Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu Beginn der zweiten Hälfte dieser Legislaturperiode. Ich hoffe, daß Sie frisch und erholt in die parlamentarische Arbeit zurückgekehrt sind.
Lassen Sie uns zuerst unseres verstorbenen Kollegen,
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des Abgeordneten Fritz Schuler, gedenken. Fritz Schuler aus Calw ist am 30. Juli 1955 verstorben, nachdem er kurz zuvor noch seinen 70. Geburtstag feiern konnte. Er wurde am 12. April 1885 in Altensteig Kreis Calw geboren; er hat das Schuhmacherhandwerk erlernt und wurde später Obermeister und Ehrenobermeister seiner Innung in seiner Heimatstadt. Seit 1945 war Fritz Schuler Mitglied des Gemeinderates von Calw, Mitglied des Kreisrates und zweiter Bürgermeister, außerdem Abgeordneter des Evangelischen Landeskirchentages von Württemberg. 1946 gehörte er der Beratenden Landesversammlung und bis 1949 dem Landtag von Württemberg-Hohenzollern an. Der Abgeordnete Schuler war Mitglied des 1. Deutschen Bundestages. Er hat in den Ausschüssen für Fragen der öffentlichen Fürsorge, für den Lastenausgleich und für Post- und Fernmeldewesen als ordentliches Mitglied, im Ausschuß für Sozialpolitik als stellvertretendes Mitglied mitgearbeitet.
Meine Kolleginnen und Kollegen, wir betrauern den Heimgang unseres Kollegen Fritz Schuler. Seine stille und seine fleißige Arbeit hat in erster Linie den Fragen des deutschen Handwerks gegolten, darüber hinaus den Lebensfragen des deutschen Volkes. Der Deutsche Bundestag wird sein Andenken in Ehren halten. Ich spreche den Hinterbliebenen sowie der Fraktion der CDU/CSU, der er angehört hat, die aufrichtige Anteilnahme des Deutschen Bundestages aus.
Meine Kolleginnen und Kollegen, während der Parlamentsferien haben sich eine Reihe schwerer Unglücksfälle ereignet. Wir gedenken hier zuerst des schweren Unglücks, das sich am 3. August auf der Zeche Dahlbusch in Gelsenkirchen-Rotthausen ereignet hat. Ich habe im Namen des Deutschen Bundestages der Zechenleitung die Anteilnahme des Bundestages zu dem Tod von 42 Bergleuten ausgesprochen.
Die amerikanische Luftwaffe wurde am 11. August von einem Flugzeugabsturz über dem Schwarzwald betroffen. Sie hatte dabei den Tod von 66
Soldaten zu beklagen. Ich habe in einem Telegramm an den Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika die Anteilnahme des Deutschen Bundestages ausgesprochen.
Der Deutsche Bundestag gedenkt schließlich der Opfer der Überschwemmungskatastrophe im Nordosten der Vereinigten Staaten, bei der über 200 Tote und über 100 Vermißte zu beklagen sind, und er gedenkt der Katastrophe, die durch eine Flutwelle Indien und Pakistan heimgesucht und mehrere Tausend Dörfer zerstört hat.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich zum Zeichen Ihrer Anteilnahme von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich darf dem Haus weiter mitteilen: Der Abgeordnete Traub hat am 3. September 1955 sein Mandat niedergelegt. Der Vorstand des Bundestages hat dieser Niederlegung am 8. September zugestimmt.
Der Abgeordnete Dr. Pfleiderer hat am 20. September 1955 sein Mandat niedergelegt. Der Vorstand des Bundestages hat dieser Niederlegung am gleichen Tage zugestimmt.
Als Nachfolger des Abgeordneten Traub tritt der Abgeordnete Dr. Ratzel in den Bundestag ein. Als Nachfolger des verstorbenen Abgeordneten Schuler tritt der Abgeordnete Leibing in den Bundestag ein. Ich heiße die Herren in unserer Mitte hiermit herzlich willkommen und wünsche ihnen eine gute Mitarbeit.
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Den 71. Geburtstag haben gefeiert am 29. Juli der Abgeordnete Dr. Dr. h. c. Müller ({2})
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und der Abgeordnete Bundesminister Neumayer.
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Den 70. Geburtstag hat am 29. August der Abgeordnete Jahn ({5}) gefeiert.
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Den 65. Geburtstag haben gefeiert am 29. Juli der Abgeordnete Bock
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und am 30. August der Abgeordnete Dr. Königswarter.
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Den 60. Geburtstag hat am 9. August der Abgeordnete Heye gefeiert.
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Weiter habe ich die Freude, zu ihrem Geburtstag am heutigen Tage zu beglückwünschen den Abgeordneten Walter, der seinen 70. Geburtstag feiert,
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und den Abgeordneten Dr. Atzenroth, der seinen 60. Geburtstag feiert.
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Meine Damen und Herren, ich darf weiter bekanntgeben, daß nach einer Vereinbarung im Ältestenrat künftig die vom Bundesminister der Finanzen auf Grund des § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung übersandten Übersichten über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben dem Haushaltsausschuß überwiesen werden.
Es liegen vor die Übersichten über die Ausgaben im vierten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1954,
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Drucksache 1653, und über die Ausgaben im ersten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1955, Drucksache 1658. Ich nehme an, daß das Haus mit einer Überweisung dieser beiden Vorlagen an den Haushaltsausschuß einverstanden ist. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wegen des Ausfalls der Plenarsitzung am 28. September wird die Fragestunde am 29. September als Punkt 1 aufgerufen werden. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß Fragen dafür noch bis morgen mittag 12 Uhr bei mir eingereicht werden können.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22. Juli 1955 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Landwirtschaftsgesetz;
Gesetz über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren ({13});
Gesetz über die im September 1955 fällige Wahl von Richtern des Bundesverfassungsgerichtes;
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des, Dienststrafrechtes;
Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts ({14});
Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP- Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1955 ({15});
Gesetz zur Regelung von Ansprüchen aus Lebens- und Rentenversicherungen;
Drittes Gesetz zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes;
Zweites Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes;
Gesetz über die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Ersatzkassen;
Gesetz zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes;
Zweites Gesetz zur Änderung und Aufhebung von Durchführungsverordnungen zum Bremischen Übergangsgesetz
zur Regelung der Gewerbefreiheit;
Achtes Gesetz zur Änderung des Zolltarifs ({16}) ;
Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlins ({17}) in Gewahrsam genommen wurden;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande;
Gesetz über den Personaigutachterausschuß für die Streitkräfte ({18});
Gesetz über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften ({19});
Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes ({20}) ;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke ({21});
Personalvertretungsgesetz;
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes Ober den Deutschen Wetterdienst;
Viertes Gesetz zur Änderung des Zuckersteuergesetzes; Fünftes Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes;
Gesetz über den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 4. Oktober 1954 über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensochen;
Gesetz betreffend das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 15. Oktober 1954 über die von der Bundesrepublik zu gewährenden Abgabenvergünstigungen für die von den Vereinigten Staaten im Interesse der gemeinsamen Verteidigung geleisteten Ausgaben ({22});
Gesetz über die deutsch-ägyptische Vereinbarung vom 31. Juli 1954 über die Gewährung eines Zollkontingentes für ägyptische Baumwollgarne;
Gesetz betreffend das Abkommen vom 21. Dezember 1954 über die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl;
Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung;
Zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft hat der Bundesrat in der gleichen Sitzung beschlossen, zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Seine Gründe hierzu sind in Drucksache 1635 niedergelegt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und (1 Forsten hat unter dem 3. September 1955 die Kleine Anfrage 117 der Fraktion des GB/ BHE betreffend Eingliederung der Ostmüller nach § 75 BVFG - Drucksache 878 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksage 1660 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 23. Juli 1955 die Kleine Anfrage 139 der Fraktion der SPD betreffend Wiedergutmachung - Drucksage 1081 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1611 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 9. September 1955 die Kleine Anfrage 182 der Abgeordneten Illerhaus, Dr. Schöne und Genossen betreffend Tankstellenverträge - Drucksache 1471 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1666 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 7. September 1955 die Kleine Anfrage 185 der Abgeordneten Gibbert, Lahr, Knobloch, Kemper ({23}) und Genossen betreffend Subventionen Frankreichs für Weinexport - Drucksache 1535 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1663 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 22. Juli 1955 die Kleine Anfrage 186 der Fraktion der SPD betreffend wirtschaftliche Entwicklung des gewerblichen Güternahverkehrs - Drucksache 1556 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1560 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 25. August 1955 die Kleine Anfrage 187 der Fraktion der SPD betreffend Lage auf dem Steinkohlenmarkt - Drucksache 1610 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1654 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 2. August 1955 die Kleine Anfrage 188 der Abgeordneten Dr. Mommer, Dr. Kopf, Dr. Pfleiderer, Dr. Gille und Genossen betreffend Aufenthaltszeiten InternatIonaler Züge an den Grenzen der Bundesrepublik - Drucksache 1614 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1643 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verteidigung hat unter dem 2. August 1955 die Kleine Anfrage 189 der Abgeordneten Niederalt, Bauereisen, Geiger ({24}) und Genossen betreffend Beachtung des Artikels 36 des Grundgesetzes beim Aufbau des Bundesministeriums für Verteidigung - Drucksache 1632 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1646 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat unter dem 13. August 1955 die Kleine Anfrage 190 der Abgeordneten Höcherl, Dr. Gleissner ({25}), Lücke und Genossen betreffend Überprüfung der Baumaterialien - Drucksache 1638 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1649 vervielfältigt.
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 16. Juli 1955 ihren Antrag betreffend Lieferung von Futtergetreide an anerkannte Hühnerherdbuch- und Vermehrungszuchten - Drucksache 1380 - zurückgezogen.
Der Herr Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 18. August 1955 gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes in der Fassung vom 3. Oktober 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 852 - die Verordnung Z Nr. 3/55 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1955 übersandt. Sie ist im Archiv zur Kenntnisnahme ausgelegt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter Bezugnahme auf die Entschließung des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung am 23. März 1955 zur Frage der Vorlage des Entwurfs eines Energiewirtschaftsgesetzes berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1647 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter Bezugnahme auf die Entschließung des Bundestages in seiner Sitzung am 26. Mai 1955 über die Hilfsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Freimachung der Stadt Bad Oeynhausen anläßlich der Verlegung des Hauptquartiers der britischen Rheinarmee berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1652 vervielfältigt.
Schließlich, meine Damen und Herren, kommen wir zur Tagesordnung. Ich darf Ihnen vorschlagen, daß Sie der Vereinbarung im Ältestenrat folgen und den Punkt 1 der heutigen Tagesordnung bis 12 Uhr zurückstellen. Wir würden dann jetzt mit Punkt 2 der Tagesordnung beginnen. Ich werde die Debatte unmittelbar vor 12 Uhr unterbrechen und den Punkt 1, Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung, aufrufen. Ich nehme an, daß Sie damit einverstanden sind, und rufe danach auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der DP und Genossen betreffend Wiederaufbau der deutschen Passagierschiffahrt ({26}).
Ich frage, ob das Wort zur Begründung dieser Großen Anfrage gewünscht wird. - Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({27}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Zusammenbruch und damit auch nach der
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Vernichtung der deutschen Seeschiffahrt war es ein dringendes Gebot, diese Seeschiffahrt wieder aufzubauen, um der in hohem Maße vom Seetransport abhängigen deutschen Wirtschaft die entsprechenden Möglichkeiten wieder zu erschließen. Es war dabei Voraussetzung, daß in erster Linie die Handelsflotte, d. h. die Frachtschiffahrt, wieder leistungsfähig gemacht wurde.
Inzwischen hat die Bundesrepublik zu den meisten Ländern der Welt - ({1})
Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter! - Meine Damen und Herren, wir müssen im Plenum jetzt wieder beginnen. Ich darf doch bitten, daß die persönlichen Gespräche etwas diskreter geführt oder nach außen verlagert werden. Hier oben ist sonst wenig zu verstehen, wenn der Redner spricht. - Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter!
Inzwischen hat die Bundesrepublik wieder engste Wirtschaftsbeziehungen zu den meisten Ländern der Erde aufgenommen und damit auch einen umfangreichen Güterverkehr entwickelt, der unserem Lande eine beachtliche weltwirtschaftliche Stellung gesichert hat. Deutsche Handelsschiffe befahren wieder alle Weltmeere. Der Wiederaufbau der deutschen Frachtschiffahrt hat es dahin gebracht, daß wir inzwischen wieder über eine Tonnage von 2,5 Millionen Tonnen seegehenden Schiffsraums verfügen. Es steht zu erwarten, daß nach Ablieferung der Bauten im Jahre 1956 die deutsche Tonnage insgesamt rund 3 Millionen Tonnen umfassen wird. Hierüber herrscht naturgemäß Freude und Genug) tuung in allen an der Seeschiffahrt interessierten Kreisen. Diese Freude und Genugtuung sollte uns aber auch Ansporn sein, die Lücke zu schließen, die hier noch zu schließen ist, nämlich wieder eine deutsche Fahrgastschiffahrt aufzubauen.
Daß wir es an der Küste besonders schmerzlich empfinden, wenn heute Fahrgastschiffe aus aller Herren Ländern und alle möglichen fremden Linien bei uns anlanden und wir deutsche Fahrgastschiffe missen müssen, möchte ich nur am Rande erwähnen. Andererseits ist der Bau von Überseefahrgastschiffen natürlich keine Angelegenheit von Reminiszenzen oder gar des Prestiges, sondern eine Angelegenheit nüchterner Überlegung. Wenn wir auch, wie ich zu Anfang sagte, volles Verständnis dafür haben, daß wir unter volkswirtschaftlichem Zwang erst einmal die Frachtschiffahrt wieder aufbauen mußten und dabei auch die bekannten sogenannten Kombischiffe gebaut haben, so ist doch unseres Erachtens jetzt der Zeitpunkt gekommen, ernsthaft an das Problem des Wiederaufbaus einer deutschen Überseefahrgastschiffahrt heranzugehen, die für Deutschland in der Vergangenheit so große Bedeutung hatte und auch heute noch hat.
Die vielfach aufgestellte Behauptung,, die Überseefahrgastschiffahrt sei durch den zunehmenden Luftverkehr überholt, ist inzwischen eindeutig widerlegt worden. Es steht fest, daß der Fahrgaststrom in den letzten Jahren, insbesondere seit Kriegsende, sich immer breiter entwickelt hat. Dabei möchte ich betonen, daß es sich bei der Erörterung der Frage einer Fahrgastschiffahrt vor allem um den Nordatlantik handelt. Im Jahre 1954 wurden rund 950 000 Fahrgäste über den
Atlantik befördert. Der größte Teil von ihnen benutzte den Seeweg und nicht das Flugzeug. Dabei hat sich außerdem erwiesen, daß die zahlreichen Neubauten ausländischer Reedereien, die nach dem Kriege erstellt worden sind, ebenfalls eingeschlagen haben und ausreichend in Anspruch genommen sind. Es steht fest, daß der Fahrgast nach Übersee, der es eilig hat, in zunehmendem Maße das Flugzeug benutzt. Der Fahrgast aber, der es nicht so eilig hat, der auf einen gewissen Kornfort Wert legt und der diese Reise gleichzeitig zur Entspannung benutzen will, bedient sich nach wie vor des Schiffes. Jedenfalls haben die letzten Jahre gezeigt, daß trotz vermehrter Neubauten und vermehrten Einsatzes solcher Bauten auf der Nordatlantikroute diese Schiffe jeweils entsprechend belegt waren. Hier wie an keiner anderen Stelle ist zum Ausdruck gekommen, daß neue Verkehrsmittel auch neue Verkehrswege schaffen.
Ich darf vielleicht am Rande erwähnen, daß in Bremerhaven, meiner Heimatstadt, nicht weniger als etwa ein halbes Dutzend ausländischer Reede-. reien mit ihren Fahrgastschiffen anlegen. Mir ist nicht bekannt, daß eine von ihnen etwa über ein schlechtes Geschäft zu klagen hätte.
Bei der Beurteilung der Frage, ob wir eine deutsche Überseefahrgastschiffahrt wieder in Gang setzen können oder nicht, wird es für Sie auch interessant sein zu wissen, daß in den Jahren 1936 bis 1938 die Ausnutzung solcher Schiffe nur etwa bei 40 bis 50 0/o lag, während diese Ausnutzung nach dem Kriege bei allen Linien bei rund 70 bis 75 0/0 liegt.
Angesichts dieser Tatsachen sind meine Freunde von der Deutschen Partei und ich der Auffassung, daß nun die Zeit gekommen ist, daß nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Regierung sich ernsthaft mit der Frage beschäftigen sollte, ob wir nicht auch auf diesem wirtschaftlichen Sektor wieder in die Arena treten sollen. Nach den statistischen Unterlagen, die sehr genau errechnet worden sind, scheint es festzustehen, daß eine deutsche Überseefahrgastschiffahrt rentabel gestaltet werden könnte. Ich darf vielleicht darauf hinweisen, daß ein gutes Stück unseres Anfangskapitels jener unbändige Aufbauwille ist, den wir in den Jahren nach dem Kriege auf allen anderen Sektoren der Wirtschaft bewiesen haben, jener Optimismus, den wir ebenfalls bewiesen haben, der Wille, den Anschluß an die übrige Welt auch auf diesem Gebiet zu finden, und nicht zuletzt der hervorragende Ruf, den sich die deutschen Fahrgastschiffe mit ihrer Einrichtung, ihrer hervorragenden Gastronomie und ihrer hervorragenden Bedienung in aller Welt erworben haben.
Daß der Wiederaufbau einer solchen ÜberseeFahrgastschiffahrt vorübergehend auch einer gewissen staatlichen Hilfe bedarf, wird jedem Denkenden ohne weiteres klar sein. Wir meinen, daß es bei einigermaßen gutem Willen dieses Hauses und auch der Regierung möglich sein müßte, im Benehmen mit der Wirtschaft hier .gangbare Wege zu finden, zumal da die Auswirkungen solcher Fahrgastschiffe sich nicht nur rein rechnerisch darlegen lassen, sondern weit hineinwirken auf den Fremdenverkehr, auf die Werften, auf die Häfen und auf alle möglichen Zulieferindustrien.
Ich frage Sie, meine Damen und Harren: Wollen wir uns diese Chance entgehen lassen?
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Wir möchten daher die Bundesregierung bitten, uns darzulegen, was sie tun kann und tun will, um am Wiederaufbau einer deutschen ÜberseeFahrgastschiffahrt mitzuwirken.
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage Drucksache 1476 habe ich wie folgt zu beantworten:
Schon die Große Anfrage selbst stellt heraus, daß die materiellen und ideellen Werte der Fahrgastschiffahrt nicht bestritten werden können. Die Intensität, mit der ausländische Reedereien das Passagegeschäft betreiben, aufbauen und sogar neu aufnehmen, ist dafür eine Bestätigung. Im Nordatlantik z. B., auf der Hauptstraße des überseeischen Fahrgastverkehrs, boten im vergangenen Jahr 187 Schiffe unter den Flaggen Großbritanniens, Panamas, Italiens, der Niederlande, der Vereinigten Staaten, Frankreichs, Norwegens, Liberias und Schwedens - ich habe die Länder nach der Größe ihrer Anteile aufgezählt - rund 56 500 Schiffsplätze mit einer Beförderungskapazität für etwa 1,3 Millionen Fahrgäste an. 135 Schiffe sind allerdings Frachtschiffe, die nur mit Einrichtungen für eine geringere Zahl von Passagieren ausgestattet sind. Aber 52 sind ausschließlich oder überwiegend Fahrgastschiffe, und davon sind 18 seit 1945 neu in Dienst gestellt worden.
Die Betriebsergebnisse der ausländischen Fahrgastreedereien sind natürlich nicht genau zu ermitteln. Wohl weisen die uns zugänglichen Bilan) zen gute Erfolge aus; jedoch bleibt meistens unbekannt, in welchem Umfange das Fahrgastgeschäft vom Frachtgeschäft mitgetragen oder vom Staat gefördert wird. Immerhin werden eine Reihe von Fahrgastschiffen, davon auch Neubauten, von Reedereien betrieben, die sich zweifellos weder auf staatliche Hilfe noch auf ein größeres Frachtgeschäft stützen können.
Nach Ansicht der Bundesregierung muß zwar der Nutzen einer deutschen Fahrgastschiffahrt im wesentlichen nach dem kommerziellen Erfolg des Passagegeschäfts selbst - auf den ich noch eingehen werde - beurteilt werden. Daneben sind jedoch die Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft zu überlegen. Die Werbekraft, die von großen Fahrgastschiffen erfahrungsgemäß ausgeht, schafft echte, vom Rechenstift allerdings schwer erfaßbare Aktivposten für die eigene Frachtschifffahrt, für die Werften, die Zulieferindustrie und für zahlreiche andere Wirtschaftszweige. Fahrgastschiffe, ihre Einrichtungen und die Betreuung der Passagiere repräsentieren in besonderem Maße die Leistungsfähigkeit des Landes, die Zuverlässigkeit und Qualität seiner Arbeit und legen nicht zuletzt Zeugnis ab von seiner Geisteshaltung und von seiner Kultur. Auch das innerdeutsche Verkehrsgewerbe würde aus einer Wiederaufnahme der deutschen Fahrgastschiffahrt unmittelbaren Nutzen ziehen. Vor allem wird von dem wachsenden Touristenverkehr aus Nordamerika ein größerer Anteil auf die Bundesrepublik entfallen, wenn Überfahrtmöglichkeiten auf deutschen Schiffen in stärkerem Maße nach deutschen Häfen geboten werden. Schließlich dürfen auch die Vorteile für die deutsche Devisenbilanz dabei nicht übersehen werden.
Die Bundesregierung ist deshalb von dem yolkswirtschaftlichen Wert einer deutschen Fahrgastschiffahrt überzeugt. Sie will es aber ebenso wie beim Wiederaufbau der Frachtschiffahrt der privaten Initiative überlassen, Pläne für den Bau moderner Passagierschiffe zu entwickeln und zu verfolgen; denn auch dieser Zweig des Schiffahrtsgeschäfts muß nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen betrieben werden. Die deutschen Reedereien haben vorerst starke Zurückhaltung geübt. Bisher hat nur eine Reederei ein Fahrgastschiff in ihren Dienst eingestellt; zwei weitere Reedereien haben die Bewirtschaftung je eines Schiffes übernommen. Im übrigen aber haben sich die Reeder darauf beschränkt, einen Teil ihrer Frachtschiffe mit Einrichtungen für Passagiere, im Höchstfall für 86, auszustatten, und mit diesen Konstruktionen allerdings internationale Anerkennung gefunden. Dabei muß berücksichtigt werden, daß dieses Verhältnis nicht ungebührlich ausgedehnt werden kann, weil das als Kombi-Schiff benutzte Schiff im wesentlichen ein Frachtschiff ist, dessen Größe und dessen Möglichkeiten schneller Ent-und Beladung naturgemäß die Aufnahme von Passagieren der Zahl nach beschränken.
Die Zurückhaltung der deutschen Reeder ist betriebswirtschaftlich durchaus begründet gewesen und war in der Aufbauperiode auch volkswirtschaftlich zu begrüßen. Nachdem die deutsche Handelsflotte fast völlig verlorengegangen war - wir besaßen ja 1939 4,2 Millionen BRT und hatten 1949 nur noch 248 000 BRT alten und ältesten kleinen Schiffsraums zur Verfügung -, mußte im Vordergrund aller Anstrengungen der Wiederaufbau der Frachtschiffahrt stehen. Dank der Unterstützung durch den Bundestag und die Bundesregierung hat die Gesamttonnage am 1. September 1955 die Zahl von 2 867 000 BRT wieder erreicht, und auf diesen Schiffen sind rund 36 000 Seeleute wieder beschäftigt. Wir können erwarten, daß dank der bereits genehmigten Finanzierungen Ende dieses Jahres die Grenze von 3 Millionen BRT überschritten wird und daß wir dank der inzwischen sichergestellten und im nächsten Haushaltsjahr hoffentlich noch sicherzustellenden Finanzierung beim Ende der Legislaturperiode mit Sicherheit die Grenze von 3,5 Millionen BRT überschritten haben werden.
Neuerdings haben sich nun zwei Reedereien entschlossen, den Bau je eines Fahrgastschiffes für den Nordatlantikdienst ins Auge zu fassen. Besprechungen mit den Werften haben dazu geführt, daß sich fünf Werften nunmehr mit den Entwürfen befassen. Wann solche Pläne verwirklicht werden können, hängt von zwei Voraussetzungen ab. Einmal müssen die Vorstellungen der Reeder konkrete technische Gestalt annehmen, und zum andern muß die Finanzierung der Bauten gesichert sein. Mit dem Abschluß der Entwurfsarbeiten ist gegen Ende dieses Jahres zu rechnen. Erst danach wird Klarheit über Größe, Geschwindigkeit, Fassungsvermögen, Ausstattung und Baukosten des besten Schiffstyps bestehen. Besonders große und auf hohe Geschwindigkeit ausgelegte Schiffe kommen nicht in Frage. Ein Schiff mit beispielsweise etwa 1450 Fahrgastplätzen und einer Größe von etwa 28 000 BRT wird mutmaßlich unter 80 bis 90 Millionen DM nicht zu erstellen sein. Unsere Reedereien haben ihre Kräfte in den vergangenen Jahren beim Wiederaufbau der Frachtschiffahrt durch Einsatz aller verfügbaren Eigenmittel und
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durch Übernahme hoher Fremdverbindlichkeiten aufs äußerste angespannt. Sie konnten auch bisher mit einem Schiffsraum, der im Vergleich zu der Vorkriegstonnage noch gering ist, nicht die für den Bau kostspieliger Fahrgastschiffe notwendigen Eigenmittel erwirtschaften. Wie sich die Finanzierung solcher Fahrgastschiffe also ermöglichen lassen wird, muß allerdings noch geklärt werden.
