Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/20/2019

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen Christophe Arend und Antoine Herth! Ich freue mich, dass wir heute diese Debatte miteinander führen können und dass wir heute als Deutscher Bundestag über dieses Parlamentsabkommen entscheiden können. 56 Jahre nach Konrad Adenauer und Charles de ­G­aulle, 56 Jahre nach dem Élysée-Vertrag, der den Grundstein für die deutsch-französische Freundschaft gelegt hat, heben wir mit diesem Parlamentsabkommen unsere Partnerschaft auf eine neue Stufe. Der Élysée-Vertrag ist genauso wie der erneuerte Aachener Vertrag ein Regierungsvertrag. Diese Verträge sind ein Glücksfall. Sie haben uns Frieden, sie haben uns Freundschaft, sie haben uns Aussöhnung und Austausch gebracht. Im Kern ist unsere Partnerschaft aber die Freundschaft unserer beiden Völker. Wir sind die Volksvertretung. Deshalb ist es nur konsequent, dass wir jetzt mit dem Parlamentsabkommen diese starke parlamentarische Basis schaffen, die parlamentarische Antwort auf den Élysée-Vertrag geben. Ich finde, das ist ein Grund zur Freude. ({0}) Es ist insbesondere aber auch ein Auftrag, weil die Regierungen mit dem Aachener Vertrag und wir jetzt mit dem Parlamentsabkommen deutlich machen: Die deutsch-französische Freundschaft ist nicht etwas fürs Geschichtsbuch, etwas, was sich aus der Geschichte als Glücksfall ergeben hat, sondern etwas, was wir uns immer wieder neu erarbeiten und was wir weiterentwickeln müssen. Heute geht es darum, gemeinsam mit Frankreich als Partner in Europa Antworten zu geben auf die Herausforderungen, die sich heute stellen, in der Außen- und Sicherheitspolitik, bei der Frage des Wettbewerbs um Zukunftstechnologien, aber auch bei Wertvorstellungen. Da ist unsere Überzeugung, dass wir Europa stärken müssen, dass wir in diesen großen Fragen die europäische Handlungsfähigkeit stärken müssen, dass wir gemeinsam stärker sind als jeder für sich. Dazu wollen wir als Deutsche und Franzosen einen Beitrag leisten. Deshalb ist unsere Botschaft an alle unsere Partner: Wir wollen uns als Deutsche und Franzosen gerade nicht einigeln, sondern gemeinsam und mit Offenheit Impulse für alle unsere Partner geben, um Europa gemeinsam weiterzubringen. ({1}) Das Herzstück dieses deutsch-französischen Parlamentsabkommens ist die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung, eine Versammlung, die aus 50 Mitgliedern des Deutschen Bundestages und 50 Mitgliedern der Assemblée besteht, die gemeinsam beraten, diskutieren und Impulse geben. Ihre gemeinsame Zusammenarbeit wird so gestaltet, wie es das zwischen anderen Parlamenten irgendwo auf der Welt vermutlich nicht ein zweites Mal gibt. Ich finde, das ist eine Besonderheit. Diese neue Einrichtung muss aber auch den Erwartungen gerecht werden. Eine Erwartung – von uns formuliert – ist ganz konkret: Es muss einen Mehrwert für die Menschen in unseren Ländern und für Europa geben. ({2}) Das war unser Anspruch an den Aachener Vertrag. Genauso kraftvoll werden wir uns jetzt in die Umsetzung einbringen. Es muss einen Mehrwert für die Bürger geben, die sich in Städtepartnerschaften engagieren. Deshalb muss der Bürgerfonds, der im Vertrag steht, Gestalt annehmen. Er muss bürgernah und unbürokratisch umgesetzt werden und den Menschen, die sich um Verständigung bemühen, zugutekommen. ({3}) Es waren gerade unsere Impulse, die dazu geführt haben, dass der Vertrag ein starkes Kapital für die Grenzregionen enthält, weil wir feststellen: Auch 56 Jahre nach dem Élysée-Vertrag gibt es allzu oft noch Hürden, die der Zusammenarbeit und gemeinsamen Projekten entgegenstehen, und es gibt Infrastruktur, die noch ausgebaut werden muss. Als Beispiel nenne ich die Eisenbahnverbindung zwischen Freiburg und Colmar. Das alles müssen wir angehen. Wir haben gesagt: Der Weg über Paris und Berlin, also über die Landeshauptstädte, ist oft weit und beschwerlich. Deshalb benötigen die Grenzregionen mehr Zuständigkeiten, mehr Kompetenzen und mehr Spielraum. Diesen müssen ihnen die Parlamente geben. Deshalb sind wir in besonderer Weise gefordert. ({4}) Schließlich werden wir in einzelnen politischen Bereichen gemeinsam Impulse geben müssen. Wir haben verabredet, dass es spiegelbildlich zu dem Rat der Regierung für Sicherheit und Verteidigung auch einen Ausschuss dieser Versammlung geben soll. Es gibt die Deutsch-Französische Brigade und eine entsprechende Zusammenarbeit. Die Traditionen sind aber unterschiedlich: In Frankreich entscheidet der Präsident über Einsätze, bei uns ist es das Parlament. Beides wird so bleiben. Wir müssen aber Wege finden, wie wir gemeinsam zu guten Ergebnissen kommen. Das ist der Anspruch dieser Versammlung. Ich freue mich auf die Beratungen. Zuletzt möchte ich unserem Bundestagspräsidenten Dr. Schäuble, der dieses Vorhaben, diese Initiative, von Anbeginn kraftvoll unterstützt hat, den Präsidien beider Häuser und den Mitgliedern der Arbeitsgruppen herzlichen Dank für die Beratungen sagen, die immer im freundschaftlichen und konstruktiven Geist stattgefunden haben. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Norbert Kleinwächter, AfD. ({0})

Norbert Kleinwächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004781, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Chers amis! Wir finden kaum einen Vertrag, der nicht von der Unehrlichkeit der Herrscher zeugt. Das schrieb schon Luc de Clapiers, Marquis de ­Vauvenargues, Mitte des 18. Jahrhunderts. Daher sollte man durchaus vorsichtig sein, wenn Regierungschefs Verträge schließen, wie Angela Merkel und Emmanuel Macron dies letztens in Aachen taten. Es handelt sich um einen Vertrag, der nicht deutschen und eigentlich auch nicht französischen Interessen dient, sondern vielmehr den etwas kruden Vorstellungen Emmanuel Macrons von einer zentralisierten EU, die Deutschland und Frankreich nach seinen Vorstellungen voranzutreiben haben. ({0}) Macron fordert aberwitzige Parallel- und Konkurrenzstrukturen in der EU, der NATO, der Euro-Zone und nun auch auf deutsch-französischer Ebene. Dass er damit die europäischen Länder mehr spaltet als eint, fällt ihm und unserer Kanzlerin offenbar gar nicht mehr auf. ({1}) Merkel und Macron opfern die hervorragende deutsch-französische Freundschaft für diese Utopien, denen die meisten Deutschen und Franzosen nur sehr wenig abgewinnen können. Sie verändern sie grundlos zu einer Pflicht- und Schicksalsgemeinschaft zugunsten falscher Ziele, was Deutschland und Frankreich nicht vereinen, sondern auseinandertreiben kann und wird. „Brautglocken sind der Freundschaft Sterbeglocken“, wusste Paul Johann Ludwig von Heyse. Wir sind in der Pflicht, uns das Jawort gründlich zu überlegen. Es ist auch ein Risiko für die Zukunft der deutsch-französischen Freundschaft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, chers ­collègues, die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg war das Beste, was beiden Ländern in den letzten Jahrzehnten widerfahren ist. ({2}) Die deutsch-französische Freundschaft ist ein unschätzbarer Wert, den wir nie gefährden sollten. Unsere Partnerschaft ist ein Motor für europäische Zusammenarbeit und Frieden. Den vielen Menschen, die das ermöglicht haben, den Politikern und Führungskräften, vor allem aber den vielen Menschen, die durch ihr Tun die deutsch-französische Freundschaft leben – Lehrern, Gasteltern, Freiwilligen, Ehrenamtlichen –, gelten unser aufrichtiger Dank und unsere größte Anerkennung. ({3}) Wir stehen nun aber vor einer Zäsur in dieser deutsch-französischen Beziehung. Ihre Spielregeln sollen völlig verändert werden. „Je vous aime!“, rief Macron den Deutschen am Volkstrauertag von diesem Pult aus zu. Er will die ungezwungene deutsch-französische Freundschaft zu einer Art Heirat und dauerhaften Bindung mit fragwürdigem Ehevertrag umgestalten. Dieser enthält umfangreiche Verpflichtungen, die auch uns Abgeordnete einschränken können. Die Vorteile aber sind begrenzt. Mit all seinen Waffen verteidigen will unser Freier uns im Ernstfall nicht, wie er kurz danach sagte. Drum prüfe, wer sich ewig bindet,  Ob sich das Herz zum Herzen findet!  Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang. Die Jamaika-Koalition, die genauso wenig zur Realität werden sollte, wie Macrons Utopien jemals Gestalt annehmen werden, bestand im Januar letzten Jahres darauf, dass Deutschland und Frankreich nicht nur einen bizarren Ehevertrag schließen, sondern dass auch der Bundestag, unser Parlament, Gleiches mit der Assemblée nationale tun solle. Das Parlamentsabkommen, das wir heute diskutieren, ist mit erheblichen Kosten und Verpflichtungen verbunden. Einmal alle vier Jahre müssen sich beide Parlamente in einer gemeinsamen Versammlung treffen. Mindestens zweimal im Jahr tagt eine kleinere parlamentarische Versammlung. ({4}) Sie soll die deutsch-französischen Ministerräte begleiten, eine gemeinsame europäische Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik gestalten und die Konvergenz, also die Angleichung des deutschen und des französischen Rechts, anstreben. Sie soll ferner dem Bundestag und der Assemblée gemeinsame Entschließungen vorlegen. Und der Bundestag verpflichtet sich zu einer Harmonisierung des Rechts mit Frankreich, zur „Verabschiedung von Rechtsvorschriften …, die es ermöglichen, von nationalen rechtlichen Regelungen abzuweichen“, zu gemeinsamen Ausschusssitzungen, Berichterstattergesprächen, Dienstreisen. ({5}) Wollen wir das? ({6}) Will das der Bürger, den wir hier zu vertreten haben? Findet er es gut, dass wir Millionen Euro für diese Zusammenarbeit ausgeben werden, während er im Mülleimer nach Pfandflaschen sucht? Ich sagte es in der deutsch-französischen Arbeitsgruppe bereits, und ich sage es gerne noch einmal: Es ist gut und richtig, dass sich Bundestag und Assemblée von Zeit zu Zeit besuchen ({7}) und die Ausschüsse sich gegenseitig austauschen. Aber es ist falsch, wenn eine parlamentarische Versammlung und nicht die Parlamente selbst deutsch-französische Politik begleiten, sondern Diskussionen nach oben auslagern. ({8}) Es ist falsch, eine europäische Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu betreiben und sie durch dieses Abkommen auch noch festzuschreiben. Es ist falsch, zu versuchen, eine Einheit des deutschen und französischen Rechtsraums herzustellen, obwohl beide sich rechtsgeschichtlich erheblich unterscheiden. Lasst jedem Land sein Rechtssystem und seine Traditionen! ({9}) „Achtung nur ist der Freundschaft unfehlbares Band“, bemerkte Schiller einst. ({10}) Und gänzlich falsch ist es, die Abweichung von Rechtsnormen als Ziel des Deutschen Bundestags und der Assemblée nationale festzulegen. Meine Damen und Herren, das Chaos in der deutschen und der EU-Politik rührt doch gerade daher, dass von Normen ständig abgewichen wird: im Euro-Desaster von den Maastricht-Kriterien, in der Massenimmigration vom Völkerrecht, bei der Verfolgung von schwerer Kriminalität vom Strafrecht. Ständig gibt es Abweichungen zulasten der Bürger. ({11}) Ein Mehr davon zu fordern und damit die Rechtseinheitlichkeit in Deutschland für alle Bürger aufzulösen, ist genau das Gegenteil dessen, was wir brauchen. Wenn die SPD hofft, dass die Beschlüsse der parlamentarischen Versammlung einmal bindend werden könnten, was sie aber glücklicherweise nicht sind, dann wird mir angst um das demokratische Recht der Bürger, zu wählen und über die Wahlentscheidung auch gut informiert zu sein. ({12}) Nicht die Gewerkschaften, nicht die sogenannte Zivilgesellschaft, nicht irgendein Verein oder eine Partei kann das deutsche Volk vertreten. Allein der Deutsche Bundestag hat diesen Anspruch. Nur er kann es tun, weil nur er regelmäßig in demokratischer und freier Wahl bestimmt wird. Dazu muss er aber auch frei sein und darf keine Bedürfnisse erfüllen müssen. Deswegen kommt uns insbesondere in Bezug auf sein Regelwerk und seine Unabhängigkeit besondere Verantwortung zu. Diese dürfen wir nicht für ein Abkommen der vermeintlichen Liebe kompromittieren. ({13}) Atlantisch bleiben, europäischer werden – auch dafür ist eine engere Zusammenarbeit zwischen beiden Parlamenten unverzichtbar. Das nennen die Antragsteller Union, SPD, FDP und Grüne als Hauptgrund ihres Beschlusswunsches. Geschichts- und kulturvergessener könnte man die ersten Sätze eines Antrags kaum formulieren. Deutschland und Frankreich haben die Geschichte, auch die Kulturgeschichte und Philosophie Europas maßgeblich geprägt und haben ganz sicher keinen Bedarf, europäischer zu werden, als sie es schon immer waren. „Sapere aude!“, mag man Ihnen da nur noch mit Immanuel Kant zurufen und Sie einladen, durch die Lektüre seiner Zeitgenossen Jean-­Jacques Rousseau, Johann Christoph Gottsched, Gotthold Ephraim Lessing oder Voltaire ({14}) an den Erkenntnissen der Aufklärung zu partizipieren. En mariage  Un sort heureux  Est un rare avantage;  Ses plus doux feux  Sont un long esclavage. Das legte Letzterer übrigens in „La Princesse de Navarre“ einem Wahrsager in den Mund. Und weiter: Du mariage  Craignez les nœuds;  Ils font trop dangereux. Eine weitere weise Warnung vor einer überstürzten Eheschließung. Meine Damen und Herren, „Es müssen sich nicht alle heiraten, die einmal zusammen gähnen“, bemerkte Ovid. Nur weil in der Europäischen Union alles kriselt und es mit der Integration nicht so recht vorangehen mag, weil sie eben auch nicht funktioniert, brauchen wir keine grundlegende Veränderung der deutsch-französischen Partnerschaft. Das hier vorgeschlagene Parlamentsabkommen baut auf dem Aachener Vertrag auf und stärkt nicht die Freundschaft, sondern letztlich nur die falschen Ideen eines Herrn Macron. ({15}) Wir sollten als Parlamente einen höheren Anspruch an uns selbst haben. Lassen Sie mich mit einem Gedicht von Wilhelm Busch schließen: Sie hat nichts und du desgleichen;  Dennoch wollt ihr, wie ich sehe,  Zu dem Bund der heil’gen Ehe  Euch bereits die Hände reichen. ({16}) Kinder, seid ihr denn bei Sinnen?  Überlegt euch das Kapitel!  Ohne die gehör’gen Mittel  Soll man keinen Krieg beginnen. ({17}) Vive l’amitié! ({18})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dr. Nils Schmid, SPD, ist der nächste Redner. ({0})

Dr. Nils Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004876, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da mögen Sie noch so viele Zitate einstreuen, Herr Kleinwächter: Selten haben wir zu den deutsch-französischen Beziehungen eine so kleingeistige und von Kleinmut gehaltene Rede gehört wie die von Ihnen. ({0}) Ich will einmal festhalten: Dieses Parlamentsabkommen ist einmalig in seiner Art, und es ist gut, dass diese europäische Schicksalsgemeinschaft zwischen Deutschland und Frankreich – da brauchen wir uns gar nicht in irgendwelchen Heiratsfantasien zu ergehen – jetzt durch eine enge parlamentarische Zusammenarbeit begleitet wird, in Ergänzung zu dem neuen deutsch-französischen Vertrag der Regierungen, dem Aachener Vertrag. Ich will ausdrücklich die wohlwollende Begleitung in der Vorbereitung durch die beiden Parlamentspräsidenten, Herrn Schäuble und Herrn Ferrand bzw. Herrn de Rugy, würdigen und danksagen für die gute Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe der beiden Parlamente zur Vorbereitung dieses Parlamentsabkommens. Dieses Parlamentsabkommen und auch der deutsch-französische Vertrag sind möglich geworden, weil wir in Frankreich bei der Regierung und im Parlament auf Partner gestoßen sind, die zu dem Schritt einer engen Verzahnung bereit waren, so wie auch wir es waren. Schauen wir uns das sehr lobenswerte Kapitel zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im neuen deutsch-französischen Vertrag an, das maßgeblich auf die Initiative der Parlamentarier zurückgeht. Diese Zusammenarbeit auch in regulatorischer Hinsicht ist nur möglich, weil es von der französischen Seite die Bereitschaft im Sinne einer asymmetrischen Dezentralisierung gab, im Grenzgebiet eine eigene Rechtsetzung zu bestimmten Anlässen vorzunehmen. Nur deshalb konnten wir dieses Kapitel so verabschieden. Ich will als zweites Beispiel für die segensreiche Mitwirkung der Parlamentarier an der deutsch-französischen Zusammenarbeit auf die Einrichtung des Bürgerfonds hinweisen. Wir hoffen, dass er bald mit Geld gefüllt wird, um konkrete Projekte der Zusammenarbeit auch jenseits der eingefahrenen Städtepartnerschaften und Schulpartnerschaften zu unterstützen. All das zeigt: Die parlamentarische Unterstützung für die deutsch-französische Freundschaft ist unverzichtbar und wertvoll. ({1}) Deshalb wird die neu einzusetzende Parlamentarische Versammlung einen Schwerpunkt auf die Begleitung der Umsetzung des Aachener Vertrags legen. Ein anderer Schwerpunkt wird auf der Konvergenz im Bereich der Rechtsetzung liegen, insbesondere bei der Umsetzung von EU-Recht. Auch das halte ich für richtig. Es gibt schon Vorarbeiten zu einem gemeinsamen Unternehmensteuerrecht. Was immer auch die Rechtstraditionen sein mögen: Im Rahmen eines europäischen Binnenmarkts, in dem Deutschland und Frankreich sehr enge Partner sind, ist es doch nur sinnvoll, darüber nachzudenken, wie wir gemeinsam eine gerechte Unternehmensbesteuerung als Kern einer europaweiten Harmonisierung zwischen Deutschland und Frankreich auf den Weg bringen können. ({2}) Entscheidend für die Zusammenarbeit wird sein – das ist meine Bitte, mein Appell an alle Kolleginnen und Kollegen –, dass wir mit der gesamten Breite des Parlaments, über alle Fachausschüsse und Fachpolitiken hinweg, die Arbeit der Parlamentarischen Versammlung unterstützen. Dabei geht es nicht nur um die 50 Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung und ihre Stellvertreter. Es geht um jeden Ausschuss, um jede Arbeitsgruppe. Es gibt bereits eine Reihe von Initiativen; ich weiß es vom Verteidigungsausschuss und von anderen Ausschüssen. Es gibt schon jetzt regelmäßige Treffen. Diese Treffen müssen auf immer weitere Ausschüsse ausgedehnt werden; denn die Parlamentarische Versammlung kann bei ihren zwei Treffen im Jahr gar nicht die ganze Breite der Zusammenarbeit in den Fachpolitiken abdecken. Das muss aus dem gesamten Parlament heraus geleistet werden. In den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz, bei gesundheitspolitischen Fragen, bei steuerrechtlichen Fragen, aber auch in den klassischen Feldern der außenpolitischen Zusammenarbeit gibt es viele Themen, zu denen wir den Austausch im Hinblick auf unterschiedliche parlamentarische Traditionen verstärken können. Ich bitte Sie, in den Fachausschüssen Empfehlungen für die Parlamentarische Versammlung, die beiden Parlamente, vorzubereiten, damit wir möglichst viel Material für die deutsch-französische Zusammenarbeit der Parlamente haben. In diesem Sinne wünsche ich ein gutes Gelingen. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit in dieser wichtigen Frage. ({3})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicola Beer, FDP. ({0})

Nicola Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004668, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Letztes Jahr feierten wir gemeinsam in diesem Haus mit den Kolleginnen und Kollegen der französischen Nationalversammlung 55 Jahre Élysée-Vertrag. Gleichzeitig verabschiedeten wir eine Resolution, welche die historische Leistung von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer würdigte, nur 18 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, nach einem Jahrhundert von kriegerischen Auseinandersetzungen einen Freundschaftsvertrag zu schließen. Dieser Freundschaftsvertrag war ein Meilenstein, ein Meilenstein, der das Fundament für eine enge bilaterale Zusammenarbeit legte und den Weg für weitere Schritte der europäischen Integration bereitete. Aber unsere Resolution bestand nicht nur aus schönen Worten. Es ging uns um konkrete Vorschläge zur Vertiefung der deutsch-französischen Zusammenarbeit, und zwar durch zwei Initiativen: zum einen die Erneuerung des Élysée-Vertrags – und damit auch das Aufgreifen einer Initiative von Präsident Emmanuel Macron aus 2017, auf die es leider keine konkrete Aktion der Bundesregierung gab – und zum anderen die Verabschiedung eines zusätzlichen, eines neuen deutsch-französischen Parlamentsabkommens. Damit sind wir Vorreiter für eine neue Ebene interparlamentarischer Zusammenarbeit geworden, Herr Kleinwächter. Genau das war auch gewollt. ({0}) Schade, dass der Aachener Vertrag die Parlamente und ihre besondere Rolle nur am Rande erwähnt! Das passt meines Erachtens aber zu der Ignoranz, mit der die Bundesregierung den Bundestag zwang, den lange geplanten Termin zur Unterzeichnung des Parlamentsabkommens zu verschieben, um kurzfristig selbst einen Festakt in ­Aachen abzuhalten. ({1}) Wie es anders geht, hat der Deutsche Bundestag meines Erachtens mit der interfraktionellen Initiative für unser deutsch-französisches Parlamentsabkommen gezeigt. Ich finde besonders gut, dass es jetzt die Volksvertretungen beider Länder sind, die ganz konkrete Projekte voranbringen wollen, Projekte, um Europa für die Bürgerinnen und Bürger erlebbarer zu machen, Projekte, um die europäische Integration zum Nutzen der Menschen voranzutreiben, und auch Projekte, um wieder mit der europäischen Leidenschaft anzustecken, und das sehr gerne auch in der Sprache des Nachbarn. Umso wichtiger ist, dass wir gemeinsam diese Verstärkung unseres Engagements nicht als etwas Exklusives, als etwas andere Ausgrenzendes verstehen und praktizieren, sondern ganz bewusst, von dieser Basis ausgehend, auf andere zugehen, um den Gedanken dieser Art von Zusammenarbeit weiterzutragen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in der Europäischen Union denke ich da zuvörderst an die Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks. Ich glaube, dass gerade Deutschland den Eindruck vermeiden muss, nur mit bestimmten Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten oder gar deutsche Alleingänge aneinanderzureihen, so wie wir das in den letzten Jahren bei der Bundesregierung – von Migration bis Nord Stream – leider gesehen haben. ({2}) Umso mehr begrüßen wir das heutige Parlamentsabkommen. Es ist wahrhaftig ein einzigartiges Format, direkt miteinander und nicht übereinander zu reden, direkt miteinander an der europäischen Sache zu arbeiten. Den Anfang macht die Konstituierung der Deutsch-Französischen Versammlung am kommenden Montag, und das sollte nicht der letzte Schritt gewesen sein. Letztendlich unterstützen wir mit dieser Initiative auch den europäischen Reformanstoß von Emmanuel Macron. Denn selbst wenn wir nicht in allen Punkten, die er vorschlägt, mit ihm übereinstimmen, so braucht er dringend Partner für die notwendige Reform der Europäischen Union. Ich finde es gut, dass er Unterstützung erfährt; denn er wartet schon sehr lange auf eine Antwort der Bundesregierung. Herzlichen Dank. ({3})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Fabio De Masi, Die Linke. ({0})

