Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/14/2018

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

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Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Heute auf den Tag genau vor neun Monaten, am 14. März, bin ich hier im Deutschen Bundestag vereidigt worden. Ich freue mich sehr, dass wir es gemeinsam in dieser Zeit bis heute geschafft haben, das Gute-Kita-Gesetz zur Verabschiedung zu bringen. Es ist ein gutes Gesetz. Ich möchte mich bei all denen für die Zusammenarbeit bedanken, die uns bis zum heutigen Tag begleitet haben. ({0}) Der Bund bekennt sich erstmals in dieser Größenordnung zu seiner Verantwortung für eine gute Qualität in der Kindertagesbetreuung. Er steht auch dafür ein, die Eltern bei den Gebühren zu entlasten, gute Bildungschancen für alle Kinder zu eröffnen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Eltern zu fördern. Wir machen immer wieder deutlich: Das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Wir wollen die Länder und die Kommunen damit nicht alleine lassen. Wir haben in einem vierjährigen Dialogprozess unter Beteiligung der Länder, der Kommunen, der Wissenschaft und der Praxis an diesem Gesetz gearbeitet. Wir investieren 5,5 Milliarden Euro bis 2022 für mehr Qualität und weniger Gebühren. ({1}) Und wir wollen, dass diese Mittel auch über 2022 hinaus fortgeschrieben werden. Deshalb ist im Gesetz das Ziel formuliert, … nachhaltig und dauerhaft die Qualität der frühen Bildung, Erziehung und Betreuung in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege bundesweit weiterzuentwickeln und bestehende Unterschiede zwischen den Ländern anzugleichen. ({2}) Das Gute-Kita-Gesetz ist eben kein Förderprogramm, aus dem sich der Bund nach ein paar Jahren zurückzieht. Es ist ein Gesetz, das zeigt, dass der Bund seine Verantwortung auch über 2022 hinaus wahrnehmen wird. Dafür werde ich mich einsetzen. ({3}) Wir wollen, dass alle Kinder die gleichen Startchancen haben. Das kann man nicht dem Zufall überlassen oder von der Herkunft der Eltern abhängig machen. Wir brauchen gute Rahmenbedingungen für eine gute frühkindliche Bildung, die allen Kindern zugänglich ist. Deshalb investieren wir in die Betreuungsqualität. Wir haben im Vorbereitungs- und Beteiligungsprozess zehn Qualitätsbausteine vereinbart. Dazu gehören eine bedarfsgerechte Betreuung, die Entlastung der Kitaleitung, eine Verbesserung beim Fachkraft-Kind-Schlüssel, eine ausgewogene Ernährung, gute Räumlichkeiten, sprachliche Bildung, qualifiziertes Personal und eine Vielfalt an pädagogischen Angeboten. Wir bieten den Ländern einen Instrumentenkasten, aus dem sie die für sich passenden Angebote anhand ihres Bedarfs auswählen können; denn die Bedarfe in den Ländern sind noch immer sehr, sehr unterschiedlich. Wir brauchen Flexibilität und gleichzeitig Verlässlichkeit, Verbindlichkeit. Dafür sorgen wir durch die Verträge, die wir mit jedem einzelnen Bundesland abschließen werden, wenn es um die Umsetzung des Gute-Kita-Gesetzes geht. ({4}) Und ja, es ist richtig: Bundesweit einheitliche Qualitätsstandards sieht das Gesetz nicht vor; ({5}) darüber haben wir hier auch schon gesprochen. Dafür ist die Zeit – das sage ich auch an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich – noch nicht reif. Die Kitalandschaft in Deutschland ist derart vielfältig, dass wir eben noch keine bundeseinheitlichen Standards haben. Es gibt Länder, die einen sehr guten Betreuungsschlüssel, aber dafür sehr kurze Öffnungszeiten der Kitas haben – und umgekehrt. Einige Länder haben in den vergangenen Jahren in Qualitätsverbesserung investiert, andere haben sich um andere Bereiche gekümmert. Das kann man derzeit eben noch nicht vereinheitlichen, und darauf nehmen wir Rücksicht. Aber wir legen heute die Grundlage dafür, dass wir langfristig bundeseinheitliche Standards bekommen werden. Im Übrigen steht das auch in § 1 des Gesetzes, nämlich dass als Ziel „bundesweit gleichwertige qualitative Standards angestrebt“ werden. ({6}) Wir werden ein jährliches Monitoring und eine Evaluation durchführen, um zu sehen, welche weiteren Schritte nötig sind. Aber eines ist schon heute klar: Für eine gute Entwicklung brauchen wir einen Dreiklang aus Qualität, Kapazität und Personal. Ohne qualifizierte Fachkräfte wird es – das ist ganz klar – nicht gehen. Deshalb ist ein Baustein des Gute-Kita-Gesetzes die Förderung von Maßnahmen zur Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte. Wir gehen darüber hinaus aber sogar noch einen Schritt weiter: Zusätzlich zum Gute-Kita-Gesetz werden wir vonseiten des Bundesfamilienministeriums im nächsten Jahr eine Fachkräfteoffensive starten, um eine praxisintegrierte Ausbildung fördern zu können, die vergütet ist und für die kein Schulgeld gezahlt werden muss. Dafür werden wir ein eigenes Förderprogramm des Bundes auflegen, für das auch schon Mittel im Haushalt festgeschrieben sind. ({7}) Und, meine Damen und Herren, wir schaffen mit diesem Gesetz auch den Einstieg in die Gebührenfreiheit. Das ist wichtig; denn wenn Eltern mehrere Hundert Euro, teilweise sogar über 1 000 Euro an Gebühren zahlen müssen, dann führt das zu Schwierigkeiten beim Zugang zu einer qualitativ guten Kinderbetreuung. Es geht darum, dass wir die Entlastung der Eltern bei den Gebühren auch als einen Aspekt von Teilhabe und Qualität verstehen. Es geht darum, dass wir es bundeseinheitlich schaffen, die Eltern, die jeden Tag aufstehen und arbeiten gehen, die kleine Einkommen haben, die Wohngeld oder Kinderzuschlag bekommen, von den Gebühren zu entlasten. Deshalb werden mit dem Gesetz überall in Deutschland Familien mit kleinen Einkommen von den Gebühren befreit. Das betrifft 1,2 Millionen Kinder. ({8}) Meine Damen und Herren, wir gehen mit diesem Gesetz gemeinsam den Weg für eine stärkere Beteiligung des Bundes an der Kitaqualität. Es gibt 3,1 Millionen Kitakinder in Deutschland. Sie alle werden davon profitieren. Dieses Gesetz wird spürbar ankommen, es wird den Familien konkret helfen: 3,1 Millionen Kinder mit ihren Eltern, mit ihren Familien. Wir machen Politik, die konkret wirkt. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, die Sie daran mitgearbeitet haben, die Sie das möglich gemacht haben. Das ist ein guter Schritt. ({9}) Allen, die sich fragen, ob es wirklich ein guter Schritt ist, sage ich: Denken Sie immer an eines: Nothing you do for children is ever wasted. – Nichts, was du für Kinder tust, ist jemals verschwendet. Vielen Dank. ({10})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Martin Reichardt, AfD. ({0})

Martin Reichardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004859, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Vorweihnachtszeit gibt es Gutes und Besinnliches zu berichten, auch aus dem Regierungsviertel. Am 29. November 2018 nahm Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth im Paul-Löbe-Haus den vom Verband Deutscher Naturparke gestifteten Tannenbaum entgegen. Ein Kinderchor begleitete diese Zeremonie. Frau Roth sagte ihnen: Ihr bringt uns ein Stück weit Frieden. Die meisten Kinder waren Mädchen. Sie trugen Kleider und hatten Zöpfe. ({0}) In einer Broschüre zur richtigen Erziehung in unseren Kitas sind Zöpfe und Kleider bei Mädchen ein eindeutiges Zeichen für eine völkisch-rechtsextreme Gesinnung im Elternhaus, die zu prüfen ist. ({1}) Es ist eine Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung. Sie wird aus Steuergeldern bezahlt, ({2}) und Frau Ministerin Giffey hat das Vorwort dafür geschrieben. Die Broschüre fordert zur Bespitzelung von Kindern, Eltern und Erzieherkollegen auf. ({3}) Auch das ist ein Teil unserer schönen neuen Kitas. ({4}) Aber so neu ist das gar nicht. Wir Deutschen haben leider eine unsägliche Tradition in Bespitzelung; ({5}) eine Tradition, der sich auch die Vorsitzende dieser Stiftung, Frau Kahane, als ehemalige Stasimitarbeiterin verpflichtet fühlt. ({6}) Frauen können eben alles, das ist schon gesagt worden. Frauen können eben auch zur Bespitzelung aufrufen. ({7}) Die Kritik am Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung ist weitreichend; ({8}) denn das Gute-Kita-Gesetz – das müssen wir sagen – ist ein schlechtes Gesetz. Insofern war die Idee von Frau Ministerin Giffey, es Gute-Kita-Gesetz zu nennen, in der Rückschau eine schlechte Idee. ({9}) Die Kritik der Sachverständigen reichte von unzureichender Feststellung von Qualitätsstandards über den Fachkraftschlüssel bis zu den Vertragsabschlüssen – all das ist bekannt –, Eingriffen ins Elternrecht und die mangelhafte Fortdauer der Finanzierung über das Jahr 2022 hinaus; auch die sind bekannt. In der Ausschusssitzung an diesem Mittwoch hat die Regierung das Votum der Sachverständigen relativiert, sie seien auch nur ihren jeweiligen Interessengruppen verpflichtet. Die heftigste Kritik kam allerdings von den Sachverständigen, die die Koalition eingeladen hatte. Gegen den Rat der Sachverständigen wird dieses Gesetz nun im Bundestag beschlossen werden; denn Parlamentarier, so hörte ich auch im Ausschuss, müssen sich ein anderes Votum gönnen als Sachverständige. Die Parlamentarier der Regierung sind allerdings auch nur ihren Interessen verpflichtet. Ich befürchte, das größte Interesse ist der Machterhalt. ({10}) Noch in einem anderen Punkt unterscheiden sich die Sachverständigen offensichtlich von unserer Regierung. Sie besitzen nämlich das, was ihr Name sagt: Sachverstand. ({11}) Kinder, Erzieher und Eltern werden zum wiederholten Male die Leidtragenden sein. Familien und Erzieher in Deutschland kümmern sich mit viel Liebe und Sachverstand um Kinder. Sie sind unsere Zukunft. Von ihnen wird verlangt, dass sie sich professionelle Hilfe holen, wenn ihr eigener Sachverstand nicht ausreicht. Sie tun dies zum Nutzen unserer Kinder. Frau Giffey, Sie haben den Rat der Sachverständigen nicht angenommen, Sie haben ihn ausgeschlagen. Sie handeln damit verantwortungslos. Sie dokumentieren damit, dass Sie nicht zum Guten von Kindern, Kitas und Eltern handeln. Sie geben gutes Geld dafür aus, dass Kitas eben doch nicht gut werden. Für gute Kitas wären eine gute Regierung und eine gute Ministerin nötig. Vielen Dank. ({12})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nadine Schön, CDU/CSU, ist die nächste Rednerin. ({0})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wichtigste, das ich habe, ist heute Morgen nicht bei mir: meine Kinder. Der Kleine ist in der Krippe. Wahrscheinlich baut er gerade einen Turm oder liest in einem Wimmelbuch. Der Große wird jetzt wahrscheinlich gerade zum Frühstück gehen. Ich kann hier nur deshalb beruhigt und konzentriert stehen und meine Arbeit machen, weil ich weiß, dass meine Kinder in der Krippe und im Kindergarten gut aufgehoben sind. Ich habe heute Morgen genau wie Millionen andere Eltern in unserem Land meine Kinder Erzieherinnen und Erziehern anvertraut, die die Kinder von null Jahren bis zum Schuleintritt im Alter von sechs Jahren in Kindertageseinrichtungen, in Kindergärten oder auch bei Tagesmüttern und Tagesvätern untergebracht haben. Kinder sind das Beste, das wir haben. Dieses Vertrauen, das wir in die Erzieherinnen und Erzieher haben, ist ein besonders hohes Gut; denn unsere Kinder sind einzigartig. Gerade wir als Union sehen in jedem einzelnen Kind die Menschenwürde. Wir sehen die Potenziale eines jeden einzelnen Kindes. Wir sind der Meinung, dass es sich lohnt, sehr viel zu investieren, dass jedes einzelne Kind mit seinen Fähigkeiten, seinem Potenzial, seiner Individualität bestmöglich gefördert und unterstützt wird. ({0}) Mit dieser Einzigartigkeit umzugehen, ist in meinen Augen die größte Leistung, die Erzieherinnen und Erzieher erbringen. Man braucht Zeit und Zuwendung. Man braucht Einfühlungsvermögen und Liebe. Man braucht Beobachtungsgabe, eine gute Ansprache und natürlich auch Wissen. Der Erzieherberuf ist in meinen Augen einer der anspruchsvollsten und einer der wichtigsten Berufe in unserem Land. An dieser Stelle möchte ich einfach mal ein herzliches Dankeschön an alle Erzieherinnen und Erzieher sagen. Sie haben viel mehr Respekt und auch Dank unserer Gesellschaft verdient. ({1}) Doch es braucht nicht nur Dank und Respekt. Es braucht auch gute Rahmenbedingungen. Mit dem Gute-Kita-Gesetz wollen wir als Bund mithelfen, dass es in unserem Land tatsächlich viele gute Kitas gibt. Was ist eine gute Kita? Eine Kita ist dann gut, wenn die individuelle Beschäftigung mit jedem einzelnen Kind möglich ist. Das ist natürlich nur der Fall, wenn genügend Personal da ist. Das ist in Deutschland sehr unterschiedlich. In Baden-Württemberg zum Beispiel ist in einer Krippe eine Erzieherin für drei Kinder zuständig. In Mecklenburg-Vorpommern sind es über sechs Kinder pro Erzieher, in Sachsen sogar noch ein bisschen mehr. Bei den über Dreijährigen im Kindergarten kommen auf eine Erzieherin in Baden-Württemberg knapp sieben Kinder. In Mecklenburg-Vorpommern ist eine Erzieherin für sage und schreibe – statistisch gesehen – 12,5 Kinder zuständig. Unser politisches Ziel muss es sein, dass in allen Ländern das Verhältnis von Fachkraft zu Kind möglichst klein ist. Dazu gehört auch, dass Urlaub, Krankheit, Fortbildung eingeplant werden. Deshalb ist es uns als Union wichtig, dass das Thema Fachkraft-Kind-Schlüssel, ein besseres Betreuungsverhältnis, eines der vorrangigsten Handlungsfelder des Gute-Kita-Gesetzes ist. Wir erwarten von allen Ländern, dass sie in genau dieses Handlungsfeld auch investieren. ({2}) Eine gute Kita hat eine gute Leitung; eine Leitung, die ihr Team motiviert, die Einrichtung organisiert, Probleme löst und immer wieder für eine Weiterentwicklung sorgt. Eine gute Kita hat kindgerechte Räume und entsprechende Öffnungszeiten. Eine gute Kita arbeitet mit den Eltern zusammen. Auch das ist uns als Union besonders wichtig; denn das erste Erziehungsrecht in unserem Staat haben die Eltern. Deshalb ist es total wichtig, dass Eltern und Erzieherinnen und Erzieher ein gutes Team sind, dass sie gut zusammenarbeiten und dass der Austausch gewährleistet ist. ({3}) Eine gute Kita schützt Kinder. Deshalb haben wir als Union darauf gedrängt, dass mit den Geldern des Gute-Kita-Gesetzes dafür gesorgt wird, dass es in den Einrichtungen auch Schutzkonzepte gibt, etwa zum Thema sexueller Kindesmissbrauch, das leider ein sehr, sehr großes Thema ist, was wir an den erschreckend hohen Fallzahlen sehen. Gerade diese Woche hat das Bundeskabinett die Stelle des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs entfristet und verlängert. Frau Giffey hat das als Konzept eingebracht. Wir sind der Meinung: Zu einem Konzept gegen sexuellen Kindesmissbrauch gehört viel mehr, als nur eine Stelle zu entfristen. Es gehört dazu, dass wir die guten Anregungen, die uns der Beauftragte gibt, nämlich Schutzkonzepte in jeder Einrichtung zu etablieren, in der Praxis umsetzen, dass wir hier auch investieren, dass wir Geld dafür geben, damit diese Schutzkonzepte vor Ort etabliert und mit Leben erfüllt werden können. Das Geld des Gute-Kita-Gesetzes kann genau dafür verwendet werden. Darauf legen wir als Union einen besonderen Schwerpunkt und besonders viel Wert. Deshalb haben wir das in unserem Änderungsantrag zum Gesetz noch einmal verdeutlicht. ({4}) Als Union erwarten wir, dass die Länder das Geld sinnvoll einsetzen. Es muss zusätzlich zu dem sein, was ohnehin geplant ist. Die Verwendung muss transparent sein, deshalb die Leistungsvereinbarung mit den Ländern. Das Geld muss zu einem wirklichen Mehrwert, zu einer Weiterentwicklung führen. Als Partei, die das Subsidiaritätsprinzip hochhält, sagen wir: Jedes Land kann selbst entscheiden, wo es die größten Bedarfe sieht und worauf es die größten Schwerpunkte legt. Wir müssen den Eltern da nichts vorschreiben; aber wir erwarten eben überall eine Weiterentwicklung, insbesondere auch bei der Qualität. Dass wir den Ländern nichts vorschreiben wollen, gilt auch für das Thema Gebühren. Der Gesetzentwurf sah erst vor, dass wir den Ländern genau vorschreiben, wie sie die Gebühren zu staffeln haben. Da bin ich der Meinung: Das bekommen die Kommunen und die Länder schon ganz gut selbst hin. Deshalb haben wir diese Passage aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Die Länder und Kommunen können selbst entscheiden, wie sie eine soziale Staffelung vornehmen. Das Einzige, was wir verlangen, ist, dass diejenigen mit ganz geringem Einkommen nicht mit Gebühren belastet werden. Ich glaube, das ist auch sachgerecht. Alles andere kann so entschieden werden, wie es für die individuelle Situation vor Ort am besten passt. ({5}) Mit den Geldern des Bundes können auch Gebühren reduziert werden; auch das haben wir vorgeschrieben, und auch das gehört zur Wahlfreiheit der Länder. Es gibt Länder – mein eigenes gehört dazu –, in denen die Gebühren sehr, sehr hoch sind. Es stellt eine enorme Belastung für Familien dar, wenn sie mehrere Kinder zeitgleich in der Krippe oder im Kindergarten haben. Das sind schon hohe Beträge – fast im vierstelligen Bereich –, die da bei mehreren Kindern zusammenkommen. Deshalb sagen wir als Union: Es ist richtig, dass Eltern hier entlastet werden. Das darf aber nicht auf Kosten der Qualität gehen. Wir appellieren an die Verantwortlichen in den Ländern und setzen auf die Vernunft, dass alle Länder ein gutes Gleichgewicht zwischen einer guten, angemessenen Gebührenbefreiung und einer guten Qualitätsentwicklung finden. Denn eine gute Kita liegt uns am Herzen. Kinder sind die Zukunft. Wir wollen die Einzigartigkeit und Individualität jedes einzelnen Kindes fördern, und dazu gehört eben eine gute Qualität in den Kindertageseinrichtungen. Dafür setzen wir uns ein, und dafür sind die 5,5 Milliarden Euro, die wir jetzt als Bund investieren, wirklich gut angelegt. ({6})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Matthias Seestern-­Pauly, FDP. ({0})