Die Chancen einer deutschen Fahrgastschiffahrt hat das Bundesministerium für Verkehr zunächst für den Nordatlantik untersucht, weil hier die deutschen Reeder ohne Frage den Einsatz neuer Fahrgastschiffe am ehesten wagen könnten. Dabei waren Vergleiche mit der deutschen Passagierschiffahrt in der Vergangenheit nicht möglich. Gegenüber der Zeit vor 1914 haben sich die Verhältnisse so grundlegend geändert, daß aus den damaligen Erfahrungen heute keine Schlüsse mehr gezogen werden können. In den 20 Jahren zwischen den beiden Weltkriegen wiederum waren die Erfolge der deutschen Fahrgastreedereien, von einer kurzen Blütezeit abgesehen, durch die Weltwirtschaftskrise zunächst und nach 1933 durch negative politische Reaktionen beeinträchtigt. Anhaltspunkte für eine Beurteilung der Situation konnten daher nur aus den letzten Jahren gewonnen werden. Diese Entwicklung aber ist durchaus ermutigend.
Umfassende Untersuchungen des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs und des Bremer Instituts für Schiffahrtsforschung ergeben folgendes Bild: 1948 überquerten den Nordatlantik - in beiden Richtungen - insgesamt 754 000 Passagiere. Davon wählten 500 000 oder 66,5 % den Seeweg. Während der folgenden Jahre ist der Gesamtverkehr in gleichmäßiger Kurve gestiegen und hat sich im Jahre 1954 mit rund 1,5 Millionen Überquerungen gegenüber 1948 bereits verdoppelt; dabei entfielen 1954 rund 940 000 oder 62 % auf die Schiffahrt. Innerhalb von sechs Jahren hat der Seeverkehr demnach um rund 87 %, der Luftverkehr um rund 129 % zugenommen. Das Flugzeug hat von der Verkehrssteigerung einen relativ höheren Anteil an sich ziehen können als das Passagierschiff. Die absolut größere Zunahme - und zwar gegenüber 1948 rund 440 000 Passagiere - hat aber der Seeverkehr aufzuweisen. Die Zahlen über die Ausnutzung der Beförderungskapazität im Seeverkehr sind ebenso günstig. Während 1938 die rund 1,4 Millionen Passagemöglichkeiten nur zu etwa 45 % belegt waren, überstieg seit 1947 die Auslastung stets 70 %. Das Flugzeug hat also - jedenfalls im Nordatlantik - das Schiff keineswegs verdrängt, sondern offensichtlich neuen Verkehrsbedarf geweckt. Schiff und Flugzeug konkurrieren offenbar nur bei einem Teil der Fahrgäste miteinander; im übrigen ergänzen sie sich, indem sie verschiedene Verkehrsbedürfnisse befriedigen.
Nach Auffassung der Bundesregierung berechtigt die bisherige Entwicklung zu der Annahme, daß bei Fortbestand der derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen in der Welt die Verkehrsströme zwischen Europa und Nordamerika sich noch verstärken werden und daß die Fahrgastschiffahrt trotz weiteren technischen Fortschritts im Luftverkehr sich ihr Publikum erhalten wird. Nach vorsichtiger Schätzung ist für die nächsten Jahre mit einer durchschnittlichen Kapazitätsausnutzung der Passagierschiffe von weiterhin 70 bis 75 % zu rechnen. Die Bundesregierung bezweifelt nicht, daß eine deutsche Passagierschiffahrt mit geeigneter Tonnage und ihrer bekannt guten Fahrgastbetreuung den mittleren Belegungsgrad der jetzt fahrenden ausländischen Schiffe mindestens erreichen würde.
Die unmittelbaren kommerziellen Ergebnisse deutscher Fahrgastschiffe können nur mit Vorsicht und unter Vorbehalten vorausgeschätzt werden. Für die Berechnung der Kapitalkosten fehlen vorläufig die beiden wichtigsten Größen, nämlich der genaue Baupreis sowie die Höhe und die Bedingungen der notwendigen Fremdmittel. Betriebskosten und Einnahmen andererseits werden von Faktoren bestimmt, deren Entwicklung sich nicht über einen längeren Zeitraum voraussehen läßt. Berechnungen der erwähnten Reedereien kommen jedoch zu dem Ergebnis, daß die geplanten Schiffe bei einer Kapazitätsausnutzung von etwa 70 % nicht nur die Betriebskosten einfahren, sondern auch die Mittel für den Schuldendienst erwirtschaften könnten.
Was schließlich die letzte Frage nach den Auswirkungen auf unsere Werften anlangt, so steht es außer Zwiefel, daß gelungene große Fahrgastschiffe die höchste Schiffbaukunst verkörpern und deshalb in hervorragender Weise für die Bauwerft werben. Die deutschen Werften sind auf solche zusätzlichen Exportimpulse erfreulicherweise zur Zeit nicht unbedingt angewiesen. Am 1. September 1955 hatten sie Bauverträge über insgesamt rund 1,9 Millionen BRT, davon 60 bis 70 % für das Ausland, abgeschlossen. Dieser Auftragsbestand sichert den meisten, vor allem aber den großen Werften, die für den Bau großer Fahrgastschiffe in Betracht kommen, Vollbeschäftigung bis weit in das Jahr 1957 hinein. Werftmäßige Gesichtspunkte können daher bei den hier anstehenden Entscheidungen zurückgestellt werden.
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Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage, ob die Beratung gewünscht wird. Sind 30 Mitglieder im Hause damit einverstanden, daß die Beratung erfolgt? - Darf ich um ein Handzeichen bitten! - Ich nehme an, daß es jetzt 30 Mitglieder sind. Dann hat das Wort der Herr Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde halten den Zeitpunkt der Beantwortung der Großen Anfrage für nicht sehr glücklich gewählt. Wir stehen in unserer Fraktion grundsätzlich positiv zu dem Wiederaufbau einer deutschen Passagierschiffahrt, nicht zuletzt wegen der völkerverbindenden Aufgabe, die ihr zufällt. Auf der anderen Seite haben auch die Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers deutlich genug gezeigt, daß die Materie noch nicht genügend vorbereitet und vorgearbeitet ist und daß es noch sehr umfangreicher Untersuchungen bedarf, ehe irgendwelche Entscheidungen in unserem Kreise gefällt werden können.
Vor allem wird selbstverständlich die Finanzierung ein sehr schwieriges Problem sein. Meine politischen Freunde werden sich diesem Problem mit aller Aufmerksamkeit zuwenden, sobald das Ergebnis der jetzt eingeleiteten Untersuchungen vorliegt. Ich möchte hier nur meine rein persönliche Meinung dahingehend zum Ausdruck bringen, daß ein Wiederaufbau der deutschen Passagierschiffahrt ohne eine Hilfe der öffentlichen Hand ganz zweifellos nicht möglich sein wird, einfach deswegen, weil die deutschen Reeder nur über
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sehr geringe Eigenfinanzierungsmöglichkeiten verfügen. Die deutschen Reeder haben mit gutem Grund ihre Bemühungen mit Vorrang auf den Aufbau der Frachtschiffahrt konzentriert. Wir sollten auch von diesem Hause her diese Bemühungen weiter unterstützen und nicht etwa die Mittel, die für den Aufbau der Frachtschiffahrt zur Verfügung gestellt werden, zugunsten des Aufbaus einer deutschen Passagierschiffahrt beschneiden. Im Gegenteil möchte ich von dieser Stelle aus meine besondere Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister richten, daß endlich die Ausführungsbestimmungen über die Bereitstellung der Zinsverbilligungsmittel, die wir im Bundeshaushalt vorgesehen haben, herausgehen, damit die Reeder entsprechend disponieren können. Ich sage das nicht zuletzt im Hinblick auf die Tatsache, daß die deutschen Werften mit Auslandsaufträgen sehr stark eingedeckt sind und die deutschen Reeder wegen Fehlens dieser Ausführungsbestimmungen nicht disponieren können. Wahrscheinlich werden die Reeder erst so spät mit ihren Aufträgen herauskommen, daß die Werften im Laufe von anderthalb oder zwei Jahren diese Aufträge nicht mehr verkraften können.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier keine weiteren, langen Ausführungen machen, sondern nur, nachdem wir heute mit großer Befriedigung auf die gewaltigen Aufbauleistungen der deutschen Handelsschiffahrt blicken dürfen, meiner Erwartung und Hoffnung Ausdruck geben, daß wir nach einigen Jahren mit dem gleichen Stolz auch auf den Wiederaufbau deutscher Passagierschiffe blicken können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn das Hohe Haus heute, am ersten Tag nach den Sommerferien, die Ehre hatte, die Antwort des Herrn Bundesverkehrsministers auf die Große Anfrage der Deutschen Partei über den Wiederaufbau der deutschen Passagierschiffahrt entgegenzunehmen, dann liegt das wohl weniger, glaube ich, an einer augenblicklich großen Dringlichkeit in der Sache als in dem Umstand, daß im Lande Bremen eine Neuwahl zur Bürgerschaft ansteht.
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Herr Müller-Hermann hat gleichfalls den Termin der heutigen Aussprache beanstandet. Dieser Termin ist zwar in der Sicht der Bremer Wahlen richtig getroffen; doch hätte die Fraktion der SPD gewünscht, daß auch die Antwort auf die Große Anfrage so treffend ausgefallen wäre. Dann hätte nicht nur der Vater dieser Idee seinen Kindern nach Bremen ein nettes Wahlsouvenir mit nach Hause gebracht, sondern das Hohe Haus hätte dann auch mit Befriedigung die Initiative der Bundesregierung zur Kenntnis nehmen können.
Trotz dieser Vorbemerkung möchte ich aber feststellen, daß die Stellung der Frage des Wiederaufbaues der deutschen Passagierschiffahrt nicht einer Partei vorbehalten sein kann oder nur lokale Bedeutung hat. Es handelt sich in der Sache darum, die Pläne der Bundesregierung hierzu tatsächlich einmal kennenzulernen.
Über die Bedeutung einer eigenen nationalen Passagierschiffahrt gibt es wohl keine Meinungsverschiedenheiten hier in diesem Hause. Es ist deshalb nicht notwendig, noch einmal von hier aus die materiellen und ideellen Werte hervorzuheben, da hierüber, glaube ich, keine geteilte Meinung vorhanden ist. Mit einer neuerlichen Deklamation solcher Feststellungen wird die Sache selber nicht vorangetrieben, da niemand mehr von der Notwendigkeit dieses Aufbaus überzeugt werden müßte.
Aber wir waren enttäuscht von der Antwort des Herrn Bundesverkehrsministers, weil er diese Deklamation an die Spitze seiner Ausführungen gestellt und zu ihrem Beweis dann eine Reihe allgemein bekannter Tatsachen angeführt hat, die wir doch jederzeit auch aus der Presse entnehmen konnten. Wir bezweifeln daher auch nicht, daß die Bundesregierung von dem volkswirtschaftlichen Wert der Passagierschiffahrt überzeugt ist. Es ist zwar eine interessante Feststellung, daß die Bundesregierung den Nutzen dieser Passagierschiffahrt nach dem kommerziellen Erfolg bemessen will und daneben auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft überlegt. Aber derartige allgemeine Feststellungen und Überlegungen sagen doch nichts darüber aus, welche Pläne denn nun die Bundesregierung tatsächlich verfolgt. Die Anfrage in der Drucksache 1476 lautet ja auch:
Welche schiffahrtspolitischen Pläne verfolgt die Bundesregierung mit Bezug auf den Ausbau der Passagierschiffahrt?
Die Antwort, die wir vernommen haben, ist ein Hinweis auf die private Initiative zweier Reedereien. Mit anderen Worten: die Bundesregierung hat also keine fertigen Pläne, keine Vorstellungen darüber, was werden soll. Sie ist sich auch darüber nicht im klaren, wie denn nun die private Initiative verwirklicht werden soll.
Immer wieder wird auf das zu geringe Eigenkapital der Reeder hingewiesen. In allen Darstellungen über die Lage zeigt sich, daß rund 40 % bei der Finanzierung der Neubaupläne fehlen. Um diese 40 % ist in der Presse eine eifrige Diskussion gepflegt worden, seitdem die 7d-Gelder nicht mehr fließen. Die übrigen 60 % sollen sich aus 20% Eigenmitteln und 40 % Mitteln aus ersten Hypotheken zusammensetzen. Die fehlenden Gelder, die auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen wären, werden kaum aufzubringen sein, wenn der Zinssatz, der hier für den Zinsendienst gefordert wird, nachher auch angewendet wird.
Die eigene Initiative der Reedereien ist durchaus anerkennenswert. Wir freuen uns, daß sich in dem Rechenschaftsbericht des Norddeutschen Lloyd erkennen läßt, daß auch Wege zur Beschaffung von Eigenkapital beschritten worden sind - das ist durchaus notwendig, um hier eine Grundlage zu schaffen - und daß notwendige Fusionen vorgenommen worden sind.
Letzten Endes muß aber nun doch, wenn geplant wird, einmal von seiten der Regierung gesagt werden, wie die Finanzierung gesichert werden soll. Der Herr Bundesminister hat festgestellt, daß zwei Voraussetzungen zu erfüllen sind: daß einmal die Pläne klipp und klar mit allen Einzelheiten vorliegen müssen und daß zum zweiten die Finanzierung gesichert sein muß. Ja, mit dieser Feststellung, daß die Finanzierung gesichert sein muß, ist, glaube ich, denjenigen, die planen, wenig geholfen. Das wissen sie, das ist eine Binsenwahrheit, darüber braucht man nicht zu streiten. Vielmehr
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kommt es darauf an, daß tatsächlich von hier aus verkündet wird: die Bundesregierung ist bereit, auch ihrerseits etwas zu unternehmen; die Bundesregierung will ihrerseits irgend etwas zur Verwirklichung dieser Pläne beitragen.
Der Herr Bundesminister hat hier Gedankengänge entwickelt, die, glaube ich, in der Art, wie er sie geäußert hat, vor dem Hohen Hause nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Ich möchte deswegen fragen: Ist die Bundesregierung tatsächlich der Auffassung, daß die notwendigen Eigenmittel zum Bau kostspieliger Fahrgastschiffe unter den Verhältnissen der Vorkriegszeit von den Reedereien erwirtschaftet werden könnten? Ich wähle ausdrücklich die Worte des Herrn Bundesministers, um nicht falsch verstanden zu werden. Eine eindeutige Antwort hierauf wäre immerhin von Bedeutung. Sie ist um so mehr von Bedeutung, als man sich, nachdem man die Antwort hier gehört hat, versucht fühlt, zu fragen: Hat vielleicht der Herr Bundesfinanzminister das Konzept der Rede des Herrn Bundesverkehrsministers irgendwie korrigierend behandelt? Den Eindruck muß man haben; denn die Vorstellungen, die bisher entwickelt worden sind, waren andere. Jetzt schweigt die Antwort gänzlich darüber. Der eigentliche Kernpunkt der Anfrage, nämlich die Frage: Wie ist diese Passagierschiffahrt aufzubauen?, hat keine Beantwortung gefunden. Diese Frage bleibt also offen.
Wir sind uns aber klar darüber, daß, wenn zum Jahresende tatsächlich die Pläne der Reedereien vorliegen, wenn sie tatsächlich greifbare Gestalt angenommen haben, diese Frage wieder auf das Hohe Haus zukommen wird. Dann muß doch auch eine Antwort auf die Fragen gegeben werden, die nun ständig gestellt worden sind. Wir haben der Regierung diesen Stock nicht hingehalten, damit sie darüberspringen soll. Aber die Frage wird da sein. Allerdings ist dann, wenn die Frage gestellt wird, die Wahl in Bremen vorüber.
Bei dieser Sachlage und bei dieser Darstellung, die der Herr Bundesminister hier gegeben hat, ist es uns verständlich, daß er nichts über die zweite Frage aussagen konnte, ob und wann nun mit einer Realisierung zu rechnen ist. Denn die Beantwortung dieser Frage setzt voraus, daß man zu der ersten Frage tatsächlich etwas sagen kann. Hier hat ihn vielleicht sein Parteifreund Herr Kollege Schneider in Verlegenheit gebracht. Trotzdem bleibt die Frage interessant. Man stellt ja derartige Fragen nicht, um sich nachher ohne Antwort oder ohne eine ausreichende Antwort nach Hause zu begeben. Es wird also notwendig sein, hier eine Frage zu beantworten, die auf der Drucksache klipp und klar gestellt ist.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat festgestellt, daß die neu entwickelten Schiffstypen, die sogenannten Kombitypen, die Anerkennung des Auslandes gefunden haben. Es wäre interessant, auch einmal zu untersuchen, ob tatsächlich der geplante Bau von Schiffen mit 28 000 Bruttoregistertonnen, von denen der_ Bundesverkehrsminister gesprochen hat, in diesem" Umfang jetzt und für die Zukunft das Gegebene ist. Es hat durchaus Stimmen in der Presse gegeben, die auf den Vorteil auch dieser Kombischiffe hingewiesen haben. Hier muß man sich doch wirklich fragen: Ist die reine Passagierschiffahrt, die ja Gott sei Dank die Jagd nach dem schnellsten und nach dem
größten Schiff nicht mitmacht, das Gegebene und wird sie wirklich wirtschaftlich das Richtige sein? Es ist um so mehr notwendig, diese Frage zu stellen, als man, wenn man das Bauprogramm der englischen Reeder ansieht, feststellen muß, daß dort neue Schiffstypen entwickelt worden sind, die in einer Größe von 20 000 bis 22 000 t als Kombischiffe gebaut werden. - Für eine Beantwortung auch dieser Frage wäre meine Fraktion sehr dankbar.
In Ergänzung dessen, was Herr Kollege Müller-Hermann gesagt hat, möchte ich also sagen: Der Termin ist sehr schlecht gewählt. Das lag nicht an uns, und es lag auch nicht an diesem Hohen Hause. Die Fragesteller, die diese Frage aufgeworfen haben, gehen mit einer schlechten Antwort nach Hause. Sie werden diese Antwort nicht sehr gut unterbringen können. Unser Bedauern gilt deswegen den Fragestellern, aber auch dem Herrn Bundesminister für Verkehr, der hier wahrscheinlich überfordert worden ist. Die Herren Fragesteller werden um eine schlechte Erfahrung reicher, aber um eine Wahlparole ärmer nach Hause gehen.
Der Bundesregierung aber möchte ich namens meiner Fraktion versichern, daß wir unsere volle Aufmerksamkeit einer gesunden und volkswirtschaftlich gerechtfertigten Entwicklung nicht nur der Passagierschiffahrt, sondern der gesamten Schiffart zuwenden wollen.
Hier wäre noch ein Wort zu den Fragen der Werften angebracht. Ich möchte die Beschäftigungslage der Werften nicht in dieser Art und Weise abtun - wie es geschehen ist -, indem ja eigentlich nur die großen Werften angesprochen wurden. Weiß der Herr Bundesverkehrsminister etwas über die Lage der kleinen Werften? Denn diese kleinen Werften werden keinen Vorteil daraus ziehen, wenn derart große Schiffe gebaut werden. Kann der Herr Bundesverkehrsminister etwas darüber sagen, wie hier die Lage ist und ob auch hier die Beschäftigung bis zum Jahre 1957 gesichert ist? Einer Beantwortung dieser Frage sehen wir gerne entgegen.
Ich möchte jedenfalls namens der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei nochmals feststellen, daß wir der gesamten Entwicklung unsere volle Aufmerksamkeit widmen und jede Initiative, die die Bundesregierung auf diesem Gebiet ergreift, begrüßen werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme bekanntlich weder aus Bremen noch aus Bremerhaven, ich komme aus Hamburg, bin aber nicht trotzdem, sondern gerade deswegen sehr gerne bereit, meinen Freunden in dem Lande Bremen angesichts der bevorstehenden Ereignisse die nötige Unterstützung von diesem Platz zu geben, indem ich, wie ich das nun schon seit 1949 des öfteren getan habe, ein paar Worte zugunsten des Wiederaufbaus der deutschen Passagierschiffahrt sage.
Wir können ja feststellen, daß die großen Reedereien nicht mehr, wie wir es in den vergangenen Jahren begreiflicherweise erlebt haben, den Aufbau der deutschen Passagierschiffahrt zögernd behandeln, weil ihnen der Aufbau der Frachtschiff({0})
fahrt am notwendigsten erschien. Wir alle in diesem Hause sind der Auffassung - zumal auch die großen Reedereien, insbesondere Hapag und Lloyd, heute doch mehr zu dieser Auffassung neigen -, daß wir, wie ich es einmal in diesem Hause kurz vor den Parlamentsferien zum Ausdruck gebracht habe, den Anschluß an die Weltpassagierschifffahrt nicht verpassen dürfen. Wir sind allmählich in die Zeit hineingerückt, wo dies tatsächlich der Fall sein könnte.
Wir sind sehr damit einverstanden, daß der Herr Bundesverkehrsminister erneut betont hat, daß es weder um den Bau von Luxusdampfern noch etwa um den Wettbewerb um das Blaue Band auf dem Nordatlantik geht, sondern es geht ausschließlich um die Möglichkeit, an diesem friedlichen Konzert auf den Meeren der Welt mit kombinierten Fracht- und Passagierschiffen oder vielleicht auch mit Touristenschiffen nach dem holländischen Beispiel wieder beteiligt zu sein; denn wir wissen, welche Unterstützung die nationale Flagge für unser Ansehen und überhaupt für das Ansehen einer seefahrenden Nation bedeutet. Es wird Sie, meine Damen und Herren, vielleicht interessieren, wie beliebt die deutschen Passagierschiffe, soweit wir solche in direkter oder indirekter Form schon wieder haben, also beispielsweise die „Italia" der Hapag, die „Berlin" des Norddeutschen Lloyd, aber auch die hervorragenden Schiffe, die nach Qstasien fahren, die „Frankfurt", die „Hamburg" und die „Hannover", die etwa 70 bis 80 Passagiere mitnehmen, gerade auch bei den Ausländern sind. In der Ostasienfahrt z. B. sind diese Schiffe meistens zu 70 % mit Engländern besetzt, obgleich sie fahrplanmäßig nicht die schnellste Fahrt auf dieser Route haben. Bedenken Sie bitte auch, daß, wenn man von dem Wiederaufbau der Passagierschiffahrt l überhaupt spricht, man natürlich die Fahrtengebiete sehr unterschiedlich beurteilen muß. Es ist ein Unterschied, ob man an die Fahrten nach Ostasien, nach Südamerika denkt oder, was hier in erster Linie zur Debatte steht, an die Fahrten über den Atlantik.
Ich muß allerdings auch meinem Kollegen Wehr insofern zustimmen, als ich sage, daß die Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers recht allgemeiner Art gewesen sind. Wir wissen um die Schwierigkeiten, insbesondere um die Finanzierungsschwierigkeiten. Aber was wir gerne möchten, ist, daß ein engerer Kontakt zustande kommt zwischen der Bundesregierung und den interessierten Reedern, zwischen den Landesregierungen und mit den Werften, um einmal zu untersuchen, welcher Typ der beste ist und wann wir mit diesen Dingen beginnen können.
Meine Damen und Herren, Sie haben in diesem Hause einmütig das Gesetz über den Wiederaufbau der deutschen Frachtschiffahrt, das sogenannte WAD, verabschiedet. Es scheint so, als ob dieses Gesetz mit dem angestrebten Ziel der 31/2 Millionen Bruttoregistertonnen auf dem Gebiete der Frachtschiffahrt allmählich beginnt, seine Aufgaben erfüllt zu haben.
Ich glaube auch namens der FDP zu dieser Frage der Passagierschiffahrt etwas sehr Positives beitragen zu können. Im Grundsatz wollen wir die Passagierschiffahrt. Wir wollen sie aber mit einiger Vorsicht angefaßt wissen. Man soll sich überlegen, wie man dieses allmählich auslaufende WAD durch entsprechende praktische Änderungen für den sehr schwierigen Wiederaufbau der Passagierschiffahrt umgestalten kann. Der Gedanke an den Wiederaufbau einer Passagierschiffahrt darf nicht untergehen. Es ist doch wohl, glaube ich, der Haupteffekt der Auseinandersetzungen und der Debatten hier heute morgen, daß einmütig von allen Seiten des Hauses noch einmal festgestellt wird: Jawohl, in einem vernünftigen Rahmen wollen wir für das Ansehen Deutschlands und als ein praktisches Bedürfnis den Wiederaufbau einer deutschen Passagierschiffahrt.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung dieser Großen Anfrage.
Meine Damen und Herren, ich darf darauf aufmerksam machen, daß die Freifahrscheine noch getauscht werden müssen. Der größere Teil der Mitglieder des Hauses hat noch keinen Gebrauch davon gemacht. Die Karten können draußen in der Wandelhalle während der Plenarsitzung getauscht werden.
Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Mineralölpreise ({0}).
Ich frage, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. - Bitte schön, Herr Abgeordneter Schmidt ({1}).
Schmidt ({2}) ({3}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Großen Anfrage über die Mineralölpreise liegen drei Motive zugrunde, zunächst einmal ein rein verkehrspolitisches Motiv. Man stelle sich vor, welche Not wir in Deutschland haben und in Zukunft erst recht haben werden, den Ausbau unseres Straßennetzes zu finanzieren. Angesichts dieser Finanznot ist es eine wenig erfreuliche Vorstellung, daß es auf der anderen Seite gewisse Bereiche unserer Verkehrswirtschaft gibt, in denen schon jetzt an diesem Straßenverkehr sehr erheblich verdient wird und wo man in der Lage ist, diese sehr erheblichen Verdienste zu investieren, nun aber leider nicht in den Straßenbau, sondern in die Erweiterung der Kapazitäten in der Automobilproduktion und der Mineralölproduktion, was auf deutsch heißt: am Verkehr insgesamt lassen sich Gewinne machen, es lassen sich aus diesem Verkehr erhebliche Investitionen finanzieren, nur fließen sie leider nicht in die Straßen, nicht einmal zu einem Teil, sondern eben überwiegend in Fahrzeuge und Betriebsstoffe, mit denen man auf den Straßen fahren will, was in Zukunft noch zu einem größeren Mißverhältnis als bisher führen wird.
Man könnte das breiter ausführen; aber es soll heute keine verkehrspolitische Debatte abgehalten werden.
Ich wende mich dem zweiten Motiv zu, das für unsere Anfrage maßgebend war; dem kartellpolitischen Motiv. Wir haben auf dem Gebiet des Mineralölverkaufs - ich rede hier nicht von der Rohölnroduktion, nicht von dem Raffineriesektor, sondern ich rede von dem Verkaufssektor - einen Markt ohne Gleichgewicht, einen Markt, auf dem gewisse Gesellschaften marktbeherrschende Stellungen haben. Aus dieser Situation ergeben sich ganz bestimmte tatsächliche Konsequenzen, über die zu reden sein wird.