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Chers Collègues! Laut amtlichem Handbuch des Bundestages ist Herr Kleinwächter ledig. Ich muss sagen: Nach Ihren Ausführungen zum Eheleben überrascht mich das irgendwie nicht. ({0}) Meine Fraktion befürwortet selbstverständlich eine engere deutsch-französische Zusammenarbeit. Wir meinen aber, Europa über Rüstung einen zu wollen, so wie es im Aachener Vertrag angelehnt ist, darüber, dass man Waffenexporte nach Saudi-Arabien erleichtert, wird nicht gelingen. ({1}) Die Linke ist überzeugt – der Brexit zeigt es ja –, dass der Zusammenhalt in der EU schwindet. Wir sind überzeugt: Wer den europäischen Zusammenhalt sichern will, der muss etwas für den sozialen Zusammenhalt in der EU tun. ({2}) Selbst Präsident Macron, der in Frankreich bisher als Präsident der Reichen galt, hat unter dem Druck von Protesten angefangen, über soziale Reformen in der EU zu reden, Beispiel: Mindestlöhne. Gemeint ist nicht ein einheitlicher Mindestlohn in Bulgarien und Schweden; der wäre für Bulgarien zu hoch und für Schweden zu niedrig. Gemeint ist, dass überall in Europa 60 Prozent der nationalen Durchschnittslöhne als Mindestlohn gelten soll. In Deutschland läge der Mindestlohn dann bei über 12 Euro, wie es Die Linke fordert, ({3}) was auch nötig ist, um zu verhindern, dass Menschen, die ihr ganzes Leben lang geschuftet haben, im Alter zum Amt müssen. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer müsste als Saarländerin Frankreich eigentlich verstehen. Sie hatte für diese Vorschläge von Herrn Macron aber nur ein Nein übrig. Sie ist noch nicht Kanzlerin; aber sie ist bereits „Madame Non“. Der außenpolitische Berater des großen Europäers Helmut Kohl, Horst Teltschik, erinnerte kürzlich daran, dass Europa Krisen immer dann meisterte, wenn sich Deutschland, Frankreich und auch Russland – wie beim Minsker Abkommen für die Ukraine – an einen Tisch setzen. Im Antrag der Großen Koalition steht, wir sollten trans­atlantisch bleiben und europäisch werden. Wir meinen aber: Wenn die EU ihre Interessen ernst nimmt, muss sie sich vom Rockzipfel Donald Trumps lösen. ({4}) Dazu gehört auch, wie es Herr Kubicki gestern gefordert hat, dem US-Botschafter Richard Grenell einen Rückflug in die USA zu spendieren, wenn er sich weiter danebenbenimmt. ({5}) Die deutsch-französische Zusammenarbeit wäre eine Chance, Europa aus der Depression zu führen. Meine Fraktion hat eine tiefere Zusammenarbeit zwischen Assemblée nationale und Bundestag mit großer Sympathie begleitet; aber die GroKo hat hierbei fast alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Erstens. Monatelang warteten wir auf den Aachener Vertrag der Regierungen. Im Januar – die Kollegin Beer hat daran erinnert – wollten wir dieses Abkommen dann auf den Weg bringen; aber weil Herr Macron und Frau Merkel dann doch mit ihrem Vertrag fertig wurden, hat man das kurzerhand abgesetzt. Frei nach dem Motto von Ludwig XIV.: „L’état c’est moi.“ Zweitens. Der Aachener Vertrag, der durchaus auch sinnvolle Aspekte bei Kultur und Forschung enthält, setzt einen völlig falschen Schwerpunkt auf Aufrüstung. Wer meint, die EU sei in der Krise, weil zu wenig Waffen oder Flugzeugträger produziert werden, weil der militärisch-industrielle Komplex in Europa noch nicht mächtig genug ist, der hat nichts verstanden, verehrte Damen und Herren. ({6}) Die Kriege im Nahen und Mittleren Osten haben Terror, Staatenverfall und Flucht begünstigt. Mehr Aufrüstung bedeutet eben nicht mehr, sondern weniger Sicherheit und Stabilität in Europa. Drittens. Wir haben von einer geheimen Nebenabrede aus der Presse erfahren, wonach die Bundesregierung kein Veto bei gemeinsamen Rüstungsprojekten mit Frankreich einlegen wird, wenn die Waffen zum Beispiel nach Saudi-Arabien, an eine Diktatur, an Sponsoren des internationalen Terrorismus, geliefert werden. Die Begründung ist geradezu zynisch: Europe United, ein gemeinsames Europa, erfordere, dass wir unsere nationalen Waffenexportrichtlinien aufweichen. Das, verehrte Damen und Herren, ist ein Missbrauch der europäischen Idee. ({7}) Geht es um die Euro-Zone, um die schwarze Null oder eine Mindestlohnrichtlinie, soll die EU immer deutsch sprechen; aber bei Rüstungsexportrichtlinien oder einer echten Finanztransaktionsteuer entdeckt die GroKo ihr Herz für Europa, und angeblich ist nichts alleine durchsetzbar. Das nimmt Ihnen keiner ab. ({8}) Viertens. Die Große Koalition will nun die sogenannte doppelte Mehrheit in der Geschäftsordnung der deutsch-französischen Versammlung verankern, damit ja nichts gegen die Mehrheit von Herrn Macron in Frankreich oder die Mehrheit von Frau Merkel in diesem Haus entschieden werden kann. ({9}) Dann könnten die Parlamente aber auch gleich getrennt beraten. Das ist doch absurd, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({10}) Deutschland und Frankreich könnten Hoffnung für Europa stiften mit stärkerer Zusammenarbeit bei grenzüberschreitenden Investitionen, gegen Jugendarbeitslosigkeit oder gegen den Klimawandel, bei Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen, auch solchen in der EU, bei Abrüstung oder bei einem Friedensdienst junger Deutscher und Franzosen, bei Forschungen im Bereich der künstlichen Intelligenz und auch bei der Bildung für natürliche Intelligenz, bei Kultur und deutsch-französischen Medien wie Arte. Das wäre im Geist von Égalité, Liberté und Fraternité. ({11}) Ich fasse zusammen: Die Linke hat sich bemüht, zwischen dem Aachener Vertrag und dem Parlamentsabkommen zu unterscheiden. Wir erkennen auch die redlichen Bemühungen von Herrn Jung, für Ausgleich zu sorgen, an. Aber die ganze Hinterzimmerposse um dieses Parlamentsabkommen hat es uns verleidet. Sie überzeugt uns nicht. Deswegen wird meine Fraktion dem Parlamentsabkommen mehrheitlich nicht zustimmen. Die Linke fühlt sich der deutsch-französischen Freundschaft verpflichtet, ({12}) aber nicht der Rüstungsindustrie und nicht den Regierungen in Berlin und Paris. Vielen Dank. ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Franziska Brantner, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Franziska Brantner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004255, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich auf den heutigen Tag echt gefreut; denn es ist ein guter Tag für die deutsch-französischen Beziehungen. Wir leisten hier heute gemeinsam echt etwas ziemlich Großartiges. ({0}) Heute, Herr De Masi, steht das Parlamentsabkommen auf der Tagesordnung. Wir werden noch über den Aachener Vertrag debattieren und diesen ratifizieren; darüber stimmen wir aber heute nicht ab. Sie, Herr Jung, haben gesagt: Das ist die Antwort des Parlaments auf den Aachener Vertrag. – Ich würde es eher andersherum definieren: Ohne uns Parlamentarier hätte es gar keinen Aachener Vertrag gegeben. ({1}) Es war ja unsere parlamentarische Initiative. Blöderweise hat die Regierung dann gemeint, sie müsse vorspurten. Aber ohne uns wäre es dazu nicht gekommen. Nachdem die Assemblée nationale schon letzte Woche zugestimmt hat, können auch wir das Abkommen heute verabschieden. Ich möchte mich an der Stelle für die gute Zusammenarbeit mit den französischen Kollegen in unserer Arbeitsgruppe wirklich bedanken. Auch Ihnen, Herr Dr. Schäuble, möchte ich für Ihren Einsatz für dieses Parlamentsabkommen persönlich danken. ({2}) Das Abkommen ist eine gute Grundlage für unsere zukünftige Arbeit, aber es ist eben auch nur ein Fundament. Jetzt kommt es auf uns an. Es kommt darauf an, was wir daraus machen, ob wir es schaffen, dass dort spannende, relevante, gute Debatten stattfinden, oder ob es nur schöne Fotos gibt und man sich sagt, wie gerne man sich hat. ({3}) Unserer Meinung nach muss es da um die wirklich schwierigen Themen gehen. Wir müssen über folgende Fragen diskutieren: Wie geht es mit der gemeinsamen Rüstung weiter? Wie machen wir zusammen den Euro stabil? Wie sorgen wir auf europäischer Ebene gemeinsam für mehr Klimaschutz? Wir müssen die harten Themen angehen, wo wir wissen, dass nicht alle einer Meinung sind, und hoffentlich gute Lösungen finden, die die Regierungen momentan offensichtlich nicht hinbekommen. ({4}) Deswegen war es mir auch wichtig, dass wir nicht unilateral, ohne die Zustimmung der Franzosen bzw. ohne Absprache mit den Franzosen, schon ein Abstimmungsverfahren für diese Versammlung festgelegt haben. Einen größeren Affront gegenüber der Assemblée nationale hätte es ja gar nicht geben können. Außerdem wäre diese Versammlung sinnentleert, wenn es um nichts anderes ginge als darum, dass eine deutsche Position auf eine französische trifft. Dann hätten wir nämlich nur Regierungsverhandlungen gedoppelt, und das kann nicht der Sinn dieser Versammlung sein. Wir müssen Neues schaffen. ({5}) Herr Kleinwächter, alles wird ja nur rechtlich wirksam, wenn es durch den Bundestag und durch die As­semblée nationale gegangen ist. ({6}) Von daher: Wenn Sie diese Versammlung nicht wollen, müssen Sie nicht mitkommen. Es wird Sie keiner vermissen. ({7}) Ich frage mich bis jetzt, was von Ihrer Rede Inhalt war und was darstellendes Spiel. Das haben Sie ja gut studiert. ({8}) Wir wollen gemeinsame Wege gehen. Wir sollten nicht nur Schlagworte produzieren, sondern auch wirkliche Lösungen finden, und wir sollten damit aufhören, Vorurteile voranzubringen nach dem Motto „Der eine will nur unser Geld, der andere will nur dominieren“. Nur wenn wir wirklich zuhören, haben wir die Möglichkeit, Sorgen und Wünsche ernst zu nehmen und gemeinsam darüber zu diskutieren, zu überlegen, wie wir Europas Stimme in der Welt stärken, aber auch kritisch darüber diskutieren können. Ich darf dazu noch etwas sagen: Die Regierungen haben offensichtlich die Bedeutung unserer Versammlung noch nicht wirklich verstanden und sie in ihrem Aachener Vertrag auch nicht verankert. Der Vertrag enthält zum Beispiel eine Vorhabenliste, die die Schaffung von deutsch-französischen Ministerräten vorsieht, die entscheiden werden. Was wir jetzt noch sicherstellen müssen, ist, dass wir dabei auch ein Wort mitzureden haben. Es wird die Aufgabe sein, die Parlamentarische Versammlung vertraglich zu verankern, damit klar ist: Wir bringen die Ideen ein, die Regierungen können sie dann gerne umsetzen. ({9}) Wir haben ja gesehen, dass im Aachener Vertrag europatechnisch nicht so wahnsinnig viel drin ist. Wir haben es gehört: Es gibt noch Nebenabsprachen zu Rüstungsexporten. Was ich daran eigentlich das Tragischste finde, ist, dass der Aachener Vertrag ja zum Ziel hatte, Europa voranzubringen. Aber wenn wir jetzt bilateral Absprachen zu Rüstungsexporten treffen und den gemeinsamen europäischen Standpunkt zu Waffenexporten nicht zum Maßstab machen, dann ist das kein europäischer Fortschritt, sondern ein deutsch-französischer Rückschritt, und das kann ja wohl nicht das Ziel von deutsch-französischer Kooperation sein. ({10}) Erlauben Sie mir noch einen Kommentar. Es ist ja wunderbar, wenn die neue Parteivorsitzende der CDU auf Herrn Macron reagiert. Aber in der ersten Antwort zu sagen: „Wir schaffen mal den Sitz in Straßburg ab“, ist doch eine reine Provokation, wenn man weiß, wie wichtig das für die Franzosen ist, und wenn man weiß, wie wichtig es ist, dass alles in Europa nicht nur in Brüssel zentralisiert ist. Ich bin echt kein Fan kompletter Zentralisierung, aber anscheinend Frau Kramp-Karrenbauer. Aber selbst wenn man der Auffassung ist, alles zu zen­tralisieren, sei richtig, dann kann das nicht das erste Willkommenswort an Herrn Macron sein, sondern dann muss man vielleicht mal etwas diplomatischer rangehen. ({11}) Von daher: Hören Sie auf, die deutsch-französische Freundschaft zu gefährden. Lassen Sie uns das Ganze endlich voranbringen. Wir machen hier heute den ersten richtigen und wichtigen Schritt. Wir werden lebendig diskutieren, Feuer in die Bude bringen, das Ganze voranbringen. Ich bin optimistisch, dass die Zukunft noch viel Wunderbares für Europa bringt. ({12})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ursula Groden-­Kranich, CDU/CSU. ({0})

Ursula Groden-Kranich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004280, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Chers amis français! Wir haben jetzt schon sehr viel über diese Zeit gehört. Aber ich möchte einfach noch etwas dazu sagen, was mir in diesem Jahr unheimlich wichtig war und was wir uns im Januar des vergangenen Jahres wahrscheinlich noch überhaupt nicht haben vorstellen können. Als wir unsere gemeinsame Arbeitsgruppe gebildet haben, wussten wir nicht wirklich, wo wir stehen. Wir hatten noch keine Regierung in der Bundesrepublik. Es gab ein neues Zusammengehen mit der Bewegung „La République en Marche“, die keine klassische Partei ist. In diesem Jahr ist etwas gelungen, was wir uns so vielleicht gar nicht haben vorstellen können. Wir haben versucht – zumindest zu großen Teilen diejenigen, die dort gearbeitet haben –, die Fragen aus der Sicht des anderen zu sehen. Wir haben darum gerungen, zu verstehen: „Was meinen die Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich?“, und dies partei- und grenzübergreifend. Ich glaube, das ist das ganz Besondere dieser deutsch-französischen Arbeitsgruppe. Das ist nämlich ein echter Mehrwert gewesen. ({0}) In den Dank an Herrn Dr. Schäuble und an alle unsere anderen Kolleginnen und Kollegen möchte ich ganz besonders die Verwaltungen einschließen. Es war nämlich nicht selbstverständlich, dass wir alles in dieser Zeit hinbekommen haben, auch in den unterschiedlichen Sprachregimen. Deswegen freut es mich sehr, dass auch Herr Schlichting stellvertretend da ist. Vielen Dank Ihnen und Ihren Kollegen! Sie haben uns super geholfen und unterstützt. ({1}) Wir haben eines gemacht: Wir haben Gemeinsamkeiten benannt, und wir haben Unterschiede nicht verschwiegen. Ich glaube, das ist etwas, was uns auch die nächste Zeit auszeichnen wird. Wir bleiben unterschiedlich, aber wir rücken näher zusammen. Wir versuchen, diese Unterschiede zu überwinden; aber manchmal wird dies nicht gehen. Grundlage dafür sind gegenseitiges Vertrauen und Verständnis und nicht Misstrauen und Missverständnis. Wir wollen gemeinsam etwas erreichen und nicht gemeinsam etwas verhindern. Das zeichnet diesen Vertrag aus. ({2}) Aber es hilft ja nun alles nichts, wenn wir uns hier katholischer machen, als wir sind. Wir müssen hinausgehen. Wir müssen den Menschen sagen, was uns wichtig ist. Wir müssen zeigen, was uns dieser Vertrag bedeutet. Deswegen haben wir das auch schon gemeinsam gemacht: meine Kollegin Frau Dr. Brantner mit ihrer Kollegin aus Frankreich. Christoph und ich waren schon gemeinsam unterwegs. Wir müssen grenz- und parteiübergreifend dafür werben, weil die deutsch-französische Freundschaft mehr ist, als einfach nur Landesgrenzen zu übertreten. Deswegen müssen wir auch diejenigen stärken, die schon seit vielen Jahren für die deutsch-französische Freundschaft aktiv sind. Wir haben viele Partnerstädte in der Bundesrepublik und in Frankreich. Wir müssen die Partnerschaftsvereine, die Jumelages stärken. Deswegen ist auch die Nachfrage nach dem Bürgerfonds so groß, den wir nicht nur mit Geld ausstatten müssen, sondern den wir auch so unbürokratisch wie möglich gestalten müssen, damit wir diese Vereinigungen, die wahrscheinlich gar nicht großes Geld, sondern in bestimmten Situationen nur kleines Geld brauchen, schnell und unbürokratisch unterstützen können. Ich glaube, dazu ist der Wille bei uns, die wir seit einem Jahr so eng zusammenarbeiten, schon gegeben. ({3}) Wir möchten die grenzübergreifende Zusammenarbeit stärken. Wir haben bei unserem Treffen in Straßburg gemerkt, dass grenzübergreifende Zusammenarbeit möglich ist. Wir sind mit der Tram und mit einem Ticket von Straßburg nach Kehl gefahren. Das zeigt uns, was es bedeutet, wenn wir wirklich zusammenarbeiten wollen. Ich komme aus Rheinland-Pfalz, aus Mainz, aus einer Stadt, die eine ganz wechselhafte Geschichte mit Frankreich hat. Aber wir haben eines geschafft: Wir haben schon über unglaublich viele Jahre hinweg eine intensive Freundschaft zu Dijon. Die Kinder haben dies in der Schule gelernt. Auch das ist ein Anspruch, den wir an uns haben: Wir wollen die Sprache des anderen sprechen. Wir wollen sie lernen. Dahin wollen wir arbeiten. Ich freue mich sehr auf das, was jetzt begonnen worden ist. Vielen Dank. ({4})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Michael Link, FDP. ({0})

Michael Link (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003802, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Dank schließe ich mich auch für meine Fraktion an. Es war eine spannende Arbeit. Ich durfte meine Fraktion in der Arbeitsgruppe vertreten. Ich schließe mich im Namen meiner Fraktion dem Dank an die beiden Präsidenten, insbesondere an Sie, Herr Präsident, dem Dank an die französischen Kolleginnen und Kollegen, dem Dank an unseren Vorsitzenden und dem Dank an alle Kollegen der Arbeitsgruppe und der Verwaltung, die Unvergleichliches geleistet hat, an. ({0}) Wir haben interessanterweise – das sollte man einfach sagen – das auf Deutsch und Französisch, ohne Englisch, ganz gut hinbekommen. ({1}) Die Regierungen müssen noch ein bisschen lernen. Der Aachener Vertrag wurde auf Englisch verhandelt und dann übersetzt. Wir haben es gleich auf Deutsch und Französisch gemacht. ({2}) Das war, glaube ich, ein bisschen moderner, ein bisschen zeitgemäßer, ({3}) und es zeigt, was geht, wenn man will und wenn man die Parlamente einbindet. Hätten Sie als Regierung das doch auch beim Aachener Vertrag so gemacht! Ich kann mich noch gut erinnern: Am Anfang ist man in Kontakt, mal informell, mal formell, und dann hört man dies und jenes. Ja, es ist nicht so einfach, zu verhandeln. Aber die Vorhabenliste, die Projektliste gibt es in dieser Form nur – das sollten wir selbstbewusst sagen –, weil es die Parlamente gibt. Ansonsten wäre hier nur sehr viel Ankündigung. ({4}) Also: Trauen Sie den Parlamenten mehr zu, und machen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht mit bei der Selbstverzwergung des Parlaments. ({5}) Lassen Sie uns, wenn es um die Umsetzung des Aachener Vertrages geht – wir haben den völkerrechtlichen Vertrag noch zu ratifizieren –, ein Begleitgesetz machen, in das wir schreiben, dass wir, die Parlamente, und die Deutsch-Französische Versammlung – um die geht es heute – eine Rolle bei der Bearbeitung und Weiterentwicklung der Projektliste zu spielen haben. Das wäre wirklich stark. Dafür lassen Sie uns gemeinsam überfraktionell arbeiten. ({6}) Noch einmal: Wir erzielen heute kein Ergebnis, sondern erschaffen ein Instrument, ein Werkzeug. Was wir mit dem Werkzeug machen, was wir mit ihm herstellen, was wir mit ihm zwischen unseren Völkern gemeinsam schaffen – vor allem das Miteinanderreden und nicht das Übereinanderreden, das Rücken der Grenzregionen in die Mitte –, haben wir in der Hand. Überhaupt – das soll mein letzter Satz sein, da ich aus Baden-Württemberg komme –: Viele, die seit Jahrzehnten an der Grenze leben, haben auf so etwas gewartet. Wir haben es selbst in der Hand, viel mehr aus der Grenzregion zwischen Deutschland und Frankreich, die das höchste ungehobene Potenzial an Wirtschaft, an Entwicklung, an menschlichen Fortschritten hat, zu machen, und das passiert hoffentlich nicht nur an der deutsch-französischen Grenze, sondern auch an anderen Grenzen. Vielen Dank für meine Fraktion an alle, die mitgewirkt haben. Wir freuen uns auf die Arbeit. ({7})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Budde, SPD. ({0})

Katrin Budde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was ist das Besondere am Deutsch-Französischen Parlamentsabkommen? Wir hatten am Freitag letzter Woche eine Debatte: Was unterscheidet die Ostdeutschen von den Westdeutschen? Oder: Wer ist Ostdeutscher, wer ist Ostdeutsche? Ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich Sozialisierung ist, ist das Thema Völkerfreundschaft. Wenn man das betrachtet, Herr Kleinwächter, dann stellt man fest, dass die Völkerfreundschaft zu den Bruderstaaten – Schwesterstaaten gab es nicht; so weit ging die Gleichstellung nicht – im Osten etwas gewesen ist, was vom Staat, von oben herab verordnet war. Auch das hat am Ende zu Freundschaften geführt, die bis zum Ende gehalten haben und bis heute produktiv und aktiv sind. Aber die Herangehensweise war eine ganz andere. Die deutsch-französische Freundschaft ist genau das Gegenteil; sie ist selbstbestimmt gewachsen. Die Zusammenarbeit, der Austausch, die Freundschaftsverträge zwischen Menschen, zwischen Regionen, zwischen Parlamenten und Staaten haben auch deshalb so großen Bestand und sind deshalb auch fit für die Zukunft und für das neue Europa. ({0}) Ich finde, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich etwas ganz Besonderes sind; denn beide sind Stabilitätsanker in der EU. Uns verbinden unzählige Freundschaften, eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen und mit dem heute vorliegenden Deutsch-Französischen Parlamentsabkommen auch eine Art der Zusammenarbeit, die ganz besonders ist. Sie ist besonders eng, besonders intensiv, besonders freundschaftlich, vertraut, aber auch besonders parlamentarisch. Im Abkommen werden die Ausschüsse der beiden Parlamente ausdrücklich ermutigt und aufgefordert, bei Fragen von gemeinsamem Interesse zusammenzuarbeiten. Neben den im Vertrag ausdrücklich genannten Feldern der Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ist das ganz sicher die Kultur- und Medienpolitik. Es ist die Kultur an sich. Es ist der Bereich, der in der Politik und für die Gesellschaft am wichtigsten ist. Allein die Themen, die der Kulturausschuss des Deutschen Bundestages im letzten Jahr behandelt hat oder die in Kürze zur Beratung anstehen, zeigen das: Kultur im ländlichen Raum, Erinnerungskultur, freier Eintritt in Museen, Umgang mit der NS-Raubkunst, Umgang mit Kulturgütern im kolonialen Kontext, europäische Kulturpolitik, Urheberrecht. Das sind die Themen, und jedes einzelne bietet nicht nur Anknüpfungspunkte, sondern fordert geradezu dazu auf, das umzusetzen, was im Vertrag formuliert ist: gemeinsame Sitzungen, gemeinsame Anhörungen, gemeinsame Berichterstattergespräche, Austausch und Koordinierung hinsichtlich der aktuellen Gesetzgebungsvorhaben der Europäischen Union, die Anwendung eines gemeinsamen Frühwarnmechanismus – ich finde, eine sehr kluge Idee und zumindest der Versuch, eine inhaltsgleiche Umsetzung von europäischem in nationales Recht zu erreichen –, gemeinsame Delegationsreisen. Die Ausschussvorsitzenden werden ermutigt, in regelmäßigen Abständen Themen von gemeinsamem Interesse zu erörtern. Ich – und ich glaube, der gesamte Kulturausschuss – freue mich darauf, den Vertrag mit Leben zu erfüllen. Denn am Ende kommt es darauf an, was wir daraus machen. Ich glaube, das ist eine super Vorlage, das parlamentarisch so auszugestalten, wie das in keinem anderen Freundschaftsverhältnis möglich ist. Es kommt immer darauf an, was man daraus macht. ({1}) Der Kontakt zum Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Bildung in der französischen Nationalversammlung, Herrn Studer, ist jedenfalls hergestellt. Nehmen wir doch das auf, was gerade um uns herum passiert: Wir haben junge Leute, die sich interessieren, die auf die Straße gehen, die international beim Thema Umwelt für ihre Zukunft eintreten – nicht nur in Deutschland, nicht nur in Frankreich, nicht nur in Europa, aber auch in Deutschland und Frankreich. Versuchen wir doch vielleicht mal, das Parlamentsabkommen auf besondere Art auszugestalten und ein deutsch-französisches Jugendparlament einzurichten. Ich glaube, das würde die jungen Menschen ermutigen, weiter Politik zu machen. So könnte man ihr Interesse nicht nur aufflammen lassen, sondern dauerhaft wecken. Wir brauchen die jungen Leute in der Politik, wir brauchen sie bei der Umsetzung von Freundschaftsverträgen, wir brauchen sie in den Parteien. Ansonsten wird unsere Demokratie jämmerlich scheitern. Deshalb: Lassen Sie sie uns mitnehmen. ({2})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Matern von Marschall, CDU/CSU. ({0})

Matern Marschall von Bieberstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004349, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank. – Wir werden heute hier über das Deutsch-Französische Parlamentsabkommen abstimmen, und wir werden in der nächsten Woche eine in dem Abkommen ausgeführte Bestimmung umsetzen, indem wir in Paris die konstituierende Sitzung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung abhalten. In die nächste Woche fällt auch das vorgesehene Datum für den Brexit; vielleicht wird er noch ein wenig hinausgezögert. Das beklemmende Datum des Brexits in der kommenden Woche verbinden wir also mit einem Bekenntnis zur vertieften deutsch-französischen Freundschaft, die die Grundlage für eine Europäische Union bildet, für „Vereinigte Staaten von Europa“. Dieser Begriff ist von Churchill in seiner berühmten Züricher Rede im Jahr 1946 ins Feld geführt worden. Churchill hatte übrigens das Vereinigte Königreich nicht als Bestandteil des gemeinsamen Europas gesehen; denn er sagte, sie hätten ja ihren eigenen Commonwealth. Das will ich nur in Erinnerung rufen. Nun etwas Persönliches. Meine Großmutter kam aus dem Elsass. Sie ist ganz in der Nähe meines badischen Heimatortes aufgewachsen. Sie hatte fünf Kinder. Eines davon ist meine Mutter. Ihr jüngster Sohn ist mit 18 Jahren im damaligen Pommern gefallen, im Januar 1945, der älteste Bruder meiner Mutter ist schwer verwundet aus dem Krieg zurückgekehrt. Ich denke, meine Großmutter, die schon lange verstorben ist, wäre dankbar und froh, wenn sie den heutigen Tag und auch die nächste Woche erleben könnte. Sie ist eine Deutsche gewesen, sie ist eine Französin gewesen, sie ist Elsässerin gewesen, sie war eine Europäerin. Daran möchte ich mich mit Dankbarkeit zurückerinnern. Zwei Schwestern meiner Mutter haben nach Frankreich geheiratet. Wir sind auf diesem Wege also gewissermaßen eine deutsch-französische, eine europäische Familie geworden. Es ist mir wichtig, das mir selbst in Erinnerung zu rufen. ({0}) Ich glaube, der Austausch unserer beiden Parlamente wird dazu dienen, dass wir verstehen, welche unterschiedlichen Kompetenzen und Funktionen diese beiden Parlamente haben; sie sind sehr unterschiedlich. Er wird auch dazu beitragen, die unterschiedlichen Perspektiven unserer beiden Länder besser zu verstehen. Er trägt zu einer besseren parlamentarischen und insofern auch demokratischen Legitimation unserer Kooperation bei. Ich bin ganz sicher, Herr Kollege Link: Es wird gut sein, wenn wir die Prioritätenliste, die ja dem Aachener Vertrag hinzugefügt worden ist, in die Gesetzgebung einbringen und wenn wir als Parlamente diese Projekte maßgeblich mitgestalten, vorantreiben und zu ihrer Umsetzung beitragen; das halte ich für einen ganz wichtigen Punkt. ({1}) Von Rechtsharmonisierung ist die Rede gewesen. Ich will jetzt auf die praktischen Aspekte zu sprechen kommen; denn dieser Vertrag soll ja praktisch das Leben in grenznahen Regionen erleichtern. Umsetzung von Richtlinien: Nehmen Sie zum Beispiel die Entsenderichtlinie. Ihre nationale Umsetzung in Frankreich sieht viele bürokratische Hürden vor, die etwa Handwerksbetrieben aus Südbaden die Arbeit im Elsass erschweren. Hätten wir als Parlamente vorher zusammengesessen und uns auf eine nationale Umsetzung in beiden Ländern verständigt, die solche Hürden abbaut und zur wechselseitigen Erleichterung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beiträgt, dann wären wir schon einen ganzen Schritt weiter. ({2}) Solche praktischen Aspekte können uns noch in Zukunft häufig begleiten. ({3}) Die Mobilität ist so wichtig, weil junge Leute aus Frankreich – wir haben viele Arbeitsplätze im Handwerk zu bieten – zu uns kommen wollen. Deswegen brauchen wir die Bahnlinie von Colmar nach Freiburg bzw. von Freiburg nach Colmar. Da spreche ich das Bundesverkehrsministerium sehr ausdrücklich an. ({4}) Das ist ein prioritärer Punkt im Vertrag. Dies gehört deswegen auch ganz nach vorne – auch zeitlich – in die Umsetzung; das ist mir sehr wichtig. Wir können heute mit dem TGV von Freiburg nach Paris in drei Stunden fahren; aber wir können leider nicht von Freiburg nach Colmar fahren, weil die Brücke im Krieg zerstört und nicht wiederaufgebaut worden ist. Eine entsprechende Bitte richte ich also an das Bundesverkehrsministerium; das ist mir ganz wichtig. Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was wir hier machen können, liegt in unseren Händen, in den Händen der beiden Parlamente. L’avenir est entre nos mains, chers amis. Das ist unser Bekenntnis. Die Zukunft liegt in unseren Händen. ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Christian Petry, SPD. ({0})

