möge, einmal vor der Frage stünden, ob sie als Deutsche auf Deutsche schießen sollen? Wir wollen uns hüten, diese Möglichkeit hier auszudenken; nur der Hinweis darauf mag genügen, um die Einmaligkeit und Schwierigkeit der Lage zu beleuchten, in der sich das deutsche Volk heute beim Wiederaufbau einer Wehrmacht befindet. Diese Lage verpflichtet uns, jedes Wort und jeden Satz des vorliegenden Gesetzentwurfs- mit der allergrößten Gewissenhaftigkeit zu prüf en. Das gilt auch für die Formulierung in § 9 betreffend die Notwendigkeit der Befolgung eines Befehls und die Vorschrift, daß ein Befehl nicht befolgt werden darf, falls dadurch Verbrechen oder Vergehen begangen würden. Ich möchte zunächst einmal anregen, daß man die strafrechtliche Kategorie der Vergehen vielleicht nicht einbeziehen sollte, da sie die Bestimmung betreffend den nicht zu befolgenden Befehl verundeutlicht und ihre grundsätzliche Wirksamkeit in Frage zu stellen droht. Wenn eine gesetzliche Bestimmung durchlöchert wird, wird sie in ihrer Wirksamkeit fragwürdig. Es muß aber dafür - und da stimme ich dem Herrn Kollegen Merten voll und ganz zu - um so eindeutiger statuiert werden, daß der Befehlende die alleinige Verantwortung trägt und der Untergebene nicht zur Rechenschaft gezogen werden darf, wenn er die strafrechtlichen Konsequenzen der Befehlsausführung nicht erkennt. Ich glaube, hier wird die ausgezeichnete Begründung des Gesetzentwurfs zur Erleichterung der Diskussion und der Auslegung wesentlich beitragen können. Ich gehe noch mit einem Wort auf die Frage des Wahlrechts, insbesondere des passiven Wahlrechts, nach § 22 des Entwurfs ein. Einige meiner Freunde sehen in der Wählbarkeit zu kommunalen Vertretungskörperschaften und in den nach dem Gesetz dabei eintretenden Konsequenzen Schwierigkeiten. Aber darüber wird wohl noch in den Ausschußberatungen zu sprechen sein, und es Wird eine Regelung gefunden werden können, die dem gerecht wird, was der Kollege Merten schon gefordert hat, daß nämlich der Soldat in seinen politischen Rechten nicht schlechter gestellt sein darf als alle anderen Staatsbürger oder Staatsdiener. Schließlich kann ich nicht verschweigen, daß auch unter meinen Freunden einige Bedenken hinsichtlich des in § 30 vorgesehenen Systems der Vertrauensmänner bestehen, einmal in der Hinsicht, daß dadurch die Autorität der Vorgesetzten geschwächt oder eingeschränkt werden könnte, zum anderen aber auch in der Hinsicht, daß durch das Vorhandensein, durch eine gewisse Zuständigkeit der Vertrauensmänner der Vorgesetzte sich von der moralischen Verpflichtung entlastet fühlen könnte, sich nachdrücklich um die in § 30 genannten persönlichen und menschlichen Anliegen seiner Untergebenen zu kümmern, also um die Fragen der Fürsorge, der Berufsförderung und des außerdienstlichen Gemeinschaftslebens. Ich habe es allerdings mit Bedauern zur Kenntnis genommen, daß von den vor Jahren sehr viel diskutierten, in letzter Zeit aber doch immer leiser erörterten Gedanken einer Reform des „Inneren Gefüges" nicht viel mehr Niederschläge im Gesetz zu finden sind als etwa in § 30 und vielleicht noch in § 28, auf den ich noch zurückkommen werde. Hoffen wir, daß wir in den zu erlassenden Rechtsverordnungen noch einige Spuren davon finden werden. Schließlich gestatten Sie mir - da ich schon einmal als Verteidiger des Preußentums hier aufgetreten bin - eine historische Bemerkung. Zu den Vorgängen in der preußischen Geschichte, die mir als Nichtpreußen stets hohe Achtung abgenötigt haben, gehören neben den reformerischen Leistungen des Freiherrn vom Stein vor allem die von Scharnhorst und Gneisenau. Man muß sich vor allen Dingen einmal mit ihren Gegnern befaßt haben, um dem mit größter Gelassenheit begegnen zu können, was heute wieder gegen alle Reformbestrebungen vorgebracht wird. Reformen und Traditionen brauchen nicht unbedingt in einen Gegensatz zueinander zu geraten. Einen Ansatz zu solch wünschenswerter Reform sehe ich auch in dem § 28, der von staatsbürgerlichem und völkerrechtlichem Unterricht spricht, - aber leider nur einen sehr schwachen Ansatz, wie die magere Begründung dazu zeigt. Denn sie zielt vorwiegend auf militärische Notwendigkeiten hin, wenn sie dem Soldaten - wörtlich - „unerläßliches Rüstzeug" für Krieg und Frieden geben, also gewissermaßen appellfähige Gegenstände unterrichtsmäßig übermitteln will. Bei dieser Anlage lassen sich vom staatsbürgerlichen und völkerrechtlichen Unterricht in der Wehrmacht einige Erfolge erwarten, die wohl mehr auf dem Gebiet des Humoristischen als dem des Staatspolitischen und Pädagogischen liegen dürften. Jedenfalls dürften damit die Kasernenhofblüten alter Art bald eine erhebliche Vermehrung neuer Art erfahren, wenn nicht ganz andere Voraussetzungen geschaffen werden, die einem derartigen Unterricht eine pädagogisch wirksame Gestaltung ermöglichen. Von der Wehrmacht als „Schule der Nation" wollen wir nichts mehr hören. Aber wenn sie ihre Angehörigen unterrichten und nicht nur militärisch ausbilden soll, dann muß dies sinnvoll geschehen, sonst lieber gar nicht. Der staatsbürgerliche Unterricht kann weder Information noch Schulung sein, wie es in der Broschüre „Vom künftigen deutschen Soldaten" heißt, sondern er muß, wie es in einem merkwürdigen Nebeneinander dort auch heißt, ein Vorgang staatsbürgerlicher Bildung sein. Bildungsvorgänge vollziehen sich aber immer am Individuum und sind daher neben der Betreuung eines der besten Mittel gegen die Vermassungstenden({2}) zen, die natürlicherweise in einer Truppe herrschen. Herr Kollege Kliesing hat darauf am Schluß seines ausgezeichneten Berichts über die amerikanischen Verhältnisse hingewiesen. Wenn es also Gelegenheiten gibt, über den Kommiß hinwegzukommen, dann liegen sie in diesem Bereich; und wenn es Gelegenheiten gibt, in den Kommiß zurückzufallen, dann liegen sie auch hier. Ich halte es deshalb für erforderlich, daß wir dieser Frage ebenso Beachtung schenken wie den vielen materiellen, dienstrechtlichen, dienststrafrechtlichen Fragen, die in diesem Gesetz ihre Regelung finden sollen und auf die ich im einzelnen nicht mehr eingehen möchte, nachdem es schon andere Kollegen getan haben. Außerdem bleiben uns noch die Ausschußberatungen und die zweite und dritte Lesung dafür übrig. ({3}) Ich möchte erwähnen, daß eine gewisse Verlockung zur Beschäftigung mit diesen Einzelfragen materieller Art besteht, insbesondere wenn man die vielen ausführlichen Erörterungen darüber in verschiedenen Mitteilungsblättern und Verbandsorganen liest. Lassen Sie mich zum Abschluß dieser ernsten Betrachtungen, weil schon vorher von Kasernenhofblüten die Rede war, noch wenigstens zwei Gesetzesblüten aus dem Entwurf herauspflücken und mit einer scherzhaften Frage verbinden. In § 3 heißt es, daß der Soldat „nach Eignung, Befähigung und Leistung ohne Rücksicht auf Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen, Heimat, Herkunft oder Beziehungen zu ernennen und zu verwenden" ist. Ich weiß nicht, das Verteidigungsministerium, als es diese neuartige Formulierung fand, an Erfahrungen aus der Vergangenheit angeknüpft hat oder ob es etwa der Auffassung ist, daß auch in unserem Staatswesen bei Ernennungen schon wieder Beziehungen eine entscheidende Rolle spielen, was durch das Soldatengesetz für die Wehrmacht ausgeschlossen werden soll. Die zweite ist der § 12, wo es heißt: „Der Soldat muß im dienstlichen Verkehr die Wahrheit sagen." Braucht er das etwa im außerdienstlichen Verkehr nicht zu tun? ({4}) Ich will auf diese Dinge nicht weiter eingehen, sondern zum Abschluß nur erklären, daß auch wir bereit .sind, in den Ausschußberatungen konstruktiv mitzuarbeiten, damit aus dem vorliegenden Entwurf eine gute Rechtsgrundlage für die Stellung unserer neuen Soldaten geschaffen wird. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete von Manteuffel. von Manteuffel ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine politischen Freunde haben mich gebeten, Ihnen nach den ausführlichen Darlegungen der Vorredner noch einige Hinweise zu geben. Wir werden in den Ausschüssen über die vielen hier angeschnittenen Fragen noch eingehend zu sprechen haben. Wir wiederholen eingangs das, was wir bei Verabschiedung des Freiwilligengesetzes gesagt haben: daß es, für uns jedenfalls, ohne jeden Zweifel zweckmäßiger, weil folgerichtiger, gewesen wäre, wenn das Soldatengesetz - das wurde von den beiden Vorrednern hier schon erwähnt - gleichzeitig mit dem Freiwilligengesetz vorgelegt worden wäre. Dann hätten sich nämlich das Plenum und die Ausschüsse des Bundestages schon seit Wochen mit dieser grundlegenden Materie beschäftigen können. Ich glaube auch, daß manche von den sehr schiefen Diskussionen und Veröffentlichungen der Dienststelle Blank und des Nachfolgers hätten vermieden werden können, die dem gesamten Vorhaben nach unserer Auffassung nur geschadet haben. Hinzu kommt ein zweites. In § 1 dieses Entwurfs ist nämlich von „Vorgesetzten" die Rede. Dabei fällt doch auf, daß in dem gesamten Entwurf eine Bestimmung fehlt, wer der oberste Befehlshaber der Streitkräfte eigentlich ist. Meine politischen Freunde empfinden dies als eine Lücke und als einen ausgesprochenen Mangel, weil dieses Gesetz, wenn es erst einmal verwirklicht sein wird, das Gesetzbuch oder, wie Herr Dr. Kliesing gesagt hat, das Grundgesetz des Soldaten schlechthin sein soll, in dem er alles über seine Pflichten, Rechte usw. - auch in dem Sinne, wie es der Herr Bundesverteidigungsminister gesagt hat - finden soll. Man kann dem Soldaten nicht auferlegen, sich eine Gesetzessammlung anzulegen. Deswegen ist es wohl notwendig, hier diese Bestimmung zu treffen. Nun werden Sie sagen: Das werden sie ja in dem Organisationsgesetz finden, das der Gesetzgeber verlangt hat! Heute ist jedenfalls das Gesetz noch eine Hoffnung. Wir bedauern, daß es bei der ersten Aussprache am 17. Juli dieses Jahres über Grundsatzfragen, über die Regelung der doch nun schon seit März 1954 ausstehenden, ich möchte ausdrücklich sagen, Verfassungsänderungen - dabei befinde ich mich allerdings vielleicht in einem Meinungsgegensatz zu dem Herrn Bundesverteidigungsminister - geblieben ist. Die damalige Koalitionsabsprache hatte die Bundesregierung unter dem Vorsitz des Herrn Bundeskanzlers zum Partner. Da ist von diesen Verfassungsergänzungen und -änderungen gesprochen worden. Dieser ersten Besprechung vom 17. Juli, die die Grundlage geben sollte, ist bisher leider keine weitere gefolgt. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Bundestagsausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit, der sich nach dem Geschäftsplan morgen damit beschäftigen soll, in dieser Frage entsprechend befände. Die Damen und Herren mögen sich daran erinnern, daß wir in diesem besonderen Anliegen seinerzeit dem Wunsch der Bundesregierung gefolgt sind und am 16. Juli das Freiwilligengesetz hier verabschiedet haben. Bis heute ist aber auf Grund dieses Gesetzes in der Tat kein Soldat eingezogen worden. Der ursprüngliche Plan, nach dem der erste Lehrgang für Erzieher und Ausbilder am 1. Oktober 1955 beginnen sollte, kann also gar nicht ausgeführt werden. Ja, ich möchte glauben, daß der ganze erste Zeitplan, der in Aussicht genommen war, über den Haufen geworfen ist. So haben meine politischen Freunde und ich große Sorge, daß wir demnächst unvorbereitet vor Entscheidungen gestellt werden, deren Grundlagen wir im Parlament, sowohl hier im Plenum wie auch in den Ausschüssen, nicht ausreichend diskutiert haben. Wir bitten daher die Bundesregierung nochmals - ich wiederhole es immer wieder -, die noch ausstehenden Verfassungsergänzungen nunmehr baldigst mit uns zu erörtern. ({2}) Das gleiche gilt für das Organisationsgesetz, das ais Grundlage für die weiteren Beratungen - es ist das heute bei allen Vorrednern schon angeklungen - dringend benötigt wird. Wir klagen so oft über die Hetze im Beruf und über die Überlastung infolge der außerordentlichen Beanspruchung durch die Pflichten, die uns unser Mandat auferlegt. Mit Recht, das Gespenst der sogenannten Managerkrankheit geht auch in diesem Hause um. Ich meine, diese Hetze sollten wir im Ablauf der parlamentarischen Arbeit nicht steigern, wenn es nicht notwendig ist; denn sie ist auch politisch gesehen ungesund und unbekömmlich. Es ist zu bezweifeln, ob wir in der Beratung des gesamten Wehrgesetzgebungskomplexes überhaupt weiterkommen, wenn wir nicht in Kürze den Entwurf dieses Organisationsgesetzes vorgelegt bekommen; denn es fehlt eben überall, nicht nur uns in den Ausschüssen, es fehlt auch im Personalgutachterausschuß, wie wir neulich gehört haben. Das Organisationsgesetz fehlt auch im Verteidigungsministerium. Auch das ist ganz offensichtlich und eindeutig. Die rauhe Wirklichkeit belehrt uns, daß manches gute Vorhaben in dieser Richtung in der öffentlichen Meinung zerredet wird. Das schadet der Sache nur. Wir haben heute von dem Herrn Bundesverteidigungsminister gern gehört, daß parteipolitische Rücksichtnahmen keinen Platz haben sollen. Sie dürfen es auch niemals in einer staatspolitischen Frage, die die Zusammenfassung aller aufbauenden Kräfte zwingend erfordert, damit eine sinnvolle und zweckmäßige Einordnung des - ich darf mir erlauben, es so zu bezeichnen - gesamten militärischen Apparates in unsere demokratische Grundordnung erfolgt. Das erfordert aber ein vertrauensvolles Zusammenwirken aller politischen Kräfte. Ich glaube, gerade die Arbeit im Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit darf in dieser Beziehung Beispiel und Vorbild sein. Auch dem neuen Bundesverteidigungsministerium wäre mit diesem Organisationsgesetz gedient. Es ist offenkundig, daß es in seiner Arbeit und in seinem Wirken leiden muß, weil es nicht organisch gewachsen ist und nach unserer Auffassung und nach unserer Erkenntnis materiell noch nicht festen Boden unter den Füßen hat. Wir würden daher der Bundesregierung zu Dank verpflichtet sein, wenn sie den begrüßenswerten Weg weiterginge, den der Herr Bundesverteidigungsminister bei der Vorbereitung des Entwurfs des Organisationsgesetzes eingeschlagen hat, indem er Parlamentarier zu sich gebeten hat - die Damen und Herren haben es wahrscheinlich im „Spiegel" gelesen -, um mit ihnen diesen ersten Entwurf zu besprechen. Ich glaube, nur so werden sich Verdächtigungen und Mißverständnisse, die aus der Öffentlichkeit dem Parlament zugetragen werden, ausräumen lassen. Damit wird zugleich der menschliche Kontakt, dessen Fehlen oft als Mangel empfunden wurde, zwischen dem Ministerium und dem entsprechenden Bundestagsausschuß hergestellt und hoffentlich erhalten werden können. Wir sind aber nicht der Auffassung, die der