Das dritte Motiv ist ein preispolitisches, konjunkturpolitisches. Wir sind der Auffassung, daß
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sich gerade in der jetzigen Situation, wo man allenthalben nach Möglichkeiten sucht, auf solche Preise zu drücken, die allgemeine Bedeutung für die Volkswirtschaft haben, die Mineralölpreise für einen solchen Versuch anbieten, und ich hoffe, es bleibt nicht beim Versuch, Herr Staatssekretär Westrick.
Die Anfrage über die Mineralölpreise ist schon einige Monate alt; sie stammt aus der Zeit vor den Ferien. Auch schon vorher ist von unserer Seite auf diese ganze Frage hingewiesen worden, und in der Folge hat sich ein außerordentlich reges öffentliches Interesse für die Verhältnisse auf dem innerdeutschen Mineralölmarkt ergeben. Es ist leider nicht dazu gekommen, daß, wie ich es gewünscht hätte, die großen Gesellschaften, die in Deutschland Mineralöl verkaufen, in den Zustand der öffentlichen Anklage versetzt worden sind. Soweit ist es nicht oder vielleicht noch nicht. Aber immerhin, es hat sich ein erhebliches öffentliches Interesse für das gefunden, was dort vorgeht. Ich glaube, daß dieses öffentliche Interesse auch nicht mit der heutigen Debatte abebben wird, sondern ich sehe den Höhepunkt eigentlich erst in der Zukunft kommen.
Zunächst darf ich noch ein paar Bemerkungen zu diesem gleichgewichtslosen Markt machen. Übrigens ist das ein vielleicht etwas theoretisches Wort aus der Nationalökonomie. Es ist jüngst in einem ganzseitigen Aufsatz, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung über diese Frage veröffentlicht hat, wieder hervorgeholt worden. Ich glaube, es ist ein zutreffendes Wort.
Wir haben in Deutschland drei große Konzerne mit zu Buch schlagenden Marktanteilen, ferner einen, der ungefähr halb so groß ist wie jeder der erstgenannten drei, und dann noch einen kleinen, der am Rande mitmarschiert, zu schweigen von den paar zerquetschten, die wir nicht mitzählen wollen, die keinen Einfluß haben. Es handelt sich also um ein Oligopol von drei großen, einem mittleren und einem kleineren Unternehmen.
Auf einem solchen Markt kann es kein Gleichgewicht geben, wie es sich sonst aus dem Wettbewerb, aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage ergibt. Auf solchen Märkten - das sagen alle Schulen der Nationalökonomie, das lesen Sie nicht nur bei Herrn Professor Böhm, aber gerade auch bei ihm - kann es kein Einspielen von Angebot und Nachfrage geben. Das sind Märkte, die der Manipulation des Preises und des Angebotes nicht nur offenstehen, sondern diese Manipulation geradezu herausfordern. Es geschehen auf diesen gleichgewichtslosen Märkten immer interessante Dinge, und weil es sich um so wenige Unternehmen handelt, geschehen diese interessanten Dinge im verborgenen.
Das Bundeswirtschaftsministerium scheint im großen und ganzen unsere Auffassung zu teilen, daß da gewisse Dinge im verborgenen geschehen, die man einmal prüfen müßte. Ich darf einmal, Herr Präsident, aus der Drucksache 1666 zitieren. Das ist eine Antwort, die das Bundeswirtschaftsministerium vor wenigen Tagen auf eine Kleine Anfrage erteilt hat, die von Angehörigen mehrerer Fraktionen gemeinsam gestellt war. In dieser Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums - wie gesagt, sie ist zehn Tage alt - steht z. B. in bezug auf die Tankstellenverträge dieser großen Konzerne:
Derartige, lediglich die eine Vertragspartei
begünstigende Vertragsbestimmungen sind meistens Indiz für das Bestehen einseitiger Marktmacht. Die Aufhebung bzw. Verhütung von Verträgen, durch welche der stärkeren Partei wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Vorteile gesichert werden . . .
usw. usw. streben wir, die Bundesregierung, durch das Kartellgesetz an.
An einer anderen Stelle heißt es:
. . . beobachtet das Bundeswirtschaftsministerium seit langem das häufige Auftreten solcher Vertragsbestimmungen mit Sorge und hat die Frage der Zulässigkeit von Ausschließlichkeitsklauseln wiederholt zum Gegenstand von Besprechungen mit Kreisen der Mineralölwirtschaft gemacht.
Es heißt an einer dritten Stelle:
Soweit Tankstellenverträge mit solchen Ausschließlichkeitsklauseln die Tankstelleninhaber in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit unbillig einschränken . . ., sind sie nach Ansicht der Bundesregierung mit den Grundsätzen einer sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar.
An einer vierten Stelle wird Ähnliches ausgeführt, und immer wieder wird darauf hingewiesen: Aber, liebe Fragesteller, das können wir nur in Ordnung bringen, wenn wir ein Kartellgesetz haben, - wenn ich die Antwort richtig verstanden habe.
Im übrigen aber - auch das verdient hervorgehoben zu werden - ist diese Antwort, die der Herr Bundeswirtschaftsminister erteilt, recht sorgfältig ausgewogen, d. h. zu 50 % gibt man den Fragestellern recht, wenn auch sehr wenig konzis und sehr wenig konkret, und mit den anderen 50 % sagt man etwas Freundliches zur Deckung und Entlastung der Mineralölkonzerne, so daß ich das Empfinden habe: in dem Augenblick, Herr Westrick, als Ihr Haus dieses Dokument abfaßte, hatten Sie sich jedenfalls noch nicht ganz entschieden, wie Sie sich in der Zukunft einstellen würden. Wir sind sehr interessiert, ob man heute wird klar erkennen können, daß Sie sich inzwischen ganz entschieden haben. Man raunt hier im Hause, Sie hätten heute nacht noch bis in die frühen Morgenstunden über diese Frage konferiert. Ich hoffe, mit dem Ergebnis, daß Sie zu einer eindeutigen Stellungnahme kommen werden.
Meine Damen und Herren, dabei handelt es sich nicht darum, eine eindeutige Stellungnahme jetzt und hier zu diesen Tankstellenverträgen zu finden. Diese sind zwar keine unwichtige Sache, aber sie sind vor allem eine für die Marktsituation kennzeichnende Tatsache. Sie sind nicht unwichtig, sie haben Bedeutung, aber in dieser Debatte vor allem deshalb, weil sie kennzeichnen, daß auf diesem Markt des Mineralöls kein Gleichgewicht herrscht, daß auf diesem Markte einige wenige Große eine unerhörte Marktmacht innehaben, die sie ausnutzen. Die Frage ist: Wird diese Macht richtig ausgenutzt?, oder aber: ist es notwendig, sie von hier aus, von Staats wegen, zu kontrollieren oder zu beschränken?
Ich glaube, ich darf auch im Namen der nicht meiner Fraktion angehörigen Unterzeichner der seinerzeitigen Kleinen Anfrage, die durch die erwähnte Antwort ihre Erledigung finden sollte, sagen, daß sie damit eigentlich nicht erledigt ist und daß man sich vorbehalten muß, zum gegebenen Zeitpunkt darauf zurückzukommen.
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In dem Zusammenhang darf ich eine Bemerkung außerhalb des Gedankenganges machen. Die Mineralölwirtschaft hat in ihren Hausmitteilungen und Hauszeitschriften, die sie an den Tankstellen verteilt, die Abgeordneten, die jene Kleine Anfrage gestellt haben, aber auch die sozialdemokratische Fraktion, die die Große Anfrage gestellt hat, verdächtigt und diesen Kollegen unterstellt, sie seien aufgeputscht und vorgeschickt von irgendeinem Verband von Tankstellenbesitzern, den es hier in Köln gibt. Das ist ein Irrtum, meine Damen und Herren, und ich benutze die Gelegenheit, das einmal klarzustellen, weil die Verunglimpfungen in dieser Richtung in Publikationen, die die Mineralölwirtschaft herausgegeben oder veranlaßt hat, allzu zahlreich geworden sind. Was beispielsweise meine Person angeht, so habe ich erst ein Vierteljahr, nachdem zum erstenmal in diesem Hause von Mineralölpreisen und Mineralölmärkten die Rede gewesen ist, von der Existenz dieses Verbandes gehört. Aber ich möchte das alles nur in Klammern sagen, um mich gegen die Verunglimpfungen zu wehren, denen unsere Fraktion, aber auch ein Teil der Kollegen der CDU-Fraktion in dieser Hinsicht ausgesetzt gewesen ist.
Ich muß die Gelegenheit benutzen, mich auch zu wehren gegen einen noch viel unverschämteren Vorwurf, der aus den Reihen der Bosse der deutschen Mineralölkonzerne erhoben worden ist gegen ein Mitglied dieses Hauses, das es gewagt hat, sich in der Öffentlichkeit mit den deutschen Mineralölpreisen auseinanderzusetzen. Ich darf darauf hinweisen, daß zwei Vorstandsmitglieder eines großen deutschen Mineralölkonzerns, d. h. einer deutschen Tochtergesellschaft eines amerikanischen Konzerns, in einem Rundfunkinterview in einer Diskussion zu dritt über die vorher im Parlament stattgefundene Mineralölpreisdebatte des Frühjahrs zum Ausdruck brachten, im allgemeinen kämen solche Angriffe auf die Mineralölwirtschaft aus einem Raum, wo die großen Ölgesellschaften als Symbole des westlichen Imperialismus betrachtet würden. In dieser Tonart geht es weiter. Die Leute, die es hier in Deutschland wagen, einmal etwas Kritisches zur Mineralölpreissituation zu sagen, werden also an die Seite der Kommunisten gestellt. Das finde ich einfach unverschämt.
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Es geht uns allerdings nicht allein so. In demselben Rundfunkvortrag werden beispielsweise der Professor Myrdal und das European Economic Committee der UN in Genf, das EEC, das einen Mineralölbericht nicht über die Situation in Deutschland oder in England oder in Frankreich, sondern über die Situation in Europa insgesamt gemacht hat - dieser Bericht hat sicherlich manche Fehler und Mängel, aber er gibt es auch zu, er hat das Mißfallen sämtlicher großen Mineralölkonzerne in der Welt erregt -, an die Seite der Kommunisten gerückt. Das wird sehr geschickt gemacht. Man kann daraufhin keine Beleidigungsklage anstrengen, denn es wird sehr klug formuliert. Ich darf einmal vorlesen:
Bei der EEC in Genf hat Westdeutschland nur zwei Beobachter, die Ostzone aber sechs, und die Sowjetunion sowie die Satellitenstaaten zeigen sehr warmes Interesse für Herrn Myrdals Bestrebungen.
Das sind so die Formulierungen, mit denen man dem Hörer am Radio nahelegt, das seien in Wirklichkeit nur die Helfershelfer der Kommunisten, die es wagten, etwas gegen die deutschen Tankstellenpreise zu sagen. Wenn die deutschen Mineralölkonzerne glauben, sich auf die Art und Weise für die Dauer den Rücken freihalten zu können, wenn sie glauben, so auf die Dauer auf die konkreten Fragen antworten zu können, die wir stellen, dann möchte ich das wiederholen, was ich hier vor vier oder fünf Monaten schon einmal gesagt habe: Wir müssen diese Dinge unter die Anklage der öffentlichen Meinung stellen.
Es ist notwendig, daß hier einmal die Sonde angesetzt und genau geprüft wird, was da eigentlich los ist. Bisher haben die big bosses der deutschen Mineralölwirtschaft - ich sage immer „deutsche"; ich habe nicht die Absicht, das Problem über die deutschen Grenzen hinaus auf internationale Verflechtungen zu erweitern, ich spreche immer nur von den deutschen Mineralölverkaufskonzernen - kaum eine einzige konkrete Antwort auf die Fragen gegeben, die hier im Parlament, aber auch überall in der Öffentlichkeit, z. B. von der Wirtschaftspresse, an sie gerichtet worden sind.
Immerhin, mit Wirkung vom 1. September - Sie konnten das gestern in der Presse lesen - haben sie nun nachträglich und, wie es scheint, alle gleichmäßig, die Tankstellenprovision erhöht. Das heißt, sie zahlen ihren Tankstelleninhabern, die angeblich so furchtbar zu Unrecht geklagt haben, daß sie nicht leben könnten, plötzlich pro Liter einen halben Pfennig mehr, so ganz stikum. Sie zahlen diesen halben Pfennig zu Lasten ihrer eigenen bisherigen Handelsspanne, von der sie in den letzten fünf Monaten behauptet haben, daß sie überhaupt nicht gesenkt werden könne, weil sie keine Gewinne mehr machten, sondern zum Teil in den roten Ziffern seien. Ich rede wiederum nur ausdrücklich von den Mineralölverkaufskonzernen. Daß die unabhängigen deutschen Raffinerien - „unabhängig" kann man da nur noch in Parenthese sagen - zum Teil tatsächlich in den roten Ziffern sind, ist eine ganz andere Sache.
In diesem Zusammenhang darf ich mir erlauben, Ihnen einmal die Preise vorzulesen, wie sie sich heute im Vergleich zwischen Deutschland' und den umliegenden europäischen Ländern stellen, und zwar die Preise an den Tankstellen, von denen wir vorher Zoll, Mineralölsteuer, Umsatzausgleichssteuer und was es an fiskalischen Belastungen geben mag, in allen Ländern abgezogen haben. Dann ergibt sich, daß beispielsweise in Deutschland das Benzin jetzt 29,2 Pf kostet, in Belgien 19,2 Pf - eine Differenz von mehr als 50 % -, in Dänemark 20,7 Pf - eine Differenz von 50 %, um die das deutsche Benzin teurer ist -, in England 20,5 Pf; das deutsche Benzin ist also um 50 % teurer als das englische. Die gleiche Größenordnung haben wir in Frankreich und in Holland. Es gibt nur drei Länder in Europa, in denen das Benzin teurer ist als bei uns. Das sind Finnland - jeder kann verstehen, warum das an der äußersten Ecke Europas der Fall ist -, Österreich und Portugal. Tm übrigen verkaufen sämtliche europäische Länder ihr Benzin wesentlich billiger, als es in Deutschland der Fall ist. Auf dem Dieselsektor sieht es ähnlich aus.
Ich darf einmal darauf hinweisen, daß es beispielsweise in Portugal eine Raffinerie gibt, die einer amerikanischen Mutter gehört, die im wesentlichen auf Diesel arbeitet, und daß es in Portugal möglich ist, den Liter Dieselöl - ich ziehe auch hier Zoll und Steuer ab - mit 13,9 Pf zu verkaufen, während er in Deutschland 21,5 Pf
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kostet. Auch dort handelt es sich um eine amerikanische Tochtergesellschaft, die ihren Rohstoff zu denselben Weltmarktpreisen und zu denselben Weltmarkttankerfrachten bezahlen muß wie auch die deutsche Raffinerie.
Auf diese Zahlen, die man noch sehr weitgehend ausbreiten könnte, kann man eben nicht noch und noch und noch mit verbalen Argumenten antworten, was alles die Gründe seien, sondern da muß man einmal eine Kostenträgerrechnung auf den öffentlichen Tisch legen, da muß man eben nachweisen, was denn im Liter Benzin Pfennig für Pfennig an Kosten drinsteckt und was nachher übrigbleibt. Sonst ist alles andere unglaubwürdig, was uns die Mineralölwirtschaft im Laufe der letzten Wochen und Monate vorgetragen hat.
Es ist die unbefriedigende Situation entstanden, daß auf der einen Seite die Mineralölwirtschaft ihre seit Jahren beobachtete vornehme Zurückhaltung aufgegeben und sich auf den Markt des Meinungsstreites begeben hat, z. B. mit Rundfunkvorträgen und mit Zeitungsartikeln, die sie angeregt hat - angesehene große deutsche Zeitungen haben sich mit der Frage beschäftigt -, während auf der anderen Seite sehr viele Fragen offenbleiben. So erfreulich die Tatsache der Veröffentlichungen sein mag, so ist doch konkret nichts erklärt worden. So schreibt z. B. infolgedessen die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor wenigen Tagen aus der Feder ihres Wirtschaftsressortchefs in einem ganzseitigen Aufsatz über die Mineralölfrage:
Mit Investitionsnotwendigkeiten kann man jeden Preis begründen.
- Das war nämlich eine der Antworten von seiten der Industrie. - Oder sie schreibt z. B.:
Es bleibt ein Rest, den aufzuklären Außenstehenden nicht möglich ist.
Ich rufe Ihnen zu, Herr Westrick: hoffentlich sind Sie kein Außenstehender in dieser Frage!
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Oder aber Herr Eick schreibt am Schluß:
Die Mineralölwirtschaft wird aus ihrer bisherigen Reserve heraustreten müssen. Sie wird einiges tun müssen, um die Ungereimtheiten in der Preisbildung verständlich zu machen; denn bisher hat sie offiziell kaum etwas Konkretes dazu gesagt.
Das schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung, meine Damen und Herren, nicht ein sozialdemokratisches Oppositionsblatt!
Wir haben aber noch einen viel besseren Kronzeugen, wir haben den Rheinischen Merkur vom 9. September. Der Rheinische Merkur, der sich in der Besprechung dieser Dinge sehr windet, weil es ihm nicht paßt, daß die Große Anfrage von unserer Seite des Hauses kam, schreibt immerhin auch, es gebe gewisse Mißstände. Er unterstellt in seinem Kommentar ausdrücklich, daß die Mineralölwirtschaft dem Bundeswirtschaftsminister eine zahlenmäßig detaillierte Rechnung aufgestellt hat. Hoffentlich kommt sie gleich, Herr Westrick! Das Blatt fährt fort:
Nur diese ist beweiskräftig und befähigt den Bundeswirtschaftsminister, auf die Anfrage mit exakten Angaben zu antworten.
So wortwörtlich der Rheinische Merkur! Hoffentlich werden wir nicht gleich enttäuscht. Ich glaube,
Herr Westrick, Sie werden es sehr schwer haben, die Ansprüche des Rheinischen Merkur zu befriedigen.
Ich wiederhole, Sie können auch unsere Ansprüche hier nur befriedigen, wenn entweder Sie eine klare Rechnung Pfennig für Pfennig auf den Liter Benzin und den Liter Diesel hier vorlegen - vielleicht können Sie es nicht heute, trotz Ihrer nächtlichen Konferenz; ich glaube gern, daß Sie es noch nicht können -, oder aber wenn Sie die Leute durch moralischen Druck und öffentlichen Druck - wenn Sie schon kein Kartellgesetz haben - dazu bringen, daß sie einmal Zahlen auf den Tisch legen und nicht versuchen, mit allgemeinen Redensarten aus der Sache herauskommen.
Ich zitiere ein anderes angesehenes deutsches Blatt, die Deutsche Zeitung aus Stuttgart. Sie schreibt:
Zwar gibt es angeblich kein internationales Erdölkartell; aber die Preise verhalten sich so, als gäbe es eins.
Ich sagte vorhin schon, wir haben nicht die Absicht, an dieser Stelle und in diesem Stadium die Frage auf das internationale Feld auszuweiten. Wir möchten die Frage zunächst einmal ganz ausdrücklich auf das beschränkt sehen, was innerhalb der deutschen Grenzen, bei den deutschen Tochtergesellschaften und bei deren Preispolitik und Preis-Kosten-Relationen sich abspielt, was sich auf dem innerdeutschen Mineralölmarkt abspielt - so interessant es sein könnte, den Blick über die deutschen Grenzen zu tun. Kollege Müller-Hermann, ich habe gehört, Sie hätten das neulich in der Schweiz getan und mit Herrn Duttweiler gesprochen. Vielleicht wäre es ganz interessant, einmal ein paar Parallelen aus dieser Richtung hier beigesteuert zu bekommen. Ich selber kann mir auch nicht verkneifen, doch wenigstens eine kleine Bemerkung über die Grenzen hinaus zu machen. Eine der größten deutschen Mineralölgesellschaften hat, nachdem die öffentliche Debatte losging und sie gerade daran war, ihren Geschäftsbericht für 1954 zu veröffentlichen und ihre Bilanz abzuschließen, folgendes in ihrem Geschäftsbericht geschrieben: „Was sind wir doch arm! Soundso viele Aktiengesellschaften haben im Durchschnitt soundso viel Investitionen finanzieren können und soundso viel Abschreibungen und soundso viel Dividende; und wir Armen" - ich will den Namen nicht nennen -, „wir haben nur soundso viel investieren und nur soundso viel abschreiben können, und Dividende können wir eigentlich gar nicht zahlen, das machen wir nur aus dem Gewinnvortrag des letzten Jahres." Diese Gesellschaft hat einen Umsatz von 11/4 Milliarden DM, oder genauer ca. 1,2 Milliarden DM im Jahr, hat eine Bilanzsumme von 500 Millionen DM im Jahre 1954 und weist einen aktienrechtlich ausgewiesenen Jahresreingewinn von 0,11 Millionen DM aus. Da lachen ja wohl die Hühner! 500 Millionen DM Bilanzsumme und 0,11 Millionen DM ausgewiesener Reingewinn - das ist grotesk, meine Damen und Herren; das sage ich gerade zu Ihnen, die Sie in der Industrie Bescheid wissen und zum Teil aus der Industrie kommen. So etwas gibt es nicht, meine Damen und Herren, daß eine Gesellschaft mit einem Umsatz von 1,2 Milliarden DM einen Reingewinn von 113 000 DM macht. Mit solchen Sachen kann man uns doch hier nicht überzeugen. Bitte, ich bin überzeugt, daß diese Bilanz aktien({9})
rechtlich voll in Ordnung ist - damit man nicht falsch versteht -; die wird selbstverständlich in Ordnung sein, und der Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers ist sicherlich voll und ganz zu Recht geschehen. Das ist sicherlich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen alles richtig. Aber welche Reserven darin stecken, das ist eine ganz andere Frage, und welche Beweiskraft infolgedessen diese Bilanz und ähnliche Behauptungen in diesem Geschäftsbericht für die Frage haben könnten, ob die Mineralölpreise zu hoch sind, das zu beurteilen überlasse ich Ihnen.
Es ist auch interessant, daß diese selbe Gesellschaft, die z. B. behauptet, nur aus dem Vorjahrsgewinnvortrag eine bescheidene Dividende zahlen zu können, ganz wenige Prozenterchen bloß, eine amerikanische Mutter hat, die für das gleiche Jahr eine acht mal so hohe Dividende zahlt, nämlich 32 oder 33 °/o. Ähnlich liegt es auch bei den anderen Gesellschaften. Die deutschen sind ja alle Töchter ausländischer Konzerne, mit Ausnahme von BV Aral, der keine Tochter eines ausländischen Konzerns ist. Es liegt auch bei den anderen so, daß die Muttergesellschaften drüben in England und Amerika Dividenden ausschütten, die bei 14, 16, 30 %
liegen, und daneben Reingewinne ausweisen, die noch etwas höher liegen als die ausgeschütteten Dividenden, während die Töchter alle gerade eben bei plus minus Null abschneiden. Eine ganz eigenartige Situation!
Aber, wie gesagt, wir wollen dieses internationale Gebiet ruhig einmal ausklammern. Wir legen im Augenblick gar keinen Wert darauf, daß es weiter beackert wird. Denn vielleicht muß man hier resignieren, wie das auch der englische Handelsminister kürzlich getan hat, als dasselbe Problem im englischen Parlament behandelt wurde, dort übrigens auf Grund des Myrdal-Berichts der ECE. Der englische Handelsminister hat bei dieser Gelegenheit dem englischen Parlament gesagt: „Meine Damen und Herren, was regen Sie sich so auf? Es hat keinen Zweck. Das, was in diesem Bericht steht, ob es richtig oder falsch ist, bezieht sich im wesentlichen auf Fakten und Zusammenhänge, auf die England keinen Einfluß hat." Also wenn die Engländer das schon nicht können und resignieren und wenn sogar Mossadek gescheitert ist - von Duttweiler werden wir es ja noch hören -, dann würde ich nicht empfehlen, sich allzusehr auf dieses internationale Feld zu begeben.
Meine Damen und Herren! Ich weiß - und ich möchte das mit aller Anerkennung zum Ausdruck bringen -, daß sich das Bundeswirtschaftsministerium gerade in den letzten Wochen, als nämlich der Termin dieser Debatte immer näher rückte und als die Preis- und Konjunktursituation es immer interessanter machte, wirklich bemüht hat, durch moralischen Druck, durch Überredung hier etwas zu ändern, jedenfalls was den Preis angeht. Ich weiß ferner - das braucht man nicht in Bonn zu erfahren; das kann man auch in Hamburg erfahren, wo die Mineralölkonzerne ihren Sitz haben -, daß die Gesprächspartner auf der anderen Seite sehr hartnäckig gewesen sind und gesagt haben: „Was, wir sollen unter dem Druck des Parlaments unsere Preise senken? Das machen wir nicht; da verlieren wir ja unser Gesicht!" Meine Damen und Herren, das wird sich ja noch zuspitzen, und es wird darauf ankommen, wer hier sein Gesicht zu wahren hat, entweder das Parlament und die Regierung oder eine Branche von drei, vier, fünf Konzernen, die einen sehr wichtigen Markt der deutschen Volkswirtschaft mehr oder minder autonom beherrschen.
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Ich will die Dinge nicht vorzeitig dramatisieren und ich gebe - ich sage das noch einmal - dem Bundeswirtschaftsminister, einstweilen jedenfalls, Kredit auf diesem Gebiet, weil ich das Gefühl habe, daß er hier etwas ändern möchte. Die Frage, Herr Westrick, ist aber: Womit wollen Sie das eigentlich machen? Welche Gesetze haben Sie eigentlich? Sie haben keinen § 19 im Wirtschaftsstrafgesetz und Sie haben kein Kartellgesetz. Welche Mittel hätten Sie denn, wenn Sie zu dem Ergebnis kämen, es müßte etwas geschehen? Welche Mittel hätten Sie denn einzusetzen? Vielleicht ist die Frage nicht so sehr an Sie zu richten wie an die Mehrheit dieses Hauses. Wie lange wird es denn noch dauern, bis wir ein Kartellgesetz bekommen,
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in dem Maßnahmen und Sanktionen gegen marktbeherrschende Unternehmen vorgesehen sind und in dem der Exekutive Mittel an die Hand gegeben werden? Vielleicht ist die ganze Frage sogar überwiegend an das Parlament oder an die Mehrheit des Parlaments zu richten statt an den Herrn Bundeswirtschaftsminister, mit dem wir uns jedenfalls in der letzten Zeit immer besser verstehen, wie Sie aus der Presse ersehen haben werden.
