Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/13/2019

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vielen Dank, ich nutze die Gelegenheit gern zu einleitenden Worten. Es ist ja eine besondere Woche. Es ist die Woche, in der die Bundesregierung ein Jahr im Amt ist. Am 14. März letzten Jahres habe ich mein Amt als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angetreten. Deshalb ist heute auch ein guter Tag, um zurückzublicken, aber auch nach vorne zu schauen. Für mich war das erste Amtsjahr geprägt von einem übergeordneten Ziel: die Familien in Deutschland zu stärken und dafür auch die entsprechenden Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen. Das erste große Gesetzesvorhaben, das Gute-Kita-Gesetz, das hier in diesem Haus am 14. Dezember verabschiedet worden ist, war das große Anliegen, das das letzte Jahr prägte. Der Bund gibt 5,5 Milliarden Euro in die Förderung der frühkindlichen Bildung in Deutschland – für mehr Qualität und weniger Gebühren. Wir wollen jetzt an die Umsetzung gehen. Wir sind mit allen 16 Bundesländern im Gespräch. Natürlich braucht es für diese Umsetzung gute Fachkräfte. Deshalb werden wir in diesem Jahr für die Erzieherinnen und Erzieher eine Fachkräfteoffensive starten, mit der der Bund das Bemühen der Länder zusätzlich unterstützt. Genauso geht es weiter in Bezug auf die sozialen Berufe. Wir haben im letzten Jahr das Thema Pflege angepackt mit der Konzertierten Aktion Pflege, gemeinsam mit Arbeitsminister Heil und Gesundheitsminister Spahn. Wir wollen auch dort die Arbeitsbedingungen, die Bezahlung, die Ausbildungsbedingungen verbessern. Ich freue mich, dass ab dem nächsten Jahr das Schulgeld in diesem Bereich komplett abgeschafft wird und eine Ausbildungsvergütung in der Pflege eingeführt wird. Wir stärken die Familien, indem wir das Starke-Familien-Gesetz auf den Weg bringen: gegen Kinderarmut, für Familien mit geringem Einkommen und für mehr Leistungen für Bildung und Teilhabe. Das kostenlose Mittagessen gehört dazu, aber auch viele andere Leistungen, die 4 Millionen Kindern in Deutschland zugutekommen. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei Ihnen, den Parlamentarierinnen und Parlamentariern, für die Unterstützung und die Verhandlungen bedanken. So kann in der nächsten Woche die zweite und dritte Lesung stattfinden. Wenn wir über Familien reden, reden wir natürlich auch über das Thema Frauen. Wir wollen Frauen stärken – ob in Führungspositionen, ob in sozialen Berufen oder ob es sich um Frauen handelt, die unter häuslicher Gewalt leiden und in einer schwierigen Lage Unterstützung brauchen. Deshalb haben wir im letzten Jahr den Runden Tisch von Bund, Ländern und Kommunen gegen Gewalt an Frauen ins Leben gerufen. Wir werden in diesem Jahr ein Aktionsprogramm starten, um die Frauenhäuser und Beratungsstellen in Deutschland zu stärken. Ein letzter Punkt für den Erstimpuls sei mir gestattet: Natürlich braucht es für all das eine demokratische Gesellschaft, eine Demokratie, die einen respektvollen Umgang miteinander ermöglicht, und deshalb haben wir unser Bundesprogramm „Demokratie leben!“ entfristet. Wir machen weiter damit. Wir wollen die Partnerschaften für Demokratie vor Ort stärken – die 16 Landesdemokratiezentren und auch viele, viele Projekte der Zivilgesellschaft –, und wir wollen ihnen sagen: Ihr erhaltet verlässliche Unterstützung auf Dauer. Meine Damen und Herren, heute erleben wir auch gelebte Demokratie; denn die Regierungsbefragung ist nichts anderes. Ich freue mich auf Ihre Fragen, auf unseren Austausch, und ich möchte mich bedanken für Ihre Unterstützung bei unseren Gesetzesvorhaben im letzten Jahr, auch beim Haushalt. – Vielen Dank. Jetzt bin ich gespannt auf Ihre Fragen. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank, Frau Bundesministerin. – Im Sinne der gelebten Demokratie stellt die erste Frage Johannes Huber, AfD.

Johannes Huber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004764, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie waren zu Gast bei der Talkshow „Anne Will“ am 3. Februar 2019 und haben von Versorgungslücken in der Abtreibung gesprochen. Was Sie aber nicht erklärt haben, war, was Sie damit gemeint haben. Deswegen möchte ich Sie einmal fragen: Was haben Sie mit Versorgungslücken in der Abtreibung genau gemeint, und sind Sie auch der Meinung, dass der Staat die Aufgabe hat, eine Regelung zu schaffen, die dahin geht, dass es sogar ein Recht auf Abtreibung gibt? Sind Sie also der Meinung, dass es auch ein Recht auf Abtreibung gibt?

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Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich habe nicht von einer Versorgungslücke bei der Abtreibung gesprochen, sondern davon, dass wir ein Recht auf Informationen für die Frauen und auch ausreichende Beratungsstellen sowie Ärztinnen und Ärzte brauchen, die leicht zugänglich sind für die Frauen und bei denen sie Hilfe bekommen, wenn sie in einer besonderen Notsituation sind. Da sehen wir ganz deutlich, dass das in Deutschland sehr unterschiedlich ist, wie es Ärztinnen und Ärzte überhaupt mit dieser Frage halten und wie Frauen darüber informiert werden. Wir haben ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Situation der Frauen genau in dieser Frage verbessern soll. Wir wollen Frauen, die sich in einer Notsituation befinden, überall Unterstützung zukommen lassen. Deshalb haben wir auch davon gesprochen, dass nicht nur die Informationsmöglichkeit da sein soll, sondern natürlich auch die Möglichkeit für jede Frau, Beratung, Unterstützung und medizinische Hilfe in einer solchen Situation zu erhalten.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Huber, Sie haben eine Nachfrage.

Johannes Huber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004764, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank. – Ich möchte trotzdem noch einmal nachfragen, wie Sie es denn mit dem Artikel 2 Grundgesetz, mit dem Lebensrecht, halten? 1993 gab es vom Bundesverfassungsgericht ein Urteil, das besagte, dass das Lebensrecht eben nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet ist, sondern dem Ungeborenen schon aufgrund seiner bloßen Existenz zusteht. Im Sinne von Versorgungslücken: Wie halten Sie es hier mit dem Grundgesetzartikel 2?

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Wir haben hier eine Rechtsgüterabwägung – die hat das Bundesverfassungsgericht auch vorgenommen – zwischen dem Recht und dem Schutz des ungeborenen Lebens, aber auch dem Recht der Frau, über ihren Körper zu entscheiden und in einer Schwangerschaftsnotlage, in einem Schwangerschaftskonflikt entsprechende Informationen und Hilfe zu bekommen. Es geht hier um beides. Es geht auch um das Recht der Frauen, diese Entscheidung zu treffen, und dafür gibt es rechtliche Reglungen, und zwar in Verbindung zu genau der Abwägung, die das Bundesverfassungsgericht vorgenommen hat. Genau in diesem Sinne haben wir auch die Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auf den Weg gebracht. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Gibt es weitere Fragen zu diesem Thema? – Das ist offenbar nicht der Fall. Dann stellt die nächste Frage die Kollege Dr. Silke Launert, CDU/CSU.

Dr. Silke Launert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004336, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich wohne in dem Wahlkreis, in dem das Zentrum Bayern Familie und Soziales angesiedelt ist, die Stelle in Bayern, die das Elterngeld auszahlt. Ich bekomme immer wieder Rückmeldungen, dass man die Berechnungen nach wie vor als sehr kompliziert empfindet. Daher meine Frage: Ist im Ministerium geplant, die Berechnung der Grundlage zu vereinfachen und sie mit anderen familienpolitischen Leistungen abzustimmen? – Vielen Dank.

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Wir haben grundsätzlich die Zielsetzung, eine bessere Übersicht über unsere Familienleistungen zu schaffen: Wir bieten auf unserer Homepage www.familienportal.de alle Informationen über die familienpolitischen Leistungen an. Es gibt das Infotool Familie, mit dem man sich individuell ausrechnen lassen kann, wie hoch eine Leistung ist. Und wir bringen im Moment das Elterngeld Digital auf den Weg. Mit allen Bundesländern sind wir darüber im Austausch und im Gespräch. Da geht es natürlich auch darum, wie bei einem Onlineantrag über Elterngeld Digital die Daten, die eine Familie in den Antrag einträgt, direkt übermittelt werden können, wie das – etwa mit einer elektronischen Signatur – funktionieren kann. Wir gehen davon aus, dass damit auch die Elterngeldstellen entlastet werden. Wir arbeiten sehr intensiv daran. Berlin und Sachsen sind die ersten Modellländer. Wir hoffen, dass perspektivisch alle Bundesländer beim Elterngeld Digital dabei sind, weil wir davon ausgehen, dass sich dann die Situation für die Eltern aufgrund einer schnelleren Berechnung und Abwicklung verbessern wird. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Dazu keine weiteren Fragen? – Dann stellt die nächste Frage Katja Suding, FDP.

Katja Suding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004910, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. – Frau Ministerin Giffey, ich habe mich wirklich sehr gefreut, dass Sie am letzten Wochenende eine Reform des Unterhalts- und Umgangsrechts gefordert haben. Ich glaube, das ist ein längst überfälliger Schritt. Wir fordern das schon seit langem. Sie haben damit – genauso wie wir – erkannt, dass das Lebensmodell „getrennt leben, aber gemeinsam erziehen“ ­durchaus vorkommt, und auch immer häufiger vorkommt. Sie möchten jetzt die Elternteile – meist sind es die Väter –, bei denen die Kinder auch nach einer Trennung sehr viel Zeit verbringen und die sich intensiv in die Erziehung einbringen, jetzt besserstellen. Ich möchte gerne wissen, ob Sie dabei an eine schlichte Aufteilung des Unterhalts und des Umgangs denken oder ob Sie da auch noch andere Wege finden wollen. Ich würde zudem gerne wissen, wie Sie bei dieser Frage, für die ja eigentlich das Justizministerium zuständig ist, mit Ihrer Kollegin aus dem Justizministerium zusammenarbeiten.

Not found (Minister:in)

Zunächst einmal ist für uns ganz entscheidend: Wie ist es um das Kindeswohl bestellt? Das steht für uns an erster Stelle. Wir erleben, dass Kinder sich sehr häufig wünschen, dass beide Elternteile für sie da sind. Wir sehen, dass es gesellschaftliche Realität ist, dass sich viel mehr Eltern auch nach einer Trennung gemeinsam um die Kinder kümmern. Es ist natürlich eine schwierige Frage, wie man das angemessen berücksichtigt, wie das aktuelle Recht, das noch auf eine Situation ausgerichtet ist, in der einer betreut und einer zahlt, an diese neue Entwicklung angepasst werden kann. Dabei müssen wir uns mehrere Dinge anschauen. Wir haben dafür einen Arbeitsprozess gestartet, gemeinsam mit dem Justizministerium. Ich finde es wichtig, dass wir hier nicht vorschnell Festlegungen vornehmen, sondern sagen: Wir haben hier eine Veränderung in der Gesellschaft, und um diese zu bewältigen, müssen verschiedene Wege gegangen werden. – Uns geht es darum, die Situation für Alleinerziehende zu verbessern. Jede fünfte Familie in Deutschland hat ein alleinerziehendes Elternteil, und es geht darum, diesen Eltern Steine aus dem Weg zu räumen. Das kann an unterschiedlichen Stellen passieren, im Steuerrecht wie im Umgangsrecht. Man muss sich das genau anschauen. Wir werden das in aller Sorgfalt tun, um Müttern und Vätern und vor allen Dingen den Kindern gleichermaßen gerecht zu werden. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Ihre Nachfrage.

Katja Suding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004910, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. – Dann sind Sie offenbar mit Ihren Überlegungen noch nicht ganz so weit. Ich habe schon vor ein paar Tagen deutlich gemacht, dass ich finde, dass das, was Sie sich im Umgangsrecht und im Unterhaltsrecht vorstellen, nur ein erster Schritt sein kann. Ich glaube, dass wir auch bei den Regelungen zum Ehegattenunterhalt und zur alleinigen Entscheidungsbefugnis eines Elternteils, was die Angelegenheiten des täglichen Lebens, den melderechtlichen Wohnsitz, örtliche Gerichtszuständigkeiten und rentenrechtliche Kindererziehungszeiten angeht, etwas tun müssen. All das müsste man sich angucken, wenn man es wirklich ernst meint, dass man – so wie Sie es gesagt haben – möglichst viel Flexibilität bei den verschiedenen Betreuungsmodellen ermöglichen will. Haben Sie schon erste Überlegungen in diese Richtung gemacht?

Not found (Minister:in)

Es ist ganz klar, dass eine rechtliche Änderung allein nicht zu einer zufriedenstellenden Lösung führt. Unser Wunsch ist, dass wir ein hohes Maß an Flexibilität und eine Betrachtung des Einzelfalls ermöglichen. Jede Familie, die in so einer Lage ist, muss für sich einen entsprechenden Weg finden. Es geht tatsächlich darum, sich mehrere Rechtsbereiche anzuschauen – genau das müssen wir tun –: das Melderecht, das Steuerrecht, das Umgangsrecht. Deshalb ist es nicht gut, jetzt zu schnell zu sagen: So und so wird es gemacht. – Wir haben deshalb eine Arbeitsgruppe gegründet, die mehrere Ministerien einbezieht. Das Familienministerium ist selbstverständlich dabei. Die Federführung liegt beim Justizministerium. Mit dem Starke-Familien-Gesetz, das wir jetzt auf den Weg bringen, wird ein entscheidender Schritt gemacht, um Alleinerziehende zu unterstützen; denn der Unterhaltsvorschuss oder der Unterhalt werden dann nicht mehr voll auf den Kinderzuschlag angerechnet. Alleinerziehende werden dann erstmals Unterhalt plus Kinderzuschlag plus Wohngeld plus Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket bekommen. Wenn dann noch die Befreiung von der Kitagebühr dazukommt, kann das mehrere Hundert Euro mehr ausmachen. Das ist ein riesengroßer Schritt, um Alleinerziehende zu unterstützen – ein Teilaspekt unserer Bemühungen, viele andere müssen folgen. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Eigentlich wollten wir uns bei Zusatzfragen und -antworten auf jeweils 30 Sekunden beschränken. Aber am Anfang machen wir notfalls kleine Ausnahmen. – Gibt es zu diesem Bereich noch Fragen? – Bitte sehr, Frau Dörner.

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Frau Ministerin, auch ich möchte Sie auf Ihr Interview vom vergangenen Wochenende ansprechen. Wir wissen, dass Alleinerziehende und ihre Kinder eine besonders hohe Armutsquote, ein besonders hohes Armutsrisiko haben. Wir wissen auch, dass rund 90 Prozent der Alleinerziehenden weiblich sind. Wie wollen Sie sichergehen, dass im Rahmen einer Reform des Sorge- und Umgangsrechts die Alleinerziehenden nicht noch weiter in die Armut getrieben werden?

Not found (Minister:in)

Ich bedanke mich für Ihre Frage. – Das ist für uns ein ganz wesentlicher Aspekt, weil wir natürlich – das ist auch im Koalitionsvertrag vereinbart worden – gerade bei den Alleinerziehenden einen großen Schwerpunkt setzen, um Unterstützung zu geben. Ich habe gerade ausgeführt: Das Starke-Familien-Gesetz, das nächste Woche in diesem Hohen Haus in zweiter und dritter Lesung beraten wird, ist dafür ein ganz wesentlicher Schritt; denn wenn der Unterhalt oder der Unterhaltsvorschuss nicht mehr wie bisher voll auf den Kinderzuschlag angerechnet wird und Alleinerziehende dann den Kinderzuschlag erhalten können, haben sie damit, dass sie den Kinderzuschlag erhalten, auch ein Anrecht auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, sprich: Schülerfahrkarte, Schulverpflegung, Lernförderung, Schulstarterpaket plus die Befreiung von den Kitagebühren. Das ist dann eine erhebliche Erleichterung. Das ist unser Fokus. Darauf wollen wir setzen. Wir wollen Alleinerziehende ganz klar unterstützen, auch in Bezug auf die Verfügbarkeit des finanziellen Familienbudgets.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Weitere Fragen? ({0}) – Nein, Frau Dörner, Sie können nach unseren Regeln keine weitere Nachfrage stellen, aber Ihre Kollegin. – Frau Keul, bitte.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann nutze ich die Gelegenheit, um an die Frage meiner Kollegin Dörner anzuknüpfen; denn die Antwort ist eigentlich noch nicht gegeben. In Ihrem Interview hieß es, dass die Unterhaltspflichtigen künftig nicht mehr den vollen Unterhalt zahlen brauchen, wenn sie viel Umgang mit dem Kind haben und das Kind betreuen. Das hat die Unterhaltsberechtigten natürlich stark verunsichert. Von daher die Frage: Distanzieren Sie sich davon? Die Lösung kann ja nicht sein, dass wir den einen etwas nehmen, um es den anderen zu geben. Es gäbe auch die Möglichkeit, die getrennte Familie insgesamt zu unterstützen. Es versteht bis heute ja keiner, warum Ehegattenunterhalt steuerlich absetzbar ist und Kindesunterhalt nicht. Haben Sie vielleicht einen Vorschlag, wie Unterhaltspflichtige entlastet werden könnten, ohne dass es die Unterhaltsberechtigten verunsichert?

Not found (Minister:in)

Ich würde Ihnen die Lektüre des Interviews im Original empfehlen. Ich habe nicht behauptet, dass irgendjemandem etwas genommen wird. Ich habe lediglich die Situation beschrieben, dass es immer mehr Väter gibt, die für ihre Kinder sorgen und einen Teil der Erziehung übernehmen. Diese Väter, die zu einem hohen Anteil mitbetreuen, müssen trotzdem 100 Prozent Unterhalt zahlen. Das ist Fakt. Das ist gesellschaftliche Realität. Wenn wir uns Gedanken darüber machen, wie wir diese Realität und das Recht besser in Einklang bringen können, müssen wir uns die Realität anschauen und überlegen, wie man das regeln kann. Genau das ist unsere Aufgabe, die jetzt vor uns liegt. Es geht nicht darum, Mütter schlechterzustellen, sondern es geht darum, einen gerechten Weg zu finden, der sowohl für Mütter als auch für Väter, die sich nach einer Trennung gemeinsam um ihre Kinder kümmern wollen, besser ist als der, der ihnen jetzt offensteht. Genau darüber sprechen wir, und das werden wir gemeinsam mit den anderen beteiligten Ressorts besprechen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Herr Aggelidis, FDP.

Grigorios Aggelidis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004652, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. – Frau Ministerin, Sie haben ja mehrmals darauf hingewiesen, dass die Alleinerziehenden durch die Reform deutlich bessergestellt werden. Mich würde interessieren, wie Sie es rechtfertigen – seitens unserer Fraktion wurde zu diesem Thema schon eine Kleine Anfrage gestellt –, dass Alleinerziehende in Summe sogar weniger Geld bekommen – wenn ich Unterhaltsvorschuss und Kinderzuschlag berücksichtige –, wenn die Kinder älter werden? Dabei weiß doch jeder – das ist die Lebensrealität –, dass Jugendliche am Ende des Tages nicht weniger Geld brauchen als kleinere Kinder, sondern eher mehr. Wie wollen Sie dieses Problem in Zukunft auflösen?

Not found (Minister:in)

Mit den im Starke-Familien-Gesetz vorgesehenen Änderungen gehen wir genau diese Frage an. Bisher ist es so, dass der Unterhalt bzw. der Unterhaltsvorschuss voll auf den Kinderzuschlag angerechnet wird und die Familien dadurch weniger Geld zur Verfügung haben. Das wird geändert. Nach der von uns vorgeschlagenen Gesetzesänderung wird der Unterhaltsvorschuss nicht mehr voll auf den Kinderzuschlag angerechnet. Dadurch werden mehr Alleinerziehende den Kinderzuschlag bekommen, und das ist eine gute Entwicklung. Das gilt ganz genauso für die älteren Kinder. Im Übrigen hat die Unterhaltsrechtsänderung im Jahr 2017 – Einbeziehung der 12- bis 18-jährigen Kinder in den Kreis der Anspruchsberechtigten – bewirkt, dass sich die Zahl derjenigen, die einen Unterhaltsvorschuss bekommen, verdoppelt hat. Dadurch werden mehr Familien mit Kindern, die in einer Armutssituation leben, unterstützt und wird ihre Lage verbessert.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Herr Kollege Föst, FDP.