Herr Kollege Merten hier vorgetragen hat. Wir meinen vielmehr, daß, nachdem die politische Entscheidung über den Beginn - ich sage ausdrücklich: den Beginn - des militärischen deutschen Beitrags im Rahmen der europäischen Verteidigung hier bei der Beratung des Freiwilligengesetzes gefällt ist, nunmehr diese Arbeiten mit der Beratung des Soldatengesetzes ihren Fortgang nehmen son-ten. Die Vorbesprechungen dieses Entwurfs haben im 2. Bundestag schon zu lebhaften und eingehenden Erörterungen geführt. Wir haben dabei in vielen Fragen Übereinstimmung erzielt und in vielen anderen Fragen durch Ausdiskutieren und Ausgleich der Meinungen und Auffassungen ein Kompromiß gefunden. Deswegen sind wir recht erstaunt, daß der vorliegende Entwurf manches nicht und vieles völlig verändert enthält, was wir eigentlich in den Vorbesprechungen schon mehr oder weniger abgesprochen hatten. Einzelheiten gehören heute nicht hierher; das ist schon angeklungen. Ich erwähne heute nur, daß in diesem Hohen Hause niemand annehmen sollte, die Beratungen über diesen Entwurf könnten etwa in dem Zeitraum erfolgen, den man uns seinerzeit zur Beratung des Freiwilligengesetzes eingeräumt hat. Wir brauchen dazu Zeit, sehr viel Zeit, und ich glaube, wir sind auch verpflichtet, diese Zeit voll in Anspruch zu nehmen, weil es sich hier eben um die, ich darf mal sagen, Lebensgrundlagen des einzelnen Soldaten, nämlich um sein Ein- und Zusammenleben in der soldatischen Gemeinschaft, handelt. Diese eingehenden Beratungen kommen ja doch allen Beteiligten zugute. Das Parlament muß den besten Weg und die zweckmäßigste Lösung finden, um die neue Wehrmacht und den gesamten militärischen Apparat in unsere demokratische Grundordnung einzubauen. Das Bundesministerium für Verteidigung darf weiterhin der vollen Unterstützung des Hauses sicher sein. Vor allem aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, kämen diese eingehenden Beratungen - alle Vorredner haben es anklingen lassen - der Truppe zugute, um die es ja doch geht und die leider so oft - zumindest in der öffentlichen Meinung und in den Diskussionen, die an uns herangetragen werden - vergessen wird. Die Truppe kann und muß ein Gesetz verlangen, das den Angehörigen die Pflichten aufzeigt und ihre Rechte staatsrechtlich sichert. Hier handelt es sich ja doch um ein Gesetz, das den Geist der Truppe entscheidend formt. Erlauben Sie mir deswegen wenige Einzelheiten. Der § 7 befaßt sich mit dem Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung, wie es in dem Gesetz heißt. Er spricht im ersten Halbsatz aus, daß sich auch der Soldat zur demokratischen Grundordnung „bekennen" muß, und fährt dann in einem zweiten Halbsatz fort, daß er sich „für die Erhaltung dieses Gedankengutes einzusetzen" hat. Ich meine, die Formulierung in dieser Form genügt einfach nicht. Ich bin der Auffassung, daß sich der Soldat nicht nur zur demokratischen Grundordnung bekennen soll - das ist eine Selbstverständlichkeit, und die Aussprache mit den Herren des Personalgutachterausschusses hat ergeben, daß auf diesen Tatbestand selbstverständlich besonderer Wert gelegt wird und werden muß -, nein, die Wehrmacht ist nach meiner Auffassung einer der tragenden Pfeiler unserer demokratischen Grundordnung. Deshalb genügt eine loyale Haltung diesem Staat gegenüber einfach nicht, sondern der Soldat soll die Demokratie schöpferisch bejahen und sie in der uns angemessenen Form zunehmend zu verwirklichen und zu festigen helfen. Das wird aber nur bewirkt werden können, wenn die Streitkräfte, vornehmlich und naturgemäß die Berufssoldaten, Offiziere und Unteroffiziere, und auch die Soldaten auf Zeit, die Demokratie nicht ({3}) nur schlechthin anerkennen, sondern mit allen Kräften mit tragen helfen. Hierbei darf es gar keine Halbheiten geben. Unsere Geschichte sollte uns ein eindeutiger und harter Lehrmeister gewesen sein. Deshalb müssen auch alle Absichten und Maßnahmen zur Garantierung eines demokratischen Geistes in diesen neuen Streitkräften und der staatsbürgerliche Unterricht in seiner tragenden Idee darauf hinauslaufen, in jedem einzelnen Mitglied das Gefühl der unbedingten Treue zu diesem demokratischen Staat überzeugungsmäßig und verstandesmäßig zu verankern. ({4}) Nur wer diese Verpflichtung erkennt und bejaht, hat nach meiner Auffassung ein Recht, als Berufssoldat in den Streitkräften zu dienen, und nur ein solcher kann dann aus den Pflichten Rechte an die Gesamtheit, nämlich an unseren Staat, herleiten. Nun zu § 9. Er soll oder will die Gehorsamspflicht regeln und damit die Lösung finden in der Problematik zwischen Befehl und Gehorsam, einer Problematik, meine Damen und Herren, die, wie Ihnen bekannt, auch voller Tragik für sehr, sehr viele Soldaten und einen großen Teil der führenden Soldaten des letzten Krieges ist. Gerade daher werden die Soldaten in dieser Frage eine klare und eindeutige, einfache und allgemein verständliche Formulierung fordern müssen und dann auch dankbarst begrüßen. Aber die im Gesetzestext gefundene Lösung entspricht auch nicht unseren Vorstellungen. Wir würden gern sehen, daß die nach unserer Auffassung treffenden, dabei klaren und guten Formulierungen in der Begründung der Bundesregierung zu diesem Gesetz auf den Seiten 19 bis 21 der Vorlage ihren Niederschlag im Gesetz ) finden in Übereinstimmung mit dem, was dort gesagt ist. Diese Ausführungen nehmen ja auch auf die Nachkriegsrechtsprechung in verschiedenen Ländern, auch der Siegermächte uns gegenüber, Bezug. Der § 16 ist von den Vorrednern eingehend behandelt worden. Er betrifft die Eidesleistung. In dieser Frage ist es in den Vorbesprechungen der vergangenen Jahre im 1. Bundestag und auch im Sicherheitsausschuß des 2. Bundestages noch nicht zu einer einmütigen Auffassung gekommen. Meine politischen Freunde und ich halten einen Eid des Soldaten für gegeben, wie auch der Staatsdiener in Zivil einen Eid zu leisten hat. Beide Staatsdiener haben, jedenfalls vom staatspolitischen Gesichtspunkt her betrachtet, nach unserer Auffassung in der Erfüllung ihrer staatsbürgerlichen Verpflichtungen und Pflichten dem Staat gegenüber die gleichen Aufgaben. Wir stimmen auch dem zu, was die Bundesregierung in Erwiderung auf die Änderungsvorschläge des Bundesrates gesagt hat - im Gegensatz zu den Vorrednern allerdings -, nämlich daß die erforderliche Einheit des Soldatentums es wünschenswert erscheinen läßt, daß auch die Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, diesen Eid ablegen. Ich kann den oft vorgebrachten Einwand, der auch heute wieder vorgebracht wurde, der Eid sei allgemein entwertet, nicht gelten lassen; natürlich muß dieser Einwand sorgfältig geprüft werden, denn er ist sehr schwerwiegend. Schließlich haben wir es ja alle in den Zeiten des Dritten Reichs miterlebt. Ich möchte diesen Einwand in unserer rechtsstaatlichen und gesicherten Ordnung bei dem Auftrag, den der Soldat im besonderen hat, deshalb nicht gelten lassen, weil wir in der Eidesleistung eine besonders feierliche Bekräftigung der von allen Soldaten und damit jedem einzelnen übernommenen staatsbürgerlichen Aufgabe in dem besonderen Auftrag des Soldaten sehen. Wir anerkennen die Bedenken gegen die Eidesverpflichtung, die sehr sorgfältig geprüft werden müssen. Es wird ja darauf hinauskommen, daß kein Angehöriger der Streitkräfte zur