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Ich möchte zum Schluß noch eine kleine Bemerkung machen, nur damit wir nicht wieder in Rundfunkinterviews unter mißverständlichen Auslegungen angegriffen werden. Wir sind nicht der Meinung, daß man den Herren, die die deutschen Mineralölgesellschaften leiten und die ich zu einem erheblichen Teil kenne und schätze, Vorwürfe, etwa moralischer Art, machen kann. Die tun das, was ihnen im Rahmen der bestehenden Rechts- und Wirtschaftsordnung möglich ist, und sie wären dumm, wenn sie es nicht täten. Jeder versucht im Rahmen der Gesetze, im Rahmen der bestehenden Rechts- und Wirtschaftsordnung für seine Gesellschaft das herauszuholen, was herauszuholen ist. Das ist sein gutes Recht. Wenn wir der Meinung sind, daß sich dabei Erscheinungen zeigen, die wir nicht wollen, dann ist es unsere Sache, diese Rechts- und Wirtschaftsordnung zu verbessern.
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Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Ihnen die Versicherung abgeben dürfen, daß eine Sorge, der Bundeswirtschaftsminister würde resignieren, nicht am Platze ist. Ich glaube, die Aktivität, die der Bundeswirtschaftsminister gerade in letzter Zeit angesichts der Situation bei den Preisen und Löhnen entwickelt hat, kann Ihnen die Beruhigung geben, daß von einer Resignation bei uns im Hause nichts zu spüren ist. Im Gegen({0})
teil, diese Situation reizt uns gerade, unsere Vitalität, wenn möglich, zu steigern.
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Wir haben auch nicht die Sorge, daß wir unser Gesicht verlieren würden. Im Gegenteil, wir sind der Meinung, daß sich das Gesicht auf Grund der wirtschaftspolitischen Erfolge der letzten Jahre durchaus sehen läßt,
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und wir sind sehr stolz auf dieses Gesicht und entschlossen, es zu behalten.
Ich darf dem Begründer der Großen Anfrage auch versichern, daß wir weit davon entfernt sind, unkritisch zu den großen Mineralölgesellschaften zu stehen. Ich muß vorweg sagen: wir sind mit diesem Wirtschaftszweig in laufenden Gesprächen und werden nichts versäumen, was dazu dienen könnte, die Situation am Markt zu erleichtern. Wir sind auch keine Außenseiter, sondern wir sind sehr wohl über die Lage unterrichtet, soweit sie ohne eine Preis- und Kostenschnüffelei deutlich gemacht werden kann.
Ich möchte aber nun zunächst doch eine nüchterne und ruhige Beantwortung der Großen Anfrage betreffend Mineralölpreise, Drucksache 1557, geben und darf vielleicht zum Schluß dann noch auf ein paar Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Schmidt - wenn er gestattet - eingehen.
Zur ersten Frage: Seit Aufhebung der Mineralölbewirtschaftung am 1. April 1951 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt zeigt die Preisentwicklung folgendes Bild. Der Durchschnitts-Benzinpreis auf Basis der Normalqualität war am 1. April 1951 65 Pfennig, und er ist heute 64 Pfennig; darin ist aber die zwischenzeitliche Steuererhöhung um 2 Pfennig enthalten. Die entsprechenden Daten für Dieselkraftstoff sind 40 Pfennig am 1. April 1951 und 50 Pfennig für heute, und darin sind wiederum 10 Pfennig Steuererhöhung enthalten.
Nun richtet sich Ihre konkrete Frage darauf, ob die Bundesregierung diese Preise für angemessen hält. Hier muß ich jetzt leider zugestehen, die Angemessenheit der Treibstoffpreise mangels genauer Kenntnisse über Kosten- und Ertragslage der Mineralölgesellschaften nur schwer zuverlässig beurteilen zu können.
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-- Ich komme gleich darauf. - Bezüglich einiger wichtiger Faktoren, die auf die Preise einen wesentlichen Einfluß haben, möchte ich zunächst folgendes erwähnen.
1. Durch das Absinken der Frachtraten seit 1952 ist die Belastung durch Transportkosten sehr wesentlich gesunken.
2. Seit 1951 ist der Verbrauch an Vergaserkraftstoff um 60 °/o gestiegen. Der Umsatz der Gesellschaften stieg allein im Jahre 1953 um 140 Millionen, im Jahre 1954 um 134 Millionen.
3. Die Gesellschaften bedienen einen von dem regulären Geschäft abgespaltenen Markt im sogenannten Propergeschäft mit sehr hohem Preisnachlaß. Die Einräumung dieser wesentlichen Erlösminderungen im Propergeschäft beeinflußt selbstverständlich die Höhe der Preise, die die Gesellschaften im regulären Tankstellengeschäft fordern, und ich glaube, es ist ein Gebot der Objektivität, diese beiden Dinge irgendwie kombiniert zu betrachten.
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- Ich glaube, daß die Ertragsrechnung der Gesellschaften nur im kombinierten Proper- und Tankstellengeschäft gesehen werden kann.
4. Seit 1950 sind etwa 4500 Tankstellen neu gebaut worden. Die Beträge für diese Investitionen sind wohl nur zum Teil aus dem Kapitalmarkt gekommen.
Andererseits, muß ich fünftens sagen, ist aber seit 1952 die Qualität des Treibstoffes von 72 auf 86 Oktanzahl verbessert worden. Wenn wir diese Qualitätsverbesserung in den Preis ummünzen, dann muß zugegeben werden, daß hierin eine beachtliche echte Preisverbesserung liegt. Es wird genannt: ein Pfennig je Liter und Jahr soll das gekostet haben, insgesamt 68 Millionen DM, immerhin ein beachtlicher Betrag.
Die Bundesregierung neigt bei Beurteilung aller Faktoren zu der Ansicht, daß die Treibstoffirmen, nachdem nun die Periode der großen Neu- und Rationalisierungsinvestitionen auf dem Vertriebssektor im wesentlichen als abgeschlossen angesehen werden kann, preisliche Zugeständnisse auf dem Benzinsektor machen sollten.
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Zur Frage 2. Zur Beurteilung des Wettbewerbsgrades am Mineralölmarkt darf vorausgeschickt werden, daß Beschränkungen staatlicherseits nicht bestehen, also weder Einfuhrkontingente noch Bedarfsprüfungen für die Errichtung von Tankstellen oder ähnliches. Von einem abgekapselten oder umklammerten Treibstoffmarkt im rechtlichen Sinne kann also meines Erachtens nicht gesprochen werden. Das schließt leider natürlich nicht aus, daß der Wettbewerb am Treibstoffmarkt doch nicht voll wirksam ist. Tatsächlich teilen sich in den Treibstoffmarkt im wesentlichen einige große Vertriebsgesellschaften. Daneben gibt es noch, wie Herr Abgeordneter Schmidt bereits erwähnt hat, eine Reihe kleinerer, konzernfreier Anbieter, die jedoch leider, muß ich sagen, in ihrer Vereinzelung nicht über einen ausreichenden Einfluß verfügen und nicht über eine ökonomische Einwirkung dergestalt, daß daraus die Preise sich ein wenig in Bewegung bringen ließen.
Mit dieser Struktur - darin gebe ich Herrn Abgeordneten Schmidt recht - stellt der Treibstoffmarkt den Prototyp eines Oligopols dar, und zwar also einer Marktform, aus der in der Tat kein gleichgewichtiges Auspendeln der Preise zu erwarten ist. Vielmehr ist bei dieser Marktform denkbar und in vielen Fällen auch nachweisbar, daß sich der Preis oberhalb des sich bei wirksamem Wettbewerb bildenden Preises einstellt, ohne daß dies einer besonderen Abrede der Anbieter bedürfte. Eine mögliche Preissenkung unterbleibt - nach meiner Meinung -, weil keiner der Anbieter sich von einer solchen Preissenkung eine Ausweitung seines Marktanteils versprechen kann; denn seine Konkurrenten würden ihm selbstverständlich mit der gleichen Preissenkung sofort auf dem Fuße folgen. Daraus folgern die Treibstoffgesellschaften,
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in diesem Bereich sei also kein eigentlicher Preiswettbewerb möglich und an seine Stelle trete eine Art Leistungswettbewerb, der sich sowohl auf die Qualität der angebotenen Erzeugnisse als auch auf die gebotenen Nebenleistungen, den sogenannten Service, erstreckt. Ein solches Ausweichen in andere Wettbewerbsformen ist besonders da nicht unbedenklich, wo die von den Anbietern behaupteten Qualitätsmerkmale von den Abnehmern nicht oder nur sehr schwer beurteilt werden können. Deshalb geht das Bemühen der Bundesregierung in der Tat dahin, auch diesen Bereich zu einem im Preis erkennbaren Wettbewerb hinzuführen.
Zur Frage 3. Bereits zu Punkt 1 der Ausführungen habe ich darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung keinen genauen Einblick in die Kostensituation der Mineralölindustrie hat. Deshalb kann sie auch über die Ausführungen zu Punkt 1 hinaus keine exakten Angaben darüber machen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die aus dem Verkehrsfinanzgesetz resultierende Verbrauchsteuererhöhung für Mineralöl von den Treibstoffgesellschaften hätte aufgefangen werden können; ich darf erinnern: 2 Pfennig pro Liter Vergaserkraftstoff und 10 Pfennig pro Liter Dieselkraftstoff. In dem Zusammenhang muß ich allerdings darauf hinweisen, daß die Steuererhöhung für Dieselkraftstoff den vom Gesetzgeber gewünschten verkehrspolitischen Zweck haben sollte, gerade eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene zu erzielen. Die Regierung war sich daher im klaren, daß ein Auffangen der Steuererhöhung für Dieselkraftstoff den Gesellschaften nicht möglich sein würde. Es hätte aber auch nicht im Sinne des Gesetzgebers gelegen. - Dagegen hatte die Anhebung des Steuersatzes für Vergaserkraftstoff um die berühmten 2 Pfennig allerdings ausschließlich fiskalische Gründe: man benötigte Geldmittel zur Finanzierung in der Hauptsache des Baues von Autobahnen.
Um mich aber doch auch noch gegen den Vorwurf, vielleicht Außenseiter zu sein, zu wehren, möchte ich Ihnen sagen, daß wir in der Tat einige Kostenzahlen von größeren Gesellschaften haben. Diese Zahlen ergeben, daß die von den Gesellschaften erzielten Gewinne je Liter Benzin zwischen 1 Pfennig und 2 Pfennig variieren.
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- Die Zahlen sind uns von den großen Gesellschaften eingereicht worden. Wir haben keinen besonderen Anlaß, anzunehmen, daß darin wesentliche unsichere oder zweifelhafte Faktoren enthalten sind.
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Allerdings muß ich sagen, daß bei der Variation zwischen 1 Pfennig und 2 Pfennig teils das Tankstellengeschäft, teils das Tankstellen- und Propergeschäft gemeint sind. Außerdem sind es Angaben verschiedener Gesellschaften. Wir haben auch eine Aufgliederung des Tankstellenpreises vorliegen. Herr Abgeordneter Schmidt, insofern sind die Angaben, die Ihnen geworden sind, richtig. Allerdings glaube ich, daß die Aufgliederung des Tankstellenpreises noch keinerlei exakte Rückschlüsse auf die eigentlichen Kostenpreise ermöglicht.
Dann komme ich zur Frage 4. Es ist zutreffend, daß die Tankstellenpreise in der Bundesrepublik höher liegen als in den meisten westeuropäischen
Ländern. Für diesen Unterschied der Preise führen die Gesellschaften folgende Gründe an. Erstens: Qualität des Benzins ist im allgemeinen tatsächlich in Deutschland besser als im Ausland; Oktanzahl bei uns 86, im Ausland im Durchschnitt 82. Zweitens: die Vertriebsspanne der in der Bundesrepublik vorhandenen Mineralölvertriebsgesellschaften ist höher als im Ausland. Dafür wird u. a. als Begründung angeführt, daß der Wiederaufbau des durch den Krieg weitgehend zerstörten und in seinen Restanlagen veralteten Vertriebsnetzes große Mittel erfordert habe, die bisher weitgehend über den Preis hereingeholt wurden. Hierbei mußte, soweit der Kapitalmarkt angegangen wurde, ein über dem europäischen Durchschnitt liegender Zinssatz getragen werden. Drittens: die Provisionen für die Tankstellenhalter sind in der Bundesrepublik höher als im Ausland, wofür der geringere durchschnittliche Umsatz je einzelner Tankstelle maßgeblich sein soll. - Wir bedauern allerdings auch, daß gerade die Tankstellenprovision in diesen Tagen um 1/2 Pfennig verbessert wurde. Wir hätten es natürlich begrüßt, wenn die Gesellschaften sich hätten entschließen können, den halben Pfennig dem Verbraucher zugute kommen zu lassen.
Das ist die Begründung der Gesellschaften. Nach Ansicht der Bundesregierung kann das Argument, das sich auf die geleisteten Investitionen bezieht, im wesentlichen nur für die Vergangenheit in Anspruch genommen werden. Wenn hier offensichtlich in einer guten Voraussicht für einen künftig gehobenen Bedarf investiert wurde, so würde allerdings der Aufwand für diese Kategorie von Kosten auch bei dem Tempo der Motorisierung verhältnismäßig rasch zurückgehen können. Dadurch müßten die Generalunkosten pro Liter Benzin wesentlich sinken. Der Verbrauch sollte dann allerdings auch preislich in den vollen Genuß einer Leistung kommen, die er ja mindestens zum Teil schon vorab durch den von ihm bisher gezahlten Preis finanzieren half.
Zur Frage 5. Bei der Frage 2 habe ich schon auf die oligopolistische Struktur des Treibstoffmarktes hingewiesen. Ich habe auch darauf hingewiesen, daß bei dieser Marktform ein gleichschrittiges Vorgehen der Anbieter in Preisfragen nicht ungewöhnlich ist und auch nicht unbedingt bedeutet, .daß damit wettbewerbsfeindliche Absprachen oder eine überhöhte Preisforderung verbunden sein müssen. Die Bundesregierung ist aber der Auffassung, daß der Treibstoffmarkt eine wesentlich größere Beweglichkeit aufweisen würde, wenn sich in diesem Bereich ein echter Wettbewerb durchsetzte.
Zur Frage 6. Die Bundesregierung hat dem Parlament den Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgelegt, das sie ermächtigen soll, Marktsituationen, wie sie das Thema dieser Anfrage bilden, zu begegnen. Inzwischen hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft, und zwar schon seit längerer Zeit, mit den führenden Mineralölfirmen Gespräche geführt und wird sie fortsetzen, um die Firmen zu einer Preispolitik anzuhalten, die den gesamtwirtschaftlichen Interessen Rechnung trägt.
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Die Bundesregierung sieht in solchen Verhandlungen mit Wirtschaftszweigen ein legitimes wirtschaftspolitisches Instrument. Sie setzt diese Ver({10})
handlungen fort in der Überzeugung, daß Methoden zu finden sein werden, den deutlichen Erwartungen insbesondere auf eine preisliche Entspannung des Treibstoffmarktes zu entsprechen.
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Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage, ob in die Beratung eingetreten werden soll. Wird sie gewünscht?
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- Das sind mehr als 30 Mitglieder des Hauses. Wir treten in die Beratung ein. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein sehr verehrter Herr Kollege Schmidt hat für die Einbringung der Großen Anfrage drei Motive herausgestellt. Ich habe keinen Anlaß, an der Wahrhaftigkeit und Echtheit dieser Motive zu zweifeln. Aber ich meine, eines hat er sicherlich noch vergessen. Ein viertes Motiv war ein rein politisches mit dem Beigeschmack, dem Herrn Bundeswirtschaftsminister in bezug auf die Kartellüberwachung gewisse Vorwürfe zu machen und in der Öffentlichkeit so etwas den Eindruck zu erwecken - Herr Kollege Schmidt, Sie werden mir verzeihen, wenn ich das einmal ausspreche -: „Wählt SPD und ihr bekommt billigere Benzinpreise!" Ihre Ausführungen waren jedenfalls sehr darauf ausgerichtet, die Gunst der Benzinnutzer zu erringen. Dieses Bemühen wurde im letzten Teil Ihrer Ausführungen nur noch von dem offensichtlichen Bemühen übertroffen, auch die Gunst der Direktoren der großen Gesellschaften zu behalten oder zu erneuern.
Herr Staatssekretär D r. West r i c k hat sehr richtig die Mineralölwirtschaft charakterisiert als ein Oligopol, das dargestellt wird durch große ausländische Gesellschaften, die den Markt beherrschen. Es handelt sich zweifellos dabei um eine sehr konzentrierte Macht, auf deren Praktiken wir weder mit den Mitteln der Planwirtschaft - wie sie Herr Schmidt seinen Ausführungen in der Argumentation offenbar zugrunde legte - und noch weniger mit denen der Sozialen und Freien Marktwirtschaft Einfluß haben.
Es schiene mir völlig abwegig, wenn wir uns bei der Diskussion über das Thema der Angemessenheit der Benzinpreise von irgendwelchen emotionalen Regungen beeinflussen ließen, etwa von einer Voreingenommenheit gegenüber Gesellschaften, die maßgeblich vom Ausland her bestimmt sind. Ich halte es vielmehr für einen Akt der Klugheit, daß wir die Dinge sehr nüchtern und sorgfältig analysieren und den Versuch machen, durch eine sorgfältige Analyse zu bestimmten Konsequenzen zu kommen.
Ich meine, das ganze Haus ist sich in dem einen Punkt einig, daß die größten Anstrengungen gemacht werden müssen - nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Bemühungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers um eine Stabilität und eine Senkung der Preise -, im Laufe der nächsten Monate auch eine Senkung der Benzinpreise zu erreichen.
Ich habe mir in den letzten Monaten die Mühe gemacht, mir in sehr vielen Gesprächen mit Vertretern der deutschen Mineralölwirtschaft und auch in einem Gespräch in Zürich im Hause Duttweiler ein Bild von der Situation zu machen, und bemühe mich, aus dem Für und Wider in der Argumentation ein richtiges Urteil zu gewinnen. Herr Kollege Schmidt hat mit Recht den Benzinpreis in der Bundesrepublik den Preisen in anderen vergleichbaren Ländern Europas gegenübergestellt. Es ist ganz unbestreitbar, daß der Verkaufspreis - abzüglich der Steuer- und Zollbelastungen - in Deutschland zum Teil um 10 Pf höher liegt als z. B. in Belgien, Holland und anderen Ländern. Der Objektivität halber aber müssen wir diese Gegenüberstellung noch durch den Abzug der Tankstellenprovision ergänzen. Es ergibt sich dann ein in gewisser Weise anderes Bild. Die Tankstellenprovision beträgt in Deutschland 7,24 Pf je Liter, in anderen Ländern, z. B. Belgien 2,75 Pf, Dänemark 3,04 Pf, England 4,10 Pf, Frankreich 3 Pf, Holland 3,25 Pf, Italien 4,5 Pf, Norwegen 3,6 Pf usw., alles pro Liter. Das heißt: Die Sätze der Tankstellenprovision liegen in Deutschland im Durchschnitt um 31/2 bis zu 4, fast 5 Pf über den Tankstellenprovisionen im Ausland.
Stellt man dann einen Vergleich der Benzinpreise an - Verkaufspreis abzüglich Steuer- und Zollbelastung und abzüglich Tankstellenprovision -, ergibt sich in der Bundesrepublik ein Nettopreis von 22 Pf je Liter, in Belgien von 18,6 Pf, Dänemark 17,5 Pf, England 16,5 Pf, Frankreich 17 Pf, Holland 16,5 Pf. Nehmen wir noch die Schweiz mit 16,3 Pf dazu. Das heißt: Die Differenz liegt etwa bei 3, 4, 5 Pf je Liter, immerhin etwas weniger als das, was der Herr Kollege Schmidt angeführt hat. Das muß man der Gerechtigkeit wegen, glaube ich, erwähnen.
Nun muß ich aber auch der Objektivität halber anfügen, was ich bei der Schweiz festgestellt habe. Der Verkaufspreis in der Schweiz von netto 16,3 Pf entspricht einem Nettopreis in Deutschland von 22 Pf. Das ergibt aber noch nicht ein ganz richtiges Bild, weil zu diesem Nettopreis noch der Aufschlag kommt, der im deutschen Benzinpreis durch die Zoneneinteilung entsteht. Sie wissen, daß der Verkaufspreis in Hamburg 62 Pf beträgt, dann sich staffelt von 63 bis 67 Pf. In dem deutschen Teil nördlich der Schweizer Grenze beträgt er 66 Pf, also 4 Pf über dem Nettopreis, der hier bei dem Vergleich zugrunde gelegt worden ist. Legt man diesen Preis zugrunde, dann ergibt sich auch bei dem Vergleich mit dem nördlichen Teil der Schweiz, also dem Teil längs der deutschen Grenze, wiederum ein ungünstigeres Bild und eine Differenz von ungefähr 9 Pf. Allerdings muß dabei zugegeben werden, daß die Benzinversorgung im nördlichen Teil der Schweiz bis Basel auf dem Wasserwege sicherlich weniger Unkosten verursacht als die Versorgung auf der deutschen Seite bis Mannheim auf dem Wasserwege und die Weiterleitung bis an die Schweizer Grenze. Aber wie gesagt: daß gewisse schwer zu begründende Preisdifferenzen in der Gesamtbetrachtung erkennbar werden, kann von niemandem und kann auch von den deutschen Mineralölgesellschaften nicht bestritten werden.
Ich möchte im übrigen, Herr Kollege Schmidt, bei der Anspielung auf mein Gespräch im Hause Duttweiler nicht allzu weit gehen; denn es sind da zum Teil auch Meinungen vertreten worden - ich möchte nicht sagen: Vorwürfe erhoben worden -, deren Prüfung ich bisher nicht habe abschließen können und über die zu sprechen ich daher zu diesem Zeitpunkt nicht für richtig halte.
({0})
Aber wenn wir diese Preisdifferenzen betrachten, müssen wir auch auf der Gegenseite gewisse Argumente gelten lassen, die von Herrn Staatssekretär Westrick zum Teil bereits angeführt worden sind. Ich bringe sie hier vor, nicht etwa zur Verteidigung des gegenwärtigen Benzinpreises, den auch ich für zu hoch halte, aber doch, um die Situation zu klären und um ein unvoreingenommenes Urteil zu ermöglichen. Es gibt acht Argumente, die wir berücksichtigen müssen und die ich Ihnen kurz vortragen will.
Einmal ist nach 1945 auf dem Mineralölsektor in Deutschland eine Strukturveränderung eingetreten. Wir sind vor dem Kriege ein Einfuhrland gewesen. Wir haben Fertigwaren importiert und sind nach dem Kriege aus den verschiedensten, zweifellos berechtigten Erwägungen heraus zu einer Eigenerzeugung übergegangen. Bei dieser Eigenerzeugung verarbeiten wir 30 % Rohöl, das aus Deutschland selbst kommt, und 70 % Rohöl, das importiert werden muß. Es wäre zweifellos nicht richtig und ein Fehler gewesen, wenn wir nach 1945 auf eine Eigenproduktion verzichtet hätten. Dazu kommt, daß die vorhanden gewesenen Anlagen im Besitz der deutschen Gesellschaften - Schiffe, Fuhrparks, Tankstellen, Versorgungsbasen usw. - durch den Krieg zerstört gewesen sind und daß im Laufe der letzten Jahre für den Aufbau der deutschen Mineralölwirtschaft bis zu einer Milliarde DM investiert worden ist, ein immerhin beachtlicher Faktor.
Zum zweiten! Mit einer gewissen Berechtigung wird vielleicht hier und dort der Ausbau des deutschen Tankstellenwesens kritisiert: zu aufwendig, zum Teil durchaus nicht in das Landschaftsbild hineinpassend. Aber man muß wohl das eine Argument gelten lassen: daß die Investitionen im Tankstellenbau zu Recht im Hinblick auf die in den nächsten Jahren zu erwartende Zunahme an Kraftfahrzeugen berechnet wurden. Bei Beurteilung der Kostensituation sollte man wohl auch den wirklich erstklassigen Service in Rechnung stellen, den sich die Gesellschaften zweifellos etwas kosten lassen und der in gleicher Weise nicht überall im Ausland üblich ist.
Vielleicht auch eine ganz kurze Nebenbemerkung an unser Bundesverkehrsministerium. Die im Besitze des Bundes befindliche Gesellschaft für Nebenbetriebe hat im Laufe der letzten Jahre auch 80 Tankstellen an den deutschen Autobahnen gebaut, und zwar sind das mit 'die aufwendigsten Tankstellen. Man kann also sagen, der Bund ist hier entweder mit gutem oder mit schlechtem Beispiel vorangegangen, je nachdem, wie man sich zu dem Aufbau des Tankstellennetzes stellt.
Von dem Herrn Kollegen Schmidt wird in seiner Großen Anfrage die Frage gestellt: Welches ist denn nun der richtige Benzinpreis? Herr Staatssekretär Westrick hat darauf hingewiesen, daß hier eine Verbundkalkulation vorliegt und es sehr, sehr schwierig ist, eine Analyse darüber zu geben, ob der Preis für Benzin, für Diesel-, für Heizöl und für die 200 sonst bei dem Raffinierungsvorgang anfallenden Nebenprodukte so oder so ist. Die Preise können eben nur in ihrer Gesamtheit gesehen werden.
Aber das Charakteristikum ist der gespaltene Preis, ist der Umstand, daß heute tatsächlich Preisnachlässe bis zu 18 Pf beim Benzin und bis zu 8 Pf pro Liter beim Diesel gegeben werden, und zwar gehen, soviel mir bekannt ist, bei Benzin 15 % der
Produktion, bei Dieselkraftstoff 75 % zu sehr wesentlich verbilligten Preisen an Großabnehmer. Es ist nur natürlich, daß sowohl unter den „Normalverbrauchern" als auch unter den Tankstellenbesitzern eine Verärgerung und Empörung darüber eingetreten ist, daß die Tankstellen gezwungen sind, den Kraftstoff zu dem vorgeschriebenen Preis zu verkaufen, während daneben ein Betrieb sitzt, der durch Großabnahme die Möglichkeit hat, das gleiche Produkt zu einem sehr wesentlich billigeren Preis zu bekommen.