Daniel Föst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004716, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. – Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich muss noch einmal auf das Armutsrisiko für Alleinerziehende zurückkommen, das Frau Kollegin Dörner schon angesprochen hat. Wir müssen in diesem Bereich ohne Zweifel noch viel tun, weil das Armutsrisiko für Alleinerziehende so groß ist wie in nur ganz wenigen anderen Gruppen. Wir fragen uns: Könnte neben Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wo wir auch noch viel zu tun haben, nicht auch ein neuer familienrechtlicher Regelungsrahmen, der dabei hilft, dass die Kinder auch nach der Trennung weiter gemeinsam erzogen werden können, dieses Armutsrisiko von Alleinerziehenden nicht reduzieren? Deswegen halten wir das Leitbild Wechselmodell, wie es der Europarat vorschlägt und wie es einige europäische Nachbarländer pflegen, für sinnvoll. Wie stehen Sie zum Leitbild Wechselmodell?

Not found (Minister:in)

Grundsätzlich setzen wir in der Familienpolitik auf die Unterstützung durch Partnerschaftlichkeit, sowohl, wenn die Familie nicht getrennt ist, als auch nach einer Trennung. Die Kinder wünschen sich auch, dass beide Elternteile für sie da sind. Das wissen wir aus vielen Befragungen. Dennoch ist das Wechselmodell, für das Sie sehr werben, nicht in allen Fällen das Nonplusultra. Es gibt Familien, in denen das sehr gut funktioniert; aber in anderen ist das hochproblematisch. Deshalb sagen wir: Wir wollen nicht ein bestimmtes Modell staatlich verordnen, nach dem sich alle zu richten haben, sondern wir wollen den Familien möglichst viel Flexibilität bieten, das Modell zu wählen, das sie brauchen, um auch nach einer Trennung gut miteinander leben zu können. Deshalb müssen für Eltern, die gemeinsam getrennt erziehen, Steine aus dem Weg geräumt und Hürden abgebaut werden. Darauf muss unser Fokus liegen, aber nicht auf dem Vorschreiben eines Modells. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Norbert Müller, Die Linke. ({0}) – Nein, Sie haben nach den Regeln nicht das Recht zu einer Zusatzfrage, sondern nur der Ursprungsfragesteller. Da wir so viele Fragen haben, muss ich ein bisschen restriktiv sein. Norbert Müller hat noch eine Frage, dann kommt Paul Lehrieder, und dann kommen wir zum nächsten Thema. – Herr Müller.

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Nachfrage zulassen. – Frau Ministerin, wir hatten am Montag im Ausschuss eine interessante Anhörung zum Starke-Familien-Gesetz, auf das Sie jetzt mehrfach abgestellt haben. Bisher ist es so, dass der Kinderzuschlag von 30 Prozent der Anspruchsberechtigten in Anspruch genommen wird. Die Bundesregierung verfolgt mit dem Gesetzentwurf das ambitionierte Ziel, dass diese Quote auf 35 Prozent steigt; das heißt, dass weiterhin zwei Drittel der Anspruchsberechtigten planmäßig den Kinderzuschlag gar nicht nutzen sollen. Das ist ein sehr unbefriedigender Zustand. Deswegen frage ich Sie, welche weiteren Maßnahmen Ihr Haus und die Bundesregierung insgesamt bis Ende der Wahlperiode ergreifen werden, um Kinderarmut – auch von Alleinerziehenden – zurückzudrängen und die Inanspruchnahme des Kinderzuschlages an die Quote von 100 Prozent der Anspruchsberechtigten heranzuführen.

Not found (Minister:in)

Sehr geehrter Herr Müller, ich möchte vehement widersprechen, wenn Sie hier sagen, wir hätten planmäßig eine geringere Inanspruchnahme. Wir wollen natürlich, dass alle, die einen Rechtsanspruch haben, ihn auch wahrnehmen. Im Gesetzentwurf ist von 35 Prozent die Rede, weil wir uns an die bisherige Inanspruchnahmequote anzulehnen haben. Natürlich werden wir uns mit allen Mitteln, mit jeglicher Form von Öffentlichkeitsarbeit, mit Elternbegleiterarbeit usw., dafür einsetzen, dass diese Quote steigt. Wir müssen aber auch sehen, dass wir den Kreis der Anspruchsberechtigten, die künftig von diesem Kinderzuschlag profitieren, erweitern: von 800 000 auf 2 Millionen Kinder. Die sehr vielen, die im Moment bei 0 Prozent sind, wollen wir natürlich erst einmal mindestens auf diese 35 Prozent bringen. Viel mehr Kinder, die in verdeckter Armut leben, sollen auch die Chance haben, daran teilzuhaben. Selbstverständlich geht es darum, dass wir höher kommen. Sie wissen, wie das bei gesetzlichen Leistungen ist: Wenn die Inanspruchnahme höher ist, dann wird das auch jedem Kind gewährt werden. Das haben wir ganz klar kalkuliert. Wir werden – auch im Sommer, wenn es losgeht – mehrere Maßnahmen starten, um diese Leistung bekannt zu machen, sodass wirklich alle diejenigen, die das Recht darauf haben, sie auch nutzen können. Die Einführung des Kinderzuschlags Digital wird ebenfalls ein Beitrag dazu sein. Ich wünsche mir, dass alle Familien in der Zukunft tatsächlich auch per Smartphone ihre Leistungen beantragen können.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Paul Lehrieder, CDU/CSU.

Paul Lehrieder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich darf noch einmal auf das Unterhaltsvorschussgesetz zurückkommen, das Sie vorhin bereits angesprochen haben. Wir haben seinen Geltungsbereich in der letzten Legislaturperiode bis zum 18. Lebensjahr ausweiten können. Das war sicher der richtige Weg. Gleichzeitig stellen wir aber mittlerweile fest, dass die Rückholquote der verauslagten Gelder in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Gibt es im Familienministerium Erkenntnisse, woran das liegt – Privatinsolvenzen der betroffenen Unterhaltspflichtigen können es in der jetzigen Zeit eigentlich weniger sein –, und gibt es Bestrebungen, die Rückholquote in den nächsten Jahren zu verbessern?

Not found (Minister:in)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, vielen Dank. – Natürlich gibt es Bestrebungen, die Rückholquote zu verbessern. Ich will das auch noch einmal erläutern und einordnen. Wir müssen in dieser Situation zunächst einmal unterscheiden zwischen Vätern, die zahlungsunfähig sind, also selber nicht genügend Einkommen haben, um den Unterhalt zu bezahlen, und Vätern, die zahlungsunwillig sind. Im Moment wird die Rückholquote quer über alle Väter berechnet. Sie erkennen daran also nicht, wie hoch der rückholbare Teil denn überhaupt ist. Deshalb sind für uns Zahlen wichtig – wir werden sie im Sommer vorlegen –, die hier differenzieren und sagen, wer zahlungsunfähig ist, also gar nicht zahlen kann, und wer zahlungsunwillig ist. Auf dieser Grundlage müssen wir uns dann die Rückholquote anschauen. Es ist auch zu berücksichtigen, dass sich im letzten Jahr durch die Gesetzesänderung die Zahl der Fälle von Kindern von 400 000 auf 800 000 verdoppelt hat. Die Jugendämter haben im letzten Jahr außerordentlich gute Arbeit geleistet und es geschafft, dass die Eltern für alle anspruchsberechtigten Kinder die Leistungen auch bekommen haben. Jetzt, wo die Fallzahlen wieder ein Stück weit gemäßigter steigen bzw. alle Fälle aufgenommen worden sind, geht es darum, das auch entsprechend anzugehen. Wir sind mit den Ländern dazu im Gespräch. Es ist ganz klar, dass wir Personal in den Jugendämtern brauchen – dafür müssen die Länder und Kommunen sorgen –, damit die Rückholquote gesteigert werden kann. Von Bundesseite werden wir sie dabei unterstützen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Jetzt erteile ich zu einem anderen Thema dem Kollegen Stefan Schwartze das Recht zur nächsten Frage.

Stefan Schwartze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004150, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie sind in Ihrer Einleitung auf das Gute-Kita-Gesetz eingegangen. Bei der Umsetzung des Gute-Kita-Gesetzes sind wir ja auf eine sehr gute Kooperation mit den Ländern angewiesen: sowohl was Verbesserungen der Qualität angeht als auch, wenn Länder die Entscheidung treffen, damit Gebührenfreiheit möglich zu machen. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie laufen die Gespräche mit den Ländern? Wo läuft es besonders gut? Wann können wir mit den ersten Verträgen mit einzelnen Bundesländern rechnen, damit wir hier auch möglichst schnell in die Umsetzung hineinkommen?

Not found (Minister:in)

Wir haben planmäßig mit den entsprechenden Vertragsverhandlungen begonnen. Das Gesetz ist zum 1. Januar 2019 in Kraft getreten. Der 1. Januar 2019 ist auch der Stichtag, zu dem Maßnahmen in den Ländern laufen können. Das heißt: Ab diesem Jahr können Maßnahmen aus dem Gute-Kita-Gesetz finanziert werden. Wir führen im Moment mit allen 16 Ländern Vertragsverhandlungen. Es geht um beides, mehr Qualität und weniger Gebühren. Wir sehen, dass in ganz vielen Ländern jetzt sehr intensiv darüber gesprochen wird, welche Handlungsfelder im Bereich der Qualität mit den Geldern bedient werden. Wir sind guter Dinge, dass wir die Vertragsverhandlungen nun auch zügig beenden können. Von daher rechnen wir damit, dass sie Mitte dieses Jahres abgeschlossen sind und dann auch die Mittelverwendung läuft. Die Länder können schon jetzt für Maßnahmen in Vorleistung treten, die zum 1. Januar 2019 zusätzlich begonnen haben. Insofern sehen wir es sehr positiv, dass wir unsere Maßnahmen jetzt auch so umsetzen können, wie wir sie geplant haben, und dass wir in den Handlungsfeldern, die nach den Vor-Ort-Bedarfen in den Ländern für erforderlich gehalten werden, tatsächlich auch eine spürbare Verbesserung erreichen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Keine Nachfragen? ({0}) Bitte, Herr Schwartze.

Stefan Schwartze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004150, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe noch eine Nachfrage. Sie haben in diesem Zusammenhang gerade auch die Überlegung einer Fachkräfteoffensive für den Kitabereich angesprochen. Wir alle wissen: Eine gute Qualität, eine gute Betreuung vor Ort kann man nur umsetzen, wenn auch das nötige Personal da ist. Und wir wissen alle, da gibt es überall im Moment auch Schwierigkeiten. Vielleicht können Sie uns noch einmal die Eckpunkte für diese Fachkräfteoffensive darlegen.

Not found (Minister:in)

Grundsätzlich ist es so: Der Bund kann hier nur zusätzlich etwas geben; für die Ausbildung und für die Beschäftigung der Erzieherinnen und Erzieher sind die Länder und Kommunen verantwortlich. Aber wir haben gesagt: Begleitend und zusätzlich zum Gute-Kita-Gesetz, mit dem die Länder auch etwas tun können im Wege der Fachkräfteausbildung und -fortbildung, wollen wir vom Bund diese Fachkräfteoffensive starten. Wir werden zum Sommer loslegen mit der praxisintegrierten vergüteten Ausbildung mit einer Gesamtzahl von 5 000 Ausbildungsplätzen, die vom Bund finanziert werden. Wir werden jetzt zum neuen Ausbildungsjahr starten. Wir wollen entsprechend dafür sorgen, dass auch die Praxisanleitung und die Perspektiven durch Weiterqualifizierung, durch Umschulung von Personal, was schon da ist, unterstützt werden, damit wir eben einen Anreiz geben. Wenn die Ausbildung vergütet wird – das sieht man überall da, wo das schon gemacht wird, ganz deutlich –, interessieren sich mehr Männer dafür, und gibt es generell mehr Bewerber als Plätze. Das wollen wir ausnutzen. Wir wollen die Länder unterstützen. Wir hoffen natürlich, dass die Länder – die ersten Signale gibt es – dort auch entsprechend einsteigen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Sie haben eine Nachfrage? – Bitte, Frau Breymaier.

Leni Breymaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön. – Frau Ministerin, wo wir gerade beim Gute-Kita-Gesetz sind: Ich komme aus Baden-Württemberg. Wir wissen ja, dass die Landesregierung von Baden-Württemberg sich mit der Gebührenfreiheit total schwertut. Insofern geht bei der weiteren Beobachtung der Vertragsverhandlungen mein Blick auch auf dieses Thema. Meine Frage an Sie ist: Bekommt der Bundestag die Verträge, die mit den einzelnen Bundesländern ausgehandelt sind, vor dem Abschluss zur Verfügung gestellt? Wo ich jetzt noch ein paar Sekunden Zeit übrig habe, wollte ich mich bei Ihnen noch bedanken für ein total engagiertes erstes Jahr als Ministerin. ({0})

Not found (Minister:in)

Vielen Dank. – Es ist so, dass wir mit den einzelnen Bundesländern in Vertragsverhandlungen sind. Diese Vertragsverhandlungen laufen zwischen dem Bundesministerium und den jeweiligen Landesregierungen. Da haben wir nicht noch mal einen Mitwirkungsaspekt seitens des Bundestages. Aber wir werden die Vertragsunterzeichnung öffentlich machen, und ich werde auch in jedes Bundesland reisen. Wir werden eine offizielle Unterzeichnung haben, auch einen Vor-Ort-Besuch, bei dem sich die Länder mit ihren beispielhaften Modellprojekten im Bereich der frühkindlichen Bildung präsentieren können. Wir werden die Verträge also öffentlich machen, sodass jeder sie einsehen kann und auch die Landespolitiker und die Praktiker vor Ort sehen können: Was ist da vereinbart worden, und inwieweit halten sich auch alle daran, und wird das wirklich umgesetzt? – Also, wir werden sehr, sehr transparent damit umgehen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Jetzt Frau Zimmermann.

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich habe eine Frage zur Istanbul-Konvention. In einer Kleinen Anfrage, die unsere Fraktion gestellt hat, haben Sie uns mitgeteilt, dass für die Umsetzung der Konvention keine Pläne für die Einrichtung einer Koordinierungs- bzw. Monitoringstelle vorhanden sind. Ich habe dahin gehend eine Frage: Können Sie uns mitteilen, warum dort keine Pläne für eine Einrichtung dieser Stellen vorhanden sind, wo es doch durch die Konvention dringend erforderlich ist?

Not found (Minister:in)

Vielleicht noch mal für all diejenigen, denen die Istanbul-Konvention nicht sofort geläufig ist: Die Istanbul-Konvention ist eine Konvention, die vereinbart wurde zum intensiven, engagierten Vorgehen gegen Gewalt an Frauen, übrigens auch an Männern, gegen jede Form von häuslicher Gewalt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist an diesem Thema intensiv dran; Abteilung 4 – Gleichstellung – macht das. Wir sind täglich, in unserem ganz normalen Geschäft, mit der Umsetzung der Istanbul-Konvention beschäftigt. Wir haben den runden Tisch gegen häusliche Gewalt an Frauen mit Bund, Ländern und Gemeinden gestartet, 40 Jahre nach der Gründung des ersten Frauenhauses. Wir werden dieses Aktionsprogramm entsprechend auflegen und auch darüber reden, welche rechtlichen Veränderungen es geben kann im Hinblick auf einen Anspruch auf Unterstützung und Hilfe, Beratungsstellen, Unterbringung im Frauenhaus, aber auch mit Blick auf die Zeit danach. Ich kann Ihnen sagen: Eine spezielle Monitoringstelle haben wir deshalb bislang nicht eingerichtet, weil das eine Querschnittsaufgabe ist, die bei uns im Ministerium als Teil unseres täglichen Geschäfts umgesetzt wird. Wir sind da dran; deswegen konzentrieren wir uns auf diese Arbeit in diesem Sinne.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Eine Nachfrage?

Sabine Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003869, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. – Für solche Stellen haben Sie anscheinend überhaupt kein Geld eingestellt. Ich denke, gerade bei der Fülle an Aufgaben, die Sie jetzt angesprochen haben, wäre es aber wichtig, dort für eine gewisse Koordinierung zu sorgen. Das gilt natürlich auch für eine Koordinierung im Land. Wenn es dort entsprechende Initiativen gibt, müssen sie auch koordiniert und vernetzt werden können.

Not found (Minister:in)

Dank des Parlaments ist es gelungen, 6 Millionen Euro für den Start des Bundesprogramms gegen Gewalt an Frauen in den Etat einzustellen. Diese 6 Millionen Euro werden unter anderem verwendet, um eine Regie- bzw. Koordinierungsstelle aufzubauen. Das wird der erste Punkt sein. Dabei geht es genau darum, mit den Bundesländern abzusprechen: Wo sind Fachberatungsstellen? Wo sind Frauenhausplätze? Wo braucht es entsprechende Strukturen? Wie kann das alles künftig koordiniert werden? Für das nächste Jahr haben wir für dieses Programm 30 Millionen Euro vorgesehen, und ich denke, hier sind sehr wohl Koordinierung und auch Monitoring möglich. Das ist auch Kern der Planungen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Frau Kollegin Möhring? – Das hat sich erledigt, gut. Die nächste Frage stellt Ulle Schauws, Bündnis 90/Die Grünen.

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Ministerin, ich habe eine Frage zu dem Kompromiss zu § 219a, den die Koalition hier gefunden hat. In diesem Zusammenhang ist von einer Studie im Auftrag des Gesundheitsministeriums die Rede gewesen, die 5 Millionen Euro kosten soll. Diese Studie ist die teuerste Studie, die das Gesundheitsministerium seit langem in Auftrag gegeben hat. Ich habe dazu folgende Fragen: Sind Sie als BMFSFJ in die Erstellung dieser Studie mit eingebunden? Warum kostet sie nicht 500 000 Euro oder 6 Millionen Euro?

Not found (Minister:in)

Diese Studie ist ein Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums und wird dort erstellt. Die Verantwortung liegt also bei diesem Ressort. Das ist Teil des Kompromisses zu § 219a. Wir als Familienministerium sind in die Koordination und Konzeption dieser Studie nicht eingebunden, aber ich denke natürlich, dass wir uns im Verlauf dazu äußern werden. Das ist aber, wie gesagt, ein Projekt des Gesundheitsministeriums. Ich habe mich zu dieser Studie schon geäußert. Wir – das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – halten sie nicht für erforderlich, weil es für diesen Fall schon zahlreiche Studien gibt. Jedes Ressort kann aber in eigener Verantwortung eine Studie in Auftrag geben, und das ist ein Projekt des Gesundheitsministeriums, worauf wir uns verständigt haben. Insofern ist die Studie auch dort verortet.

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe eine Nachfrage. – Auch wenn Sie sagen, dass das in der Verantwortung des Gesundheitsministeriums angesiedelt ist, ist es natürlich eine Gesamtaufgabe der Bundesregierung, Studien für die Bereiche zu erstellen, in denen man Erkenntnisdefizite hat. Auf der Seite familienplanung.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wird festgestellt, dass das Post-Abortion-Syndrom, um das es hier unter anderem geht, nicht festgestellt werden konnte. Das heißt, auf einer Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung steht die Aussage, dass das Syndrom, das durch eine 5-Millionen-Euro-Studie untersucht werden soll, nicht festgestellt werden kann. Diesen Widerspruch würde ich gerne von Ihnen aufgelöst wissen.