Christian Petry (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004605, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Chers collègues de l’Assemblée nationale, je veux vous remercier beaucoup pour votre coopération amicale. Bienvenue à Berlin! ({0}) Ich möchte mit meinem Dank an die Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsgruppe, der Verwaltung und insbesondere an Sie, Herr Präsident, sowie an Ihre beiden französischen Kollegen fortfahren. Zur Wahrheit gehört: Den zeitlichen Druck, der dafür gesorgt hat, dass wir vorangekommen sind, Herr Präsident Dr. Schäuble, haben Sie erzeugt, indem Sie uns die Vorgaben der konstituierenden Sitzung gemacht und gesagt haben: Leute, ihr müsst bis dahin fertig werden. – Das sind wir mit dem heutigen Tage. Wir können stolz sein, dass wir dies erreicht haben. Herzlichen Dank! ({1}) Man sollte betonen: Wir bauen auf Bestehendem auf. Wir bauen auf einer Vielzahl von Initiativen und Städtepartnerschaften, auf Zusammenarbeit und Gremien mit Ideen auf. Es sollte so sein – und es wird so sein –, dass das, was wir tun, dies stärken wird, dies fortschreiben wird und neue Impulse gibt. Darauf können wir sehr stolz sein. Lieber Fabio, die Verkürzung des Aachener Vertrages bzw. des Élysée-Vertrages 2.0 auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist zwar politisch legitim, aber falsch. Wir behandeln dort die internationale Entwicklungspolitik in Artikel 7, die deutsch-französischen Exzellenzinstrumente bei der Forschung in Artikel 10, den Bürgerfonds in Artikel 12, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit – den Eurodistrikt – in Artikel 14, den Deutsch-Französischen Finanz- und Wirtschaftsrat sowie den Rat der Wirtschaftsexperten in Artikel 20, die Zukunftswerkstatt für die beiden Gesellschaften in Artikel 22 sowie eben auch die Außen- und Sicherheitspolitik. Der Aachener Vertrag ist ein Gesamtwerk, das die Gesellschaft prägt und unsere beiden Nationen zur Zusammenarbeit auf diesen Gebieten verpflichtet, und das ist gut so. ({2}) Unsere Versammlung, die wir mit insgesamt 100 Abgeordneten gründen werden, hat dies zu kontrollieren, zu begleiten und Berichtspflichten einzufordern, und das werden wir auch tun. Es gibt ein Initiativrecht. Es gibt ein Forum, in dem wir unsere Gedanken austauschen können. Die Projektliste ist genannt worden. Jeder kann dort Themen einbringen, ob das die Brücke in Colmar ist oder die TGV-Verbindung von Paris über Saarbrücken nach Frankfurt oder Maßnahmen im Bildungsbereich, im Gewerbebereich oder an den Hochschulen. Wir werden mit unseren französischen Kollegen darüber zu diskutieren haben, wie wir in Frankreich und in Deutschland initiativ werden können. Ich freue mich, dass es möglich ist, in dieser neuen deutsch-französischen Versammlung mitzuarbeiten. Das wird eine spannende Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Darüber hinaus – es freut mich, dass meine Kollegin Katrin Budde das bereits angesprochen hat – sind die Ausschüsse der beiden Versammlungen gefordert, ihre Arbeit zu intensivieren und abzustimmen. Das ist etwas Positives; denn man kann und muss voneinander lernen. Ein besseres Verständnis ist enorm wichtig. Ich habe am Montag in meinem Heimatort – ich komme aus dem Saarland – als Ortsvorsteher einer Dame gratuliert, die 104 Jahre alt geworden ist, Jahrgang 1915. Sie hat ihre sechste Nationalität, und das ohne umzuziehen. Sie freut sich, dass wir enger zusammenarbeiten. Das ist etwas Positives. Und es ist doch wichtig, meine Kolleginnen und Kollegen, dass wir wirklich einen Maßstab setzen können, der aus meiner Sicht auch für andere Länder in Europa Vorbild sein und einen Motor für Europa bilden kann. In diesem Sinne wünsche ich uns allen gutes Gelingen. Glück auf! ({4})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Voraussichtlich letzter Redner in dieser Aussprache ist der Kollege Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU, für den ich genauso viel Aufmerksamkeit erbitte wie für alle anderen Redner. ({0})

Dr. Reinhard Brandl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn am Montag zum ersten Mal die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung in Paris zusammentritt, dann schlagen wir ein neues Kapitel in der Geschichte der Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich auf. Diese Geschichte ist mittlerweile 56 Jahre alt, und sie ist reich an erfolgreichen Kooperationsprojekten und Beispielen von guter, freundschaftlicher Zusammenarbeit. Denken Sie an die vielen Städtepartnerschaften, an die Schulpartnerschaften, an die Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaft, der Kultur und der Wirtschaft. Denken Sie an die Jugendwerke bis hin zur vertieften Zusammenarbeit der beiden Regierungen. Ich persönlich gehöre zu der Generation, zu den vielen Tausenden Menschen, die von der deutsch-französischen Freundschaft profitieren konnten, deren Leben davon geprägt worden ist. Ich habe die Chance gehabt, zwei Jahre lang in Frankreich – in Grenoble – zu studieren und mein Studium mit einem französischen Diplom abzuschließen. Und warum? Das war möglich, weil es ein entsprechendes Hochschulabkommen zwischen Deutschland und Frankreich gab. Die deutsch-französische Freundschaft ist auch deshalb so besonders, weil wir Deutsche und die Franzosen in vielen Bereichen unterschiedlich sind. Unsere Kultur, unsere Traditionen und unser Staatsverständnis haben sich aufgrund unserer Geschichte unterschiedlich herausgebildet. Es stimmen nicht alle Klischees über Deutsche und nicht alle Klischees über Franzosen. Aber ich könnte Ihnen stundenlang Anekdoten darüber erzählen, was ein junger bayerischer Student an interkulturellen Erfahrungen in der französischen Provinz in den Alpen gemacht hat. ({0}) Aber bei aller Verschiedenheit eint uns in Deutschland und in Frankreich doch die Gewissheit, dass wir Europa nur gemeinsam voranbringen können und dass wir nur durch Zusammenarbeit in einer globalisierten Welt bestehen können. Das sagen nicht nur ich und meine Kolleginnen und Kollegen hier im Deutschen Bundestag; ich glaube, auch aus persönlicher Erfahrung, dass das die Meinung des überwiegenden Teils der Bevölkerung Deutschlands und Frankreichs ist. Aber wenn wir Abgeordnete diesen Anspruch ernst nehmen wollen, wenn wir die Zusammenarbeit zwischen unseren Parlamenten vertiefen wollen, dann reicht es nicht, dass wir ab und zu auf einem Empfang eine herausragende Rede zur Freundschaft halten, sondern dann brauchen wir echte Arbeitsbeziehungen und feste Ansprechpartner. ({1}) Das erreichen wir mit der deutsch-französischen Versammlung. Es ist unser Ziel und unser Anspruch, dass darin nicht nur die üblichen Verdächtigen vertreten sind, die Freundschaftsgruppen aus Deutschland und Frankreich. Vielmehr wollen wir in dieser Versammlung alle Ausschüsse abbilden. Es sollen die Umwelt-, die Gesundheits-, die Bildungspolitiker aus beiden Ländern sich kennenlernen, sich vernetzen, über Probleme und Fragestellungen, die beide Länder betreffen, gemeinsam diskutieren und vielleicht zu einer gemeinsamen Position kommen. Das wird nicht immer gelingen, und es wird auch kontrovers diskutiert werden in der Versammlung. Das ist auch gut so; denn es gibt unterschiedliche nationale Interessen. Freundschaft bedeutet nicht Gleichklang. Freundschaft bedeutet: Wissen, Verständnis und Respekt vor der Position des jeweils anderen. ({2}) Genau in diesem Sinne wollen wir die Freundschaft mit Frankreich mit dieser Versammlung weiter fördern. Wir sind dabei auf der einen Seite Vorreiter, aber auf der anderen Seite auch Nachzügler. Wir sind Vorreiter, weil wir zu keinem anderen Parlament auf der Welt eine so enge Beziehung haben wie zur Assemblée nationale. Diese Form der vertieften Zusammenarbeit ist international unüblich. Wir sind aber auch Nachzügler, weil in vielen anderen Bereichen außerhalb der Politik diese vertiefte Form der Zusammenarbeit, diese Arbeitsbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich bereits bestehen und sich bewährt haben. Meine Damen und Herren, am Montag gehen wir mit dem Deutschen Bundestag und der Assemblée nationale den nächsten Schritt. Wir folgen den guten Beispielen außerhalb der Politik. Wir schlagen ein neues Kapitel auf. Wie die Geschichte, die darin geschrieben wird, verlaufen wird, ist offen. Ich bin gespannt darauf, wie wir dieses Gremium nutzen werden, wenn die feierlichen Reden der Präsidenten am Montag verklungen sind, wie das im politischen Alltag ankommen wird. Aber, meine Damen und Herren, ich freue mich darauf, und ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnt, an der 56-jährigen Geschichte der Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich weiterzuschreiben. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({3})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 19/8540 mit dem Titel „Ein deutsch-französisches Parlamentsabkommen – Für eine verstärkte parlamentarische Zusammenarbeit“. Mir liegen zur Abstimmung mehrere Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor. Wir stimmen über den Antrag auf Verlangen der Fraktion der AfD namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Darf ich fragen, ob die Plätze an den Urnen besetzt sind? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Darf ich fragen, ob noch ein Mitglied des Hauses anwesend ist, das seine Stimme noch nicht abgeben konnte, obwohl er oder sie wollte? – Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir werden das Ergebnis der Auszählung später bekannt geben. Ich würde jetzt gerne die Beratungen fortsetzen und bitte Sie, falls Sie überraschenderweise und bedauerlicherweise nicht an den weiteren Beratungen teilnehmen wollen, den Saal für diejenigen, die jetzt hereinströmen, rasch frei zu machen.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gern mache ich eine Einleitung – vor allem nach einer Abstimmung, in der es um die deutsch-französische Freundschaft geht und zu der ich vermelden kann, dass wir sehr viele Projekte zusammen mit Frankreich haben. Ich werde in den nächsten Wochen als trilaterales Projekt ein Testfeld zwischen Luxemburg, Frankreich und Deutschland besuchen. Das heißt, auch wir leben in verschiedenen Projekten die deutsch-französische Freundschaft. Aber es gibt natürlich noch viel mehr Projekte, die wir in diesem ersten Jahr angeschoben haben. Das sind das Zukunftsbündnis Schiene, der Deutschland-Takt, das Spitzengespräch zur Luftfahrt, das in ein paar Tagen wieder ansteht und eine erhebliche Verbesserung erzielen soll. Das ist der Mobilfunkgipfel, sind das „Sofortprogramm Saubere Luft“, die „Aktion Abbiegeassistent“, der „Masterplan Binnenschifffahrt“, das Planungsbeschleunigungsgesetz, die Pkw-Maut, die Autobahn-Reform und, und, und. Das heißt, wir sind gut drauf, und wir können 15 Gesetze und mehr als 40 Verordnungen vermelden. Wir haben in diesem Jahr gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr gut gearbeitet. Ich danke den vielen Tausend Mitarbeitern meines Hauses und meiner politischen Hausleitung für diese Unterstützung. Ich könnte mit der Aufzählung der einzelnen Bereiche über die Verkehrsträger und die digitale Infrastruktur hinweg fortfahren. Wir haben in den letzten zwölf Monaten enorm viel auf den Weg gebracht. Hinzu kommt, dass wir auf Rekordniveau investieren – in unsere Verkehrswege, aber auch in die digitale Infrastruktur. Mein Haus investiert, baut, fördert; das BMVI ist in ganz Deutschland unterwegs. Wir wollen bessere Mobilität. Wir wollen natürlich auch flächendeckend Mobilfunk und wollen Deutschland mit den entsprechenden Gigabit-Anschlüssen versorgen. Da gibt es einiges zu tun, und ich weiß, dass wir Themen oft und intensiv auch in den zuständigen Ausschüssen diskutiert haben. Ich möchte vorneweg bemerken, dass wir über die Verkehrsträger hinweg fördern und in Schiene, Straße, ÖPNV, Radverkehr sowie Wasserwege und Flugverkehr investieren. Wir sind das wirkliche Investitionsministerium des Bundes, wir investieren wie nie zuvor. Jeder Verkehrsträger hat seine Stärken. Jeder Verkehrsträger wird gebraucht, und keiner ist ersetzbar. Wir wollen ganzheitliche Mobilität, und das nicht nur auf das Auto bezogen. Aber wir brauchen weiterhin leistungsfähige automobile Mobilität; denn ich bin auch davon überzeugt, dass die Menschen – die Bürgerinnen und Bürger – auch in den nächsten 20, 30 Jahren aufs Auto setzen, aber in einer veränderten Form, mit einem anderen Mobilitätsmanagement. Dem stellen wir uns in der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität. Diese nationale Plattform ist nicht eine nationale Plattform nur für das Auto. Diese nationale Plattform ist nicht nur eine Plattform für die Einhaltung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor und die CO 2 -Reduzierung, sondern die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität erstreckt sich über alle Verkehrsträger. Das Auto wird sicherlich anders gemanagt werden müssen. Vielleicht kann man den Ausblick wagen, dass das Auto nur ein Baustein der Mobilität von Morgen sein wird. Einen Mobilitätsmix wird es in der Zukunft mehr denn je geben, und das in ganz neuen Formen der Fortbewegung beispielweise im öffentlichen Nahverkehr oder auch in der Logistik – mit Drohnen, mit Zustellrobotern, was den innerstädtischen Verkehr betrifft. Die Digitalisierung wird uns dabei helfen. Selbstverständlich kann die Digitalisierung allein nicht für die Einhaltung aller Klimaschutzziele sorgen, aber die digitalen Helferlein werden einen Beitrag dazu leisten. Das heißt, die Mobilität von morgen wird sicherlich gepolt sein, mit dem Tretroller oder mit dem Fahrrad zu beginnen, dann in den Bus einzusteigen, dann die Bahn zu nehmen, zuletzt wieder den (E-)Roller. Und diese App, die frühmorgens benutzt wird, empfiehlt vielleicht am nächsten Tag, einfach einen Ridesharing-Dienst zu nehmen, von Haustür zu Haustür, weil es gerade regnet oder weil es die Verkehrsverhältnisse zulassen. Und das meinen wir nicht nur für Stadtbewohner und Bewohner von Metropolregionen, sondern wir haben im Koalitionsvertrag die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse vereinbart. Wir widmen uns durch diese neuen Mobilitätsmöglichkeiten vor allem dem ländlichen Raum. Gute, moderne, saubere Mobilität für alle. Zum Beispiel die Ridesharing-Dienste in Stadt und Land werden natürlich auch mit alternativen Antrieben unterwegs sein. Die Digitalisierung kann uns vor allem auch im ländlichen Raum dabei helfen, neue Angebote für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, und das nicht nur für die junge Generation, sondern vor allem auch für die ältere Generation. Wir benötigen zudem den Wechsel auf emissionsfreie oder wenigstens emissionsarme Fahrzeuge. Da brauchen wir einen schnelleren Hochlauf von Fahrzeugen, die batterieelektrisch sind oder mit Wasserstoff oder Gas angetrieben werden. Konkret bedeutet das, bis 2030 werden wir bis zu 10 Millionen Elektro-Pkws brauchen – wir brauchen aber Fahrzeuge, die vor allem bezahlbar sind und alltagstauglich – und 500 000 Elektro-Nutzfahrzeuge und 300 000 Ladepunkte. Herr Präsident, ich habe Ihr Räuspern vernommen. Meine einleitenden Worte gehen auf die Zielgerade. Wir diskutieren gerade über den Haushalt 2020, vielleicht unter schwierigeren Bedingungen. Trotzdem möchte ich das Parlament um Unterstützung bitten, die notwendigen Investitionsmittel wieder bereitzustellen, um wirklich wichtige Investitionsprojekte im Bereich der Mobilität der Zukunft anzuschieben und vor allem beim Bauen nicht nachzulassen; denn das ist die Reinvestition von Steuergeld in die einzelnen Wahlkreise und Regionen, und das werden die Bürger auch zu nutzen wissen. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Dirk Spaniel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004899, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Scheuer, es ist ja die Zielsetzung der Bundesregierung, den CO 2 -Ausstoß generell zu minimieren. Sie haben die Emissionen in verschiedene Sektoren eingeteilt. Ein Sektor ist der Verkehr, ein anderer Sektor ist die Stromerzeugung. Durch Elektrofahrzeuge wollen Sie jetzt die Emissionen im Verkehrssektor vermindern. Der Strom für die Autos muss aber aus dem Stromerzeugungssektor kommen, und nach Ihren Plänen werden zumindest bis 2030 – auch noch ein bisschen länger – große Anteile dieser Stromerzeugung mit Kohlekraftwerken erledigt. Das heißt, der Strom für die Elektroautos hat einen sehr hohen CO 2 -Anteil. Es gibt also sektorübergreifend gar keine Reduktion der CO 2 -Emissionen. – Oder gibt es konkrete Pläne der Regierung, hier eine Regelung aufzusetzen, dass Elektrofahrzeuge ausschließlich mit regenerativem Strom geladen werden?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Minister.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege, wie Sie wissen, arbeitet gerade die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität, in sechs Arbeitsgruppen. Dazu geht es in der Arbeitsgruppe „Alternative Antriebe“ – nicht nur bezogen auf Elektromobilität, sondern technologieoffen – auch um synthetische Kraftstoffe, alternative Kraftstoffe generell. Das heißt, dort ist der gesamte Innovationsbereich angesiedelt. Auf der anderen Seite geht es um das Thema Infrastruktur, die Netze für die Energie. Genau das diskutieren wir gerade. Sie sprechen immer von „Sie haben …“. Nein, wir haben noch nicht; wir lassen die Experten jetzt arbeiten, um Ergebnisse zu bekommen aus diesem Prozess der Nationalen Plattform, die wir dann politisch gemeinsam entscheiden müssen. Das BMU hat jetzt einige Überlegungen vorgelegt und einige Anforderungen an die Ministerien gestellt. Wir werden in der Bundesregierung intensiv darüber diskutieren. Der Prozess, bei dem es darum geht, wie wir die Mobilität von morgen organisieren, läuft. Er ist vor allem hoch spannend und soll nicht abschrecken, sondern eher begeistern. Auch Sie, Herr Kollege, sollen begeistert sein. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Haben Sie noch eine Nachfrage? – Bitte.

Dr. Dirk Spaniel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004899, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich habe noch eine Nachfrage: Viele Fahrverbote in den Städten treffen jetzt Leute, die sich für einen Verbrennungsmotor entschieden haben. Gibt es hier eine Planung für eine gesetzliche Vorgabe, nach der eine Mindestanzahl an Ladestationen in diesen Städten vorgesehen ist, damit es wenigstens eine Infrastruktur für potenzielle Elektrofahrzeuge gibt?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Technologieoffenheit bezieht sich nicht nur auf alternative Antriebe, sondern neben den Mobilitätsvarianten brauchen wir weiterhin den sparsamen Benziner und den sauberen Diesel. Wir als Bundesregierung wollen Fahrverbote vermeiden, wie Sie wissen, mit ganz konkreten Programmen wie dem „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 – 2020“. Momentan gibt es nur ein rechtskräftiges Fahrverbot auf einer größeren Fläche, nämlich in Stuttgart, und ein zweites rechtskräftiges Fahrverbot – über ein paar Hundert Meter – gibt es in Hamburg. Alles Weitere ist in der Schwebe. Sie kennen ja das Verfahren in Wiesbaden. Genau das ist unsere Herangehensweise: Wir fördern mit einem Masterplan – mit Fördergeldern des Bundes –, damit in Wiesbaden ein neuer Luftreinhalteplan erstellt werden kann. Konkrete Maßnahmen in diesem Luftreinhalteplan plus die Maßnahmen aus dem „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 – 2020“ sollen das Gericht überzeugen, dass es zur Einhaltung der Grenzwerte nicht notwendig ist, ein Fahrverbot zu verhängen. Das ist unsere Strategie, um Fahrverbote erst einmal zu vermeiden. Sie haben ja auch gesehen, dass wir in der Federführung des BMU Anpassungen am BImSchG und am Straßenverkehrsgesetz vornehmen. Wir sind an dieser Stelle also am Arbeiten, um Alltagseinschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger durch Fahrverbote zu vermeiden und Mobilität zu ermöglichen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Dr. Karamba Diaby, SPD, stellt die nächste Frage.

Dr. Karamba Diaby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004259, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, in meinem Betreuungswahlkreis, dem Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt, gibt es eine erhebliche Verkehrslärmbelastung der Ortsteile in der Nähe der Stadt Osterfeld an der A 9. Auf diesem Streckenabschnitt gibt es keinerlei Geschwindigkeitsbegrenzung. Trotzdem wird bei der Lärmberechnung eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h zugrunde gelegt. Die Landesregierung Sachsen-Anhalt beruft sich bei dieser Berechnung auf eine zwingende Regelung Ihres Hauses. Dies gebe die Richtlinie für den Lärmschutz an Straßen – Ausgabe 1990 – vor. Die dort gefahrene Geschwindigkeit dürfte aber deutlich höher als 130 km/h sein, da es eben keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt und die Straße zusätzlich abschüssig ist. Meine Fragen an Sie, Herr Minister: Wann ist mit der Anpassung der Richtlinie zu rechnen? Wann können wir mit der Anpassung der Richtlinie für den Lärmschutz an Straßen – Ausgabe 1990 – rechnen?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege, das Thema Lärmschutz bewerten diese Koalition, der Sie auch angehören, und die Bundesregierung sehr hoch. Wir haben die Lärmschutzwerte für die Straße und für die Schiene vor einiger Zeit ganz eklatant gesenkt, sodass es wirkliche Erleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger gibt. Im Übrigen bearbeiten die Auftragsverwaltungen vor Ort das Thema Lärmschutz; das gilt auch hinsichtlich der Geschwindigkeitsbegrenzungen und der Beschilderungen. Wir geben nur den Rahmen vor, den Sie mitbeschlossen haben. Ich kann Ihnen aufgrund Ihres Anliegens anbieten, mir den Streckenabschnitt genau anzuschauen und dass wir noch mal darüber diskutieren. Das machen wir gerne; das sind BMVI-Service und politische Dienstleistung. Das bieten wir gerne an. Ich kenne auch noch viele andere Kolleginnen und Kollegen, die ähnliche Anliegen haben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Die nächste Frage stellt der Kollege Oliver Luksic, FDP.

Oliver Luksic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004102, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Scheuer, die Fahrverbote wurden eben angesprochen. Es kommt zu einem volkswirtschaftlichen Schaden und zu massiven Eingriffen in das private Eigentum. Das liegt auch daran, dass in Deutschland meiner Meinung nach falsch und auch anders gemessen wird als im Rest von Europa. Die EU-Richtlinie wird uneinheitlich ausgelegt. Ein Gutachten des Europäischen Parlamentes, für das sich der Kollege Lins eingesetzt hat, der Ihrer Parteienfamilie angehört, stellt fest, dass es in Österreich und Polen nicht zu Vertragsverletzungsverfahren kommt, aber beispielsweise in Deutschland, weil hier anders gemessen wird. Deswegen meine Frage, auch vor dem Hintergrund, dass gerade in Stuttgart in der Pragstraße eine Messstelle abgebaut wird, ob Sie meine Einschätzung teilen, dass wir in Deutschland anders messen als im Rest von Europa, und ob Sie ausschließen können, dass auch andere Messstellen nicht korrekt aufgestellt sind.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege Luksic, ich habe erwartet, dass Sie mir als Vorbemerkung noch einmal für die großen Investitionen in Ihrem Heimatbundesland Saarland danken, wo wir uns unlängst getroffen haben. ({0}) Aber zu Ihrer Frage. Ja, die Verkehrsministerkonferenz hat gefordert, die Messsituation zu überprüfen; die Umweltministerkonferenz hat sich dem angeschlossen. Wir haben – für die Messungen ist das Umweltministerium federführend zuständig – jetzt die Initiative gestartet, dass die Messstellen überprüft werden. Wir als BMVI haben einige Erkenntnisse über Messstellen, bei denen wir sagen: Das geht über den Rahmen der europäischen Vorgaben hinaus. – Wir müssen uns halt als Deutsche die Frage stellen, wie maximal streng wir messen. Es gibt ja einen gewissen Range, in dem man sich bewegen kann. Beispielweise steht in Wien, in Österreich, die Messstelle in der Fußgängerzone am Stephansdom. Das ist die Messstelle für die Stadt. Bei uns steht eine solche Messstelle oft in einer Gebäudenische an einer vierspurigen Straße. Das haben wir als BMVI immer kritisiert. Wir brauchen einheitliche Regeln. Aber natürlich ist die Frage: Kann ich maximal streng messen – das ist in Deutschland oft unsere Herangehensweise –, oder nutze ich die komplette Flexibilität, die mir Europa gibt, aus? Mit diesem Streitpunkt beschäftigen wir uns momentan. Wir erwarten jetzt die Ergebnisse aus der Begutachtung der Messstellen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Minister, die Ampel gilt auch für die Mitglieder der Regierung.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Das habe ich befürchtet, Herr Präsident.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Der Kollege Luksic möchte eine Zusatzfrage stellen.