Vielleicht ist es für Sie, meine Damen und Herren, von Interesse, die Argumentation der Mineralölwirtschaft zu kennen, da sie bei unseren Überlegungen berücksichtigt werden muß. Bei dem Raffinierungsprozeß fallen 31,5 % Benzin und 26,2 % Dieselkraftstoff an. Der Anteil des Benzins ist also höher als der des Dieselkraftstoffs. Im Verbrauch ist es aber genau umgekehrt. Im Jahre 1954 wurden 2,3 Millionen t Benzin und 2,6 Millionen t Dieselkraftstoff verbraucht. Das gleiche Verhältnis ergibt sich aus den Zahlen des ersten Halbjahrs 1955. Das heißt mit anderen Worten, daß in Deutschland zur Befriedigung des Dieselölbedarfs eine bestimmte Menge an Rohöl verarbeitet werden muß, beim Verarbeitungsprozeß aber ein Überschuß an Benzin anfällt, den dann die Gesellschaften im Propergeschäft zu günstigeren Preisen abstoßen. Das ist die Argumentation der Mineralölwirtschaft für die Preisbildung im Propergeschäft.
Herr Staatssekretär Westrick hat dann viertens darauf hingewiesen, daß im Laufe der letzten vier Jahre trotz der gestiegenen Material- und Lohnkosten eine effektive Preissenkung um 3 Pf eingetreten ist, wenn man das Verkehrsfinanzgesetz mit berücksichtigt, während im gleichen Zeitraum - meine Damen und Herren, das sollte auch einmal festgestellt werden - der Weltmarktpreis nur um 1,3 Pf zurückgegangen ist.
Herr Staatssekretär, erlauben Sie mir eine kurze Bemerkung als Antwort auf Ihre Feststellung, daß die Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes mit der Dieselpreiserhöhung eine Verlagerung der Transporte zugunsten der Bahn habe bezwecken wollen. Ich möchte das richtigstellen. Wir gingen im Verkehrsausschuß sowie im Finanz- und Steuerausschuß bei unseren Erwägungen darauf aus, eine Kostengerechtigkeit herbeizuführen, und erstrebten lediglich eine gleichmäßige, d. h. gerechtere steuerliche Belastung von Diesel und Benzin. Aus diesem Grunde sahen wir uns genötigt, den Dieselkraftstoffpreis um 10 Pfennig anzuheben.
Das fünfte Argument der Mineralölwirtschaft, das auch Herr Staatssekretär Westrick erwähnt hat, ist die Qualitätsverbesserung. Darauf möchte ich nicht weiter eingehen.
Das sechste ist die höhere Tankstellenprovision, die bereits einmal erwähnt warden ist.
Der siebente Punkt, meine Damen und Herren, scheint mir wert zu sein, gerade hier behandelt zu werden, und das ist die unterschiedliche Handhabung der Verzollung bei der 'deutschen Mineralölwirtschaft und bei der Mineralölwirtschaft des Auslandes. In Deutschland wird das Rohöl in seiner Gesamtheit verzollt, obwohl bei der Raffinierung und bei der sonstigen Verarbeitung des Rohstoffs etwa 3 1/2% Verluste eintreten: Wasser, Schlamm und sonstige Abfälle. Es scheint mir angemessen zu sein, daß man diese Tatsache bei der Beurteilung der Benzinpreise mit in Rechnung stellt. Ich komme darauf noch zurück.
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Das Achte, was ich hier vortragen will, meine Damen und Herren, ist die Überlegung, daß die Mineralölwirtschaft in Anbetracht des ständig wachsenden Kraftverkehrs auch in Zukunft eine Kapazitätsausweitung nötig haben wird. In den letzten Tagen ist bereits eine Mitteilung durch die Presse gegangen, daß die Esso z. B. an den Neubau einer Raffinerie im Ruhrgebiet im Werte von etwa 200 Millionen DM und daran denkt, eine Pipeline von Wilhelmshaven ins Ruhrgebiet zu legen, ein Projekt im Werte von etwa 150 Millionen DM. Zweifellos handelt es sich bei dieser Pipeline um einen echten Rationalisierungsfaktor. Wenn wir auf der anderen Seite berücksichtigen, daß der Benzinverbrauch in der Bundesrepublik pro Person im Jahr 164 kg, dagegen in Frankreich 3r8 kg, in England 412 kg, also das Doppelte bis zum Dreifachen, beträgt - in den Vereinigten Staaten ist der ProKopf-Verbrauch 2243 kg; da kann man gar nicht so schnell ausrechnen, das Wievielfache das ist -, dann scheint es mir schon berechtigt, wenn die Gesellschaften auf diesen neuen Investitionsbedarf hinweisen.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen diese acht Punkte einmal vorgetragen. Die Frage ist nun: Was ergibt sich als Konsequenz aus der Situation? Ich habe bereits eingangs gesagt: ich sehe mich nicht in der Lage, die heutigen Benzinpreise etwa zu verteidigen. Aber ich bin der Meinung, daß die besondere deutsche Situation zweifellos eine gewisse Rechtfertigung dafür gibt, daß sich die deutschen Benzinpreise zumindest bisher nicht auf der gleichen Ebene bewegten wie im Ausland, wo dieser ungeheure Nachhol- oder Erneuerungsbedarf nicht vorlag. Auf der andern Seite bedeutet gerade die Tatsache der ständig fortschreitenden Absatzsteigerung für die Mineralölwirtschaft in der Bundesrepublik nicht nur die Notwendigkeit, ihre Kapazität auszuweiten, sondern auch - das muß man meines Erachtens den GeselLschaften mit größtem Nachdruck vor Augen halten - eine ständig günstiger werdende Ausnutzung ihres Produktions-, Verarbeitungs- und Verteilungsapparates. Daraus sollten sich bereits gewisse Möglichkeiten einer Überprüfung ihrer Kalkulation ergeben.
Des weiteren, meine Damen und Herren, muß meines Erachtens unter die Periode der Investitionsfinanzierung ausschließlich über den Preis ein Schlußstrich gezogen werden. Dieser Appell ist sicher nicht allein an die Mineralölwirtschaft zu richten, sondern es ist ein Appell, der die gesamte deutsche Industrie angeht; denn wir wissen, daß in den anderen Industrien nicht sehr viel anderes geschehen ist, und niemand hat bisher sehr Anstoß daran genommen. Es gibt gar keinen Zweifel, daß wie für die Mineralölwirtschaft auch für sehr viele andere Industrien gar keine andere Möglichkeit bestanden hat, als den Aufbau über den Preis zu finanzieren. Aber ich bin der Meinung, daß wir insgesamt und insbesondere bei der Mineralölwirtschaft wieder zu einer normalen Investitionsfinanzierung kommen müssen und daß auch aus diesem Grunde gewisse Möglichkeiten für die Mineralölwirtschaft vorliegen, ihre Kalkulation veränderten Umständen anzupassen.
Ein Weiteres kommt dazu, und mir scheint, auch das ist an und für sich ein Appell, den man nicht nur an die Mineralölwirtschaft, sondern an die gesamte Industrie richten sollte. Es ist eine bedenkliche Tendenz, so große Anlagen, wie sie auch die Raffinerien darstellen, unbedingt in wenigen Jahren abschreiben zu wollen. Auch hier sollte man vielleicht zu normaleren Praktiken zurückkehren.
Eine andere wichtige Aufgabe geht vor allem die Bundesregierung und uns als Parlament an. Wir müssen zu einem anderen Verzollungsmodus beim Rohöl kommen, und zwar dadurch, daß wir entweder zur Verzollung des Fertigprodukts übergehen oder aber den Zollsatz für das Rohöl um den Anteil der Raffinierungsverluste ermäßigen. Ich möchte die Bitte an das Bundesfinanzministerium richten, in dieser Sache vorbereitende Arbeiten zu leisten. Wenn ich richtig unterrichtet bin, ist man in Ihrem Hause, Herr Staatssekretär Hartmann, auch bereits dabei, diese Dinge zumindest wohlwollend zu prüfen.
Vielleicht fehlt uns in der Bundesrepublik, was die Mineralölwirtschaft angeht, ein Außenseiter. Aber wenn wir diese Tatsache feststellen, ist damit noch nichts gewonnen. Denn ich möchte meinen, daß ein outsider vom Schlage Duttweilers in Deutschland wahrscheinlich keine sehr große Chance haben wird. Ich habe mich nämlich überzeugen können, daß die Chance von Herrn Duttweiler im wesentlichen darin gelegen hat, daß er Überschußmengen auf dem Weltmarkt sehr günstig einkaufen konnte, daß er sehr günstige Frachtangebote ausnutzen konnte und daß es dabei um Mengen ging, die, auf die Verhältnisse der Schweiz zugeschnitten, sowohl von ihm verkraftet werden als auch eine starke Wirkung auf den Markt auslösen konnten. Auf die Verhältnisse der Bundesrepublik zuggeschnitten wäre ein solcher Versuch wahrscheinlich schwieriger zu bewältigen und weniger erfolgversprechend. Wir können meines Erachtens nicht damit rechnen, daß das Auftreten eines outsiders in der Bundesrepublik zu einem ähnlichen Ergebnis führen würde, wie es Herrn Duttweiler gelungen ist. Wir müssen vielmehr darauf vertrauen, daß die Mineralölwirtschaft von sich aus auf Grund einer veränderten Situation und veränderter Möglichkeiten für sie selbst zu einer Überprüfung ihrer bisherigen Kalkulation kommt.
Ich habe die dringende Bitte, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister und der Herr Bundesfinanzminister gemeinsam ihre Gespräche mit der deutschen Mineralölwirtschaft in dieser Richtung fortsetzen. Meine Hoffnung geht dahin, daß sich die Mineralölwirtschaft die Chance nicht wird entgehen lassen, auch zu ihrem Teil dazu beizutragen, daß wir auf dem Wege der Preisstabilisierung und der Preissenkung wirklich einmal einen Schritt nach vorn tun. Die Möglichkeiten dazu sind vorhanden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schloß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser temperamentvoller Kollege Schmidt hat zu Beginn seiner Ausführungen bedauert, daß die Mineralölgesellschaften sich leider nicht im Zustand der öffentlichen Anklage befänden. Das hat in diese Diskussion eine gewisse scharfe Note gebracht, die glücklicherweise durch die sehr sachlichen und gut fundierten Ausführungen des Herrn Kollegen Müller-Hermann wesentlich gedämpft worden ist. Wenn ich hier das Wort zu diesem Thema ergreife, dann deswegen, weil ich in einer privatwirtschaftlichen Position in der Mineralölwirtschaft tätig bin -- was ich hier öffentlich bekenne - und die Probleme von der letzten Stelle,
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nämlich vom Vertrieb aus, sehr gut übersehe und kenne. Ich bin allerdings nicht in einer Position bei den sogenannten big-boss-Firmen, sondern eher bei einer Firma, die die Rolle eines Außenseiters spielen könnte und zum Teil auch spielt.
Das umfassende Zahlenmaterial über die Situation in der Mineralölwirtschaft, das Herr Müller-Hermann gebracht hat, kann ich in jeder Weise unterstreichen. Er hat mir insofern das Konzept verdorben, als ich als Redner nach ihm diese Dinge nun nicht mehr von mir aus bringen kann. Ich möchte aber doch noch ein paar Streiflichter aufsetzen und dabei im wesentlichen auf Zahlen verzichten.
Der fundamentale Irrtum, dem die Befürworter dieser Attacke auf die Mineralölgesellschaften unterliegen, besteht nach meiner Auffassung darin, daß sie nur e i n Erzeugnis des umfassenden Produktionsprogramms der Mineralölwirtschaft in die Diskussion werfen und dabei wirklich übersehen, daß es sich um ein Koppelprodukt handelt. Die Mineralölgesellschaften bringen einige hundert verschiedene Erzeugnisse auf den Markt. Es ist auch eine vollkommen irrige Auffassung, anzunehmen, man könne Vertriebsgesellschaften von den Raffinerien trennen. Gerade bei den großen Firmen, die hier angegriffen wurden, besteht ein enger und eindeutiger Zusammenhang zwischen Produktion und Vertrieb.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung befand sich vor einigen Wochen im Laufe der Auseinandersetzungen über die Benzinpreise auch ein Artikel eines Herrn Jürgen Eick, der offensichtlich von Unterhaltungen inspiriert war, die er mit den Sachkennern der Mineralölwirtschaft gehabt hat.
In diesem Artikel hat Herr Eick nicht nur die objektiven Sachverhalte, die von den Gegnern der Mineralölgesellschaften ins Feld geworfen wurden, sondern auch die Mineralölwirtschaft selber zu Wort kommen lassen. Er brachte den netten Vergleich mit dem Schafzüchter, der auch nicht genau sagen könne, welche Kostenaufwendungen er einmal für die Wolleerzeugung und zum andern für die Fleischerzeugung beim Schaf habe. Viel komplizierter liegen die Dinge in der Mineralölwirtschaft. Wenn schon einmal eine Überprüfung des Geschäftsgebarens dieses bedeutenden Zweiges unserer Volkswirtschaft stattfinden wird, bin ich überzeugt, daß die Prüfer, die in diesem Falle nicht Parlamentarier sein werden, sondern die unserer Verwaltung entstammen müssen, die nötige Objektivität aufbringen, das Ganze zu sehen.
Bei der Kritik an den Mineralölgesellschaften scheint mir überhaupt mehr oder weniger ein Politikum erster Ordnung vorzuliegen. Herr Kollege Schmidt hat unter den drei Motiven, die er dargelegt hat, an letzter Stelle das kartellpolitische Interesse erwähnt. Ich darf wohl sagen, wir haben hier im Hause allgemein den Eindruck gehabt, daß das Ihr maßgebliches Interesse an dieser Diskussion war.
Auf die fünf Fragen der SPD ist hier in einer Reihe von Darlegungen eingegangen worden. Ich möchte aus meiner Sachkenntnis ein paar Randbemerkungen dazu machen.
Zunächst einmal ist der Herr Vertreter des Wirtschaftsministeriums der Gretchenfrage, ob er den Preis für angemessen halte, recht faustisch ausgewichen. Es ist ganz natürlich, daß die Frage in dieser Verallgemeinerung - vor Verallgemeinerungen sollten wir uns ohnehin hüten, wenn wir in diese Dinge hineinsteigen - gar nicht beantwortet werden kann. In diesem Hause und ganz besonders im Wirtschaftsministerium ist eindeutig das Bestreben vorhanden, in dieser Zeit der Preis-und Lohnbewegung jede Tendenz zu fördern, die der Preissenkung dient. Diese Tendenz darf auch vor der Mineralölwirtschaft nicht haltmachen. Dem Appell des Herrn Müller-Hermann, die Mineralölwirtschaft möge den Rechenstift nehmen und sehr scharf kalkulieren, um das ihre dazu beizutragen, daß die Preise, in diesem Falle die Mineralölpreise, insgesamt nach unten tendieren, ist von diesem Hause ja auch Beifall gespendet worden.
Meine Damen und Herren! Herr Schmidt hat dann insbesondere das kartellähnliche Verhalten der Gesellschaften angegriffen. Ich möchte ganz entschieden Einspruch gegen diesen Vorwurf erheben. Ich selbst kenne in der äußersten Vertriebsorganisation die divergierenden Interessen, das Gegeneinander, den scharfen Kampf um den letzten Kunden und habe mir manches Mal die Zeiten zurückgewünscht, die vor dem Kriege bestanden, als die Gesellschaften tatsächlich kartellähnliche Abmachungen hatten; sie widersprachen ja den Gesetzen nicht, da damals nach den Abmachungen des „Blauen Buches", wie das im Treibstoffwesen hieß, ganz klares Verhalten der Konkurrenten am Markt zu erkennen war. Wenn sich heute der Marktkampf im Tankstellengeschäft, im Tankstellenpreis nicht sichtbar dokumentiert, so darf man doch sagen, daß er in allen anderen Sparten des Geschäfts sich wild austobt. Hier ist erwähnt worden, daß der Service, die Qualitätsverbesserung eine dieser Verlagerungsmöglichkeiten für einen echten Wettbewerb sei. Ich darf Ihnen sagen, daß schon das Umwerben von Tankstelleninteressenten einen derartigen Wettbewerb auslöst. Der Mann, der heute einen gut gelegenen, verkehrsgünstig gelegenen Platz hat, ist in der Lage, in souveräner Weise die Bedingungen zu stellen und zu bestimmen, unter denen eine Treibstoffgesellschaft mit ihm arbeitet; und diese Bedingungen sind - das werden Ihnen all diese klugen Leute, die die Mineralölgesellschaften in den letzten Jahren mit solchen Plätzen beglücken konnten, bestätigen - von Fall zu Fall besser geworden.
Wenn aber heute behauptet wird, die Mineralölgesellschaften schlössen „Knebelungsverträge" ab - wie das in einer Denkschrift, die dem Hause vorgelegt worden ist, behauptet wird -, so kann man dazu nur sagen: Beachten Sie bitte die rechtliche Behandlung von Auseinandersetzungen! Sämtliche deutschen Gerichte - und das sind maßgebende deutsche Gerichte, und Urteile liegen mir vor -, die in den letzten Jahren in Anspruch genommen worden sind, das Unmoralische oder Ungesetzliche solcher Ausschließlichkeitsverträge zu verdammen, haben Urteile gesprochen, die für die Mineralölgesellschaften günstig sind. Es handelt sich hier um Verträge, die zwischen zwei Partnern abgeschlossen werden, von denen keiner unter Druck steht, von denen jeder freiwillig seiner Meinung Ausdruck geben kann; und es ist ein höchst merkwürdiges Verfahren, wenn ein Partner, der ohne Druck und freiwillig einen Vertrag geschlossen hat, sich nach einer gewissen Zeit über eine Organisation an das Parlament wendet und dort praktisch die Diffamierung dieser Verträge anstrebt. Wir sollten sehr vorsichtig sein, in Bausch und Bogen ein derartiges Verfahren für richtig zu halten.
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Ich verkenne nicht, daß aus der Vorkriegszeit Verträge bestehen, deren Charakter nach unserer heutigen Auffassung nicht mehr tragbar ist. Aber auf diesem Gebiet hat sich nach der Auflösung des Zentralbüros für Mineralöl, die neue Verträge mit den Tankstellenhaltern notwendig machte, ein Wandel vollzogen, und es kann von Knebelungsverträgen keine Rede sein. Insbesondere sind die Verträge, die ich eingesehen habe, und die zum Teil von der Konkurrenz stammen, durchaus auf ein zweiseitiges Kündigungsrecht abgestellt. Aber vergessen Sie nicht: der Tankstellenhalter, der im Sinne des Gesetzes Agent, also Handelsvertreter ist, muß seine Preisdirektiven und seine Verhaltensdirektiven von der Firma übernehmen, die ihm die Verkaufseinrichtungen stellt und die einen Markenartikel feilhält. Das ist nicht nur in der Mineralölwirtschaft Usus, das ist in einer ganzen Reihe von Produktionszweigen der Fall; ich darf nur an die gebundenen Preise der Automobilfirmen und ähnliches erinnern. Meine Damen und Herren, daß das im Sinne der freien Marktwirtschaft keine Idealzustände sind und daß sie irgendwie einer Bereinigung bedürfen, ist klar; und daß die Mineralölwirtschaft, nachdem sie eine gute Entwicklungsmöglichkeit vor sich sieht, auf diesem Gebiet mit gutem Beispiel vorangehen müßte, das ist nicht nur ein Wunsch, den wir hier laut äußern, sondern das dürfte auch in vielen Kreisen der Mineralölwirtschaft allmählich durchgedrungen sein. Wenn sich aber eine etwas sture Haltung in Kreisen der Mineralölwirtschaft gezeigt hat, dann nicht zuletzt deswegen, weil die Angriffe vielfach sehr unsachlich vorgetragen worden sind
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und weil man die wirkliche Situation dieses Wirtschaftszweiges oft völlig außer acht gelassen hat.
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Wenn es große Preisunterschiede beispielsweise zwischen dem Schweizer Bezinpreis und dem deutschen gibt, dann spielt dabei eine ganze Reihe von Umständen mit, die die . Mineralölwirtschaft nicht auf dem Kerbholz hat. Daß sie ihre langfristigen Investionen in den letzten Jahren mit kurzfristigen Mitteln und gegenüber der Schweiz oder dem Ausland überhaupt sehr überhöhten Zinssätzen hat durchführen müssen und daß sie diese Investionen über den Preis abgewälzt hat, das ist auch ein Vergehen, wenn Sie das so nennen wollen, das praktisch der gesamtdeutschen Wirtschaft zur Last zu legen ist und das seine Ursache in unseren besonderen Kapitalmarktverhältnissen hat. Darüber hinaus hinkt der Vergleich mit der Schweiz insofern, als dort eine durch keinerlei Kriegsverluste intakt gebliebene Organisation besteht, wie sie in Deutschland eben nicht existierte. Hier waren erhebliche Neuinvestitionen mit allen Belastungen notwendig. Außerdem ist der Fall Dudweiler - um diesen berühmten Fall einmal anzuschneiden; Herr Kollege Müller-Hermann hat das nicht gesagt - in der Schweiz deswegen möglich, weil hier wirklich nur ein einzelnes Produkt angeboten wird, das auf dem Weltmarkt unter Preisdruck stand, und weil Herr Dudweiler auf Kopplungsprodukte, die mit Verlust verkauft werden müssen, wie Dieselkraftstoff und ähnliche, keinerlei Rücksicht zu nehmen brauchte. Er befand sich hier in derselben Lage wie bei seinem seinerzeitigen Start mit Teigwaren, die er zu billigen Preisen auf den Schweizer Markt warf.
Die Rücksichtnahme auf die Gesamtsituation der Raffinerien führt in Deutschland zu dem überhöhten Benzinpreis, und ich bin der Überzeugung, daß die Mineralölwirtschaft auf diesem Gebiet im Zuge der Gesamtentwicklung in der nächsten Zeit einen bedeutenden Fortschritt machen kann. Es ist Ihnen ja bekannt, daß die deutsche Energieversorgung in diesem klassischen Kohlenland im allgemeinen unter dem erschütternden Eindruck steht, daß wir für unsere deutsche Kohlenförderung, die dem Bedarf nicht mehr nachkommen kann, Ersatz suchen müssen. Die Mineralölwirtschaft wird nun in den nächsten Jahren in verstärktem Maße eines ihrer bisher unter Preisdruck stehenden Produkte, nämlich das Heizöl, das dem Gasöl sehr nahe verwandt ist, auf den Markt bringen können, und die Kalkulation der Mineralölwirtschaft wird damit auf vollkommen neue Grundlagen gestellt werden. Wenn Sie Fachzeitschriften und Informationsdienste der Mineralölwirtschaft lesen, dann werden Sie sehen, daß seit geraumer Zeit auf dieses Faktum hingewiesen wird. Hier ist auch die Ursache dafür zu suchen, daß die Mineralölwirtschaft noch laufend investiert. Sie tut das nicht, um die Verworrenheit am Benzinmarkt zu erhöhen, sondern sie tut das, um im Rahmen der gesamten Energieversorgung auf dem Heizölsektor, auf dem Gasölsektor die Bedürfnisse zu befriedigen, die in verstärktem Maße in den nächsten Jahren auf uns zukommen. So rechnet man mit einer Verfünffachung bis Versechsfachung des Heizölbedarfs in der Bundesrepublik im Laufe der nächsten drei bis vier Jahre.
Meine Damen und Herren! Die Kritik an den Treibstoffgesellschaften ist meiner Ansicht nach insofern verfehlt, als sie einen Spezialfall konstruiert und die Gesamtsituation unserer Wirtschaft nicht sieht. Insofern möchte ich aufs deutlichste noch einmal unterstützen, was Herr Kollege Müller-Hermann gesagt hat. Nun aber noch zu konstruieren, die Treibstoffgesellschaften trieben an den Tankstellen eine gleiche Preispolitik und daher sei also zu erkennen, daß sie Absprachen träfen, ist auch grundsätzlich falsch.
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Bisher haben die Treibstoffgesellschaften - ich erinnere an die Denkschrift, Herr Kollege Schmidt! -, wenn eine von ihnen eine Preissenkung durchgeführt hat, nachziehen müssen. Diese Gleichzeitigkeit des Nachziehens hat mit einer kartellähnlichen Abrede nichts zu tun.