Eidesleistung gezwungen werden darf. Darüber ist noch zu befinden. Auf der andern Seite aber darf eine Eidesverweigerung in dieser oder jener Form den Wehrpflichtigen - nach unserer Auffassung jedenfalls - von seiner soldatischen Verflichtung dem Staat gegenüber nicht lösen und ihn auch nicht entbinden. Der § 26 spricht sich über die Besoldung, die Heilfürsorge und die Versorgung des Soldaten aus. Am Ende des Gesetzestextes steht, daß diese Dinge „besonders geregelt" werden, ohne daß angegeben wird, wie sie geregelt werden sollen. Diese Formulierung läßt also offen, wie diese Regelung vorgenommen werden soll. In der verflossenen Wehrmacht hat es ein Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetz gegeben. Wir sind der Auffassung, daß diese Ansprüche der Soldaten durch Gesetz geregelt werden sollen. Hierfür melden wir jetzt schon zwei Wünsche an. Wir fordern im Gegensatz zu dem, was hier gesagt worden ist, eine eigene Besoldungsordnung für den Soldaten. Damit wollen wir nicht etwa offen oder versteckt in irgendeiner Form eine wirtschaftliche Besserstellung des Soldaten gegenüber dem Beamten in vergleichbaren Funktionen erreichen. Aber vom Dienst her gesehen trifft genau das zu, was in der Begründung der Bundesregierung in Ziffer 3 über das Verhältnis des Soldaten zum Beamten und seine Beziehung zum Beamtengesetz gesagt ist. Dort heißt es: Der Soldat steht, vom Dienst her gesehen, den er dem Staat leistet, neben dem Beamten. Aber es folgt dann einige Zeilen weiter: Neben der Ähnlichkeit der Stellung des Soldaten mit der des Beamten ergeben sich auch wesentliche Verschiedenheiten. Es mag den Damen und Herren erinnerlich sein, daß die Berücksichtigung der besonderen militärischen Verhältnisse eben gewisse Abweichungen vom Beamtenrecht erfordert. Wir kommen doch beispielsweise um die frühere Verabschiedung gewisser Dienststufen, also Dienstränge und Altersstufen, gar nicht herum. Wir werden doch wahrscheinlich auch wieder die bekannte „Majorsecke" oder so etwas bekommen. Wir melden unseren Wunsch heute schon an, weil nach Pressemeldungen dem Kabinett ein Entwurf zur endgültigen Regelung der Beamtenbesoldung vorliegen soll und es jedenfalls in Pressemeldungen heißt, daß die Soldaten in diese eingereiht werden sollen. Damit würde allerdings dem Wunsch des Kollegen Merten Rechnung getragen. Ich glaube aber, wir sollten die Frage doch eingehend prüfen. Auch der Rückgang der Zahl der freiwilligen Bewerbungen und die sehr große Zurückhaltung qualifizierter Männer der verschiedensten Dienstgrade sollten uns in dieser Hinsicht zu denken geben. Weiterhin will dieser Paragraph die Versorgung und die Heilfürsorge regeln. Meine Damen und ({5}) Herren, beide Fragen hängen eng zusammen mit der Frage der Güte des Ersatzes, den die Streitkräfte bei den Berufssoldaten und den Soldaten auf Zeit haben wollen. Da bin ich der Auffassung, daß der Soldat die Gewißheit haben muß, daß sein Dienstherr - die Streitkräfte - alles für ihn tut, was der Soldat billigerweise erwarten kann. Andernfalls treten, wie die Erfahrung lehrt, schwerwiegende Rückwirkungen auf die Stimmung der Truppe und auch auf die Haltung der Öffentlichkeit gegenüber der Truppe und dem Dienst in den Streitkräften ein. Mit unserem Wunsch wollen wir in keiner Weise eine Besserstellung etwa gegenüber der Kriegsopferversorgung; wir denken aber beispielsweise an die Einführung einer bundeseigenen Kriegsopferverwaltung - einschließlich der Versorgung und Fürsorge der künftigen Soldaten - im Verteidigungsministerium oder gar an die Bildung eines eigenen Versorgungsministeriums mit Aufgaben, wie sie oben angeführt sind, ähnlich wie sie in Frankreich erfolgt ist und nach unseren Erkundigungen sich auch bewährt hat. Auf alle Fälle aber möchten wir, daß der Soldat hier in seinem Gesetzbuch klare Bestimmungen darüber findet. Die vorliegende Formulierung, die immer davon spricht: „wird geregelt", genügt uns keinesfalls. Der § 45, der heute hier noch nicht erwähnt worden ist, spricht von der Versetzung von Berufs-offizieren vom Generalmajor an aufwärts in den einstweiligen Ruhestand. Er hat in der öffentlichen Meinung bereits eine lebhafte Diskussion entfesselt, er ist noch recht umstritten. Meine politischen Freunde und ich bekennen uns zu dieser Bestimmung, in Kenntnis der Begründung der Bundesregierung. Ich meine, auch und gerade der höhere Soldat steht nicht mehr abseits vom politischen Geschehen und der politischen Willensbildung; er ist in der Tat Staatsbürger in Uniform und nimmt an der Bildung des staatlichen Willens teil. Die Gedanken, die zu dieser Bestimmung des § 45 - die natürlich für den Soldaten völlig neuartig sind - geführt haben, sind die gleichen, die dem § 36 des Bundesbeamtengesetzes für die sogenannten politischen Beamten zugrunde liegen. Ich bin aus Erfahrung und Erkenntnis der Meinung meiner politischen Freunde: die Soldaten sollen am politischen Leben teilnehmen, selbstverständlich ohne selbst Politik zu treiben. Die Soldaten verlangen auf der anderen Seite - wir haben das mehrfach gehört und gelesen - Gleichstellung in den obersten Führungsstellen mit den entsprechenden Stellen und Rängen der Beamten. So ist es doch nur logisch, daß auch sie sich in diese Grundsätze einordnen. Aber etwas Wichtigeres hat bei mir dabei eine Rolle gespielt; und dazu gehört auch, daß der Soldat an den staatspolitischen Pflichten, die seine Stellung und sein Rang ihm auferlegen, im Staate mitträgt, wenngleich natürlich die Verantwortlichkeit seiner Dienststellung auf dem militärischen Gebiet liegt. Der § 45 bejaht daher nach meiner Auffassung seine beratende Mitwirkung. Er stärkt die Stellung der Soldaten in den hier bezeichneten hohen Führungsstellen, die eben nicht mehr militär-technische Handwerksmeister sind. Diese Soldaten werden daher nach meiner Auffassung eben nicht in die Rolle der Verantwortungslosigkeit der militärisch-handwerklichen Meister herabgedrückt wie in der Vergangenheit, wenn das auch von schwachen Männern oft als sehr bequem empfunden wurde. Es sollte kein Zweifel bestehen, daß die Soldaten auch dieses Recht, das ihnen hier gegeben wird, eigentlich begrüßen sollten. Im ganzen begrüßen wir die Ausführungen, die der Herr Verteidigungsminister heute morgen in seiner Erklärung gemacht hat, wenn wir auch in der Auffassung über die Verfassungsergänzungen im Gegensatz zu ihm stehen; aber diese Frage ist, glaube ich, im ganzen noch nicht abgeklärt. Nach der Aussprache vom 17. Juli werden ja hoffentlich weitere folgen, und der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit wird sich nach seiner Tagesordnung morgen mit diesen Dingen zu befassen haben. Wir wissen, wie Herr Feller schon gesagt hat, eigentlich nicht, was in § 56 die Bestimmung über die Arbeitnehmer in den Streitkräften in diesem Gesetz zu suchen hat, zumal es nur eine Teilbestimmung ist. Wir stimmen der Überweisung an den Ausschuß zu und werden dort wie bisher konstruktiv mitarbeiten. ({6})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Es ist der Antrag gestellt, den Entwurf an den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als mitberatenden Ausschuß zu überweisen. Ist das Haus einverstanden? - Dann ist so beschlossen. Punkt 2 der Tagesordnung ist erledigt. Ich rufe auf Punkt 3: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Tilgung von Ausgleichsforderungen ({0}). Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Begründung dieses Gesetzentwurfs und auf die Aussprache zu verzichten und alsbald Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit zu beschließen. Ist das Haus damit einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist die Vorlage an den Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen. Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Finanzgerichtsbarkeit ({1}). Auch hier, meine Damen und Herren, schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten und alsbald Überweisung an zwei Ausschüsse zu beschließen, nämlich an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als mitberatenden Ausschuß. Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe erst heute morgen gehört, daß der Ältestenrat vorgesehen hat, daß dieses Gesetz federführend an den Rechtsausschuß überwiesen werden soll. Ich habe mich bemüht, Herrn Kollegen Hoogen zu sprechen; es ist mir aber, obgleich ich ihn habe suchen lassen, nicht gelungen, ({0}) ({1}) - Es wurde mir gesagt, er sei im Hause. Dann hätte ich ja seinen Vertreter aufgesucht! Es handelt sich zwar um ein Verfahrensgesetz; aber der Schwerpunkt liegt materiell in der Zuständigkeit des Finanz- und Steuerausschusses, so daß ich im Namen der Kollegen des Finanz- und Steuerausschusses und gleichzeitig auch im Sinne des Herrn Bundesfinanzministers bitten möchte, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanzen und Steuern als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Rechtswesen zur Mitberatung zu überweisen. Es kommt hinzu, daß der Rechtsausschuß außerordentlich überlastet ist und die Angelegenheit deshalb sehr verzögert werden würde, während wir uns natürlich bemühen werden, sofort die Mitarbeit des Rechtsausschusses zu erlangen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen jetzt demonstrieren, daß es in unserer sozialdemokratischen Fraktion auch in diesen Fragen nicht eine unbedingte Fraktionssolidarität gibt. ({0}) Ich bin anderer Meinung als mein Freund Gülich. Ich bin der Meinung, wir sollten an dem Brauch festhalten, daß Gesetze, die ein Rechtsverfahren regeln, zunächst beim Rechtsausschuß federführend beraten werden. Das hat gute Gründe, und ich wehre mich hier, obwohl dem Ausschuß, dem ich selber vorstehe, gelegentlich Herrschaftsgelüste nachgesagt werden, gegen die Herrschaftsansprüche des Finanz- und Steuerausschusses, den die Sache zwar angeht, der aber nicht federführend sein soll. Ich meine, daß der Ältestenrat gut beraten war, als er die Federführung dem Rechtsausschuß übertrug, und das Haus sollte diesem Vorschlag folgen. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Der Herr Abgeordnete Gülich hat sich zum Wort gemeldet. Ich erteile ihm noch das Wort und noch, falls der Wunsch bestehen sollte, einem Mitglied des Hauses, das gegen ihn sprechen will.

Dr. Wilhelm Gülich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist zwar keine Sache, um die man kämpfen sollte. Ich wehre mich nur dagegen, daß mein Freund Schoettle hier von einem Herrschaftsanspruch des Finanz- und Steuerausschusses spricht, wo es sich um Zweckmäßigkeitsfragen handelt. ({0}) Ich habe ja gesagt, daß es formell zwar ein Verfahrensgesetz ist, daß es aber materiell ganz überwiegend in die Zuständigkeit des Finanz- und Steuerausschusses fällt. Deswegen möchte ich doch bitten, trotz der grundsätzlichen Bedenken meines Freundes Schoettle meinem Antrag zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Im übrigen möchte ich als der amtierende Präsident des Hauses Worte wie „Herrschaftsanspruch" auf dieses Haus nicht angewandt hören. ({0}) Ich hatte bisher nicht den Eindruck, daß hier solche Ansprüche erhoben werden. Ich lasse abstimmen, zunächst darüber, ob der Entwurf überwiesen werden soll an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß. Wir stimmen also nur ab über die Federführung. Ich will deswegen die Formel umstellen: Wer dafür ist, daß der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht federführend sein soll, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Wir müssen doch kämpfen, wenn auch nur auf dem Felde des Hammelsprungs. ({1}) Ich bitte, den Saal zu räumen. ({2}) Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Ich stelle aber fest, daß die linke Tür nicht besetzt ist. Es fehlt ein Schriftführer. Ich erlaube mir die Anfrage, ob sich jemand von den Damen und Herren, die mit der Ehre der Schriftführung betraut sind, draußen in der Wandelhalle befindet. - Die Türen sind jetzt besetzt. Dann bitte ich, mit der Auszählung zu beginnen. ({3}) Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich schließe die Auszählung. Meine Damen und Herren, dies ist das Ergebnis der Abstimmung: An der Abstimmung haben sich 323 Mitglieder des Hauses beteiligt. Mit Ja haben gestimmt 191, mit Nein 130; zwei Mitglieder haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag, den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zum federführenden Ausschuß zu machen, angenommen. Ich denke, ich brauche über die Überweisung auch an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als mitberatenden Ausschuß nicht mehr abstimmen zu lassen. - Dann ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich rufe auf Ziffer 5 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes ({4}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({5}) ({6}). ({7}) Es liegt Ihnen ein Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen vor. - Es soll offenbar noch eine mündliche Ergänzung dazu gegeben werden. Ich erteile dazu das Wort dem Abgeordneten Peters. Peters ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur wenige Ausführungen machen und verweise auf den vorliegenden Schriftlichen Bericht *). Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes wurde von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses eingebracht. Die in diesem Gesetz vorgeschlagenen Maßnahmen - 1. Herabsetzung der steuerlichen Belastung bei Rauchtabak und Zigarren, 2. Erhöhung und Ausweitung der gestaffelten Steuererleichterung für die Klein- und Mittelbetriebe in allen Branchen der Rauchwaren-industrie, 3. die Aufhebung des Werbeverbots für *) Siehe Anlage 3. ({9}) Feinschnitt besonderer Art, 4. die gestaffelte Erlösberichtigung für die Zeit ab 1. April 1954 bei Rauch- und Pfeifentabak - sind alle aufeinander abgestimmt und sehr stark miteinander verbunden. Diese Maßnahmen dienen nicht einer Preissenkung für diese Waren, sondern der Erhaltung der Klein-und Mittelbetriebe dieses Wirtschaftszweiges. Ein Unterausschuß und der Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen selber haben alle Maßnahmen eingehend erörtert und legen dem Hohen Hause eine erweiterte Vorlage vor, die fast in allen Fällen einstimmig gebilligt wurde. Es ließe sich hier gewiß noch trefflich streiten über Steuersystematik oder über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit der gestaffelten Erlösberichtigung oder auch über andere Probleme, die durch dieses Gesetz berührt sind. Aber ich meine, die Vorlage hat eine eigene Systematik und paßt sich dem heute geltenden System der Tabakwarenbesteuerung an. Dieses Gesamtsystem erscheint auch dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen reformbedürftig. Ihnen liegt