Not found (Minister:in)

Die Konzeption der Studie ist im Moment ja noch in Arbeit. Diese Frage ist natürlich durch das Gesundheitsministerium zu beantworten. Wir haben Kenntnis davon, dass die Fragen, mit denen sich die Studie auseinandersetzen soll, darüber hinausgehen. Ich denke, dass man das dann anhand der Konzeption der Studie bewerten muss. Damit wurde ja noch nicht begonnen. Ich würde an dieser Stelle gerne die Kollegin Weiss bitten, auch etwas dazu zu sagen, weil das ja ausschließlich im Ressort des Gesundheitsministers verortet ist.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Ich werbe dafür, dass wir jetzt zur nächsten Frage kommen; sonst kommen wir völlig vom Zeitplan ab. Der Gesundheitsminister wird für die Bundesregierung demnächst zur Beantwortung von Fragen hier anwesend sein; denn die Bundesregierung hat uns mitgeteilt, dass die Minister in der amtlichen Reihenfolge der Bundesministerien für Regierungsbefragungen zur Verfügung stehen werden. Ihre Nachfrage wurde beantwortet. Die Frage ist jetzt nur, ob die Frau Kollegin Weiss die Nachfrage auch noch beantworten soll. ({0}) Die Zeit ist allerdings vorbei. Seien Sie mir nicht böse, dass ich jetzt gerne die nächste Frage aufrufen würde. Vorab möchte ich sagen, dass jetzt schon fast 40 Minuten der Regierungsbefragung vorüber sind, sodass ich Fragen zu allen Bereichen zulasse. Ich gucke in Richtung der AfD-Fraktion und frage, ob Herr Pasemann oder Herr Brandner die nächste Frage stellt. – Herr Pasemann.

Frank Pasemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004847, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Ministerin Giffey, die AfD-Fraktion freut sich, dass Sie wieder da sind und Ihr kleines Praktikum bei der Berliner Müllabfuhr gut überstanden haben. Ich hoffe, Sie haben da Erkenntnisse gewonnen. Meine persönliche Meinung: Dieser orangene Einteiler stand Ihnen ausgezeichnet. Aber zur Frage. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Na ja. – Herr Kollege Pasemann, Sie haben das Wort.

Frank Pasemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004847, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Danke schön. – Seit 2014 gibt es im Rahmen der Beantragung von Fördermitteln die sogenannte Extremismusklausel nicht mehr. Die Überprüfung, ob sich ein Förderantrag auf der Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befindet oder nicht, ist von Frau Ministerin Schwesig damals abgeschafft worden. Wir als AfD-Fraktion haben damit ein kleines Problem und würden irgendwann gerne eine Wiedereinführung beantragen oder diese wenigstens beraten wollen. Mich interessiert Ihre Meinung dazu. Wie steht die verantwortliche Ministerin dazu? – Danke.

Not found (Minister:in)

Was Sie ansprechen, ist das Programm „Demokratie leben!“, unser wichtigstes Bundesprogramm für die Unterstützung der Zivilgesellschaft in der Förderung von Demokratie, in der Frage von politischer Bildung und von Jugendarbeit. Dabei geht es darum, dass wir Organisationen den Rücken stärken, die sich genau für den Erhalt der Demokratie einsetzen. Natürlich ist es wichtig, dass wir ausschließlich Projekte fördern, die auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Diese Extremismusklausel, die jeden Träger eines Projektes unter den Generalverdacht stellt, sich gegen die Demokratie zu verhalten, war in der Umsetzung nicht förderlich, weil sie eben einen Vertrauensverlust bedeutet hat und nicht zielführend für das war, worum es auch Ihnen geht, nämlich diejenigen von Förderung auszuschließen, die sich eben nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befinden. Das können wir durch ganz andere Mechanismen absichern. Wir haben eine ganz klare Verfahrensvereinbarung. Wenn ein Träger im Verdacht steht, sich nicht an die Grundsätze der Demokratie zu halten, verwehren wir die Förderung oder, sollte er bereits eine Förderung bekommen, stoppen wir die Förderung. Es wird geprüft, was an diesem Vorwurf dran ist. Dafür gibt es ein festes Verfahren, abgestimmt mit dem Bundesinnenministerium. Das hat sich bewährt. Deshalb ist meine Position dazu ganz klar: Ich möchte nicht, dass wir all die Träger, mit denen wir gut zusammenarbeiten, unter einen Generalverdacht stellen, sondern ich möchte, dass wir die Menschen, die sich in Deutschland für die Demokratieförderung einsetzen, unterstützen. Und das machen wir auch. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Räuspern ist auch für Regierungsmitglieder das Zeichen, dass die Redezeit von 60 Sekunden lange überschritten ist.

Not found (Minister:in)

Entschuldigung, Herr Präsident.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Bitte, gerne. – Keine Zusatzfrage? – Dann hat Frau Kollegin Rüthrich dazu eine Frage.

Susann Rüthrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004391, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Ministerin, auch mir persönlich liegt die Demokratieförderung sehr am Herzen. Das liegt nicht nur daran, dass ich bei mir zu Hause in Sachsen sehr oft sehe, wie nötig diese Förderung in vielen Teilen noch ist, sondern auch daran, dass ich natürlich weiß, wie wichtig und wie gut die Arbeit der vielen Aktiven ist, die im Moment überall unterwegs sind. Wir begehen ja gerade die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Ich möchte Sie gerne fragen: Wo legen Sie Ihre Schwerpunkte bei der Förderung in den Kommunen, in den Bundesländern, auf Bundesebene? Wo sehen Sie vor allem die aktuellen Herausforderungen?

Not found (Minister:in)

Wir haben im letzten Jahr die Entscheidung getroffen, das Programm „Demokratie leben!“ zu entfristen. Es wird in diesem Jahr also nicht auslaufen, sondern es geht weiter. Das ist ein wichtiges Signal an die Zivilgesellschaft, die sich in diesem Bereich engagiert. Wir haben 16 Landes-Demokratiezentren. Wir haben die 300 lokalen Partnerschaften für Demokratie, viele davon auch in Sachsen, aber auch Modellprojekte, die wir unterstützen und fördern. Wir wollen, dass diese Projekte weitergehen können. Wir werden deshalb eine neue Förderrichtlinie auf den Weg bringen, in der es erstens um die Demokratiestärkung geht, in der es zweitens um die Förderung der Vielfalt geht und in der es zum Dritten um die Vorbeugung von Extremismus geht. Das sind die großen Schwerpunkte. Wir werden Ende des Jahres dafür die neue Förderrichtlinie vorlegen und bereiten sie im Moment vor.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Sylvia Pantel, CDU/CSU.

Sylvia Pantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004370, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, wir hatten gerade heute Morgen ein Gespräch mit der Amadeu-Antonio-Stiftung über das Programm „Demokratie leben!“. Die Dame, die uns Auskunft gab, wurde nur für den Bereich des Rechtsextremismus bezahlt. Wir hatten eigentlich gedacht, dass der Ansatz umfassender ist. Ob Islamismus, linke Gewalt oder rechte Gewalt, das alles gehört zusammen. Rechtsextremismus darf nicht allein behandelt werden. In einer Broschüre wird sogar so getan, als ob Rechtsextremismus das einzige Problem sei. Es kann doch nicht sein, dass man nur Leute hat, die für Rechtsextremismus zuständig sind, und den Fokus nicht erweitert. Wäre es nicht sinnvoller, zu schauen, was allen Formen von Extremismus gemein ist und wie man gemeinsam gegen diese extremistischen Formen in der Gesellschaft vorgehen kann?

Not found (Minister:in)

Ich will darauf im Sinne des Gesamtprogramms „Demokratie leben!“ antworten. Das Programm richtet sich gegen jede Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Wir fördern Träger unterschiedlicher Richtungen, die verschiedene Schwerpunkte haben. Ich will ganz klar sagen: Wir haben eine Reihe von Trägern, die sich in den letzten Jahren gegen Linksextremismus gewandt haben. Jedes einzelne Projekt, das sich bei uns beworben hat, konnte bei der Förderung berücksichtigt werden. Wir unterstützen auch übergreifende Ansätze. Dennoch gibt es Organisationen, die einen bestimmten Schwerpunkt haben, wie das bei der Amadeu-­Antonio-Stiftung der Fall ist. Hier liegt der Schwerpunkt sicherlich bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Es geht aber auch um andere Formen und vor allen Dingen darum, die Demokratieförderung zu unterstützen. In diesem Sinne hat diese Stiftung eine Förderung erhalten.

Sylvia Pantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004370, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte dazu nachfragen. Heute Morgen wurde uns gesagt, dass man nur für Rechtsextremismus zuständig sei und dass man sich nicht mit anderen Formen von Extremismus befassen dürfe; das sei der Auftrag. Ich finde aber, man muss das übergeordnet betrachten. Die unterschiedlichen Formen von Extremismus weisen viele Schnittstellen auf. Das muss schon beim Ansatz berücksichtigt werden, und gegen diese unterschiedlichen Formen muss gemeinsam vorgegangen werden. Man darf nicht einteilen in linksextremistisch, rechtsextremistisch und islamistisch. Vielmehr muss man das alles gemeinsam betrachten.

Not found (Minister:in)

Vielen Dank. – Ich kann dazu nur sagen: Man muss unterscheiden zwischen den Programmförderschwerpunkten von „Demokratie leben!“ und dem Auftrag einer Stiftung, die gegründet wurde, weil jemand Opfer rechtsextremistischer Gewalt geworden ist. Der Fokus dieser Stiftung begründet sich durch ihren Stiftungszweck. Das ist etwas, was wir als Bundesministerium nicht vorschreiben können. Was wir tun können, ist, das Programm „Demokratie leben!“ so auszurichten, dass jede Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit angegangen wird. Das machen wir mit der neuen Förderrichtlinie. Aber es wird immer Träger geben, die aus sich heraus einen bestimmten Arbeitsschwerpunkt haben und sich mit diesem Arbeitsschwerpunkt bei uns bewerben. Davon unabhängig ist aber die breit aufgestellte Programmkonzeption für 2020, die wir im Moment erarbeiten. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Zur Beruhigung der Gemüter: Frau Pantel war ohnedies die nächste Fragestellerin. Das Wort zur nächsten Frage hat jetzt Nicole Bauer, FDP.

Nicole Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mich interessiert Folgendes: Aus Ihrem Ministerium gibt es eine Vorhabenplanung für 2019, die besagt, dass es Eckpunkte der Bund-Länder-Arbeitsgruppe für die Ganztagsbetreuung an Grundschulen geben soll. Wie ist da der aktuelle Stand? Bis wann wird uns ein schlüssiges Konzept vorgelegt, bei dem hoffentlich auch das Fachkräftethema eine Rolle spielt – das sollte nicht separat geregelt werden –, und was können Sie aktuell zu diesem wichtigen Thema hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sagen? Viele Familien warten darauf.

Not found (Minister:in)

Das Thema Ganztagsbetreuung ist mir ein Herzensanliegen, und zwar nicht nur wegen meiner damaligen Beschäftigung mit sozialen Brennpunkten, sondern auch generell aus Gründen der Gerechtigkeit und der Vereinbarkeit. Dieses Thema ist zu Recht als prioritäres Schwerpunktvorhaben in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden. Dafür stehen 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Wir haben im letzten Jahr die Bund-Länder-Arbeitsgruppe für die Schaffung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ins Leben gerufen. Diese Arbeitsgruppe ist gestartet. Wir sind im intensiven Austausch mit den Ländern und den Kommunen. Es geht einerseits um die rechtliche Verankerung im SGB VIII – darüber diskutieren wir – und andererseits um die Finanzierung. 2 Milliarden Euro werden nicht ausreichend sein, um alles abzudecken. Deshalb muss es eine gemeinsame Finanzierung von Bund, Ländern und Gemeinden geben. Jeder muss seinen Beitrag dazu leisten. Wir sind im Moment dabei, auszuloten, wie das gestaltet werden kann. Wir wollen das in diesem Jahr abschließen, sodass wir dann in das Gesetzgebungsverfahren Ende dieses Jahres bzw. Anfang nächsten Jahres eintreten können.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Weitere Fragen dazu? – Frau Bauer – nach Überlegung.

Nicole Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, nach kurzer Überlegung. – Sie haben einen Punkt noch nicht angesprochen, nämlich das Thema Fachkräftemangel. Wir behandeln es im Gute-Kita-Gesetz tatsächlich sehr ausufernd. Wie sieht es da in Grundschulen aus? Wie sorgt man aktuell vor, dass dort dieses Problem nicht wieder aufkommt?

Not found (Minister:in)

Wir haben es in Deutschland generell mit dem Problem des Fachkräftemangels zu tun. Wir haben einen robusten Fachkräftemangel in Gesundheitsberufen, in Erzieherberufen und im Handwerk. Das kam gerade heute wieder in den Nachrichten; Sie werden es verfolgt haben. Das sind Themen, die alle angehen müssen. Für mich ist ganz entscheidend – auch im Hinblick auf die Tarifverhandlungen in den letzten Tagen – die Aufwertung der sozialen Berufe. Das muss unser Thema sein: die bessere Bezahlung für Erzieherinnen und Erzieher, eine Ausbildungsvergütung. Dafür müssen alle, die daran beteiligt sind, streiten, damit es gelingt, dass mehr junge Menschen sich für einen dieser Berufe entscheiden, dass aber auch mehr diejenigen, die Erzieher gelernt haben, in diesen Beruf zurückkommen, nachdem sie rausgegangen sind. Natürlich müssen wir es schaffen, dafür zu sorgen, dass unsere Bezahlungs-, Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen so sind, dass mehr Menschen einen solchen Beruf ausüben. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Wir werden als Bund unseren Beitrag dazu leisten, und die Länder und Kommunen sind aufgefordert, das Ihrige ebenfalls zu tun. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dazu gibt es keine weiteren Fragen. – Dann stellt Gülistan Yüksel die nächste Frage.

Gülistan Yüksel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004448, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. – Frau Ministerin, wir werden nächste Sitzungswoche das Starke-Familien-Gesetz in zweiter und dritter Lesung hier beraten; Sie haben es ja eben erwähnt. Ich würde gerne wissen, was das Starke-Familien-Gesetz und das Gute-Kita-Gesetz miteinander zu tun haben. Können Sie uns das kurz erläutern?

Not found (Minister:in)

Zunächst einmal geht es darum, dass wir mit beiden Gesetzen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen wollen, dass wir auch Familien unterstützen wollen, die nicht so viel Geld zur Verfügung haben, die aber wollen, dass ihre Kinder eine gute Betreuung und Förderung bekommen. Die entscheidende Verbindung dieser beiden Gesetze liegt darin, dass wir regeln, dass all diejenigen, die den Kinderzuschlag bekommen, gleichzeitig Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket bekommen, sprich: Mittagessen, Schülerfahrkarte, Lernförderung und Schulstarterpaket, und dass all diejenigen, die vom Starke-Familien-Gesetz profitieren können – das sind rund 4 Millionen anspruchsberechtigte Kinder in Deutschland –, auch das Recht haben, von den Kitagebühren grundsätzlich befreit zu werden. Wir wissen, dass in einigen Bundesländern immer noch mehrere 100 Euro an Gebühren für einen Kitaplatz aufgerufen werden. Insofern bedeutet diese Regelung für Familien mit kleinen Einkommen, aber auch für diejenigen, die im Sozialleistungsbezug sind, erhebliche Erleichterungen und Verbesserungen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Dazu keine weiteren Fragen. Dann stellt Norbert Müller, Die Linke, eine Frage.

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir hatten vorhin die Themen: Starke-Familien-Gesetz, Nutzungsquoten, Kinderzuschlagreform. Der zweite Pfeiler des Starke-Familien-Gesetzes ist ja eine Reform des Bildungs- und Teilhabepaketes, was anders gelagert ist. Das Bundesverfassungsgericht hat 2011 geurteilt, dass ein Mindestmaß an Teilhabe gewährleistet sein muss. Daraufhin erfand eine Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat – wir waren daran nicht beteiligt – das BuT, um das zu gewährleisten. Jetzt sind die Nutzungsquoten im BuT häufig weit unter einem Drittel: bei der Lernförderung 8 Prozent, bei der Schülerbeförderung 20 Prozent, beim Mittagessen inzwischen unter 30 Prozent. Das ist ja ziemlich desaströs. Teilen Sie die Einschätzung, dass das BuT selbst damit verfassungswidrig ist? Denn das Existenzminimum eines Kindes – und das ist integraler Bestandteil – wird überhaupt nicht gewährleistet, wenn eine übergroße Mehrheit – teilweise über 90 Prozent der Berechtigten – das BuT gar nicht in Anspruch nimmt oder nicht in Anspruch nehmen kann, weil es zu kompliziert, bürokratisch und schwierig ist?

Not found (Minister:in)

Es ist definitiv ein Thema, dass nicht genügend Menschen es in Anspruch nehmen. Auf kommunalpolitischer Ebene – dort habe ich Erfahrung – hieß es immer so schön „der unsägliche 1 Euro“; gemeint war der 1 Euro für das Mittagessen. Viele haben ihn eben nicht aufgebracht. Damit verbunden war unheimlich viel Verwaltungsaufwand, und am Ende stehen die Kinder trotzdem in der Schlange, haben nichts gegessen, und man richtet sich im Rathaus auf den Härtefall ein. Das ist nicht in Ordnung. Deshalb ist der Wegfall dieses Eigenanteils für die Schülerkarte und auch für das Schulessen eine wesentliche Erleichterung – sowohl in der Abrechnung als auch hinsichtlich der Frage: Wie viele können das in Anspruch nehmen? Unser Ziel muss sein, Familien in Deutschland besser darüber aufzuklären, dass sie einen Anspruch haben. Wir finanzieren unsere Elternbegleiterinnen und Elternbegleiter weiter, die genau darauf geschult werden, dass sie Familien sagen, welche Möglichkeiten es gibt. Wir müssen die Antragsverfahren vereinfachen. Dafür sind Regelungen im Rahmen der Umsetzung des Gesetzes vorgesehen. Wir werden einen großen Fokus darauf legen, dass mehr Kinder und Eltern sowohl das Bildungs- und Teilhabepaket als auch den Kinderzuschlag in Anspruch nehmen. Dafür brauchen wir eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Und das bedeutet: Wir müssen auch mit einer einfachen Sprache, mit einfach verständlichen Antragsformularen arbeiten, weil das ansonsten nicht funktionieren wird.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Müller.

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Ministerin, die Ziele teilen wir ja. Und dass der 1 Euro wegfällt, finden wir als Fraktion gut. Der entscheidende Punkt ist doch das, was Sie gerade dargestellt haben. Was Sie tun wollen, um die Nutzungsquoten zu erhöhen, sind Dinge, die es jetzt schon gibt und die offenbar nicht funktionieren, und Dinge, die eher unter politische Prosa fallen. Mich würde interessieren, welche konkreten Maßnahmen bis zum Ende der Wahlperiode über das sogenannte Starke-Familien-Gesetz hinaus ergriffen werden, damit diese katastrophalen Inanspruchnahmequoten, die teilweise im einstelligen Prozentbereich liegen, gesteigert werden. Die Sicherstellung des Existenzminimums eines Kindes – darauf haben sie einen Anspruch – ist nicht nice to have.

Not found (Minister:in)

Ich finde, es ist keine Prosa, wenn man versucht, Maßnahmen in die Wege zu leiten, die die Dinge verständlicher machen und die Multiplikatoren, die mit den Familien arbeiten, in die Lage versetzen, über existierende Leistungen Bescheid zu wissen. Wir werden dafür mehrere konkrete Dinge tun, zum Beispiel die Möglichkeit bieten, Sammelabrechnungen für eine ganze Klasse zu beantragen, sodass das nicht einzeln gemacht werden muss. Es geht auch um die Fragen: Welche digitalen Medien können genutzt werden, um das zu unterstützen? Wie kann man diese bestehenden Verfahren vereinfachen? Es geht weiterhin darum, den Bekanntheitsgrad zu erhöhen; denn es ist erst mal wichtig, dass Menschen wissen, dass sie dieses Recht überhaupt haben. Meine Erfahrung ist immer wieder, dass sie das häufig eben nicht wissen. Das abzustellen, darauf muss unser Fokus liegen. Wir verwenden auch nicht den Langtitel des Starke-Familien-Gesetzes – er hat 23 Worte; ich weiß nicht, ob ich noch Zeit habe, ihn zu nennen –: Das ist das „Gesetz zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe“. ({0}) Das ist schön, das ist rechtskonform, aber es ist nicht das, was Familien und Eltern sich merken. Deshalb wollen wir daran etwas ändern. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Eigentlich, Frau Ministerin, hatten Sie nur 30 Sekunden.