Oliver Luksic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004102, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dies muss auch flexibel ausgelegt werden – ähnlich wie hier das Messverfahren. ({0}) Ich freue mich, dass Sie das Problem erkennen. Es geht nämlich darum, einen repräsentativen Wert zu haben und eben nicht dort zu messen, wo die höchste Exposition ist. Bei der Überprüfung wird natürlich wenig rauskommen, weil es eben rechtlich möglich ist, so nah an der Straße zu messen, aber es ist unsinnig und entspricht nicht dem Geist der Richtlinie. Darin geht es explizit darum, einen repräsentativen Wert zu haben. Deswegen meine Frage, weil Sie die eine Messstelle vorhin angesprochen haben, zum Thema Baufluchtlinie. Ist Ihnen bekannt, dass es auch Übersetzungsfehler in einer Anlage zur Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gibt, zum Beispiel beim Luftstrom? Es geht um die Frage, wie die Abstände des Luftstroms an der Baufluchtlinie sein sollen. Sind Ihnen diese Übersetzungsfehler bekannt, –

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege.

Oliver Luksic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004102, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

– und sind Sie bereit, diese zu korrigieren?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Erstens. Das BMVI ist da nicht federführend. Zweitens. Dieser Sachverhalt ist mir bekannt. Wir werden ein wachsames Auge auf die zuständigen Behörden haben. Aber das BMVI stellt keine Messstellen auf.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Frau Kollegin Pantel möchte eine Zusatzfrage stellen.

Sylvia Pantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004370, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, es freut mich sehr, dass wir eine Regierung haben, die verkehrs- und antriebsoffen arbeitet und nicht ideologisch nur in eine Richtung denkt. Jetzt hatten wir letzte Woche eine Informationsveranstaltung, in der uns von wissenschaftlicher Seite ganz klar belegt wurde, dass die Verursachung des Feinstaubs, die sonst immer dem Kfz zugesprochen wird, nur ganz wenig mit den Autofahrern zu tun hat. Meine Frage ist: Gibt es da vonseiten des Ministeriums Aufklärungsarbeit? Ich glaube, dass die Bürger vor Ort mit all dieser Differenzierung wirklich alleinegelassen werden und nicht wissen, dass eben nicht die Kfz den Feinstaub verursachen.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin, ich habe das Protokoll dieser Veranstaltung gelesen, die Sie initiiert haben. Ich bin auch dankbar dafür, dass so eindeutige Rückmeldungen gekommen sind. Man muss auch dazusagen – Quelle 2018 –, dass laut Umweltbundesamt die Grenzwerte für Feinstaub in den Innenstädten nicht mehr überschritten werden. Das heißt, wir haben die Feinstaubdiskussion positiv gelöst. Man schmeißt da immer alles in einen Topf. Wir diskutieren an dieser Stelle über die NO x -Werte. Aber ich kann auch durch Rückmeldungen von Wissenschaftlern bestätigen, die sich dazu geäußert haben – da meine ich nicht die Diskussion, die wir über den Jahreswechsel mit Lungenfachärzten geführt haben, sondern andere Wissenschaftler, die den Feinstaub noch mal genau analysiert haben –, dass wir zu dem von Ihnen geschilderten Ergebnis kommen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Frau Kollegin Leidig, Die Linke.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Auch ich möchte mit einer Nachfrage anschließen, die sich auf die Messwerte, die Art und Weise der Erhebung und die Schädlichkeit von durch motorisierten Individualverkehr bedingten Emissionen bezieht. Ich möchte Sie fragen, ob Sie sich die Kabarettsendung „Die Anstalt“ am 12. März 2019, also in der letzten Woche, angeschaut haben und wie Sie zu der dort imaginierten Unterhaltung des Verkehrsministers Dr. Scheuer mit dem Physiker Isaac Newton stehen, wo einige Irrtümer aufgeklärt wurden, denen Sie offensichtlich aufgesessen sind. ({0})

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin Leidig, nach meiner gesicherten Erkenntnis ist das Hohe Haus kein Gremium, das Cabaretsendungen analysiert. ({0}) Aber wir können uns gern im Stuhlkreis im Kulturzen­trum XY darüber unterhalten. Ich hätte auch noch einige Ideen zum Nockherberg. Also, darüber können wir uns intensiv austauschen – aber nicht hier.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Christoph Ploß, CDU/CSU.

Dr. Christoph Ploß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004854, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie haben in Ihren Ausführungen die Elektrokleinstfahrzeuge erwähnt, die ab dem Frühsommer dieses Jahres einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung des Verkehrs leisten werden. Sowohl für die erste als auch für die letzte Meile werden sie wahrscheinlich häufig zum Einsatz kommen. Eine Zulassung für Elektrokleinstfahrzeuge mit Lenkstange ist, so haben Sie bekannt gegeben, für Ende Mai vorgesehen – sofern der Bundesrat zustimmt. Wir begrüßen das als CDU/CSU-Fraktion natürlich sehr, wie wir auch im Verkehrsausschuss schon deutlich gemacht haben. Meine Frage geht dahin: Was ist mit den Elektrokleinstfahrzeugen ohne Haltestange? Haben Sie da eine Sonderverordnung vorgesehen, bzw. wann sollen diese Fahrzeuge legalisiert werden?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Bei den Elektrokleinstfahrzeugen mit Halte- und Lenkstange sind wir im Verfahren. Die Verordnung dazu habe ich unterzeichnet. Auch sind wir dabei, einen Kompromiss im Bereich „Verkehrssicherheit zum einen, neue Mobilität zum anderen“ – also auch Gewährleistung des Versicherungsschutzes – zu erzielen. Es gibt ja europäische Städte, wo die Regelung wieder zurückgedreht wird. Da wurde alles liberalisiert. Da gibt es Einschränkungen für die Menschen, die mit Rollator unterwegs sind, genauso wie für Menschen, die mit einem Kinderwagen unterwegs sind. Diese Scooter liegen einfach auf den Bürgersteigen herum. Wir wollen das anders organisieren. Deswegen haben wir diese Verordnung so in die Wege geleitet. Jetzt soll ihr der Bundesrat zustimmen, und dann erfolgt die Notifizierung auf der europäischen Ebene. Die Nutzung der Fahrzeuge ohne Lenk- und Halte­stange wird in einer Ausnahmeverordnung geregelt, das heißt in einem zeitlich parallelen Verfahren. Folglich werden wir im Laufe des ersten Halbjahres auch diese Ausnahmeverordnung freigeben, sodass neue Mobilität über Elektrokleinstfahrzeuge mit Lenk- und Haltestange und ohne Lenk- und Haltestange möglich ist – aber im Rahmen eines Kompromisses, der Verkehrssicherheit zum einen und neue Mobilität zum anderen gewährleistet. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Kollegin Daniela Kluckert, FDP, möchte zum selben Thema eine Frage stellen.

Daniela Kluckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004784, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, die Elektrokleinstfahrzeuge sind schon angesprochen worden. Wir haben hier ein ganz komplexes System. Es wird viel erfunden, und es sind auch viele Innovationen auf dem Markt. Sie sagen ja, Sie seien auch ein Minister der modernen Mobilität. Ihre Verordnung ist für uns etwas sperrig, kompliziert. Hier wird schon für Fahrzeuge, die im Prinzip Fahrrädern gleich sind, ein Versicherungsschutz gefordert, der Jugendliche schnell mal 90 Euro kosten kann. Was aber auch ein Problem ist, ist, dass wir die Innovationen der Zukunft noch gar nicht kennen. Hier wurden gerade Menschen, die mit einem Kinderwagen unterwegs sind, von Ihnen angesprochen. Wie würden Sie denn damit umgehen, wenn jetzt auf einmal ein deutsches Unternehmen zum Beispiel Elektrokinderwagen auf die Straße bringen möchte, wobei das in Ihrer Verordnung nicht geregelt ist?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Ich weiß, Frau Kollegin Kluckert, dass wir mit den Formen neuer Mobilität nie zu einem Ende kommen, sondern dass da wahrscheinlich jeden Tag was Neues um die Ecke kommt. Wir wollen mit Blick auf die Situation der Elektrokleinstfahrzeuge mit Vernunft agieren. Ich weiß, wie sich jetzt andere europäische Städte verändern. Sie haben alles freigegeben und haben schlechte Erfahrungen gemacht. Der Versicherungsschutz – das hat nichts mit dem Mofa zu tun – kostet 35 Euro. Es ist aber auch klar, dass wir Verkehrssicherheitsverbände haben, die sehr stark darauf schauen, was die Elektrokleinstfahrzeuge für Höchstgeschwindigkeiten haben. Ich denke an die, die mit einem kleinen Roller mit 20 km/h unterwegs sind. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Es gab vor meinem Ministerium eine Demo mit Elektrokleinstfahrzeugen. Das war wunderbar; es wurde in den sozialen Netzwerken angekündigt. Ich habe mir das alles angeschaut; 200 Leute waren dabei. Wissen Sie, was die Gegendemo war? Der Fußgänger und der Fahrradfahrer! – In dieser Konfliktsituation befinden wir uns. Ich bin offen für alle Mobilitätsformen. Gerade heute bin ich wieder Elektroroller gefahren, leider nur in meinem Ministerium; denn in Deutschland gibt es nur die einzige Ausnahme für zwei deutsche Produkte derzeit in Bayern. Leider konnte sich die Verwaltung in Berlin noch nicht zu einer solchen Ausnahmeregelung durchringen, bis eine Verordnung in Kraft tritt. Wir sind mit dieser Diskussion, Frau Kluckert, definitiv noch nicht am Ende, auch wenn es dann mal um Elektrokinderwagen geht.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Wir sind schon deswegen nicht am Ende, weil Sie eine Nachfrage stellen, Frau Kluckert.

Daniela Kluckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004784, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Genau. – In Ihrer Verordnung steht etwas von 90 Euro Versicherungskosten für unter 23-Jährige. Ein anderer Teil der modernen Mobilität, der auch von Ihrem Ministerium forciert wird, ist die Überarbeitung des Personenbeförderungsgesetzes, das andere Mobilitätsformen zulassen soll. Bei den Eckpunkten dazu haben Sie die Taxifahrer vergessen. Sie haben viel für die neuen Mobilitätsformen gemacht, aber die Taxifahrer kommen darin nicht vor. ({0}) Was sagen Sie denn zu denen, die mehr Freiheit brauchen, zum Beispiel bei der Frage der Preisgestaltung, oder zu den Taxiunternehmen im ländlichen Raum, wenn sie es nicht schaffen, 24-Stunden-Dienste vorzuhalten, weil das für ihr Unternehmen wirtschaftlich nicht vertretbar ist?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herzlichen Dank für diese Frage. – In den Eckpunkten zum Personenbeförderungsgesetz, über das wir in den nächsten Monaten sehr ausführlich reden werden – für die letzte Novelle haben wir sechs Jahre gebraucht –, müssen wir neue Mobilitätsformen abbilden. Klar ist aber auch: Wir brauchen fairen Wettbewerb zum einen und zum anderen soziale Standards, die den Regelungen entsprechen, die in der digitalen Welt notwendig sind. Viele Taxiunternehmen wagen den Sprung in die Digitalisierung. Wir haben beste Erfahrungen damit. Es gibt Mobilitätsplattformen, auf denen die Taxiunternehmen integriert sind. Ich bin ständig in Kontakt mit den Taxiverbänden, so auch diese Woche wieder. Die Vorschläge, die die Unternehmen im Taxigewerbe machen, sind bei uns willkommen; dafür steht unsere Tür immer offen. Das andere ist natürlich, dass viele neue Mobilitätsformen in der Diskussion stehen. Dabei geht es nicht nur um Uber, das immer als Beispiel der Konfrontation genannt wird, sondern es geht von BerlKönig in Berlin bis zum IsarTiger in München. Deswegen müssen wir jetzt über die Eckpunkte reden. Es gibt keine Begrenzung beim Denken und bei der Umsetzung. Nur: Wenn wir über Zukunft der Mobilität, die Attraktivität der Personenbeförderung sowie über urbane Mobilität reden, dann müssen wir uns auch aufmachen, alle unter einen Hut zu bringen und neue Mobilitätsformen anzubieten.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank, Herr Minister. – Jetzt stellt die nächste Frage der Kollege Jörg Cezanne, Die Linke.

Jörg Cezanne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004693, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister Scheuer, über die Fahrverbote ist ja schon gesprochen worden. Die Liste reißt nicht ab; gestern ist noch ein Fahrverbot für Reutlingen dazugekommen, was für die betroffenen Fahrer logischerweise ein bisschen misslich ist.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Aber das gilt ja nicht.

Jörg Cezanne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004693, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Deswegen würde mich interessieren, wann Sie die Ergebnisse der Abgasmessungen des Kraftfahrt-Bundesamtes veröffentlichen werden, damit die betroffenen Fahrzeugbesitzer wissen, woran sie sind.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Welche Werte?

Jörg Cezanne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004693, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das Kraftfahrt-Bundesamt misst nach meiner Kenntnis gerade die Abgaswerte für die verschiedenen Fahrzeugtypen noch mal. Es müsste veröffentlicht werden, wie die Situation ist.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Meinen Sie die Diskussion über die Grenzwerte in den Städten? Dafür ist nicht mein Ministerium zuständig, sondern das Umweltministerium.

Jörg Cezanne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004693, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Nein, die Werte für die verschiedenen Typen der Autos. ({0})

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Wir veröffentlichen jeden Tag, je nachdem, was genehmigt und zugelassen wird. Entschuldigung, ich verstehe Ihre Frage nicht ganz. Wenn etwas zu genehmigen ist, dann veröffentlichen wir die Werte der Messungen. Das ist ein ganz normales Verfahren, das über Jahrzehnte schon gilt.

Jörg Cezanne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004693, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Im Übrigen hoffe ich, dass in Reutlingen alle juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um ein Fahrverbot zu vermeiden. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt stellt die nächste Frage der Kollege Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, die Umsetzung des Abkommens von Paris in Sachen Klimaschutz bedeutet auch, dass der Verkehr bis 2050 nahezu klimaneutral unterwegs sein muss. Paris ist in Bezug auf Erdöl eben nicht technologieoffen, sondern sehr klar. Das heißt, jeder, der sich zum Pariser Klimaschutzabkommen bekennt – das tun ja alle ernstzunehmenden Fraktionen hier im Haus –, muss dann logischerweise auch sagen, dass bis spätestens Mitte des Jahrhunderts fossile Kraftstoffe im Verkehr der Vergangenheit angehören. Meine Frage an Sie: Stimmen Sie mir zu, dass das Erdölzeitalter im Verkehr beendet werden muss und dass das auf Deutsch dann eben heißt, dass der fossile Verbrennungsmotor – ich sage nicht „Verbrennungsmotor“, sondern „fossiler Verbrennungsmotor“ – dementsprechend auch der Vergangenheit angehören wird, zu einem Zeitpunkt, den man dann sehen wird? Ist das das Ziel Ihrer Politik als Verkehrsminister?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege Özdemir, die Formulierung „zu einem Zeitpunkt, den man dann sehen wird“ ist genau das Entscheidende; denn wir können nicht das eine verteufeln und runterfahren, also das vom Markt her so destabilisieren, dass wir überhaupt keine Innovationen oder Weiterentwicklungen zulassen, ohne eine zusätzliche technologische Alternative zu haben. ({0}) Herr Kollege Özdemir, wir haben vielleicht den Fehler gemacht, nur die Hardware der Verbrenner anzuschauen. In den letzten Jahren haben wir eine Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie gestartet und stark gefördert. Wir müssen viel mehr die Substanzen, die wir verbrennen, anschauen, das heißt alternative Kraftstoffe. In diesem Bereich sind wir in Deutschland sehr, sehr weit in der Entwicklung. Jetzt wird es in der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität darauf ankommen, welche infrastrukturellen Entscheidungen wir treffen, um diese Kraftstoffe auch herstellen zu können. Auf der anderen Seite kann ich Ihnen nicht sagen, was an Markthochlauf jetzt kommt; denn nach meiner gesicherten Erkenntnis wird in meinem Ministerium noch kein Auto zusammengebaut. Von daher brauchen wir alternative Antriebe, ja, den Markthochlauf – ich spreche vom Elektro-Käfer-Effekt: bezahlbar für alle Bürgerinnen und Bürger –, damit wir diese Mobilität mit kommunizierenden Röhren schaffen können. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Özdemir, eine Nachfrage.

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Also, ich halte fest: Sie stimmen mir zu, dass wir aus dem fossilen Verbrennungsmotor aussteigen müssen; bis wann, wird man sehen. ({0}) In der Marktwirtschaft fördert man normalerweise zwei konträre Dinge nicht gleichzeitig. Das bedeutet konkret: Wenn also das eine, die emissionsfreie Mobilität, hochlaufen soll, muss das andere runterlaufen. Heißt das, dass die Maßnahmen, die Sie treffen, dementsprechend auf der einen Seite einen Bonus und auf der anderen Seite einen Malus vorsehen müssten, also zum Beispiel die Dieselsubventionen langsam abgeschmolzen werden müssten?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege Özdemir, ich weiß nicht, was die Bürgerinnen und Bürger in Ihrem Heimatland zu dieser Grundforderung sagen. Ich sage Ihnen, dass wir die Verantwortung haben, Hunderttausende Arbeitsplätze zu erhalten, ohne im Bereich der Innovationen stehenzubleiben. ({0}) Sie haben denselben Redebeitrag in der Beratenden Kommission zur Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität gemacht. Ich gebe Ihnen jetzt dieselbe Antwort: Wir müssen dafür sorgen, dass wir einen sparsamen Benziner und einen sauberen Diesel haben, und gleichzeitig die alternativen Antriebe marktrelevant nach vorne bringen. ({1}) Das, was als Ergebnis vorgeschlagen wird, was Bepreisung, Anreizwirkungen und Förderungen betrifft, soll die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität erarbeiten, bei der Sie in der Beratenden Kommission ja auch mitarbeiten können. ({2})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Frau Kollegin Leidig, Die Linke, möchte dazu eine Frage stellen.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte dazu noch mal nachfragen, weil ja tatsächlich alle ernstzunehmenden Institutionen, die sich mit der Frage der Verkehrswende beschäftigen, davon ausgehen, dass die Elektromobilität dann einen Beitrag zur Reduzierung von CO 2 -Emissionen im Verkehr leisten kann, wenn der gesamte motorisierte Individualverkehr halbiert wird. Alle Berechnungen gehen davon aus, dass diese Halbierung sozusagen die Voraussetzung ist. Tatsächlich ist es so, dass der Anstieg von CO 2 -Emissionen im Verkehr genau daraus resultiert, dass es immer mehr Autos gibt. Ich habe zwei Fragen. Die erste lautet: Wie sieht Ihr Plan zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs aus? Die zweite lautet: Wie viele Arbeitsplätze würden im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs und im Bereich Bahnausbau entstehen, wenn diese Bereiche als Alternative zum motorisierten Individualverkehr ausgebaut werden würden? Das wäre ja eine spannende Geschichte; möglicherweise ist das ein übergreifendes Thema.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Zu Frage eins: Das ist genau der Unterschied zwischen Ihnen und mir bzw. meiner Partei. Wir wollen nichts verordnen. Wir wollen auch nichts einschränken und nichts verbieten. Ich werde keine Quoten dazu festlegen, wie viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland individuell motorisiert oder öffentlich motorisiert unterwegs sein dürfen. ({0}) Vielmehr ist der Politikansatz, Mobilität bei weniger Verkehr zu ermöglichen. Es geht jetzt darum, mit welchen Maßnahmen wir diesen Druck vor allem auf die Städte und auf die Metropolregionen so schlau organisieren, dass wir die Menschen zum Umsteigen bringen. Deswegen haben wir beispielsweise gerade eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für die Bahn auf Rekordniveau verhandelt und fixiert, die zusammen mit hohen Leistungen aus Regionalisierungsmitteln und aus der Gemeindeverkehrsfinanzierung dazu führen soll, dass viele Bürger umsteigen und dass dann beim ÖPNV und bei der Schiene neue Arbeitsplätze zusätzlich entstehen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Noch eine Frage? Sie dürfen noch, haben aber nur 30 Sekunden.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meine Nachfrage: Der Ausbau der Bahn erfordert erhebliche Investitionsmittel. Sie bestehen auf dem Finanzierungskreislauf Straße, der vorsieht, dass alle Mauteinnahmen – es sind jetzt schon mehr, als im Bedarfsplan Straße vorgesehen sind – weiterhin in die Straße fließen. Denken Sie darüber nach, diesen Finanzierungskreislauf Straße aufzubrechen, wenn es noch mehr Mauteinnahmen gibt, und diese dann tatsächlich in den Ausbau der Schiene zu stecken?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Nein, daran denke ich nicht, weil wir dank der weisen Entscheidungen einer Mehrheit hier im Deutschen Bundestag Investitionen auf Rekordniveau bei beiden Verkehrsträgern, nämlich für die Schiene auf der einen Seite und für den Erhalt unserer Straßen auf der anderen Seite, haben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Frau Kollegin Badum möchte auch noch eine Frage zu diesem Thema stellen.

Lisa Badum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004659, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Minister Scheuer, mir kommen ja ernste Zweifel daran, ob Sie noch zum Klimaschutzpionier werden, wenn ich mir Ihre Äußerungen hier anhöre. Zum Thema „synthetische Kraftstoffe“. Erst mal würde ich gerne wissen, wie viel Liter synthetischer Kraftstoffe aktuell für unsere Pkws in Deutschland verfügbar sind und wie viel wir Ihrer Ansicht nach 2030 zur Verfügung haben werden. Ist Ihnen bekannt, dass man, um einen synthetischen Kraftstoff herzustellen, fünfmal mehr Ökostrom benötigt, als man benötigen würde, wenn man diesen Strom einfach direkt im batterieelektrischen Auto verwenden würde? Wie wollen Sie diesen Effizienzverlust ausgleichen?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin, jetzt können wir eine ganzheitliche Debatte darüber führen, wo eine Batterie herkommt, wie viel Seltene Erden man dafür braucht, wie viel Aufwand man in der Produktion dafür hat und vieles mehr. Ich glaube, wenn man über Klimabilanzen diskutieren möchte, dann braucht man mehr Zeit als eine Minute. Natürlich weiß auch ich, dass es erstens zu wenig Produkte mit alternativen Antriebstechniken gibt. Es gibt zweitens ein zu geringes Volumen synthetischer oder alternativer Kraftstoffe. Und wir dürfen – das ist der Appell an Ihre Partei – die Diskussionen zum Thema Biokraftstoffe nicht wieder neu anfangen. Das wird – das sage ich jetzt schon einmal voraus – hier im Deutschen Bundestag ganz schnell zu „Tank oder Teller?“-Debatten führen. Wir werden sehen: Wenn wir sauberere alternative Kraftstoffe haben wollen, dann müssen wir auch dazu stehen. Dann werden wir die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung auch zum Erfolg führen. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. ({0}) – Haben Sie noch eine Nachfrage? Frau Badum, wenn Sie mir ein Zeichen geben, dann weiß ich, dass Sie eine Nachfrage stellen möchten. Sonst kann ich nur vermuten.

Lisa Badum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004659, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Entschuldigung. Ich bin emotional so aufgewühlt, Herrn Scheuer gegenüberzustehen. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Einfach nur ein Handzeichen – das geht.

Lisa Badum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004659, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich konstatiere: Sie wissen, dass diese synthetischen Kraftstoffe sehr ineffizient sind, und Sie haben momentan auch überhaupt keine Ahnung, wo Sie diese herbekommen wollen. Wir würden gerne mit Ihnen eine offene Debatte über Batterien, über Elektroautos und über synthetische Kraftstoffe führen. Verabschieden Sie sich dann aber endlich vom fossilen Verbrenner – mit einem Ausstiegsdatum. Dann könnten wir hier technologieoffen sprechen. In diesem Zusammenhang würde mich zum Klimakabinett interessieren: Welche Maßnahmen werden im Klimakabinett verabschiedet? Werden diese mehr Tonnen CO 2 einsparen, als wenn sie ohne das Klimakabinett verabschiedet werden würden – gerade von Ihrer Seite?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Minister.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Ich habe immer gesagt: Wir brauchen gute Mobilität und saubere Luft. Wir brauchen aber auch die Konzentration darauf, dass wir mit neuen Antriebstechnologien Ziele erreichen. Dazu zählen auch die alternativen Kraftstoffe. Ich habe andere Erkenntnisse von der Wissenschaft und von den Herstellern. Wir müssen dann Entscheidungen treffen, welche Infrastruktureinrichtungen, welche Anlagen wir in Deutschland errichten, um uns unabhängiger zu machen, auch was das Thema „alternative Kraftstoffe“ betrifft. Da sind wir gerade in der Diskussion. Zum zweiten Teil Ihrer Frage. Wir haben das Klimakabinett gerade erst gegründet. Wir haben aber letzte Woche vereinbart, dass die Experten dieser nationalen Plattform auch unserem Bereich zuarbeiten, dass wir jetzt erst die Diskussion beginnen, welche Ziele wir im Klimakabinett sektorübergreifend vereinbaren und mit welchen Maßnahmen wir sie erreichen wollen. Das wären dann die politischen Ableitungen aus einer Expertenarbeit, die jetzt gerade gemacht wird.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die nächste Frage zulasse, gebe ich den Hinweis, dass es schon 40 Minuten um den Geschäftsbereich im engeren Sinne ging. Wenn also jetzt Fragen zu anderen Bereichen gestellt werden – das schließt nicht aus, dass man auch noch zum Geschäftsbereich fragen kann –, dann werde ich jedenfalls nicht intervenieren. Das Feld ist offen. Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Espendiller, AfD.