Matthias Seestern-Pauly (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004890, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey! Wir alle sind gemeinsam angetreten, um die Qualität in unseren Kitas zu erhöhen und um mehr Chancen für alle Kinder zu ermöglichen. Das nun vorliegende Resultat nennen Sie, Frau Ministerin, Gute-Kita-Gesetz. Wir als Freie Demokraten nennen es Verpasste-Chancen-Gesetz. ({0}) Ich möchte Ihnen auch sagen, warum: Wir Freie Demokraten wollen eine faire Sozialstaffel bei den Kitagebühren für die, die es brauchen. Denn der Geldbeutel der Eltern darf nicht darüber entscheiden, ob ein Kind eine Kita besuchen kann oder halt auch nicht. Ihr Gesetz ermöglicht aber – das vergessen Sie regelmäßig, in Ihren Reden zu sagen – auch die pauschale Beitragsfreiheit. Sie wollen auch diejenigen von Beiträgen befreien, die das gar nicht nötig haben, und dann fehlt beispielsweise das Geld für mehr Sprachförderung oder für einen vernünftigen Fachkraft-Kind-Schlüssel. ({1}) Das sind aber fundamentale Aspekte, um die Qualität tatsächlich im Sinne unserer Kinder zu erhöhen. Sie stellen hier die falschen Weichen. – Verpasste Chance. Sehr geehrte Frau Ministerin, es versteht wirklich jeder, dass eine nachhaltige und langfristige Qualitätssteigerung nur dann möglich ist, wenn man sich auf eine dauerhafte Finanzierung verlassen kann. Ihr Gesetzentwurf sieht aber nur eine Anschubfinanzierung bis 2022 vor. Trotz aller Kritik haben Sie hieran nichts verändert, auch wenn Sie das gerade wieder ein wenig schwammig dargestellt haben. Es steht nicht im Gesetz. Es ist eine Ankündigung, die aber nirgendwo verbindlich niedergelegt ist. ({2}) Deshalb frage ich Sie auch ganz konkret: Wie sollen vor Ort mehr Fachkräfte eingestellt werden, wenn die Stellen nur für vier Jahre finanziert sind? ({3}) Sollen die Erzieherinnen und Erzieher dann wieder entlassen werden? Ist das das Ziel der Bundesregierung? ({4}) Ich will Ihnen sagen, was passiert: Fast niemand wird zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher einstellen. Wir alle wissen aber, dass das genau der sicherste Weg wäre, um mehr Qualität in der Kita sicherzustellen. – Verpasste Chance. ({5}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Union und der SPD, wie kann es eigentlich sein, dass man selber eine Anhörung zu einem Gesetzesvorhaben beantragt und anschließend alle – wirklich alle – wesentlichen Verbesserungsvorschläge der Sachverständigen in den Wind schlägt? – Verpasste Chance. Für mich persönlich ist es in diesem Zusammenhang schon erstaunlich, dass die Union dieses Schauspiel mitmacht oder mitmachen muss. Erst am 22. November 2018, also vor gut drei Wochen, haben noch alle Redner der Union hier im Hause den vorliegenden Gesetzentwurf offen kritisiert. Sie alle haben unmissverständlich deutlich gemacht, dass eine pauschale Beitragsfreiheit auf Kosten der Qualität mit Ihnen nicht zu machen sei; genau dasselbe hat Frau Schön gerade wiederholt. Was aber ist das Resultat dieser vollmundigen Ankündigungen? Welche wesentlichen Änderungen wurden von der Union in den letzten Wochen durchgesetzt? Keine. Es wurde rein gar nichts von Ihren Ankündigungen umgesetzt. Sie sind leider – und das sage ich an dieser Stelle ohne jegliche Häme – auf voller Linie eingeknickt. – Verpasste Chance. ({6}) Das alles lässt im Endeffekt nur einen einzigen Schluss zu: Es geht bei diesem Gesetzentwurf schon lange nicht mehr um die Sache. Es geht vielmehr darum, dass die Ministerin ihr Gesicht wahren kann. Es geht vielmehr darum, dass diese Regierung eine 5,5 Milliarden Euro teure Trophäe vorzeigen kann, um vermeintliche Handlungsfähigkeit vorzugaukeln. Dies alles geht aber auf Kosten der Eltern, es geht auf Kosten der Erzieherinnen und Erzieher, vor allem aber auf Kosten unserer Kinder. ({7}) Deshalb liegt uns auch heute kein Gute-Kita-Gesetz zur Beschlussfassung vor, sondern ein Verpasste-Chancen-Gesetz, und einem Verpasste-Chancen-Gesetz stimmen wir als Freie Demokraten nicht zu. Danke schön. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Norbert Müller, Die Linke, ist der nächste Redner. ({0})

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute vorläufig abschließend den Einstieg des Bundes in die Finanzierung von Qualität in Kindertagesstätten: „abschließend“, weil damit ab Januar 2019 erstmals 500 Millionen Euro an die Länder für Qualitätsverbesserung fließen können; „vorläufig“, weil dieser Gesetzentwurf dermaßen ungenügend – der Kollege Seestern-Pauly hat bereits viel dazu gesagt – und schlecht ist, dass das hier eben heute nicht das Ende der Geschichte sein wird. Die Parlamentarische Staatssekretärin Caren Marks – ich hoffe, Sie verzeihen mir das – bat mich, doch vielleicht etwas Freundliches zum Gesetzentwurf zu sagen. Weil mir so recht nichts einfiel, bin ich zum Kollegen Sönke Rix – auch von der SPD-Fraktion – gegangen und habe gefragt, was ich da sagen könne. Der Kollege Rix meinte, als Linker könne man doch wohl loben, dass der Bund nun endlich überhaupt in die Finanzierung von Kitaqualität einsteige; das hätten wir als Linke auch immer gefordert. ({0}) Okay, Sönke, du hattest recht. Das finden wir im Grundsatz natürlich gut – richtig –, aber es war eben auch überfällig. ({1}) Ich habe zwei Söhne und hatte das Glück, bei beiden dabei sein zu können, als sie ihre ersten Schritte gingen – etwas tapsig, etwas unsicher, aber immerhin die ersten Schritte. Dann freut man sich bei beiden Kindern, dass sie diese ersten Schritte gehen, dass sie laufen lernen, dass sie sich selbst über diese ersten Schritte freuen; aber die führen eben nicht weit, und sie landen schnell auf dem harten Boden der Realität. Genau so ist dies eben auch mit dem Kitagesetz. Zwar werden 5,5 Milliarden Euro für vier Jahre zur Verfügung gestellt; aber 2022 ist erst einmal Schluss. Die Länder können aus einem großen Strauß Maßnahmen zur Verbesserung der Kitaqualität wählen, in die sie das Geld stecken möchten. Sie können das Geld aber eben auch in Beitragsfreiheit stecken. Da sage ich: Wir als Linke sind sehr dafür, dass der Besuch einer Kita oder die Betreuung durch Tagespflegepersonen Eltern nichts extra kosten darf und dies steuerfinanziert sein muss. Das sind Einrichtungen der frühkindlichen Bildung, und wir sagen als Linke: Bildung darf nichts kosten. ({2}) Aber ich finde: Es ist eben auch eine soziale Frage und auch eine Gerechtigkeitsfrage. Elternbeiträge sind ja deswegen in allen Bundesländern so umkämpft – viele Länder haben bereits Maßnahmen zur Elternbeitragsfreiheit eingeleitet –, weil viele Eltern eben einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens für die Kitaplätze ihrer Kinder abdrücken müssen. Aber wir sagen auch: Wir dürfen die Frage der Beitragsfreiheit eben nicht gegen mehr Qualität in Kitas ausspielen. Genau das tut die Koalition aber mit diesem Gesetzentwurf. ({3}) Wer einen Gesetzentwurf schreibt, in dem alles steht, was man bei der Qualität verbessern könnte, was man sich wünschen könnte und was auch gut wäre, und gleichzeitig die Mittel für Beitragsfreiheit freigibt, dann aber nur 5,5 Milliarden Euro für insgesamt vier Jahre einstellt und sagt: „Nach vier Jahren ist Schluss“, die insgesamt für gar nichts davon reichen, der legt es darauf an, dass am Ende auf dem Rücken von Eltern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Beitragsfreiheit und Qualität gegeneinander ausgespielt werden. Das lehnen wir ab. ({4}) Dass Sie dann auch noch die im Entwurf vorgesehene verpflichtende Sozialstaffelung der Elternbeiträge wieder kassiert haben und auf den jetzigen Zustand einer Kannregelung zurückführen, setzt dem Ganzen, wie ich finde, noch die Krone auf. ({5}) Im Ergebnis setzen mindestens 10 von 16 Bundesländern die Gelder aus dem Kitagesetz teilweise oder vollständig für Beitragsfreiheit ein.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Müller, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Weiler gestatten?

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Von wem?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Von Herrn Kollege Weiler, CDU/CSU.

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, bitte.

Albert Weiler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004439, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege Müller, Sie reden mir eigentlich aus dem Herzen. Eltern müssen entlastet werden. Genau das wollen wir tun. Ich nenne Ihnen aber ein Beispiel dafür, dass die Dinge, die Sie vortragen, etwas doppelzüngig sind. Ich komme aus dem Bundesland Thüringen, wo ich seit über 14 Jahren Bürgermeister bin. Ich hatte in der letzten Woche eine unschöne Aufgabe zu erledigen. Ich sage Ihnen kurz den Hintergrund: Die Landesregierung hat beschlossen, dass der Kitabesuch ein Jahr lang gebührenfrei ist, erstattet den Kommunen aber nur 70 Prozent der Kosten. Das heißt, die Kommunen – auch ich als Bürgermeister – müssen sehen, wie wir das fehlende Geld auftreiben. Die Landesregierung finanziert die Beitragsfreiheit nur zu 70 Prozent. Das heißt, ich muss den Eltern sagen, dass sie 50 Euro pro Monat mehr zahlen müssen, sodass wir einigermaßen über die Runden kommen. Mit den 50 Euro ist es noch nicht getan. Das heißt, die Gemeinde muss noch mehr Geld in die Hand nehmen, um die Differenz auszugleichen. Also, das kann es nicht sein. Ich bitte Sie, Ihre schönen Worte auch an die Landesregierung in Thüringen zu richten und darauf hinzuweisen, dass die Länder, wenn sie die Beitragsfreiheit eigenverantwortlich umsetzen, das Geld, das wir vom Bund jetzt vermehrt an die Länder geben wollen, auch an die Kommunen weitergeben; denn sonst können wir die Rahmenbedingungen nicht schaffen und die notwendigen Investitionen für gute Kindergärten nicht tätigen. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Weiler, Zwischenfragen sollen Zwischenfragen bleiben.

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident, ich habe es auch so verstanden. – Ich möchte Ihnen dazu zwei Sachen sagen. Erstens. Thüringen ist eines der Länder mit der schlechtesten Betreuungsrelation und dem schlechtesten Fachkraft-Kind-Schlüssel. Das wird seit vier Jahren verbessert, seitdem Die Linke die Landesregierung in Thüringen führt. ({0}) Und dass Thüringen gerade im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen einen der schlechtesten Betreuungsschlüssel bundesweit hat, lag an der CDU, die dort mehr als 24 Jahre regiert hat und dafür gesorgt hat, dass dieser Schlüssel so schlecht war. ({1}) Zweitens. Ich habe gesagt: Ja, es ist richtig, dass es auch um Beitragsfreiheit geht. Aber wir als Linke sagen: Das muss der Bund auch angemessen mitfinanzieren. Das gehört zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, genauso wie Kitaqualität. ({2}) Es ist doch zynisch, zu sagen, dass gerade die Länder mit der höchsten Betreuungsrelation, wo also die meisten Kinder in Betreuung sind, das aus der Portokasse zahlen sollen. Sie wissen: Thüringen, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin können das gar nicht. Natürlich brauchen wir eine deutliche Hilfe des Bundes. Ich sage noch einmal: 5,5 Milliarden Euro für Beitragsfreiheit und Qualitätsverbesserung kann ein minimaler, ein sehr, sehr kleiner Anfang sein; aber damit kommen wir nicht sehr weit. ({3}) 10 von 16 Bundesländern werden die Mittel also überwiegend oder vollständig für Beitragsfreiheit investieren. Das ist wegen der Befristung auch verständlich. Der Kollege Seestern-Pauly hat das bereits begründet; dem möchte ich mich anschließen. Im Kitabereich bedeutet Investition in Qualität Investition in Personal. Man kann natürlich in Räumlichkeiten oder in Mittagessen und Frühstück investieren – das alles ist auch gut –, aber entscheidend ist: Wir brauchen mehr Personal für kleinere Gruppen, Weiterbildung, Fachberatung und Supervision. Wer soll denn jetzt für maximal vier Jahre Personal einstellen? Das ist weder verlässlich noch planungssicher. ({4}) Um ehrlich zu sein, ich verstehe das auch nicht. Die komplette Fachwelt ist für die Entfristung des Gesetzes. Der Bundesrat hat das gefordert. Die demokratische Opposition aus FDP, Linken und Grünen hat sich dafür ausgesprochen. Sogar die Ministerin Giffey hat das gefordert. Der Kollege Rix von der SPD und auch die Fachpolitiker, zum Beispiel Herr Beermann von der CDU/CSU – wo ist er eigentlich? –, haben das im Plenum verlangt. Wie kann es sein, dass das, wenn sich alle relevanten Akteure gegen die Befristung der Mittel bis 2022 aussprechen, trotzdem immer noch im Gesetz steht? ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD, stehen Sie zu Ihrem Wort! Die Befristung muss fallen. ({6}) Aber vielleicht hilft ja heute Nachmittag der Bundesrat, Frau Ministerin. Die Bundesländer Brandenburg und Saarland – Frau Schön, unsere beiden wunderschönen Bundesländer – haben vor wenigen Minuten einen Entschließungsantrag im Bundesrat für den Fall der Annahme des Gute-Kita-Gesetzes eingebracht. Ich möchte zitieren, da ich diesen Antrag ausgezeichnet finde: Die aktuell vorgesehene befristete Unterstützung bis zum Jahr 2022 wird diesem Erfordernis nicht gerecht. Insofern bemängelt der Bundesrat, dass das Gesetz eine Verstetigung zwar nicht ausschließt, aber auch nicht ausdrücklich vorsieht. In dem Antrag heißt es weiter: Gleichzeitig fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die Bundesbeteiligung spätestens im Zusammenhang mit der Evaluation im Jahr 2020 zu verstetigen, um die dauerhafte Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Ziele nicht zu gefährden. Ich hoffe, der Bundesrat nimmt den Entschließungsantrag von Saarland und Brandenburg an. Dann haben zumindest die Kolleginnen und Kollegen der dortigen Landesregierungen mehr Mut als die Koalition hier im Haus. ({7}) Zu der für die Koalition sehr peinlichen Anhörung ist bereits viel gesagt worden. Grüne und Linke nehmen die Anhörung im Familienausschuss sehr ernst. Deswegen haben wir einen gemeinsamen Änderungsantrag gestellt. Wir wollen, dass es einen verbindlichen Personalschlüssel für alle Kitas gibt. Auf vier Kinder unter drei Jahren und auf acht Kinder zwischen drei und sechs Jahren soll jeweils eine Fachkraft kommen. Damit das umgesetzt werden kann, schlagen wir eine lange Übergangsfrist vor. Die Koalition hatte leider keinen Mut, verbindliche Standards wenigstens bei der Anzahl von Kindern pro Erzieherin oder Erzieher festzulegen. Das ist sehr, sehr schade. Die Grünen haben einen eigenen Antrag für ein Kitaqualitätsgesetz vorgelegt, die FDP einen Entschließungsantrag. Bei beiden werden wir uns enthalten. Das Gesetz selbst lehnen wir aus den genannten Gründen ab. Sehr geehrter Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Vor fünf Jahren haben sich der Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder, die Arbeiterwohlfahrt, Verdi, die GEW, aber eben auch Linke, SPD und Grüne auf den Weg zu einem Bundeskitaqualitätsgesetz begeben. Auch wenn die SPD den Weg jetzt verlassen hat und damit in eine Sackgasse ({8}) gelaufen ist: Der Kampf um bundesweit verlässliche Standards in der frühkindlichen Bildung geht weiter. Das sind wir allen Kindern, ihren Familien, den Erzieherinnen und Erziehern in den Kitas schuldig. Die Linke wird hier nicht nachlassen. ({9})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Müller, da Sie hier liebenswürdigerweise Anträge, die im Bundesrat eingebracht werden, vorgetragen haben, möchte ich die Anregung geben: Es gibt hier eine Bundesratsbank. Wenn die Länder uns im Bundestag Mitteilungen machen wollen, haben sie dazu Gelegenheit. ({0}) Nächste Rednerin ist die Kollegin Annalena Baerbock, Bündnis 90/Die Grünen. ({1})

Annalena Baerbock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004245, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, wir beraten heute abschließend über ein Gesetz, das im Titel „Qualität“ trägt, Qualität aber nur noch in homöopathischen Dosen verabreicht. Das ist nicht nur enttäuschend für dieses Hohe Haus, das ist nicht nur enttäuschend nach der Fachanhörung, die etliche Kolleginnen und Kollegen hier schon angesprochen haben, wo sich alle Expertinnen und Experten dahin gehend geäußert haben, dass man diesem Gesetz nicht zustimmen kann, weil keine Qualität mehr drinsteckt. Das Schlimmste daran ist, dass es ein Schlag ins Gesicht für 3,1 Millionen Kinder in Krippen und Kitas in diesem Land ist. ({0}) – Ja, das ist eine harte Wortwahl, und die harte Wortwahl wird jetzt weitergehen. Sie, liebe SPD, haben dieses Gesetz groß angekündigt. Familienministerin Schwesig hat gesagt: Wir brauchen ein Kitaqualitätsgesetz. Sie haben mit den Ländern gemeinsam Qualitätsstandards vereinbart. Frau Barley hat als Nachfolgerin gesagt – ich zitiere –: „Ich werde mich für mehr Qualität in der Kindertagesbetreuung einsetzen.“ Wir hatten dazu dann eine Fachanhörung, in der von allen Expertinnen und Experten deutlich gemacht wurde – auch von denjenigen, die Sie eingeladen haben –, dass der Fachkraft-Kind-Schlüssel entscheidend für Qualität ist. Und der gehört verbindlich in ein Gesetz. ({1}) Frau Schön hat noch einmal sehr schön vorgetragen, was es bedeutet, einen vernünftigen Schlüssel zu haben: dass sich Erzieherinnen und Erzieher auch um die Kinder kümmern können. Das bedeutet, dass der Schlüssel für unter Dreijährige so sein muss: eine Erzieherin auf vier Kinder. Bei über Dreijährigen bedeutet dieser Schlüssel, dass eine Erzieherin auf neun Kinder kommt. Das ist in Deutschland nicht der Fall. Und das ist vor allen Dingen an den Orten nicht der Fall, wo vor allem sozial schwache Familien leben. Diese Familien haben große Hoffnungen in dieses Gesetz gesetzt, liebe SPD. Deswegen können Sie hier vor Empörung so laut schreien, ({2}) wie Sie wollen: Sie enttäuschen diese Familien, weil Sie diesen Schlüssel nicht rechtsverbindlich ins Gesetz schreiben. Das ist Ihre Verantwortung als Ministerin, liebe Frau Giffey. ({3}) Sie haben 5,5 Milliarden Euro zu verantworten, die Sie nicht an die Kinder auszahlen. Man muss sich schon die Frage stellen, ob es eine Korrelation gibt. Mit jedem Punkt, den die SPD in Umfragen verloren hat, ist mehr Qualität aus diesem Gesetz geflogen. Stattdessen hat man die Beitragsfreiheit immer mehr in dieses Gesetz hineingenommen, und zwar als pauschale Beitragsfreiheit. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass der Punkt, vor allem Familien mit schwachem Einkommen entlasten zu wollen, in diesem Gesetz eigentlich gar keine Rolle mehr spielt. ({4}) Das wird daran deutlich, dass Sie in allerletzter Minute – das wurde von Ihnen eben ja sogar gesagt – die soziale Staffelung bei der Beitragsfreiheit als verbindliche Vorgabe herausgenommen haben. Das ist zutiefst sozial ungerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Ich sage das an dieser Stelle so hart, weil das nicht nur mich als Abgeordnete betrifft, weil das nicht nur uns als Parlamentarier betrifft, die wir das hier zu verantworten haben, ({6}) sondern weil wir Hunderte, Tausende von E‑Mails und anderen Rückmeldungen bekommen haben, gerade aus den Kitas, gerade von den Fachkräften, die verzweifelt darum gerungen haben, dass sie an dieser Stelle endlich mehr Qualität in die Kitas bekommen. Und ich sage das so hart, weil Sie genau wissen, was Sie tun. Das ist ja das Schlimme. Sie wissen genau, dass mit einer pauschalen Beitragsfreiheit eben nicht eine soziale Entlastung einhergeht. Sie wissen genau, was Sie tun; denn Geringverdiener in ganz vielen Bundesländern und Kommunen sind schon freigestellt. Sie wissen genau, dass Sie mit der Beitragsfreiheit am Ende dafür sorgen, dass dies ein Gesetz für Gutverdiener wird. Das ist das Schlimme an der Einführung einer pauschalen Beitragsfreiheit mit diesem Gesetz. ({7}) Frau Giffey, Sie sagen, Sie würden Qualitätsstandards gerne einführen, Sie hätten das gerne in das Gesetz genommen, aber die Zeit sei noch nicht reif dafür. Was ist das denn für ein Verständnis von Regierungsverantwortung? ({8}) Was ist das denn für eine Haltung als Ministerin, zu sagen: „Eigentlich weiß ich, was richtig ist, eigentlich weiß ich, hier müssen Qualitätsstandards her, aber die Zeit ist noch nicht reif; wir warten einfach mal ab“? Irgendwann sind die Kinder aus der Kita raus. Das bedeutet, dass man sich jetzt um die Kinder, um die man sich besonders kümmern muss, die morgens getröstet werden müssen, die eine Ansprache brauchen, zu denen man auch mal hingehen muss, für die man als Erzieherin oder als Erzieher auch mal Zeit braucht, weil sie immer still in der Ecke sitzen – Sie wissen das aufgrund Ihrer Erfahrung ja ganz genau –, nicht so gut kümmern kann. Das bedeutet, dass für die Kinder, die jetzt in der Kita sind, das Thema durch ist. Das bedeutet noch eines; das möchte ich mit Blick auf die Fachkraftoffensive unterstreichen. Die Erzieherinnen und Erzieher sind diejenigen, die gesagt haben: Wir brauchen einen guten Fachkraft-Kind-Schlüssel, damit wir unsere Arbeit gut machen können. – Warum finden wir keine Erzieherinnen und Erzieher mehr? Weil viele nach ein paar Jahren sagen: Ich bin ausgebrannt, ich gehe aus diesem Job raus, ich habe keine Zeit für Planung, ich habe keine Zeit für Elterngespräche. – Das kennen wir doch alles aus der Pflege. Wir dürfen doch diesen Fehler nicht noch einmal machen. ({9}) Sie müssen dieses Geld vor allen Dingen im Sinne der 600 000 Erzieherinnen und Erzieher einsetzen. Die brauchen einen verbindlichen Fachkraft-Kind-Schlüssel, und sie brauchen eine Entfristung. Ich hoffe sehr, dass das im Bundesrat jetzt durchkommt. Diese Forderungen stehen auch in unserem Änderungsantrag. Es kommt nicht oft vor, dass Linke und Grüne einen gemeinsamen Änderungsantrag – und die FDP einen entsprechenden Entschließungsantrag – einbringen. ({10}) Es geht um einen verbindlichen Fachkraft-Kind-Schlüssel und eine Entfristung der Gelder. Wer stellt denn zusätzlich Erzieherinnen und Erzieher ein, wenn er sagen muss: „In fünf Jahren ist das Geld nicht mehr da, weil das Geld nur bis 2022 eingestellt ist“? ({11}) Sie können da nicht sagen: Ich gebe Ihnen mein Wort, danach wird das weiterfinanziert. – Es kommt darauf an, dass dieses Geld im Bundeshaushalt eingestellt wird und endlich entfristet wird, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({12})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Frau Kollegin Baerbock, achten Sie bitte darauf, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Annalena Baerbock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004245, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Ja, das waren deutliche Worte. Ja, das ist etwas, was man hier zur Sprache bringen muss, weil wir jetzt über diesen Gesetzentwurf abstimmen. Wir stimmen jetzt darüber ab, ob 5,5 Milliarden Euro zum Wohle der Kinder in diesem Land und zum Wohle der Erzieherinnen und Erzieher eingesetzt werden oder ob sie mit der Gießkanne verteilt werden, was wir verhindern wollen. Geben Sie sich einen Ruck, und stimmen Sie den Anträgen der demokratischen Opposition heute hier im Hohen Haus zu. Vielen Dank. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Katja Mast, SPD, ist die nächste Rednerin. ({0})

Katja Mast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie hier auf den Zuschauertribünen zuschauen oder an den Bildschirmen die Debatte verfolgen! Meine Vorrednerin hat gesagt: 5,5 Milliarden Euro für Kinder, Familien und Erzieherinnen und Erzieher sind ein „Schlag ins Gesicht“ der Betroffenen. ({0}) Das kann ich nicht teilen. Das ist eine Beleidigung dessen, was wir hier heute tun. ({1}) Frau Baerbock, wenn Sie das so empfinden, dann muss ich Sie verbessern. Schauen Sie doch nach Baden-Württemberg. Sorgen Sie in Baden-Württemberg dafür, dass das Geld, das dort ankommt, tatsächlich bei den Familien ankommt, dass es in die Gebührenentlastung fließt, dass das Land sich weiterhin in diesem Bereich stark engagiert. Ich schaue mit großer Sorge dorthin. ({2})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Frau Kollegin Mast, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Katja Mast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr gerne.