Not found (Minister:in)

Entschuldigung, Herr Präsident.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Deswegen wäre die Kurzform ausreichend gewesen. ({0}) Jetzt stellt Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen, die nächste Frage.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, im Februar habe ich der Bundesregierung eine schriftliche Frage gestellt. Dabei ging es um den ehemaligen Beauftragten für die Nachrichtendienste des Bundes, Klaus-Dieter Fritsche. Herr Fritsche arbeitet seit kurzem als Berater für das FPÖ-geführte österreichische Innenministerium. Er soll dort den österreichischen Geheimdienst unter anderem bei der Informationsbeschaffung im präventiven Staatsschutz beraten. In der Antwort auf meine schriftliche Frage heißt es, dass man durch Fritsches Tätigkeit keine dienstlichen Interessen verletzt sieht. Seine Arbeit wurde in diesem Sinne auch formal genehmigt. Das bedeutet, dass Herr Fritsche für einen ausländischen Nachrichtendienst tätig ist und somit einem Vertreter einer rechtsextremen Partei zuarbeitet, der das österreichische Innenministerium leitet. Halten Sie es vor diesem Hintergrund im Sinne dienstlicher Interessen nicht für hochproblematisch, dass Herr Fritsche Kenntnis über sehr viele deutsche Staatsgeheimnisse hat und über geheimstes Wissen deutscher Sicherheitsbehörden verfügt? ({0})

Not found (Minister:in)

Frau Abgeordnete, ich kenne Herrn Fritsche nicht persönlich. Er ist auch nicht im Bundesfamilienministerium beschäftigt. Ich nehme aber ganz stark an, dass das zuständige Ressort Vorkehrungen getroffen hat, damit sich die Befürchtungen, die Sie hegen, nicht bestätigen. Ich würde aber, um eine adäquate Beantwortung zu ermöglichen, das Bundesinnenministerium bzw. das Kanzleramt bitten, hierzu eine Stellungnahme zu geben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Ich fürchte, Herr Hoppenstedt, da müssen Sie schon selber ran.

Dr. Hendrik Hoppenstedt (Gast)

Politiker ID: 11004305

Herr Präsident, das fürchte ich auch. – Frau Kollegin, Sie haben ja eine schriftliche Anfrage gestellt. Ich möchte noch einmal betonen, dass die Antwort, die Sie erhalten haben, in der Sache richtig und korrekt ist. Deswegen würde ich mich gerne darauf beschränken, die Antwort, die wir Ihnen schriftlich haben zukommen lassen, an dieser Stelle noch einmal zu bestätigen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Frau Mihalic.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, Herr Hoppenstedt, es wird Sie nicht wundern, dass ich dazu eine Nachfrage habe, weil sich meine Frage gerade auf die Antwort, die Sie gegeben haben, bezieht. Sie sagen ja, Sie sehen durch diese Tätigkeit keine dienstlichen Interessen verletzt. Ich möchte Sie auf einen Umstand aufmerksam machen: Im Sommer 2018 haben beim österreichischen Verfassungsschutz Razzien stattgefunden. Dabei ist auch der FPÖ-Innenminister Kickl sehr unter Druck geraten. Diese Razzien wurden im Nachhinein von einem Gericht in überwiegendem Maße als unrechtmäßig erachtet. Viele westliche Nachrichtendienste haben daraufhin betont, dass sie den Informationsaustausch mit Österreich einstellen. Auch deutsche Nachrichtendienste sollen das erwogen haben. So geht es zumindest aus einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ vom 28. August 2018 hervor. Wenn Sie all das zusammenrechnen, also diese Vorgänge in Österreich, eine rechtsextreme Partei an der Spitze des Innenministeriums in Österreich und den Umstand, dass ein Geheimnisträger, der wahrscheinlich über kaum mehr Geheimnisse verfügt, für dieses Innenministerium tätig ist, ({0}) sehen Sie dann keine dienstlichen Interessen verletzt, –

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Frau Kollegin!

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

– ich komme zum Schluss, Herr Präsident –

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Ja, bitte.

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

– oder halten Sie es nicht für zwingend erforderlich, diese Tätigkeit zu versagen, ({0}) um die vitalsten Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu schützen? ({1})

Dr. Hendrik Hoppenstedt (Gast)

Politiker ID: 11004305

Frau Kollegin, ich möchte kurz darauf hinweisen, dass wir in allen Belangen mit der Republik Österreich vertrauensvoll und gut zusammenarbeiten ({0}) und dass wir selbstverständlich in allen Bereichen, also auch auf den sicherheitsrelevanten Feldern, darauf achten, dass auch die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gewahrt bleiben. Insoweit bleibt es dabei, dass keine überzeugenden Gründe für eine Versagung der Gestattung in Bezug auf den ehemaligen Kollegen Fritsche ins Feld zu führen sind. Insoweit bleibt es auch bei meiner schriftlichen Antwort, die Sie erhalten haben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr, Herr Staatsminister. – Die nächste Frage stellt Nicole Höchst, AfD.

Nicole Höchst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004753, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank für das Wort. – Frau Ministerin, mein Stichwort lautet „Fehlerquote von Jugendämtern“. Diese wird bei der Jugendfürsorge mit bis zu einem Fünftel angesetzt. Man findet sogar Schätzungen, die von einer Fehlerquote von bis zu 25 Prozent ausgehen. Im Streitfall werden bekanntermaßen Gutachter eingesetzt und hinzugezogen. Jetzt beklagen viele traumatisierte Betroffene, dass diese kein einheitliches Vorgehen vorgeschrieben haben, und ein besonderer Kritikpunkt ist immer wieder die nicht stattfindende Anhörung. Ist der Bundesregierung dieses Problem bekannt? Wie stehen Sie dazu? Planen Sie Maßnahmen, die die bundesweite Vereinheitlichung bewirken und diese Fehlerquote senken? – Danke.

Not found (Minister:in)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, das Jugendamt erbringt eine Vielzahl von Leistungen. Es wäre schön, wenn Sie konkretisieren könnten, bei welcher Leistung Sie diese Fehlerquote sehen. Die Zuständigkeit für die Jugendämter obliegt den Ländern und Kommunen. In unsere Zuständigkeit fällt der Rechtsrahmen, das Kinder- und Jugendhilferecht, das Sozialgesetzbuch VIII, das wir im Moment modernisieren. Im Moment findet ein großer Beteiligungsprozess statt, in den sich Fachkollegen, aber auch Betroffene unter www.mitreden-mitgestalten.de einbringen können. Dort finden sie Informationen. Wir sind gerade intensiv in der Diskussion. Es geht um vier große Bereiche: Kinderschutz, Pflegekinderfamilien, sozialräumliche Fragen von Kinder- und Jugendarbeit und Inklusion. All solche Fragen können dort geäußert werden. Ansonsten verweise ich auf die Landes- und kommunale Zuständigkeit für die Jugendämter.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Haben Sie noch eine Nachfrage?

Nicole Höchst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004753, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ja, bitte.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte.

Nicole Höchst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004753, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Es geht konkret um die Inobhutnahmen, die unberechtigt waren, wie sich im Nachhinein herausstellte. Wir haben schon landes- und kommunalweit herauszufinden versucht, wer dafür zuständig ist. Die Zuständigkeiten gehen immer an die Landräte usw. usf. Die Quintessenz all dieser Gespräche, auch mit Betroffenen, ist, dass es überhaupt gar keine einheitliche Vorgehensweise gibt und dass diese Anhörungen sehr häufig ausfallen. Das nur zur Klarifizierung. Das andere ist: Ich möchte diesen Zeitrahmen für das, was Sie mit „Da ist etwas im Schwunge“ angekündigt haben, etwas konkreter fassen können. Welchen konkreten Zeitrahmen setzen Sie dafür an? – Vielen Dank.

Not found (Minister:in)

Sie meinen die Modernisierung des Kinder- und Jugendhilferechts?

Nicole Höchst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004753, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Richtig.

Not found (Minister:in)

Wir haben im Kinder- und Jugendhilferecht das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, mit dem schon in der vergangenen Legislatur begonnen wurde. Im November des letzten Jahres haben wir einen neuen Beteiligungsprozess aufgesetzt. Wir werden uns ein Jahr dafür Zeit nehmen und die Ergebnisse – wir haben eine sehr umfangreiche Beteiligung von Praktikern, von Wissenschaftlern, von Menschen, die auch in den Jugendämtern arbeiten – als Basis für das Gesetzgebungsverfahren nutzen. Wie gesagt, da wird das Thema Pflegekinderwesen, aber auch die Frage des Kinderschutzes und Kindeswohls eine ganz wesentliche Rolle spielen. Diese Dinge werden dort auch berücksichtigt. Wir werden dann im nächsten Jahr in das Gesetzgebungsverfahren einsteigen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Gibt es weitere Nachfragen zu dieser Frage? – Das ist nicht der Fall. – Dann hat der Kollege Paul Lehrieder das Wort.

Paul Lehrieder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, ich möchte auf eine andere Studie zu sprechen kommen. Der Bundestag hat Ende der letzten Legislaturperiode einstimmig eine Studie auf den Weg gebracht – ich möchte mich dafür bedanken, dass das Familienministerium, aber auch das Gesundheitsministerium, liebe Sabine Weiss, die Mittel dafür zur Verfügung gestellt haben – zur Beleuchtung der Situation von Kindern mit psychisch belasteten Eltern. Wir reden über eine Zahl von etwa 3 bis 4 Millionen Kindern in Deutschland, die diesbezüglich Hilfe brauchen. Es geht um das Zusammenwirken von Psychiatern, die die Eltern behandeln, und Kinderärzten, die die Kinder behandeln, aber auch der Jugendämter, die mit ins Boot geholt werden sollen. Wir haben vor wenigen Wochen im Familienausschuss einen Zwischenbericht von Frau Decarli, die diese Studie begleitet, gehört. Gibt es einen Zeitplan, bis wann die Ergebnisse dieser Studie vorliegen sollen? Im ursprünglichen Antrag stand auf Wunsch der Grünen: 30. Juni 2018. Das ist durch diese gründliche Regierungsbildung Anfang dieser Legislaturperiode nicht möglich gewesen. Gibt es einen Zeitplan, bis wann mit der Fertigstellung dieser Studie zu rechnen ist, und gibt es schon erste Zwischenergebnisse, Frau Ministerin?

Not found (Minister:in)

Zunächst einmal will ich sagen, dass die Frage, wie man Kinder psychisch kranker Eltern besonders unterstützen kann, für uns eine sehr wesentliche Frage ist, da sie häufig im Zusammenhang steht mit einer Suchterkrankung der Eltern, mit Drogenabhängigkeit. Deshalb arbeiten wir mit Blick auf Drogen- und Suchtmittelabhängigkeit mit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zusammen. Wir arbeiten auch mit dem Gesundheitsministerium zusammen. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in der Tat noch nicht vorgestellt. Wir hoffen, dass das im Sommer der Fall sein wird. Wir werden daraus dann auch konkrete Maßnahmen ableiten, um Kinder, die in solch einer besonderen Situation sind, zusätzlich zu unterstützen. Ich würde Sie gerne auf dem Weg unserer Ausschuss- und sonstigen Parlamentsarbeit auf dem Laufenden halten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben keine Nachfrage? – Hat jemand anderes eine Nachfrage zu dieser Frage? – Das ist nicht der Fall. – Dann stellt die nächste Frage der Kollege Daniel Föst.

Daniel Föst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004716, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. – Ich weiß, es ist im politischen Framing mittlerweile so üblich, dass man denjenigen, die ein Leitbild fordern, nachsagt, sie wollten Zwang. Ich kann Sie aber beruhigen: Weder der Europäische Rat noch unsere europäischen Nachbarn noch die FDP möchten mit einem Leitbild Zwang ausüben. Dem widerspricht ja auch das Kindeswohl, das über allem steht. Da machen wir einen Haken ran. Was uns, was mich umtreibt, ist unser Regelungsrahmen im Familienrecht. Er erscheint im europäischen Vergleich sehr streitanfällig. Wie stehen Sie dazu, dass wir die Mediation stärken, vielleicht sogar auch außerhalb des rechtlichen Systems, außerhalb der Justiz? Denn wenn man erst mal im Gerichtssaal steht, ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, und die Familien, insbesondere das Kind, leiden.

Not found (Minister:in)

Also, ich kann nur jedes Bemühen, das es im Rahmen einer guten Eltern- oder Familienberatung schafft zu verhindern, dass es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, positiv bewerten. Natürlich müssen Eltern in dieser besonderen Lage, in einer Trennungssituation Unterstützung erfahren; deshalb ist das auch ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen. Es geht nicht nur um die Förderung der Partnerschaftlichkeit in einer Familie; vielmehr geht es beim Thema „gemeinsam getrennt erziehen“ um die Frage, wie man beratend, ohne eine gerichtliche Auseinandersetzung, dazu beitragen kann, dorthin zukommen. Das sind Fragen, mit denen wir uns auch beschäftigen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben keine Nachfrage? – Gibt aus dem Plenum eine Nachfrage? – Das ist nicht der Fall. – Die nächste Frage stellt Leni Breymaier. – Das hat sich erledigt. – Dann stellt die nächste Frage Susann Rüthrich. – Das hat sich auch erledigt. – Dann ist Cornelia Möhring die Nächste.

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Frau Ministerin, im Koalitionsvertrag wurde eine Reform des sozialen Entschädigungsrechtes angekündigt. Auch wenn das Vorhaben schwerpunktmäßig im Ministerium Ihres Kollegen Hubertus Heil angesiedelt ist, ist Ihr Ministerium doch stark daran beteiligt. Können Sie uns bitte Auskunft geben, wie der Stand dieser Reform ist und wann sich das Kabinett damit beschäftigen wird?

Not found (Minister:in)

Sehr gerne, Frau Abgeordnete. Ich würde dann gleich auch noch an die Parlamentarische Staatssekretärin übergeben. Die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsministerium läuft sehr gut. Aus unserer Sicht stellt sich bei der Beschäftigung mit dem Thema besonders die Frage: Wie können wir Menschen, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, die Opfer sind, unterstützen? Wir haben dazu eine umfängliche Stellungnahme für das Gesetzgebungsverfahren abgegeben. Diese ist dort auch eingeflossen. Insofern finden wir, dass das auf einem sehr guten Weg ist, und hoffen, dass wir in diesem Jahr auch dort entsprechend weiterkommen. Vielleicht kann ich an das zuständige Ressort weitergeben, damit Details ausgeführt werden können.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zu einer Nachfrage.

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke. – Ich hätte jetzt auch nach Details, also nach den konkreteren Planungen, gefragt.

Anette Kramme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003162

Das bedeutet, dass Sie gerne etwas über den Zeitplan wissen möchten. – Diesen kann ich Ihnen auswendig nicht nennen. Meines Wissens ist es so, dass zu der Thematik weiterhin Gespräche geführt werden. Ich habe aber auswendig keinen Zeitplan vor Augen und kann Ihnen dazu an dieser Stelle nichts sagen. Wir können Ihnen diesen, soweit er existent ist, aber gerne nachreichen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer weiteren Nachfrage hat Norbert Müller das Wort.

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es gab ja Anfang des Jahres dazu eine Verbändeanhörung im BMAS. Es müsste jetzt ja sozusagen noch etwas passieren. Mich würde Folgendes konkret interessieren: Sie, Frau Ministerin, haben selber angedeutet, dass es im Sozialen Entschädigungsrecht gerade um die Opfer sexuellen Missbrauchs geht. Bisher sind die Regelungen ja so, dass jemand nicht nur nachweisen muss, Opfer geworden zu sein. Vielmehr muss er auch nachweisen, dass dieser Missbrauch später zu einer gesundheitlichen Schädigung geführt hat. Das ist in der Regel für die, die es trifft, gar nicht leistbar. Deswegen möchte ich gerne wissen, ob die Bundesregierung beabsichtigt, diesen Missstand durch Beweislastumkehr zeitnah abzustellen, und ob wir uns darauf verlassen können, dass dazu in absehbarer Zeit etwas ins Kabinett kommt.

Not found (Minister:in)

Vielleicht sage erst ich kurz etwas dazu. – Für uns war das in unseren Stellungnahmen dazu, aber auch in Absprache mit dem Betroffenenrat und dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ein ganz wesentliches Thema. Wir haben gesagt, dass diese doppelte Kausalität, die dort nachgewiesen werden muss, ein großes Problem ist. Wenn jemand einen Beinbruch erleidet, ist immer klar, was Folge und was Ursache ist. Bei einem sexuellen Missbrauch ist das weitaus komplizierter. Es war für uns ein wesentlicher Punkt, in unserer Stellungnahme zu sagen: Wir wollen die Hürden für eine Entschädigung herabsetzen, indem wir eben diese doppelte Kausalität abschwächen und es damit schaffen, dass diejenigen, die davon betroffen sind, nicht zweimal einen Nachweis erbringen müssen. – Das haben wir in das Gesetzgebungsverfahren auch eingebracht.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Ministerin. – Die letzte Frage stellt Dr. Kirsten Kappert-Gonther.

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, Sie wissen wahrscheinlich, dass zwei Drittel der Beschäftigten der Krankenkassen weiblich sind, in den Vorständen aber nur 0 bis 21 Prozent Frauen vertreten sind. Es ist in den Entscheidungsgremien des Gesundheitswesens generell so, dass die Expertise von Frauen in den Vorständen viel zu wenig abgebildet wird. Ich frage Sie: Teilen Sie die Auffassung, dass es dringend notwendig ist, dass sich auch im Gesundheitswesen auf der Leitungsebene die spezifische Sicht von Frauen abbildet? Was werden Sie politisch dafür tun?

Not found (Minister:in)

Das Thema „Frauen in Führungspositionen“ ist in unserem Ministerium ja grundsätzlich im Bereich der Gleichstellung ein sehr wichtiges Schwerpunktthema. 2015 ist das Führungspositionen-Gleichberechtigungsgesetz mit einer Quote in den Aufsichtsräten der deutschen Unternehmen erlassen worden. Seit der Einführung dieses Gesetzes gilt die Quote von 30 Prozent. Wir sehen, dass die Realität in den Vorständen der Unternehmen anders ist. Das gilt auch für die Gesundheitsunternehmen. In Deutschland liegt der Anteil von Frauen in den Vorständen bei 6 Prozent. Männer sind zu 94 Prozent vertreten. Das gilt für alle großen Unternehmen in der Gesundheitsbranche und in vielen anderen auch. Wir erachten es für sehr nötig, dass in allen Bereichen, im Übrigen auch in den Bundesbehörden, das Thema „Frauen in Führungspositionen“ stärker angegangen wird. Wir werden zum Thema „Frauen in Führungspositionen“ eine entsprechende Änderung im Handelsgesetzbuch für die Unternehmen, aber auch im Bundesgleichstellungsgesetz voranbringen. Selbstverständlich unterstütze ich das Bemühen, auch im Gesundheitsbereich mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Das ist eine zeitgemäße Frage. Dabei geht es darum, die gesamtgesellschaftliche Realität abzubilden und unterschiedliche Positionen einzubeziehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben noch eine Nachfrage?

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ja, ich habe noch eine Konkretisierungsfrage. Wir Grünen haben ja einen Antrag eingebracht, der vorsieht, in diesem Bereich auch zu quotieren. Dieser wird breit unterstützt von Spitzenfrauen im Gesundheitswesen. Wie stehen Sie zu dieser Frage der Quotierung in den Entscheidungsgremien des Gesundheitswesens?

Not found (Minister:in)

Ich finde, man muss sich das genau ansehen und abwägen. Ich würde darüber auch gerne mit denjenigen sprechen, die betroffen sind. Ich nehme das, was heute gesagt wurde, einfach mal mit. Ich glaube, Quotenregelungen sind nur ein Teil der Lösung; denn wir sehen, dass sich an bestimmten Stellen – das war bei den Aufsichtsräten 2015 der Fall – erst durch die Einführung einer Quote etwas getan hat. Insofern ist das ein Aspekt. Ich denke, es geht aber um viel mehr: Es geht um eine klischeefreie Berufswahl. Es geht um die Förderung von Frauen, auch am Beginn ihrer Karriere. Es geht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es geht um Rollenbilder, die wir verändern müssen. Es ist ein Gesamtpaket, das es braucht, damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen können. Für genau dieses Gesamtpaket – Vereinbarkeit, Vorbilder, entsprechende Förderung von Frauen in Führungspositionen – arbeiten wir auch. Das müssen wir angehen. Ich denke, das trifft für den Gesundheitsbereich ganz genauso zu.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Ministerin, und natürlich auch Dank an alle anderen Beteiligten, die hier geantwortet haben. – Ich beende die Befragung.