Dr. Michael Espendiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004711, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Danke, Herr Präsident, für das Wort. – Herr Scheuer, ich möchte gerne einmal kurz das Thema „5G und Netzausbau“ ansprechen. Sie werden die Debatte in den letzten Wochen verfolgt haben, was den Netzwerkausrüster Huawei angeht. Da gibt es international und auch hier in Deutschland ja erhebliche Sicherheitsbedenken, zum Beispiel in Australien, Neuseeland, Kanada, Frankreich, Großbritannien, den USA und weiteren Ländern. Wir als AfD-Fraktion teilen das. Wir haben ja schon einen Antrag gestellt, Huawei als Netzwerkausrüster auszuschließen. Jetzt hat die Bundesnetzagentur Sicherheitsvorgaben rausgegeben, um dem Problem entgegenzuwirken. Frau Merkel hat gestern gesagt – ich zitiere aus der Zeitung –, dass sensible Sicherheitsfragen nicht öffentlich diskutiert werden sollten. Ich möchte Sie als Minister fragen, wie Sie dazu stehen. Sind Sie der Meinung, dass die Bürger über die Sicherheitsbedenken bei Huawei ausführlich und zeitnah informiert werden sollten?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Die Bundeskanzlerin hat recht, wenn sie diese Bemerkung macht. In der Debatte ist aber natürlich klar, dass die Bundesnetzagentur Sicherheitsvorgaben macht. Das betrifft jeden Hersteller. Wir haben erst vor kurzem darüber diskutiert, wie unsere Infrastruktur am besten abgesichert werden kann. Ich könnte da jetzt technisch in die Tiefe gehen; das ist aber in einer Minute schwer zu leisten. Wir wollen bei der Infrastruktur keinen zeitlichen Rückschlag erleiden. Das wollen Sie ({0}) auch nicht, aber mit Ihrem Antrag untermauern Sie das; denn wenn ich alle bestehenden Anlagen eines Herstellers abbauen muss, dann bedeutet das einen Zeitverzug. Das Zweite ist: Wir brauchen verschiedene Ebenen. Mit verschiedenen Fachausdrücken könnte ich das noch mal stärker aufdröseln. Der Fall, dass Hersteller, die aus anderen Ländern kommen, Bereiche der kritischen Infrastruktur in Deutschland ausstatten und diese abgesichert werden müssen, betrifft ja nicht nur China, sondern auch andere Länder. Die Sicherheitsvorgaben macht die Bundesnetzagentur, und das ist auch sinnvoll und für unseren Anspruch auch praktikabel.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Noch eine Nachfrage?

Dr. Michael Espendiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004711, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ja.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Bitte.

Dr. Michael Espendiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004711, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich möchte noch mal ganz konkret zu Huawei nachfragen: Wenn da Sicherheitsbedenken vorliegen sollten, die auch konkret nachweisbar sind, wird die Bundesregierung dann die Bevölkerung im Detail darüber informieren, ja oder nein?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Wir haben intensiv zwischen den Ministerien darüber geredet, was der richtige Weg ist. Die Bundesnetzagentur ist unabhängig, hat aber unsere Position, was die Sicherheitsanforderungen angeht, übernommen. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Der Kollege Houben, FDP, möchte zu diesem Bereich auch eine Frage stellen.

Reinhard Houben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Minister Scheuer, gestern hat ja die Bundesnetzagentur mit der Auktion der Vergabe der 5G-Frequenzen begonnen. Es sieht so aus, als ob die Einnahmen sehr umfangreich sein werden. In den vergangenen Monaten hatte die Koalition massiven Einfluss auf die Behörde genommen, um die Auflagen für die Netzbetreiber in ihrem Sinne zu gestalten. Inwieweit werden aus Ihrer Sicht die politischen Ziele der Bundesregierung durch die Auktion nun erreicht?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Die Koalition hat nicht nur auf Regierungsebene, sondern auch über die verschiedenen Gremien der Koalitionsfraktionen und des Beirats die fachliche Expertise eingebracht, was die Ausbauverpflichtungen und die Versorgungssicherheit betrifft. Wir haben ja, wenn ich das noch mal erwähnen darf, als Regierung im Juli 2018 einen Mobilfunkgipfel veranstaltet. Die Anbieter haben eine Ausbauverpflichtung unterschrieben, nämlich das Ziel zu erreichen, 99 Prozent der Haushalte zu versorgen, das heißt Deutschland flächendeckend mit Mobilfunk zu versorgen. Der zweite Punkt betrifft die Ausschreibemodalitäten oder die Auktionsmodalitäten, die jetzt zum Tragen kommen. Da erhoffen wir uns neben der flächendeckenden Versorgung mit 4G natürlich den Einstieg in die neue Technologie 5G mit den Versorgungsauflagen, die die Koalition und die Bundesregierung erarbeitet haben, und damit einen sehr guten Einstieg.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage, Herr Houben?

Reinhard Houben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja. – Das höre ich gerne. Ihre Zuversicht scheint aber Ihre eigene Landesgruppe nicht zu teilen. Nach der Presseberichterstattung hat die CSU-Landesgruppe ein Konzept erarbeitet, um den Mobilfunkausbau teilweise über staatliche Strukturen in Form einer Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft, MIG, voranzutreiben. Halten Sie es volkswirtschaftlich für sinnvoll, private Netzbetreiber mit möglichst hohen Auktionspreisen zu belasten, um mit diesen Einnahmen dann ein staatliches Funknetz aufzubauen?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege, da haben Sie etwas falsch verstanden. Erstens habe ich an dem Konzept mitgearbeitet. ({0}) Zweitens haben Sie die Unterscheidung zwischen 4G und 5G nicht vorgenommen. Die Infrastrukturgesellschaft bezieht sich auf einen schnelleren Ausbau von flächendeckendem Mobilfunk in der jetzigen Technologie. 5G ist der nächste Standard. Wenn ich jetzt als Mitglied der Bundesregierung abschweifen darf hin zu dem, was die CSU-Landesgruppe vorhat, dann kann ich Ihnen sagen: Wir diskutieren darüber, wie wir in die Fläche kommen. Momentan liegt die Ausbauverpflichtung bei 99 Prozent der Haushalte. Da bleibt 1 Prozent übrig. Bei diesem 1 Prozent redet man über die Fläche und darüber, ob ein Förderprogramm oder ob eine Infrastrukturgesellschaft das Richtige ist. Meine Gruppe im Parlament besteht auf Gründung einer Infrastrukturgesellschaft, um den Ausbau für die Bürgerinnen und Bürger weiter und schneller voranzutreiben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Martin Burkert. ({0})

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Scheuer, ich habe eine Frage zur Bahninfrastruktur. Wir wissen, der Investitionsstau liegt, was das Schienennetz angeht, im zweistelligen Milliardenbereich. Zurzeit wird die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III für die nächsten fünf Jahre verhandelt. Im Koalitionsvertrag haben wir kundenfreundliches Bauen vereinbart und Brückensanierungen. 9 000 Brücken sind älter als 100 Jahre. Wir wollen, dass dafür Planungsmittel bereitgestellt werden. Sind diese Vorhaben sichergestellt, oder werden die Maßnahmen jetzt an den zur Verfügung stehenden Mitteln, die wir aus dem Eckpunkteprogramm kennen, ausgerichtet?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Ich bin froh über diese Frage, Herr Kollege, ({0}) weil wir alle unsere Maßnahmen, die im Bundesverkehrswegeplan stehen, in der Mache haben, entweder schon begonnen oder mit den Planungen begonnen. Das sind teilweise sehr komplizierte Bauwerke, wie Sie wissen. Aus der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II ist die positive Rückmeldung, dass wir beispielsweise bei den Brücken eine Übererfüllung haben. Das heißt, 900 Brücken werden erneuert oder instand gesetzt. Das ist mehr als ursprünglich vereinbart. Jetzt gehen wir in die neue Periode. Ich freue mich darüber, dass wir zusammen mit dem BMF einen sehr guten Weg gefunden haben. Natürlich gibt es neue Herausforderungen für die Bahn: die Digitalisierung und vieles mehr. Zum einen wollen wir mit der Digitalisierung Kapazitäten erweitern, ohne einen Millimeter Gleis zu bauen. Zum anderen haben wir einen unglaublichen Modernisierungsstau. Es werden auch viele große Baustellen noch kommen. Wir haben nicht nur das Zukunftsbündnis Schiene mit dem Deutschland-Takt ans Laufen gebracht, sondern auch ein besseres Baustellenmanagement, um die Störungen besser in den Griff zu bekommen. Das ist ein ganzheitliches Thema. Ich glaube, dass wir damit die Anliegen der Koalition sehr gut erfüllen. Dieser Koalitionsvertrag – Glückwunsch an die Koalitionäre! – priorisiert die Bahn so stark wie nie zuvor. Das sagt nicht die Bahn, sondern das sagen alle Bahn- und Schienenverbände, die wir in Deutschland haben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben noch die Möglichkeit zu einer Nachfrage, bevor es weitergeht.

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gerne. – Nach dieser Zuversicht muss ich einfach einmal nachfragen.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Ich hoffe, du hast auch so eine Zuversicht.

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, der Koalitionsvertrag ist gut, er muss erfüllt werden. – Meine Nachfrage ist: Heute tagt der Aufsichtsrat der DB Netz AG. Der Aufsichtsrat der Bahn AG wird im Juni dazu tagen. Sind Sie denn davon überzeugt, dass der Aufsichtsrat und Ihr Partner auf der anderen Seite in Person des Herrn Pofalla am Ende diese Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, diesen Vertrag über die nächsten fünf Jahre – im Wissen, dass die Mittel nicht ausreichen werden –, auch unterschreiben?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Ich bin sehr optimistisch, dass der Aufsichtsrat nicht nur im März, sondern auch im Juni eine gute Tagung haben wird. Hier geht es nicht nur um die Finanzlinien, sondern auch um Personal, Organisation und Struktur, wichtige Themen der Digitalisierung. Das erste Halbjahr ist wichtig. Ich habe ja auch eingefordert, dass es da beim System Schiene und beim Bahnverkehr zu Verbesserungen kommt. Wir haben erfreuliche Mitteilungen aus den letzten Monaten, dass es bessere Pünktlichkeitswerte gibt. Aber natürlich ist mir auch klar, dass wir ganz, ganz große Bauprojekte haben, bei denen wir uns nach der Decke strecken müssen. Wir haben heute im Eckpunktepapier mit dem, was den Haushalt betrifft, den ersten Schritt verabschiedet. Aber die Diskussion über zusätzliche Mittel bei der Schiene wird nicht abreißen. Da bin ich auch realistisch.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Herbst, ist das eine Nachfrage zu dieser Frage? – Dann haben Sie erst mal das Wort.

Torsten Herbst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004746, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Minister, auch ich habe noch eine Nachfrage zum Thema Bahn. Wenn wir über Schienenprojekte sprechen, sprechen wir ganz oft über Personenverkehr, über zu spät gekommene Züge. Aber die Bilanz von DB Cargo ist noch verheerender als die des Personenverkehrs: hochdefizitär. Aufträge müssen abgelehnt werden, weil die Kapazitäten der DB Cargo nicht zur Verfügung stehen. Mich würde in Ihrer Funktion als Minister, aber auch als Vertreter des Eigentümers Bund interessieren: Was planen Sie mit Blick auf DB Cargo? Bis wann soll das Defizit abgebaut werden, bis wann soll es eine schwarze Null geben, und bis wann sollen die Kapazitäten so aufgebaut werden, dass theoretisch zu fahrende Züge tatsächlich gefahren werden können? Wenn das bis zu einem bestimmten Zeitpunkt – vielleicht in zwei, drei Jahren – nicht passiert, was wären Ihre Konsequenzen?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege, die Abwicklung und die Koordination von bestellten Verkehren müssen auf jeden Fall besser werden. Wir müssen auch Synergieeffekte zwischen DB Schenker und DB Cargo besser nutzen. Das ist ohne Zweifel so. Wir haben ja von der Koalition aus zusammen mit den Verkehrspolitikern und Haushaltspolitikern im Januar diverse Sitzungen mit der Spitze der Bahn gehabt, wo vor allem das Thema Cargo eine große Rolle gespielt hat. Wir sind zum einen in wirtschaftlich stark prosperierenden Zeiten. Normalerweise müssten bei Cargo noch stärker Verlagerungen von Kapazitäten auf die Schiene erfolgen. Da haben Sie vollkommen recht. Wir müssen aber auch die Schnittstellenproblematik verbessern, beispielsweise beim kombinierten Verkehr. Es gehen jetzt einige große Terminals an den Start. Wir erhoffen uns, dass Verlagerungen von Kapazitäten besser bei der Schiene abgebildet werden. Natürlich haben wir auch da ein Maßnahmenpaket. Ein Datum für Verbesserungen kann ich Ihnen nicht nennen. Aber ich bin an dieser Stelle ungeduldig, weil auch ich sehe, dass die Defizite in diesen wirtschaftlich sehr erfolgreichen Zeiten zu hoch sind, wo man, anders als in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, sehr viel Cargo fahren kann.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Eine zweite Nachfrage funktioniert jetzt nicht. – Für mich wäre wichtig, da wir Mehrfachmeldungen haben: Herr Wiehle, ist das eine Frage zu dieser Frage?

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Kommt meine angemeldete Frage in Kürze?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die kommt auch in Kürze. ({0})

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Dann verzichte ich auf meine Nachfrage.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Gut, prima. – Dann stellt jetzt die nächste Nachfrage, wenn es denn dazu eine ist, Herr Gastel.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, Frau Präsidentin, es ist eine Nachfrage zu der Frage von Herrn Burkert zu Infrastrukturmitteln für die Bahn. – Über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wurde gerade gesprochen, sprich: 1 Milliarde Euro mehr für Ersatzinvestitionen in den Bestand. Ob das reichen wird, werden wir sehen. Bislang ist es so gewesen, dass sich trotz des Geldes, das geflossen ist, der Zustand verschlechtert hat. Ich habe eine Frage an Sie, Herr Minister, die sich auf die Bedarfsplanmittel bezieht, also auf die Mittel für Aus- und Neubauprojekte. Ich möchte gerne wissen: Wie viel Geld pro Jahr wäre notwendig, um die vordringlich eingestuften Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan bis 2030 abzufinanzieren, und wie viel Geld pro Jahr werden Sie einstellen bzw. 2020 konkret aus heutiger Sicht?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Wir haben nicht nur bei anderen Verkehrsträgern den Investitionshochlauf, sondern auch bei der Schiene. Die Bahn hat alle Maßnahmen, die im Bundesverkehrswegeplan sind, in Bearbeitung. Wir haben ein strenges Auge darauf, dass diese Vorhaben, zum Teil Sanierungsvorhaben, aber auch Aus- und Neubauvorhaben, forciert werden. Sie haben in der Einleitung Ihres Wortbeitrages vergessen, zu erwähnen, dass nicht nur alles schlechter geworden ist, sondern vieles auch viel besser geworden ist. Wir diskutieren zu wenig über die Strecken, die positiv ablaufen, ob das München–Berlin ist, ({0}) ob es die Elektrifizierung zwischen München und Zürich ist, ob es die Pläne zur Verbesserung im Norden sind, die mein Staatssekretär und Bahnbeauftragter unlängst vor einigen Tagen vorgestellt hat. Es gibt also Verbesserungen. Wir sind insbesondere bestrebt, die Störungsintensität im Bereich Rhein-Ruhr zu reduzieren, um so auch Folgestörungen im Gesamtnetz zu unterbinden. Das heißt, unsere Mittel werden ausgeschöpft, der Investitionshochlauf funktioniert, und wir haben das Bestreben, die Schiene – da bin ich mir mit dem Finanzminister einig – finanziell noch mehr zu stärken.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Noch eine Nachfrage zur Nachfrage gibt es – erstens – nicht. Zweitens bitte ich alle – den antwortenden Minister wie die Fragestellerinnen und Fragesteller –, den Präsidiumswechsel jetzt nicht auszunutzen, um Frage- und Redezeit zu verlängern, sondern auf das optische Signal zu achten. Wir haben noch exakt zwölf Minuten für dieses Format. Ich kann das dann zwar noch verlängern, wenn es weitere Fragen gibt, aber dann auf Kosten der nachfolgenden Fragestunde. Insofern frage ich jetzt erst einmal die Kolleginnen Völlers und Leidig: Sind das jetzt Nachfragen zu dieser Frage? – Dann wären das die zwei, die ich noch zulasse. Danach würde ich in der Reihenfolge weitergehen, damit wir wenigstens noch eine weitere Frage aufrufen können und ich dann mein Versprechen an den Abgeordneten Wiehle einhalten kann, dass er seine Frage stellen kann. – Also dann als Erste Kollegin Völlers.

Marja Liisa Völlers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004942, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister, ich würde mich gerne an der Frage orientieren, was die Planungen des Bundesverkehrsministeriums hinsichtlich Schienenausbaumaßnahmen sind. Am Montag ist das Ministerium mit einer Meldung hinsichtlich einer neuen ICE-Schnellfahrstrecke zwischen Bielefeld und Hannover in den Medien präsent gewesen. Alle großen regionalen Medien haben darüber berichtet. Auf diese Strecke bezieht sich meine kurze Frage: Für welche Trassenvarianten in diesem Bereich – mittlerweile sind vier auf dem Tisch – liegen dem Bundesverkehrsministerium Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vor bzw. sind diese geplant?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin, wir prüfen alle Trassenvarianten, wie es das normale Verfahren vorsieht. Das Verfahren beginnt ja jetzt erst. Damit liegen uns noch keine Ergebnisse zur Wirtschaftlichkeit und noch keine Abwägungen zwischen verschiedenen Trassen vor. Ich glaube aber, Sie bleiben am Ergebnis dieser Untersuchungen interessiert.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Leidig.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Auch ich möchte noch zur Finanzierung der Bahninfrastruktur nachfragen. Tatsächlich ist es ja so, dass die Projekte, die im Bundesverkehrswegeplan für die Schiene jetzt auf die höchste Priorität gesetzt wurden, mit den bestehenden Ansätzen nicht finanziert werden können bzw. nicht, wie geplant, bis zum Jahr 2030, sondern erst bis zum Jahr 2060 realisiert werden könnten. Das heißt, es braucht erheblich mehr Geld. Da würde ich mich schon sehr konkret dafür interessieren, um wie viel die Investitionsmittel für den Schienenausbau erhöht werden und mit welcher Verhandlungsposition Sie jetzt in die Haushaltsverhandlungen gehen.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin Leidig, wir stärken gerade die Schiene mit dem aktuellen Eckpunktepapier. Jetzt beginnen erst die Haushaltsverhandlungen, auch, was die Finanzplanung für die nächsten Jahre betrifft. Das Bestreben dieser Koalition ist, das System Schiene zu stärken. Da sind wir uns alle einig; das ist auch aus dem Koalitionsvertrag abgeleitet. Wir hatten Zeiten, Frau Kollegin Leidig, in denen wir zwar das Geld hatten, aber keine Projekte. Mir ist es lieber, jetzt an vielen Projekten zu arbeiten und viele Projekte zu entwickeln und zu beplanen, um dann entscheiden zu können, welche Prioritäten wir setzen und welche Priorisierungen wir vornehmen, anstatt wieder in der Situation zu sein, zwar das Geld zu haben, aber keinen Mittelabfluss, weil die Projekte nicht fertig durchgeplant sind. Natürlich sind die Projekte – etwa wenn ich an eine Brücke aus dem Jahr 1900 und irgendwas denke – häufig sportlich und bringen einen hohen Aufwand mit sich. Aber noch mal die ganz klare Botschaft, die auch im Finanzplan abgebildet ist: Wir als Koalition aus CDU, CSU und SPD stärken die Schiene.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Wolfgang Wiehle.

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Herr Minister, Sie haben vorhin das Stichwort „Investitionshochlauf“ genannt. Können Sie Zeitungsberichte dementieren, wonach Sie über das Haushaltsverfahren gezwungen werden sollen, im Haushalt 2020  1 Milliarde Euro von der Straße zur Schiene hinüber zu verlagern, es also keinen Investitionshochlauf überall, sondern nur im Gegeneinander der Verkehrsträger geben wird, obwohl der Stau auf den Autobahnen und Bundesstraßen immer länger wird und es, wie auch Sie dargestellt haben, bei Autobahnen und Bundesstraßen einen Mehrbedarf in Höhe von 1 Milliarde Euro gibt? Am Ende würden also 2 Milliarden fehlen.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Diesen Bericht kann ich dementieren; da wurden irgendwie Äpfel mit Birnen verwechselt. Klar ist, dass wir im Haushaltsverfahren – ich habe ja gerade positive Themen aus dem Bereich Schiene genannt – noch über die Straße reden müssen; denn es gibt auch dort erhebliche Baukostensteigerungen. Es gibt jetzt nicht nur einen Investitionshochlauf – der ist erfreulich –, einen gigantischen Mittelabfluss und eine Vollauslastung unserer Firmen, sondern auch eine ganze Liste von bald baureifen Projekten, über die wir dann reden müssen. Das wird in den nächsten Wochen und Monaten die Diskussion sein. – Aber die von Ihnen zitierte Darstellung ist falsch.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu einer Nachfrage.

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Das heißt, Sie streiten weiterhin dafür, dass es im Bereich der Infrastrukturinvestitionen einen Investitionshochlauf sowohl für Straße als auch Schiene gibt, und gegen ein Verständnis einer Verkehrswende, die sich gegen das Automobil richtet?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege, haben Sie mich noch nie als Kämpfer erlebt? ({0}) Oder wie haben Sie mich das letzte Jahr erlebt? Ich kämpfe für eine gute Bundesinfrastruktur, sodass die Bürgerinnen und Bürger sowie die Steuerzahlerinnern und Steuerzahler auch gute Voraussetzungen für Mobilität vorfinden. Deswegen werde ich um alle Mittel kämpfen, auch um zusätzliche, dies aber in der Verantwortung einer Haushaltsaufstellung, die nicht nur mein Ressort, sondern alle Ressorts der Bundesregierung betrifft. In Zeiten, in denen viele schlechtere Rahmenbedingungen herbeireden oder sie irgendwann real werden – an dieser Diskussion möchte ich mich nicht beteiligen –, müssen wir auf jeden Fall schauen, dass die Investitionsquoten hoch bleiben und die Auslastung unserer Firmen gut bleibt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir müssen jetzt erst mal klären, wer von den mir gemeldeten Fragenden eine Nachfrage zu dieser Frage hatte bzw. eine Frage angemeldet hat. Nach dem, was mir hier übergeben wurde, wäre der Kollege Oßner der Nächste. – Gibt es zu dieser Frage noch Nachfragen? ({0}) – Eine. Somit noch einen kleinen Moment, Herr Oßner. Das ist aber auch die einzige und letzte Nachfrage, die ich zulasse, Herr Gelbhaar. Damit rutschen Sie auf der anderen Liste jetzt ganz nach hinten; das sage ich Ihnen gleich. Mit der anderen Frage kommen Sie nicht mehr dran, sondern Herr Oßner ist dann der Nächste. – Gut, Sie setzen Prioritäten.

Stefan Gelbhaar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004726, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Angesichts der fortgeschrittenen Zeit setze ich diese Priorität, ganz genau. – Herr Scheuer, ich habe gerade Ihre Antwort vernommen und höre, dass Sie die Schiene fördern wollen, dass Sie die Straße fördern wollen. Eigentlich haben Sie jedem hier das erzählt, was er gerade so hören wollte, vom Wahlkreis bis in die allgemeine Politik. Die Bundesregierung hat ja ein Ziel verbindlich unterschrieben. Ich komme somit auf das Pariser Klimaschutzabkommen zu sprechen; darin sind ja für 2030 Klimaschutzziele verankert. Deswegen meine Frage: Wann kommt denn der Part, der uns als Grüne interessiert, nämlich die konkreten Klimaschutzmaßnahmen, die Sie schuldig sind, gerade vor dem Hintergrund, dass insbesondere Ihre Fraktion den Gesetzentwurf aus dem Umweltministerium massiv kritisiert und sagt: Das passt alles nicht; das wollen wir nicht. – Wann kommen Ihre konkreten Maßnahmen, sei es aus dem Klimakabinett oder von wo auch immer?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege, ich habe nicht jedem alles versprochen, sondern schaue einfach in die Eckdaten meines Haushaltes, und der wächst auf; das wurde heute in den Eckwerten so beschlossen. Ich habe aber dazugesagt, dass an dieser Stelle noch über verschiedene Maßnahmen zu reden ist, die prioritär die Abgeordneten im Haushaltsausschuss und im Verkehrsausschuss wollen, dass darüber zu reden ist, wo wir noch zulegen und was wir besser abbilden können. Um diese Diskussion geht es wie in jedem Haushaltsjahr; das ist ein völlig normales Verfahren. Wir haben einfach ein Rekordniveau der Investitionen im Verkehrsbereich. Wenn Sie an der Regierung beteiligt wären, wäre das wahrscheinlich anders; auch das muss man dazusagen. ({0}) Zu Ihrer Frage, wann wir über verschiedene Maßnahmen für den Klimaschutz reden: Wir reden jeden Tag darüber. Im Hintergrund steht aber, dass wir vereinbart haben, dass verschiedene Gremien diesen Prozess kanalisieren, ob das das Klimakabinett ist oder auch die Nationale Plattform „Zukunft der Mobilität“, an der mehrere Ministerien beteiligt sind – nicht nur meines, sondern auch Umweltministerium, Wirtschaftsministerium, Arbeitsministerium und Finanzministerium. Ziel ist, dass Experten ganz konkrete Maßnahmen erarbeiten, mit denen wir, beispielsweise in meinem Bereich, die Einsparungen, die ja bereits fixiert sind, erreichen können. Dazu kann ich Ihnen jetzt nichts sagen; denn morgen tagt dazu auch wieder eine Arbeitsgruppe. Parallel dazu wurde von Mitgliedern dieser Arbeitsgruppe zu einer Demo aufgerufen. Das ist eine bemerkenswerte Herangehensweise. Jedenfalls sind auch Sie herzlich eingeladen, bei diesem Diskussionsprozess mitzuarbeiten; ich glaube aber, wir täten uns recht schwer, Ihre Pläne und meine Pläne zu vereinbaren. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Hochspannend, Herr Minister, sowohl der Bericht über die Demos und als auch über das Zusammenspiel mit den Arbeitsgruppen. Ich bitte trotzdem, auf die Zeit zu achten.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Präsidentin, bei meiner vorhergehenden Frage war ich 42 Sekunden vor der Zeit.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wunderbar. – Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Florian Oßner.