Dr. Anna Christmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004694, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Kollegin Mast, es ist sehr schön, dass Sie Baden-Württemberg hier erwähnen. Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, dass Baden-Württemberg hinsichtlich des Betreuungsschlüssels in den Kitas bundesweit am allerbesten dasteht? Denken Sie nicht auch, dass das in Zusammenhang damit steht, dass man die erste Priorität auf die Qualität setzt? Das ist doch das, was die Eltern umtreibt: dass es den Kindern in der Kita vor allem gut geht, dass es ausreichend Erzieherinnen und Erzieher gibt, die sich wirklich um das einzelne Kind kümmern können, und dass man vor allem diejenigen Familien entlasten muss, die sich die Kita nicht leisten können. Zum Beispiel in Stuttgart wurden die Gebühren für Familien mit geringem Einkommen gesenkt. Halten Sie es in diesem Rahmen wirklich für zielführend, die beitragsfreien Kitas ins Schaufenster zu stellen, auch wenn am Ende die Qualität wieder leiden wird? ({0})

Katja Mast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zuerst einmal geht es mir um mehr Qualität und weniger Gebühren. ({0}) Der Gesetzentwurf, über den wir heute abschließend diskutieren, nimmt Bezug auf einen vierjährigen Dialogprozess mit den Ländern, mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, aber vor allen Dingen mit vielen Betroffenen, mit Expertinnen und Experten und Vertretern der Wissenschaft, der zu Eckpunkten für ein Kitaqualitätsgesetz geführt hat. Das ist verabschiedet worden von der Jugend- und Familienministerkonferenz der Bundesländer, und wir haben im Koalitionsvertrag darauf Bezug genommen. ({1}) In diesem Prozess war von Anfang an angelegt, dass die Gebührenreduzierung – bis hin zur Gebührenfreiheit – ein wichtiger Teil der Kitaqualität ist. ({2}) Wenn Sie mir das nicht glauben, empfehle ich Ihnen den Zwischenbericht „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern“, auf den sich auch die Jugend- und Familienministerkonferenz bezieht, zu lesen. Dort steht auf Seite 11 unter der Überschrift „Handlungsziele“ als eines der ersten Qualitätsziele „Hürden der Inanspruchnahme abbauen“ – ich kann es Ihnen gerne vorlesen –: Eine wichtige Stellschraube sind Elternbeiträge: Eine sozialverträgliche Gestaltung von Beiträgen bis hin zur Beitragsfreiheit kann die Nutzung außerfamiliärer Betreuungsangebote ... fördern. ({3}) Alle Expertinnen und Experten, alle am Dialogprozess Beteiligten wussten, dass das ein wichtiger Punkt ist. ({4}) Auf den zweiten Teil Ihrer Frage – Baden-Württemberg – gehe ich mit Vergnügen ein, weil ich zu der Zeit, in der wir die Vorlagen gestaltet haben, Generalsekretärin der SPD Baden-Württemberg war. Ich durfte mitverantworten, dass die Grunderwerbsteuer in Baden-Württemberg erhöht wurde. Das war ein harter Schritt für viele Menschen, die Häuser bauen wollen, und das ist in Baden-Württemberg noch immer ein Thema. Wir sind nämlich Häuslebauerinnen und Häuslebauer. Aber wir waren mutig und haben gesagt: Wir stecken das Geld eins zu eins in die Kitaqualität. Das trägt sozialdemokratische Handschrift, genau: die Handschrift von Andreas Stoch und Marion von Wartenberg. ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt würde, Frau Kollegin Mast, auch noch der Kollege Norbert Müller aus der Fraktion Die Linke eine Zwischenfrage stellen.

Katja Mast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. Gerne.

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich freue mich auch immer über mehr Redezeit. Daher gönne ich Ihnen das. – Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Frage zulassen. Frau Kollegin Mast, ich würde zwei Fragen anschließen. Erstens. Sie haben ja gerade aus dem Zwischenbericht vorgelesen. Warum haben Sie dann die verpflichtende Sozialstaffelung aus dem Gesetzentwurf per Änderungsantrag wieder herausgestrichen? ({0}) Das ist überhaupt nicht zu erklären. Das haben Sie ja gerade vorgetragen. Zweitens. Die Jugend- und Familienministerkonferenz hat im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Kitaqualitätsentwicklungsgesetzes, das damals sozusagen vereinbart wurde, Folgendes festgelegt: Wir gehen diesen Schritt nur – das war die Zusage des Bundes –, wenn es jährlich – jährlich! – 5 Milliarden Euro gibt und wenn wir die Beitragsfreiheit – das war das Versprechen von Manuela Schwesig – mit jährlich nochmals 5 Milliarden Euro unterstützen. Das heißt, da ging es um 40 Milliarden Euro in vier Jahren, nicht um 5,5 Milliarden Euro. Das ist eine ganz andere Summe; es geht aber um das gleiche Gesetz. Daher können Sie sich nicht berufen auf den Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz von vor anderthalb Jahren, zumal Sie weite Teile davon gar nicht umgesetzt haben. ({1})

Katja Mast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Herr Kollege, das war eine zweiteilige Frage. Lassen Sie mich zunächst auf den ersten Teil eingehen. In unserem Gesetzentwurf steht, dass wir eine dauerhafte und nachhaltige Finanzierung in der Kinderbetreuung wollen. Wir haben im Koalitionsvertrag 3,5 Milliarden Euro für das Gute-Kita-Gesetz vereinbart. Jetzt stehen für vier Jahre 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung, also 2 Milliarden Euro mehr. Wir werden als SPD in dieser Koalition weiterhin darauf dringen, dass die Mittel dauerhaft fließen. Dieser Aspekt aus dem Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz, auf den wir uns im Übrigen im Koalitionsvertrag beziehen, ist für uns ein ganz wichtiger Punkt. Wir wollen aber noch eine Weile miteinander regieren und haben also Zeit, das hinzubekommen. ({0}) Ihr zweiter Punkt war, dass der Beschluss ein viel größeres Finanzvolumen hat. Das ist das, worauf wir uns in der Koalition einigen konnten. In den Koalitionsverhandlungen haben wir vereinbart, 45 Milliarden Euro in den prioritären Maßnahmen zu hinterlegen. Für uns von der SPD war das Vorhaben, 3,5 Milliarden Euro für das Gute-Kita-Gesetz aufzubringen, ein ganz zentraler Punkt für den Einstieg in diese Große Koalition. Ich finde, dass es in der Debatte eine kleine Schieflage gibt. Die Mittel, die wir im Gesetzentwurf vorsehen, kommen zusätzlich zu den Mitteln der Länder. Es sind die Länder und Kommunen, die für die Angebote der Kitas die Verantwortung tragen. Wir stellen zusätzliches Geld für Kitas, für Kinder und für die Erzieherinnen und Erzieher zur Verfügung. ({1}) Lassen Sie mich in meiner Rede fortfahren. Mit dem Gute-Kita-Gesetz machen wir einen großen Schritt nach vorne: für mehr Qualität und weniger Gebühren, für gute frühkindliche Bildung, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für bessere Arbeitsbedingungen für die Erzieherinnen und Erzieher in unserem Land. ({2}) Das machen wir, weil wir der festen Überzeugung sind, dass jedes Kind es packen muss. Das ist unsere Motivation. Ich möchte auf die Gebührenfreiheit und auf die verbesserte Qualität, die im vorliegenden Gesetzentwurf verankert sind, eingehen. Im Gesetzentwurf sind viele Faktoren enthalten, die gute Qualität in der Kita ausmachen: ein guter Betreuungsschlüssel, qualifizierte Fachkräfte, eine starke Kitaleitung, bedarfsgerechter Ausbau, Angebote zu Randzeiten und vieles mehr. Das ist der Qualitätsaspekt. Zudem soll sichergestellt werden, dass der Besuch der Kita nicht an den Gebühren scheitern darf. ({3}) Deshalb wollen wir mit dem Gesetz nicht nur vorschreiben – und das ist neu –, dass Eltern im Hartz‑IV-Bezug im Rechtskreis des SGB II von den Gebühren befreit werden. Vielmehr werden künftig alle Eltern, die Wohngeld oder Kinderzuschlag beziehen, von den Kitagebühren befreit. Das ist eine riesige Unterstützung gerade für Familien, die Woche für Woche und Tag für Tag jeden Euro umdrehen müssen. ({4}) Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne. ({5}) Wir von der SPD finden auch, dass die Erhebung von Gebühren nicht davon abhängen darf, ob die Eltern Ärztinnen und Ärzte, Krankenpfleger oder Busfahrer sind. Alle Eltern sollen langfristig von den Gebühren befreit werden. Deswegen gehen wir einen mutigen Schritt nach vorne. ({6}) Zusammenfassend will ich sagen: mehr Qualität, weniger Gebühren. Das ist das Ergebnis eines langen Prozesses mit den Ländern gemeinsam. Das war für uns ein ganz wichtiger Grund, in die Koalition einzusteigen. Wir machen das, um Kinder, ihre Familien und Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten, damit es jedes Kind packt. Ich wünsche Ihnen allen frohe und besinnliche Weihnachten. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam über die Punkte reflektieren, die uns einen, und weniger über die, die uns trennen, vor allen Dingen über jene, die dieses Land zusammenhalten. Vielen Dank. ({7})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Thomas Ehrhorn, AfD. ({0})

Thomas Ehrhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004707, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ziel des sogenannten Gute-Kita-Gesetzes soll es sein, für alle Kinder einen gleichwertigen Zugang zur frühkindlichen Bildung, zu Erziehung und Betreuung sicherzustellen. Es geht also nicht nur um Betreuung. Nein, es geht auch um die Erziehung unserer Kinder, die Erziehung, die nach Meinung besonders rückständiger Bürger, jedenfalls in einer freien Gesellschaft, das natürliche Recht der Eltern ist. Und wissen Sie was? Es spricht einiges dafür, dass die Leute, die diese Meinung teilen, gar nicht so falsch liegen; denn genauso steht es in Artikel 6 unseres Grundgesetzes. Anscheinend soll nun der Wunsch unseres derzeitigen Finanzministers Olaf Scholz in Erfüllung gehen. Das ist der Olaf Scholz, der seinerzeit äußerte, es sei unbedingt notwendig, die Lufthoheit über den Kinderbetten zu erobern. Ich wollte Herrn Scholz schon immer fragen: Warum? Mit welchem Ziel? Ich meine, die Nationalsozialisten wollten das, die SED wollte das, und ich bin sicher, Kim Jong Un will das auch. Aber warum um Gottes willen wollen Sie das? ({0}) Aber damit nicht genug. Wir erziehen die Eltern gleich mit. „Wie denn das?“, fragen die Unaufgeklärten. Dazu hat unsere Frau Familienministerin seit Neuem eigene Pläne in der Schublade, nämlich eine Handreichung für das Kitapersonal zum Ausspionieren nicht systemkonformer Eltern. „Ene, mene, muh“ heißt dieses Meisterwerk, selbstverständlich steuergeldfinanziert, mit Vorwort und Empfehlung unserer Familienministerin. ({1}) Es klärt auf, wie man latent rechtsradikale Eltern erkennen kann. Tragen Mädchen Zöpfe? – Sehr verdächtig! Werden sie zu Hausarbeiten angehalten? – Ein ganz klarer Hinweis! Hat man es mit Jungs zu tun, die viel Sport treiben? – Ja, dann sind die Eltern sicherlich völkisch geprägt ({2}) und sollten vom gut geschulten Kitapersonal möglichst schnell zum Verhör einbestellt werden. ({3}) Wer denkt sich so etwas aus? Für so etwas kommen natürlich nur die Besten der Besten infrage. Wir holen uns ja immer die Besten. Messerfachkräfte holen wir uns aus Nordafrika. ({4}) Aber wenn es um das Aushorchen von Kindern geht, kommt nur eine einzige Person infrage: Anetta Kahane, selbst lange Zeit Stasispitzel, ({5}) bekannt unter dem Namen IM Victoria, und heute – richtig! – Vorstandsvorsitzende der roten Amadeu-­Antonio-Stiftung. ({6}) Aber Sie haben recht: Wenn man eine Sekretärin für Agitation und Propaganda des FDJ-Führungskaders in der Regierungsspitze hat, dann kommt es darauf vielleicht auch nicht mehr an. ({7}) Dennoch sollte uns vieles, was wir zurzeit erleben, ein wenig nachdenklich machen: ob es um die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz geht, die staatliche Kontrolle der Rundfunkanstalten oder um die Entsorgung eines hohen Staatsbeamten, der Falschbehauptungen, ja, man könnte auch sagen Propagandalügen, widerspricht. Nun soll es also die geplante Bespitzelung von Eltern geben, initiiert durch frühere Stasimitarbeiter. ({8}) Eines ist jedenfalls sicher: Den Bürgern aus den neuen Bundesländern kommen diese Verhaltensmuster mehr als bekannt vor. ({9}) Viele von ihnen haben seinerzeit alles riskiert und eingesetzt, um genau das hinter sich zu lassen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Ehrhorn, die Kollegin Dr. Christmann würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Thomas Ehrhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004707, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ja, bitte.

Dr. Anna Christmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004694, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Weil Sie die ganze Zeit von Bespitzelung sprechen, möchte ich Sie fragen, wie Sie die Initiativen Ihrer Parteikollegen bewerten, die fordern, eigene Foren zu eröffnen, in denen Schülerinnen und Schüler ihre Lehrer denunzieren sollen, um die politischen Einstellungen der Lehrer zu kontrollieren. Wie sehen Sie das mit dem Erziehungsauftrag der Schulen vereinbar, dass Schülerinnen und Schüler angehalten werden, Informationen über ihre Lehrer herauszugeben, und damit die Bespitzelung als Grundhaltung in die Schule hineintragen. Wie stehen Sie dazu? ({0})

Thomas Ehrhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004707, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Liebe Frau Kollegin, ich bin Ihnen geradezu dankbar für diese Frage. Ich werde Ihnen erklären, warum. Ihnen ist wahrscheinlich bekannt, dass das Lehrpersonal einen Bildungsauftrag, aber keinen Umerziehungsauftrag hat. ({0}) Das heißt, es ist hier eine gewisse Neutralität gefordert. ({1}) Es hat Zeiten gegeben, da waren die Lehrkräfte diesem Neutralitätsgebot auch verpflichtet und haben sich entsprechend verhalten. ({2}) Leider sind diese Zeiten aber lange Vergangenheit. ({3}) Deswegen ist es nur recht und billig, dass besonders gravierende Verstöße hier gemeldet werden. ({4}) Denn Lehrpersonal, das seine Funktion als Umerziehungsinstrument missbraucht, ({5}) gehört nicht in deutsche Schulen. Vielen Dank. ({6})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Marcus Weinberg, CDU/CSU. ({0})