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer derzeit versucht, die Folgen der geplanten EU-Urheberrechtsreform abzuschätzen, ohne bereits knietief im Thema zu stehen, kann einem fast leidtun. Die einen reden von der Stärkung der Kreativen und der Zähmung der Internetriesen, die anderen von Uploadfiltern und dem Ende des freien Internets. Angesichts von fast 100 Seiten Juristenenglisch ist es vielleicht auch einmal erhellender, zu schauen, wessen Anliegen hier verhandelt wurden. ({0}) Da sind vor allem die Interessen einer Lobby großer Verlage, insbesondere der Musik- und Zeitungsbranche. Diese haben beispielsweise dafür gesorgt, dass das bereits in Deutschland gescheiterte Leistungsschutzrecht für Presseverlage – allerdings jetzt in verschärfter Form – in Artikel 11 Auferstehung feiert. Insofern werden wiederum Journalisten und Journalistinnen keine höheren Vergütungen bekommen. ({1}) Dass nun Unionsabgeordnete wie beispielsweise Herr Schipanski – der aufs Stichwort kommt –, ({2}) den eigenen EU-Abgeordneten in die Parade fahren, ist ein überaus entzückendes Erlebnis für die Opposition, allerdings ist es völlig unglaubwürdig, weil Sie beim Leistungsschutzrecht hier im Bundestag noch tapfer mitgemacht haben. ({3}) Wir verbuchen das unter: Schiss vor Europawahl, #niewiedercdu, #niewiederspd. ({4}) Der umstrittene Artikel 13, der Onlineplattformen zum Filtern hochgeladener Inhalte verpflichten soll, stammt ebenso von der Wunschliste großer Medienunternehmen wie die Verlegerbeteiligung an Einnahmen von Verwertungsgesellschaften. Damit verlieren wiederum Autoren und Autorinnen bis zu 50 Prozent an Kopiervergütungen. Dass also diese neuen Regelungen den Kreativen zugutekommen, ist einmal mehr nicht zu erwarten. Zwischenzeitlich waren einige Regelungen im Gespräch, die deren Rechte tatsächlich gestärkt hätten, also ihnen beispielsweise Vergütungsrechte für jede Nutzungsform ihrer Werke zugesichert hatten. Aber genau diese sind nun erheblich abgeschwächt worden, und das auf Druck der Verlage. Dass diese ihrerseits kein Interesse daran haben, die Verhandlungsposition von Urheberinnen und Urhebern zu stärken, überrascht in diesem Hause wahrscheinlich niemanden. Die Internetwirtschaft hat ihrerseits die Rolle eingenommen, sich gegen Artikel 13 zur Wehr zu setzen. Nun sind bekanntermaßen Google, Facebook und Co aus gutem Grund keine Sympathieträger. An vielen Stellen wünschte man sich sehr wohl staatliche Durchgriffe, beispielsweise bei einer angemessenen Besteuerung. Diese Reform ist aber in diesem Punkt schmerzhaft kurzsichtig. Gerade die großen Monopolisten werden die Reformkosten leichter stemmen können als kleine Plattformen, und sie werden bei den Lizenzverhandlungen in weit stärkeren Verhandlungspositionen sein als alle anderen. Facebook lobbyiert, wie inzwischen bekannt geworden ist, hinter den Kulissen sogar für den Einsatz von Uploadfiltern: von Urheberrechtsverletzungen über Hate Speech bis zum Terrorismus. Man sieht also: An dieser Stelle sieht Facebook offensichtlich eine Variante, eine bequeme Möglichkeit, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Nahezu unsichtbar waren zunächst die Anliegen derjenigen, die Werke nutzen und rezipieren. Von ein paar Verbesserungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich abgesehen, tauchen diese in dieser Reform überhaupt nicht auf, und sie werden doch von den Verwerfungen durch Artikel 11 und 13 direkt betroffen sein. Sichtbar haben sich diese erst durch ihre großartigen Demonstrationen und durch die Petition mit 5 Millionen Unterschriften gemacht, und man kann ihnen dafür nur Danke sagen. ({5}) Sie haben verstanden: Ohne massive Ausweitungen von Filtersystemen werden die Reformanforderungen nicht zu erfüllen sein. Mit ihnen werden die jungen Nutzer und Nutzerinnen massiv eingeschränkt werden. Damit haben wir ein freiheitliches Problem in diesem Land, erst recht im Internet. Dass automatisiertes Filtern eben nicht gestattet, erlaubte von unerlaubten Nutzungen zu unterscheiden, scheint einem Berichterstatter wie Herrn Voss aus der EVP-Fraktion völlig egal zu sein. Schließlich wird auch für kleine wirtschaftliche Akteure das Internet unfreier und unsicherer. Da frage ich gerade die CDU, gerade die SPD: Wo bleibt denn da fairer Wettbewerb? ({6}) Die Dominanz einzelner kommerzieller Interessen, maßgeblich der Verlagslobby, hat die Diskussion entgleisen lassen. Selbst wenn der desaströse Entwurf am 23. März 2019 im Europaparlament abgewendet werden könnte, so ist andererseits eine große Chance vertan, ein modernes, zeitgemäßes Urheberrecht auf den Weg zu bringen. Das ist aus unserer Sicht vollkommen verantwortungslos. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker das Wort. ({0})

Elisabeth Winkelmeier-Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003865, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der geplanten Richtlinie geht es um Grundrechte. Es geht unter anderem um Meinungs- und Pressefreiheit, um die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, und es geht um den Schutz des geistigen Eigentums. Es geht um Grundrechte von Kreativen, von Nutzern, aber auch um Rechte und Pflichten der Plattformen. Es geht darum, diese unterschiedlichen Rechte und Pflichten in einen guten Ausgleich zu bringen. Darüber wird gerade auf noch recht abstraktem Level in Brüssel verhandelt – das wird ja auch manchmal kritisiert; aber das ist bei Richtlinien immer so. Es wird dann wahrscheinlich unsere Aufgabe sein, das zu konkretisieren und einige Fragen dabei noch näher zu beantworten. ({0}) – Im Moment wird in Brüssel verhandelt, und wir werden die Aufgabe haben, das dann umzusetzen. Die Rechtslage, die heute besteht, schafft diesen fairen Ausgleich, den wir an dieser Stelle brauchen, nicht. In dem Dreiecksverhältnis zwischen Künstlern, Plattformen und Nutzern hat sich ein Geschäftsmodell etabliert, das unfair ist. Denn wenn ein Künstler einen erfolgreichen Song schreibt, dann verdiente er früher daran, dass CDs verkauft wurden. Heute hat sich das gewandelt. Es werden kaum mehr CDs verkauft. Stattdessen wird ein Song auf einer Plattform hochgeladen – entweder von einem Nutzer oder in bestimmten Fällen vom Künstler selber; das kann auch sein –, und der Song kann dann umsonst gestreamt werden. Trotzdem wird damit Geld verdient, und zwar auf die Art und Weise, dass die Plattform Werbung dazu schaltet. Diese Einnahmen aus der Werbung kommen zu geringsten Prozentsätzen, wenn überhaupt, beim Künstler an, und verbleiben in der Regel bei der Plattform. Die Plattform kann sich dann darauf berufen, dass sie das ja gar nicht mitbekommen hat. Sie steht unter dem Grundsatz „Notice and take down“. Aber sie schafft es, Werbung dazu zu schalten und dafür Geld einzunehmen, und das führt zu einem doch recht merkwürdigen Ergebnis. Wir wissen alle: Auf jedem Dorffest müssen unsere Vereine GEMA-Gebühren bezahlen. Auf der anderen Seite können sich diese Plattformen dem entziehen, weil sie den Grundsatz für sich in Anspruch nehmen, dass sie nur dann haften, wenn sie auf ein Werk hingewiesen wurden, das urheberrechtswidrig auf ihrer Plattform steht, und nur dann brauchen sie tätig zu werden. Das Ergebnis ist, dass die Künstler von ihrer Arbeit häufig nicht mehr leben können; sie bekommen den Gewinn nicht mehr. Das schränkt deren Kunstfreiheit zunächst einmal ganz schön ein, und das schränkt für uns alle auch kulturelle Vielfalt ein. Für den Bereich der Musik gibt es dazu auch handfeste Zahlen: Man geht davon aus, dass der Marktanteil von YouTube bei den gestreamten Musikstücken etwa bei 40 Prozent liegt, aber die Einnahmen, die von dort kommen, sich im Bereich von 1 bis 2 Prozent bewegen. ({1}) Da sieht man dieses Ungleichgewicht, und wir wollen es nicht bestehen lassen. Ich glaube, das Thema ist es wert, sich darum zu kümmern. Ich schaue auch auf die Nutzer. Wenn ein Nutzer ein Werk ohne Lizenz hochlädt, dann verstößt er heute gegen Urheberrecht. Meistens passiert nichts, aber der Nutzer setzt sich doch der Gefahr aus, dass es Abmahnungen gibt, dass Unterlassungserklärungen von ihm verlangt werden. Ich finde, das ist eine Einschränkung seiner Freiheit, sich unbefangen im Netz zu äußern. Die Richtlinie, von der die Rede ist, soll hier Lösungen bieten, und sie zielt auf das Geschäftsmodell der großen Plattformen. Es soll erreicht werden, dass hier faire Lizenzverträge geschlossen werden, wie es andere Marktanbieter schon machen; es gibt dafür ja Beispiele. Dabei ergeben sich viele Abgrenzungs- und Auslegungsfragen. Deshalb wurden zum Beispiel Non-Profit-Plattformen aus der Regelung herausgenommen. Ein Vorteil für die normalen User wäre, dass über ihnen nicht mehr das Damoklesschwert möglicher Abmahnungen aufgrund von Urheberrechtsverletzungen schwebt. Wir wissen aber auch, dass viele Nutzer die Sorge haben, dass sie mit ihren eigenen kreativen Ideen, mit Satire, Parodien und Zitaten, auf der Strecke bleiben. Auch da geht es um Freiheit, und es geht auch da um materielles Urheberrecht, das ihnen zusteht. Denn es gibt nicht nur den Schutz des Künstlers, sondern auch die Schranken des Urheberrechts, auf die sich Nutzer bei ihren Verfremdungen und Verarbeitungen geschützter Werke berufen können; das ist uns ebenfalls wichtig. Beides unterliegt dem materiellen Urheberrecht, beides ist geschützt, und beides muss in der Regelung, die wir hinterher auf den Weg bringen, zum Zuge kommen. ({2}) Ich bin ganz optimistisch, dass die Lösung viel besser sein wird als das, was heute diskutiert wird. Es wird heute immer über Worst-Case-Szenarien diskutiert. Unsere Aufgabe ist es doch, einen guten Weg und einen guten Ausgleich der Interessen zu finden. Da sehe ich sehr konkrete Anknüpfungspunkte. Es ist jetzt noch zu früh, über konkrete Ideen zu sprechen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Winkelmeier-Becker, das können wir jetzt auch nicht mehr. ({0})

Elisabeth Winkelmeier-Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003865, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Genau. – Wir werden Vorschläge vorlegen, für die wir kein Urheberrecht beanspruchen werden. Wir würden uns freuen, wenn es dafür große Mehrheiten gibt. Herzlichen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Joana Cotar für die AfD-Fraktion. ({0})

Joana Cotar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004696, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Gestern wurde das Internet 30 Jahre alt. Pünktlich zu diesem Geburtstag schickt sich die EU nun an, das freie Netz, so wie wir es kennen, zu zerstören. Zu verdanken haben wir das auch unserer Bundesregierung. ({0}) Ende März soll die Urheberrechtsreform beschlossen werden und mit ihr Artikel 13, der bestimmt, dass Plattformanbieter im Internet für Rechtsverletzungen nicht erst dann haftbar sind, wenn sie darauf hingewiesen werden, sondern schon ab dem Moment des Uploads. Angesichts der Datenmengen, die täglich auf Plattformen wie Facebook oder YouTube hochgeladen werden, bleibt den Firmen nichts anderes übrig, als sogenannte Uploadfilter zu installieren. Diese Filter werden alles, was Sie, meine Damen und Herren, ins Internet hochladen wollen, überprüfen und automatisch entscheiden, ob der Inhalt eingestellt werden darf oder nicht. ({1}) Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie Uploadfilter als unverhältnismäßig ablehnt. Auf EU-Ebene haben sich aber gerade Vertreter der Union und der SPD vehement für Artikel 13 eingesetzt. ({2}) Sie haben die Menschen getäuscht und belogen, meine Damen und Herren von der Regierung. Ihr Koalitionsvertrag ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. ({3}) Alle Fachleute sind sich einig: Solche Filter funktionieren nicht. ({4}) Sie sind völlig ungeeignet, um zulässige Parodien, Zitate oder lustige Memes von echten Urheberrechtsverletzungen zu unterscheiden. Es wird zu einem massiven Overblocking kommen; völlig legale Inhalte werden zensiert. Der Erfinder des Internets, Tim Berners-Lee, und 70 weitere Internetpioniere haben sich mit einem Brief an die Abgeordneten des Europaparlaments gewandt und haben deutlich vor diesen Filtern gewarnt. Sie würden aus dem offenen Internet ein Werkzeug für automatisierte Überwachung und Kontrolle der Nutzer machen. Der UN-Sonderbeauftragte für Meinungsfreiheit, David Kaye, betont, dass ein neues Urheberrecht nötig sei, aber nicht auf Kosten der freien Meinungsäußerung, und genau die würden die Filter gefährden. Sie sind daher nicht die richtige Lösung. ({5}) Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte und der Direktor des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb kritisieren Artikel 13 und warnen vor den Folgen. Die Niederlande, Luxemburg, Polen, Finnland und Italien haben die Gefahren erkannt und lehnen diese neue Richtlinie ab, da sie kein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Rechteinhaber und den Interessen der Bürger schafft. Sie wird auch dazu führen, dass gerade kleine Anbieter und Start-ups – wir haben es gehört – das Nachsehen haben werden; denn sie haben gar nicht die Ressourcen, um die neuen Aufgaben zu erfüllen. Damit wird einer weiteren Konzentration im Internet Vorschub geleistet. Die Großen werden wieder die Gewinner sein. ({6}) Doch all das interessiert die Vertreter der Union und der SPD nicht. Im Gegenteil: Frau Merkel hat betont, sie möchte diese Filter unbedingt; sie nennt sie sogar schon scherzhaft „Merkel-Filter“. Sie findet das lustig. Mir bleibt beim Umgang mit der Meinungsfreiheit in diesem Land das Lachen im Halse stecken, meine Damen und Herren. ({7}) Justizministerin Barley von der SPD meinte vor der letzten Trilogverhandlung noch, dass sie keine Filter möchte. In den Verhandlungen hat sie dafürgestimmt. Wie glaubwürdig sind diese Sozialdemokraten noch? Wenn Sie wissen, dass etwas falsch ist, dann lehnen Sie es verdammt noch mal ab! So kann Sie kein Mensch mehr ernst nehmen. ({8}) Eine Petition für Freiheit im Internet hat fast 5 Millionen Unterschriften gesammelt. Junge Menschen gehen zu Tausenden auf die Straße und demonstrieren gegen die Filter. ({9}) Und was machen die EU-Abgeordneten der Union? Zuerst behaupten sie, der Protest sei nicht real, dahinter würden nur Bots stecken. Als diese angeblichen Bots dann auf die Straße gegangen sind, haben die Abgeordneten sie als Mob beschimpft. Deutlicher kann man die Verachtung gegenüber den Wählern nicht ausdrücken. ({10}) Dem Ganzen die Krone aufgesetzt hat aber Manfred Weber, Spitzenkandidat für die EVP und CSU-Mitglied. Nachdem für den 23. März europaweit Demonstrationen angekündigt wurden, versuchte Herr Weber, die Abstimmung im Europaparlament vorzuziehen, um diese Demonstrationen ins Leere laufen zu lassen. ({11}) Das ist die EU, wie wir sie kennen, ({12}) und genau das ist die EU, wie wir sie nicht mehr wollen. ({13}) Urheberrecht, die Uploadfilter, NetzDG, der neue Medienstaatsvertrag, der Aktionsplan gegen Verbreitung von Fake News, eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen in der EU und in Deutschland zeigen, wohin die Reise geht. Man will das Internet als Ort der freien Meinungsäußerung zerstören, weil es den Etablierten schlicht ein Dorn im Auge ist. ({14}) Die Menschen informieren sich nicht mehr bei den parteikontrollierten Medien, sondern vor allem im Netz. Diesen Ort konnten die Etablierten bisher nicht kontrollieren. Das soll sich nun ändern, und das mit allen Mitteln. Doch diesem Kampf gegen die Freiheit stellen wir uns entgegen. Die AfD hat schon letztes Jahr im EU-Parlament gegen die Uploadfilter gestimmt, und wir werden das Ende März wieder tun; denn wir von der AfD lehnen jede Art der Zensur ab. Wir stehen für ein offenes und ein freies Internet, wir stehen vor allem auch für die Meinungsfreiheit. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Christian Lange. ({0})