Im übrigen hat Herr Kollege Schmidt bedauert, daß - die Bundesregierung keine Handhabe in irgendeinem Kartellgesetz oder etwas Ähnlichem besitze, gegen die Treibstoffgesellschaften vorzugehen. Ich glaube, er hat die Frage nur deshalb gestellt, weil er wünscht, daß die Regierung auf diesem Gebiete eine größere Aktivität entfaltet. Die Bundesregierung hat sehr wohl Möglichkeiten und hatte sie in der Vergangenheit auch; denn wir hatten ja die Kartellgesetze der Alliierten, die bis zur Aufhebung des Besatzungsstatuts im Schwunge waren. Es ist hier interessant, daß alle Versuche von interessierter Seite, die Treibstoffgesellschaften wegen ihres Ausschließlichkeitsvertrages über dieses Kartellgesetz anzugreifen, mißlungen sind und daß maßgebliche Äußerungen unserer seinerzeitigen alliierten Oberbefehlshaber vorlagen, daß das Geschäftsgebaren der Gesellschaften nicht unter die Kartellverbote der Alliierten falle. Wir wollen in diesem Falle nicht katholischer sein als der Papst. Wir wünschen sehr wohl, daß der Herr Wirtschaftsminister, der sich in diesem Falle Ihrer
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({6}) vollen Unterstützung erfreuen darf, alle Versuche, den Markt zu beherrschen und ein Preisdiktat auszuüben, über dieses Kartellgesetz im Keime erstickt. Sie finden da auf der anderen Seite des Hauses genau so ernste Befürworter wie in Ihren eigenen Reihen, wenn auch aus ganz verschiedenen Motiven heraus. Aber wir wünschen nicht, daß eine Wirtschaftsgruppe allein diffamiert und in öffentlichen Anklagezustand versetzt wird, wie es in diesem Hause gefordert wurde. Vergessen Sie nicht: der Mineralölwirtschaft haftet mehr als jeder anderen - das geht schon an mit den Entdeckungen und Bohrungen von Erdölfeldern - das Moment des Spekulativen, des Waghalsigen und der Vorwegnahme von künftigen Entwicklungen an. Dieses spekulative unternehmerische Element erfordert in ganz besonderem Maße Persönlichkeiten, die Verantwortung tragen und die ins Große und ins Weite denken. Was die Mineralölgesellschaften - zu deren Befürworter ich mich im übrigen in keiner Weise machen möchte - an wissenschaftlicher und technischer Forschung jahraus jahrein leisten - betrachten Sie sich die Verfeinerung der Produktionsverfahren usw., betrachten Sie sich die imponierend großen Laboratorien, die nicht nur für den Treibstoffmarkt entscheidende Ergebnisse erzielt haben, sondern auch für die pharmazeutische Wirtschaft -, all das beinhaltet für uns, daß wir mit einer gewissen Behutsamkeit an die Frage des Geschäftsgebarens der Mineralölgesellschaften herantreten sollen. Wir wünschen, daß die Initiative möglichst von den Mineralölgesellschaften selbst ausgeht, daß darüber hinaus aber der Herr Bundeswirtschaftsminister seinerseits sich auch einmal Gedanken darüber macht, wie er das Knäuel der allgemeinwirtschaftlichen Situation - siehe Kapitalmarkt, ) siehe Regelung kurzfristiger Verpflichtungen, siehe Abwälzung der Investionskosten auf den Preis - zerhaut. Hier gilt mehr als in ästhetischen Betrachtungen das Wort: „Ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlaßt ihr ihn der Pein!" Man kann anklagen, man kann volkstümliche Forderungen erheben, man kann Beispiele aufstellen von großen Außenseitern, aber man kann die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß die deutsche Mineralölwirtschaft in den letzten Jahren nach ganz erbärmlichen Anfängen mit Verlustabschlüssen den Mut gehabt hat, Investitionen auf sich zu nehmen in einem Zeitpunkt, als die Lethargie in anderen Wirtschaftszweigen und die politische Situation solche Investionen noch in keiner Weise gerechtfertigt haben. Die deutsche Mineralölwirtschaft kann von Ihnen verlangen, daß ihr Geschäftsgebaren objektiv betrachtet wird, und ich gebe der Erwartung Ausdruck, daß dies auch in der Tat geschieht.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mir am Ende dieser Aussprache ein paar Bemerkungen zu den einzelnen Beiträgen erlauben. Ich darf mit Ihren Ausführungen, Herr Staatssekretär Westrick, beginnen, die mir im Gesamtzusammenhang bei weitem als die bedeutsamsten erschienen sind. Ich gebe gern zu, Sie und auch Ihr Ministerium haben sich nicht als Außenseiter erwiesen - aber auch nicht als insider, Herr Westrick, um im Bild zu bleiben -, sondern Ihre Antwort war, wenn ich sie in zwei Sätzen zusammenfassen darf, eine janusköpfige Antwort. Sie lautete erstens: Teils ja, teils nein; und zweitens: Genaueres weiß man nicht. Aber Sie haben nicht gesagt: Genaueres weiß man noch nicht. „Wir haben zwar Zahlen", haben Sie gesagt, aber Sie haben sie hier nicht ausgesprochen. Ich hoffe, daß man das Wort „noch" bei Ihrer Antwort einfügen darf, damit es auf diesem Markt zukünftig doch etwas klarer wird.
Eine Richtigstellung in bezug auf das Verkehrsfinanzgesetz hat Herr Müller-Hermann schon gegeben; ich möchte nicht darauf eingehen. Aber ich möchte hervorheben, daß Sie, Herr Staatssekretär Westrick - und damit der Herr Bundeswirtschaftsminister -, wörtlich zum Ausdruck gebracht haben, man neige in seinem Hause zu der Ansicht, daß bei Benzin preisliche Zugeständnisse gemacht werden sollten. Sie haben „sollten" gesagt, nicht „könnten". Das scheint mir doch ein durchaus bemerkenswertes Ergebnis dieser Debatte zu sein, wenngleich es nun noch erheblicher Anstrengungen bedarf, um aus diesem Soll-Satz nachher einen tatsächlichen Vollzug werden zu lassen.
Sie haben des weiteren geantwortet, daß der Wettbewerb nicht voll wirksam sei; später haben Sie gesagt, es liege kein „echter" Wettbewerb vor. In diesem Zusammenhang war mir sehr interessant, daß Sie gesagt haben: Leider; die paar kleinen Außenseiter verfügen ja in ihrer Vereinzelung nicht über genug Einfluß! Damit war angedeutet und der Gedanke nahegelegt - das ist ein sehr interessanter Vorgang, meine Damen und Herren -, wenn die Außenseiter ein bißchen weniger vereinzelt wären, d. h. ein bißchen mehr Tuchfühlung miteinander hätten, ob sie dann nicht vielleicht etwas mehr Einfluß im Sinne, sagen wir, der allgemeinen Preissenkungstendenzen ausüben könnten. Das ist wirklich erstaunlich. Hier ist auf dem Hintergrund der Ideologie des reinen Wettbewerbs in der konkreten Situation eines Oligopols die Vorstellung, man könne mit einem neuen zusätzlichen Oligopolisten das bisherige Oligopol verändern. Ich glaube nicht, daß das geht. Damit kann man vielleicht einen Augenblickserfolg erzielen, aber auf die Dauer können Sie bei drei oder vier großen Vertriebskonzernen die Sache nicht dadurch besser machen, daß Sie einen fünften großen danebenstellen, Herr Westrick! Das geht nicht. Das mag vielleicht einen kurzfristigen Erfolg erzielen. Aber auf die Dauer können Sie nicht umhin, von hoher Hand aus in diesen Markt einzugreifen und aufzupassen. Auf die Dauer brauchen Sie eben nicht noch einen Außenseiter, sondern Sie brauchen die Sanktionen, die Ihnen hoffentlich das Kartellgesetz gibt. Anders kommen Sie auf dem Mineralöl-Markt nicht zu Rande.
Wenn hier nun Herr Westrick und nachher auch Herr Schloß, - das an dessen Bemerkungen mir Sympathischste gewesen ist, daß er von Anfang an bekannte, nicht aus der Branche zu kommen, was allerdings entschuldigt, daß er nachher mit einer gewissen Branchen- und Betriebsblindheit gesprochen hat, eine Reihe von Argumenten vorgetragen haben, weshalb die Preise in Deutschland so hoch sind - höhere Oktanzahl, geringerer Tankstellenumsatz usw. -, dann muß man doch sagen: das alles sind zwar sachlich zutreffende Hinweise, aber die Tatsachen, die hier mit Recht behauptet werden, daß z. B. die Oktanzahl in Deutschland höher ist als in sämtlichen anderen westeuropä({0})
ischen Ländern, sind doch Folgen des ungleichgewichtigen Marktes. Wenn Sie nicht diese Marktform hätten, in der die Konzerne in einem erbitterten Quotenkampf, in einem erbitterten Kampf um den Marktanteil sich befinden, dann würde man den Unfug mit der künstlich überzüchteten deutschen Oktanzahl nicht gemacht haben. Sämtliche europäische Motoren laufen mit wesentlich niedrigerer Oktanzahl. Herr Westrick hat Beispiele genannt: Frankreich, England. Eine Folge des Ungleichgewichts auf dem Markt ist, daß man den Wettbewerb auf solche Gebiete wie Überzüchtung der Oktanzahl verlagert hat. Da hat auch die deutsche Automobilindustrie einen Teil schuld. Es ist eine Folge dieses Ungleichgewichts, daß man nun die Überinvestitionen auf dem Tankstellensektor hat: an jeder Ecke gleich drei Tankstellen, die infolgedessen nicht leben können! Jede Mineralölgesellschaft hat Tankstellen noch und noch und noch geschaffen. Sicher, die können jetzt mit Recht sagen: Die Tankstellenleute müssen höhere Provisionen haben als im Ausland, sonst können die Kerls nicht leben! Aber die Ursache ist, daß man so viele Tankstellen geschaffen hat, und die Ursache dafür ist das Ungleichgewicht auf dem Markt, die Tatsache des Oligopols, die auch Herr Westrick hervorgehoben hat.
Daraus ergibt sich die Konsequenz, daß man in dieses Oligopol eingreifen muß mit den Möglichkeiten, die einem das Wettbewerbsgesetz gibt - oder geben sollte.
Herrn S c h l o ß darf ich sagen: wenn wir uns hier gerade an den Preisen aufgehängt haben, so sicherlich deshalb, weil man an den Preisen die ganze Geschichte am besten darstellen kann. Aber ich verkenne nicht, Herr Schloß - ich habe mich wirklich sehr lange und eingehend mit den Dingen beschäftigt, auch wenn ich von Haus aus nicht Mineralölverkäufer bin -, daß das ein sehr vielschichtiges Problem ist und sehr viele sachliche Fragen dahinter stehen. Das muß man einmal im Ausschuß behandeln; man kann ja auf diese ganzen Dinge nicht im Plenum eingehen. Wir werden einen Weg finden müssen, um die Mineralölfrage dem zuständigen Ausschuß, d. h. dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zuzuweisen. Vielleicht muß man dazu formell noch einen Antrag nachreichen.
Aber eins hat mich an der Antwort von Herrn Staatssekretär Westrick enttäuscht. Er hat gesagt: Wir hoffen erstens auf das Kartellgesetz, und zwei- tens werden wir unsere Gespräche fortsetzen. - Es ist also die Methode Coué: freundlich zureden, und dann werden sie schon! Also hoffentlich, ich wünsche Ihnen alles Gute, Herr Westrick! Wir werden ja in vier oder sechs Wochen diese Debatte wieder führen müssen, wenn es Ihnen bis dahin nicht gelungen sein sollte.
Zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Müller-Hermann möchte ich nicht sehr viel bemerken. Auch. er hat einige sachliche Einzelheiten mit Recht hervorgehoben. Ich würde glauben, daß auch sie im Ausschuß behandelt werden sollten. Es hat keinen Sinn, eine Detaildebatte hier im Plenum zu führen.
Aber eins fand ich nicht ganz nett und auch nicht ganz geschickt von Ihnen, Herr Müller-Hermann: wieso haben meine Ausführungen vorhin die Absicht gehabt, mir die Gunst der Mineralölkonzerne zu erhalten? Ich glaube gar nicht, daß Sie das im
Ernst gesagt haben. Glauben Sie wirklich, daß die Konzerne freudig erregt gewesen sind über die Ausführungen am Anfang dieser Diskussion? Das glaube ich wirklich nicht. Ich glaube vielmehr, sie waren doch peinlich berührt, oder ich hoffe das. Es geht hier nicht um die Gunst der Mineralölgesellschaften, es geht um den Respekt vor einer sachlich begründeten Meinung, den wir verlangen können. Denn ich habe das Gefühl, auch einschließlich des Herrn Schloß hat hier niemand gesprochen und es hat auch niemand Zwischenrufe gemacht, der etwa in der Tendenz gegenteiliger Ansicht gewesen wäre als die Fragesteller. Die Tendenz war in abgeschwächtem Grade bei Herrn Westrick und bei allen Rednern die gleiche wie bei den Fragestellern. Diese Tendenz ist bei dem einen sachlich etwas stärker nach dieser Richtung begründet, bei dem andern mehr nach jener Richtung. Im Ausschuß wird sich herausstellen, daß man über die sachlichen Fragen zu verhältnismäßig weitgehender Einmütigkeit in der Auffassung kommen kann. Aber die Tendenz insgesamt ist sachlich begründet. - Herr Schloß nickt mit dem Kopf, ich bin dafür dankbar. - Vor dieser sachlich begründeten Meinung des Parlaments, daß auf dem Mineralölsektor die Preise nicht in Ordnung sind und daß sie herunter müssen, erwarten wir Respekt. Und ich glaube, daß Sie mit dem Respekt allein nicht auskommen, sondern auch einen Knüppel hinter der Tür brauchen, Herr Westrick; schaffen Sie sich den Knüppel an!
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Ich möchte nun aber noch eine Einzelbemerkung machen dürfen, Herr Schloß, zu Ihren Ausführungen, es liege kein Kartell vor. Zunächst einmal, soweit wir von unserer Seite Ausführungen gemacht haben, haben wir nur behauptet, es liege eine kartellähnliche Situation vor. Aber was ist denn z. B. die AEV, die jedes Jahr im vorhinein festsetzt, welche Raffinerie wieviel hunderttausend Tonnen durchsetzt und ob diese hunderttausend Tonnen aus Venezuela oder Nahost kommen? Ist das nicht etwas, was wirklich den Ausdruck „kartellähnliche Organisation" verdient? Sagen Sie bloß nicht, dás seien nachträgliche Feststellungen, die sich aus der statistischen Zusammentragung der Einzelentscheidungen der verschiedenen Raffinerien und Verkaufsgesellschaften ergäben! Das ist nur ein Beispiel für viele. Es lassen sich wirklich sehr viele Beispiele anführen. Ich glaube, es wäre besser, diese Debatte nicht zu vertiefen.
Ich möchte zum Schluß auch auf ein anderes Argument eingehen, das Herr Schloß gebracht hat. Er meinte, es sei doch unfair, nun eine einzelne Branche zu diskriminieren. Mir hat ferngelegen, diese Herren zu diskriminieren. Ich habe ausdrücklich gesagt, sie handeln im Rahmen der gegebenen Rechts- und Wirtschaftsordnung. Es kann sie niemand anklagen, gegen irgendein Gesetz zu verstoßen. Wenn wir das nicht wollen, was die Auswirkungen davon sind, müssen wir eben das Gesetz, die Rechtsordnung und die Wirtschaftsordnung ändern. Ich habe sie nicht diskriminiert. Aber ich wehre mich auch dagegen, daß Sie sagen, wir hätten eine einzelne Branche herausgenommen. Wir werden vielleicht demnächst eine andere Branche, die möglicherweise noch viel interessanter ist, was die Preise angeht, nämlich die Automobilbranche, unter die Lupe nehmen. Man
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kann nicht alles auf einmal, man muß nach und nach der Katze den Schwanz in Scheiben abschneiden!
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Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wegen der fortgeschrittenen Zeit darf ich noch ganz kurz zusammengedrängt ein paar Bemerkungen machen. Ich glaube, daß wir nicht faustisch ausgewichen sind und daß wir auch keinen Januskopf gezeigt haben. Denn ich habe an zwei verschiedenen Stellen - eine Stelle hat Herr Abgeordneter Schmidt selber erwähnt - deutlich erklärt, daß wir der Meinung sind, daß dem Verbraucher eine Preissenkung zugute kommen sollte. Ich glaube, das ist eine ganz klare und deutliche Angabe.
Dann hat der Herr Abgeordnete Schmidt ausgesetzt, wir hätten die Zahlen hier nicht dekuvriert. Meine Damen und Herren, dafür bitte ich aber doch um Ihr Verständnis. Denn wie sollte je in der Zukunft das Bundeswirtschaftsministerium, ohne einen Rechtsanspruch darauf zu besitzen, überhaupt zur Kenntnis von Kalkulationsunterlagen, Kostenfaktoren, kommen, wenn die betreffende Firma, die sich bereit findet, solche Zahlen herzugeben, Gefahr läuft, daß ich mit diesen Zahlen hier auf das Rednerpult trete und die Zahlen urbi et orbi darlege. Ich glaube
» das wäre auch für die Zukunft nicht ganz zweckmäßig, und ich bitte dafür um Ihr Verständnis, daß ich das nicht tue. Das aber, was unter dem Additionsstrich steht, Herr Abgeordneter Schmidt, hatte ich doch immerhin hier bekanntgegeben.
Nun möchte ich noch ein Wort sagen, das nach meiner Meinung notwendig ist. Es ist zuwenig davon gesprochen worden, welche Rolle eigentlich der Verbraucher spielt. Gestatten Sie mir, Ihnen zu sagen: Hier in Bonn gibt es drei Tankstellen - drei an der Zahl! -, die Benzin erster Qualität zu 56 Pf verkaufen.
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Also so ist es ja nun auch nicht, daß dieser Zusammenhalt und diese Umklammerung, diese Abkapselung so wild sind, daß es absolut keine Möglichkeit dagegen gibt. Es gilt hier auf dem Treibstoffmarkt wie beinahe überall: der Verbraucher möge seinerseits ein bißchen kritisch sein. Es gibt in der Bundesrepublik 600 markenfreie Tankstellen. Herr Abgeordneter Schmidt, ich bin der Meinung, daß diese Tankstellen, wenn sie ein bißchen Werbekraft und ein bißchen Phantasie entwickeln, doch ein guter und wirkungsvoller Faktor sein könnten, um diese Zementierung, diese Einfrierung etwas aufzulockern; und ich empfehle, daß der Verbraucher sich auch einmal überlegt, ob er seinerseits nichts dazu beitragen kann, die Preiszementierung auf dem Gebiet des Treibstoffes aufzulösen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung der Großen Anfrage unter Punkt 3 der Tagesordnung geschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht 13 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen, nach dem Stand vom 15. August 1955 ({0}).
Auf das Wort zur Begründung der verschiedenen Anträge der Ausschüsse wird verzichtet. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die den Vorschlägen der Ausschüsse in dieser Übersicht zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Neuburger, Häussler, Scharnberg, Dr. Krone und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften ({1}).
Ich bin davon unterrichtet, daß das Wort zur Begründung nicht gewünscht wird. Ich eröffne die Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Meine Damen und Herren, es ist Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit - federführend -, an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik - mitberatend - vorgeschlagen. Ich frage, ob der Überweisung in dieser Form zugestimmt wird. Ich bitte um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich komme zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft ({2}).
Es wird mir soeben mitgeteilt, daß auch hier auf Begründung verzichtet wird. Ich eröffne die Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Geld und Kredit vorgeschlagen. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Statistiken der Steuern vom Einkommen ({3}).
Auch hier wird mir gesagt, daß auf die mündliche Begründung verzichtet wird. Ich eröffne die Beratung. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Es ist beantragt Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen - federführend - und an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zur Mitberatung. Wer diesem Vorschlag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
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Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Beratung des Entwurfs einer Zweiundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({5}) ({6}).
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen verzichtet.
Ich eröffne die Beratung. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - beantragt. Ich bitte diejenigen, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an reichseigenen Grundstücken des ehem. Pionier-Übungsplatzes auf der Teerhofinsel in Lübeck ({7}).
Auch hier wird auf Begründung verzichtet. Ich eröffne die Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß beantragt. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Punkt 10 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung zur Überlassung junger Anteile an andere Bezieher als den Bund; hier: Kapitalbeteiligung des Landes Berlin an der Gemeinnützigen Wohnungsbau AG Groß-Berlin ({8}) ({9}).
Auch hier wird auf Begründung verzichtet. Ich eröffne die Beratung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Es ist Überweistung an den Haushaltsausschuß beantragt. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung von Bestimmungen über den Seidenbau ({10}).
Das Wort zur Begründung des Entwurfs wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Beratung in erster Lesung. - Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgesehen. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Dr. h. c. Müller ({11}), Bauknecht,
von Bodelschwingh, Lücke, Struve, Dr. Horlacher, Dr. Glasmeyer, Lermer, Lücker ({12}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes ({13}).
Auch hier wird auf die Begründung verzichtet. Ich eröffne die Beratung. - Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Überweisung ist beantragt an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Wer der Überweisung in dieser Form zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Einfluß von Eignungsübungen der Streitkräfte auf Vertragsverhältnisse der Arbeitnehmer und Handelsvertreter sowie auf Beamtenverhältnisse ({14}) ({15}).
Ich bin darüber unterrichtet worden, daß auch dazu das Wort zur Begründung nicht gewünscht wird. Ich eröffne die Beratung in erster Lesung. - Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Hier, meine Damen und Herren, ist nun eine Frage auszutragen. Die Überweisung ist vorgeschlagen an den Ausschuß für Arbeit, an den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit, an den Ausschuß für Sozialpolitik, an den Ausschuß für Beamtenrecht und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
Zur Frage der Überweisung hat der Herr Abgeordnete Dr. Menzel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, die Federführung dem Ausschuß für Arbeit zu übertragen. Zwar heißt es in dem Anschreiben des Herrn Bundeskanzlers, daß federführend für den Gesetzentwurf innerhalb des Kabinetts der Herr Bundesminister für Verteidigung sei. Aber einmal ist ja der Bundestag an diese Zuständigkeitsabgrenzung innerhalb des Kabinetts nicht gebunden, und außerdem sind wir der Meinung, daß Fragen des Arbeitsrechts federführend bei dem Herrn Bundesminister für Arbeit behandelt werden müssen und nicht im Verteidigungsministerium.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich die einzelnen Überschriften der Paragraphen des Gesetzentwurfs ansehen, können Sie sofort feststellen, daß dieses Gesetz weder mit den Aufgaben noch mit den Funktionen etwas zu tun hat und überhaupt nichts mit der Frage der Wirksamkeit der Streitkräfte. Er behandelt diese Fragen überhaupt nicht. Er behandelt lediglich die Frage, was aus dem arbeitsrechtlichen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird, wenn der Arbeitnehmer zum Militär geht. Es wird zwischen lang- und kurzfristigen Verträgen unterschieden; dem Arbeitgeber wird ein Kündigungsverbot auferlegt. Es gibt Vorschriften über die spätere Beendigung des Arbeitsverhältnisses, und es werden Regelungen für die Werkswohnungen getroffen. Das sind also alles Rechtsnormen, die gar nichts mit den militärischen Funktionen desjenigen zu tun haben, der zum Militär geht, sondern die weit({0})
gehend in das Arbeitsrecht und in das Wirtschaftsrecht eingreifen. Wir sind daher der Meinung, daß die Federführung beim Ausschuß für Arbeit liegen muß.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir haben uns diese Frage, die Herr Dr. Menzel angesprochen hat, überlegt. Es ist richtig, daß der weitaus größere Teil dieses Gesetzes sich mit Problemen beschäftigt, die an sich zum Aufgabenbereich des Ausschusses für Arbeit gehören. Wir sind aber in unserer Fraktion zu der Überzeugung gekommen, daß es zweckmäßiger sei, diese Dinge zusammengefaßt im Verteidigungsausschuß zu behandeln, und zwar im Hinblick auf andere Fragen, mit denen sie im Zusammenhang stehen. Wir wünschen allerdings, daß der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit dann die Meinung der anderen, mitbeteiligten Ausschüsse auch entsprechend verwertet. Ich möchte in diesem Falle doch dafür plädieren, die Federführung beim Sicherheitsausschuß zu belassen.
Weitere Wortmeldungen zu dieser Frage? - Herr Abgeordneter Petersen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE bittet das Hohe Haus, die Federführung dem Arbeitsausschuß zuzusprechen; denn hier handelt es sich, wie schon Herr Kollege Menzel dargestellt hat, im wesentlichen um arbeitsrechtliche und arbeitspolitische Fragen. Es ist nicht einzusehen, warum der Sicherheitsausschuß seine Argumente nicht in Form einer Mitberatung zum Tragen bringen könnte. Vielmehr besteht, wenn wir dem Gedankengang des Sicherheitsausschusses folgen, alle Gesetzesmaterien an sich heranzuziehen, die auch nur in der Ferne wehrpolitischen oder wehrmäßigen Charakter haben, die Gefahr, daß wir eine gewisse Oberzuständigkeit des Sicherheitsausschusses begründen. Eine solche Präjudizierung könnte sich auch auf Fälle ausdehnen, die mit diesen Dingen gar nichts mehr zu tun haben. Ich erinnere nur an die von diesem Hohen Hause später zu beratenden Versorgungsfragen. Auch hierfür haben wir einen eigenen zuständigen Ausschuß. Ich möchte heute schon davor warnen, diese Fragen in die federführende Kompetenz des Sicherheitsausschusses zu geben. Der Bundestag hat sich eine Geschäftsordnung und Arbeitsaufteilung gegeben, die gewahrt werden sollten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Menzel, der von dem Herrn Abgeordneten Petersen unterstützt wird, und den gegenteiligen Antrag des Herrn Abgeordneten Sabel gehört. Herr Abgeordneter Dr. Menzel schlägt vor, den Entwurf dem Ausschuß für Arbeit als federführendem Ausschuß zu überweisen. Ich lasse zunächst darüber abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse der Form wegen noch darüber abstimmen, ob der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit federführend sein soll. Wer dem Antrag Sabel zustimmen will, daß der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit federführend sein soll, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist also beschlossen, daß der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit in dieser Frage federführend ist und daß die übrigen Ausschüsse, die ich bereits genannt habe, mitberatend an diesem Entwurf arbeiten.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Meyer-Ronnenberg, Schneider ({0}), Odenthal, Lange ({1}), Eberhard, Frau Finselberger, Eickhoff und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Ladenschluß ({2}).
Ich bin davon unterrichtet, daß auch hier auf die Begründung verzichtet wird. Ich eröffne die erste Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Meine Damen und Herren, es ist Überweisung an den Ausschuß für Arbeit - federführend -, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes beantragt. Der Herr Vorsitzende des Verkehrsausschusses hat mir einen Brief geschrieben, in dem er darum bittet, daß der Entwurf auch noch an den Ausschuß für Verkehrswesen zur Mitberatung überwiesen wird. Wer diesen Überweisungen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Punkt 15 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der
CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines
Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes ({3}).
Auf mündliche Begründung wird verzichtet. Ich eröffne die Beratung. Wird das Wort gewünscht?- Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen ist beantragt. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Punkt 16 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Arbeitslosenversicherung ({4});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({5}) ({6}). Berichterstatter: Abgeordneter Heinrich. ({7})
Ich eröffne die zweite Beratung. Wird in der zweiten Lesung das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe auf die Art. 1, - 2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Wer diesem Entwurf des Gesetzes in der auf Drucksache 1411 vorliegenden Form zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe? Es ist so beschlossen.
({8})
Wir kommen zur
dritten Beratung
des Gesetzentwurfs. Wird das Wort in der dritten Lesung gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die dritte Beratung.