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank für das Wort. – Lieber Herr Bundesminister, lieber Andi Scheuer! Ich möchte heute gerne auch den Bereich Spedition und Logistik anreißen, weil dieser Bereich, wie ich denke, ein entscheidender Faktor für die Prosperität in unserem Land ist. Ich möchte da ein herzliches Dankeschön sagen, dass große Anstrengungen gerade im Bereich der kombinierten Verkehre unternommen wurden. Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundesregierung auch in Zukunft sicherstellen, dass Deutschland den Titel als Logistikweltmeister weiterhin erfolgreich verteidigen kann, und wie trägt die Digitalisierung unserer Logistikbranche dazu bei, dass man das Ganze cleverer, moderner und klimafreundlicher gestalten kann?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Danke schön für die Frage. – Herr Kollege, wir hatten in Frankfurt unlängst die nationale Konferenz Güterverkehr und Logistik. Ich war begeistert von den verschiedenen neuen Ideen und auch davon, dass die Unternehmer nicht lauthals über neue digitale Lösungen reden, sondern sie einfach umsetzen. Wir sind, was Güter betrifft, nicht nur Exportweltmeister, sondern auch Logistikweltmeister. Das gibt mir Hoffnung, dass nicht nur die Hardware, mit der wir es tagtäglich in unserer Infrastruktur zu tun haben – und damit meine ich nicht nur die Straße –, sondern auch die Software und die vielen Menschen, die in der Logistik arbeiten, die Maschine Deutschland am Laufen halten. Wir schauen immer auf die Automobilindustrie – ja, das ist die Leitindustrie –, wir müssen aber im gleichen Atemzug auf die Bereiche Maschinenbau und Logistik schauen; denn dort werden in vielen Berufsfeldern viele junge Menschen neu ausgebildet. Hier besteht Fachkräftebedarf. Das heißt, dass wir mit den neuen digitalen Möglichkeiten in eine neue Zeit gehen, in der Deutschland Know-how exportieren kann, und zwar nicht nur, was die Güter betrifft, sondern auch, was die Leistungen betrifft. Damit haben wir wieder den Fuß in der Tür für die nächsten wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten. Das möchten wir gerne durch umfassende Förderung, durch Arbeit in Gremien, aber auch durch umfangreiches wissenschaftliches Arbeiten unterstützen. Hier ist die Logistikbranche über die Verkehrsträger hinweg in Deutschland äußerst gut aufgestellt. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben keine Nachfrage? – Dann stellt gleich der Kollege Luksic eine Nachfrage. Ich bitte alle Fraktionen, mir zu signalisieren, wer von den gemeldeten Fragestellern zu anderen Fragen – jeweils eine noch; ich rede jetzt nicht von den Nachfragen – in der Verlängerung drankommen soll. So nutze ich die Verlängerung maximal aus; danach gehen wir dann aber zur Fragestunde über. – So, Kollege Luksic ist zunächst einmal der nächste Nachfragende.

Oliver Luksic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004102, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Scheuer, ich teile die Ausführungen zum Logistiksektor. Aber es droht uns zum Ende des Monats aufgrund des Brexits ein Logistikchaos, das die Flughäfen, die Häfen und auch die Speditionen massiv betreffen wird. Es werden pro Jahr 190 000 Fahrten nach Großbritannien durchgeführt. Meine Frage ist, welche Vorkehrungen das BMVI diesbezüglich getroffen hat. Es wurde eine ganze Reihe von Punkten angesprochen, die den Logistiksektor betreffen: Kabotagefahrten, die Frage, wie sich der Zoll vorbereitet. Andere Länder haben Notfallpläne, beispielsweise Frankreich. Mir scheint, dass der Vorbereitungsstand im BMVI noch nicht so weit ist, aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Ich bin der festen Überzeugung: Man muss sich hervorragend vorbereiten, um zu vermeiden, dass an den Grenzen riesige Staus und Chaos entstehen, falls der Brexit nicht verhindert werden kann.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Kollege Luksic, die Bundesministerien haben natürlich ein Szenario für den Worst Case durchgerechnet. Damit befasst sich nicht allein das BMVI, sondern damit befassen sich, wenn ich an den Zoll und die Grenz­abwicklung denke, auch andere Ministerien. Wir haben sehr frühzeitig durch Rechtsanpassungen, durch Verordnungsanpassungen aber auch dadurch, dass wir, was die Luftfahrt betrifft, mit den britischen Behörden Kontakt aufgenommen haben, entsprechende Vorkehrungen getroffen. Wir sprechen – das muss ich noch einmal betonen – über den Worst Case. Wir müssen uns allerdings, wie Sie zu Recht bemerken, auf diesen einstellen, vor allem, was den Lkw-Verkehr und die Luftfahrt betrifft. Was das angeht, stehen wir also auf der Arbeitsebene in einem sehr intensiven Kontakt mit der britischen Seite. Dazu gibt es auch verschiedene Ausarbeitungen, die wir in der Bundesregierung, im Bundeskabinett mehrfach angesprochen haben. Seit Monaten arbeiten wir intensiv daran. Also, Ihre Rückmeldung aus Frankreich ist okay, aber wir arbeiten auch.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie hatten Ihre Frage als Nachfrage angemeldet, Herr Luksic. Da geht eine weitere Nachfrage nicht. ({0}) Ich rufe jetzt auf: Stefan Schwartze.

Stefan Schwartze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004150, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es geht noch einmal um die in dieser Woche verkündete Absicht, eine Neubaustrecke Bielefeld–Hannover zu bauen. Dazu gibt es ja inzwischen eine ganz lange Geschichte: Im vorangegangenen Bundesverkehrswegeplan stand der Lückenschluss an der bestehenden Strecke. Dann kam der neue Bundesverkehrswegeplan, der als Lösung einen Tunnel an der Porta Westfalica durch den Jakobsberg vorsah. In dieser Woche haben wir erfahren, dass das Verkehrsministerium eine neue Trasse zwischen Bielefeld und Hannover plant, abgehend irgendwo hinter Bielefeld und dann die A 2 begleitend. – Dazu erst einmal die klare Frage: Welche dieser Trassen bevorzugen Sie denn jetzt? Sie haben angekündigt, im nächsten Jahr in ein Bürgerdialogverfahren einzusteigen. Gibt es dazu schon konkrete Planungen? Und: Die jetzt vorgesehene Trasse findet sich im Bundesverkehrswegeplan so nicht. Wie beabsichtigen Sie damit umzugehen?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Es ist so, wie es bei großen Schienenprojekten immer ist: Jeder wünscht erst einmal mehr und schnellere Verbindungen auf der Schiene. Wenn es dann konkret wird, kommen die Betroffenheiten. Das ist völlig klar; das ist auch kein Vorwurf. Wir prüfen, wie zuvor schon gesagt, alle Trassenvarianten, auch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit. Bürgerdialog 2020: Wir sind da noch in einem sehr frühen Stadium. Natürlich werden wir Sie als Abgeordnete, die Sie die Bürger, die an dieser Strecke leben, im Parlament vertreten, in diese Diskussion einbinden. Das betrifft nicht nur die Strecke Bielefeld–Hannover, sondern auch viele andere Strecken in Deutschland.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben die Möglichkeit zu einer Nachfrage.

Stefan Schwartze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004150, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. – Wir haben das in dieser Woche über die Presse erfahren. Es wäre schön, wenn wir zügig einbezogen und über die Verfahrensstände informiert würden. Ich frage jetzt explizit noch einmal nach der Variante „Tunnel durch den Jakobsberg“: Ist die vom Tisch, oder wird die weiter geprüft?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Mein Bahnbeauftragter raunzt mir gerade zu: Wird weiter geprüft. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Mir sind noch zwei Fragestellerinnen gemeldet. Die rufe ich beide noch auf. Dann ist die Verlängerung beendet. – Die erste Frage stellt Daniela Wagner.

Daniela Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004184, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, auch Sie wissen, dass der CO 2 -Ausstoß im Bereich Luftverkehr überproportional zunimmt. Deswegen möchte ich von Ihnen gerne wissen, welches Reduktionsziel Sie für diesen Verkehrsbereich vorgesehen haben und, falls Sie eins haben, wie dieses Reduktionsziel aussieht bzw., falls Sie kein Reduktionsziel nennen können, ob Sie sich schon überlegt haben, welcher andere Verkehrssektor das Mehraufkommen an CO 2 -Emissionen im Luftverkehr ausgleichen soll, also verpflichtet werden soll, das durch überproportionale Reduktionen aufzufangen?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin, gerade beim Luftverkehr sind wir in einer sehr, sehr interessanten Zeit, was die Innovationen betrifft. Wir nutzen schon jetzt synthetische Kraftstoffe am Flughafen Leipzig. Wir haben neue Triebwerkstechnologien, die nicht nur den Lärm reduzieren, sondern auch die Verbräuche und die Schadstoffbelastung. Wir haben die ganze Diskussion über die Mobilität der Zukunft in der Luft. Das heißt, da wird einiges an Neuerungen kommen. Ich werde mich, was meine Ideen oder die Ideen der Experten betrifft, jetzt nicht auf Ziele eingrenzen lassen, sondern ich möchte, gerade was die deutschen Ingenieure bei den verschiedenen Einrichtungen betrifft, dass die Ideen zum Tragen kommen. Wenn ich beispielsweise in Oberpfaffenhofen bin, dann freut es mich, zu sehen, dass junge Ingenieure neue Dinge entwickeln, die für die Mobilität über alle Verkehrsträger hinweg – also auch für den Verkehrsträger Luft – für uns sehr interessant sind. Für ein spezifisches Reduktionsziel für den Luftverkehr ist es aus meiner Sicht viel zu früh.

Daniela Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004184, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Eine kurze Nachfrage. Sie haben ja oft geäußert, dass Sie sich stark für die klimafreundliche Option einsetzen, dass Kurzstreckenreisen, also Reisen unter 1 000 Kilometern, auf die Bahn verlagert werden. Ich wollte Sie fragen, ob Sie schon konkrete Ziele haben, ob Sie glauben, dass der Investitionsaufwuchs bei der Bahn ausreicht und welche Strecken gegebenenfalls absehbar ersetzbar wären, die man also nicht mehr fliegen müsste, sondern mit vergleichbarem Zeiteinsatz gut mit der Bahn fahren könnte.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin, ich bin begeistert von dieser Frage. ({0}) Denn wir machen nichts anderes. Wir haben gerade die Diskussion über die Strecke Bielefeld–Hannover gehabt. Das wäre so ein Potenzial. Wir ertüchtigen das Thema Rhein-Ruhr. Wir haben jetzt die Elektrifizierung zwischen Zürich und München. Wir haben auf der Strecke Berlin–München ein Verlagerungspotenzial vom Luftverkehr zur Schiene von 30 Prozent. Daher freut es mich, wenn Ihre Partei und Ihre Fraktion auch alle großen Schienenbauprojekte mit Inbrunst und hohem Engagement unterstützen und auf der Seite der Planer stehen und nicht auf der anderen Seite.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Frage in dieser den Minister begeisternden Regierungsbefragung stellt der Abgeordnete Schäffler.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Vielen Dank für diese 75 Minuten, Frau Präsidentin! Vielen Dank!

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ein anderes Thema: Der derzeitige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Jörg Kukies war vor seiner Tätigkeit Chef von Goldman Sachs in Deutschland, und Goldman Sachs hat 2017 die Commerzbank hinsichtlich Fusionen und Übernahmen beraten. 2018 wechselte Jörg Kukies als Staatssekretär ins Finanzministerium. Dort begleitet er die Fusion von Commerzbank und Deutscher Bank. Meine Frage an Sie: Hat Herr Kukies im Zuge seiner vorherigen Tätigkeit bei Goldman Sachs die Deutsche Bank bzw. die Commerzbank hinsichtlich der Fusion oder Übernahme beraten? Wie oft hat sich Herr Kukies in seiner bisherigen Zeit als Staatssekretär mit der Commerzbank bzw. der Deutschen Bank getroffen, um über eine Fusion der beiden Institutionen zu beraten? Und um das abzuschließen: Wie kann die Bundesregierung einen Interessenkonflikt von Herrn Kukies ausschließen?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Ich habe mich über diese 75 Minuten wahrscheinlich zu früh gefreut. ({0}) Danke für die Fragestellung, Herr Kollege. Die Antwort auf Ihre Fragen entzieht sich meiner Kenntnis. Wir haben im Bundeskabinett auch nicht darüber geredet. Ich bitte, diese Fragen schriftlich beim zuständigen Finanzministerium einzureichen. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die Frage ist, ob jemand antworten kann. – Bitte.

Bettina Hagedorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003545

Sie können die Frage, weil sie sehr umfangreich ist und ich sehr detailliert antworten soll, natürlich gerne ergänzend schriftlich einreichen. Aber Folgendes kann ich an dieser Stelle schon mal klarstellen: Zunächst einmal begleiten – so haben Sie sich ausgedrückt – weder das Finanzministerium noch Staatssekretär Kukies die Gespräche, die im Moment zwischen zwei deutschen privaten Banken begonnen worden sind, welche die Öffentlichkeit darüber informiert haben, wie es in Deutschland gesetzlich geregelt ist. Das Finanzministerium und die Bundesregierung insgesamt verhalten sich zurzeit zu dieser Situation nicht. Dazu haben wir auch keine Veranlassung; denn es sind ja zwei private Banken, wie Sie selbstverständlich wissen, die jetzt erst einmal die verabredeten Gespräche führen und die Fragen, die zwischen ihnen zu klären sind, behandeln wollen und zu gegebener Zeit vermutlich an die Bundesregierung herantreten werden. Wir werden uns dann eine Meinung bilden, wenn wir uns vor dem Hintergrund dazu verhalten müssen. Die andere wichtige Frage war ja, ob Herr Staatssekretär Kukies aus seiner vorherigen Verwendung, bevor er Staatssekretär wurde, irgendetwas mit der Vorbereitung dieses Vorgangs zu tun hatte – so habe ich Sie verstanden. Dazu kann ich Ihnen sagen: Wir haben schon geahnt, dass Sie das fragen würden, und haben das darum geklärt. Es ist absolut ausgeschlossen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank. – Sie haben die Möglichkeit einer Nachfrage.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank für die Antwort. – Jetzt hat die Äußerung sowohl von Herrn Kukies als auch vom Minister selbst durchaus Auswirkungen auf den Kurs der Commerzbank gehabt; er ist in der letzten Woche um rund 12 Prozent gestiegen. Hat sich eigentlich die BaFin mit der Frage beschäftigt, inwieweit diese Äußerungen auch beeinflussende Wirkungen auf den Kurs haben? Und was hat die BaFin diesbezüglich unternommen? ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Möchten Sie antworten?

Bettina Hagedorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003545

Es entzieht sich meiner Kenntnis, von welchen Äußerungen Sie sprechen; denn weder der Finanzminister noch Jörg Kukies haben sich zu diesem Vorgang geäußert. Es ist aber richtig, dass Abgeordnete – insbesondere Ihrer Fraktion – diesen Zusammenhang öffentlich hergestellt haben. Namentlich sind schon vor mehreren Wochen umfangreiche Fragen an das Finanzministerium gerichtet worden, zu denen wir detailliert berichten mussten und auch berichtet haben, wann unser Finanzminister und wann Jörg Kukies mit welchen Vertretern welcher Banken an welchem Tag im Rahmen welcher Gespräche jemals Kontakt hatten. All diese Fragen haben wir Ihnen beantwortet. Es ist aber schon sehr ungewöhnlich, dass solche Fragen überhaupt in diesem Umfang gestellt wurden. Dahinter ist sicherlich die Strategie zu erkennen, dass Sie genau diese Verbindung herstellen wollten, die jetzt auch hergestellt worden ist. Aber ich verneine für das Finanzministerium, dass Olaf Scholz oder Jörg Kukies oder irgendjemand anders aus unserem Haus sich so zu diesen Vorgängen geäußert hat, wie Sie das hier dargestellt haben. Und selbstverständlich ist es auch eine pure Spekulation Ihrerseits, dass Kursveränderungen irgendetwas damit zu tun haben könnten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin Hagedorn. Herzlichen Dank, Herr Minister. – Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Wir sind damit zielgenau bei der 15-Minuten-Verlängerung angelangt. Das heißt, wir werden die folgende Fragestunde entsprechend verkürzen.

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Laut dem Internationalen Währungsfonds ist die Deutsche Bank die gefährlichste Bank der Welt. Sie ist zu groß und zu vernetzt, um sie kontrolliert abzuwickeln, und würde bei einer Pleite das Finanzsystem in den Abgrund ziehen. Sie ist ein Sicherheitsrisiko für Wirtschaft und Steuerzahler. ({0}) Die Bundeskanzlerin versprach nach der letzten Finanzkrise, nie wieder müssten die Steuerzahler eine Bank retten. Wer das ernst meint, muss die Deutsche Bank aufspalten, um das kaputte Investmentbanking kontrolliert abzuwickeln. ({1}) Stattdessen verhandelt die Deutsche Bank unter dem Druck des Finanzministers mit der Commerzbank über eine Fusion. ({2}) Aber aus zwei kranken Truthähnen wird kein Adler. Eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank ist eine gefährliche Idee. Das ist, wie in einem Raum mit Grippepatienten die Klimaanlage anzustellen. Der Finanzminister verkauft uns das als nationalen Champion. Wenn so etwas ein Champion ist, will ich nicht wissen, wie ein Loser aussieht. ({3}) Ein Champion ist die Deutsche Bank bei Geldwäsche, Beihilfe zu Steuerhinterziehung und toxischen Derivaten, die der US-Investor Warren Buffett einmal finanzielle Massenvernichtungswaffen nannte. Der Finanzminister tut so, als habe er mit der Fusion nichts zu tun. Aber: Niemand wollte die Fusion. Die Deutsche Bank nicht, auch nicht die Commerzbank. Die deutsche Wirtschaft wollte sie nicht und auch die Gewerkschaften im Aufsichtsrat wollen sie nicht, da sie um bis zu 30 000 Arbeitsplätze fürchten. Selbst die Wirtschaftsweisen lehnen eine Fusion ausnahmsweise einstimmig ab. Der Chef der Europäischen Bankenaufsicht Andre Enria warnt davor; und das Kartellamt spricht von einem Systemrisiko. Die Einzigen, die Deutsche Bank und Commerzbank in eine Fusion quatschten, waren Finanzminister Olaf Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies. ({4}) Sie haben sich wie Kuppler bei einer Zwangsehe aufgeführt. Braut und Bräutigam wissen: Wenn die Fusion platzt, will sie keiner mehr haben! Sie sagen, das sei eine rein private Entscheidung der Banken; sie würden den Prozess nur fair begleiten. Mich erinnert das eher an Marlon Brando in „Der Pate“: Ich mache euch ein Angebot, das ihr nicht ablehnen könnt! ({5}) Der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing, sagte, er habe Druck vonseiten der Politik gespürt. Der „Spiegel“ schreibt – ich zitiere –: „Die Dilettanten aus dem Finanzministerium“ – Scholz und Kukies haben es verbockt. Die Scherben wegfegen müssen andere. Denn wer glaubt, dass eine Fusion im Abschwung die Probleme dieser Banken löst, wenn sie es alleine bei guter Konjunktur nicht geschafft haben, der irrt. Der Finanzminister nennt keine Gründe, warum die deutsche Wirtschaft eine Mega-Bad-Bank braucht. Sie konnten in einer Antwort auf unsere Kleine Anfrage nicht einmal sagen, was ein Banken-Champion ist. Auch das Argument der Abwehr einer ausländischen Übernahme überzeugt nicht. Dagegen gibt es andere Instrumente, etwa die Überführung der Commerzbank in eine Stiftung oder die Ausweitung der Mitbestimmung. Die Commerzbank ist bis heute krank, weil sie die Dresdner Bank nie richtig verdaut hatte, mit der damals nur die Allianz-Versicherung gerettet wurde. In der Finanzkrise rettete die GroKo die Commerzbank mit Steuergeldern zum Sechsfachen des damaligen Börsenwertes, griff aber nicht in die Geschäftspolitik ein. ({6}) Würde die Deutsche Bank die Commerzbank kaufen, machte sie wegen der schwachen Bewertung der Commerzbank-Aktien fette Bilanzgewinne. Man nennt das Badwill. Uns gehören aber noch 15 Prozent der Anteile der Commerzbank. Dies hieße: Die Deutsche Bank macht Gewinne, und unsere Aktien werden verramscht, also alles so wie immer. Es ist wie bei „Bad Banks“: Den Auftrag, die Fusion für die Commerzbank zu begleiten, bekamen die Ex-Geschäftspartner von Staatssekretär Jörg Kukies von Goldman Sachs. Da rollt der Rubel. Sie nehmen das Wort „Regierungeschäfte“ offenbar allzu wörtlich. ({7}) Auch das Argument, dass Herr Kukies bei Goldman Sachs nur im Trading gewesen sei, überzeugt nicht. Er war Deutschlandchef und Partner von Goldman Sachs. Sie müssen hier Klarheit schaffen, wie es zu diesem Auftrag kam, und jeden Interessenkonflikt beseitigen. Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt den Escortservice des Finanzministeriums für eine Mega-Bad-Bank ab, die Linke auch! Die Bundesregierung muss endlich sagen, wo sie steht. Vielen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Sepp Müller für die CDU/CSU-Fraktion.

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Staatswirtschaft ist Gott sei Dank vorbei. Seit dem Wochenende wissen wir, dass zwei privatwirtschaftlich organisierte Banken in diesem Land Fusionsgespräche miteinander führen. Das wissen wir genau wie Sie, lieber Herr Kollege, aus der Presse, werden das natürlich auch zur Kenntnis nehmen und die privatwirtschaftlichen Entscheidungen dann akzeptieren. Wir kommen ins Spiel, weil die knapp 15 Prozent – ein wenig mehr ist es – bei der Commerzbank deutsche Staatsbeteiligungen sind. Da müssen wir uns eine Meinung bilden, eine Meinung darüber, wie das betriebswirtschaftlich zukünftig besser werden soll, und eine Meinung darüber, was für volkswirtschaftliche Konsequenzen es hat, wenn diese Banken in Deutschland zusammengehen. Im Vorfeld ein Votum seitens der Politik zu erwarten, ist aber nicht nur obsolet, sondern auch nicht redlich, weil wir Gott sei Dank in einer sozialen Marktwirtschaft leben und nicht in einer Staatswirtschaft, lieber Kollege von den Linken. Deswegen gehört es zur Ehrlichkeit dazu, dass hier Vorstände und Aufsichtsräte das Mandat haben, miteinander zu verhandeln, und den Weg dahin können wir Politiker der Presse entnehmen. Wenn wir dann in circa drei Wochen die Ergebnisse beurteilen, ist es genau der richtige Zeitpunkt, sich hier im Parlament darüber zu unterhalten, ob der Weg der richtige ist. ({0}) Wieso wollen Sie sich an so prominenter Stelle über diese zwei Banken unterhalten, aber nicht über das Thema, wie wir den deutschen und den europäischen Bankenmarkt wieder sicher bekommen? Da freue ich mich, dass unsere Parteivorsitzende Annegret Kramp-­Karrenbauer den Binnenmarkt für die Banken in Europa ins Spiel gebracht hat. Wir haben in Europa 28 unterschiedliche Regulierungssysteme. Obwohl wir einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus auf den Weg gebracht haben, obwohl wir einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus auf den Weg gebracht haben, gelingt es uns nicht, dass wie die Unternehmen, die innerhalb von Europa alle frei finanzieren und investieren können, auch eine Deutsche Bank einfach in Italien oder Estland ein Institut aufmachen und dort die deutschen Unternehmer finanzieren kann. Deswegen ist es richtig, dass wir, um die Probleme im Bankenmarkt in Europa anzugehen, zukünftig einen einheitlichen Binnenmarkt für Banken in Europa schaffen. Es geht nicht nur um zwei private Banken. Es sind grundlegende Probleme, die wir im europäischen Bankenmarkt sehen. ({1}) Diese Probleme sind darin begründet, dass es Ertragsprobleme gibt. Wenn wir uns die zehn größten Banken in der Welt anschauen, sehen wir, dass an erster Stelle fünf chinesische Banken stehen. Dann zu meinen, wir würden, wenn wir uns über die Fusion von zwei Privatbanken unterhalten, das Weltsystem ändern, ist nicht nur kleinkariertes Denken, sondern geht an der Realität vorbei. Die größte chinesische Bank könnte sich beide deutschen Banken aus der Portokasse einverleiben. Unser Interesse muss sein, dass der Binnenmarkt in Europa und dass der Kapitalmarkt stark genug ist, europäische und deutsche Unternehmen weltweit zu finanzieren. ({2}) Deswegen brauchen wir einen einheitlichen Binnenmarkt für Banken in Europa. ({3}) Da Sie hier schon wieder Mauern aufbauen, Gedankenspiele einbringen und die Staatskeule rausholen, sage ich Ihnen, liebe Kollegen von den Linken: Das machen wir nicht mit! Wir haben privatwirtschaftlich organisierte Einheiten. Diese privatwirtschaftlich organisierten Banken, Deutsche Bank und Commerzbank, werden besser wissen, ob sie zusammengehen. Die brauchen keinen Rat vom Bundesfinanzminister oder von der Bundeskanzlerin, sondern sind selbst erfahren genug – zum einen mit der Postbank, zum anderen mit der Dresdner Bank –, zu entscheiden, ob sie eine Hochzeit eingehen wollen oder nicht. ({4}) Dieses Know-how sollten wir nutzen, um am Ende des Prozesses – am Ende des Prozesses! – zu entscheiden, wie wir als deutscher Staat mit den 15 Prozent Staatsbeteiligung umgehen. Noch einmal klipp und klar: Das Problem liegt nicht bei zwei Banken. Das Problem liegt in der Ertragsschwäche innerhalb Europas. Darauf hat unsere Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer eine ordentliche Antwort gegeben: einen einheitlichen Binnenmarkt für europäische Banken ({5}) wie den einheitlichen Binnenmarkt für die Unternehmen. Das wollen wir befördern, damit die Ertragsprobleme nicht nur im Bankensystem, sondern bei den Kreditinstituten generell aufhören. Herzlichen Dank. ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Sepp Müller. – Einen schönen guten Tag von mir, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der nächste Redner ist für die AfD-Fraktion Peter Boehringer. ({0})