Christian Lange (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003168

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die digitale und vernetzte Welt eröffnet Chancen, Chancen für Kreative, Unternehmen der Kulturwirtschaft und für Nutzer, Chancen, die noch lange nicht ausgeschöpft sind. Die europäische Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt ist ein wichtiger und überfälliger Schritt, um diese Potenziale für alle Beteiligten weiter zu erschließen. Wichtig ist: In der Richtlinie geht es nicht nur um die in der Öffentlichkeit heiß diskutierten Fragen der Verantwortlichkeit von Plattformen und das heute auf der Tagesordnung stehende Thema. Es geht gleichzeitig auch um bessere Vertragsbedingungen für Künstlerinnen und Künstler, um grenzüberschreitende Bildungsangebote, um die Beteiligung vor allem der deutschen Verlage an den Kopiervergütungen, um wissenschaftliche Analysen digitaler Datenbestände per Text- und Data-Mining und um die Zugänglichkeit von vergriffenen Werken. Aber natürlich spielen auch Fragen der Meinungsfreiheit eine wichtige Rolle. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Bundesregierung, insbesondere mein Haus, nimmt den Schutz der Meinungsfreiheit in diesem Gesetzgebungsvorhaben sehr ernst. Wir haben uns über viele Monate intensiv in Brüssel dafür eingesetzt, das Spannungsverhältnis zwischen einem effektiven Schutz von Immaterialgüterrechten einerseits und der Meinungsfreiheit andererseits möglichst grundrechtsschonend aufzulösen. Die Bundesregierung hat den Gesamtkompromiss des Trilogs zur Urheberrechtsrichtlinie im Februar mitgetragen. Die nach wie vor in der Bundesregierung bestehenden großen Vorbehalte gegenüber Artikel 13 haben wir auch im Kreis der Mitgliedstaaten deutlich gemacht. Sollte die Richtlinie in der gegenwärtigen Form verabschiedet werden, werden wir bei der Umsetzung ins deutsche Recht besonders darauf zu achten haben, wie den berechtigten Bedenken im Hinblick auf diese Regelung Rechnung getragen werden kann. Lassen Sie mich dies kurz erläutern. Artikel 13 in der Fassung des Trilog-Kompromisses vom 13. Februar 2019 sieht vor, dass bestimmte kommerziell tätige Uploadplattformen für urheberrechtlich geschützte Inhalte verantwortlich sind, wenn Uploader Inhalte dort hochhalten. Etliche Uploadplattformen sollen nach der gegenwärtigen Konstruktion hiervon allerdings ausdrücklich ausgenommen sein, zum Beispiel Wikipedia oder auch wissenschaftliche Open-Access-Datenbanken. Außerdem enthält die Richtlinie einen allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der es uns bei der Umsetzung ins deutsche Recht ermöglicht, weitere spezifische Plattformen von den Pflichten der Vorschrift zu entbinden. In der Praxis geht es also um kommerzielle Dienste wie YouTube oder Facebook. Weil diese Plattformen künftig also urheberrechtlich verantwortlich sein sollen, sollen sie Lizenzen für die zugänglich gemachten Inhalte erwerben, sofern solche Lizenzen verfügbar sind. Sind, aus welchen Gründen auch immer, keine Lizenzen abgeschlossen, soll sich die Plattform von der Haftung für nichtlizenzierte Uploads befreien können, wenn sie folgende Verpflichtungen erfüllt: Sie soll dann zum einen bei einem illegalen Upload nach einem qualifizierten Hinweis den entsprechenden Inhalt unverzüglich vom Netz nehmen. Diese Take-­down-Verpflichtung ist nichts Neues, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diese Pflicht besteht nach der E-Commerce-­Richtlinie seit 20 Jahren, also seit der Steinzeit des Internets. ({0}) Europarechtlich neu wäre bei Verabschiedung der Richtlinie die Stay-down-Verpflichtung: Wenn die Rechteinhaber der Plattform valide Informationen über geschützte Inhalte zur Verfügung stellen und verlangen, dass diese auf der Plattform nicht erscheinen sollen, wäre dies zukünftig zu gewährleisten, soweit technisch und wirtschaftlich zumutbar. Für Deutschland ist im Übrigen auch eine solche Regelung nichts Neues; denn nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sind aufgrund der sogenannten Störerhaftung jedenfalls große Plattformen wie YouTube schon nach geltender deutscher Rechtslage verpflichtet, das Stay-down geschützter Inhalte nach einer bekanntgewordenen Rechtsverletzung zu garantieren, natürlich immer unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Der gegenwärtige Richtlinientext sieht darüber hinaus vor, dass Start-up-Unternehmen in den ersten drei Jahren am Markt von der Stay-down-Verpflichtung ausgenommen sind, solange sie nicht mehr als 5 Millionen Nutzer pro Monat haben und der jährliche Umsatz nicht 10 Millionen Euro übersteigt. Dies haben wir in schwierigen Verhandlungen durchgesetzt. Wir hätten uns hier in der Tat eine großzügigere Ausnahme gewünscht. Mehr war aber, insbesondere mit unseren französischen Partnern, letztlich in Brüssel nicht zu erreichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zielrichtung des Artikels 13 ist vorrangig eine Stärkung der Urheberrechte in der digitalen und vernetzten Welt. Die Grundrechtecharta der Europäischen Union, auf die es in erster Linie ankommt, weil wir über europäisches Recht reden, sagt in Artikel 17 Absatz 2 kurz und knapp: Geistiges Eigentum wird geschützt. Dieser Schutz ist geboten; denn sowohl nach internationalem, nach europäischem wie auch nach deutschem Urheberrecht ist dem Rechtsinhaber das Onlinerecht vorbehalten, also die ausschließliche Entscheidung darüber, ob seine Inhalte in digitaler Form im Netz einem weltweiten Publikum zugänglich sein sollen. Und eben dazu dient eine Stay-down-Verpflichtung, die verhindern soll, dass der Rechtsinhaber einem Hase-und-lgel-Spiel ausgesetzt ist. Sie soll verhindern, dass nach einem Hinweis derselbe, gerade im Take-down-Verfahren entfernte Inhalt sofort erneut auf der Plattform auftaucht. Die Meinungsfreiheit nun ist unionsrechtlich in Artikel 11 der Grundrechtecharta geregelt. Dort heißt es in Absatz 1 Satz 1: Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Ist aber, frage ich Sie, der unlizenzierte Eins-zu-eins-Upload einer MP3-Musikdatei oder eines Fernsehmitschnitts im MP4-Format mit urheberrechtlich geschütztem Inhalt auf eine Plattform ein gerechtfertigter Akt der Meinungsfreiheit? Nein, zweifelsfrei nicht; denn, wie gesagt: Es ist zwar gesetzlich erlaubt, eine private Kopie eines geschützten Werkes anzufertigen, nicht erlaubt ist es aber, diese Kopie weltweit im Internet zugänglich zu machen. Besondere Bedeutung gewinnt die Meinungsfreiheit dann, wenn ein Uploader zulässigerweise urheberrechtlich geschütztes Material verwendet, zum Beispiel, um zu zitieren, um zu parodieren oder um sich kreativ mit einem bestehenden Werk auseinanderzusetzen. Die damit verbundenen Herausforderungen im Kontext der Stay-down-Verpflichtung waren im Vorschlag der Europäischen Kommission vom September 2016 nur höchst unzureichend ausgestaltet. Auch das erste Verhandlungsmandat des Rates im Mai 2018 hat uns insoweit nicht überzeugt, weshalb Deutschland diesem Mandat damals nicht zugestimmt hat. Wir konnten aber seitdem deutliche Verbesserungen erreichen. Im Entwurf des Artikels 13 ist nun ausdrücklich eine gesetzliche Erlaubnis für User-generated Con­tent enthalten – übrigens auf Vorschlag der Bundesregierung. Das ist ein Erfolg; denn damit sind Uploader als wichtige Akteure und Prosumer der Plattformökonomie im EU-Urheberrecht erstmals ausdrücklich anerkannt. ({1}) Zudem ist klargestellt, dass der Stay-down-Mechanismus nicht zum Blockieren lizenzierter Inhalte oder gesetzlich erlaubter Nutzungen wie etwa für Zitate oder Parodien führen darf. Auf diesen Aspekt werden wir bei der Umsetzung ins deutsche Recht besonders achten. Ohnehin sieht die Richtlinie vor, dass hierbei hohe Sorgfaltsstandards einzuhalten sind. Die Plattformen müssen außerdem einen neutralen Beschwerdemechanismus zur Verfügung stellen. Der Rechtsweg zu den Gerichten bleibt darüber hinaus vorbehalten. ({2}) Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss nicht verhehlen, dass wir uns an der einen oder anderen Stelle auch noch andere, netzaffinere Regelungen hätten vorstellen können. Dennoch: Richtig bleibt nach wie vor das Argument der Kritiker, dass große, marktmächtige Plattformen die neuen Pflichten besser erfüllen können werden als Nischenanbieter oder innovative Plattformkonzepte. Gerade diese Anbieter tragen aber zur Meinungsvielfalt im Netz bei. Das spräche für eine deutlich großzügigere Ausnahmeregelung für kleinere und mittlere Unternehmen, auch im Interesse der Entwicklung des europäischen digitalen Binnenmarktes. Freilich: Ein besserer Kompromiss als der zuvor geschilderte war in Brüssel nicht zu erhalten. Die Bundesregierung hatte vor drei Wochen also nur die Wahl, entweder den Kompromiss zu akzeptieren oder ein Scheitern der gesamten Richtlinie zu riskieren. Das wollten wir nicht. Herzlichen Dank. ({3})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Christian Lange. – Nächster Redner: Manuel Höferlin für die FDP-Fraktion. ({0})

Manuel Höferlin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es überrascht mich wirklich, wie sich manche Dinge doch wiederholen. Jetzt höre ich beim europäischen Urheberrecht die gleichen Argumente, die wir vor Jahren beim deutschen Leistungsschutzrecht hier gehört haben. Sie sind seither nicht wahrer geworden. ({0}) Auch bei den Einwürfen, die ich gehört habe, handelt es sich teilweise um unterirdische Argumente. Meines Erachtens zeigt das derzeitige Vorgehen gerade der Großen Koalition, dass Digitalpolitik immer noch nicht bei Ihnen in der Breite Ihrer Fraktionen verstanden wird. Dabei haben Sie Digitalpolitiker in Ihren Reihen. Hören Sie doch einmal auf sie. Es herrschen ein Chaos und eine Ahnungslosigkeit – auch in den Ausführungen teilweise wieder. ({1}) Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin einfach einmal, wozu Sie sich selbst verpflichtet haben. Sie schreiben in Ihrem Koalitionsvertrag: Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu „filtern“, lehnen wir als unverhältnismäßig ab. Dieser Satz endet mit einem Punkt. Er steht also für sich. Inzwischen sagen Sie ja, Sie hätten den zweiten Satz mitgedacht – davor steht aber ein Punkt –: Negative Auswirkungen auf kleinere und mittlere Verlage müssen vermieden werden. Das ist nach allem, was Sie hier vorgetragen haben, mit Artikel 13 nicht erfüllt. Ich will noch einige Worte zu Artikel 11 und dem Urheberrecht sagen. Sie hätten besser einmal die Urheber wirklich gestärkt, als weiter zu versuchen, mit einem europäischen Leistungsschutzrecht die Intermediäre am Leben zu halten. Dabei ist es wirklich an der Zeit, ein modernes Urheberrecht zu schaffen. ({2}) Der eigentliche Punkt ist aber: Sie begehen sehenden Auges an ganz vielen Stellen einen Bruch Ihres Koalitionsvertrags. Im Europäischen Parlament hat Herr Voss, glaube ich, teilweise einfach nicht verstanden, was digital und technisch dahinter passiert. Alles, was Sie hier zu Artikel 13 beschreiben, lässt sich am Ende nur mit Uploadfiltern realisieren. Ich habe den Einwurf der Union gehört, da stehe ja gar nicht Uploadfilter drin. ({3}) Deswegen haben wir in den letzten Tagen einmal angefragt. Herr Lange, Sie haben selbst geantwortet, bei diesen Datenmengen sei bereits aus Praktikabilitätsgründen wohl nichts anderes möglich, als – Sie haben es dann auch nicht Uploadfilter genannt, sondern anders bezeichnet – Uploadfilter anzuwenden. Das ist völlig richtig. Ein Unternehmen, das in Zukunft arbeiten möchte, wird sich schon allein, um sich von der Haftung freizustellen, Uploadfiltern bedienen. Diese Uploadfilter können alles das, was Sie gerade selbst beschrieben haben, eben nicht leisten. Sie können Zitate nicht erkennen, Sie können Satire nicht erkennen. Das wird prinzipiell zu einer Überfilterung führen. ({4}) Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich kann nicht verstehen, wie wir uns in einem Internet wohlfühlen sollen, wo man letztlich nur noch den Klageweg offen hat oder es mit einer Bitte an die Plattformen versuchen muss, diese mögen berechtigterweise eingestellte Inhalte doch nachträglich freischalten. Das ist jedenfalls mit unserer Vorstellung von freiem Internet nicht vereinbar, und dagegen werden wir uns wehren. ({5}) Aber auch die Beteuerung, Sie hätten etwas Besseres nicht durchsetzen können, ist eigentlich entlarvend. Warum gehen Sie denn nicht hin und sagen am Ende: „Diese Punkte müssen wir rausnehmen; dann müssen wir den Rest der Urheberrechtsrichtlinie eben so beschießen“? Also, zu sagen: „Wir konnten am Ende nicht mehr anders“, das ist wirklich schwach. Jetzt noch einmal zu dem Punkt „kleine und mittlere Unternehmen“. Sie selbst haben in Ihrem Koalitionsvertrag diesen Unternehmen versprochen, dass sie außen vor bleiben. Das bleiben sie nicht; denn in dem letzten, von Deutschland und Frankreich unterschriebenen Kompromissvorschlag steht ein „und“ zwischen den kleinen Unternehmen, dem Umsatz und der Userzahl. Das heißt, wer nicht alle drei Kriterien erfüllt – wenn das Unternehmen zum Beispiel älter als drei Jahre ist –, fällt voll unter Artikel 13. Jetzt frage ich mich, wie Sie die Sonntagsreden, in denen hier immer nach einem neuen Google oder Facebook aus Europa gerufen wird, nach mehr Gründerkultur, nach mehr Unternehmern, die sich etwas trauen, mit diesem Satz unter einem Hut bringen wollen. ({6}) Welcher Start-up-Unternehmer geht denn heute raus, wenn er weiß, dass er nur eine Dreijahresfrist hat, um so groß zu werden, dass er sich den Aufwand solcher Filter leisten kann? Das ist doch innovationsschädigend ohne Ende – mal ganz abgesehen von der Meinungsfreiheit, vom Zitierrecht und von der Situation der User. Sie schädigen damit europäische Unternehmer, die etwas aufbauen wollen. Das ist wirklich unglaublich. Und Sie widersprechen explizit dem, was Sie sich im Koalitionsvertrag vorgenommen haben – explizit; selbst wenn man sich den Punkt mal durch ein Komma ersetzt denkt –, ganz abgesehen davon, dass Sie die Uploadfilter eigentlich gar nicht wollten. Es kommt am Ende zu dem, was ich wieder feststellen muss: Der digitale Sachverstand in dieser Großen Koalition ist einfach nicht dort, wo er hingehört. Sie haben schlaue Digitalpolitiker. Hören Sie doch einmal auf die! Und gehen Sie nicht vor mit urheberrechtlichen Veränderungen, ohne die technischen Veränderungen, die damit kommen, die technischen Folgen, die da sind, mitzudenken. Sie zerstören damit Technologien, die wir eigentlich in Deutschland und in Europa gestalten könnten. Auf der einen Seite beklagen Sie, dass wir nicht mehr souverän sind, dass wir nicht mithalten können auf der Welt. Auf der anderen Seite legen Sie den Kreativen, den Gründern, denjenigen, die die Technologie von morgen entwickeln können, Steine in den Weg, wie es nur geht. Ich verstehe das nicht. ({7}) Deswegen: Hören Sie bitte einmal auf Ihre Digitalpolitiker, oder unterhalten Sie sich wenigstens mehr mit ihnen! Herzlichen Dank. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Manuel Höferlin. – Nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen: Tabea Rößner. ({0})

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit ACTA und TTIP gab es keine EU-Initiative, die so viele Menschen zum Protest auf die Straße getrieben hat wie die Urheberrechtsreform. Das liegt daran, dass dieser Kompromiss, Kollege Lange, kein Kompromiss ist. Es ist eben kein breiter Konsens gefunden, und er ist auch kein Ergebnis einer produktiven parlamentarischen Auseinandersetzung, und selten ist von der Seite der Bundesregierung so herumgeeiert worden wie bei dieser Reform. ({0}) Was heißt es, ein modernes Urheberrecht in einer zunehmend digitalisierten Welt zu gestalten? Es müssen die Interessen aller Beteiligten fair ausgeglichen, sowohl Nutzer als auch Verwerter und Urheber berücksichtigt werden. Die Regelungen dürfen nicht über das Ziel hinausschießen. Es muss weiter möglich sein, Inhalte zu teilen, und zwar legal. Kreative, Kulturschaffende, Urheberrinnen und Urheber müssen angemessen vergütet werden. Ohne ihre Inhalte wäre das Netz leer. Ohne angemessene Vergütung können die Inhalte, die wir so gerne teilen, nicht produziert werden. Letztlich nützt es den Nutzern nichts, wenn es nichts zu nutzen gibt. ({1}) Es macht natürlich wütend, wenn große Internetkonzerne mit fremden Inhalten Kohle machen. Viele Internetkonzerne reagieren ja nicht einmal, wenn Urheberrechtsverletzungen angezeigt werden. ({2}) Diesen Ärger verstehe ich gut. Warum ist der Richtlinienentwurf trotzdem falsch? Er schafft Rechtsunsicherheit. Die Internetgiganten mögen vielleicht adressiert sein. Aber sie können ganze Abteilungen einrichten, um Lizenzierungen auszuhandeln. Für kleine oder mittlere Plattformen, auf die die Ausnahmen nicht zutreffen, ist das weitaus schwieriger. Sie sehen sich dem Haftungsrisiko ausgesetzt und werden im Zweifel Uploadfilter einsetzen, und diese sind höchst fehleranfällig. ({3}) Stellen Sie sich vor, Sie machen ein Video von einer Veranstaltung, das Sie gerne verbreiten wollen, das aber nicht hochgeladen wird, weil die Musik im Hintergrund als urheberrechtlich geschützt erkannt wird. Viele Menschen haben die berechtigte Sorge, dass das bei vielen – auch legalen – Inhalten passieren kann, und sehen darin eine Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit. Das darf nicht sein. ({4}) Zudem können die Filter Satire oder Zitate nicht erkennen, und sie müssen auch noch teuer von den Giganten eingekauft werden. Das heißt, Sie verschaffen den großen Playern, die Sie ja eigentlich an die Kandare nehmen wollen, ganz en passant noch ein Geschäftsmodell. Wollen Sie das wirklich? ({5}) Dass im Koalitionsvertrag Uploadfilter als unverhältnismäßig abgelehnt werden und jetzt gesagt wird: „Sie stehen ja nicht drin“, finde ich ziemlich peinlich. ({6}) Es fördert das Misstrauen gegenüber der Politik, wenn die Menschen das Gefühl haben, ({7}) dass es egal ist, was im Koalitionsvertrag steht, weil die Koalition eh macht, was sie will. ({8}) Was fehlt, sind hilfreiche Vorschläge für ausgewogene, durchdachte und praxisnahe Regelungen abseits vom Leistungsschutzrecht und von Uploadfiltern, und da hat die Regierung komplett versagt. Sie ist ja nicht einmal bereit, das Leistungsschutzrecht in Deutschland zu evaluieren, was überfällig wäre, vor allem, weil man das Gesetz auf die EU-Ebene „drücken“ will. Sie hätten dann vielleicht gesehen, dass es den Urhebern bisher überhaupt nichts gebracht hat. Es gibt Denkansätze, bei denen sich alle Seiten aufeinander zu bewegen. Die Vorschläge von Professor ­Leistner von der Uni München beispielsweise bieten eine gute Basis für die Lösung des Konflikts um geringfügige Nutzungen in der Onlinekommunikation. Mit dem vorliegenden Richtlinienentwurf bleibt aber ungelöst, wie Lizenzierungen praktikabel durchgeführt werden können. Das Problem von unzureichenden Filtersystemen wird nicht gelöst, und die Rechte von Kreativen werden nicht gestärkt. Diese Richtlinie ist jedenfalls keine ausreichende Grundlage für die vergütete Nutzung von Musik, Filmen oder Texten für die nächsten 15 Jahre. ({9}) Das haben inzwischen auch Ihre eigenen Leute gemerkt. Die Junge Union Hamburg positioniert sich deutlich gegen Artikel 13. Justizministerin Barley würde den Kuchen gerne in der Hand behalten und gleichzeitig aufessen. Herr Staatsminister, Sie sind in Brüssel doch eingeknickt, ({10}) und die Staatsministerin Bär versucht als Résistance auf den Barrikaden, den Beschluss abzuwehren. Sie alle scheitern an der Kanzlerin, die sich weder von den Protesten Tausender – übrigens auch vieler junger Menschen – ({11}) noch von den Warnungen des UN-Sonderberichterstatters, der eine Gefahr für die Meinungs- und Pressefreiheit sieht, beeindrucken lässt. Ehrlicherweise muss man sagen, dass auf beiden Seiten ordentlich aufgerüstet wurde. Die Entwürfe von Volker Rieck, der Tweets von Abgeordneten aus Brüssel als „Bots“ klassifiziert, sind genauso wenig hilfreich wie YouTuber, die den Gesetzestext nie gelesen haben und lautstark den Tod des Internets verkünden. ({12})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Denken Sie bitte an die Redezeit.

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ja.