Ich rufe das Gesetz in der vorliegenden Form mit Einleitung und Überschrift zur Abstimmung auf. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Form in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich vom Sitz zu erheben. - Gegenprobe? - Ich stelle fest, daß das Gesetz einmütig verabschiedet ist.
Damit, meine Damen und Herren, breche ich entsprechend den Vorschlägen des Ältestenrates, über die ich Sie heute vormittag zu Beginn der Sitzung informiert habe, die Behandlung der noch unerledigten Tagesordnungspunkte ab. Wir kommen zurück zu Punkt 1 der Tagesordnung von heute:
Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung ({9}).
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich habe Ihnen folgenden Bericht über die Ergebnisse der Vorgänge in Moskau zu erstatten. Ich darf Ihnen aber einleitend zunächst noch die Vorgeschichte kurz ins Gedächtnis zurückrufen.
Wir waren unter meiner Leitung vorn 9. bis 13. September in Moskau. Wir hatten dort Besprechungen mit einer Regierungsdelegation der Sowjetunion unter Führung des Herrn Ministerpräsidenten Bulganin. Die Namen der Teilnehmer unserer Delegation sind Ihnen bekannt.
Ich möchte besonders dankbar die Teilnahme des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, der Herren Kiesinger und Schmid, und des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundesrates, des Herrn Ministerpräsidenten Arnold, hervorheben. Die Teilnahme dieser Herren an der Arbeit der Delegation war uns sehr wertvoll.
Die Initiative zu dieser Reise war von der Sowjetregierung ausgegangen, die in einer Note vom 7. Juni dieses Jahres vorgeschlagen hatte, über die Herstellung diplomatischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen zwischen beiden Ländern mit uns zu verhandeln. In ihrer Antwort vom 30. Juni erklärte die Bundesregierung sich mit der Erörterung des sowjetischen Vorschlags einverstanden und schlug vor, zunächst in einen Meinungsaustausch über die Themen dieser Erörterung und ihre Reihenfolge einzutreten. Die Sowjetregierung war mit diesem Vorschlag einverstanden und konkretisierte ihren eingangs genannten Vorschlag durch eine weitere Note vom 3. August.
In ihrer Antwortnote vom 12. August betonte die Bundesregierung, daß nach ihrer Überzeugung über die von der Sowjetregierung in den Vordergrund gestellten Fragen hinaus weitere Probleme erörtert werden müßten. Als solche nannte sie die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands und die Frage der in sowjetischem Gewahrsam zurückgehaltenen Deutschen. In ihrer Antwortnote vom 19. August erklärte sich die Sowjetregierung zu einém Meinungsaustausch über die Frage der nationalen Einheit Deutschlands bereit, wobei sie darauf hinwies, daß der Standpunkt der Sowjetregierung in dieser Frage bekannt sei. Die Frage der in sowjetischem Gewahrsam zurückgehaltenen Personen wurde in der Note nicht erwähnt, doch erklärte die Sowjetregierung sich damit einverstanden, alle internationalen Fragen zu erörtern, die für beide Teile von Interesse sind.
Dieser Notenwechsel, meine Damen und Herren, bildete den Ausgangspunkt der Verhandlungen. Man muß aber den Blick weiter zurückwenden, um auch den Hintergrund zu sehen. Man muß sich vor Augen halten, daß wir einen Krieg gehabt haben, der zu sehr grausamen Ereignissen führte und mit dem vollen Zusammenbruch unseres Landes endete. Dieses Erbe haben Parlament und Regierung der Bundesrepublik Deutschland übernehmen müssen. Sie standen vor der Aufgabe, das staatliche Leben neu aufzubauen, die Souveränität des freien Teiles Deutschlands wiederherzustellen und die Freiheit der ihnen anvertrauten Menschen zu sichern. Diese Aufgaben konnten auch dank der Verständigung, zu der wir in der Zwischenzeit mit den drei westlichen Siegermächten gekommen sind, gelöst werden. Diese Verständigung wurde aber nur dadurch ermöglicht, daß das Vertrauen zu Deutschland neu erworben wurde. Es ist die Frucht einer auf festen Grundsätzen beruhenden Außenpolitik, die zur Schaffung der Westeuropäischen Union und zum Eintritt der Bundesrepublik in die Gemeinschaft des Nordatlantikpaktes führte.
Demgegenüber waren unsere Beziehungen zur vierten Siegermacht, zur Sowjetunion, so geblieben, wie sie bei Abbruch des Krieges gewesen sind. Die Ursache dafür liegt in einer Entwicklung, die schon bald nach 1945 klar zutage trat und unserem Einfluß entzogen war. Die sowjetische Nachkriegspolitik bemühte sich, die östlichen Provinzen Deutschlands und Mitteldeutschland entgegen den Beschlüssen der Siegermächte nicht nur unter die vorübergehende Verwaltung Polens und der Sowjetunion zu stellen, sondern sie diesen Staaten einzuverleiben. Die mitteldeutschen Provinzen erhielten ein dem Willen der überwältigenden Mehrheit der dortigen Bevölkerung nicht entsprechendes Regierungssystem, das den sowjetischen Vorstellungen und Vorbildern entsprach. Während die Bundesrepublik Deutschland einen wenn auch mühsamen Weg zur Wiedergewinnung internationaler Anerkennung und internationalen Vertrauens gehen und schließlich ihre Souveränität wiedererlangen konnte, ging diese Entwicklung an der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands vorbei und führte dadurch zum Verlust unserer staatlichen Einheit. Ihnen, meine Damen und Herren, ist diese tragische Entwicklung wohlbekannt. Sie kennen auch die Rolle, welche die sowjetische Politik dabei gespielt hat. Ein weiteres, menschlich besonders schwerwiegendes Problem, das im Rahmen dieser Entwicklung ungelöst blieb, war die Frage der in der Sowjetunion zurückgehaltenen Deutschen.
Auf diesem Hintergrund hat sich die Konferenz von Moskau abgespielt. Die Verhandlungen, die wir mit der Sowjetregierung geführt haben, waren nicht nur der schwerwiegenden sachlichen Auffassungsunterschiede wegen außergewöhnlich schwierig. Sie führten uns auch mehr als einmal in die
({0})
Nähe des Entschlusses, abzubrechen und unverrichteter Dinge zurückzukehren. Sie waren auch auf beiden Seiten von den Erinnerungen an den vergangenen Krieg erfüllt und an die Leiden, die er sowohl über Sowjetrußland wie auch über Deutschland gebracht hat. So lag über dieser Konferenz nicht nur der Schatten schwerer politischer Meinungsverschiedenheiten. Leidenschaften und nicht vergessener Groll der Kriegszeit wirkten auf die Atmosphäre ein. Aber die Freimütigkeit, durch die sich diese Verhandlungen von manchen anderen internationalen Konferenzen unterschieden, hat ihr Gutes gehabt. Gegensätze sind nicht dadurch aus der Welt zu schaffen, daß man sie verschweigt. Sie lassen sich eher überwinden, wenn man sie offen ausspricht. Daß dies geschehen ist, hat die Ergebnisse der Konferenz nicht ungünstig beeinflußt.
Zu diesen Ergebnissen ist folgendes festzustellen. Es ist vereinbart worden, diplomatische Beziehungen vorbehaltlich des Einverständnisses des Bundeskabinetts und des Bundestages sowie des Präsidiums des Obersten Sowjets aufzunehmen und Botschafter zwischen beiden Ländern auszutauschen. Den Vorbehalt des parlamentarischen Einverständnisses haben wir aus zwei Gründen für zweckmäßig gehalten. Einmal ist das Schicksal der in der Sowjetunion zurückgehaltenen Deutschen ein menschliches Problem, das unser ganzes Volk zutiefst bewegt. Zum anderen wirft die Herstellung diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion auch politische Fragen von Bedeutung auf, insbesondere im Hinblick auf die sogenannte Deutsche Demokratische Republik.
Die Delegation der Bundesrepublik hat in den Gesprächen mit den Vertretern der Sowjetregierung mit großer Klarheit darauf hingewiesen, daß eine Normalisierung der Beziehungen unter keinen Umständen darin bestehen kann, daß man den anormalen Zustand der Teilung Deutschlands legalisiert. Es ist auch darauf hingewiesen worden, daß das Bestehen diplomatischer Beziehungen zwischen zwei Staaten nicht mit einem freundschaftlichen Vertragsverhältnis gleichzusetzen ist. Unsere sowjetischen Verhandlungspartner selbst haben erklärt, daß sie diplomatische Beziehungen auch zu Staaten unterhielten, mit denen sie im übrigen erhebliche politische und ideologische Meinungsverschiedenheiten hätten.
Andererseits, meine Damen und Herren, ist folgendes zu bedenken. Die Sowjetunion ist eine der vier Siegermächte, ohne deren Mitwirkung das vornehmste Anliegen unserer Politik, die Herstellung der Einheit unseres Landes, nicht verwirklicht werden kann. Das Fehlen von Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten, die sich daraus für uns ergebende Unmöglichkeit, unsere nationalen Anliegen auch selbst in Moskau zu vertreten, ist eine Anomalie. Würde man uns auch deshalb nicht mit Recht unklug genannt haben, wenn wir das von der Sowjetregierung gemachte Angebot, diplomatische Beziehungen aufzunehmen, abgelehnt hätten?
Durch die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen wird die Bundesrepublik, deren effektive Hoheitsgewalt drei Viertel unseres Volkes und 80 % seiner produktiven Kräfte umfaßt und hinter deren Politik - das ist unsere Überzeugung -auch mindestens 90 % der Bevölkerung Mitteldeutschlands stehen, nunmehr auch von der Sowjetunion anerkannt.
Es besteht schließlich kein Widerspruch zwischen unserem Entschluß, diplomatische Beziehungen aufzunehmen, und der Linie unserer Außenpolitik, die fortzusetzen wir unter allen Umständen entschlossen sind.
({1})
Die Länder, die die Westeuropäische Union bilden und die dem Nordatlantikpakt angehören, unterhalten gleichfalls diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion, ohne daß darum an ihrer Entschlossenheit gezweifelt werden könnte, den Verpflichtungen nachzukommen, die sie durch ihre Zugehörigkeit zu diesen Verträgen eingegangen sind. Was diese Staaten für sich in Anspruch nehmen, können auch wir beanspruchen.
Ich möchte betonen, daß die Vertreter der Sowjetunion ihrerseits bei den Verhandlungen in Moskau unsere Zugehörigkeit zu diesen Organisationen als Realität hingenommen und nicht den Versuch gemacht haben, uns zu einem Austritt zu bewegen. Die Westverträge stehen normalen Beziehungen mit der Sowjetunion nicht nur nicht im Wege. Die Verträge sind vielmehr eine in die Zukunft weisende Möglichkeit einer internationalen Entspannung, die für die Welt den Frieden, für Deutschland die staatliche Einheit in Freiheit bringen soll. An unserer Vertragstreue lassen wir nicht den geringsten Zweifel zu. Deutschlands Zugehörigkeit zum Westen liegt ja auch viel tiefer als in der politischen Konstellation, nämlich in seiner untrennbaren Zugehörigkeit zum christlich-abendländischen Kulturkreis begründet. Ich darf in aller Form für mich, für die Bundesregierung, für das ganze deutsche Volk in West und Ost erklären: Deutschland ist ein Teil des Westens, seiner geistigen und sozialen Struktur, seiner geschichtlichen Tradition und nach dem Willen seiner Bevölkerung.
({2})
Die Bundesregierung wird in Zukunft in ihren Bemühungen um die europäische Integration und die Verteidigung der Freiheit nicht nachlassen; sie wird sie vielmehr verstärken. Auch an dieser Stelle möchte ich betonen, daß die Bundesregierung in der Integration Europas eine absolute Notwendigkeit sieht.
({3})
Auf längere Sicht gesehen, sind die europäischen Staaten in der Isolierung politisch und wirtschaftlich nicht lebensfähig, und die Lebensfähigkeit Europas entspricht nicht nur ihrem Interesse, sondern auch dem Interesse der ganzen Welt.
Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion widerspricht also nicht den Interessen des Westens. Ich glaube sogar weitergehen zu dürfen: sie dient den Interessen des Westens. Indem die Bundesrepublik als eine eindeutig westliche, europäisch orientierte Macht nun ebenfalls einen Vertreter in Moskau haben wird, wird sie dort die Stimmen des Westens um eine weitere verstärken.
Die Aufnahme der Beziehungen hat noch eine weitere Bedeutung. Sie leistet einen Beitrag zu der mühsamen Aufgabe der Entspannung der internationalen Lage und damit zum Frieden der Welt.
({4})
Zur Entspannung bedarf es allerdings bestimmter Voraussetzungen. Die deutsche Delegation hat den Vertretern der Sowjetregierung in aller Deutlichkeit gesagt, daß die Entspannung ,nur am Ende politischer Entscheidungen stehen kann und nicht an ihrem Anfang. Sie hat mit allem Nachdruck unsere Auffassung unterstrichen, daß eine wirksame Entspannung, die auch wir wünschen, ein echtes Sicherheitssystem voraussetzt, das allen Beteiligten Sicherheit vermittelt. Ein solches Sicherheitssystem ist auf der Basis der Teilung Deutschlands unmöglich.
({5})
Solange Deutschland geteilt ist, bleibt ein Spannungsherd erster Ordnung bestehen, solange wird die Spannung zwischen Ost und West in einer gefährlichen Weise dadurch verschärft, daß die Berührungsfläche der beiden gegensätzlichen Systeme mitten durch ein und dasselbe Volk und Land geht.
Endlich habe ich selbst bei meinen Gesprächen mit den sowjetischen Führern den aufrichtigen Wunsch empfunden, sie möchten Gelegenheit haben, sich durch einen Botschafter in der Bundesrepublik manche falschen Eindrücke berichtigen zu lassen.
Die Vorgeschichte und der Verhandlungsverlauf, haben gezeigt, daß die Sowjetregierung großen Wert auf die Herstellung der diplomatischen Beziehungen legt. Dabei mögen Prestigegründe eine Rolle gespielt haben, vielleicht auch eine gewisse Entspannungsstrategie oder andere Momente, die noch nicht ganz überschaubar sind. Jedenfalls erwies es sich, daß die Vertreter der Sowjetregierung mit großer Empfindlichkeit auf die Möglich) keit reagierten, daß ihr Vorschlag abgelehnt oder die Annahme an Bedingungen geknüpft werde. Indem ich im Einklang mit der Note der Bundesregierung vom 12. August die Probleme der Wiedervereinigung Deutschlands und der in der Sowjetunion zurückgehaltenen Deutschen von Anfang an als zentrale Fragen in die Besprechungen einführte, habe ich Wert darauf gelegt zu sagen, daß es sich dabei nicht um „Vorbedingungen" für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen handelte, sondern um das von der Sowjetregierung gestellte Thema der Normalisierung selbst.
Die Vertreter der Sowjetregierung zeigten sich zunächst von unseren Forderungen auf Freilassung der zurückgehaltenen Personen wenig beeindruckt. Die Verhandlungen über diese Frage nahmen tagelang einen so negativen Verlauf, daß wir allen Ernstes unsere Abreise in Erwägung ziehen mußten. Die Wendung trat ein, als die Herren Bulganin und Chruschtschow mir, nachdem sie zuvor härtesten Widerstand geleistet hatten, am Montagabend das Angebot machten, die Kriegsgefangenen f reizulassen, wenn die diplomatischen Beziehungen aufgenommen würden. Die beiden Herren gaben mir darauf ihr Wort, und sie haben es vor den versammelten Delegationen wiederholt. Sie haben diese Zusage auf mein Drängen hin dahin erweitert, daß auch in der Sowjetunion zurückgehaltene Zivilpersonen, die wir ihnen durch Listen nachwiesen, freigelassen werden. Damit war die deutsche Delegation vor eine Frage gestellt, die auch eine Gewissensfrage war und deren schweren Ernst niemand vergessen wird, der an unseren internen Delegationsbesprechungen teilgenommen hat. Ich möchte betonen: Auch der Politiker darf nicht sagen, bei großen Entscheidungen spielten
Menschenschicksale keine Rolle. Das würde nicht richtig gehandelt sein. So hat uns alle bei den ganzen Verhandlungen immer der Gedanke bewegt und manchmal drückend bewegt: Was wird werden, wenn wir ohne eine Verständigung auseinandergehen, wenn niemand von den Gefangenen der Heimat und seinen Angehörigen zurückgegeben wird?
Nun habe ich soeben schon gesagt, daß die Russen die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen nicht an Bedingungen geknüpft wissen wollten, weil sie sagen: Man nimmt diplomatische Beziehungen miteinander auf, auch wenn man sonst Gegensätze hat. Unsererseits mußten wir aber doch versuchen, gleichzeitig eine Erfüllung des uns so dringend am Herzen liegenden Wunsches der Freigabe aller dieser Menschen zu erreichen. Das ist dann durch die ehrenwörtliche Zusage der Herren Bulganin und Chruschtschow geschehen. Ministerpräsident Bulganin versicherte mir wörtlich: „Wir fangen mit unseren Maßnahmen an, ehe Sie Bonn auf Ihrem Rückflug erreicht haben." Das bezog sich zunächst auf die von sowjetischen Gerichten verurteilten annähernd 10 000 Gefangenen. In der Frage der anderen zurückgehaltenen Personen, von denen die Vertreter der Sowjetregierung nichts zu wissen erklärten, wurde vereinbart, daß wir der Sowjetregierung eine Liste dieser Personen mit genauen Angaben geben werden und daß dann von sowjetischer Seite festgestellt wird, wo diese Menschen sind. Sowohl Herr Ministerpräsident Bulganin als auch Herr Chruschtschow haben ihr Wort auch darauf gegeben, daß diese Deutschen genau so behandelt werden würden wie die Kriegsverurteilten. Das ist für uns ein Erfolg, den ich unter keinen Umständen missen möchte.
Wir haben ferner in Moskau nachdrücklich das Anliegen der Wiedervereinigung Deutschlands vorgebracht. Wir mußten uns dabei vor einem hüten. Wir durften -- das sagte ich ausdrücklich in meiner ersten Erklärung in Moskau - das Verfahren, das zur Einheit führen soll, nicht dadurch verwirren, daß wir einen von den Viermächteverhandlungen unabhängigen zweiseitigen Verhandlungsweg eröffneten. Auch nur die Möglichkeit einer Ausklammerung des Problems aus der Genfer Tagesordnung und eines Abschiebens auf zweiseitige deutsch-sowjetische Verhandlungen mußte unter allen Umständen verhütet werden. Wir haben uns deshalb bewußt damit begnügt, daß auch die Sowjetunion anerkenne, daß die vier Siegermächte verpflichtet seien, die Einheit Deutschlands wiederherzustellen. Ich lege großen Wert auf die Feststellung, daß dieses Anerkenntnis der Sowjetunion in Moskau erfolgt ist. Ministerpräsident Bulganin hat am 10. September erklärt: „Hier war von den Verpflichtungen die Rede, die die vier Mächte in bezug auf die Lösung des Deutschland-Problems übernommen haben. Dem muß man zustimmen." Außenminister Molotow erklärte am gleichen Tag: „Es wird ganz richtig gesagt, daß in dieser Frage auch die vier Mächte Verpflichtungen haben." Auch spätere Äußerungen von Herrn Chruschtschow haben diese Auffassung bestätigt.
Die sowjetische Delegation war andererseits nicht bereit, einer Wiederherstellung der nationalen Einheit Deutschlands alsbald zuzustimmen. Ich gebe mich daher keinen Illusionen darüber hin, daß zur Wiedervereinigung Deutschlands schwierige Verhandlungen auch unter den Siegermächten
({6})
r nötig sein werden. Aber ich betrachte es doch als einen Fortschritt, daß die Sowjetunion die Verpflichtung, die Einheit Deutschlands wiederherzustellen, auch als eine Verpflichtung der Sowjetunion anerkannt hat. Ich glaube daher, daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion in Verbindung mit der gradlinigen Weiterführung unserer Bündnispolitik mit dem Westen in der Frage der Wiedervereinigung fördernd wirken wird. Das ist auch in dem Brief des sowjetischen Ministerpräsidenten ausgesprochen, in dem die Aufnahme diplomatischer Beziehungen angekündigt wird.
Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen machte völkerrechtliche Vorbehalte notwendig, um den deutschen Standpunkt in lebenswichtigen Fragen unseres Volkes zu wahren und die Entscheidungsfreiheit einer zukünftigen gesamtdeutschen Regierung nicht zu präjudizieren. Diese Vorbehalte sollten sicherstellen, daß in der Erklärung über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht ein Verzicht auf den bisherigen Rechtsstandpunkt der Bundesregierung bezüglich erstens der Grenzfragen, zweitens des Rechts der Bundesregierung, Sprecher des ganzen deutschen Volkes zu sein, drittens der Nichtanerkennung der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik gesehen werden kann.
Wfr haben mit den Vertretern Sowjetrußlands in offiziellen Verhandlungen sehr offen darüber gesprochen. Sie haben erklärt, sie hätten andere Ansichten, aber wenn wir es für notwendig hielten, völkerrechtlichen Konsequenzen vorzubeugen, so hätten sie nichts dagegen, wenn wir diese Vorbehalte machten, und zwar in einer Weise, die wir wählten, sei es in Form eines Briefes, sei es in Form einer Erklärung an die Presse. Ich habe infolgedessen am Tage meiner Abreise einen Brief an Ministerpräsident Bulganin gerichtet, der folgenden Wortlaut hat:
Aus Anlaß der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der UdSSR erkläre ich:
1. Die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der UdSSR stellt keine Anerkennung des derzeitigen beiderseitigen territorialen Besitzstandes dar. Die endgültige Festsetzung der Grenzen Deutschlands bleibt dem Friedensvertrag vorbehalten.
2. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Regierung der Sowjetunion bedeutet keine Änderung des Rechtsstandpunktes der Bundesregierung in bezug auf ihre Befugnis zur Vertretung des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten und in bezug auf die politischen Verhältnisse in denjenigen deutschen Gebieten, die gegenwärtig außerhalb ihrer effektiven Hoheitsgewalt liegen.
Bei den Vorbehalten handelt es sich um eine deutsche Rechtsverwahrung. Für eine solche ist eine einseitige Erklärung der Bundesregierung ausreichend. Diese Erklärung muß nur der anderen Seite zugegangen sein. Dies ist geschehen, und die deutschen Vorbehalte sind damit völkerrechtlich wirksam geworden. Die Erklärung muß nicht etwa, um völkerrechtlich wirksam zu sein, von der Gegenseite angenommen werden. Durch diese Vorbehalte ist die Möglichkeit beseitigt worden, daß dritte Staaten unseren Entschluß, diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion aufzunehmen, mißverstehen. Alle Staaten, die zu uns diplomatische Beziehungen unterhalten, können nun klar sehen, daß sich der Standpunkt der Bundesregierung gegenüber der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik sowie zu den Grenzfragen nicht im geringsten geändert hat. Die sowjetische TASS-Agentur hat am 15. September den sowjet-russischen Standpunkt dargelegt; die TASS-Erklärung stimmt mit dem überein, was die Vertreter der Sowjetregierung auch bei den Verhandlungen gesagt haben.
Was die Frage der deutschen Ostgebiete betrifft, so gehen die Sowjets indessen, wie inzwischen bereits von amerikanischer und britischer Seite festgestellt worden ist, von einer falschen Interpretation des Potsdamer Drei-Mächte-Abkommens aus, zu dessen Signatarmächten Deutschland bekanntlich nicht gehört. In dem Potsdamer Abkommen ist die Festlegung der endgültigen Grenzen ausdrücklich dem Friedensvertrag vorbehalten worden. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die unter polnischer, sondern auch für die unter sowjetischer Verwaltung befindlichen deutschen Ostgebiete. Eine völkerrechtlich verbindliche Regelung des Gebietsstandes Deutschlands steht noch immer aus. Eine solche Regelung kann auch nur in einem Friedensvertrag getroffen werden, der mit einer frei gewählten gesamtdeutschen Regierung abgeschlossen wird.
({7})
Die Haltung der Bundesregierung gegenüber der Sowjetzonenregierung wird, wie aus dem ersten Vorbehalt hervorgeht, durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik nicht berührt. Die Regierung der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik ist nicht auf Grund wirklich freier Wahlen gebildet worden. Sie verfügt daher über kein echtes Mandat des Volkes, ja sie wird von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt.
({8})
Es herrschen in der sowjetischen Besatzungszone Rechtsunsicherheit und Unfreiheit, und die Verfassung steht nur auf dem Papier.
({9})
Die Bundesregierung ist daher nach wie vor die einzige frei und rechtmäßig gebildete deutsche Regierung, die allein befugt ist, für das ganze Deutschland zu sprechen.
({10})
Ich brauche bei dieser Gelegenheit kaum daran zu erinnern, daß die Regierungen der sämtlichen Staaten, die Mitglieder der Nordatlantikpakt-Organisation sind, am 23. Oktober 1954 eine gemeinsame Erklärung abgegeben haben, in der sie diesen Standpunkt übernehmen. Auch alle anderen Staaten der freien Welt, die mit uns diplomatische Beziehungen unterhalten, akzeptieren ausdrücklich oder stillschweigend unseren Anspruch. Wir haben unsere Auffassung, um jeden Zweifel an der Unveränderlichkeit unserer Haltung zu zerstreuen, auch der Sowjetregierung notifiziert. Wenn die Sowjetregierung trotzdem diplomatische Beziehungen zu uns aufnimmt, tut sie dies zwar nicht mit Billigung, aber doch in Kenntnis unseres Standpunkts gegenüber der sogenannten Deutschen
({11})
Demokratischen Republik und unseres Anspruchs, für ganz Deutschland zu sprechen.
Auch dritten Staaten gegenüber halten wir unseren bisherigen Standpunkt bezüglich der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik aufrecht. Ich muß unzweideutig feststellen, daß die Bundesregierung auch künftig die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR durch dritte Staaten, mit denen sie offizielle Beziehungen unterhält, als einen unfreundlichen Akt ansehen würde,
({12})
da er geeignet wäre, die Spaltung Deutschlands zu vertiefen.