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen hier eine der wichtigsten Debatten für uns und, ich glaube, auch das ganze Land in der Familienpolitik mit der Fragestellung: Wie können wir etwas für die Familien, für die Kinder tun, wie können wir uns darum bemühen, dass die Kinder von Nadine Schön nach dem Frühstück jetzt eine gute Betreuung haben? Ich muss ehrlich sagen: Ich bin entsetzt und angewidert, dass Sie immer wieder mit Ihren Wortmeldungen diese gute Debatte unterbrechen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das geht komplett am Ziel vorbei, und das ärgert mich. ({0}) Denn wir reden hier sehr intensiv und sehr strittig darüber, was wir tun können. Da gibt es verschiedene Ansätze und verschiedene Konzepte. Wir als Union werden heute dem Gesetz zustimmen. Wir – und Sie – wissen, dass wir uns das nicht leicht gemacht haben, weil wir bei diesem Thema lange diskutieren und weil wir abwägen müssen: Was wäre die Konsequenz, wenn wir nicht zustimmten, und wo können wir unsere Erwartungshaltung auch tatsächlich mit den Erwartungshaltungen in der Koalition und auch mit den Erwartungshaltungen der Länder in Übereinstimmung bringen? Warum stimmen wir heute zu? Erstens: weil wir es mit dem Gesetz schaffen, dass wir in weiten Teilen Qualitätsverbesserungen im ganzen Land hinbekommen. Zweitens: weil Geringverdiener – Frau Baerbock, die haben Sie vorhin angesprochen – von den Beiträgen entlastet werden. ({1}) In dem Fall haben Sie nicht die Wahrheit gesagt. Geringverdiener – das heißt, diejenigen, die Transferleistungen bekommen, wie zum Beispiel den Kinderzuschlag – werden komplett entlastet. Das ist auch gut so. ({2}) Drittens: weil die Familien, die Kinder, die Erzieherinnen und Erzieher und die Kommunen auf dieses Gesetz warten. Auch wenn wir mit Blick auf das Anforderungsprofil eines Kitagesetzes hier und da eine andere Herangehensweise haben, ist es wichtig, dass wir – und das ist der nächste Punkt – als Koalition auch im Konsens das zusammenbringen, was zusammengehört. Wir müssen nicht nur einen Konsens suchen, wir müssen auch irgendwann einen Konsens finden, und das hat im Ergebnis dazu geführt, dass wir zustimmen. ({3}) Jetzt will ich noch einmal etwas Ordnung in die Diskussion bringen. Ich sehe den Kollegen Weiler aus Thüringen. Er hat ja vorhin eine Zwischenfrage gestellt. Da muss ich Ihnen sagen, lieber Herr Müller: Wie ist denn die Situation in Thüringen? Ich lese Ihnen einmal vor aus den letzten Studien, wie sich die Qualität in Thüringen verändert hat: Im Jahre 2012 gab es in Thüringen einen Betreuungsschlüssel von 11,4. Jetzt, 2017, liegt er bei 11,6. Er ist also schlechter geworden. Schlechter ist auch der Betreuungsschlüssel im Krippenbereich geworden: 2012 lag er bei 5,3, jetzt bei 5,4. Ihre Aussage, es sei in Thüringen besser geworden, stimmt nicht. ({4}) Aber das letzte Kitajahr ist in Thüringen seit dem 1. Januar 2018 beitragsfrei, und es gibt Pläne in Thüringen, ab dem 1. Januar 2020 ein weiteres Kitajahr von Gebühren zu befreien. Ich habe etwas dagegen, wenn Sie hier das eine predigen, zu Hause, im eigenen Land, aber etwas anderes machen. Das passt nicht zusammen. ({5}) Frau Baerbock – sie hört mir gar nicht zu; das ist tragisch, für sie, nicht für mich –, wenn Sie schon über die Frage sprechen, welche Konsequenzen das für die Länder hat, will ich nur einmal zwei Länder herausgreifen, zufälligerweise zwei Länder, in denen die Grünen mitregieren, nämlich Berlin und Hamburg. Sie hatten mitbeschlossen, dass die Kitas in Berlin beitragsfrei wurden. Die Konsequenz war, dass der Betreuungsschlüssel schlechter geworden ist, und die Konsequenz war, dass mittlerweile 2 000 Fachkräfte, Erzieherinnen und Erzieher fehlen. ({6}) Wenn Sie heute diesem Gesetz nicht zustimmen, dann müssen Sie den Berlinerinnen und Berlinern erklären, dass dann Berlin auf 300 Millionen Euro verzichtet, die ausschließlich – ausschließlich – für die Qualitätssteigerung eingesetzt werden sollen. Auch das ist dann eine Konsequenz des Handelns. Da bitte ich schon ein bisschen um Ehrlichkeit. Sie wissen, dass in weiten Teilen das Geld auch in die Qualität geht, nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen andern Ländern, zum Beispiel auch in Hamburg. ({7}) Da müssten Sie Ihrer lieben Frau Fegebank, die gerade Mutter geworden ist, erklären, dass die Qualitätsstandards, die von der Landesregierung festgesetzt wurden, möglicherweise nicht gehalten werden. Da komme ich zu einem Grundproblem dieser Diskussion. Wir machen zwei wichtige Dinge: Wir unterstützen die Länder bei einer originären Aufgabe der Länder. Das föderative System – ich glaube, darüber müssen wir einmal diskutieren – ist durchaus in einer schwierigen Situation, wenn es permanent diese Mischfinanzierung gibt und dann Ansprüche erhoben werden, die wir gar nicht erfüllen können. Der Qualitätsschlüssel wird von den Ländern festgesetzt, die Länder entscheiden darüber, die Länder haben Bildungspläne für die Kitas, die Länder haben einen Haushalt für die Kitas. Wir unterstützen die Länder bei dieser Aufgabe – das machen wir aus Verantwortung –, aber auch nicht mehr. Ich bitte schon, ein bisschen auch die Ordnung zu halten: Was ist Aufgabe des Bundes, und was ist Aufgabe der Länder? ({8}) Da gibt es – und das wissen Sie – klare Anforderungsprofile. Nadine Schön hat es schon gesagt: Für uns als Union war es immer wichtig, die Qualität in den Vordergrund zu stellen. Da erwarten wir von den Ländern auch Verbesserungen. Das Beispiel – das Extrembeispiel – ist tatsächlich Mecklenburg-Vorpommern: Im Krippenbereich wie im Kitabereich hat es mit den schlechtesten Betreuungsschlüssel, dafür hohe Beiträge. Wir erwarten von den Ländern, die von uns jetzt mit immerhin 5,5 Milliarden Euro unterstützt werden, dass sie nachweislich – und das muss nachgewiesen werden – auch die Qualität deutlich verbessern. Wenn sie Landesmittel dafür bereitstellen, ist das in Ordnung. Unter dem Strich muss doch eines passieren, unter dem Strich müssen die Kinder, die heute betreut werden – die Kinder von Nadine Schön, die jetzt ihr Frühstück hinter sich haben –, endlich eine bessere Betreuungsqualität bekommen. Das sagen doch alle, Herr Müller; das sagen auch Sie. ({9}) – Keine Zwischenfrage mehr! Deswegen haben wir auch einige Dinge im Gesetz geändert. Das bringt mich zum Thema „zusätzlich“; übrigens eine Formulierung aus dem Koalitionsvertrag. „Zusätzlich“ ist auch – jetzt können Sie sagen, nur; ich sage aber, es ist auch – ein deutliches Signal, welche Erwartungshaltung wir haben. Bei uns kommt zuerst die Qualität – und dann sicherlich auch das Thema der Beitragsfreiheit. ({10}) Da gibt es ja zwischen den beiden Koalitionspartnern auch unterschiedliche Wahrnehmungen. Wir haben Hürden bei der Inanspruchnahme von Beitragsbefreiung abgebaut; das ist eine Maßnahme, die sich nicht auf die Qualität bezieht. Dann noch einmal zur Staffelung – weil das vorhin in der Diskussion war und auch die Frage von Herrn Müller dazu wieder kam –: Herr Müller, schreiben Sie das doch den Kommunen und Ländern nicht vor! Ich habe großes Vertrauen in unsere Politiker in den Kommunen und in den Ländern, dass die schon wissen, wie sie eine soziale Staffelung – und diese können sie machen – umsetzen sollen. Deswegen: Am Ende wird es darauf ankommen, was die Länder aus diesem Gesetz machen. Wichtig war uns bei der Analyse der Ausgangssituation und bei der Ermittlung der entsprechenden Maßnahmen, die als Vertragsgrundlage dienen, dass alle Akteure beteiligt werden – also die öffentlichen Träger der Jugendhilfe, die freien Träger, die Sozialpartner, die kommunalen Spitzenverbände auf Landesebene und auch die Elternschaft –, damit dieser Prozess weiter gesteuert werden kann. Ich darf zusammenfassen für uns: Dieses Gesetz bringt viele Chancen. Wir unterstützen die Länder bei ihrer originären Aufgabe. Wir werden aber auch genau schauen, wie die Länder darauf reagieren. Da können wir gerne irgendwelche Botschaften aus dem Bundesrat heute wahrnehmen. Die Länder müssen schon entscheiden, was sie wollen. Kooperation heißt dann auch, dass man nicht nur nimmt, sondern auch darstellt, was man macht, und hier und da auch etwas gibt. Insgesamt kommen wir als Union nach einer langen, sehr intensiven Diskussion – auch einer kritischen Diskussion – heute zu dem Ergebnis, dass wir diesem Gesetz zustimmen. Wir wünschen uns nicht nur frohe Weihnachten, sondern auch eine deutliche Qualitätssteigerung in den Kindertagesstätten. Vielen Dank. ({11})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nicole Bauer, FDP, ist die nächste Rednerin. ({0})

Nicole Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Stellen Sie sich vor, Sie ziehen mit Ihrer Familie von Dresden in den Taunus oder von Bayern nach Berlin und stellen fest: Ui, ui, ui, ganz schön viel Veränderung. – Und dann stellen Sie sich vor, Ihre Kinder kommen nach der Kita nach Hause und sagen: Alles so wie immer, Mama. – So schön hätte es sein können, wenn Sie, Frau Giffey, Ihre Hausaufgaben gemacht hätten, ({0}) wenn Sie die Kritik am Gute-Kita-Gesetz ernst genommen und aufgenommen hätten; sie kam zahlreich und konstruktiv: von Ländern, Trägern, Verbänden, von Sachverständigen, von uns und von anderen Fraktionen, und nicht zuletzt von Ihrem eigenen Koalitionspartner. So schön hätte es also sein können, Frau Giffey, wenn Sie ein wirklich gutes Kitagesetz gemacht hätten. Sie haben Ihre Chance verpasst. ({1}) Ich sage Ihnen auch, warum: Es gibt keine Verbindlichkeit, eine zweckgebundene Verwendung der Mittel kann nicht sichergestellt werden. Damit bleiben große Qualitätsunterschiede zwischen den Ländern bestehen. Einige werden das Geld in die Beitragsfreiheit stecken, andere in die Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften. Es gibt auch keinerlei Verlässlichkeit. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, wie wichtig doch die Anschlussfinanzierung ist, für alle Beteiligten. Die Mittel sind nur bis 2022 zugesagt. Und dann? Dann wird das Gute-Kita-Gesetz seinem Schicksal überlassen. Verstehen Sie das unter nachhaltig? Also, ich persönlich finde es unglaubwürdig, meine Damen und Herren. ({2}) Es gibt auch viel zu wenige Erzieherinnen und Erzieher; und Ihr Entwurf liefert dazu auch keinen Lösungsansatz. Ein schlüssiges Konzept, wie man den Beruf attraktiver machen kann, hätte ich in Ihrer Fachkräfteoffensive gern gefunden. Und schließlich fehlt die Messbarkeit: Wenn wir die Wirksamkeit tatsächlich prüfen wollen, dann brauchen wir klar definierte Qualitätskennzahlen und Bildungsstandards. Der Bund investiert Milliarden, und die Erfolgskontrolle über effizienten Mitteleinsatz ist legitim und notwendig. Alles andere ist unverantwortlich. Und schade, Frau Giffey, eigentlich hätten Sie das schon besser wissen sollen. Und vor allem: Sie hätten es besser wissen können. Und dann erzählen Sie uns, dass es ein guter Schritt ist. Das glaubt Ihnen nun wirklich niemand. ({3}) Die Qualität der Kindertagesbetreuung in Deutschland wird sich damit nicht viel verbessern, und deshalb werden wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Danke schön. ({4})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist Sönke Rix, SPD. ({0})

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wäre es nicht so, dass wir einen Bundesrat hätten, wäre es nicht so, dass eigentlich die Länder und die Kommunen dafür zuständig sind, wäre es so, dass unsere Verfassung zulassen würde, dass wir als Bund direkt an die Kommunen Geld weitergeben könnten, wäre es so, dass wir keine Koalitionsregierung hätten, würde so ein Gesetz natürlich vielleicht auch anders aussehen. Wenn jeder von uns ganz alleine regieren würde – ohne Bundesrat, ohne Verfassung, ohne finanzielle Rahmenbedingungen –, hätte hier natürlich jeder etwas anderes gewünscht. Die Opposition – das ist auch ihre Aufgabe, und so würde ich es in der Opposition vielleicht auch machen – kann die Töpfe immer größer, immer voller machen, weil sie nicht die Verantwortung für die Gesamtlage hat. ({0}) Was aber nicht geht – das sage ich insbesondere an die FDP, an die Grünen und an die Linken gerichtet –, ist, hier so zu tun, als ob man zwei verschiedene Parteien hätte: die einen Parteien, die im Land regieren, und die anderen Parteien, die im Bund regieren. ({1}) Wir haben als Landesparteien und als Bundesparteien Verantwortung; und das können wir hier nicht voneinander trennen. Bestes Beispiel ist Thüringen. Dort sagt man: Na ja, wir haben beschlossen, dass wir die Gebührenfreiheit einführen wollen, wir lassen die Kommunen damit aber in Teilen im Regen stehen. – Ich weiß, das geschah auch mit uns als Koalitionspartner. Jetzt aber, nachdem es in Thüringen beschlossen worden ist, stehen Sie hier und sagen: Wir wollen das Geld, und wir wollen noch viel, viel mehr Geld haben. So geht es nicht. Was man als Land bestellt, muss man als Land auch bezahlen. So ist das nun mal, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Und an die Adresse der FDP, da Sie jetzt ganz plötzlich erkennen, wie wichtig Qualität und Personal in Kindertagesstätten sind: Wo steht eigentlich in Ihrem Wahlprogramm, dass Sie auf Bundesebene ein Qualitätsgesetz wollen? Das habe ich darin nicht gefunden. Das haben Sie erst jetzt erkannt, weil wir darüber diskutiert und weil wir etwas vorgelegt haben. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch etwas will ich klarstellen: Es stimmt nicht, dass es keine Sozialstaffel geben wird. Es ist sogar ein Fortschritt! – Liebe Grünen und liebe Linke, einmal den Gesetzentwurf zu lesen, würde helfen. Es steht drin, dass die Länder jetzt verbindlich Sozialstaffeln einführen müssen. ({4}) Das Einzige, das wir jetzt korrigiert haben, ist: Sie können jetzt die Standards, welche sie zugrunde legen, ob Geschwister, ({5}) Gehälter oder Betreuungszeiten, auswählen. Das haben wir jetzt verändert. Aber hier so zu tun, als ob es keine Sozialstaffel gebe, gilt nicht. Das stimmt nicht, also bleiben Sie bei der Wahrheit. ({6}) Und ich will einen Satz zur dauerhaften Finanzierung sagen. Einerseits zu sagen: „Wir wollen doch der Forderung der Länder nachkommen, weil wir die Länder ja alle so gut verstehen, und wir wollen die dauerhafte Finanzierung“, andererseits aber den einstimmigen Beschluss der Länder völlig zu ignorieren und zu sagen: „Wir wollen keine verbindliche Sozialstaffeln“ – ihr müsst schon wissen, wofür ihr denn nun eigentlich seid, wenn ihr die Forderung der Länder übernehmt. Wir teilen die Forderung nach einer dauerhaften Finanzierung. Und wer Seite 1 des Gesetzentwurfs liest, der weiß, dass wir hier als Gesetzgeber gleich beschließen werden, dass wir uns verpflichten, eine dauerhafte Finanzierung in Gang zu setzen. Also auch hier bei der Wahrheit bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) – Es steht auf Seite 1 des Gesetzentwurfs, dass wir uns hier zu einer dauerhaften Finanzierung verpflichten. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich darauf, dass wir erstmalig Milliardenbeträge in die Hand nehmen, um Personal, Qualität und Teilhabe in die Kindertagesstätten zu bringen. Ich finde, das ist ein großartiger, wichtiger Schritt. Weitere Schritte werden folgen, aber diesen großen Schritt lassen wir uns nicht kleinreden. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dr. Silke Launert, CDU/CSU, ist die letzte Rednerin in dieser Debatte. ({0})

Dr. Silke Launert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004336, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“ Das wusste schon Franz Kafka, von dem diese wahren Worte stammen. Und ich erzähle Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass der Weg zu diesem Gesetz nicht immer einfach, ohne Hindernisse und geradlinig war. Aber was ist jetzt das Ergebnis? Das Ergebnis sind 5,5 Milliarden für eine Verbesserung der Qualität und für die Beitragsfreiheit im Bereich der Kinderbetreuung und Kindertagespflege. Das ist erst einmal das Ergebnis. Das ist etwas, das es vorher so noch nie gegeben hat. Aber ich möchte auch ehrlich zu Ihnen sein. ({0}) Auch wenn das Gesetz „Gute-Kita-Gesetz“ heißt – Frau Ministerin, Sie sind wirklich eine Meisterin darin, einprägsame Namen zu finden –, ist natürlich allein durch dieses Gesetz nicht gewährleistet, dass nun überall eine gute Kinderbetreuung sichergestellt ist. ({1}) Aber das konnten wir auch nicht so schnell. Wir haben nun einmal den Föderalismus. Primär verantwortlich für den Bereich der Kinderbetreuung und der Kindertagespflege sind die Länder und Kommunen. ({2}) – Das kann man so sehen oder nicht. Jetzt gibt es die einen, die sagen: Regelt alles und bezahlt alles. – Tja, wir haben den Föderalismus. Machen das alle Länder mit? Dann gibt es die anderen, die sagen: Legt verbindliche Regeln fest. Ihr bestimmt das einfach. – Das heißt, im Bereich des Fachkraft-Kind-Schlüssels bei unter 3-Jährigen – das haben uns die Experten in der Anhörung gesagt –: eine Fachkraft für vier 1- und 2-jährige Kinder. ({3}) Wer würde das blockieren? Würde es durchkommen! Sie wissen doch selbst, dass Berlin mit 5,9 Kindern oder Mecklenburg-Vorpommern mit 6 Kindern das nicht ansatzweise – wenn dies der Bund nicht komplett finanzieren würde – eins zu eins umsetzen würde. Das heißt, wir hätten im Bundesrat eine Blockade und im Ergebnis nichts erreicht. Wir hätten eine Blockade und keine 5,5 Milliarden Euro für eine Verbesserung im Bereich der Kinderbetreuung. Es ist wirklich so. ({4}) Ich weiß, Sie glauben, wir regeln es hier, und plötzlich erfüllen alle Länder die Ansprüche. Leider ist die Realität halt eine andere. Wenn wir alles bezahlen, dann, so glaube ich, werden die Länder auch nicht mitmachen, weil es dann heißt: Wir ziehen das ganze Thema an uns. – Es ist nicht so einfach, wie es zunächst scheint. ({5}) Was mir eigentlich am meisten wehtut, ist, dass, vielleicht auch aufgrund des Ausdrucks „Gute-Kita-Gesetz“, sehr viele Erwartungen geweckt worden sind – auch bei den Sachverständigen, die wir in der Anhörung gehört haben. Alle dachten, wir lösten alle Probleme. Und dann kamen sie natürlich mit Milliardenbeträgen, die das kosten würde. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, für diesen Bereich 3,5 Milliarden zur Verfügung zu stellen. Das ist die Grundlage. Jemand hat im Wahlkampf gedacht, er gewinne – ich sage den Namen Schulz –, wenn man überall Gebührenfreiheit verspreche. Das ist der Grund, warum in diesem Koalitionsvertrag dann dieser Kompromiss gemacht wurde. Die Union hat gesagt: Wir wollen ein bisschen etwas für Qualität tun. Und dann kam dieser Kompromiss; der Ministerin ist es gelungen, aus 3,5 Milliarden Euro 5,5 Milliarden Euro zu machen. ({6}) Dieses Geld wird jetzt weitergeleitet, und die Länder werden es für die Kinder verwenden. Auch wenn es nicht so perfekt ist, wie es einige Oppositionsfraktionen, die uns natürlich auch noch keine Lösung dazu präsentieren, wie das dann im Bundesrat aussieht, hier gerne hätten, muss ich sagen: Es sind 5,5 Milliarden für die Kinder, und das ist ein erster Schritt. ({7}) Dieses Paket ist ja nicht das einzige. Es ist im Zusammenhang mit anderen Paketen zu sehen: mit dem Baukindergeld, mit der Erhöhung des Kindergeldes. Wir haben auch – ich sage das sogar – die Brückenteilzeit, womit wir die Familien entlasten wollen. Wir reformieren im Moment den Kinderzuschlag. Da wird die Abbruchkante abgeschmolzen. Das heißt, viel, viel mehr sozial Schwache werden unter Berücksichtigung der Regelung im Gute-Kita-Gesetz jetzt von der Beitragsfreiheit profitieren. Und ich kann auch nur sagen: Sie haben das nicht ganz verstanden, wenn Sie fragen: Wo sind Ihre Vorschläge in dem Gesetz zur Fachkraftoffensive? – Diese liegt noch nicht vor, wir erarbeiten diese gerade. Es ist schade, dass Sie das nicht verstanden haben. Das ist eine eigene Fachkraftoffensive; deshalb konnten Sie es noch nicht finden. Frau Baerbock, Sie sagten, kein einziger Cent werde in die Qualität gehen, weil es ja auf fünf Jahre befristet sei, dazu sage ich Ihnen: Auch das spiegelt die Realität in den Kindertagesstätten nicht wider. Ich persönlich finde es zwar schade, dass leider gerade im Bereich der Kitas und Kindergärten viele mit befristeten Verträgen arbeiten. Aber auch da wird man die Gelder nicht verfallen lassen – glauben Sie mir –; das Geld werden sie haben. Das habe ich selbst erlebt, nicht nur in meiner eigenen Kita und meinem eigenen Kindergarten, sondern zum Beispiel auch im Zusammenhang mit der Regelung, die wir zu Sprach-Kitas getroffen haben. Auch da haben wir die Regelung jetzt verlängert. So wird es auch hier sein: Wenn es eine gute Regelung gibt, ist es ein Einstieg, und wir können es verlängern.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Frau Kollegin Launert, Frau Bauer würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Silke Launert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004336, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich bin eh gleich fertig. Ich bin quasi beim letzten Satz.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Bitte.