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Einiges wurde schon gesagt, und einiges ist auch richtig. Ja, hier droht wieder einmal eine Verletzung der seit 2010 doch angeblich eisern einzuhaltenden ordnungspolitischen Grundsätze „Nie wieder Rettungen von Banken mit Steuergeld!“ und „Nie wieder Banken, die „too big to fail“ sind!“. Ja, es geht um bis zu 30 000 Arbeitsplätze. Und doch mauert die Bundesregierung und eben auch der Fraktionsvertreter der Union mit Informationen, obwohl an den Börsen und überall in den Medien völlig klar ist, dass das Finanzministerium aktiver Treiber der Fusionsgespräche ist. Im Haushaltsausschuss hat Minister Scholz heute ernsthaft behauptet, man sehe die Commerzbank nur als Finanzanlage – das ist lächerlich – und man verfolge diesen Prozess in den Medien, und dies, obwohl die Spatzen das Gegenteil von den Dächern pfeifen. Nur zwei Medienzitate: Scholz macht Druck. Staatssekretär Kukies treibt Fusion voran. – Sogar offiziell bestätigt hat es 23 Treffen der betroffenen Banken mit dem BMF gegeben. Das Thema schreit nach Behandlung im Bundestag. Immerhin ist die Commerzbank bereits teilverstaatlicht mit dem Ankeraktionär Bund. Ich konzentriere mich nun aber auf die in den Medien noch zu wenig angesprochenen, meiner Meinung aber entscheidenden Punkte. Erstens. Die wahre Ursache für diese Gespräche und der rosarote Elefant im Raum, den keiner sehen will, ist der von der EZB manipulativ bis nahe null gedrückte EU-ropäische Leitzins. ({0}) Dieser Nullzins verursacht erst das Ertragsproblem bei den Banken. Gerade wurde bekannt gegeben, dass die Banken für 2019 ein Ertragsminus bei den Zinserlösen von 13 Prozent gegenüber 2018 erwarten. Diese Erlöse tragen über 70 Prozent zum Gewinn der Banken bei. Eine Bank kann in diesem Umfeld nichts mehr verdienen. Eine Fusion kann an diesen EU-gemachten Problemen überhaupt nichts ändern. Zweitens. Hier droht eine Teilverstaatlichung der Deutschen Bank durch die Hintertür, sogar durch eine doppelte Hintertür: Zum einen wird hier indirekt und unauffällig durch die Fusion mit der bereits staatlichen Commerzbank eine Liquiditäts- und letztlich auch Haftungs- und Rettungsleine zur Deutschen Bank geworfen. Zum anderen soll der Bundesanteil an den Banken künftig über die KfW gehalten werden – und so zunächst am deutschen Staatshaushalt und an der parlamentarischen Kontrolle vorbei. Das ist eine Parallele zur Euro-Dauerrettung, wo genau das gleiche Prinzip immer wieder greift: Über Sondervehikel wird Geld ausgereicht, immer wieder faktisch mit deutscher Bonität garantiert. Und weil die KfW eine der ganz wenigen Banken in Deutschland ist, die wirklich noch viel Geld und durch die Haftung des deutschen Steuerbürgers ein AAA-Rating hat, soll sie nun einspringen. Damit sind künftige Kapitalerhöhungen der neuen Großbank schon gesichert. Die kommen so sicher wie das nächste Euro-Rettungspaket der EZB, und das wird ebenso milliardenschwer sein. ({1}) Ich kann das heute noch nicht beweisen, aber wir werden uns hier wieder sprechen. Bei den folgenden sehr berechtigten Fragen darf das BMF nicht länger mauern – sie berühren nicht die Verhandlungspositionen der betroffenen Banken, und sie lösen auch keine Ad-hoc-Mitteilungspflichten aus, um das Argument, das vermutlich kommt, Frau Staatssekretärin, gleich vorwegzunehmen –: Erstens: Soll staatliches Geld neu in die Hand genommen werden? Wir müssen diese Frage stellen dürfen, und wir vermuten sehr stark, ja. Der Bund muss voraussichtlich alle Risiken dieser Fusion mit Milliarden an Steuergeld absichern. Was bei der Euro-Dauerrettung seit Jahren mit deutscher Bonität funktioniert, soll auch hier der Königsweg werden. Anders geht es gar nicht. Die Kapitalmärkte erkennen diese implizite Staatsgarantie. Sie wissen das; jeder an der Börse weiß es. Doch der deutsche Steuerzahler wird nicht informiert, und hier wurde das Offensichtliche eben wieder geleugnet. Zweitens: Warum soll ein teilverstaatlichter Champion besser wirtschaften? Das ging bislang immer schief. Ich verweise auf die französischen Erfahrungen der 1980er-Jahre und natürlich auf die unsäglich vielen Desaster bei den Landesbanken. Gerade das BMF mit Minister Scholz an der Spitze sollte eigentlich wissen – HSH Nordbank mit einem Steuerdesaster von 14 Milliarden Euro –, wie Staatsinterventionismus im Bankensektor funktioniert, nämlich gar nicht. Das geht immer schief. Herr Müller – Sie waren mein Vorredner eben –, es ist nicht vorbei, es fängt gerade erst an. Das ist Staats­interventionismus pur. Wir werden ihn erleben. ({2}) Diese Fusion wird zu komplex, zu intransparent und zu teuer. Das sehen sogar die Kollegen in Ihren eigenen Reihen so: Herr Michelbach, Herr Rehberg und Herr Jäger von der Union sind skeptisch, und auch der Obmann der SPD im Finanzausschuss, Kollege Binding, hat sich skeptisch geäußert. ({3}) – Ich habe nur „skeptisch“ gesagt. Was Sie wirklich sagen, Herr Michelbach, weiß ich natürlich nicht. Aber skeptisch haben Sie sich geäußert, und das haben auch einige andere Kollegen getan. Zuletzt noch das „ceterum censeo“ – nicht ganz neu, aber es passt in diesem Kontext wieder gut –: Besetzen Sie endlich das schreiend unvollständig besetzte Banken-Finanzierungsgremium auch mit AfD-Vertretern! ({4}) Dort werden die relevanten Infos zu solchen Fusionen diskutiert und diesem Haus bekannt gegeben und zugänglich gemacht. Es ist ein demokratischer Skandal, dass die Kollegen Münz und Glaser noch immer nicht in dieses Gremium gewählt sind. ({5}) Wir geben Ihnen morgen noch eine Chance dazu. ({6}) Herzlichen Dank. ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Peter Boehringer. – Nächste Rednerin für die Bundesregierung: Christine Lambrecht. ({0})

Christine Lambrecht (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003167

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach zahlreichen Behauptungen, Vermutungen und Unterstellungen lassen Sie mich jetzt zu den Fakten zurückkommen. Fakt ist, dass die Entscheidung der Deutschen Bank und der Commerzbank, strategische Optionen zu prüfen und Gespräche über einen eventuellen Zusammenschluss zu führen, eine Entscheidung zweier privatwirtschaftlicher Unternehmen ist. Punkt! Die Unternehmen haben uns mitgeteilt, diese Gespräche auch ergebnisoffen zu führen. Die Bundesregierung nimmt das zur Kenntnis. Sie ist nicht Teil dieser Gespräche. Mehr ist aus Sicht der Bundesregierung über diesen konkreten Vorgang derzeit gar nicht zu sagen. Das steht auch voll und ganz im Einklang mit der Position, die der Bundesfinanzminister bisher vertreten hat. ({0}) Bundesminister Scholz hat zu keinem Zeitpunkt einen Zusammenschluss der beiden Institute gefordert. Sie werden dafür nirgends einen Beleg finden, ({1}) auch wenn Sie die zahlreichen Unterstellungen regelmäßig wiederholen. Sehr wohl hat sich Bundesminister Scholz aber zu allgemeinen Fragen der Herausforderung für den Bankensektor, der Bankenstrukturpolitik und auch der Finanzmarktstabilität geäußert. ({2}) Als Finanzminister ist das auch genau das, was von ihm erwartet wird. Das ist seine Aufgabe. Dass in diesem Zusammenhang zu solch komplexen Fragestellungen mit verschiedensten Gesprächspartnern Treffen stattfinden, ist, glaube ich, weder anrüchig noch in irgendeiner Weise verdächtig, sondern ist genau Sinn der Sache. Es ist die Aufgabe eines Finanzministers, sich um solche komplexen Zusammenhänge zu kümmern. Meine Damen und Herren, der Bankensektor befindet sich unter einem erheblichen Wettbewerbsdruck. Dahinter steht die weltweit zunehmende Globalisierung der Finanzmärkte. Dahinter stehen neue digitale Technologien und auch neue Geschäftsmodelle. Dahinter stehen auch neue Wettbewerber. Dazu gehören nicht nur kleine innovative Fintechs, sondern eben auch ganz große Digitalkonzerne wie Amazon, Google, Tencent und Alibaba aus China, die mit ihrer ganzen Markt- und Datenmacht ins Bankengeschäft drängen. Auch das andauernde Niedrigzinsumfeld macht es den Banken nicht leichter, mit klassischen Bankgeschäften gute Erträge zu erzielen. Deswegen müssen Banken auch innovativ und kreativ sein. Gerade die Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie Banking betrieben wird. Das hat schon in vielen Instituten zu Personalabbau geführt. Da war und ist es gut, dass wir in Deutschland starke Gewerkschaften haben, die die Interessen der Beschäftigten in jeder Situation wahrnehmen, bei großen börsennotierten Banken gerade auch durch die Parität im Aufsichtsrat, meine Damen und Herren. ({3}) In Europa kommt zu diesem Transformationsprozess im Bankensektor das gemeinsame Ziel, den Finanzbinnenmarkt weiter zu vertiefen. Der überwiegende Teil der Kreditvergabe in der Euro-Zone erfolgt national. In Deutschland beruht das – das ist ein positiver Aspekt – auf dem großen Vertrauen von Unternehmen in die Regionalbanken. Wenn wir aber auch grenzüberschreitende Aktivitäten stärken, stärkt das die europäischen Banken im internationalen Wettbewerb, verbessert das die Stabilität des europäischen Finanzsektors und schafft das bessere Finanzierungsmöglichkeiten für große europäische Unternehmen. Ein starker einheitlicher Finanzmarkt festigt die Unabhängigkeit von anderen Finanzzentren und schützt damit auch vor möglicher politischer Einflussnahme. Meine Damen und Herren, unsere offene, exportorientierte Volkswirtschaft in Deutschland braucht leistungsfähige und stabile Banken. Wir brauchen Banken, die die Expertise und die Kraft haben, unsere Unternehmen auch bei internationalen Aktivitäten zu begleiten. ({4}) Dafür müssen die Banken die Art und Weise verstehen, wie hier Wirtschaft betrieben wird. Dabei geht es gar nicht nur um große börsennotierte Konzerne, sondern teilweise auch um kleine und mittelständische Unternehmen, die als sogenannte Hidden Champions weltweit erfolgreich sind und die dafür auf passgenaue Bankdienstleistungen und ein enges Vertrauensverhältnis angewiesen sind. ({5}) Meine Damen und Herren, wir, die Bundesregierung und natürlich auch der Deutsche Bundestag, haben seit der Finanzkrise – die Finanzmarktstabilität steht damit natürlich im Zusammenhang – viel dafür getan, dass die Banken in Deutschland und in Europa krisenfest sind. Der Steuerzahler soll nicht noch einmal für Banken in Schieflagen haften müssen. Diese Aussage gilt! ({6}) Wir haben die Banken widerstandsfähiger gemacht – wodurch? – durch eine höhere Kapital- und Liquiditätsanforderung. Wir haben mit dem SSM, dem Single Supervisory Mechanism, eine europäische Aufsicht geschaffen, die unabhängig von möglicher staatlicher Voreingenommenheit agiert. Wir haben durch zusätzliche Bail-in-Puffer die Voraussetzung geschaffen, dass auch dann, wenn eine Bank in Schwierigkeiten gerät, auch eine große Bank, die Last nicht den Steuerzahler trifft. Und wir haben heute im Gegensatz zur Finanzkrise 2008 die notwendigen Verfahren und auch Institutionen für eine geordnete Sanierung und Abwicklung, bei der die Eigentümer und die Gläubiger die Verluste zu tragen haben. Das ist der wesentliche Unterschied zu der Situation in 2008. Wenn das alles ausnahmsweise nicht reichen sollte, verfügen wir mit dem Single Resolution Fund, den die Banken mit ihren Beiträgen füllen, über die notwendigen Finanzmittel. Das zeigt: Wir haben gehandelt. Wir haben aus dieser Krise gelernt. Im letzten Dezember haben wir beschlossen, dass der ESM künftig die Rolle des Backstop wahrnehmen soll. Deswegen sind wir heute in einer ganz anderen Situation. Das Thema „too big to fail“ spielt heute eine ganz andere Rolle, weil wir ganz andere Mechanismen haben, mit denen wir auf diese Situation eingehen können. Das sind die Perspektiven. Das ist auch der Kontext, in dem wir auf die Entwicklungen im Bankensektor schauen und in dem wir diese als BMF bewerten. Die Entscheidung der Deutschen Bank und der Commerzbank, strategische Optionen ergebnisoffen zu prüfen und über einen solchen Zusammenschluss zu reden, ist eine Entscheidung – ich wiederhole es an dieser Stelle ausdrücklich – zweier privatwirtschaftlicher Unternehmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Christine Lambrecht. – Nächster Redner: Dr. Florian Toncar für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Florian Toncar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Durchschnittsverdiener hat in Deutschland die höchste Abgabenbelastung aller Industrieländer, und der Bundesfinanzminister tut nichts dagegen. ({0}) Die niedrigen Zinsen gefährden die Altersvorsorge unserer Bürgerinnen und Bürger, und der Bundesfinanzminister tut nichts dagegen. ({1}) Das deutsche Steuerrecht ist maximal kompliziert, und der Bundesfinanzminister tut nichts dagegen. ({2}) In Europa werden noch Banken mit Steuergeld gerettet, und der Bundesfinanzminister tut nichts dagegen. ({3}) Was tut der Bundesfinanzminister? Er treibt Deutsche Bank und Commerzbank, zwei Privatunternehmen, in eine Fusion, an deren Sinn viele namhafte Beobachter erhebliche Zweifel haben. Noch nie hat ein Bundesfinanzminister so an seinen eigentlichen Aufgaben und auch an seinen Befugnissen vorbeiregiert wie Olaf Scholz, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Frau Staatssekretärin, ich darf Sie bitten! Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie bestreiten, dass es eine Einflussnahme des Ministers gab. Das steht in quasi jeder deutschen Zeitung. Wenn das regierungsamtlich die Bezichtigung der gesamten deutschen Wirtschaftspresse ist, dass sie lügt oder falsche Dinge berichtet hat, dann finde ich das sehr bemerkenswert. Ich glaube, Sie sollten eher auf der Basis dessen argumentieren, was hier passiert ist. Natürlich haben Herr Scholz und Herr Kukies in London vor Investoren dafür geworben, dass sie mitmachen. Das ist doch offenkundig und sollte in dieser Debatte nicht mehr in Zweifel gezogen werden. ({5}) Die Zweifel an der Fusion haben handfeste Gründe. Die Beispiele WestLB, IKB, HSH Nordbank und viele weitere zeigen doch eines: Wenn der Staat zum Banker wird, dann geht es häufig schlecht aus, gerade für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland. Wir brauchen auch nicht mehr Banken im Staatsbesitz. Wir brauchen weniger Banken im Staatsbesitz, damit der Staat sich auf seine Rolle als Aufpasser und Schiedsrichter konzentrieren und sie fair und neutral ausüben kann. ({6}) Ich frage Sie: Wie soll es gelingen, zwei Banken mit so unterschiedlichen Kulturen zu einem erfolgreichen Ganzen zu machen, wenn damit der Abbau von mehreren Zehntausend Stellen verbunden ist? Wie soll denn das gelingen? Kann es überhaupt gelingen, wenn das nicht von den Unternehmen selber kommt, sondern vom Staat angestoßen wird? Ich frage zweitens: Wie soll es gelingen, dass der Staat an einer fusionierten neuen Großbank beteiligt ist – das wäre er dann ja –, ohne dass der Steuerzahler irgendwann neues Geld auf den Tisch legen muss und ohne dass der Staat speziell diese Bank nachher gegenüber anderen Banken bevorzugt? Wie soll das gelingen? ({7}) Ich frage drittens: Wie soll es gelingen, aus dieser Bank das zu machen, was die deutsche Volkswirtschaft braucht? Das ist doch nicht ein nationaler Champion. Ich meine, es gibt genug Banken auf dem deutschen Markt, es gibt eine Riesenauswahl auf dem deutschen Markt. Was die deutsche Wirtschaft braucht, ist ein internationaler Champion, der die Exportindustrie mit ins Ausland begleiten kann. Das würde durch diese Fusion nicht gestärkt. Es bliebe vielmehr so, wie es ist. Die Wirtschaft braucht etwas anderes als das, was Sie scheinbar bevorzugen, liebe Bundesregierung. ({8}) Diese Fragen müssen am Anfang gestellt werden; denn eines ist doch klar: Wenn diese Fusion vollzogen wird und schiefgeht, dann bedeutet das für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler genauso wie für unsere Volkswirtschaft maximaler Schaden. Die kritischen Stimmen aus der Koalition, von der CDU/CSU kommen spät und sehr halbherzig. Kollege Müller, es war doch Ihr Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der neulich die Nationale Industriestrategie 2030 vorgestellt hat. In dieser Industriestrategie werden verschiedene Großunternehmen genannt, die quasi mit dem Etikett „nationales Interesse“ versehen und unter den Schutz von Peter Altmaier gestellt werden. ({9}) Die Deutsche Bank ist dort ebenfalls erwähnt. Auch Peter Altmaier träumt von nationalen Champions. Insofern ist das, was Olaf Scholz macht, eigentlich die Umsetzung dessen, was Peter Altmaier aufgeschrieben hat. Es zeugt von ordnungspolitischer Verwirrung, die bis tief in die Union reicht, dass der Staat mit dem Design nationaler Champions auf die Globalisierung antworten soll. Ich frage: Wann stoppen Sie Bundeswirtschaftsminister Altmaier, damit er diese Idee wieder begräbt und sich stattdessen auf Wettbewerb und Respekt vor kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen gleichermaßen konzentriert? ({10}) Am bemerkenswertesten allerdings war die Reaktion der Bundeskanzlerin auf die Berichterstattung. Die Bundeskanzlerin, Frau Staatssekretärin, hat gesagt – ich zitiere –: Ich plädiere sehr dafür, dass die Bundesregierung sich da nicht mit einem Votum einmischt. Ich frage Sie: Warum muss die Bundeskanzlerin dafür plädieren, dass die Bundesregierung sich nicht einmischt, wenn sie es gar nicht gemacht hat? ({11}) Können Sie sich auch nicht erklären, oder? Ich auch nicht. ({12}) Aber ich will auf etwas anderes hinaus: Die Bundeskanzlerin plädiert dafür, dass die von ihr geführte Regierung etwas macht, als hätte sie mit dieser Regierung gar nichts zu tun. Die Regierungschefin plädiert dafür, dass ihre Minister etwas machen oder nicht machen. Das ist gar nicht ihre Regierung. Diese Art, mit wichtigen Themen umzugehen – Konflikte nicht mehr auszutragen, weil man sich in dieser Koalition keine weiteren Konflikte leisten möchte, und die Sacharbeit darunter leiden zu lassen –, zeigt, wie Deutschland regiert wird, und es illustriert, dass wir anders regiert werden müssen, als es diese Koalition auch 2019 hinbekommt. ({13})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Toncar. – Nächste Rednerin: Lisa Paus für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am vergangenen Freitag wurde relativ unbemerkt eine Studie, die im Auftrag des Finanzministers erstellt wurde, veröffentlicht, die nicht nur von der Öffentlichkeit, sondern vor allen Dingen von der Spitze des Hauses, also von Olaf Scholz und seinem Staatssekretär Kukies, dringend zur Kenntnis genommen werden sollte. Denn die Studie hat im Auftrag des Finanzministeriums die Frage geprüft: Wie stabil ist der deutsche Finanzmarkt heute eigentlich, zehn Jahre nach der Lehman-Pleite und der weltweiten Finanzkrise? Wirken die beschlossenen Maßnahmen so, wie von Angela Merkel 2014 versprochen, als sie gesagt hat: „Nie wieder wird es notwendig sein, dass Steuerzahler eintreten müssen, wenn große Banken zusammenbrechen“? Diese wissenschaftliche Studie kommt zu dem Ergebnis: Ja, der deutsche Finanzmarkt ist heute stabiler als 2008. Aber das Problem, über das wir gerade reden – Stichwort „too big to fail“ –, ist durch die bisher getroffenen Maßnahmen in Deutschland immer noch nicht gelöst. ({0}) Die großen deutschen Banken können sich Kapital immer noch billiger beschaffen als die kleinen Institute, weil die Finanzmärkte nicht daran glauben, dass Angela Merkels Versprechen tatsächlich gilt. Die neuen Gesetze, in denen festgelegt ist, dass nicht mehr die Steuerzahler zur Rettung einer Bank herangezogen werden, sondern die Aktionäre und Gläubiger – die Staatssekretärin hat darauf hingewiesen –, und in denen festgelegt ist, in welcher Reihenfolge das passieren soll, werden auf den Finanzmärkten in Bezug auf Großbanken offenbar gar nicht ernst genommen. ({1}) Daraus kann man zwei Konsequenzen ziehen. Man kann sagen: Dann sollten die europäischen und deutschen Gesetze für den Vollzug einer wirksamen Bankenstrukturierung oder -abwicklung ohne Rückgriff auf Steuergelder verschärft werden, sodass sie endlich auch für Großbanken glaubwürdig werden. Oder man kann zu dem Schluss kommen, dass Banken verkleinert werden sollen. ({2}) Aber was man als im Wort stehende Bundesregierung nicht tun kann, ist, die Ergebnisse der Studie einfach zu ignorieren und stattdessen von nationalen Champions zu faseln und zwei kranke Großbanken zu einer Megabank gesundzubeten, meine Damen und Herren. ({3}) Zur Erinnerung: Die letzte Bankenrettung hat den deutschen Steuerzahler bisher mindestens 68 Milliarden Euro gekostet. Deswegen: Das Risiko einer Zombiebank aus Deutscher Bank und Commerzbank mit einer Bilanzsumme von mehr als 2 000 Milliarden Euro, einer Bilanzsumme, die mehr als der Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands entspricht, ist einfach zu groß für alte sozialdemokratische Stamokap-Spielereien. ({4}) Ich frage mich wirklich, ob die Sozialdemokratie in den vergangenen zehn Jahren nichts dazugelernt hat. Ich erlebe regelrecht ein Déjà-vu; denn es war 2008 ebenfalls ein sozialdemokratischer Finanzminister – er hieß Peer Steinbrück –, der die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank politisch beförderte. In der Folge musste der Bund die Commerzbank mit über 18 Milliarden Euro an Kapitalhilfen und 5 Milliarden Euro an Garantien stützen, was für den Staat bis heute ein drastisches Milliardenverlustgeschäft ist. Und Peer Steinbrück war auch nicht unbeteiligt an der Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank, ebenfalls alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Liebe Sozialdemokraten, ich sage das eindringlich: Auch ihr seid lernfähig, auch ihr könnt aus Fehlern lernen. Wir brauchen kein weiteres Milliardengrab in Deutschland. ({5}) Auch das Argument, die Wirtschaft brauche das, greift nicht; denn das tosende Schweigen der deutschen Wirtschaft macht doch deutlich: Das Letzte, was die deutsche Wirtschaft braucht, ist, dass zwei für sie derzeit funktionierende Großbanken zu einer durch jahrelange Fusionsprozesse gelähmten und mit sich selbst beschäftigten Zombiebank zusammengeschlossen werden. Die angeschlagene Deutsche Bank rettet man nicht, indem man sie mit viel Doping zum nationalen Champion hochtuned. Sie ist auch nicht übernahmegefährdet, so toxisch wie sie ist. Der IWF zählt sie offiziell immer noch zu den weltweit gefährlichsten Banken. Die Wahrheit ist schlichtweg – auch wenn sie vielleicht für deutsche Ohren zum Teil jenseits der Vorstellungskraft liegt –: Bankenprobleme haben nicht nur die anderen Länder; auch Deutschland hat Bankenprobleme. ({6}) Aber die gute Nachricht ist: Eigentlich sind wir doch inzwischen ziemlich gut gerüstet, sollte eine deutsche Bank tatsächlich in bedrohliche Schieflage geraten. Es fehlt nur an der Glaubwürdigkeit der Märkte. Deshalb sollte gerade Deutschland keinen Zweifel daran lassen, dass es gewillt ist, die neuen gemeinsamen europäischen Regeln für Banken anzuwenden; denn sonst würde Olaf Scholz nicht nur die Fehler von Peer Steinbrück wiederholen, sondern auch die von Gerhard Schröder und nach den Zweifeln an dem Einhalten der Regeln bei der Währungsunion nun die Regeln für die Bankenunion sprengen. ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Lisa Paus. – Nächster Redner: Alexander Radwan für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Alexander Radwan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004383, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute eine Aktuelle Stunde zum Thema „Deutsche Bank, Commerzbank“. Was hier mitschwingt, ist der Vorwurf, dass diese Thematik, die ja eigentlich der Markt regeln sollte, zu stark politisiert wird, dass sich das Bundesfinanzministerium hier zu stark einmischt. Die Aussage von Herrn De Masi hat mich erschrocken, und ich wäre erstaunt, wenn es so wäre. Herr De Masi – auch wenn Sie gerade nicht zuhören können –, welche Machtfülle Sie dem Bundesfinanzminister zugestehen: eine Herrschaft über die EZB und über den IWF, und alle kuschen vor ihm, nur damit das zustande kommt. Ich glaube, der Finanzminister würde sich wünschen, diese Machtfülle zu haben. ({0}) Meine Damen und Herren, die Art und Weise des Umgangs der Opposition mit diesem Thema ist genau das Gegenteil: Sie politisieren zwei Marktakteure, die gesagt haben, dass sie miteinander reden wollen. Sie tragen das Thema in den Deutschen Bundestag, in die Politik, in die Öffentlichkeit und nutzen jede Sekunde, diese Finanzinstitute auch noch schlechtzureden, nach dem Motto „Wir wollen sie nach unten prügeln“, statt zur Stärkung des Finanzmarkts beizutragen. ({1}) Fusionen, Kooperationen, Übernahmen bekommen wir täglich aus den Zeitungen mit. Die Landesbanken diskutieren darüber, wie es weitergeht. Im Mobilitäts- und Pkw-Bereich reden Daimler und BMW darüber, zu kooperieren und national stark zu werden, Herr Kollege Dr. Toncar. ({2}) – Ich habe gerade gesagt: Wir reden über Fusionen, Kooperationen, Übernahmen. Wissen Sie, was in zehn Jahren dabei herauskommt, Herr Gottschalk? Sie wissen es natürlich nicht. Da kann sich etwas anbahnen. Es kann auch sinnvoll sein, was da gemacht wird. Wir reden hier von einer offenen Prüfung. Das Erstaunliche ist: Zeitungskommentatoren, Wissenschaftler, auch Mitglieder hier im Parlament wissen bereits, was herauskommt. Die Zahlen liegen nicht auf dem Tisch. Wir wissen auch nicht, welches Geschäftsmodell dem zugrunde liegt. Aber genau das gilt es abzuwarten. Das müssen die Vorstände jetzt prüfen und dann entsprechend offenlegen. Lassen Sie sich von meiner Seite sagen: Eine hohe Bilanzsumme ist kein Wert an sich. Auch ein nationaler Champion ist kein Wert an sich. Aber auf eines lege ich Wert, meine Damen und Herren, nämlich dass die Aufseher von Anfang an beteiligt sind. Das habe ich bisher von keinem Redner hier gehört. Die BaFin, die Bundesbank, die Europäische Zentralbank müssen an dem Prozess beteiligt sein. Der SSM wird darüber entscheiden, werter Kollege Schäffler. Er wird aber politisch nicht allein von Deutschland bestimmt werden, außer es träte ein, was die AfD zuletzt gefordert hat, nämlich dass die EZB jegliche Aufsicht in Europa abgibt. ({3}) Auch der SRM, der Einheitliche Abwicklungsmechanismus, muss dazu gehört werden. Sie alle müssen sagen, was es bedeutet, wenn wir eine Bank von dieser Größe, mit dieser Struktur bekommen. Warten Sie doch die Antworten mal ab. Sie geben diese ja schon, bevor Sie wissen, wie die Analysen aussehen werden. Natürlich muss auch das Kartellamt mit Blick auf die Auswirkungen auf den Wettbewerb für die großen und mittleren Unternehmen und für den industriellen Mittelstand gehört werden. ({4}) Lassen Sie mich eines abschließend sagen: Wir können ja nicht ausschließen, dass die Vorstände am Ende zu dem Schluss kommen, eine Fusion, ein Zusammengehen der beiden Banken, lohnt sich nicht. Es gilt dann, diese Entscheidung zu respektieren. Das gilt für das Parlament und für die Bundesregierung. Es wird zu entsprechenden Verwerfungen und Diskussionen an den Märkten kommen. Wir müssen dann die Kraft haben, zu sagen: Das ist nicht der Weg, den wir gehen. – Die Frage, wie es mit den Unternehmen alleine weitergeht, wie sich diese entwickeln müssen, meine Damen und Herren, ist dann noch nicht gelöst. Dann gilt es natürlich, auch diese Fragen zu beantworten. Die Finanzmärkte haben sich verändert und werden sich weiterhin massiv verändern, zum Beispiel durch die Digitalisierung. Natürlich wird auch das Auswirkungen auf die Strukturen der Commerzbank und der Deutschen Bank haben. Zu suggerieren, Herr De Masi, dass sich nichts verändert, wenn keine Fusion kommt, ist ein Trugschluss. ({5}) – Aber suggeriert. – Ein ständiger Wandel wird die Finanzwirtschaft ereilen, und natürlich werden wir dann auch über die Strukturen sprechen müssen. ({6}) – Aber Sie suggerieren es, indem Sie bestimmte Themen aufgreifen und zum Beispiel sagen, es dürfe keine Arbeitsplatzverluste geben. Wir müssen bei der Frage der Champions und der Begleitung der deutschen und europäischen Wirtschaft auch mal europäisch denken. Möglicherweise ist es in einem europäischen Binnenmarkt notwendig, dass grenzüberschreitende Wirtschaftsstrukturen geschaffen werden. Dann ergeben sich auch neue Chancen in der Diskussion darüber, wie wir unseren Finanzplatz in Deutschland, aber auch in Europa stark machen. Das, meine Damen und Herren, ist unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist es nicht, unsere Bankhäuser und damit den Finanzmarkt durch regelmäßige Diskussionen in den Parlamenten schlechtzureden. Besten Dank. ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Alexander Radwan. – Nächster Redner: Kay Gottschalk für die AfD-Fraktion. ({0})