deshalb ein Entschließungsantrag vor, in dem das Finanzministerium aufgefordert wird, ein anderes System der Rauchwarenbesteuerung auszuarbeiten. In dem Schriftlichen Bericht ist die Frage einer Erweiterung der Handelsspannen für den Fachhandel nur ganz kurz berührt worden. Der Ausschuß kam zu der Auffassung, daß das an sich berechtigt erscheinende Anliegen des Fachhandels im Gesetz nicht berücksichtigt werden könne. Die Schwierigkeiten ergeben sich schon daraus, daß die Industrie auf keinen Fall gezwungen werden kann, höhere Handelsspannen zu gewähren als die, die bisher üblich waren. Wir hätten also im Gesetz höchstens eine Empfehlung aussprechen können. Dieser Empfehlung hätte man nicht Folge leisten müssen, sondern höchstens können. Aber überzeugender als diese Schwierigkeit mag folgendes Rechenexempel sein: Jedes Prozent Steuersenkung über die bisherigen Sätze hinaus kostet den Fiskus jährlich 3,4 Millionen DM. Nach der Statistik gibt es in der Bundesrepublik 31 000 Fachhandelsbetriebe, einschließlich der gemischten Groß- und Kleinhandelsbetriebe. Diese Betriebe setzen aber insgesamt nur etwa 30 % der Tabakwaren um. Von den 3,4 Millionen DM jährlich würde der Fachhandel also nur 30 % gleich 1 100 000 DM bekommen, und diese 1 100 000 DM müßten aufgeteilt werden auf 31 000 Betriebe. Das würde für jeden Betrieb im Durchschnitt 35,50 DM jährlich oder im Monat noch nicht 3 DM ergeben. Aus diesen Erwägungen kam der Ausschuß zu der Auffassung, daß wir hier einfach nicht helfen konnten. Ich bin leider gezwungen, noch ganz kurz ein anderes Thema anzusprechen. Wir haben im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einen neuen Art. 2 a in die Vorlage hineingearbeitet. Die Fassung dieser Bestimmung ist nun leider so, daß einzelnen Betrieben Nachteile beim Genuß der Steuererleichterung entstehen können. Ich möchte deshalb ausdrücklich feststellen: der Gesetzgeber will nicht, daß, soweit der Abs. 1 des Art. 2 a in Frage kommt, Rechtsfolgen des § 85 eintreten. Ich darf Sie, meine Damen und Herren, im Auftrag des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen bitten, nicht nur dem vorliegenden Gesetzentwurf, sondern auch dem Entschließungsantrag zuzustimmen. ({10})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten ein in die zweite Beratung, zunächst in die Einzelberatung. Es liegt Ihnen ein Umdruck 486 *) vor. Auf diesem Umdruck sind fünf Änderungsanträge angekündigt, und zwar handelt es sich um interfraktionelle Anträge sämtlicher Fraktionen. Ich nehme an, daß unter diesen Umständen wohl auf eine Begründung verzichtet werden wird. ({0}) Ich nehme auch an, daß ich über alle diese Punkte in einem abstimmen lassen kann. Ich lasse also zunächst über diese Änderungsanträge und dann in Bausch und Bogen über die geänderten Artikel abstimmen. Das Haus ist mit diesem Verfahren einverstanden? ({1}) Wer mit den Anträgen auf Umdruck 486 einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung. Ich rufe auf Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift. - Wer mit diesen Bestimmungen in der geänderten Form einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist geschlossen. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Anträge liegen nicht vor. Wir kommen unmittelbar zur Schlußabstimmung. Wer mit der Annahme des Gesetzes als Ganzem einverstanden ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich habe noch abstimmen zu lassen über Ziffer 2 des Antrags auf Drucksache 1724, also den Entschließungsantrag. Wer dieser Entschließung zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch hier stelle ich einstimmige Annahme fest. Punkt 5 der Tagesordnung ist erledigt. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft ({2}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({3}) ({4}). ({5}) Hier liegt ein Schriftlicher Bericht**) des Ausschusses für Außenhandelsfragen vor. Verzichtet das Haus auf Entgegennahme eines mündlichen Berichtes? ({6}) - Der Abgeordnete Thieme als Berichterstatter erhält das Wort zu einer kleinen Berichtigung des Schriftlichen Berichts. *) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 4. Thieme ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Es hat sich ein kleiner Fehler in den Schriftlichen Bericht eingeschlichen. Ich bitte zu berücksichtigen, daß es in der linken Spalte der Drucksache 1720 im letzten Satz heißen soll: Der Ausschuß wird eine Anpassung der Richtlinien zur Durchführung des Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft vom 26. August 1949 anstreben. Es dient zum besseren Verständnis des Berichts.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich rufe auf § 1, § 2, - § 8, - Einleitung und Überschrift. - Wer mit diesen Bestimmungen einverstanden ist, der möge ein Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich schließe die zweite Beratung und rufe auf zur dritten Beratung. Wer mit der Annahme des Gesetzes im ganzen einverstanden ist, der möge sich erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Konkursordnung ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({1}) ({2}). ({3}) Hier soll nach einer Mitteilung des Berichterstatters, des Herrn Abgeordneten Rehs, eine Zurückverweisung an den Ausschuß erfolgen. ({4}) - Ein Vorschlag des Ältestenrats. Ist das Haus einverstanden? ({5}) - Dann ist so beschlossen. Die Vorlage wird an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zurückverwiesen. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes ({6}); b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Änderung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes ({7}). Auch hier will das Haus - offensichtlich nach einem Vorschlag des Ältestenrats - auf eine Begründung und eine Beratung in erster Lesung verzichten und sofort an den Ausschuß für Sozialpolitik überweisen. Ist das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden? ({8}) - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Nunmehr rufe ich Punkt 9 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität ({9}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Elbrächter gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 1. Juli 1955 und vom 8. Juli 1955 ({10}). Berichterstatter ist der Abgeordnete Freiherr Riederer von Paar. Ich erteile ihm das Wort. Freiherr Riederer von Paar ({11}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Elbrächter ist Geschäftsführer und verantwortlicher Leiter der Firma Reese, Nährmittelfabriken in Hameln. Ihm wird vorgeworfen, daß seine Firma im Juli und August vorigen Jahres Puddingpulver in Verkehr gebracht habe, das einen zu geringen Gehalt an Kakaopulver besessen habe, und in einem anderen Fall wird ihm vorgeworfen, daß seine Firma Puddingpulver unter einer irreführenden Bezeichnung in Verkehr gebracht habe. Der Abgeordnete Elbrächter bestreitet, daß seine Puddingpulver den gesetzlichen Vorschriften im Lebensmittelgesetz nicht entsprochen hätten, und hat dafür verschiedene Gesichtspunkte vorgebracht. Der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität schlägt Ihnen vor, die Immunität aufzuheben. Das Delikt liegt auf völlig unpolitischem Gebiet, und es soll dem Herrn Abgeordneten Elbrächter Gelegenheit gegeben werden, gegen die ihm zur Last gelegten Vorwürfe Stellung zu nehmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Haus hat den Vorschlag gehört: das Strafverfahren soll seinen Lauf nehmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme des Antrags fest. Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität ({0}) betreffend Genehmigung zum Ehrengerichtsverfahren gegen den Abgeordneten Lotze gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 21. Juni 1955 ({1}). Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Abgeordneten Wittrock. - Ist der Abgeordnete Wittrock nicht da? - Dann stelle ich diesen Punkt zurück. Ich rufe auf Punkt 11: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität ({2}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Donhauser gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 19. Juli 1955 ({3}). Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Herrn Abgeordneten Dr. Klötzer. Dr. Klötzer ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht München 1 ({5}) hat den Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Donhauser gestellt. Mit diesem Antrag hat sich der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität am 28. september 1955 befaßt. Dem Antrag des Oberstaatsanwalts München liegen Vorgänge zugrunde, die in einem anderen gegen ein Nichtmitglied dieses Hauses anhängigen Verfahren aufgetaucht sind. Es handelt sich um ein Verfahren, das sicherlich vielen Mitgliedern des Hauses aus länger zurückliegenden Pressemeldungen bekanntgeworden ist, und zwar um das Verfahren gegen den ehemaligen Sparkassendirektor Gässler aus Kempten wegen Devisenvergehens, in Verlauf dessen sich der dort Beschuldigte oder Angeklagte durch Flucht in die Schweiz einer Verantwortung vorerst entzogen hat. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens gegen Gäss-ler und eines weiteren damit in Zusammenhang stehenden Verfahrens sind von einer Anzahl von Zeugen u. a. auch durch den ursprünglich befaßten Untersuchungsrichter im Verfahren Gässler und durch den beschuldigten Gässler selbst, der sich freiwillig einer Vernehmung durch Beamte der deutschen Zollfahndung an der Schweizer Grenze gestellt hat, erhebliche Beschuldigungen gegen den Abgeordneten Donhauser vorgebracht worden. Er wird verschiedener Handlungen beschuldigt, die den Tatbestand eines versuchten oder vollendeten Vergehens des Betrugs, eines Vergehens der Unterschlagung und möglicherweise auch eines Verbrechens des Sichbereiterklärens zu einem Verbrechen der aktiven Richterbestechung erfüllen können. Es ist nicht Aufgabe des Immunitätsausschusses, in die materielle Prüfung dieses Falles einzusteigen. Es kann deshalb auch nicht festgestellt werden, ob und inwieweit diese von dritten Personen erhobenen Beschuldigungen lediglich dem Zweck dienen, sich selbst reinzuwaschen und zu entlasten, oder ob an diesen Beschuldigungen etwas daran ist. Sie sind aber so schwerwiegend, daß der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität einstimmig beschlossen hat, dem Hohen Hause die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Donhauser vorzuschlagen, einmal im Interesse des Hauses selbst, zum anderen im Interesse des Kollegen Donhauser, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zu rechtfertigen und sich gegen diese massiven Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Namens des Ausschusses habe ich die Ehre, das Hohe Haus um Zustimmung zu diesem Antrag, der Ihnen auf Drucksache 1737 vorliegt, zu bitten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge ein Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme des Antrags fest. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie nun, zurückzublättern zu Punkt 10: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität ({0}) betreffend Genehmigung zum Ehrengerichtsverfahren gegen den Abgeordneten Lotze gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 21. Juni 1955 ({1}). Der Abgeordnete Wittrock, der Berichterstatter, ist nunmehr anwesend; ich erteile ihm das Wort. Wittrock ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um einen Antrag des Generalstaatsanwalts in Celle, des Inhalts, das Haus möge darüber befinden, ob die Aussetzung des ehrengerichtlichen Verfahrens gegen den Abgeordneten Lotze verlangt wird. Es handelt sich hierbei um folgenden Sachverhalt. Der Abgeordnete Lotze ist von Beruf Rechtsanwalt. Er hat Anfang 1954 als Prozeßbevollmächtigter eines Assessors ({3}) Kopitz Klage gegen das Land Niedersachsen wegen Schadensersatzes erhoben. Die Klage war auf Amtspflichtverletzung gestützt. Die Amtspflichtverletzung wurde von dem Kläger darin gesehen, daß der zuständige Oberstaatsanwalt eine Freiheitsstrafe gegen den Kläger hat vollstrecken lassen, auf die das Schwurgericht in Dessau, also ein Schwurgericht im Gebiet der sowjetischen Besatzungszone, am 18. März 1947 erkannt hatte. Ich brauche hier auf die Einzelheiten des Zivilprozesses nicht einzugehen. In zwei Schriftsätzen in diesem Zivilprozeß hat der Abgeordnete Lotze u. a. Ausführungen folgenden Inhaltes gemacht: Schadensgrund ist das Verhalten der niedersächsischen Justizbehörden gegenüber dem Kläger, die sich entgegen den gesetzlichen Vorschriften zum Diener der Behörden der Sowjetzone gemacht haben und damit zum Teilnehmer an der unrechtmäßigen Vollstreckung gegen den Kläger. Ähnliche Ausführungen sind noch an anderer Stelle gemacht worden. Nachdem der Kläger mit seiner Klage abgewiesen war, hat sich der Generalstaatsanwalt in Celle veranlaßt ,gesehen, auf Grund dieser Ausführungen ein Ehrengerichtsverfahren gegen den Kollegen Lotze einzuleiten. Der Immunitätsausschuß ist der Auffassung, daß die Genehmigung zur Durchführung des Ehrengerichtsverfahrens nicht erteilt werden sollte. Er ist bei der Interessenabwägung auf Grund der sonstigen Praxis des Ausschusses zu der Überzeugung gekommen, daß angesichts der Tatsachen, die dem Generalstaatsanwalt zu diesem Verfahren Anlaß gegeben haben, selbst wenn man der Auffassung des Generalstaatsanwalts folgen wollte, das Interesse des Parlaments an der ungestörten Mitarbeit des Abgeordneten Lotze überwiegt. Diese Erwägung hat den Immunitätsausschuß zu dem in Drucksache 1736 enthaltenen Beschluß veranlaßt. Ich möchte noch einen Hinweis zum rein Formalen geben. Ich habe anfangs erwähnt, daß der Antrag dahin geht, ob die Aussetzung verlangt wird. Dieses Haus hat sich stets auf den Standpunkt gestellt, daß bei sogenannten fortgesetzten Verfahren die Justizbehörden das Verfahren zunächst von Amts wegen zu unterbrechen und eine Genehmigung des Hauses auf Durchführung des Verfahrens, des Strafverfahrens oder des Ehrengerichtsverfahrens, einzuholen haben. Die niedersächsischen Justizbehörden sind dieser Auffassung des Bundestages nicht gefolgt. Ich habe noch zu erwähnen, daß der Kollege Lotze nach der Einleitung des Verfahrens durch Nachrücken Mitglied des Bundestages geworden ist. Der Generalstaatsanwalt hat wegen des von den niedersächsischen Justizbehörden eingenommenen Standpunktes nicht um die Genehmigung zur Durchführung des Verfahrens nachgesucht, sondern es wurde gefragt, ob das Haus die Aussetzung verlangt. Der Immunitätsausschuß will sich nicht noch einmal mit dem Standpunkt der niedersächsischen Justizbehörden auseinandersetzen. Er ist der Auffassung, ({4}) daß im Falle eines sogenannten fortgesetzten Verfahrens ein Beschluß, durch den die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens verweigert wird, das Verlangen auf Aussetzung eines bereits eingeleiteten Verfahrens zum Inhalt hat. Aus diesen Erwägungen ist der Ausschuß zu dem Ergebnis gekommen, daß hier darüber zu befinden ist, ob die Genehmigung zum Ehrengerichtsverfahren erteilt werden soll. Namens des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu dem Antrag auf Drucksache 1736.