Dr. Silke Launert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004336, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das alles sind Schritte. Insofern sage ich: Das ist heute ein Schritt. Es wird nicht der letzte sein. Es ist ein Einstieg. Lassen Sie uns den Weg zu einer guten Kinderbetreuung gemeinsam weitergehen. Vielen Dank. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen damit zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung. Mir liegen zur Abstimmung zwei schriftliche Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 19/6471 (neu), den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 19/4947 und 19/5416 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein gemeinsamer Änderungsantrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke auf Drucksache 19/6480 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Änderungsantrag, für den die antragstellenden Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gestimmt haben, mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD bei Enthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. ({0}) Wir stimmen nun über die Entschließungsanträge ab. Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf der Drucksache 19/6481. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Entschließungsantrag, für den die Fraktion der FDP und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestimmt haben, gegen den die Fraktionen der CDU/CSU und SPD gestimmt haben, bei Enthaltung der Fraktion der AfD und der Fraktion Die Linke abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 19/6482. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Entschließungsantrag, für den die Fraktion Die Linke gestimmt hat, mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU bei Enthaltung der Fraktionen von AfD und FDP abgelehnt. ({1}) – Auch bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Zusatzpunkt 15 b. Wir setzen die Abstimmungen zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Drucksache 19/6471 (neu) fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 19/5078 mit dem Titel „Qualität in der Kindertagesbetreuung verbindlich und dauerhaft sicherstellen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD bei Enthaltung der Fraktion der FDP und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Dr. h. c. Thomas Sattelberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004869, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sind wahrscheinlich noch ganz berauscht: Im neuesten Wettbewerbsranking des World Economic Forum landet Deutschland auf Platz drei. ({0}) Aber wie das mit Statistiken so ist: In drei mindestens ebenso renommierten Studien steht Deutschland hinten: im Global Innovation Index von INSEAD auf Platz 9, im IMD World Competitiveness Ranking auf Platz 15, im IMD World Digital Competitiveness Ranking auf Platz 18 ({1}) Wie kommt’s? Das WEF beurteilt die Stabilität der Gegenwart, die anderen die Fitness für die Zukunft. Beispiel: Wir sind bei Patentanmeldungen führend; bei den Hightechpatenten reicht es aber gerade mal für Platz neun. Nicht in der Breite hapert es, jedoch an der Spitze. ({2}) Dabei ist klar: Nicht Strukturen und Geld schaffen Innovation, sondern die Menschen. Thomas Kuhn hat gesagt: Wissenschaft entwickelt sich von Beerdigung zu Beerdigung weiter. – Kommen dann die neuen Generationen zu uns? Wenn mehr kommen als gehen, nennt man das Braingain. Umgekehrt spricht man von Braindrain. Und wer nicht rechnen will, redet über Braincirculation. Dazu zählen leider die Bundesregierung und die Grünen. ({3}) Deutschland navigiert in dieser Frage ohne Kompass. Damit meine ich nicht unsere Attraktivität für fast 60 000 internationale Wissenschaftler in der Breite und über 32 000 Gastforscher. ({4}) Mit denen beschäftigen sich die Anträge der Grünen, der Linken und der AfD. Sie tun sich alle schwer mit Spitze statt Breite. Uns geht es heute, bei diesem Antrag, um die Ausnahmetalente, um die Musterbrecher, die Nobelpreisverdächtigen. ({5}) Die letzte einigermaßen zuverlässige Messung hat die Expertenkommission Forschung und Innovation 2014 vorgelegt. Das Ergebnis war schmerzlich: ein Nettoverlust von 4 000 Spitzenforscherinnen und Spitzenforschern. Die damalige Forschungsministerin Wanka hat einen Schluss gezogen: Sie ließ nicht mehr messen. Die Bundesregierung tappt bei dieser Frage lieber im Dunkeln. ({6}) Und dann findet Fraunhofer in diesem Jahr plötzlich heraus, dass uns nicht nur 100 KI-Koryphäen fehlen, sondern auch 10 000 Top Data Scientists, außerdem mindestens 85 000 Ingenieure, Ärzte, Biologen und Manager mit Big-Data-Know-how. Rechnen Sie bitte selbst aus, wann die ersten Absolventen die 100 neuen KI-Lehrstühle im Rahmen der KI-Strategie frühestens werden verlassen können: im Jahr 2028. ({7}) Dabei hat die neue Zeitrechnung längst begonnen. Geoffrey Hinton hat 2011 die symbolische KI mit der neuronalen KI in den Schatten gestellt. Eine echte Weggabelung für das Machine Learning! Die USA und China haben damals aufgepasst und ihre Talentpolitik auf neue KI ausgerichtet, im Gegensatz zu Deutschland, zum BMBF und zum Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. ({8}) Ja, ich weiß, Frau Karliczek und Herr Altmaier, Sie haben eine KI-Strategie zu Papier gebracht, in der Sie die wundersamen Versäumnisse der letzten Jahre einigermaßen treffend aufgelistet haben. Aber seitdem reden Sie vor allem über Milchkannen. ({9}) Uns läuft die Zeit davon. Erfolg besteht zu 10 Prozent aus Strategie und zu 90 Prozent aus Umsetzung. Wir Freie Demokraten fordern dreierlei: Erstens. Deutschland braucht ein nationales Frühwarnradar, damit die Bundesregierung künftig nichts mehr verschläft, und zwar ein Frühwarnradar mit Antennen für Gründungen, für Patente und Trends sowie für Wanderungsbewegungen von Wissenschaftlern in die sogenannten Emerging Fields. Wissenschaftsverlage wie Elsevier schaffen das mit Big Data schon heute. Wir brauchen zweitens so schnell wie möglich eine National Agency for Scientific Talent, ein Headhunting für Nobelpreisträger in spe. ({10}) Dabei geht es nicht um die Arrivierten, die die Wahrheit schon gepachtet haben, sondern um die heranwachsenden Stars, die noch suchen. Wie sonst wollen wir 100 KI-Koryphäen, 10 000 Data-Scientists und viele Dutzende Programmmanagerinnen und Programmanager für die Agentur für Sprunginnovationen gewinnen, wenn wir nicht systematisch an dieses Thema herangehen? ({11}) Drittens brauchen wir einen Quantensprung an Stipendien beim DAAD wie bei Alexander von Humboldt und Initiativen, mit denen wir solche Talente scouten können, wie das Programm „Frontiers of Science“ in den USA, die Schweizer Transferinitiative swissnex und unsere GAIN-Konferenzen, diese aber reformiert. Viele kluge Köpfe machen sich jetzt angesichts des Brexit-Chaos und des wallenden Wüterichs im Weißen Haus auf den Weg. Nutzen wir diese Chance, nicht nur indem wir Spitzentalente großzügig vergüten – so wie die Dänen, die Wissenschaftlern erlauben, ihr Gehalt bis zu 84 Monate lang nur zu einem Drittel zu versteuern –, sondern auch, indem wir sie offen und herzlich willkommen heißen, statt ihnen mit „German Angst“ das Leben schwer zu machen. ({12}) Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung hat eine besondere Vorliebe für das Mittelmaß. Damit wir uns dies weiter leisten können, muss Deutschland auf den Feldern von Spitzenforschung in Zukunft wieder Avantgarde werden. Ran an den Speck, Frau Karliczek! ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dr. Stefan Kaufmann, CDU/CSU, ist der nächste Redner. ({0})

Dr. Stefan Kaufmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004065, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nachdem wir von der Opposition gerade wieder ein eher kritisches Bild vom Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland gezeichnet bekommen haben, liegt es nun an mir, etwas Wein in das Wasser zu gießen und das Bild wieder etwas geradezurücken, lieber Thomas Sattelberger. Im Übrigen passen gute und frohe Botschaften auch viel besser in die Weihnachtszeit. ({0}) Kollege Sattelberger hat den im Oktober veröffentlichten Bericht des Weltwirtschaftsforums erwähnt. Dieser Bericht ist in der Tat – das müssen Sie mir zugestehen, lieber Thomas Sattelberger – sicherlich der renommierteste der zitierten Berichte. Demnach liegt Deutschland an der Spitze der 140 innovationsstärksten Länder der Welt und landet in der Gesamtbewertung von insgesamt zwölf Faktoren hinter den USA und Singapur auf Platz drei. Dabei punktet Deutschland nach Ansicht der Experten nicht nur bei den wissenschaftlichen Veröffentlichungen, den Patentanmeldungen und dem hohen Qualitätsanspruch. Besonders bedeutsam sind die wirtschaftliche Stabilität in unserem Land und die hohen Fachkenntnisse der Beschäftigten hier. ({1}) Im Übrigen versucht das Ranking des Weltwirtschaftsforums erstmals abzubilden, wie die Länder auf den digitalen Wandel vorbereitet sind. Hier steht Deutschland trotz aller Unkenrufe an der Spitze. Das hat mehrere Gründe: stark aufgestellte außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, erfolgreich etablierte Cluster und auf wichtige Zukunftstechnologien ausgerichtete Netzwerke von Unternehmen und Forschungsinstituten. Aber auch eine solide Haushaltspolitik, gut funktionierende soziale Sicherungssysteme und die politische Stabilität hierzulande gehören unbestritten zu den Stärken des Innovationsstandorts Deutschland, den die Opposition leider immer wieder schlechtredet. ({2}) Das alles kommt nicht von ungefähr. Es ist Ergebnis einer verlässlichen, dauerhaften und sehr guten Forschungs- und Innovationspolitik insbesondere der CDU/CSU, der SPD und – das mag ich ja zugestehen – zeitweise auch der FDP in den vergangenen Jahren. Gemeinsam haben wir in diesem Hause bzw. in Deutschland exzellente Rahmenbedingungen für Spitzenforschung „made in Germany“ geschaffen, meine Damen und Herren. Darauf sollten wir auch stolz sein. ({3}) Apropos Exzellenz: Wir haben nicht nur stark aufgestellte außeruniversitäre Forschungseinrichtungen – gestärkt durch das Wissenschaftsfreiheitsgesetz und den Pakt für Forschung und Innovation – sowie innovative Unternehmen. Auch unsere Hochschulen sind in den letzten Jahren dank Exzellenzinitiative bzw. Exzellenzstrategie stärker aufgestellt und haben auch international einen erstklassigen Ruf. Dies hat beispielsweise jüngst das World University Ranking des britischen Magazins „Times Higher Education“ gezeigt: Deutschland ist mit 23 der weltweit 200 besten Universitäten hier ebenfalls auf Platz drei und damit auf einem Spitzenplatz, meine Damen und Herren. ({4}) Zudem konnte – das ist auch für die Diskussion heute besonders interessant – der Braindrain exzellenter deutscher Forscher ins Ausland dank unserer vielfältigen Maßnahmen in den letzten Jahren gestoppt werden. Wenn heute mehr als 46 000 ausländische Wissenschaftler an unseren Hochschulen arbeiten, dann sind das – hören Sie bitte hin! – beeindruckende 84 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Auch darauf können wir stolz sein. ({5}) Selbstverständlich wollen und werden wir uns nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen. Wir werden unsere Anstrengungen verstetigen und verstärken. Davon zeugt nicht zuletzt das uns selbst gesteckte 3,5-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2025. Blicken Sie einmal in unseren Koalitionsvertrag – das tun die Damen und Herren von der Opposition offensichtlich leider viel zu selten –; dann kennen Sie unsere Agenda. Auch der Haushalt mit 18 Milliarden Euro für das BMBF in 2019 zeigt eindrucksvoll, dass Bildung und Forschung weiterhin Schwerpunkte unseres Regierungshandelns bleiben. ({6}) Wir haben die Hightech-Strategie und die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen auf den Weg gebracht. ({7}) Die Strategie Künstliche Intelligenz ist erwähnt worden. All das sind wichtige Meilensteine. Die steuerliche Forschungsförderung ist in der Pipeline. Wir verhandeln derzeit die Pakte mit den Ländern neu, und auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird unsere Bemühungen unterstützen, exzellente Wissenschaftler aus dem Ausland für eine Tätigkeit an deutschen Forschungseinrichtungen zu gewinnen. ({8}) Das alles ist in eine fundierte Internationalisierungsstrategie der Bundesregierung eingefügt, die wir selbstverständlich mit den Internationalisierungsstrategien der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, des DAAD und der anderen Wissenschaftsorganisationen abstimmen und synchronisieren. Vielleicht noch kurz eine Bemerkung zum Antrag der Linken: Natürlich führen wir die geplante Evaluierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes durch, und wir werden die Auswirkungen der Gesetzesänderung untersuchen, die wir zur Vermeidung von Fehlentwicklungen in der Befristungspraxis in der 18. Wahlperiode vorgenommen haben. Dort, wo dies nötig ist, werden wir selbstverständlich auch nachsteuern. Aber für uns steht fest, dass die für die Wissenschaft erforderliche Flexibilität und Dynamik nicht mehr als nötig beeinträchtigt werden sollen. Deshalb setzen wir auch weiterhin auf den verantwortungsvollen Umgang seitens der Forschungseinrichtungen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Freiheiten, meine Damen und Herren. ({9}) Die von der Opposition vorgelegten Anträge werden wir im weiteren parlamentarischen Verfahren eingehend diskutieren, und selbstverständlich werden wir die Vorschläge, die eine weitere Stärkung unseres Wissenschaftssystems unterstützen, auf ihre Umsetzbarkeit prüfen. Gute Ideen wie beispielsweise, Herr Sattelberger, die Etablierung eines Frühwarnsystems zur Identifikation aufkommender Trends in Wissenschaft und Forschung – das könnte im Übrigen auch eine Aufgabe für die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen sein – oder noch genauere Rückkehrprogramme für deutsche Wissenschaftler im Ausland beispielsweise nach dem Vorbild von GAIN auch für Asien – das haben Sie angesprochen – sind dabei sicherlich immer willkommen. Was wir nicht brauchen, ist eine Nationale Agentur für Wissenschaftliches Talent. Ich denke, das Scouting ist bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, aber auch bei den Hochschulen gut aufgehoben und wird dort professionalisiert. Ich darf nur an die Max-Planck-Schools als eines der vielen Instrumente erinnern. Wir sind uns jedenfalls in dem Ziel einig, dass die Zukunftsfähigkeit unseres Wissenschafts- und Forschungssystems entscheidend davon abhängt, dass wir die besten Köpfe nach Deutschland bringen. Daran sollten wir weiterarbeiten. Erlauben Sie mir abschließend noch einen aktuellen Hinweis: Forschung und Innovation zu stärken, gelingt uns, Bund und Ländern, nur gemeinsam. Daran sollten sich die Länder bei den nun beginnenden Gesprächen zum DigitalPakt erinnern. Das jedenfalls wäre mein Wunsch zu Weihnachten. Ihnen allen eine schöne Advents- und Weihnachtszeit. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({10})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dr. Götz Frömming, AfD, ist der nächste Redner. ({0})

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin Karliczek ist in den letzten Tagen viel kritisiert worden, ({0}) nicht nur aus den Reihen der Grünen, sondern auch aus den Reihen der Koalition. Ich möchte mit einem kleinen Lob für die Ministerin beginnen. Frau Karliczek war Anfang dieser Woche, am Montag, in Moskau und hat dort eine Vereinbarung unterzeichnet, eine Vereinbarung zur besseren Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland in den Bereichen Forschung, Wissenschaft und Innovation. Meine Damen und Herren, wir begrüßen das außerordentlich, ({1}) zumal wir in unserem Antrag ausdrücklich eine Außenwissenschaftspolitik einfordern. Allerdings sollte dieser auch eine kohärente Gesamtstrategie zugrunde liegen. Das sehen wir hier noch nicht; denn drei Tage später, also gestern, haben die Kollegen von Frau Karliczek in der EU beschlossen, die Sanktionen gegen Russland zu verlängern. Das passt überhaupt nicht zusammen, meine Damen und Herren. ({2}) Benjamin Franklin, der große amerikanische Staatsmann und Wissenschaftler, sagte einmal: „Eine Investition in Wissen bringt noch immer die besten Zinsen.“ Darum geht es uns auch in unserem Antrag: Wir wollen in Wissen investieren, wir wollen Deutschland für die Wissenschaft noch attraktiver machen und vor allem unserem wissenschaftlichen Nachwuchs eine Perspektive geben. Dabei müssen wir immer beides im Blick haben: zum einen die Bedürfnisse und Interessen der jungen Wissenschaftler selbst, gerne auch aus aller Welt, zum anderen die Interessen unseres Landes. Das vermisse ich bei den Anträgen von Linken und Grünen; bei der FDP sieht es besser aus. Die Anträge von Linken und Grünen erwecken den Eindruck, als müssten Universitäten neben ihrer eigentlichen Aufgabe auch perfekt durchgegenderte, quotensortierte Weltsozialämter sein. ({3}) Meine Damen und Herren, wir konzentrieren uns lieber auf Leistung und Wissenschaft. ({4}) Und wir haben Grund, das zu tun; denn bis zum Jahr 2026 werden in Deutschland 100 000 Ingenieure fehlen. Sie werden fehlen, obwohl in Deutschland derzeit 2,8 Millionen Menschen studieren, ({5}) darunter fast 270 000 Ausländer. Aber nur ein Drittel davon bleibt nach dem Studium hier, und leider nicht immer die Besten. ({6}) Umgekehrt gelingt es uns auch nicht, wirklich kluge Köpfe nach Deutschland zurückzuholen. Warum ist das so? Ganz einfach: weil Deutschland im internationalen Vergleich noch nicht attraktiv genug ist. Wer die Wissenschaft zum Beruf machen will, meine Damen und Herren, findet an unseren Massenuniversitäten, die mit kostenlosen Studiengängen viele mittelmäßige Studenten anlocken, eben nicht die besten Arbeitsbedingungen. ({7})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Frömming, die Kollegin Gohlke, Fraktion Die Linke, würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr gerne.

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich habe nämlich eine Rückfrage zu den Zahlen in Ihrem Antrag. Sie behaupten in Ihrem Antrag – das ist die Drucksache 19/6424 –, dass nur 15 Prozent der MINT-Studierenden Inländer seien. Zum einen ist diese Zahl überhaupt nicht an der im Antrag angegebenen Stelle der Studie zu finden, zum anderen ist diese Zahl völlig aus der Luft gegriffen. Laut der von Ihnen zitierten Studie sind nämlich 41 Prozent der sogenannten Bildungsinländer in einem MINT-Fach eingeschrieben. Unter den ausländischen Studierenden liegt der Anteil der MINT-Studierenden bei 50 Prozent. Insgesamt beträgt der Anteil der ausländischen Studierenden an allen Studierenden aber nur 13,5 Prozent. Das bedeutet: Wir reden über 6,75 Prozent ausländische MINT-Studierende unter allen Studierenden. Das heißt, der Anteil der deutschen MINT-Studierenden liegt bei 93 Prozent und nicht, wie in Ihrem Antrag behauptet, bei 15 Prozent. Können Sie das aufklären? Das ist meine erste Frage. Die zweite Frage. Sie zielen in Ihrem Antrag darauf ab, dass mehr Asiaten als europäische Studierende in Deutschland studieren. Das ist ebenfalls falsch; es ist im Übrigen auch wieder falsch belegt. Der Anteil der Studierenden aus europäischen Ländern liegt bei 47 Prozent, der aus der Europäischen Union bei 32 Prozent und der aus Asien bei 33 Prozent. Das heißt, Sie setzen in Ihrem Antrag die EU mit Europa gleich, um Ihre sehr ketzerische und im Übrigen auch falsche Behauptung zu untermauern, Deutschland öffne sich dem fernen Asien mehr als Europa. Können Sie sich dazu verhalten? ({0}) Wie kommt es zu den vielen falschen Zahlen in Ihrem Antrag? Können Sie nicht richtig zitieren, oder sind sie absichtlich gefälscht wiedergegeben? ({1})

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Kollegin, das war ja keine Frage, sondern eine Unterstellung, dass unsere Zahlen falsch und nicht richtig recherchiert sind. ({0}) – Darf ich nun antworten?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Frömming, um die Fragen zu beantworten.

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Gerne überprüfen wir das noch einmal. ({0}) Ich werde Ihnen dann sagen, wer von uns beiden hinsichtlich der Zahlen recht hat. Auf ihre weiteren Unterstellungen in Bezug auf die Ausländer komme ich gleich noch zu sprechen. Vielleicht wollen Sie weiter zuhören. – Vielen Dank. ({1}) Meine Damen und Herren, wir waren bei der Frage, warum so wenige ausländische Studenten und Spitzenforscher zu uns kommen. Die Bezahlung ist vergleichsweise schlecht, Karrierechancen fehlen, und die meisten Verträge werden nur befristet vergeben. Auch für diejenigen, die mit Partner oder Familie kommen, wird nicht genug geboten. Zum Glück haben wir Einrichtungen wie die Max-Planck-Gesellschaft und andere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, durch die wir diese Nachteile wenigstens teilweise kompensieren. Kaum verwunderlich besagt eine Studie des DAAD aus dem Jahr 2017, dass das ausländische Wissenschaftspersonal an deutschen Hochschulen lediglich 7 Prozent beträgt. Der Ausländeranteil an unseren Sozialämtern liegt übrigens deutlich darüber; ({2}) von etwa 6 Millionen Hartz-IV-Beziehern sind 33 Prozent Ausländer. ({3}) Sie sehen also, meine Damen und Herren: Unsere Sozial­ämter sind international gefragter als unsere Universitäten. Wir finden, das sollte man ändern. ({4}) Dazu haben wir unter anderem vorgeschlagen – da besteht hier im Haus ja auch Einigkeit –, den Hochschulpakt längerfristig mit Mitteln auszustatten, sodass aus kurzzeitigen und befristeten Verträgen längerfristige und echte Stellen werden können. ({5}) Wir schlagen weiter vor, nationale Infrastrukturzentren aufzubauen, die gemeinsam von Universitäten und Forschungseinrichtungen genutzt werden können. Ich kann mir auch vorstellen, ausländische Staaten als Investoren zu gewinnen, die im Gegenzug ihre Spitzennachwuchsforscher zu uns schicken können. Vielleicht fragt Frau Ministerin Karliczek bei ihrem nächsten Besuch in Moskau hierzu mal nach. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Karamba Diaby, SPD. ({0})

Dr. Karamba Diaby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004259, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Jusos aus Halle auf der Tribüne! „Webbasierte Indikatoren“, „Gewinnungsprozesse“, „Talentdatenbanken“ und, nicht zu vergessen, „die Push- und die Pull-Faktoren“ und „Online-Self-Assessment-Tests“! Meine Kolleginnen und Kollegen, der Begriff „Mensch“ kommt im Antrag der FDP-Fraktion auf zehn Seiten nur zweimal vor. ({0}) Für mich ist klar: Menschen sind keine Forschungsmaschinen, keine Zahlen, keine Mittel, um ein Ziel zu erreichen. Für mich sind Menschen immer ein Selbstzweck. ({1}) Im Hintergrund ist eine Familie, eine Partnerin oder ein Partner. Internationale Mobilität hat immer auch mit Mut und Hoffnungen zu tun und damit, Vertrautes zu verlassen, Neues zu entdecken und anzukommen. Dazu gehört es auch, dass es in Deutschland eine Offenheit gibt, die einladend ist. ({2}) Wenn ich mir unsere Forschungslandschaft anschaue, stelle ich fest, dass wir schon sehr weit gekommen sind. Ich möchte Ihnen auch kurz sagen, weshalb ich zu diesem Schluss komme. Wir fördern mit dem Programm „Leadership for Syria“ junge syrische Akademikerinnen und Akademiker. Dabei geht es weniger um uns, sondern mehr darum, dass diese Akademikerinnen und Akademiker ihr Land in einer nahen Zukunft wieder aufbauen können. Auch das gehört zu unserer Verantwortung in Deutschland. ({3}) Wir haben durch die Alexander-von-Humboldt-Professur die Möglichkeit geschaffen, dass weltweit führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Deutschland kommen, um den Wissenschaftsstandort zu stärken. Von den 78 geförderten Professorinnen und Professoren forschen 3 in meinem Wahlkreis, in Halle an der Saale, und das ist gut so. ({4}) Wir haben mit den großen Wissenschaftspakten – sie wurden schon genannt: Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und Innovation – die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wissenschaft in Deutschland gestärkt und wollen sie auch weiter ausbauen. ({5}) Über 360 000 internationale Studierende haben sich 2017 an den deutschen Hochschulen eingeschrieben; das sind 5 Prozent mehr als im Vorjahr. Das zeigt, dass wir auf internationaler Ebene mithalten können und offenbar vieles richtig machen. Und demnächst werden wir mit einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Einwanderung nach Deutschland transparenter regeln. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Deutsche Akademische Austauschdienst, DAAD, hat in den letzten 90 Jahren mehr als 2 Millionen Akademikerinnen und Akademiker gefördert. Einer von ihnen war ich, und dafür bin ich sehr dankbar. ({7}) Der DAAD übernahm mein Stipendium, das mir noch die damalige DDR in den 1980er-Jahren gewährte. Ich konnte weiter in Deutschland studieren und später promovieren. Das ist für mich und meine Familie ein Glück gewesen. Ich konnte hier eine Existenz aufbauen und eine Familie gründen. Heute, über 20 Jahre später, bin ich der Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für den DAAD. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher in Deutschland halten wollen, dann lassen Sie uns neben unseren Interessen nicht vergessen, dass hinter den Zahlen Menschen stecken, die Wünsche und Träume haben. Genau das fehlt mir in dem Antrag der FDP. ({8}) Im Übrigen: Wer nachgezählt hat, hat festgestellt, dass ich das Wort „Mensch“ in meiner Rede fünfmal verwendet habe. Danke schön. ({9})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dr. Petra Sitte, Die Linke, ist die nächste Rednerin. ({0})