In diesem Zusammenhang will ich kurz auf den zwischen der Sowjetunion und der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik am 20. September 1955 abgeschlossenen Vertrag nebst dem angeschlossenen Briefwechsel eingehen. Der Vertrag scheint wie die schon am 25. März 1954 veröffentlichte Erklärung der Sowjetregierung den Eindruck hervorrufen zu wollen, daß der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik die Souveränität gewährt sei. Der erwähnte Vertrag ändert jedoch nichts an dem bestehenden Zustand. Das sowjetzonale Regime, das, wie schon ausgeführt, in keiner Weise demokratisch legitimiert ist, hat keine Souveränität, und seine Anerkennung kommt nicht in Frage.
In dem Briefwechsel, der dem Vertrag vom 20. September angeschlossen ist, wird ferner die Ausübung der Bewachung und der Kontrolle der Verbindungswege zwischen der Bundesrepublik und Westberlin mit Ausnahme des Versorgungsverkehrs für die alliierten Truppen der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik übertragen. Der Widerspruch einer solchen Übertragung mit dem Schlußkommuniqué der Pariser Außenministerkonferenz vom -20. Juni 1949 drängt sich auf. Nach diesem Schlußkommuniqué hat die Sowjetregierung 'bestimmte Verpflichtungen wegen einer reibungslosen Abwicklung des Interzonen-
und Berlin-Verkehrs übernommen. In dem Briefwechsel wird 'dagegen auf eine Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Bundesrepublik und der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik verwiesen. Das ist ein Versuch, Verpflichtungen der Sowjetunion gegenüber den westlichen Alliierten auf die sogenannte Deutsche Demokratische Republik zu übertragen, damit in die Rechtssphäre der Alliierten einzugreifen und schließlich den Interzonen- und Berlin-Verkehr durch die an die Bundesregierung gestellte Zumutung zu behindern, darüber mit einem Staat zu verhandeln, den sie nicht anerkennt. Die Bundesregierung hat deshalb die drei Westmächte auf diesen Sachverhalt hingewiesen und sie um die erforderlichen Schritte gebeten.
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In der Frage der wirtschaftlichen Beziehungen haben wir uns große Zurückhaltung auferlegt. Wir sind in erster Linie nach Moskau gefahren, um die dringendsten politischen Fragen zu erörtern. Handelsbesprechungen sind späteren Gesprächen vorbehalten, wie das auch aus dem Schlußkommuniqué ersichtlich ist. Auch technische Details in Zusammenhang mit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, zu denen 'der Umfang der beiderseitigen Botschaften gehört, bedürfen noch der Absprache.
Ich darf zusammenfassen: Als Ergebnis der Reise nach Moskau haben wir beschlossen, mit der Sowjetregierung diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Wir haben das Wort der sowjetischen Führer, daß die zurückgehaltenen Personen in der allernächsten Zeit zurückkehren werden. Wir haben das Anerkenntnis der Sowjetregierung, auf Grund des Viermächteverhältnisses bezüglich Deutschlands zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands verpflichtet zu sein. Wir haben die zur Wahrung unseres Rechtsstandpunkts erforderlichen völkerrechtlichen Vorbehalte gemacht, welche die Sowjetregierung zur Kenntnis genommen hat. Wir haben in außerordentlich schwierigen Verhandlungen das im menschlichen und im politischen Bereich Mögliche 'getan, aus der gegebenen Situation herauszuholen, was herauszuholen war.
Die Tragweite der zu treffenden Entscheidungen hat mich bewogen, die Wirksamkeit der Moskauer Vereinbarungen von dem Einverständnis des Bundestages abhängig zu machen. Ich verkenne nicht die in den Moskauer Entscheidungen liegende Problematik. Ohne jedes Risiko werden sich aber die schwierigen politischen Probleme unseres Staates nicht lösen lassen, wird die Einheit Deutschlands nicht zu verwirklichen sein.
Ich glaube, Ihnen, meine Damen, meine Herren, empfehlen zu dürfen, 'im Einklang mit dem Beschlusse des Kabinetts sich mit den Moskauer Ergebnissen einverstanden zu erklären.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung der Bundesregierung gehört. - Herr Bundeskanzler, es ist im Ältestenrat eine Vereinbarung darüber herbeigeführt worden, daß die Beschlußfassung des Bundestages - um die Sie nachgesucht haben - über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion am Schluß der morgen stattfindenden allgemeinen Aussprache erfolgt.
Meine Damen und Herren, 'ich unterbreche die Sitzung 'bis heute um 15 Uhr.
Die Sitzung ist unterbrochen.
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Die Sitzung wird um 15 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe auf Punkt 17 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über Sozialversicherung vom 5. Mai 1953 nebst Schlußprotokoll und Zusatzvereinbarung ({0}).
Nach der Vereinbarung im Ältestenrat soll auf Begründung und Besprechung verzichtet werden. Der Entwurf soll unmittelbar an den zuständigen Ausschuß überwiesen werden; das ist in diesem Falle der Ausschuß für Sozialpolitik. Ist das Haus einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
({1})
Ich rufe auf Punkt 18 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 11. Mai 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba ({2}).
Auch hier hat der Ältestenrat vereinbart, zu verfahren wie zu Punkt 17. Die zuständigen Ausschüsse sind der Ausschuß für Außenhandelsfragen als federführender Ausschuß und der Ausschuß für Verkehrswesen. Ist das Haus einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 19:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Libanon vom 8. März 1955 auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ({3}).
Die Vereinbarung im Ältestenrat geht ebenfalls dahin, die Vorlage ohne Begründung und ohne Aussprache dem zuständigen Ausschuß, dem Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, zu überweisen. - Das Haus ist einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 20:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag vom 4. November 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Mexikanischen Staaten über den Schutz der Urheberrechte ihrer Staatsangehörigen an Werken der Tonkunst ({4}).
Auch hier soll wie vorher verfahren werden. Der zuständige Ausschuß ist der Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. - Das Haus hat so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 21:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden ({5}).
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, die Vorlage ohne Begründung und ohne Besprechung an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen; es handelt sich um den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, der federführend ist, und den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, der mitberät. - Ich höre keinen Widerspruch; das Haus hat so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 22:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({6})).
Auch hier sind sich die Fraktionen im Ältestenrat einig geworden, daß der Beschluß ohne Begründung und Besprechung gefaßt werden soll. - Es meldet sich niemand zum Wort. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer für die Annahme des interfraktionellen Antrags auf Umdruck 472 ist, die dort aufgeführten Anträge an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
*) Siehe Anlage 2. Punkt 23:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betreffend Steuererleichterung für die Anschaffung von Haushaltsgeräten ({7}).
Die Fraktionen haben im Ältestenrat vereinbart, den Antrag ohne Begründung und ohne Besprechung an den zuständigen Ausschuß, nämlich den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, zu überweisen. - Es erhebt sich kein Widerspruch. Das Haus ist einverstanden; es ist also nach diesem Vorschlag beschlossen.
Ehe ich den Punkt 24 mit Begründung und Debatte aufrufe, teile ich dem Hause mit, daß die Antragsteller zu Punkt 25 die Absicht haben, den Punkt heute nicht behandeln zu lassen. Es handelt sich um die Beratung des Antrags der Abgeordneten Mensing und Genossen betreffend Durchführung von Betriebsprüfungen und Steuerfahndungen durch die Finanzämter. Ist das Haus damit einverstanden, daß dieser Punkt heute von der Tagesordnung abgesetzt wird?
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- Der Abgeordnete Mensing ist nicht einverstanden; er ist Antragsteller.
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- Aha, Sie sind also einverstanden. Dann erhebt sich kein Widerspruch. Punkt 25 ist von der Tagesordnung abgesetzt.
Ich rufe Punkt 24 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Bundesbeihilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge ({10}).
Wer begründet den Antrag? - Das Wort hat der Abgeordnete Heinrich zur Begründung des Antrags.
Heinrich ({11}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD- Fraktion - Drucksache 1312 - betreffend die Handhabung der Richtlinien zur Gewährung von Bundesbeihilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge vom 17. Oktober 1951 will in seinem Abs. a sicherstellen, daß Ansprüche nicht unter der Begründung abgelehnt werden, bei den Enteignungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone und Ost-Berlin handele es sich um keine Nachwirkungen des Krieges. Aus der bisherigen Handhabung und auch aus der Antwort des Herrn Bundesarbeitsministers auf die Kleine Anfrage Nr. 129 der SPD-Fraktion geht hervor, daß die Bundesregierung nicht gewillt ist, denjenigen Personenkreis mit einzubeziehen, der durch die Enteignungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone aus der betrieblichen Altersfürsorge ausgeschlossen wurde bzw. ihrer verlustig ging. Hierzu ist festzustellen, daß bei den Beratungen über die Bundesbeihilfen sowohl in den beteiligten Ausschüssen als auch in der 107. Sitzung des 1. Deutschen Bundestages von der Tatsache ausgegangen wurde, daß allen Arbeitnehmern, denen infolge des Krieges oder seiner Nachwirkungen die betriebliche Altersfürsorge verlustig gegangen ist, im Wege des Ausgleichs eine Beihilfe gezahlt wird. Das ist das gleiche System
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1 wie das, auf Grund dessen nach der Inflation 1924 dem damaligen Reichsarbeitsminister ein Fonds zur Verfügung gestellt wurde, aus dem er die Betriebe oder die betrieblichen Altersversorgungseinrichtungen mit Mitteln versehen konnte, wenn sie aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage waren, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Dabei war es vollkommen gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch bestand oder ob der Anspruch aus einer freiwilligen Leistung hergeleitet wurde. So ist es auch ganz gleich, ob nun die Betriebe und die Unternehmungen noch oder nicht mehr vorhanden sind und ob die Unterstützungseinrichtungen dadurch aufgelöst worden sind, daß der Betrieb in der Ostzone enteignet wurde oder nicht mehr besteht oder daß der Betrieb in der Bundesrepublik demontiert wurde.
Ausgehend von diesem Grundgedanken sind auch die Enteignungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone und in Ost-Berlin unter dem Gesichtspunkt der Nachwirkungen des Krieges zu betrachten. Die Enteignungsmaßnahmen sind im Schutze und mit dem Willen der Besatzungsmacht geschehen, um die politischen Ziele gegen die Auffassung von Recht und Freiheit zum Tragen zu bringen. Also handelt es sich hierbei um Maßnahmen, die infolge des Krieges ergriffen worden sind. Die Enteignung, die in unseren Augen eine illegale Maßnahme ist, ist gleichbedeutend mit den Demontagemaßnahmen der Westalliierten in den Betrieben der Bundesrepublik und im Lande Berlin. Diese Maßnahmen hatten bzw. haben einen politischen Hintergrund, auf den ich hier im einzelnen nicht einzugehen brauche. Es geht lediglich um die Feststellung, daß die Betroffenen in beiden Fällen ihren berechtigten Anspruch auf I Altersversorgung durch Kriegseinwirkungen verloren haben. Aus diesem Grunde müssen auch beide Teile gleichbehandelt werden, soweit die Betroffenen ihren Wohnsitz im Bereich der Bundesrepublik und des Landes Berlin haben.
Wir sind der Auffassung, daß die Betroffenen aus den enteigneten Betrieben der sowjetischen Besatzungszone und Ost-Berlins mit in den Rahmen des Ausgleiches fallen. Meine Damen und Herren, einen solchen Antrag abzulehnen, bedeutet, daß man die Enteignungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone entgegen der bisherigen Auffassung des Eigentumsbegriffs anerkennt.
Der Abs. b des Antrags meiner Fraktion will, daß Benachteiligungen von Heimatvertriebenen, die Ansprüche auf Leistung der betrieblichen Altersfürsorge verloren haben, vermieden werden. Anspruch nach Abschnitt I Abs. 1 der Richtlinien vom 17. Oktober 1951 hat derjenige, der im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung nach der maßgeblichen betrieblichen Regelung eine Altersfürsorgeleistung erhalten hätte, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits der Rentenfall eingetreten wäre. Im Zeitpunkt des Ausscheidens muß also die in der betrieblichen Regelung für die Erlangung einer Altersfürsorgeleistung geforderte Beschäftigungszeit, die Wartezeit, zurückgelegt sein. Das ist eine harte Bestimmung für den betroffenen Kreis der Heimatvertriebenen. In der Regel war es in der betrieblichen Altersfürsorge so, daß eine Unterstützung nach einer Beschäftigungszeit von 25, 30 bzw. 40 Jahren gewährt wurde. Durch die Vertreibung stehen die Heimatvertriebenen heute oft vor der Tatsache, daß ihnen nur eine kurze
Zeit, vielleicht zwei bis drei Jahre, an der Erfüllung der Wartezeit fehlt, um in den Genuß der Altersfürsorgeunterstützung zu kommen. Sie selbst sind an der Vertreibung, die durch die Kriegsereignisse verursacht wurde, schuldlos. Wir sind der Auffassung, daß in solchen Fällen den Betroffenen die Bundesbeihilfe trotz Nichterfüllung der Wartezeit zu gewähren ist. Wäre die Vertreibung nicht erfolgt, so hätten sie bestimmt in ihren Betrieben die Wartezeit erfüllt und dadurch die Altersfürsorge erhalten.
Der Abs. c des Antrags der SPD-Fraktion will sicherstellen, daß Zeitverluste infolge langfristiger Bearbeitung der Anträge auf Gewährung von Bundesbeihilfen nicht zu Lasten der Berechtigten gehen. Die bisherige Behandlung der Anträge durch die Bundesregierung führte dazu, daß erhebliche Zeitverluste eingetreten sind bzw. Anträge abgelehnt wurden, die sich nach unserer Auffassung auf einen berechtigten Anspruch auf Zahlung der Bundesbeihilfe stützen. Hier muß sichergestellt werden, daß diese Zeitverluste nicht zu Lasten der Antragsteller gehen und daß ihnen die Leistungen vom Zeitpunkt der Antragstellung an gewährt werden.
Zum Schluß darf ich Sie noch darauf hinweisen, daß seit Erlaß der Richtlinien im Jahre 1951 erhebliche Preissteigerungen stattgefunden haben, die Veranlassung von Lohn-, Gehalts- und Rentenerhöhungen waren. Es scheint daher notwendig, eine Überprüfung der bisherigen Höchstsätze - für Invalidenversicherungspflichtige beträgt der Höchstsatz 30, für Angestelltenversicherungspflichtige 50 DM - vorzunehmen und sie entsprechend den gestiegenen Lebenshaltungskosten anzugleichen. Dies erscheint um so notwendiger, als von den ursprünglich im Haushalt eingesetzten 25 Millionen DM nur 6,5 Millionen DM ausgegeben wurden; mit anderen Worten: nur ein Viertel der veranschlagten Summe wurde in Anspruch genommen.
Die finanziellen Möglichkeiten gestatten es, den Ärmsten der Armen gerecht zu werden. Ich darf Sie daher bitten, dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
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Der Antrag ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um eins vorwegzunehmen: Im Jahre 1954 sind über diesen Etatstitel 10 174 000 Mark verausgabt worden. Der Tatbestand, daß der Etatstitel nicht ausgeschöpft worden wäre, ist also in Wirklichkeit nicht gegeben. In den ersten Jahren lagen allerdings die Beträge weit unter dieser Summe. Das ist auch verständlich, weil sich ein großer Teil der Leute erst viel später für diese Hilfen gemeldet haben.
Aber wenn man zu dem hier vorliegenden Antrag Stellung nehmen will, muß man sich doch klar darüber sein, was der Bundestag damals mit seinem Beschluß gewollt hat. Er wollte denjenigen Menschen, die bei uns in Deutschland in der Vorkriegszeit irgendwelche Altersversorgungsansprüche an ihren Betrieb hatten, einen Ersatz geben, wenn diese Betriebe entweder durch die Kriegsfolgen oder durch Demontage vernichtet waren. Durch den vorliegenden Antrag wird etwas ganz anderes verlangt. Wir leben in einem gespaltenen Deutschland.
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In der Sowjetzone hat man eine ganze Reihe von Betrieben den Privateigentümern weggenommen, hat sie zu Staatsbetrieben gemacht, und man hat dort die früher bestandene Altersversorgung nicht wiederaufleben lassen. Die Folge davon ist, daß natürlich die Leute, wenn sie heute zu uns kommen, sagen: Wenn dort drüben keine Enteignung vorgenommen worden wäre, dann bekämen wir die Altersversorgung. Wir haben im Bundesarbeitsministerium sehr viele Einzelfälle zu bearbeiten gehabt. Ich weiß, daß, wenn wir in der Behandlung dieser Anträge nicht sehr großzügig gewesen wären, annähernd die Hälfte der Leute, soweit sie 'aus der sowjetisch besetzten Zone oder aus den östlichen Gebieten gekommen sind, überhaupt nicht in den Genuß der Leistungen hätten kommen können, weil sie gar nicht beweisen konnten, daß ihnen eine feste arbeitsvertragliche Zusicherung gegeben war. Wir haben die Dinge so großzügig wie nur irgend möglich gehandhabt.
Bei der Behandlung dieser Frage müssen wir uns darüber im klaren sein, daß wir in Situationen kommen können, die wir in der finanziellen Auswirkung gar nicht zu überschauen in der Lage sind. Nehmen Sie an, wir würden die Dinge so handhaben, wie es jetzt in diesem Antrag gewünscht wird; dann würden wir wahrscheinlich sehr bald vor der Tatsache stehen, daß 'beispielsweise alle diejenigen Menschen, die in der Zone irgendeine Leistung aus der Sozialversicherung bekommen, wenn sie bei der Eisenbahn oder bei der Post gewesen sind, nun sagen: „Wenn der Krieg nicht gekommen wäre, dann hätten wir die Versorgungsabteilung B behalten, und deshalb sind wir der Meinung, daß wir ebenfalls entschädigt werden müssen."
Nach meiner Meinung sollte man diesen Antrag dem zuständigen Ausschuß überweisen und dort grundsätzlich die Frage prüfen, ob wir diesen Etatstitel überhaupt vergrößern wollen oder im Zuge der Neuordnung der sozialen Leistungen das allgemeine Rentenniveau so gestalten, daß diese Sonderleistungen weitgehend ¡abgebaut werden können.
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Bundesminister Storch zeigen deutlich, daß mit dem Antrag der Fraktion der SPD unter Umständen Schleusen geöffnet werden, die wir in ihrer Auswirkung nicht ganz übersehen können. In der Tat stellt aber die Handhabung, wie sie sich jetzt insbesondere in Berlin zeigt, für die betroffenen alten Arbeiter und Angestellten von Firmen eine Härte dar. Sie wollen nicht einsehen, daß ihr Anspruch nicht unter die Bestimmungen bezüglich der Kriegseinwirkung oder Nachwirkung des Krieges fällt und deshalb abgelehnt wird. Hauptsächlich betrifft es Betriebe im Ostsektor Berlins oder in den Randgebieten der sowjetischen Zone. Sie können nicht begreifen, daß in den Fällen, in denen der Betrieb von einer Bombe getroffen worden ist und aus diesem Grunde keine Altersentschädigung gezahlt wird, der Staat einspringt, daß der Staat aber nicht einspringt, wenn der Betrieb 'deshalb nichts mehr auszahlen kann, weil er enteignet ist.
Soweit mir bekannt ist, werden nach den Richtlinien diejenigen bedacht, deren Betrieb eine sowjetische Aktiengesellschaft geworden ist, wenn also die sowjetische Besatzungsmacht die Enteignung vorgenommen hat. Es werden aber nicht diejenigen bedacht, die deshalb nichts bekommen, weil die Sowjetzonenregierung die Enteignung vorgenommen hat. Auch das ist schwer begreiflich zu machen; denn in der Auswirkung ist es für den Menschen, der in dem Betrieb tätig gewesen ist, selbstverständlich völlig gleichgültig, welcher Art die Maßnahme gewesen ist. Für ihn stellt sich das als eine Maßnahme infolge des Krieges oder seiner Nachwirkungen dar.
Noch bedenklicher ist es bei den Betrieben, denen ein Teil ihrer Anlagen im Ostsektor enteignet wurde, die aber im Westsektor noch bestehen. Auch hier ist den Betrieben, die die Betreuung ihrer alten Menschen übernehmen wollen, sehr schwer begreiflich zu machen, daß es keine Nachwirkung des Krieges sein solle, wenn sie die Hälfte ihres Betriebes oder drei Viertel oder noch mehr - nach den Richtlinien muß es ja mindestens die Hälfte sein - verloren haben.
Wir sind der Meinung, daß hier tatsächlich einmal überprüft werden sollte, ob nicht dem Sinne dieser Richtlinien nach diese Enteignungsmaßnahmen den Demontagemaßnahmen und den sonstigen Nachwirkungen des Krieges gleichzusetzen sind. Wir sollten uns nicht so sehr damit auseinandersetzen, daß das Wort „unmittelbar" hier eine Rolle spielen soll.
Im zweiten Teil des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion ist ein Gebiet angeschnitten, das sich sehr stark mit den Forderungen des Lastenausgleichs überschneidet. Auch hier kann man nicht ohne weiteres sagen, daß wir, wie der Herr Bundesminister sagte, die Schleusen öffnen sollen.
Zum dritten Teil des Antrages ist nach meiner Kenntnis zu sagen, daß die Bearbeitung der Anträge eben sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich habe selber einige Male damit zu tun gehabt und muß feststellen, daß die Beweisnot der Antragsteller weithin ungemein groß ist. Sie kommen ohne jede Unterlage oder, wenn sie eine Unterlage haben, ohne jede Angabe, wie denn ihr Betrieb in Wirklichkeit in der Rechtsform zu dem noch bestehenden Betrieb stand, wie denn ihre Pensionskasse dazu stand. Die Beweisnot der Antragsteller ist wirklich sehr erheblich, und ich kann aus meiner Kenntnis und muß das als Anerkennung für das Arbeitsministerium sagen, daß hier bei der Bearbeitung 'den Antragstellern wirklich weitgehend entgegengekommen wird.
Unbeschadet dieser Tatsache, daß ich durchaus der Meinung bin, daß das Ministerium die jetzt bestehenden Richtlinien sehr großzügig handhabt, scheint uns, der CDU/CSU-Fraktion, der Antrag der SPD ein willkommener Anlaß zu sein, in den Ausschüssen 'das Problem noch einmal zu erörtern, insbesondere auch im Hinblick darauf, daß ja ein großer Teil der Bestände mit der Zeit aus der Leistung von Bundesbeihilfen herauskommt, weil wir als Voraussetzung haben, daß der Betrieb die Hälfte seiner Leistungsfähigkeit verloren hat; die kann er aber jetzt infolge des Wirtschaftsaufschwunges wieder erwerben.
Ich schlage Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend - und an den Haushaltsausschuß - zur Mitberatung - zu überweisen.
Weitere Wortmeldungen? - Das Wort hat Frau Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine politischen
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Freunde und ich begrüßen den Antrag der SPD. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß die Sowjetzonenflüchtlinge, die aus den enteigneten Betrieben gekommen sind, schon von Anfang an sehr stark benachteiligt waren. Es kann nicht davon gesprochen werden, daß durch ihr Verlangen, mit den übrigen gleichbehandelt zu werden, Schleusen geöffnet werden. Ich bin überzeugt, daß man im Ausschuß eine sehr maßvolle und dennoch einigermaßen befriedigende Lösung finden kann. Schon die Tatsache, daß die Sowjetzonenflüchtlinge aus den enteigneten Betrieben bereits so viel Geduld haben aufbringen müssen, wird uns sicherlich veranlassen, diesen Antrag sehr genau und intensiv zu bearbeiten.
Aber unter den Heimatvertriebenen sind auch sehr viele, die sich, wenn sie in die betriebliche Altersversorgung fielen, sicherlich weit besser stehen würden als heute, wo sie es hinnehmen müssen, daß sie lediglich Unterhaltshilfe beziehen. Wir sollten auch diese Angelegenheit sehr eingehend untersuchen.
Ein Teil der heimatvertriebenen Wirtschaft steht sicherlich auch heute noch in einem schweren Existenzkampf; sie muß selber erst einmal florieren und lukrativ werden. Allerdings sollten wir den Mut haben, einmal zu untersuchen, ob es nicht auch unter den aus dem Osten verlagerten Betrieben schon wieder solche gibt, die gewissermaßen florieren. Diese Betriebe sollten sich jener Belegschaftsmitglieder erinnern, die im ostdeutschen Raum einmal einen Anspruch auf die betriebliche
Anlage 1
Liste der beurlaubten Abgeordneten
a) Beurlaubungen
Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich
Höfler 28. September
Gleisner ({1}) 24. September
Dr. Dr. h. c. Müller ({2}) 24. September
Dr. Starke 24. September
Bauer ({3}) 23. September
Euler 23. September
Dr. Kopf 23. September
Raestrup 23. September
Schill ({4}) 23. September
Stierle 23. September
Frau Dr. Steinbiß 23. September
Dr. Weber ({5}) 23. September
Dr. Wellhausen 23. September
Dr. Atzenroth 22. September
Bender 22. September
Dr. Elbrächter 22. September
Geiger ({6}) 22. September
Hahn 22. September
Höcker 22. September
Kalbitzer 22. September
Neuburger 22. September
Kühlthau 22. September
Dr. Leiske 22. September
Schmücker 22. September
Dr. Schöne 22. September
Dr. Wahl 22. September
Dr. Welskop 22. September
Hoogen 22. September
b) Urlaubsanträge
bis einschließlich
Jahn ({7}) 29. Oktober
Albers 5. November
Pelster 15. Oktober
Altersversorgung hatten. Auch dies wollen wir gewiß sehr maßvoll und sehr gerecht untersuchen.
Wir begrüßen den Antrag und sind mit seiner Verweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik einverstanden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache.
Es ist der Antrag gestellt, den Antrag zu überweisen an den Ausschuß für Sozialpolitik - federführend -- und an den Haushaltsausschuß. Weitere Anträge werden dazu nicht gestellt. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, 'damit ist die Tagesordnung erledigt.
Ich habe noch mitzuteilen, daß die Fraktion der FDP unmittelbar jetzt eine Fraktionssitzung abhält, ebenso die Fraktion der SPD und die Fraktion des GB/ BHE. Die anderen Fraktionen scheinen bedient zu sein; die Fraktion der DP ist offenbar ebensowenig wie die Fraktion der CDU/CSU lüstern auf eine Sitzung.
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Ich berufe die nächste, die 102. Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Freitag, den 23. September, vormittags 9 Uhr, und schließe die 101. Sitzung des Deutschen Bundestages.