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht verlangt. Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. ({0}) - Wollten Sie dagegen stimmen? ({1}) - Dann ist der Antrag bei einer Stimmenthaltung angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich rufe auf Ziffer 12: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität ({2}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Kalbitzer gemäß Schreiben ,der Rechtsanwälte Fülleborn, Hamburg, vom 29. Juli 1955 ({3}). Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Giencke. Giencke ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um eine Privatklage des Kaufmanns Karl Ludwig Strieder gegen den Bundestagsabgeordneten Helmut Kalbitzer wegen Beleidigung. Der Sachverhalt ist folgender. Der Kläger ist Hauptschriftleiter der Zeitschrift „Die Anklage", ({5}) die zweimal monatlich erscheint. Am 1. Januar 1955 veröffentlichte der Kläger einen Artikel unter der Überschrift „Die gemeinste Geschichtsfälschung", mit welchem ein Artikel des Nordamerikaners Warwick Hester über die Judenverfolgung wiedergegeben wurde. Dieser Artikel Hesters war in einer südamerikanischen Zeitschrift veröffentlicht worden. Er wurde von dem Kläger zu etwa 95 % wörtlich übernommen und von ihm selbst nur unwesentlich um Textüberleitungen und dergleichen ergänzt. Der Beschuldigte hat diesen vom Kläger in der „Anklage" veröffentlichten Artikel zum Anlaß genommen, über den Kläger folgende Äußerungen zu machen: Massenmörder oder deren Kumpane mißbrauchen unsere Pressefreiheit, indem sie in der Nazischrift „Anklage" die Judenhetze wieder aufnehmen und mit frecher Stirn ihre Massenmorde leugnen, ({6}) ja, die Opfer noch verhöhnen. Pressefreiheit gilt nur für diejenigen, die Menschenwürde und die Freiheit ihrer Mitmenschen achten. ({7}) Anstatt Romane moderner Schriftstellet zu verfolgen, sollte unsere deutsche Justiz schnell und vernichtend gegen diese Schänder der Menschheit vorgehen. ({8}) Hoffen wir, daß diese Hetzschrift nicht länger geduldet wird. Als Beweis wird die Veröffentlichung in der Tageszeitung „Hamburger Echo" vom 8. Januar 1955 angegeben. Am 7. April 1955 hat der Kläger Sühneantrag gestellt. Der Sühneversuch ist gescheitert. Der Beschuldigte gibt die ihm zur Last gelegten Äußerungen zu. Der Kläger beantragt, das Hauptverfahren gegen den Beschuldigten zu eröffnen, weil er hinreichend verdächtigt ist, den Privatkläger mit Ausdrücken wie „Massenmörder und deren Kumpane", „Schänder der Menschheit" beleidigt zu haben. Da es sich um eine politische Angelegenheit handelt und zu erwarten steht, daß der Abgeordnete in seiner parlamentarischen Arbeit zu sehr gehemmt wird, hat der Ausschuß am 28. September 1955 einstimmig vorgeschlagen, die Immunität nicht aufzuheben. ({9}) Der Antrag des Ausschusses lautet: Die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Kalbitzer wird nicht erteilt. Ich plädiere für die Annahme dieses Antrags.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich frage, ob jemand das Wort zum Bericht wünscht. - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich rufe Ziffer 13 auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität ({0}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Dr. Wuermeling und Dr. Dehler gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 14. Juli 1955 ({1}). Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Mommer. Dr. Mommer ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie das so geht, sind zwei unserer temperamentvollsten und prominentesten Kollegen einander in die Haare geraten: Herr Dr. Thomas Dehler und Herr Bundesminister Dr. Wuermeling. Herr Dehler hat am 18. November 1954 Strafantrag gegen Herrn Wuermeling wegen Beleidigung gestellt. Herr Wuermeling soll zu einem dpa-Korrespondenten in Bonn gesagt haben, Herr Dehler habe bewußt gelogen, und er werde ihn so lange als Lügner be({3}) zeichnen, bis er ihn verklage. Herr Wuermeling bestreitet, solche Äußerungen getan zu haben, und sagt, er habe nur von Lüge gesprochen; das, was Herr Dehler gesagt habe - ich komme gleich darauf -, sei objektiv eine Lüge, und er habe Herrn Dehler nicht als Lügner bezeichnet. ({4}) Nachdem Herr Dehler Strafantrag gestellt hatte, konterte unser verehrter Kollege Wuermeling mit einer Gegenklage gegen Herrn Dehler, denn Herr Dehler hat auch einige Äußerungen gegenüber Herrn Wuermeling getan, die nun Herr Wuermeling als üble Nachrede und Verleumdung ansieht. ({5}) Vielleicht muß ich, so wie ich vorhin von der „Lüge" bzw. dem „Lügner" gesprochen habe, jetzt auch einige Äußerungen, die von Herrn Wuermeling als Verleumdung angesehen werden, zitieren. Es ist z. B. in einer Rede in Kaufbeuren von Herrn Dehler gesagt worden, Herr Wuermeling verkörpere eine Fleisch gewordene böse politische Haltung, ({6}) die ihren unversöhnlichen Kampf gegen die politische Freiheit führe. ({7}) In einer Rede im bayerischen Rundfunk ist auch die Äußerung „muffige Scheinmoral" gefallen, ({8}) und Herr Wuermeling ist mit dem Senator McCarthy gleichgestellt worden. - Soviel zu dem Sachverhalt. Warum wurde Herr Dehler als „Lügner" bezeichnet? Deswegen, weil sich Herr Dehler eine angebliche Äußerung des Herrn Bundesministers Wuermeling vom Mai 1954 in Bingen zu eigen gemacht hatte. Nach einem Bericht der sozialdemokratischen Zeitung „Freiheit" soll Herr Wuermeling auf einer Kundgebung der Katholischen Jugend gesagt haben: „Wir als katholische Christen wissen, daß wir besser sind als unsere heidnische I Umwelt." ({9}) Herr Wuermeling bestreitet, daß er so etwas gesagt habe, und berichtigt unter Angabe von zahlreichen Zeugen dahingehend, daß er nur gesagt habe: „Wir katholischen Christen tragen im Ringen der öffentlichen Meinung den Sieg davon, weil wir die bessere Sache vertreten." ({10}) Die Sache ist nun so, daß für die eine und die andere Version Zeugen benannt werden, die bereit sind, sie vor Gericht zu bestätigen. Der Immunitätsauschuß war der Meinung, daß es, wie immer die Dinge in Wirklichkeit liegen mögen, für ihn und dieses Haus keinen Grund geben könne, daß der Streit unserer beiden temperamentvollen Kollegen vor Gericht fortgesetzt wird. Einstimmig empfiehlt Ihnen der Ausschuß, die Immunität der beiden Kollegen nicht aufzuheben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wird das Wort hierzu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. ({0}) - Haben Sie sich zum Wort gemeldet, Herr Abgeordneter? - Nein. Ich dachte, Sie hätten sich zum Wort gemeldet. ({1}) Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag zuzustimmen will, der möge the Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle die einstimmige Annahme fest. Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste, die 106. Sitzung des Bundestages ein auf Mittwoch, den 19. Oktober, 14 Uhr, in den Großen Hörsaal des Physikalischen Instituts der Technischen Universität zu Berlin und schließe die 105. Sitzung des Bundestages.