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Anträge lesen sich so, als würden immer noch Papiere aus den Koalitionsverhandlungen recycelt. ({0}) Diesmal soll der Wettbewerb um Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher gewonnen werden. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Selbstverständlich sind wissenschaftlicher Wettbewerb und der Wechsel zwischen Ländern und Wissenschaftseinrichtungen normal. Der FDP-Antrag allerdings – Herr Diaby hat das schon angedeutet – verengt die Sicht sehr einseitig. Und hier setzt meine erste Kritik an. Pure Konkurrenz ist der Grundgedanke dieses Antrags. Man wähnt Deutschland als führenden Standort, der sich gegen andere durchzusetzen hat. So werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tatsächlich nur zu Faktoren einer Standortlogik. ({1}) Wissenschaft und Forschung werden erneut unternehmerisch betrachtet. 20 Jahre Erfahrung mit diesem Ansatz haben aber eben, wie wir wissen, Freiheit von Forschung und Lehre längst deutlich eingeschränkt. ({2}) Die Linke dagegen hält es für notwendig und attraktiv, Wissenschaft und Forschung auf kooperatives oder auch kollaboratives Arbeiten mit Gemeinwohlorientierung auszurichten. ({3}) Zeitgleich, meine Damen und Herren, arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit an ähnlichen Problemstellungen. Viele sind sehr komplex, meist global und binden überall erhebliche Ressourcen. Meinen Sie denn wirklich, liebe FDP, dass die Forschung an Klimawandel, Digitalisierung, künstlicher Intelligenz, Nachhaltigkeit, Mobilität und Gesundheit gewinnt, wenn man sie auf Deutschland konzentriert? ({4}) Zudem hat ein Wandel in der Wissenschaftskultur unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern doch längst stattgefunden. Das, was sich dort entwickelt hat, muss wissenschaftspolitisch gestärkt werden. Es wird international zusammengearbeitet. Was macht es denn für einen Sinn, wenn Wissenschaftsvereinbarungen mit anderen Staaten oder auf EU-Ebene abgeschlossen werden, hier aber zugleich ein Human Grabbing, also sozusagen ein Wegschnappen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, politisch legitimiert werden soll? Das ist die falsche Ausrichtung. ({5}) In meiner zweiten Kritik werfe ich der FDP vor, dass sie eigentlich vom Ende her denkt. Sogenannte Starwissenschaftlerinnen und Starwissenschaftler, wie Sie schreiben, stehen am Ende einer langen Bildungskette. Es ist ein erheblicher Einsatz von Ressourcen erfolgt, öffentlichen wie privaten. Deutschland ist eines der reichsten Länder dieser Erde. Wollen wir immer noch mit dem Schleppnetz durch Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen anderer Länder ziehen und dort quasi den Rahm abschöpfen? Zugleich forscht und lehrt unser eigener wissenschaftlicher Nachwuchs unter prekären Beschäftigungsbedingungen. Was für ein Widerspruch! ({6}) Es wäre allemal besser, wir würden konsequent in unsere eigene Bildungs- und Wissenschaftslandschaft investieren. Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft hat das vorgestern im Forschungsausschuss sehr schön ausgeführt. Er hat gesagt, dass der Ruf der Institute darüber entscheidet, ob Forscherinnen und Forscher bleiben oder kommen. Tun wir also dafür etwas! Machen wir erst einmal in Deutschland unsere Hausaufgaben! Danke. ({7})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen, ist der nächste Redner. ({0})

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weltoffenheit gehört seit eh und je zum Wesenskern der Wissenschaft. Neue Ideen überwinden die Grenzen in den Köpfen, genauso wie Forscherinnen und Forscher die Grenzen zwischen Staaten. Bald feiern wir den 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt. Er verkörpert den Forscher als Weltbürger wie kein anderer. Ob Berlin, Paris, Mexiko oder Sankt Petersburg, überall war er zu Hause. Unzählige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind inzwischen in seine Fußstapfen getreten, und das ist super so. ({0}) Die Auslandsmobilität an unseren Hochschulen ist hoch. Unser Wissenschaftsstandort ist hochattraktiv. Deutschland ist das drittbeliebteste Gastland für internationale Studis aus allen Himmelsrichtungen. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen zu uns kommen. Ich finde, darauf können wir echt stolz sein. ({1}) Wir müssen jedoch selbstkritisch bleiben und noch besser werden. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist nicht der Weisheit letzter Schluss, und für viele Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher ist Deutschland nicht die erste Adresse. An der Stelle hat Herr Sattelberger in seinem Antrag recht. Die Lösung aber, die Sie, Herr Sattelberger, präsentieren, geht am Problem völlig vorbei. ({2}) Wir brauchen keine nationale Headhunting-Agentur, die weltweit die klügsten Köpfe identifiziert und akquiriert. ({3}) Wissenschaft ist doch keine Castingshow und auch kein Konzern. Wissenschaft kann das sehr gut selbst. Wissenschaft braucht Kooperation statt Ellbogen. ({4}) Das Problem liegt woanders: Der Rahmen muss stimmen. Meist sind es die Einreise- und Arbeitsbedingungen, die Topforscher von einem Wechsel nach Deutschland abschrecken. Da müssen wir ran, um beste Bedingungen für Spitzenforschung zu schaffen. ({5}) Wir fordern in unserem Antrag daher unter anderem – das können Sie sich, Herr Sattelberger, noch einmal anschauen – mehr Flexibilität bei Berufungen, verlässliche Karrierewege für den wissenschaftlichen Nachwuchs, Chancengerechtigkeit für Frauen und Diversity-Leitbilder, Perspektiven für Wissenschaftspaare und ein kluges Einwanderungsgesetz sowie eine schnellere Visavergabe für Studis und Forscher. Talente brauchen offene Arme statt Grenzzäune. ({6}) Internationalisierung muss vor Ort gelebt werden, auf dem Campus und in jeder Hochschulstadt. Wer neu ist, muss sich willkommen fühlen. Dazu ist es heute leider auch notwendig, Forscherinnen und Forscher aus dem Ausland vor Anfeindungen zu schützen; ({7}) denn wo der rechte Mob in den Straßen tobt, fürchtet sich die pakistanische Gastwissenschaftlerin genauso wie der syrische Geflüchtete. ({8}) Aber jede und jeder muss sich hier sicher fühlen. Nur mit Technik, Toleranz und Talenten boomt unsere Volkswirtschaft und gedeiht Kreativität. ({9}) Darum lassen wir eine solche Verrohung weder auf der Straße noch hier im Parlament zu. ({10}) Es ist gut, dass mit uns auch FDP und Linke konstruktive Anträge eingebracht haben. Die demokratische Opposition steht damit für weltoffene und vielfältige Wissenschaft. ({11}) Rechts außen muss da gar nicht protestieren. Es sind doch Ihre rechten Gesinnungsgenossen, die in Ungarn Gender-Studies verbieten, ({12}) in den USA die Sozialwissenschaften zusammenkürzen und in Brasilien Klimaforscher verleugnen und verfolgen. In den Haushaltsberatungen hat die AfD gezeigt, dass sie die gleichen Pläne hat, Forschung für sozial-ökologische Innovation zu zertrümmern. Vor solchen Übergriffen werden wir die Wissenschaftsfreiheit in unserem Land verteidigen. ({13}) Wir rufen die Bundesregierung auf, das international ebenso zu tun. In der Türkei, in Indien, in Ungarn und an vielen anderen Orten wollen Nationalisten den freien Geist in Ketten legen. Bei solchen Grundrechtsverletzungen muss die Regierung endlich klare Kante zeigen. Gleichzeitig müssen wir mithilfe unserer Mittlerorganisationen die Brücken zu Wissenschaftlern in diesen Ländern aufrechterhalten und verfolgten, an Leib und Leben bedrohten Wissenschaftlern hier Exil geben. Daher gehören die Mittel der Philipp-Schwartz-Initiative verdoppelt; denn wer im Labor oder im Hörsaal für ein besseres Morgen arbeitet, verdient unsere Unterstützung. ({14}) Wir Grünen wollen eine internationale Wissenschaftspolitik, von der alle beteiligten Gesellschaften profitieren. Es geht eben nicht darum, liebe FDP, sich per Headhunting im internationalen Wettbewerb egoistisch nach vorne zu bringen. ({15}) Gerade Länder des globalen Südens brauchen Braincirculation statt Braindrain. In Europa haben wir es geschafft, aus 27 Systemen einen gemeinsamen Forschungsraum zu schaffen, ein gutes, ein kooperatives globales Beispiel. Davon profitieren alle. Davon hätte der alte Humboldt nur träumen können, und das lassen wir uns von Neonationalisten auch nicht wieder kaputtmachen. ({16}) Wir wollen mehr. Eine Karriere in der Spitzenwissenschaft kann heute viele Stationen haben: Nairobi, Oxford, Köln oder Eberswalde, Paris, Peking. Auch hier hat sich seit Humboldt einiges getan. Die Wissenschaft ist zum Glück vielfältiger geworden. Es bleibt aber unsere Aufgabe, die Wege des internationalen Austauschs für möglichst viele Talente zu öffnen. Damit sind wir das absolute Gegenteil dieser AfD, die die Grenzzäune schließen will und deshalb von Wissenschaftsdiplomatie rein gar nichts versteht. ({17}) – Diese Beleidigung können wir dann im Protokoll ja noch mal nachlesen, vielen Dank. Aber Wissenschaft braucht freien Geist, und da sind Sie das glatte Gegenteil. ({18}) Wenn es um internationalen Austausch geht, dann gilt das für die ägyptische Ingenieurin ebenso wie für das Arbeiterkind aus dem Ruhrpott; denn nur wenn weltweit die klügsten Köpfe zusammenkommen, werden wir gemeinsam Lösungen für die großen globalen Herausforderungen finden, und das brauchen wir mehr denn je. ({19})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr. Dietlind Tiemann für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Dietlind Tiemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004918, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Roman Herzog prägte in seiner bekannten „Ruck-Rede“ den Ausspruch – ich zitiere –: „Die Fähigkeit zur Innovation bestimmt unser Schicksal.“ Anders formuliert: Wir ernten, was wir säen, und säen müssen wir das, was wir ernten wollen. Kein Thema ist derart eng mit Zukunft verbunden, wie wir eben sehr schön von den Kollegen vorher gehört haben, einerseits der ganz persönlichen Zukunft, die die Menschen in Deutschland in einem durchlässigen und chancengerechten Bildungssystem in die Hand nehmen, andererseits der Zukunft unseres Landes, dessen Rohstoff „Wissen“ sowie Wohlstand und Wohlergehen immer stärker davon abhängen, ob wir in der Spitze sowie in der Breite die Bildungs- und Forschungsrepublik Deutschland gemeinsam Realität werden lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die unionsgeführte Bundesregierung hat im Laufe der vergangenen Legislaturperioden einen echten Paradigmenwechsel eingeleitet. Bildung und Forschung sind vom Bund zu einem zentralen Themenfeld gemacht worden. Der Koalitionsvertrag spricht eine unmissverständliche Sprache: Wir stehen bereit, mit mehr Investitionen und mehr Verantwortung die politischen Baustellen in der Bildungs- und Forschungspolitik konsequent anzupacken. ({0}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, zahlreiche Studien – wir hörten schon in den Ausführungen von Stefan Kaufmann davon – der OECD und eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft bescheinigen Deutschland – lassen Sie uns doch bitte auch mal stolz auf das Erreichte sein – beispielsweise in der Hochschulbildung und in der Forschungslandschaft messbare Erfolge. Wir haben in den vergangenen Jahren viele richtige Weichen für den Aufwärtstrend gestellt. Ende September 2018 kürte beispielsweise die Exzellenzkommission 57 Exzellenzcluster an deutschen Universitäten für die Förderung mit insgesamt 385 Millionen Euro jährlich. Den Grundstein für diese Spitzenförderung haben wir schon 2005 und 2006 mit der Exzellenzinitiative gelegt, die der Vorläufer der Exzellenzstrategie war, und wir haben eine Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen ins Leben gerufen. ({1}) Zur Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses haben wir die institutionelle Förderung der Wissenschafts- und Mittlerorganisationen sowie große Projekte wie das neue Tenure-Track-Programm und den Pakt für Forschung und Innovation ins Leben gerufen. Diese Ansätze bauen wir bekanntermaßen ständig aus. Indes sind unsere Anstrengungen noch nicht am Ziel; darin sind wir uns einig. Deshalb dürfen wir natürlich nicht nachgeben und müssen genau an der Stelle weitermachen. Eine neue, nachhaltige Dynamik für Deutschland – das ist auch weiterhin unser Anspruch. Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass die Oppositionsfraktionen sich mit den vorliegenden, sehr umfangreichen Anträgen, insbesondere von der FDP, an der politischen Aufgabe zur Stärkung unseres Forschungsstandortes beteiligen. Vielen Dank! Ja, wir brauchen mehr von den besten und klügsten Nachwuchskräften, auch auf internationaler Ebene; da sind wir uns einig. Indes lässt mich beispielsweise der Antrag der FDP mit einiger Verwunderung zurück. Die Umsetzung Ihres Antrages, liebe Kolleginnen und Kollegen, würde aus meiner Sicht einen bürokratischen Papiertiger schaffen, aber nur wenig erkennbaren Mehrwert für die Stärkung des Forschungsstandortes Deutschland leisten. ({2}) So fordern Sie die Einrichtung einer „Nationalen Agentur für wissenschaftliches Talent“ und dergleichen mehr. Was versprechen Sie sich eigentlich davon? ({3}) Ein bemerkenswert staatszentrierter Vorschlag, meine sehr geehrten Damen und Herren, einer Fraktion, die nicht müde wird, über die Allheiligkeit des freien Marktes zu referieren. Mit der Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen sind wir hier bereits gut aufgestellt. ({4}) – Sehr schön. – Auch wollen Sie den Staat damit betrauen, ein sogenanntes Frühwarnsystem aufzubauen, um die frühen Trends in Wissenschaft und Forschung und dergleichen zu erkennen. Viele schöne Worte, aber es fehlt doch so ein bisschen die Nachhaltigkeit für den Forschungsstandort! ({5}) Andere Punkte greifen Sie richtigerweise auf: den Ausbau internationaler Schulen und Kindergärten, die Finanzierung von Programmen einschlägiger Stiftungen usw. usf. In der Gesamtheit jedoch sind die vorliegenden Anträge unausgegoren. Die „Strategie zur Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung“ wurde ja auch deshalb auf den Weg gebracht, weil sie ein Gesamtpaket beinhaltet, das mehr als die Summe von einzelnen Maßnahmen darstellt. Dieses Paket wieder aufzuschnüren, hier und da einige mehr oder minder praktikable Vorschläge dazu einzubringen, wird der Idee eines ganzheitlichen Ansatzes nicht gerecht. Deshalb muss für unsere Politik gelten: Qualität in der Quantität; denn hohe Haushaltspositionen ersetzen nicht die Bedeutung von richtigen Entscheidungen in der Sache. ({6}) In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und ein friedliches und geruhsames Weihnachtsfest! Vielen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marc Jongen für die AfD-Fraktion. ({0})

Dr. Marc Jongen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004768, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Warten Sie es ab! ({0}) Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Deutschland hat ein Talent, Politik gegen die eigenen Interessen zu machen. Das bestätigt sich leider auch in der Forschungs- und Bildungspolitik dieser Regierung. ({1}) Viele Zehntausende Chinesen, Türken, Inder, Angehörige vieler anderer Nationen sind Jahr für Jahr an deutschen Universitäten inskribiert, ({2}) profitieren von unserem kostenlosen Studium, und am Ende verlassen sie unser Land zum allergrößten Teil wieder, ohne dass wir von dieser Investition irgendetwas zurückbekämen. Wie blauäugig muss man sein, um diesem Abfluss von Know-how tatenlos zuzusehen, meine Damen und Herren? ({3}) Nicht nur müssen dringend Studiengebühren für Studenten aus Nicht-EU-Ländern erhoben werden, wir müssen auch denjenigen hochqualifizierten Ausländern, die ihr Studium hier in Deutschland verbracht haben, die Deutsch gelernt haben, sich hier eingelebt haben, Anreize bieten, hierzubleiben, wenn sie denn Arbeit finden und gebraucht werden. Aber dieser ehrlichen, kultivierten, qualifizierten Personengruppe gegenüber baut man bürokratische Hindernisse auf und treibt sie geradezu aus dem Land, während man jeden Ungelernten und sogar Kriminellen mit offenen Armen empfängt, der an der Grenze ohne Papiere ankommt und das Wort „Asyl“ ausspricht – eine vollkommen verkehrte Welt, meine Damen und Herren. ({4}) Und glauben Sie bitte nicht, dass sich Deutschland für ausländische Spitzenkräfte attraktiv macht durch seine vollkommen irre Migrationspolitik; denn diese klugen Köpfe lassen sich nicht durch billige Propagandatricks hinters Licht führen. Die überlegen es sich sehr genau, ob sie ein Land zu ihrem Lebensmittelpunkt machen wollen, das millionenfach Sozialfälle aufnimmt und sich fest vornimmt, diese für alle Zukunft ({5}) mit Milliarden an Steuergeldern jährlich zu alimentieren. Die überlegen es sich sehr gut, ob sie in ein Land ziehen, das unter dem Tarnbegriff „Weltoffenheit“ nach Kräften Parallel- und Gegengesellschaften aufbaut, die die soziale Sicherheit erodieren lassen. Das schreckt Spitzenforscher aus aller Welt ab, nach Deutschland zu kommen, und nicht die Rhetorik der AfD, wie Sie vielleicht tatsächlich glauben. ({6}) Und Sie haben ja recht, liebe FDP: Es ist ein scharfer internationaler Wettbewerb um die knappe Ressource Gehirn entbrannt, wenn ich Sie mal so paraphrasieren darf. Deutschland muss sich als eine attraktive Braut für diese global vagabundierende Intelligenz anbieten, wenn wir nicht den Anschluss verlieren wollen. Sie fordern eine Reihe von Akutmaßnahmen zur Aufhübschung der deutschen Braut, aber die tiefere Ursache für diese missliche Lage, die nennt Ihr Antrag nicht, die Anträge der Grünen und der Linken natürlich schon gar nicht. Sie liegt nämlich in der demografischen Katastrophe, liebe Kollegen. Der Bevölkerungsforscher Gunnar Heinsohn spricht schon lange von der Schrumpfvergreisung Deutschlands und weiter Teile Europas wegen der anhaltend viel zu niedrigen Geburtenrate. Das führt neben vielen anderen Problemen zu einem immer dramatischeren Mangel an Hochqualifizierten, zu einem immer gnadenloseren Wettbewerb um die immer spärlicheren jungen Talente in der entwickelten Welt, bis hin zur gegenseitigen Kannibalisierung ganzer Länder. Es ist aber ein großer Trugschluss, zu meinen, wir könnten das Problem durch den Zuzug aus dem außereuropäischen Ausland lösen. Abgesehen davon, dass die Hochqualifizierten vorzugsweise in die angelsächsischen Länder ziehen, müssen diese Menschen – das sind ja keine Zahlen – auch kulturell zu uns passen. Deswegen müssen wir endlich dafür sorgen, dass in Deutschland und Europa wieder mehr Kinder geboren werden, sonst wird bald die künstliche Intelligenz allein unsere Spitzenforschung erledigen müssen, meine Damen und Herren. ({7}) Im Wettbewerb um den Wissenschaftsstandort Deutschland muss unsere Devise sein: Wir dürfen Deutsch als Wissenschaftssprache nicht aufgeben. Für die technischen und naturwissenschaftlichen Fächer ist das Deutsche schon so gut wie verloren, für die Geistes- und Kulturwissenschaften darf das nicht passieren; denn – ich komme zum Schluss –: Was nützt es uns, wenn die besten internationalen Forscher bei uns im Land sind, aber um den Preis, dass wir unsere Sprache, unsere Kultur geopfert haben und alle nur noch Englisch miteinander sprechen? Vielen Dank. ({8}) Den Grünen ist das natürlich egal, die können es nicht erwarten, als Deutsche zu verschwinden. Das haben wir heute wieder gehört. Danke schön. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Wiebke Esdar für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Wiebke Esdar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004710, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem mein Kollege Karamba Diaby vor allem auf die Aspekte der Internationalisierung in den vier Anträgen eingegangen ist, möchte ich meinen Schwerpunkt auf den zweiten großen Aspekt setzen, der vor allem in den Anträgen der Linken und der AfD vorkommt: die Frage nach den Beschäftigungsbedingungen. Frau Gohlke, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie an vielen Stellen schon aufgezeigt haben, wie schlecht, wie unterirdisch der Antrag der AfD ist, indem sie es nicht einmal schaffen, die Zahlen aus den Quellen, die sie selber auswählen und angeben, richtig zu verwenden. Ich will gar nicht viel Redezeit darauf verschwenden: Der Antrag der AfD ist, wie wir es gewohnt sind, leider diskriminierend. Er ist rein ausgerichtet auf die ökonomische Verwertbarkeit der Menschen, weist ihnen unterschiedliche Wertigkeiten zu und ist bezogen auf die Studierenden dann auch noch unterirdisch – das hat Frau Gohlke bereits angesprochen –, aber auch in Bezug auf das wissenschaftliche Personal. Sie führen an, es wären 7 Prozent ausländisches Personal an den Hochschulen. In der Studie, die Sie anführen, steht aber sehr eindeutig: Es sind 11,2 Prozent. Darum sollten wir uns damit nicht aufhalten. ({0}) Ich möchte darum etwas zu dem Antrag der Linken sagen. Er ist leider – das bedaure ich ein Stück weit – alter Wein in neuen Schläuchen. Sie haben einen ganz ähnlichen Antrag mit einer großen Anzahl von gleichen Absätzen im Jahr 2017 gestellt. Ich finde es schade, wenn man einfach immer nur Copy-and-paste macht. Aber ich will Ihnen gerne auch inhaltliche Gründe nennen, warum wir ihn heute ablehnen müssen. Um es vorweg ganz klar zu sagen: Im Grundsatz teilen wir das Ziel, dass wir die Beschäftigungsbedingungen an deutschen Hochschulen verbessern wollen. Wir teilen auch die Auffassung, dass es immer noch zu viele befristete Verträge gibt und dass die Vertragslaufzeiten nach den Zahlen, die wir kennen – Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, BuWiN, aus dem Jahr 2017 –, tatsächlich zu klein sind. Aber die Instrumente, die Sie vorschlagen, halte ich in der Form für nicht zielführend. Mit einfach festgeschriebenen Vertragslaufzeiten kommen wir an dieser Stelle nicht weiter. Ich würde mir wünschen, dass wir erst einmal auf die Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes warten, in dem wir festgelegt und klargemacht haben, dass wir das Qualifizierungsziel in den Mittelpunkt stellen, nämlich die Frage: Wie lange brauchen die Menschen? Wenn wir jetzt mit gesetzlichen Vorgaben, wie zum Beispiel Mindestvertragslaufzeiten, arbeiten würden, dann kann das, glaube ich, an vielen Stellen zum Nachteil für die Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler werden. Um ein Beispiel zu nennen: In der Zeit, in der ich wissenschaftliche Mitarbeiterin war, gab es das Problem bei mir, wie bei ganz vielen, dass die Anzahl der Verträge höher war als die Anzahl der Jahre, in denen ich beschäftigt war. Warum war das so? Ein Grund – den benennen Sie auch – liegt in der zu unsteten, unsicheren Finanzierung, der zu geringen Grundfinanzierung der Hochschulen. Da müssen wir ran. Der zweite Grund, warum ich so viele Verträge hatte, war, dass es in der Praxis der Hochschule das Bemühen der Lehrstuhlinhaberinnen und Lehrstuhlinhaber, meiner Professorin, war, dass man überbrücken konnte, wenn das Forschungsvorhaben später begonnen hat. Wenn wir das gesetzlich festschreiben, so wie Sie es vorschlagen, dann, glaube ich, erweisen wir den Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern einen Bärendienst. Wir sind dabei, die Bedingungen für wissenschaftlich Beschäftigte, aber auch für alle Beschäftigte zu verbessern. Ich möchte zwei Beispiele nennen. Das eine ist der Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Hier gehen wir mit dem Tenure-Track-Modell in die Organisationsstruktur hinein und wollen verbessern, dass die Karriere planbar wird, dass frühzeitig klar ist, dass man in der Wissenschaft bleiben kann. Das andere ist die Verstetigung der Hochschulpaktmittel. Diese werden verstetigt mit einer klaren Erwartungshaltung von uns: Es muss dazu kommen, dass Daueraufgaben mit Dauerstellen versehen werden. Die Mittel, die wir vom Bund zur Verfügung stellen, sollen von den Hochschulen, wie wir sie verstetigen, für Dauerstellen genutzt werden. Ich glaube, dass das zwei gute Ansatzpunkte sind. Lassen Sie mich zum Abschluss die Bemerkung machen: Wir können das tun, weil wir das Grundgesetz in der letzten Legislatur geändert haben. Leider hat die Linksfraktion nicht mitgestimmt. Ich finde, das zeigt sehr deutlich, dass wir vorankommen, dass wir mitgestalten und dass wir nicht mit dogmatischen Grundsatzpositionen weiterkommen, sondern tragbare Lösungen brauchen. Danke schön. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Nicole Gohlke für die Linksfraktion. ({0})