Kay Gottschalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004731, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen! Liebe Negativzinssparer! Frau Lambrecht, vielleicht sollte ich angesichts der Märchenstunde, die Sie hier gehalten haben, lieber „Frau Grimm“ zu Ihnen sagen. ({0}) Als ich zum ersten Mal von den Fusionsplänen und dem Begleitschutz des Finanzministeriums im Zusammenhang mit diesen Fusionsplänen hörte, dachte ich sofort: Na, klasse! Diese linken Träumer von der SPD! In deren Logik spannt man also neben einen lahmen Gaul einen weiteren lahmen Gaul vor die Postkutsche und denkt, man hätte einen Rennwagen. Ähnliches dachte man vielleicht auch bei Nahles und Scholz. Die Ergebnisse der Umfragen kennen Sie. Nun aber versucht dieser Herr Scholz, eine deutsche Megabank entstehen zu lassen. Was sie tun soll, welches Ziel sie hätte – dazu bekam ich keine Antwort im Finanzausschuss, als ich fragte: Soll sie vielleicht die deutsche Finanzsouveränität und den deutschen Finanzplatz sichern? Soll sie eine feste Hand für deutsche Unternehmen sein, weil die chinesischen Unternehmen hier auf Einkauftour gehen, oder Expansion begleiten? – Keine Antwort von Ihnen darauf! Meine Damen und Herren, das ist nichts anderes als sozialistische Planwirtschaft à la SPD, die wir hier wieder beobachten dürfen. ({1}) Wenn SPD-Politiker in die Marktwirtschaft eingreifen, wird es für den Steuerzahler teuer. Philipp Holzmann und der Genosse der Bosse lassen schön grüßen. Im Übrigen möchte ich alle Altparteien daran erinnern: Sie alle haben den Satz „too big to fail“ – er sollte nie wieder im Plenum fallen – erwähnt. Meine Damen und Herren, hierzu warnt auch der Vorsitzende der Monopolkommission, Achim Wambach, in der „Rheinischen Post“. Ich zitiere mit der Erlaubnis der Präsidentin: Durch den Zusammenschluss entsteht möglicherweise eine neue Bedrohung für die Finanzwelt, nämlich durch einen Anstieg des Systemrisikos. Keine Rede davon bei Ihnen hier. Die Finanzkrise habe deutlich gemacht, dass große Banken nicht ohne Weiteres abgewickelt werden könnten und gegebenenfalls vom Staat gerettet werden müssten. Frau Lambrecht, zu Ihrer Märchenstunde, der deutsche Steuerzahler werde nie mehr haften. Sie haben 2009 für 5,1 Milliarden Euro 15 Prozent der Commerzbankanteile erworben. Diese sind heute gerade einmal 1,4 Milliarden Euro wert. Sie haben an dieser Stelle fast 4 Milliarden Euro Steuergeld verplempert und verprasst; das sollten Sie alle mitnehmen und auch bei der nächsten Europawahl daran denken. ({2}) Offenbar, meine Damen und Herren, leiden nicht nur einige Abgeordnete, sondern vor allen Dingen auch die Bundesregierung an politischer Demenz. Haben Sie denn schon vergessen, warum Sie die Commerzbank eigentlich retten mussten? Es klang nämlich an: wegen der ziemlich vergurkten Fusion – so muss man das wohl sagen – mit der Dresdner Bank. Aber auch dort war es ja nicht Ihr Geld. Es war immer das Geld der deutschen Steuerzahler. Gerade die Kollegen der Sozialdemokraten wollten das ja eigentlich nie mehr haben. Rote Versprechen, sie sind so viel wert wie der Lottoschein von letzter Woche, bei dem ich immer um eine Zeile danebenlag, nämlich nichts am Ende. ({3}) Aber welcher Film, meine Herren und Damen, läuft hier wirklich ab? Der Druck aus dem Finanzministerium ist schon angeklungen. Sie wollen jetzt nicht ernsthaft sagen, dass alle seriösen Zeitungen Fake News verbreiten, von der „Wirtschaftswoche“ über das „Handelsblatt“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bis zur „Süddeutschen Zeitung“? ({4}) Meine Damen und Herren, Sie haben Druck ausgeübt, und die Fusion – das wissen wir auch – bringt nur etwas, wenn tatsächlich Synergieeffekte genutzt werden. Auch das wollen Sie ja schon verhindern, indem Sie sagen: Die 30 000 Arbeitsplätze sollen nicht abgebaut werden. Meine Damen und Herren, die Zahlen der Commerzbank und der Deutschen Bank sprechen auch hier für sich. In der Größe liegt nie der Gewinn einer Bank, und in der Größe liegt auch nicht ihre Stärke. Die kleine Commerzbank mit einer Bilanzsumme von 462 Milliarden Euro hat einen Gewinn von 865 Millionen Euro erzielt, und die große Deutsche Bank mit knapp 1,4 Billionen Euro Bilanzsumme hat nur 341 Millionen Euro Gewinn erzielt. ({5}) Sie sehen also: Es kommt auf gute Ideen, auf ein Geschäftskonzept an und nicht darauf, einen Riesenchampion zu schaffen. Meine Damen und Herren, auch das werden Sie mit Ihrer Planwirtschaft nicht schaffen. ({6}) Schauen Sie im Übrigen in die volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Literatur. Zwei Drittel aller Fusionen scheitern oder erreichen ihre Ziele nicht: Daimler/Chrysler, Commerzbank/Dresdner Bank, Karstadt/Kaufhof, Bayer/Monsanto – heute ist der Kurs um über 10 Prozent eingebrochen –, Allianz/Dresdner Bank, BMW/Rover. Ich könnte die Liste beliebig fortsetzen. Meine Damen und Herren, darum prüfe, wer sich ewig bindet. Die Logik der Marktwirtschaft, liebe Genossen, wird auch durch Ihre feuchtroten Träume nicht ausgehebelt. Größe ist kein reiner Selbstzweck, und ohne Idee bringt diese Größe auch nichts. Aber nun kommen wir zum eigentlichen Kern der Frage, warum meine Fraktion in diesem Zusammenhang einen Untersuchungsausschuss beantragen wird. Wer macht in diesem Land eigentlich Politik? Warum tut sich Herr Scholz dies an? Denken wir mal an die Fusionsgespräche. Die werden von Goldman Sachs begleitet. Und um Ihre Erinnerungslücken zu schließen, meine Damen und Herren: Bevor es zur Übernahme durch den Staat kam, hat auch Goldman Sachs die Commerzbank beraten. Nun kommt Herr Kukies ins Spiel. Wenn ich mir seine Vita anschaue – er war von 2001 bis 2018 hochrangiger Manager bei Goldman Sachs, sogar deutscher Vizepräsident –, dann gestatten Sie mir die Frage: Wer macht im Finanzministerium eigentlich Politik? Wer führt es: Goldman Sachs oder Herr Kukies oder vielleicht doch noch Herr Scholz? ({7}) Meine Damen und Herren, lassen Sie Ihre sozialistische Planwirtschaft da, wo sie hingehört, nämlich in der Mottenkiste, und lassen Sie uns hier aufdecken, welche Ideen und welche Punkte wirklich dahinterliegen. Wir wollen einen Untersuchungsausschuss, damit Licht in diese Umstände gebracht wird. Danke schön. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke schön, Kay Gottschalk. – Nächster Redner: Lothar Binding für die SPD-Fraktion. ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es scheint sich zu bestätigen, dass alles von langer Hand geplant war. ({0}) #Kukies ist befangen. @Olaf Scholz muss Kukies zurückziehen. Das ist ein Tweet von Herrn Schäffler. Er ist fair und nennt auch die Quelle. Die Quelle heißt nämlich „@BILD berichtet“. Jetzt lese ich in der „Bild“-Zeitung nach: „Kukies ist befangen, Scholz muss ihn zurückziehen“, fordert der FDP-Finanzexperte Frank ­S­chäffler … ({1}) Das heißt, er liefert durch eine Forderung das, was er später, über die öffentlichen Medien als Behauptung verifiziert, in diesem Plenum nachfolgen lassen will. „Das ist doch irgendwie verrückt“, würden meine Kinder sagen. ({2}) Das kann man doch nicht machen in dieser Weise. ({3}) So entstehen hier Informationen, die die Basis Ihrer Überlegungen sind. Jetzt kommt der Minister Scholz in den Ausschuss. Wenn er kommt, ist er ja persönlich da; denn unpersönlich kann er ja nicht kommen. Er ist also persönlich da; man kann ihn fragen. Dann wird er gefragt und sagt: Wir haben Beobachterstatus. – Und er sagt weiter: Das ist für uns eine reine Finanzanlage. – Der Kauf von 15,6 Prozent der Commerzbank hat in der Entscheidungskompetenz nicht unmittelbar mit diesem Minister zu tun. Die persönliche Information wird jedenfalls in Misskredit gezogen, aber die selbstreferenzielle Scheininformation von Herrn Schäffler wird hier sozusagen zur Wahrheit hochstilisiert. Wenn das öffentliche Informationspolitik und Ausdruck von Vertrauen in einen Minister sein sollen, dann weiß ich nicht, wo wir sind, wenn es um das Stichwort „Glaubhaftigkeit“ geht. ({4}) Florian Toncar hat gesagt: Wenn die Fusion schiefgeht, dann ist das der maximale Schaden für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. – Es kann sein, dass das der maximale Schaden ist. Aber das wissen Sie ja gar nicht. Sie haben auch nicht gezeigt, wieso das so sein soll und wieso überhaupt das Bail-in-fähige Kapital und das Eigenkapital nicht ausreichen würden, damit dies am Steuerzahler gar nicht hängen bleibt. Was Sie ganz vergessen haben, ist eine zehnjährige europäische Sicherheitspolitik, um genau das von den Steuerzahlern abzuwenden. ({5}) Ich glaube, wer so viel vergisst, der darf hier den Mund nicht zu voll nehmen. ({6}) Eine Gegenthese. Wenn etwas ohne Fusion schiefgeht, dann kann auch das ein maximaler Schaden sein. Eine Fusion ist weder hinreichend noch notwendig für Ihre These. Lisa Paus hat etwas Gutes gesagt: Wir brauchen kein weiteres Milliardengrab in Deutschland. – Dem stimmen wir alle unumwunden, hundertprozentig zu. ({7}) Wir brauchen kein weiteres Milliardengrab. Ein bisschen geärgert hat mich der Kollege De Masi; denn er hat Olaf Scholz sozusagen eine Kompetenz zugeschrieben, die wir aus bestimmten Familien kennen, die er aber nicht hat, indem er gesagt hat: Olaf Scholz und Jörg Kukies sind wie Kuppler bei einer Zwangsehe. – Das fand ich ein bisschen unanständig; denn das assoziiert Dinge, die uns überhaupt nicht gefallen, weil sie überhaupt nicht diese Rolle haben, weder im Staat noch zu Hause noch irgendwo auf dem Finanzmarkt. ({8}) Der Bundesfinanzminister hat in unserer Fraktion erklärt, er habe eine Beobachterperspektive. Das ist eine Perspektive, die für die ganze Regierung gut wäre. Natürlich muss man das Ganze beobachten; denn Hintergrund und Ursache für Fusionen sind im Regelfall im Management zu suchen. Es verantwortet, was war. Aus dem Interesse der Manager könnte sozusagen das private Interesse an einer Fusion entstehen. Jedenfalls ist das nicht das Interesse derjenigen, die vielleicht ihren Arbeitsplatz verlieren. Eines weiß ich: Wenn die beiden Banken fusionieren, werden die Manager besser herauskommen als die meisten Arbeitnehmer, die entlassen werden. Diesen Aspekt müssen wir schon noch ein bisschen in den Blick nehmen. Wir kennen ja die skandalträchtigen Geschichten vieler Banken. Diese haben sich bisher nicht sonderlich um Arbeitsplätze gekümmert, sondern meistens um ganz andere Dinge. Ich möchte noch etwas zu den 600 000 Aktionären sagen. Um drei, vier, fünf, sechs, sieben Aktionäre ist mir nicht bange. Aber die vielen Kleinaktionäre – die Aktien der Deutschen Bank werden zu 20 Prozent von Privatpersonen und zu 80 Prozent von institutionellen Anlegern gehalten – haben in den letzten zehn Jahren, zwischen 2007 und 2017, bei der Deutschen Bank über 90 Prozent ihres Vermögens verloren, bezogen auf ihre Anlage, und bei der Commerzbank über 95 Prozent. Da ist doch klar, dass man sich den einen oder anderen Gedanken macht und meint, dass es vielleicht klug sei, sich zu kümmern. Wir haben vorhin gehört, wer da alles mitentscheidet: die BaFin und natürlich die EZB. Aber auch die Chinesen entscheiden mit. Denen gehören nämlich 10 Prozent, natürlich nicht allen Chinesen – das ist klar –, sondern der HNA Holding. Aber auch Al-Thani aus Katar hält eine 10-prozentige Beteiligung. Wir sehen: Da entscheidet eine ganze Reihe anderer Leute mit. Deshalb ist es gut, wenn der Minister das beobachtet. Wenn er beobachtet, kann er Auffälligkeiten wahrnehmen. Wenn er Auffälligkeiten wahrnimmt, wird er uns entsprechend befassen, aber so, dass es keinen Schaden am Gesamtprozess anrichtet. Jetzt merkt man schon, wie klug das gegenwärtige Verhalten der Regierung ist, nämlich die Dinge kritisch zu begleiten, ordentlich zu beobachten und zu schauen, dass alles mit rechten Dingen zugeht und der Steuerzahler insgesamt geschützt wird. Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind vorhanden. ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Lothar Binding. – Nächster Redner: Jörg Cezanne für die Fraktion Die Linke. ({0})

Jörg Cezanne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004693, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon heute stehen Deutsche Bank und Commerzbank auf der Liste der systemrelevanten Großbanken der Euro-Zone, jede für sich alleine. Die Deutsche Bank wird vom Financial Stability Board als eine der 29 systemrelevanten Banken weltweit geführt. Bis 2012 gehörte die Commerzbank auch noch dazu. Niemand braucht noch größere Großbanken, schon gar nicht, wenn sie auf wackeligen Füßen stehen. ({0}) Hinzu kommt: Auch zehn Jahre nach der großen Finanzmarktkrise sind grundlegende Fragen nicht gelöst. Der Bankensektor der Europäischen Union ist heute stärker konzentriert als vor der Finanzkrise. Es ist nicht gelungen, die Entkoppelung des Finanzsektors von der realen Wirtschaft auch nur zu stoppen. ({1}) Das alles erzeugt Instabilität und wachsende Risiken. Von „krisenfest“ sind wir nach wie vor weit entfernt, und es wird uns spätestens in der nächsten Krise einholen. ({2}) Erschwerend kommt hinzu, dass beide Banken – Deutsche Bank und Commerzbank – betriebswirtschaftlich angeschlagen sind. Keine von beiden verfügt über ein überzeugendes Geschäftsmodell. Überschneidungen gibt es im Bereich der Privat- und Unternehmerkunden, Firmenkunden. Da stehen beide halbwegs ordentlich da. Das ergibt aber keine sinnvolle Ergänzung. Problembaustelle Nummer eins bei der Deutschen Bank ist das Investmentbanking. Dieser Geschäftsbereich ist bei der Commerzbank sehr gering vertreten. Auch da ist durch eine Fusion überhaupt nicht geholfen. Kenner – dazu genügt in diesem Fall, Bürger von Frankfurt zu sein – wissen, dass die Mentalität und Unternehmenskultur beider Häuser nicht zusammenpasst. Viele Kunden der Commerzbank sind ganz bewusst nicht Kunden der Deutschen Bank und würden es auch freiwillig niemals werden. ({3}) Beide Banken stehen vor großen Herausforderungen bei der Ertüchtigung ihrer IT. Das ist bei Bankenfusionen immer eine zentrale Herausforderung. Wer von Ihnen Mitglied des Untersuchungsausschusses zur Hypo Real Estate war, weiß, dass das nicht zusammengeführte Rechnungswesen in dieser Bank einer der wesentlichen Gründe war, dass sie in die enorme Schieflage kommen konnte. Die Hypo Real Estate musste am Ende verstaatlicht werden. Schaden bis heute: 20,3 Milliarden Euro für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Also, statt – wir reden jetzt über die wirklich interessante politische Dimension, über die Staatsintervention, die wir vorschlagen – einer noch stärkeren Konzentration auf den Finanzmärkten zuzuarbeiten, bedarf es aus unserer Sicht einer grundlegenden Neuordnung des Bankensektors. Banken sollten auf ein Geschäftsmodell verpflichtet werden, das die Bedürfnisse der Gesellschaft und der Realwirtschaft berücksichtigt. Sparkassen und Genossenschaftsbanken machen das gut, und sie machen im Übrigen in den letzten Jahren auch bessere Gewinne als die beiden Privatbanken. ({4}) Das riskante Investmentbanking und das Kapitalmarktgeschäft sind hiervon zu trennen. Dies würde die Bilanzsummen verringern, es würde die Risiken verringern, und die Gefahr, dass in einem Krisenfall mit Steuergeldern eingegriffen werden muss, würde ebenfalls deutlich geringer. Den Glauben, dass man eine Großbank mit einer Bilanzsumme von 2 Billionen Euro mit den jetzt eingerichteten prinzipiell durchaus sinnvollen Mechanismen auf europäischer Ebene auffangen könnte, teile ich nicht mit Ihnen. ({5}) Zusammengefasst: Die Fusion zweier angeschlagener Großbanken ohne tragfähiges Geschäftsmodell ist keine Lösung, für gar nichts. ({6}) Der einzige betriebswirtschaftliche Vorteil läge in der Vernichtung von 30 000 Arbeitsplätzen. Dies lehnen wir als Sanierungskonzept grundsätzlich ab, ({7}) zumal die hohen Arbeitsverluste bei Deutscher Bank und Commerzbank nicht bei den überbezahlten Investmentbankern und Fondsmanagern oder in der Konzernführung anfallen würden, sondern bei den einfachen und mittleren Berufsgruppen beider Banken. Deutsche Bank und Commerzbank sind jeweils einzeln zu groß, um abgewickelt zu werden. Deshalb lehnen wir eine Fusion ab. Danke schön. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Jörg Cezanne. – Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde: Metin Hakverdi für die Fraktion der SPD. ({0})

Metin Hakverdi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004289, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Wochenende haben die Deutsche Bank und die Commerzbank bekannt gegeben, dass sie Fusionsgespräche führen wollen. Das finde ich gut. Ich finde gut, dass die Öffentlichkeit nun davon weiß. ({0}) Im Übrigen ist es auch eine rechtliche Pflicht, dies zu tun. Damit haben wir Gelegenheit zu einer öffentlichen Debatte, die nicht nur heute, sondern auch in den kommenden Wochen und Monaten geführt werden sollte. Wie und wohin wollen wir unseren Bankenmarkt entwickeln? In meiner Rede will ich Schwerpunkte nennen, worüber die öffentliche Debatte meiner Meinung nach geführt werden sollte. Erstens. Die Finanzkrise 2008 hat uns viel Geld gekostet. Mit mehreren Milliarden Euro mussten Banken saniert oder abgewickelt werden. Auch die heute hier in Rede stehende Commerzbank wurde mit Steuergeld gerettet. Der Bund ist heute Miteigentümer der Bank. Gewinne wurden privatisiert und Verluste sozialisiert. Viel blieb beim Steuerzahler hängen. Die Folgen der Finanzkrise haben zu einem tiefen Verlust des Vertrauens in der Bevölkerung in das Banken- und Finanzsystem geführt. Manche würden heute sagen – und ich teile diese Meinung –: Sie hat sogar zu einem Verlust von Vertrauen in die demokratischen Institutionen insgesamt geführt. Wir haben seitdem viel zur Stabilisierung des Finanzsektors geleistet. Der Vertrauensschaden – so meine Beobachtung – besteht trotzdem nach wie vor, und kriminelle Geschäftsmodelle wie Cum/Ex, Cum/Cum, Cum-Fake usw. sind ebenfalls nicht furchtbar geeignet, dieses Vertrauen wiederherzustellen. ({1}) Wir müssen bei allem, was wir tun, immer darauf achten, dass wir nicht wieder in eine Situation kommen, in der wir auf Steuerzahlerkosten Banken retten müssen. ({2}) Zweitens. Nach der Finanzkrise haben wir die europäische Finanzarchitektur neu gebaut. Wir haben tatsächlich die Finanzkrise als europapolitische Chance genutzt. Das Nebeneinander von europäischer Währungspolitik und nationaler Banken- und Aufsichtspolitik gibt es nicht mehr. Für die systemrelevanten Banken Europas gilt heute – auch für diese Fusion übrigens –: Es gibt eine gemeinsame europäische Aufsicht, und es gibt einen gemeinsamen europäischen Mechanismus zur Abwicklung und Sanierung. ({3}) Bei der Einlagensicherung haben wir europäische Mindeststandards eingeführt. Auch die Banken selbst mussten sich neu aufstellen. Das sogenannte Bail-in-fähige Kapital ist seit der Finanzkrise nach und nach erheblich angewachsen. Kolleginnen und Kollegen, wir sind dennoch mit dem Umbau unseres Finanzmarktes noch lange nicht fertig. Wir wollen den Europäischen Stabilitätsmechanismus, wie mit dem Koalitionspartner vereinbart, zu einem Europäischen Währungsfonds weiterentwickeln. Das Euro-Zonenbudget – wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen – müssen wir, sollten wir ernsthaft prüfen. Grundsätzlich gilt: Wir können nie wieder aufhören, an der Stabilität unseres Finanzsystems weiterzuarbeiten. Zu einem stabilen Finanzsystem gehören genauso die Kapitalmarktunion und das Thema „nachhaltige Finanzen“. Vor allem nachhaltige Finanzen sind ein Schlüsselthema, auch im Hinblick auf Stabilität des Finanzmarktes. Es ist nicht nachhaltig, wenn Gewinne zulasten des Klimas, der Umwelt oder der Gesundheit erwirtschaftet werden. ({4}) Es ist nicht nachhaltig, um den Preis großer sozialer Ungleichheit Gewinne zu erwirtschaften. Ich finde den Strategieprozess, den das Finanzministerium auf den Weg gebracht hat, sehr gut und begrüßenswert. Wir werden ihn intensiv weiterverfolgen. Wir sollten zusehen, dass wir dabei zügig vorankommen. Drittens. Eine Schlüsselfrage ist: Was sind die Bedürfnisse unserer Volkswirtschaft? Braucht die größte Exportnation Europas eine Bank, die Global Player ist? Das geopolitische Umfeld wird rauer. Diplomatische Verstimmungen eskalieren, und Protektionismus nimmt zu. Auch mit unseren westlichen Bündnispartnern haben wir handfeste Meinungsverschiedenheiten. Brauchen wir deswegen einen Global Player in der Bankenwelt, der seinen Sitz in Deutschland hat? Wir sollten auf diese Frage nicht spontan mit Ja oder Nein antworten. Wir sollten über diese Frage länger und gründlicher nachdenken und durchaus auch außerhalb dieses Hauses das öffentliche Gespräch suchen. Viertens. Wir müssen am Ende dieses Prozesses auch die Ergebnisse der Fusionsgespräche bewerten. Dann kommt es natürlich wesentlich auf das Geschäftsmodell der Banken oder der Bank an. Dazu kann man heute gar nichts sagen, weil wir es nicht kennen. Skeptisch darf man aber schon sein, wenn man sich die Ertragslage der beiden Banken heute anschaut. Wie soll aus zwei schwächelnden Banken ein Global Player werden? Die Digitalisierung wird den Druck auf den Bankenmarkt in Zukunft noch weiter erhöhen. Fintechs greifen an. Man sieht das an der Börsenentwicklung von Wirecard. Auch im Hinblick auf die Digitalisierung müsste ein Global Player ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell entwickeln. Fünftens. Eine Fusion darf nicht zur Marktbeherrschung in Deutschland führen. ({5}) Ich finde, dass die Sparkassen, Genossenschaftsbanken und kleinen Banken in Deutschland ein berechtigtes Interesse daran haben, dass es keine monopolhafte oder marktbeherrschende Rolle einer neuen großen deutschen Bank gibt. ({6}) Sechstens, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf diese Fusionsdebatte nicht auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Banken geführt werden. ({7}) In ersten Einschätzungen lese ich, dass viele Arbeitsplätze bedroht sind. Die Führungen beider Institute müssen jetzt – jetzt! – das Gespräch mit ihren Mitarbeitern suchen, proaktiv. Sie müssen alles tun, um der enormen Verunsicherung, die diese Fusionsgespräche auslösen, so gut es geht, zu begegnen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Metin Hakverdi. – Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. März 2019, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Restnachmittag und Abend. (Schluss: 17.54 Uhr)