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

So ungeschickte Manöver wie das von Manfred Weber, der die Abstimmung mal eben vorziehen wollte, haben das Ganze noch angeheizt. ({0}) Das ist ganz schön traurig. Alle guten Ansätze machen Sie mit den beiden Artikeln 11 und 13 zunichte, und deshalb dürfen diese beiden Artikel nicht beschlossen werden. Vielen Dank. ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Tabea Rößner. – Nächster Redner: Ansgar Heveling für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ansgar Heveling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004056, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Freiheit, Freiheit ist das Einzige, was zählt“: So singt Marius Müller-Westernhagen in seinem berühmten Lied. Zu seinem Song hat er einmal in einem Zeitungsinterview gesagt – das darf ich jetzt zitieren –: Über die Bedeutung habe ich mir damals keine Gedanken gemacht. Ich hatte beim Schreiben nicht den Fall der Mauer oder die Wiedervereinigung im Kopf. „Freiheit“ zeigt, dass künstlerische Produkte ein Eigenleben annehmen können. So weit Marius Müller-Westernhagen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt die ganze Paradoxie in der Diskussion um die Urheberrechtsrichtlinie. Urheberschaft ist selbst gerade auf Freiheit angelegt und hat dort ihren Ursprung. Das soeben zitierte Eigenleben künstlerischer Produkte ist Freiheit pur. Darum geht es eigentlich: die künstlerische Freiheit geistiger Schöpfung, Musik, Lieder, Texte, Verse. Alles das empfinden ihre Urheber als Ausdruck der unendlichen Freiheit geistigen Wirkens. Wer sich mit Schriftstellern, Komponisten, Musikern, Schauspielern, bildenden Künstlern, Fotografen unterhält und in ihre Welt kreativen Schaffens eintaucht, der spürt sofort, welchen Stellenwert der Begriff der Freiheit für sie hat. Freiheit ist die existenzielle Grundbedingung künstlerischen Schaffens. Grenzen, Beschränkungen, Einengungen, alles das empfinden Kreative als Gift für ihr künstlerisches Arbeiten. ({0}) Und nun? Nun sehen sich gerade die, für die die Freiheit so eine existenzielle Erfahrung ist, vielfältigen Anwürfen ausgesetzt, sie wollten die Freiheit beschränken, ihr Fesseln anlegen, sie behindern. Der Titel der heutigen Aktuellen Stunde illustriert es ja schon: „Auswirkungen der EU-Urheberrechtsreform auf die Meinungsfreiheit“. Dahinter wird nicht einmal ein Fragezeichen gesetzt. Es wird einfach konstatiert, dass die Urheberrechtsrichtlinie massive Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit habe. Aber ist das wirklich so? Es ist geradezu verkehrte Welt, wenn wir über das Urheberrecht unter dem Vorzeichen der Beschränkung von Meinungsfreiheit diskutieren; denn das Urheberrecht ist dafür angetreten, die künstlerische Freiheit zu sichern und so die Rechte der Kreativen. Dementsprechend ist auch die verfassungsrechtliche Verankerung des Urheberrechts in Deutschland. Es ist ein dualistisches Recht, das sowohl Ausdruck der Eigentumsfreiheit als auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist. Dort trifft es sich mit der Meinungsfreiheit, die, so das Bundesverfassungsgericht schon in einer sehr frühen Entscheidung – das darf ich zitieren –, „als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“ ist. Beide Rechte, Meinungsfreiheit und Urheberpersönlichkeitsrecht, haben damit dieselbe Wurzel. Sie liegen nah beieinander, und sie stehen keinesfalls im Widerstreit zueinander. „Die Verträge sind gemacht“, so lautet die erste Zeile des Liedes „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen. Darum geht es primär bei der Urheberrechtsrichtlinie. Es geht um Verträge. Es geht darum, Verträge zu schließen, die dann die Freiheit der Urheber sichern; denn sie sollen für ihre geistigen Leistungen vergütet werden. Da gibt es mittlerweile nun einmal ein erhebliches Defizit; hierauf haben Vorredner schon aufmerksam gemacht. Im Zentrum steht daher die Frage der Lizenzierung, also der vertraglichen Nutzung urheberrechtlich relevanter Werke. Das hat nichts mit der Beschränkung der Meinungsfreiheit zu tun, sondern mit der gerechten Vergütung für das Schaffen von geistigen Werken. ({1}) Natürlich gehören auch Regelungen für die Haftung dazu, wenn man diese Verträge eben nicht machen oder nicht einhalten will; denn auch dann haben die Urheber Schutz für ihre Werke verdient. Es gibt im Vorschlag für die Urheberrechtsrichtlinie dafür eben ein sehr differenziertes Haftungssystem, um allen Eventualitäten gerecht zu werden und genau diese Abwägung zwischen Verfassungsgütern hinzubekommen und zu einer Lösung zu führen. Deswegen hat die Urheberrechtsrichtlinie viel mit Freiheiten zu tun – Freiheiten auf mehreren Seiten. Die Beschränkung der Meinungsfreiheit gehört sicherlich nicht dazu, sondern der Ausgleich von Freiheiten. Vielen Dank. ({2})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Ansgar Heveling. – Nächster Redner für die AfD-Fraktion: Tobias Matthias Peterka. ({0})

Tobias Matthias Peterka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004850, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Eine wichtige Aktuelle Stunde, die Die Linke beantragt hat. Interessant aber, wie gerade bekennende Sozialingenieure plötzlich die Freiheit der Meinung und der Kunst für sich entdeckt haben. ({0}) Vorsicht: Man sollte auch meinen, was man sagt; denn dass die EU zusammen mit der vertragsbrüchigen GroKo hier nun am Ende dem YouTube-Google-Konzern in die Hände spielen wird, ist nur die halbe Wahrheit. ({1}) Die Brüsseler EU-Küche rührt hier vielleicht fahrlässig einen illiberalen Brei zusammen, weil sie für vieles steht, aber garantiert nicht für die Freiheit. ({2}) Die allgemeine Gefechtslage sollte inzwischen jedem klar sein: analoge Weltsicht gegen digitale, Alt gegen Neu, dezentral gegen Kontrolle und, ja, durchaus auch Groß gegen Klein. Aber verläuft die Kluft denn hier auch entlang von Recht und Unrecht? Nehmen wir einmal an: Die EU will hier nicht nur böswillig alte Pfründe sichern. Muss denn dann durch Leistungsschutz und vor allem durch die Plattformhaftung nach Artikel 13 dieses unberechenbare Neuland Internet wirklich gezähmt werden? Nein, meine ich, definitiv so nicht. ({3}) Natürlich ist mir bewusst, dass eine möglichst effektive Vergütung von Künstlern – die Linke nennt sie oft stramm „Medienschaffende“ – sichergestellt werden muss, einer der Grundsätze des deutschen Urheberrechts. Aber das kann nicht dadurch gelöst werden, dass die Rechtsverletzung und damit der Schadensersatzanspruch des Urhebers mir nichts, dir nichts auf einen bloßen Vermittler verschoben werden. Ich kann auch nicht den Bund verklagen, wenn sich ein Dieb mit meinem Auto über eine Bundesautobahn davonmacht, auch dann nicht, wenn Maut dabei verdient wird. YouTube und viele andere Plattformen des Web 2.0 liefern einen enormen Freiraum der Kommunikation, ohne Präzedenzfall, historisch, kulturell und auch rechtlich. Hier mit dem eisernen Besen den Betreiber haften zu lassen, führt zwangsläufig – das wurde schon gesagt – zu einem technischen Türwächter und zu einem kreativen Apartheidstaat. Große Rechteinhaber schließen nämlich Rahmenverträge mit den Plattformen. Kleine werden aussortiert; sie landen im Filter. Rechtlich ist die Sache komplex. Liegt eine Anmaßung der Nutzung überhaupt vor? Ist es Satire, ein sonstiges Zitat oder ein Bericht über Tagesereignisse? Genau das wird YouTube nicht riskieren. Viel Marktmacht – Rahmenvertrag, wenig Marktmacht – rausgefiltert oder Zwang zum Buy-out. YouTube wird so zum ZDF oder bestenfalls zu Phoenix. ({4}) Wie ist denn der ach so schreckliche Status quo bei uns? Es ist Fakt, dass sich große Rechteinhaber schon jetzt gut selbst wehren können. Es steht jedoch auch außer Frage, dass durch das Einbeziehen von Beiträgen kleinerer Künstler durch große Player auf diversen Plattformen die Kleineren gerade an Publikum gewinnen. Diese leiden auch nicht einfach wehrlos, sondern feilen aktiv an der eigenen Präsenz, an der eigenen Performance. Ja, natürlich gibt es puren Missbrauch. Aber YouTube und Co sind bei allem Kommerz viel mehr an einem liberalen Fair-Use-Prinzip orientiert, als es erstens das herkömmliche deutsche Urheberrecht vorgibt und zweitens ein solcher Systembruch durch Uploadfilter es dann noch zuließe. Das gilt auch dann, wenn Geld dabei verdient wird. „Sehen und gesehen werden“ ist nun einmal die Losung. Das mag natürlich wenig mit dem drögen Begriff der Medien- und Kulturschaffenden zu tun haben. User-generated Content ist für alle Teilnehmer ein freier, marktwirtschaftlicher Ansatz. Technik und digitale Lebenswirklichkeit laufen bereits jetzt dem Recht davon, aber in die andere Richtung. Das hat im Übrigen gar nichts mit der politischen Farbe zu tun. Auf einer Demo gab es das Pappschild „Ups, ich habe das Internet kaputtgemacht, ohne zu wissen, wie es funktioniert“. Ja, genau das wird die Brüsseler Bürokratie mindestens getan haben, wenn es nicht sogar Absicht war, durch einen rechtlichen Kurzschluss Graswurzelmeinungen in eine Monokultur zu zwingen. Vielleicht sollte auf dem Schild besser stehen: Verdammt, ich weiß, wie das Internet funktioniert, und ich will, dass es aufhört. – Das wäre vielleicht ehrlicher. Kein Artikel 13 und im Übrigen kein Artikel 11! Vielen Dank. ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Peterka. – Nächster Redner: Martin Rabanus für die SPD-Fraktion. ({0})

Martin Rabanus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004381, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dann wollen wir einmal versuchen, zu etwas Sachlichkeit in der Diskussion zurückzufinden. ({0}) Ich wünsche mir in der gesamten Debatte mehr Sachlichkeit – ich will aufgreifen, was Kollegin Rößner gesagt hat –, und zwar auf allen Seiten. Ich halte es für genauso wenig hilfreich, zum Twitter-War aufzurufen, wie Verunglimpfungen für diejenigen bereitzuhalten, die zu ihrer Position stehen. Wir brauchen in der Debatte mehr Sachlichkeit. ({1}) Bei der Richtlinie handelt es sich um ein komplexes Regelungswerk, das in Teilen – außer bei wenigen hier – auch vollkommen unumstritten ist. ({2}) Das Urheberrecht der Europäischen Union stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 2001. Dass sich daran etwas ändern muss und dass es auf den aktuellen Stand gebracht werden muss, ist weitgehend unstreitig. ({3}) Es gibt eine Fülle von Punkten, die ich gut und die ich begrüßenswert finde. Ich will einige wenige beispielhaft nennen. Das Thema „Text- und Data-Mining“ ist in der Richtlinie neu geregelt. Es wird zukünftig möglich sein, und zwar lizenzfrei, zum Zwecke von Bildung und Forschung große urheberrechtlich geschützte Datensätze auszuwerten; das steht in Artikel 3. Zum Erhalt des kulturellen Erbes werden Museen, Bibliotheken und sonstige Einrichtungen des kulturellen Erbes ihre Bestände digitalisieren können – das steht in Artikel 5 – ({4}) und vergriffene Werke wieder verfügbar machen können; das ist in Artikel 7 ff. niedergelegt. Das kulturelle Erbe wird besser zugänglich sein, übrigens digital und kostenfrei. ({5}) Das Leistungsschutzrecht ist genannt worden. Bei aller kritischen Würdigung der Funktion dieses Leistungsschutzrechts auf deutschem Boden mag es sogar sein, dass es europäisch besser funktioniert. Letztes Beispiel. Bei der Verlegerbeteiligung, liebe Kollegin Sitte, geht es nicht nur um ein paar Monopolverlage; ({6}) da geht es um eine Verlagslandschaft von über 3 000 Buchverlagen, die wir in der Bundesrepublik Deutschland haben – eine breite Vielfalt, die davon wieder profitieren und daran wieder partizipieren kann. ({7}) Das ist unter den Autorinnen und Autoren im Übrigen auch weitgehend unstreitig. ({8}) Aber natürlich geht es auch um Artikel 13, den Kern der heutigen Debatte. Aber auch da bitte etwas mehr Sachlichkeit; denn erstens will die EU das freie Internet nicht abschaffen und zweitens wird es nicht zum Zusammenbruch der Kreativwirtschaft oder zum Massenhungertod von Rechteinhabern kommen, wenn ein anderer Artikel 13 beschlossen werden würde. Ich will also auf beiden Seiten für etwas mehr Sachlichkeit werben. Es geht natürlich darum – ich finde übrigens, dass Herr Staatssekretär Lange das noch mal sehr eindrücklich geschildert hat; herzlichen Dank an die Bundesregierung! –, klarzumachen, wie wir in diesem Spannungsfeld zwischen den vermeintlich widerstreitenden Polen agieren. Die legitimen Interessen der Kreativen und der Urheber, die wir alle wollen, müssen wir in Abwägung mit etwas bringen, was wir alle nicht wollen, nämlich mit einer rein automatisierten, auf Algorithmen basierenden Erkennung. Auch das will niemand, jedenfalls kann ich das für die SPD sagen. ({9}) Artikel 13 beinhaltet ja wesentlich mehr: die Frage der Lizenzierung von Plattformen – das ist genannt worden –, die Fülle von Ausnahmen, die vorgesehen sind. Ich will auf die schon angelegten Schrankenregelungen noch mal eingehen. Beispielsweise sind nichtgewerblich betriebene Enzyklopädien wie Wikipedia ausgenommen. „wie Wikipedia“, es geht also nicht nur um Wikipedia, es bezieht sich ja auf alle nichtgewerblichen Plattformen. Es geht darum, dass nichtgewerbliche bildungsbezogene oder wissenschaftliche Verzeichnisse ausgenommen sind, dass Plattformen, die Open-Source-Software entwickeln und auch teilen, ausgenommen sind. Onlinemarktplätze sind von der Wirkung von Artikel 13 ebenfalls ausgenommen. Schließlich ist zwingend vorgegeben, dass ein Beschwerdemechanismus existieren kann. Das ist im Übrigen – jedenfalls für mich – wichtig, weil ich sage: Ich will, dass die Letztentscheidung über die Frage von Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit ein Mensch trifft und keine Maschine. Unter dem Strich lässt sich sagen: Am Ende gibt es unterschiedliche Einschätzungen, auch bei uns in der SPD, in meiner Fraktion und in meiner Partei. Wir machen daraus auch keinen Hehl. Wir streiten uns konstruktiv. In meiner Bewertung komme ich zu dem Schluss – letzter Satz –, dass die Neuordnung des europäischen Urheberrechts wichtig und richtig ist, dass der Mechanismus nach Artikel 13 vertretbar ist; deswegen wünsche ich mir persönlich, dass er am Ende auf europäischer Ebene auch wirksam wird. Herzlichen Dank. ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Martin Rabanus. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Anke Domscheit-Berg.

Anke Domscheit-Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004703, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten uns viel versprochen von der europäischen Urheberrechtsreform, zum Beispiel rechtssichere Ausnahmen vom Urheberrecht für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kulturerbe, mehr Einnahmen für Urheber und faire Chancen auch für kleine Unternehmen. Leider bekamen wir stattdessen ein rechtliches Monstrum, das Geschäftsmodelle aus dem Zeitalter der Druckerpresse künstlich am Leben erhält und dafür Kunst und Satire, Meinungsfreiheit und Jugendkultur, ja selbst die Zukunftschancen kleiner und kreativer Unternehmen opfert. 5 Millionen Petitionsunterschriften ignoriert, unbequeme Gutachten der Kommission unter dem Tisch gehalten, Tausende Gegner als computergesteuerte Bots diskreditiert – diejenigen, die diese Urheberrechtsreform verbrochen haben, werden sich noch wünschen, dass das alles Bots waren und nicht Wählerinnen und Wähler, die zur EU-Wahl gehen werden. ({0}) Auf die Europaabgeordneten der Linken ist jedenfalls Verlass. Sie stimmten geschlossen gegen diese Reform – aber leider nur sie; denn am 12. September 2018 hoben im EU-Parlament 100 Prozent der CDU/CSU-Abgeordneten, zwei Drittel aller Sozialdemokraten, ({1}) mehr als die Hälfte der Grünenabgeordneten und auch ein Drittel der Liberalen ihre Hand für diese unsägliche Reform. Uns Gegnerinnen und Gegner beleidigte man als inkompetent und urheberfeindlich. Ich bin aber selbst eine der vielen Urheberinnen, habe Bücher, Artikel und über 100 Kolumnen veröffentlicht. Ich weiß ganz genau, dass Artikel 12 der Urheberrechtsreform den Autoren nicht mehr, sondern bis zu 50 Prozent weniger Einnahmen über die VG WORT beschert. Inkompetent sind wohl auch kaum die Unterzeichne­rinnen und Unterzeichner eines offenen Briefes, die davor warnen, dass Artikel 13 aus dem Internet ein Werkzeug automatisierter Überwachung seiner Nutzer macht, ({2}) Start-ups und kleine Unternehmen benachteiligt und gegen europäische Grundrechte verstößt. Zu ihnen gehören Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, Jimmy Wales, der Gründer der Wikipedia, Mitchell ­Baker, Vorständin von Mozilla, aber auch Forscher aus Berkeley und Harvard sowie weitere Internetpioniere. Schreiende Inkompetenz findet sich auf der ganz anderen Seite der Debatte. So leugnet der CDU-Europaabgeordnete Voss, dass die Urheberrechtsreform automatische Filtersysteme, sogenannte Uploadfilter, vorsieht, weil der Begriff in dem Papier fehlt. Aber allein während dieser Rede werden mehr als 2 000 Stunden YouTube-Videos hochgeladen. Hätte Voss den allerkleinsten Schimmer von Technologiekompetenz, ({3}) würde er wissen, dass eine sofortige Erkennung und Sperrung urheberrechtlich geschützter Inhalte bei so großen Datenmengen ohne Uploadfilter unmöglich ist. Nachdem sie mit ihrer Zustimmung den Koalitionsvertrag brach, gab selbst Justizministerin Barley zu, dass es Uploadfilter braucht, die jeden einzelnen Inhalt beim Hochladen durchleuchten. Aber diese Filter irren häufig. So machte sich die GEMA zum Gespött auf Twitter, als sie schrieb, dass künstliche Intelligenz Gesichter erkennen und einparken könne und es deshalb ein Leichtes sei, zwischen Parodie und Original zu entscheiden. Mich schockt diese Ahnungslosigkeit; denn als Mitglied der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ beschäftige ich mich häufig mit den hohen Fehlerraten, gerade bei Gesichtserkennung durch KI. Diese Uploadfilter entdecken selbst bei Videos mit weißem Rauschen Urheberrechtsverletzungen, verwechseln Vogelstimmen aus dem Wald mit geschützten Melodien und sperren Livestreams von Demonstrationen, nur weil irgendwo im Hintergrund mal kurz ein geschütztes Lied ertönte. Von 10 000 Inhalten soll übrigens nach Angaben der Urheberrechtslobby nur ein einziger das Urheberrecht verletzen. Das sind lächerliche 0,01 Prozent. Die Fehlerrate ihrer Uploadfilter geben Hersteller mit – offensichtlich auch noch geschönten – 1 Prozent an. Aus diesen Zahlen kann man aber das Verhältnis von zu Recht und zu Unrecht gesperrten Inhalten errechnen: Auf 100 zu Recht gesperrte Inhalte kommen 10 000 zu Unrecht gesperrte Inhalte. Das sind jährlich etwa 30 Millionen unrechtmäßig gesperrte Inhalte. Diese Dimensionen, diese eklatante Verletzung der Verhältnismäßigkeit meinen wir, wenn wir von einer Einschränkung der Meinungsfreiheit und von eingeschränkter digitaler Teilhabe reden. Wer ein solches Internet nicht will, der sollte dagegen protestieren, unter anderem bei den Massendemos am 23. März. ({4}) Noch können wir diesen Angriff auf unsere Grundrechte und Kultur verhindern; denn wir sind viele. Wir wissen, wovon wir reden, und wir sind keine Bots. ({5}) Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nichts im Strafrecht verloren haben. § 219a muss weg. Vielen Dank. ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Anke Domscheit-Berg. – Nächster Redner in der Debatte: Tankred Schipanski für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Tankred Schipanski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lassen Sie es mich wie der Kollege Rabanus machen und sachlich auf diese gesamte Richtlinie schauen. ({0}) Ich bin schon entsetzt, wie die AfD hier popularisiert und sagt: Das Urheberrecht zerstört das Internet. – Die Kollegin Domscheit-Berg von der Linken spricht davon: Urheberrecht verbricht etwas. – Ich glaube, das Urheberrecht – da sind wir uns doch hier alle einig – hat zum Ziel, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und der Nutzer von urheberrechtlich geschützten Werken zu finden. Eine Anpassung dieses Urheberrechts an die digitalen Entwicklungen ist notwendig, insbesondere weil die digitale Welt von der sogenannten Plattformökonomie gekennzeichnet ist. Ich finde es auch nicht gut, Manuel Höferlin, dass man hier so einen Keil reintreibt zwischen Rechtspolitiker und Digitalpolitiker. Ich selber bin seit 2009 sowohl mit Digitalem beschäftigt als auch stellvertretendes Mitglied im Rechtsausschuss, und es ist unser politischer Auftrag, einen tragfähigen Kompromiss auch in diesen Streitstellungen oder Fragestellungen zu finden. ({1}) Das haben wir insbesondere auch gemacht in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, die 2011 ihre Empfehlungen ausgesprochen hat. Da gab es eine Projektgruppe zu Urheberrecht in Wissenschaft und Forschung, und aus dieser haben wir schon eine ganze Menge abgearbeitet. Ich schaue mal in die 17. Legislatur, als wir die Enquete-Kommission hatten. Wir haben die Wissenschaftsschranke, § 52a Urheberrechtsgesetz, damals verlängert. Wir haben das Zweitverwertungsrecht eingeführt. Wir hatten das Leistungsschutzrecht für Presseverlage beschlossen. ({2}) In der 18. Legislatur haben wir die Entfristung von § 52a beschlossen, außerdem eine allgemeine Wissenschafts- und Forschungsschranke eingeführt. Wir haben ein neues Urhebervertragsrecht in der letzten Legislatur auf den Weg gebracht. Das alles sind Projekte, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart und auch gut umgesetzt haben. ({3}) Auch für die 19. Legislatur haben wir uns konkrete Sachen vorgenommen. Das ist jetzt nicht Gegenstand dieser Debatte. Aber 2016 hat sich auch die Europäische Union auf den Weg gemacht, um das Urheberrecht der Mitgliedstaaten mittels einer Richtlinie an die Digitalisierung anzupassen. Das ist löblich. Mit Blick auf Deutschland, muss ich aber sagen, ist es nicht unbedingt nötig, da wir eben schon permanent unser Recht seit 2011 anpassen und fit machen. Deutschland ist aber einer von 28 Mitgliedstaaten der EU, und so haben wir uns einem konstruktiven Dialog nicht verwehrt, und der Staatssekretär hat die Historie auch entsprechend dargestellt. Das Ergebnis ist jetzt diese Urheberrechtsrichtlinie, die ich gerne aus Sicht des deutschen Urheberrechts ein Stück weit bewerten möchte. Dabei kommt es mir auf vier Kernfelder an, die zu Recht auch in der öffentlichen Diskussion stehen. Erster großer Regelungsbereich ist Artikel 11, das Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Es klang schon an, es ist kein Geheimnis: Ich bin kein Freund davon, kein Freund der nationalen oder europäischen Regelung. Ich hätte mir gewünscht, dass das BMJV das Ganze evaluiert, bevor wir das Richtung Europa ausbreiten. Zweiter großer Punkt ist Artikel 13, die Plattformverantwortlichkeit. Ich glaube, dass Plattformen in eine stärkere Verantwortung genommen werden müssen, ist Konsens. Umstritten ist ein ganzes Stück weit der Weg. Wir alle wissen: Verantwortung bedeutet Haftung, und dabei müssen die Haftungsregeln klar sein – ebenso wie die Enthaftungsregeln. Dafür erscheinen mir die gegenwärtigen Begrifflichkeiten noch zu unklar. Es gibt sehr viele offene Rechtsbegriffe, und Ziel muss es sein, sogenannte Uploadfilter zu verhindern. ({4}) Das ist die eindeutige Botschaft unseres Koalitionsvertrags, und dem fühlen wir uns auch verpflichtet. Wir haben dieses ganz bewusst aufgenommen, weil wir eben keine Beschränkung von Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit wollen, sondern beides mit einem klugen Urheberrecht sichern möchten. Ansgar Heveling hat das verfassungsrechtliche Spannungsfeld, finde ich, sehr gut dargestellt. Es gibt meines Erachtens in Artikel 5 Grundgesetz auch einen konkreten Auftrag für die kommunikative Selbstbestimmung; Artikel 5 soll als einheitliche Kommunikationsfreiheit aufgefasst werden; der Kommunikationsprozess durch den Einzelnen muss autonom gestaltbar bleiben. Dritter großer Regelungsaspekt ist das Urhebervertragsrecht, Artikel 14 bis 16a. Auch hier, denke ich, haben wir eine gute nationale Regelung gefunden, die das europäische Recht nicht gefährden darf. Vierter großer Regelungskomplex ist Text- und Data-Mining – Artikel 3a der Richtlinie –; Kollege Rabanus hat es angesprochen. Sehr richtig: Mit Blick auf KI, künstliche Intelligenz, ist es eine gute Vorschrift. Im Ergebnis: Diese Urheberrechtsrichtlinie hat wie jede gesetzliche Regelung Licht und Schatten. Es obliegt den Kollegen im Europäischen Parlament, darüber zu entscheiden. Im Bundestag obliegt uns dann eine eventuelle nationale Umsetzung; darauf hat Kollegin Winkelmeier-Becker sehr richtig hingewiesen. Das weitere Verfahren hängt somit von der Entscheidung des Europäischen Parlamentes ab. Dort verhält es sich ähnlich wie im Deutschen Bundestag, dass jeder Abgeordnete seinem Gewissen verpflichtet ist und entsprechend entscheiden muss. ({5}) Wir haben in der heutigen Aktuellen Stunde die Urheberrechtsrichtlinie bewertet und eingeordnet, eine Entscheidungskompetenz fällt uns nicht zu. Wir sind erst wieder gefragt, wenn es eventuell an die nationale Umsetzung geht; darüber werden wir dann hier diskutieren. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Tankred Schipanski. – Nächste Rednerin für die SPD-Fraktion: Dr. Nina Scheer. ({0})