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen Satz als Einstieg und als Erwiderung auf Frau Esdar: Sie werfen uns von der Linken vor, wir würden heute manche Forderungen stellen, die wir schon letztes Jahr gestellt haben. Ich kann Ihnen sagen: Das werden wir auch weiterhin so machen. Wir haben damit im Übrigen auch ganz gute Erfahrungen. Die Forderung „Hartz IV muss weg“ zum Beispiel stellen wir seit über zehn Jahren, und so langsam sickert das bei Ihnen und auch bei den Grünen ein. Insofern ist das eher ein gutes Argument. ({0}) Nun aber zum Thema. Wissenschaft und Forschung leben von den Menschen, die sie betreiben. Das fängt nicht erst bei der Spitzenforschung an, sondern Spitzenforschung baut auf: auf guter Bildung, auf Lehre und auf Forschung, und zwar in der Breite. Hinter jeder Erfindung, hinter jedem Patent steht nicht nur ein genialer Kopf, sondern dahinter stehen viele, viele Menschen – ({1}) im Lehrbetrieb, in der Verwaltung und im wissenschaftsunterstützenden Bereich, die unverzichtbare Beiträge für das Gesamtsystem leisten. Diese vielen Menschen will ich an dieser Stelle auch mal ausdrücklich nennen und würdigen. ({2}) Wer heute mit einem akademischen Abschluss einen Arbeitsplatz mit Perspektive sucht, schaut sich meist außerhalb der deutschen Hochschulen um, entweder bei privaten Unternehmen oder bei Hochschulen im Ausland; denn unterhalb der Professur sind unsere Hochschulen zum Niedriglohnsektor und zum Ort unsicherer Beschäftigung geworden. Damit wird eine ganze Generation an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verprellt. Das ist für ein reiches Land wirklich ziemlich beschämend. ({3}) Wir brauchen endlich verlässliche Berufswege und Perspektiven in der Breite. Das haben mittlerweile fast alle Fraktionen erkannt, sogar die FDP, die sich in ihrem Antrag neben vielen falschen Forderungen, wie ich finde, immerhin auch ein paar gewerkschaftliche Positionen zu eigen macht und tatsächlich stabile Perspektiven an Hochschulen und Forschungseinrichtungen und beste Arbeitsbedingungen fordert. ({4}) Es ist begrüßenswert, dass auch Sie endlich diesen Schritt gehen. ({5}) Anders natürlich die AfD, die das Thema nutzt, um Studiengebühren für ausländische Studierende zu fordern. Wozu das gut sein soll, das hat sich weder aus Ihrer Rede noch aus Ihrem Antrag erschlossen. Schaffen Sie es nicht mal, zu den Themen „Forschung“ oder „Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft“ zu sprechen, ohne die Teutonen gegen den Rest der Welt in Stellung zu bringen? Das ist wirklich irre. ({6}) Kolleginnen und Kollegen, die Zahlen sind bekannt, die Problemlage ist klar: 90 Prozent des akademischen Mittelbaus arbeiten in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Der Frauenanteil schwindet, je höher man in der Arbeitshierarchie kommt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Gohlke, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Frömming?

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Gerne im Anschluss. Ich würde die Rede gerne noch zu Ende halten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nein, „im Anschluss“ ist nicht. Dazu gebe ich nicht das Wort.

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Die Linke schlägt deswegen ein Anreizprogramm, eine Anschubfinanzierung zur Förderung von 100 000 unbefristeten Stellen an Hochschulen vor. Die Schaffung solcher Stellen, also die Entfristung, soll der Bund zwei Jahre lang mit 10 000 Euro jährlich bezuschussen, und die Hälfte dieser Stellen soll an Frauen gehen. Wir brauchen dringend die Reform der Personalstrukturen. Es kann doch nicht sein, dass man in diesem Wissenschaftssystem auf einem Schleudersitz sitzt, solange man keine Professur innehat. Das ist doch wirklich mehr als von vorgestern. ({0}) Lassen Sie uns die Situation ganz konkret und hier und jetzt verbessern! Das haben die Forschenden und Lehrenden wirklich mehr als verdient. Vielen Dank ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Sybille Benning für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Sybille Benning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vier Oppositionsanträge liegen uns heute vor. Viel Lyrik ist drin, viel Widerspruch, wenig Neues und wenig Substanz. ({0}) Das wurde gerade ja schon lang und breit diskutiert. Manche Forderung finde ich richtig gut, zum Beispiel bei Frauenförderung und MINT: Da haben Sie mich natürlich ganz auf Ihrer Seite. Aber Sie ignorieren alles, was schon geschaffen worden ist. Die Bundesregierung hat bereits im Februar 2017 die neue Strategie zur Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung beschlossen. ({1}) Meine Damen und Herren, wir unterstützen bereits wissenschaftliche Spitzenkräfte mit allen unseren Kräften. Wir sind im Handlungsmodus. ({2}) Was sollen denn eigentlich unsere Flaggschiffe zu Ihren Anträgen sagen, zum Beispiel der DAAD mit Frau Professor Wintermantel oder die Alexander-von-­Humboldt-Stiftung mit Herrn Professor Pape? Vor wenigen Tagen erst hat die Alexander-von-Humboldt-Stiftung vier neue Wissenschaftler für die renommierte Humboldt-Professur ausgewählt: einen Physiker, einen Strukturbiologen, einen Neurowissenschaftler und einen Mathematiker. ({3}) Die neu Ausgewählten forschen derzeit in Großbritannien, in den USA, in Belgien und in Spanien und werden jetzt bei uns wirken. Wir freuen uns auf die vier. Da kann man sich ruhig mitfreuen, finde ich. ({4}) Alle unsere Wissenschaftspakte haben doch ein Ziel: dass wir von der Bundesliga in die Champions League aufsteigen. Herr Sattelberger, das ist dann spitze. ({5}) – Wenn alle mitmachen, geht es schneller. Die Einrichtung von Max Planck Schools als neue Marke für eine Graduiertenausbildung mit internationaler Strahlkraft wird dem Wissenschaftsstandort Deutschland guttun. Das muss man nicht schlechtreden, sondern loben. Vorgestern wurden die Verträge mit den an den Max Planck Schools beteiligten Universitäten unterzeichnet. Damit verschärfen wir die Konkurrenz zu Oxford, Cambridge und der US-Ivy-League und anderen Eliteuniversitäten. Die Max Planck Schools sind wissenschaftsorganisatorisch innovativ und konzeptionell wegweisend. Damit reihen sich die Max Planck Schools in die neue Profilbildung und in die Exzellenzorientierung des deutschen Wissenschaftssystems ein. Hier forschen die besten Köpfe. Hier sind international renommierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in spe am Werk. Dann gibt es zum Beispiel noch die Tenure-Track-Professur. Hier wird ein Kultur- und auch ein Strukturwandel im deutschen Wissenschaftssystem angestoßen. Darauf werde ich sehr häufig angesprochen; denn er beginnt ja auch zu wirken. Ebenso wird das Bund-Länder-Programm nachhaltig wirken. Die 1 000 vom Bund geförderten neuen Tenure-Track-Professuren werden immer wieder neu ausgeschrieben, und die Länder werden sie auch nachhaltig erhalten. Das ist ein gutes Programm. ({6}) Denn es ist wichtig, den besten Köpfen jeder Generation eine verlässliche Perspektive für ihre akademische Karriere zu bieten. Beispielsweise hat die Bundesregierung in ihrer Strategie Künstliche Intelligenz die Einrichtung von 100 KI-Professuren in Deutschland geplant, was auch die zielgerichtete Ansprache und Gewinnung von Spitzenwissenschaftlern und Spitzenwissenschaftlerinnen in diesen Bereich beinhaltet. ({7}) Die Ergebnisse deutscher Wissenschaftler lassen sich sehen. Im Ende 2018 veröffentlichten Nature Index, der die Publikationsleistung von Forschungseinrichtungen und Hochschulen auswertet, erreicht Deutschland die beste Wertung in Europa. Im weltweiten Vergleich kommt Deutschland auf Platz drei nach den USA und China. Meine Damen und Herren, einige von uns waren bei der GAIN-Tagung in Boston in diesem Jahr dabei. Da ging es um Exzellenzstrategie, Tenure Track und Karrierechancen. Eine echte Talentmesse mit jungen Topwissenschaftlern und einer wirklich guten und kreativen Atmosphäre. Gute Forschung gibt es bei uns aber auch an außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in der Industrie – und nicht nur auf dem Campus. Auch damit sind wir in Deutschland als Standort für junge Spitzenwissenschaftler überzeugend. Wie häufig habe ich in den Staaten dazu gehört: Ihr habt die Exzellenzinitiative, und wir haben leider Trump. Je stärker der US-Präsident Donald Trump die Wissenschaft mit Füßen tritt, desto mehr Wissenschaftler möchten das Land verlassen. Das gilt auch für andere Forschungsnationen. Da müssen wir Angebote machen und auch liefern. Wir wollen diese jungen Wissenschaftler! Aber was erwarten sie von uns? Erstens ist für Wissenschaftler von ganz großer Bedeutung die wissenschaftliche Reputation der Einrichtung, an der sie wirken. Das heißt für uns: höchste internationale Sichtbarkeit. Da wirken unsere Programme auch schon. Zweitens. Es wird ein herausragendes wissenschaftliches Umfeld benötigt, das heißt auch: direkter Kontakt zu herausragenden Forscherpersönlichkeiten. Drittens. Wir brauchen eine ordentliche Ausstattung und ein gesundes Verhältnis von Forschung und Lehre. Viertens. Dual Career ist für die heutigen Familien unabdingbar. Das gehört eben auch zum Goldstandard. ({8}) Meine Damen und Herren, wir haben die Netzwerke und die Forschungsorganisationen, die das stemmen können. Die Internationalisierung ist ein Schwerpunkt der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode. Sie sind im Nörgelmodus, wir sind im Handlungsmodus. Ich wünsche Ihnen allen eine friedliche und frohe Weihnachtszeit. Herzlichen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr. Manja Schüle für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Manja Schüle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004885, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Rängen! „Gerade in den nächsten Jahren, in denen sich Europa neu ordnet, werden Wissenschaft, Kultur und Bildung an Bedeutung gewinnen.“ „Wir wollen das Innovationspotenzial maximal ausschöpfen in der Bildung, in der Wissenschaft, in der Forschung, in der Wirtschaft.“ „Dass wir auf eine gute Zukunft vertrauen können, dafür sind unsere Hochschulen als Forschungs- und Ausbildungsstätten da, als Laboratorien der Zukunft und als Heimat für die klugen Köpfe.“ „Wir treffen heute Entscheidungen, die in zehn Jahren die Grundlage unseres Erfolgs sein werden.“ „Der Sorge vor Globalisierung und Digitalisierung setzen wir eine starke Wissenschaft und ein optimales Bildungsumfeld entgegen.“ „Besonders wichtig ist die digitale Bildung. Das fängt in der Schule an. Wir brauchen mehr Tablets und weniger Büchertaschen. … Wer sich ausruht, fällt zurück. Wir haben den Mut zu futuristischen und visionären Vorhaben. … Wir sind damit das Studenten-Land ...“ ({0}) Vielen Dank an die Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion für den Applaus. Ich bin nur ein bisschen irritiert, dass aus den Reihen der CDU/CSU und auch der Grünen so gar nichts kommt. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, sehr geehrte Frau Präsidentin, habe ich wörtlich zitiert, und zwar aus vier Regierungserklärungen und einer Pressemitteilung in folgender Reihenfolge der Ministerpräsidenten: Armin Laschet, Winfried Kretschmann, Michael Kretschmer, Volker Bouffier und Markus Söder. Warum zitiere ich diese fünf Herren in dieser Debatte? Alle fünf haben vor zwei Wochen in einem Beitrag der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erklärt: Für Bildung sind ausschließlich die Länder zuständig. Der Bund, also wir Bundespolitiker, wollen die Einheitsschule durch die Hintertür einführen. Deshalb werden sie heute der Grundgesetzänderung nicht zustimmen – übrigens debattiert der Bundesrat gerade gleichzeitig mit uns –, und sie werden den Vermittlungsausschuss anrufen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können ja heute viel über Anwerbung, über Scouting und Headhunting reden. Wir können viel über Braindrain oder manchmal vielleicht auch über Brainpain reden, wenn wir einzelne Reden hören, wie der Kollege Röspel zu Recht festgestellt hat. ({1}) Wir können über Stipendienprogramme und über Frühwarnsysteme reden; das haben meine Kollegen Diaby und Esdar auch ausgeführt. Wir können aber auch darüber reden, dass unser Frühwarnsystem doch eigentlich unsere Schule ist und dass die Wissenschaftler von morgen unsere Schülerinnen und Schüler sind. ({2}) Die drei Anträge der Opposition von der FDP, den Grünen und der Linken beschäftigen sich mit der Zukunft des Wissenschaftsstandorts Deutschland. Der sie einende Leitgedanke ist: Wir brauchen für die Zukunft der Menschen in unserem Land Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher, gut bezahlt, mit Perspektive und frei in der Ausübung der Wissenschaft. Ich möchte diesen Leitgedanken an dem Tag, an dem die Bildungspolitik zwischen Bund und Ländern neu verhandelt wird, noch ein Stück erweitern: Für die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen braucht Deutschland mehr Einmischung des Bundes, mehr bildungspolitische Standards von München bis Templin, von Potsdam bis Stuttgart und, ja, auch von der Kita bis zur Ausbildung oder Hochschule. ({3}) – Ja, das hat auch mein Ministerpräsident gesagt. Völlig richtig. ({4}) – Nein, meinem Ministerpräsidenten muss ich das nicht erklären. Lesen Sie nach, was Herr Woidke dazu gesagt hat. Die FDP stellt in ihrem Antrag völlig zu Recht fest, wir müssen „eigene Talente bestmöglich fördern“. Die Grünen sagen: „Die Menschheit steht heute vor Herausforderungen, die schon lange nicht mehr an Landesgrenzen halt machen.“ Die Linken schreiben in ihrem Antrag: „Immer noch ist der Zugang zur Wissenschaft an sozialer wie ethnischer Herkunft und Geschlecht geknüpft.“ Ja, das ist so; ja, ja, ja. Wie kann man diese Ausgangsbedingungen ändern, ohne nur zu reparieren? Richtig, indem man anerkennt, dass der Wettbewerb nicht mehr nur zwischen 16 Bundesländern stattfindet, sondern zwischen Weltregionen, indem man auch anerkennt, dass der Umzug einer Familie lediglich auf die andere Mainseite, nämlich von Hessen nach Bayern, das Umzugsunternehmen genau eine Stunde kostet, den Schüler oder die Schülerin im Zweifelsfall aber ein komplettes Schuljahr, so wie es Herr Hartung von der „Zeit“ treffend formuliert hat. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann nicht unser Anspruch sein. Unser Anspruch ist Bildung für alle. Den möchte ich mit Ihnen zusammen wahrmachen: für unseren Nachwuchs, für unseren Standort und auch für unsere Zukunft. Lassen Sie uns mit unseren Länderkollegen reden! In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Katrin Staffler das Wort. ({0})