Dr. Nina Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004396, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fand in der Debatte bezeichnend, dass die Reden, in denen am meisten Kritik an dem Gesamtregelwerk vorgebracht wurde – ich halte eine der letzten Reden am heutigen Nachmittag und habe einige Reden davor mitbekommen –, überhaupt keine Vorschläge zur Umsetzung enthielten. ({0}) Das betrifft durchaus auch Rednerinnen und Redner, bei denen ich mir aufgrund unterstellter Kompetenz erhofft hatte, Vorschläge zu hören. ({1}) Es müsste möglich sein, einfach vorzuschlagen, wie ein greifbarer und auch umsetzbarer Urheberrechtsschutz bitte schön aussehen soll. Das ist unterblieben. ({2}) – Doch, es ist unterblieben. Dazu wurde in den Reden hier nichts gesagt. – Ich möchte nicht versäumen, das voranzustellen; denn fünf Minuten Redezeit sind immer schnell vorbei. ({3}) Man muss natürlich aufpassen, dass die Mechanismen, die schon kritisiert wurden, nicht tatsächlich dazu führen, dass man unterm Strich weniger hat, als man möchte. Man darf nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wenn man die Meinungsfreiheit wirklich wertschätzt, wenn man wirklich meint, dass man das auch regulativ gestalten muss – der Meinung bin ich als überzeugte Demokratin –, dann kann man eigentlich nur ein Modell befürworten, das Freiheit und Regularien zusammenbringt, das dafür sorgt, dass etwas erlaubt ist und zugleich vergütet wird. Das ist das Optimum, denke ich mal. ({4}) Das sollten wir alle anstreben: Freiheit, aber eine Vergütungspflicht. Daran sollte man sich grundsätzlich orientieren. ({5}) Wir müssen jetzt aber auch erkennen, dass wir uns nicht in der Stunde null befinden. Vielmehr erleben wir ein Verlagssterben gigantischen Ausmaßes. ({6}) Wir erleben, dass Urheberrechtsschutz geprellt wird, dass das Urheberrecht nicht richtig umgesetzt wird. Das sind einfach Tatsachen. Damit habe ich noch gar keine Maßnahmen angesprochen. Ich möchte erst mal eine Tatsachenbeschreibung liefern. Das muss doch mal gesagt werden dürfen. ({7}) Die Tatsachenbeschreibung zeigt, dass wir in Deutschland und weltweit gigantische Marktmächte zu beklagen haben, dass es kartellrechtliche Definitionen von relevanten Märkten gibt, die zu ungleichen kartellrechtlichen Ausgestaltungen führen, die wiederum dazu führen, dass größere Akteure kartellrechtlich ganz anderen Maßstäben unterworfen sind als kleinere Akteure. Das ist auch alles Ausfluss eines Versagens von Politik. Deswegen ist es hier dringend nötig, dass die Politik wieder an ihren Platz zurückgerufen wird und tatsächlich zur Tat schreitet. ({8}) Jetzt ist eben die Frage, inwieweit das mit der Urheberrechtsreform geleistet wird. Meine Redezeit ist bald zu Ende. Es sind viele gute Punkte der Urheberrechtsreform genannt worden, denen ich mich anschließe. Martin Rabanus hat einiges genannt, auch die Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU. ({9}) Es sind einige Punkte aus der Urheberrechtsrichtlinie genannt worden, die tatsächlich geeignet sind, dem dringenden Handlungsbedarf, den wir auf der urheberrechtlichen Seite haben, Rechnung zu tragen. Wir führen eine kritische Diskussion über die Uploadfilter und den Artikel 13. Ich möchte daran appellieren, zu schauen, inwieweit man tatsächlich jetzt noch in dem Trilogverfahren zu Änderungen kommen könnte, anhand der Leitlinie, die ich gleich zu Anfang genannt habe: ein Modell zu schaffen, das tatsächlich einen Erlaubnisraum mit Vergütungsverpflichtung beinhaltet. Daran müsste man sich heranwagen. Es muss aber zugleich klar sein, dass Verstöße gegen das Urheberrecht nicht einfach hingenommen werden können. Eines möchte ich zum Schluss, in den letzten 40 Sekunden, sagen: Die Meinungsvielfalt, die von der Freiheit lebt, von der wir immer sprechen und die von allen, die keine Vorschläge gemacht haben, so sehr betont wurde, kann nur dann gewährleistet sein, wenn tatsächlich Pluralität existiert. Pluralität ist nicht gegeben, wenn sich Monopolstrukturen Bahn brechen. Diese Monopolstrukturen gibt aber es schon längst. Deswegen ist das Primat der Politik dringend gefragt. Vielen Dank. ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Nina Scheer. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion: Alexander Hoffmann. ({0})

Alexander Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004304, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was kann man am Ende dieser Aktuellen Stunde zu den Redebeiträgen von AfD, FDP, Grünen und Linken sagen? ({0}) Mir ist ganz ehrlich am Ende nur noch eines eingefallen. Ich will es so nennen: Opposition um jeden Preis. ({1}) Es ist anders nicht zu erklären, dass Sie dieses Thema nicht bearbeiten, dass Sie vorsichtig Missverständnisse streuen oder, ich sage mal, mit vagen Behauptungen agieren. ({2}) Vielmehr werden Falschbehauptungen in die Welt gesetzt, dass die Schwarte kracht. ({3}) Falschbehauptung Nummer eins: ({4}) Wenn diese Reform kommt, dann wird man vieles nicht mehr hochladen dürfen. ({5}) Es ist bereits heute so, dass Dinge, die urheberrechtlich geschützt sind, nicht hochgeladen werden dürfen. Der Rechtsstaat gewährleistet das Grundrecht auf Eigentum. Davon ist auch das geistige Eigentum erfasst. Nun weiß ich, dass die Linken mit Eigentum wenig am Hut haben. ({6}) Dass aber jetzt plötzlich auch die FDP in diese Richtung agiert, macht mich tatsächlich nachdenklich. ({7}) Falschbehauptung Nummer zwei: Diese Reform richtet sich nur gegen die User, gegen die 15-, 16-jährigen Schüler, die da doch einfach nur etwas hochladen wollen. ({8}) Auch das ist falsch. Diese Reform richtet sich gegen die großen milliardenschweren Plattformbetreiber. ({9}) Heute ist letztendlich der Schüler dafür verantwortlich, dass in seinem Video urheberrechtlich geschützte Dinge nicht mit hochgeladen werden. Profiteur davon ist der Plattformbetreiber, der Milliarden damit verdient, weil er dieses Video am Schluss mit seinen Werbeschnipseln garniert. ({10}) Wir wollen, dass derjenige, der verdient, auch derjenige ist, der dafür verantwortlich ist, dass dabei urheberrechtlich alles im Reinen ist. ({11}) Wir haben eine Schieflage bei der Frage der Rechteverwertung im Netz. Die Kollegin Winkelmeier-Becker hat es vorhin skizziert. Wir wissen, dass YouTube einen Marktanteil von 35 bis 40 Prozent hat. Ein großer Teil der Videostreams im Netz findet bei YouTube statt. Demgegenüber stehen 2 bis 5 Prozent aller urheberrechtlichen Vergütungen. Macht Sie das nicht nachdenklich? ({12}) Falschbehauptung Nummer drei: Die Plattformbetreiber müssen, um das Haftungsrisiko zu minimieren, in überzogenem Umfang blocken; Stichwort: „Overblocking“. – Nein. Ich wette mit Ihnen um jeden Betrag. Wissen Sie, warum? Weil Plattformbetreiber Geld verdienen wollen! Sie wollen im Wettbewerb bleiben. Wissen Sie, was passieren wird? Sie werden sich sehr aktiv darum kümmern, diese Rechte zu erwerben, ({13}) weil sie weiterhin für User attraktiv sein wollen. Deswegen ist das Argument des Overblockings – Entschuldigung – eine reine Erfindung. ({14}) Falschbehauptung Nummer vier: Die Meinungsfreiheit wird beschnitten. – Dazu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wenn ein 15-, 16-jähriger Schüler ein Video hochlädt, das mit einer Musik unterlegt ist, stellt sich die Frage: Was hat die Musik im Hintergrund mit Meinungsfreiheit zu tun? Im Übrigen weise ich darauf hin, dass die Meinungsfreiheit heute schon in dem Moment, in dem urheberrechtlich geschütztes Gut verletzt wird, auf Schranken trifft. ({15}) Falschbehauptung Nummer fünf: Uploadfilter bedeuten das Ende der Freiheit im Internet. – Das ist eines meiner Lieblingsargumente unter den erfundenen Argumenten. Bereits heute gibt es Uploadfilter. ({16}) YouTube arbeitet heute schon mit einer Software, der sogenannten Content ID, ({17}) und die ist in der Lage, anhand eines bestimmten Algorithmus, liebe Frau Kollegin, anhand von Maßstäben, die wir nicht gesetzt haben und die für uns nicht nachvollziehbar sind, Unterschiede herauszufiltern, und das schon seit Jahren. Wo sind denn da bitte Ihre Demons­trationen gewesen? Das hat Sie jahrelang offensichtlich überhaupt nicht interessiert. ({18}) Ich komme zur Falschbehauptung Nummer sechs: Die Abstimmung im EU-Parlament sollte vorgezogen werden, um die Gegner zu überrumpeln. – Wahnsinn, AfD! Diese Behauptung ist reine Erfindung. Die Abstimmung war schon immer für Ende März geplant. ({19}) Sie wird Ende März stattfinden. – Das ist reine Erfindung. Sie sehen es: In fünf Minuten sechs Falschbehauptungen! Alle widerlegt! Ich könnte so weitermachen. Leider habe ich nur fünf Minuten Redezeit. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({20})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Alexander Hoffmann. – Jetzt kommt der letzte Redner in dieser Aktuellen Stunde, und das ist für die SPD-Fraktion Dr. Jens Zimmermann. ({0})

Dr. Jens Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004603, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich habe gedacht, es würde zum Ende hin langweilig werden. Vielen Dank, Kollege Hoffmann; Sie haben ja noch mal für ein bisschen Stimmung im Raum gesorgt. ({0}) Ich will aber zu Beginn für die SPD noch mal klarmachen: Wir stehen natürlich auf der Seite der Kreativen, der Urheberinnen und Urheber, derjenigen, die viel Arbeit da reinstecken, die davon leben. Die sollen am Ende dafür auch einen ordentlichen und angemessenen finanziellen Ausgleich bekommen, meine Damen und Herren. ({1}) Aber wir als SPD stehen eben auch ganz genauso auf der Seite der Freiheit, der Meinungsfreiheit, und wir stehen auch auf der Seite derjenigen, die jetzt Sorge haben, dass es aufgrund der technischen Möglichkeiten, die der Kollege gerade geschildert hat, zu Einschränkungen kommen könnte. Ich finde, dass man beides möchte, dass man den Kreativen und den Urhebern zu ihrem Recht verhelfen will und dass man dabei die Meinungsfreiheit nicht einschränken will – das sind doch die Positionen –, das ist der Bereich, in dem sich die Diskussion bewegt. Aber so schräg die Diskussion hier heute auch war in der Aktuellen Stunde: Es kann offenbar gar nicht populistisch genug sein. Wenn es darum geht, irgendwo auf der Straße eine Wählerin oder einen Wähler abzuholen, dann wird hier sofort nur noch in eine Richtung polemisiert. Und das ist ganz explizit nicht unsere Auffassung, meine Damen und Herren. ({2}) Ich war selbst dabei, als wir im Kanzleramt bei den Koalitionsverhandlungen über genau diesen Passus, über die Frage der Uploadfilter, diskutiert haben. Uns war damals vollkommen klar, dass wir den Urheberinnen und Urhebern ihr Recht gewähren wollen. Aber wir haben damals gesagt: Wir sind der Meinung: Uploadfilter sind das falsche Instrument an der Stelle. – Insofern ist es auch kein Widerspruch, dass beide Dinge im Koalitionsvertrag stehen. Ich finde gerade, es macht absolut Sinn, dass beide Dinge im Koalitionsvertrag stehen. Aber das ist ein Punkt, bei dem vielen Sand in die Augen gestreut wird. Wenn man sich, so wie Manuel Höferlin das getan hat, hierhinstellt und sagt, es wäre ein Bruch des Koalitionsvertrages, ({3}) wenn man diese Bedingung – keine Uploadfilter – nicht erfüllen kann, dann wird bewusst etwas weggelassen. Die Bundesregierung hätte das in Brüssel einfach durchziehen können. Dann wäre aber das gesamte Paket gescheitert. Das ist ja die Wahrheit dahinter. Hätte man das gemacht, hätten wir das zweite Ziel, zu dem wir uns im Koalitionsvertrag verpflichtet haben, nämlich mit der Urheberrechtsnovelle auch den Kreativen zu helfen, nicht erfüllen können. ({4}) Das ist die Situation, vor deren Hintergrund die Diskussion stattfindet. Dass das eine schwierige Situation ist, dass das ein Dilemma ist, das sehen wir doch gerade. So, wie wir hier ringen, machen wir das selten. Aber ich finde: Das ist doch erst mal eigentlich was Positives. Wir diskutieren hier hart in der Sache, und wir wägen Argumente gegeneinander ab. Das macht die CDU parteiintern, das machen wir parteiintern. Ich mache mir eigentlich eher Gedanken, weil es in anderen Parteien so zu sein scheint, dass es dort nur eine klare Meinung gibt. Wir schauen mal: Irgendwann ändern sich Mehrheiten auch wieder. Dann ist das Spiel vielleicht anders. Aber deswegen ist ein Ringen um die sinnvollste Lösung an der Stelle etwas Positives. ({5}) Ich will aber auch sagen: Ja, ich tue mich mit den Uploadfiltern sehr, sehr schwer. Wir haben gerade heute ein aktuelles Beispiel. Das hat überhaupt nichts mit Europa zu tun. Es ist in den USA passiert. Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren hat ein Video auf Facebook hochgeladen, in dem sie die Zerschlagung dieses Konzernes fordert. Das hat eine gewisse Ironie. Das sehe ich auch. Aber dieses Video wurde von Facebook herausgefiltert, weil sie angeblich illegalerweise das Logo dieses Unternehmens in ihrem Video verwendet hat. ({6}) Genau das ist eben wieder einer dieser Punkte, bei dem wir Probleme bekommen. Deswegen sage ich ganz klar: Vorsicht, was das angeht! Aber – eigentlich würde man das doch in der Schule lernen – wenn wir zwei Positionen haben, die widerstreitend sind, dann müssen wir doch gemeinsam nach einem Kompromiss suchen. Ich glaube, dieser Kompromiss ist auch im Europaparlament nach wie vor möglich. Also, meine Damen und Herren, um noch einmal zusammenzufassen: Wir, die SPD, stehen auf der Seite der Kulturschaffenden. Wir stehen auf der Seite derer, die für ein freies Internet kämpfen. Wir sind der Meinung, dass auch Demonstrationen dafür und die freie Ausübung dieser Meinung absolut legitim sind. ({7}) Wir sind der Meinung, dass wir am Ende einen fairen Interessenausgleich brauchen. Eine Urheberrechtsreform mit einem veränderten Artikel 13 ist nach wie vor möglich; und dafür sollten wir uns alle einsetzen. Herzlichen Dank. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Zimmermann. – Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. März 2019, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Restmittwoch, mit allem Möglichen: Fußball und anderem. (Schluss: 17.01 Uhr)