Katrin Staffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004901, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind am Ende der Plenardebatte, die Argumente liegen auf dem Tisch. Deswegen fällt es mir leicht: Ich kann mich jetzt auf ein paar Teilaspekte dieser Diskussion beschränken, die mir aber und, wie ich finde, auch uns allen besonders wichtig sein sollten. Die Debatte hat deutlich gemacht, dass wir in einer Kernfrage durchaus Einigkeit haben, nämlich dass unsere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen für die Innovationsfähigkeit und für die Leistungsfähigkeit dieses Landes essenziell sind. Deswegen muss es uns in Zukunft auch gelingen, dass wir dem heutigen wissenschaftlichen Nachwuchs die besten Rahmenbedingungen, die es geben kann, bieten. Nur so können wir die klügsten Köpfe bei uns behalten, und nur so wird es uns gelingen, dass wir international die klügsten Köpfe zu uns nach Deutschland holen. So, mit der Einigkeit ist es dann vorbei, wenn wir uns die Frage stellen: Was sind denn die bestmöglichen Rahmenbedingungen, und wie erlangen wir sie? Deswegen möchte ich an einem Beispiel zeigen, wie die Bundesregierung mit einem Programm den wissenschaftlichen Nachwuchs bereits sehr erfolgreich fördert: das Tenure-Track-Programm, mit dem es uns gelungen ist, dass wir strukturelle Veränderungen im Wissenschaftssystem erzeugen. Die Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Programm ist, dass die Universitäten, die teilnehmen wollen, über entsprechende Personalentwicklungskonzepte verfügen und diese vorlegen. Wir stellen damit nicht nur sicher, dass die akademischen Karrierewege planbarer werden, dass sie auch transparenter werden, sondern wir gewährleisten mit diesem Programm, dass es in diesem Bereich zu einer schrittweisen, strukturellen Reform an den Universitäten kommt. Deswegen freut es mich persönlich sehr, dass die Uni, an der ich einmal studieren durfte, die TU München, die höchste Anzahl an Tenure-Track-Professuren hat, nämlich ganze 40. Ich glaube, wir haben dadurch ein verlässliches Karrieremodell für die Topwissenschaftler in Deutschland geschaffen. ({0}) Wir haben auch heute schon viel vom Wissenschaftszeitvertragsgesetz gehört. Laut der Fraktion der Linken gäbe es hier noch viele Lücken zu schließen, und – ich zitiere – es gäbe „weiterhin einen weiträumigen Missbrauch und Willkür“. ({1}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Linken, ich halte das, was Sie da schreiben, für wirklich groben Unsinn. Mit der Novellierung des Gesetzes in 2016 haben wir durchaus eine sehr ausgewogene Regelung durchgesetzt. Wir haben unangemessene Kurzzeitbefristungen in der Wissenschaft unterbunden. ({2}) Gemäß unserem Koalitionsvertrag, der ja vorliegt, werden wir die Auswirkungen dieser Novelle im Jahr 2020 evaluieren. Erst dann, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen, wenn wir wirklich wissen, welche Auswirkungen die Novelle hatte und welche Anpassungen nötig werden, können wir diese Anpassungen machen. Vorher ist das aus meiner Sicht absolut nicht zielführend. Es ist auch nicht sinnvoll. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. ({3}) Jetzt stehen wir kurz vor der Weihnachtspause. Deshalb nutze ich an dieser Stelle die Gelegenheit, um den Kolleginnen und Kollegen von der Opposition einen Lesetipp für die freien Tage mitzugeben. Wir haben im Oktober dieses Jahres gemeinsam mit der SPD einen Antrag zum europäischen Bildungsraum erfolgreich auf den Weg gebracht. Wir fordern darin, den Austausch über den DAAD und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung deutlich auszubauen. Wir fordern, im Rahmen des neuen Programms Erasmus+ deutliche Verbesserungen vorzunehmen. Wir setzen uns dafür ein, dass wir die Zusammenarbeit der Hochschulen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich auch nach einem möglichen Brexit weiterführen. Wir wollen Förderprogramme wie die Phillip-Schwartz- oder die Martin-­Roth-Initiative weiterhin unterstützen. All das sind Punkte, die sich in den Anträgen, die Sie heute vorgelegt haben, wiederfinden. Deswegen, glaube ich, kann man mit Fug und Recht sagen, dass wir Ihnen schon im Oktober ein ganz großes Stück voraus waren. Schade ist es, dass wir uns nicht damals schon haben einigen können. ({4}) Am Ende der Debatte möchte ich den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland dafür Dank sagen, dass sie mit ihrer Forschung tagtäglich daran arbeiten, dass unser Wissenschafts- und unser Wirtschaftsstandort Deutschland vorangetrieben werden. Vielen Dank für die herausragenden Leistungen an dieser Stelle. Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne schöne Feiertage und für die Oppositionskollegen viel Spaß bei der Lektüre unseres Antrags. ({5}) Das wird sich lohnen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. ({0}) – Bitte, Herr Braun, was gibt es?

Jürgen Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004680, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Die AfD-Fraktion bezweifelt die Beschlussfähigkeit der Sitzung gemäß § 45 der Geschäftsordnung. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Also, zuallererst bitte ich darum, hier sämtliche Drohungen oder Äußerungen, die als Drohung verstanden werden können, im Umgang zwischen den Fraktionen zu unterlassen. Ich meine damit ausdrücklich den Zwischenruf der Abgeordneten von Storch. ({0}) Zweitens. Im Präsidium gibt es keine Einigkeit darüber, inwieweit das Parlament beschlussfähig ist. Dazu haben wir dann eine Regel, dass nämlich die Abstimmung in der Sache – wobei wir hier nicht über die Sache, sondern über die Ausschussüberweisung abstimmen; aber das setze ich jetzt gleich – mit der Feststellung der Beschlussfähigkeit verbunden wird. Dazu wiederum bitte ich jetzt alle Kolleginnen und Kollegen, den Saal zu verlassen. Das heißt, es kommt zum Hammelsprung. ({1}) Zur Erklärung für diejenigen, die hier auf der Besuchertribüne sitzen, was wir jetzt hier tun: Wir werden also über die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/5077, 19/6420 – ich bitte um Aufmerksamkeit, damit alle wissen, worüber abgestimmt wird –, 19/6426 und 19/6424 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse abstimmen. Wenn Sie also mit dieser Überweisung einverstanden sind, kommen Sie, wenn ich die Abstimmung eröffne, durch die Tür, welche mit einem „Ja“ gekennzeichnet ist. Sollten Sie gegen diese Ausschussüberweisung votieren, kommen Sie durch die Tür, welche mit einem „Nein“ gekennzeichnet ist. Sollten Sie es nicht so genau wissen und sich enthalten wollen, kommen Sie durch die Tür, die mit dem Wort „Enthaltung“ gekennzeichnet ist. Die Schriftführerinnen und Schriftführer, die für den Fall einer solchen Abstimmung eingeteilt sind, werden beim Betreten des Saales an den Türen nicht nur Ihr Abstimmungsvotum feststellen, sondern gleichzeitig zählen, wie viele Abgeordnete den Saal betreten, und dann haben wir eine zweifelsfreie Feststellung, ob die Beschlussfähigkeit gegeben ist oder eben auch nicht. Ich hoffe, alle haben verstanden, was jetzt aufgerufen ist. ({2}) Dann bitte ich Sie, den Saal zu verlassen. Zur Erklärung für diejenigen, die neu auf der Besuchertribüne sind: Die Fraktion der AfD hat kurz vor der Abstimmung über die Ausschussüberweisung von Vorlagen zur Bildungs- und Hochschulpolitik die Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages angezweifelt. Da auch im Präsidium keine Einigkeit bestand, ob der Bundestag beschlussfähig ist oder nicht, verbinden wir entsprechend unseren Regeln die Abstimmung über die Ausschussüberweisung mit der Feststellung der Beschlussfähigkeit. Zu diesem Zwecke müssen bitte alle Abgeordneten, die noch im Saale sind, den Plenarsaal verlassen. Wenn dies geschehen ist und die Türen verschlossen sind, werde ich die Abstimmung über die Ausschussüberweisung und die Zählung der hereinkommenden Abgeordneten, die abstimmen, eröffnen. Das nennen wir traditionell „Hammelsprung“. Das heißt, wir werden dann feststellen, ob der Deutsche Bundestag beschlussfähig ist. Dazu müssten 355 Abgeordnete den Saal wieder betreten. Sollte dies nicht der Fall sein, dann hat auch die Ausschussüberweisung, selbst wenn alle Teilnehmenden durch die „Ja“-Tür kommen, nicht stattgefunden; das heißt, die Ausschüsse können sich dann in der nächsten Sitzungswoche nicht mit den Vorlagen, die wir heute hier behandelt haben, beschäftigen. Ich bitte nochmals die Abgeordneten, nachdem Sie all die Dinge, die Sie noch erledigen mussten, erledigt haben, nun auch den Saal zu verlassen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe großes Verständnis dafür, dass am letzten Sitzungstag des Jahres 2018 noch viele Dinge zu besprechen und zu erledigen sind. Ich bitte trotzdem, sich gedanklich damit zu befassen, dass wir nachher auch hier im Plenum noch ein paar Dinge zu erledigen haben, und deshalb jetzt die Voraussetzungen zu schaffen, dass wir mit der Ausschussüberweisung und gleichzeitigen Feststellung der Beschlussfähigkeit zeitnah beginnen können. Ich bitte um ein Zeichen, ob sichergestellt ist, dass alle Abgeordneten den Saal verlassen haben und die Schriftführerinnen und Schriftführer jeweils an ihrem Platz sind. – Das wird mir bestätigt. Dann erkläre ich jetzt noch einmal, worüber abgestimmt wird. Es geht um die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/5077, 19/6420, 19/6426 und 19/6424 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse. Wenn Sie damit einverstanden sind, kommen Sie durch die Tür, welche mit „Ja“ gekennzeichnet ist, wenn Sie dagegen sind, kommen Sie durch die Tür, welche mit „Nein“ gekennzeichnet ist, und sollten Sie sich enthalten wollen, benutzen Sie bitte die Tür, welche mit dem Wort „Enthaltung“ gekennzeichnet ist. Mit dem Betreten des Saales wird Ihr Abstimmungsverhalten festgestellt, gleichzeitig wird gezählt, wie viele Abgeordnete den Saal betreten, und auf diese Art und Weise festgestellt, ob der Deutsche Bundestag am Ende dieser Abstimmung beschlussfähig ist. Die Beschlussfähigkeit ist gegeben, wenn 355 Abgeordnete den Saal betreten und an dieser Abstimmung teilnehmen. Ich nehme an, dass sehr viele Kolleginnen und Kollegen mit Ja votieren wollen. Ich bitte also um gegenseitige Rücksichtnahme beim Betreten des Saals und eröffne die Abstimmung. Ich begrüße herzlich die neuen Besucherinnen und Besucher der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages; inzwischen hat es oben auf den Besuchertribünen einen Wechsel gegeben. ({3}) Ich erkläre Ihnen gern, was wir hier unten gerade tun. Wir hatten eine Debatte zu Anträgen der FDP, der Linken, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der AfD zum Thema „Wissenschaft, Nachwuchsförderung, Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft“ usw. Am Ende dieser Debatte ging es darum, diese Vorlagen der Fraktionen in die zuständigen Fachausschüsse zu überweisen. Just in dem Moment, in dem ich diesen Vorgang hier abschließen wollte, bezweifelte eine Fraktion hier im Haus, die Fraktion der AfD, die Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages. Da das Präsidium, welches aus der amtierenden Präsidentin und zwei Schriftführern, einmal aus einer Oppositionsfraktion und einmal aus einer Fraktion, welche die Regierung mitträgt, besteht, die Beschlussfähigkeit nicht eindeutig feststellen konnte, haben wir zur Abstimmung über die Ausschussüberweisung und zur Feststellung der Beschlussfähigkeit alle Abgeordneten gebeten, den Saal zu verlassen. Wir werden jetzt feststellen, inwieweit die Abgeordneten bereit sind, die Vorlagen in die in der Tagesordnung ausgewiesenen Ausschüsse zu überweisen – dann kommen sie durch die „Ja“-Tür –, oder ob sie dagegen sind – dann kommen sie durch die Tür, welche mit einem „Nein“ gekennzeichnet ist –, und sollten sie sich enthalten wollen, kommen sie durch die dritte Tür, welche mit „Enthaltung“ gekennzeichnet ist. Gleichzeitig wird gezählt, wie viele Abgeordnete den Saal betreten, und somit die Beschlussfähigkeit oder Beschlussunfähigkeit des Bundestages festgestellt. Beschlussfähig ist der Deutsche Bundestag, wenn 355 Abgeordnete in den Saal kommen. Dieser Vorgang wird noch einen Moment in Anspruch nehmen, da nach unserer Wahrnehmung bisher alle Abgeordneten, die den Saal wieder betreten haben, gleichzeitig mit Ja votiert haben. Das bringt – das können Sie dort oben nicht sehen – eine gewisse Drängelei an der Tür, welche mit „Ja“ gekennzeichnet ist, mit sich. Ich bitte um ein Zeichen, ob es noch Abgeordnete gibt, die sich in der Lobby des Reichstages aufhalten und sich noch gehindert sehen, den Raum zu betreten. – Ich kann nicht wahrnehmen, dass es noch Abgeordnete gibt, die sich gehindert sehen, den Saal zu betreten. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, das Ergebnis der Abstimmung über die Ausschussüberweisung festzustellen. Inwieweit der Deutsche Bundestag beschlussfähig ist, werden wir gleich feststellen. Schließen Sie bitte die Türen hinten im Saal. ({4}) Ich gebe Ihnen das Ergebnis der Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 414. ({5}) Darf ich – – ({6}) – Ich bitte, die Ordnung und die Aufmerksamkeit herzustellen. ({7}) – Ich bitte alle Abgeordneten, erst einmal die notwendige Aufmerksamkeit herzustellen. ({8}) Ich habe das Abstimmungsergebnis noch gar nicht vollständig bekannt gegeben. Also, der Vollständigkeit halber: Abgegeben wurden 414 Stimmen. Mit Ja haben 413 Abgeordnete gestimmt, und es gab eine Enthaltung. ({9}) – Mir sei eine persönliche Bemerkung erlaubt. Eine solche Begeisterung für eine Ausschussüberweisung habe ich in 20 Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag nicht erlebt. ({10}) Aber fürs Protokoll halten wir fest: Die Drucksachen 19/5077, 19/6420, 19/6426 und 19/6424 sind offensichtlich mit großer Begeisterung des gesamten Hauses überwiesen worden. ({11}) Damit fahren wir mit unseren Beratungen fort. ({12})

Oliver Wittke (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11004445

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn dieser wichtigen Debatte über das Thema Buchpreisbindung meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass dieses Hohe Haus gerade eindrucksvoll auch ohne Teilnahme der AfD seine Beschlussfähigkeit unter Beweis gestellt hat. ({0}) Das zeigt, dass es dieser Fraktion in diesem Deutschen Bundestag nicht bedarf. ({1}) Damit will ich aber zum eigentlichen Thema kommen. Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die gewaltigste. – Diese Worte von Heinrich Heine zeigen, wie ich finde, sehr eindrucksvoll, dass das Buch nicht irgendein Wirtschaftsgut ist, sondern dass das Buch ein Kulturgut ist, dass das Buch ein Teil unserer Identität ist. Auch wenn wir im Jahre 2017 in der Buchbranche einen Umsatz von 9,13 Milliarden Euro hatten, auch wenn im vergangenen Jahr 70 000 neue Titel in Deutschland erschienen sind, auch wenn es 6 000 Buchhandlungen gibt – Filialen und Buchverkaufsstellen, von der Kleinstadtbuchhandlung bis zum Buchkaufhaus, von der literarischen Buchhandlung bis zum hochspezialisierten Fachsortiment für Recht, Wirtschaft und Steuern –, dann bleibt es doch ein Faktum, dass ein Buch mehr als ein einfaches Wirtschaftsgut ist. Wenn ich gerade über die 6 000 Buchhandlungen gesprochen habe, will ich an dieser Stelle Altbundeskanzler Helmut Schmidt zitieren. ({2}) Helmut Schmidt hat einmal gesagt, dass diese 6 000 Buchhandlungen so etwas wie geistige Tankstellen in unserem Land sind. Recht hat er an dieser Stelle, meine Damen und Herren. ({3}) Deshalb ist es wichtig, dass wir den Buchhandel, dass wir Bücher in Deutschland fördern. Ich finde es gut, dass ein Wirtschaftspolitiker als erster Redner in dieser Debatte hier vorne stehen kann, um deutlich zu machen: Es geht uns nicht darum, nur über Euro und Cent, nur unter Wettbewerbsrecht, nur unter Monopolrecht hier eine Debatte zu führen, sondern es geht uns darum, hier ein Bekenntnis dazu abzulegen, dass dieses Land, dass dieser Staat eine Kulturnation ist, und die Literatur, die Bücher haben daran einen ganz wesentlichen Anteil. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, als am 10. Mai 1933 die Nationalsozialisten Bücher verbrannt haben – Bücher von Heinrich Mann, von Erich Kästner, von Erich Maria Remarque, von Kurt Tucholsky, von Carl von Ossietzky, von Heinrich Heine, von Carl Zuckmayer, von Thomas Mann und anderen –, ging es ihnen nicht darum, materielle Werte zu vernichten; es ging darum, eine Geisteshaltung zu vernichten, die Identität und das Gedächtnis unseres Staates auszulöschen. Das zeigt, welche immense Bedeutung das Buch für die Geschichte und für die Identität Deutschlands besitzt. ({4}) Darum sollten wir alles daransetzen, dass wir das Buch fördern, dass wir den Buchhandel aufrechterhalten, dass wir uns nicht damit abfinden, dass die Verkäufe von Büchern rückläufig waren. Im Jahre 2010 wurden in Deutschland noch 416 Millionen Bücher abgesetzt. Im Jahre 2016 waren es rund 50 Millionen weniger, nämlich nur noch 367 Millionen. Das ist eine bedauerliche Entwicklung. Ich finde, wir sollten dieser Entwicklung nicht Vorschub leisten, sondern uns mit allem, was in unseren Kräften steht, dagegen wenden. Das ist der Grund, warum wir – anders, als die Monopolkommission es empfohlen hat – keine Änderung des Buchpreisbindungsgesetzes wollen. ({5}) Wir haben als Bundeswirtschaftsministerium eine Studie in Auftrag gegeben, ganz aktuell, um die Auswirkung von Absatzförderprogrammen auf den Buchhandel erörtern zu lassen, untersuchen zu lassen, weil wir die mögliche Reaktion des Gesetzgebers auf ein solches Programm europarechtskonform umsetzen wollen. Das ist ein kleiner, aber, wie ich finde, ein wichtiger Beitrag, um Bücher in Deutschland, um Literatur, um den Buchhandel auch weiterhin zu stärken. Es gibt auch viele andere, außerhalb der Gesetzgebung liegende Vorhaben in Deutschland, wie das Lesen gefördert werden kann und wie das Buch gefördert werden kann. Ich erinnere beispielsweise daran, dass Jahr für Jahr bei Vorlesetagen viele Vorleser und Zuhörer für das Buch werben – in diesem Jahr 687 000. Viele Kolleginnen und Kollegen auch aus diesem Haus und auch aus den Reihen der Bundesregierung haben daran teilgenommen. Wir sollten auf diesem Weg fortfahren und unseren Beitrag dazu leisten, das Buch weiter zu stärken. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich habe meine Rede mit einem Zitat von Heinrich Heine begonnen. Lassen Sie mich enden mit einem Zitat von Hermann Hesse. Hermann Hesse hat einmal gesagt: Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seine Böden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken. Das gilt nicht nur für ein Haus; das gilt auch für unsere Gesellschaft. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Enrico Komning für die AfD-Fraktion. ({0})

Enrico Komning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004787, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Liebe Landsleute! Als Kritiker staatlicher Markteingriffe, wie die Buchpreisbindung einer ist, stehe ich solchen Maßnahmen grundsätzlich skeptisch gegenüber. In diesem Fall ist es jedoch sinnvoll. Der Büchermarkt ist weltweit in Schwierigkeiten. YouTube, Netflix, Spotify und nicht zuletzt das gute alte Fernsehen setzen den Büchern zu. Die Buchpreisbindung kann zwar die Buchbranche nicht vor dieser Konkurrenz schützen; die Freigabe der Preise allerdings erst recht nicht. Die Buchpreisbindung dient allein der Gewährleistung der bezahlten Vielfalt auf dem Büchermarkt. Ich halte die Buchpreisbindung auch ökonomisch für richtig. Es heißt, dass gebundene Buchpreise Händlerkartelle hervorriefen, während ein freier Preiswettbewerb zur Entstehung und Ausbreitung effizienter Handelsstrukturen und Vertriebskonzepte beitrage. In den USA, sozusagen dem Mekka der freien Marktwirtschaft, ohne Buchpreisbindung, verschwinden aber gerade auch die letzten Buchläden. Selbst die großen Ketten Borders oder Barnes & Noble sind pleite oder kurz davor. Bücher in Amerika werden fast nur noch über Amazon verkauft, jetzt sogar in eigenen Buchläden, hier aber natürlich nur die Bestseller; denn Nischenprodukte lohnen sich nicht. Das ist sogar ein Monopol und nicht nur ein Kartell. Richtig, das Buch ist ein Produkt mit relativ hohen Fix- und relativ niedrigen Grenzkosten; das bevorteilt auch bei Buchpreisbindung große Händler. Aber der regulierte Endverbraucherpreis führt auch dazu, dass kleine Buchhändler eben nicht so einfach aus dem Markt gedrängt werden können. In Deutschland werden nach wie vor die Hälfte aller Bücher im Sortimenthandel geführt. Es gibt in Deutschland circa 1 700 Verlage und 3 000 – auch viele kleine – Buchhändler; diese vertreiben jährlich 73 000 Neuerscheinungen. Zugegebenermaßen: Auch hier gehen die Zahlen herunter; aber von dieser Vielfalt können die USA nur träumen. ({0}) Eine Freigabe der Buchpreise würde zu einer rasanten Bereinigung dieser Zahlen führen – zum Schaden der Handelsware Buch; denn immer mehr Konsumenten würden sich abwenden. Ohne Buchpreisbindung gäbe es nur noch schnell geschriebene Bestseller; Hauptsache Auflage, Qualität spielt keine Rolle mehr. Die meisten Sachbücher würden sich nicht mehr rechnen. Ein immer größerer Kostendruck auf die Verlage, gerade auch im Wettbewerb mit den Eigenverlegern, ist die Folge. Man spart sich die Qualitätskontrollen durch Lektoren; das Niveau sinkt. Jungautoren hätten gar keine Chance mehr. Ich darf Samuel Clemens, den Sie alle als Mark Twain kennen, zitieren: Jener, der keine guten Bücher liest, hat keinen Vorteil gegenüber jenem, der gar nicht liest. – Das, meine Damen und Herren, können wir nicht wollen. ({1}) Außerdem ist das Buch eben keine handelbare Ware wie jede andere; das Buch ist ein Kulturgut, es ist vor allem auch ein deutsches Kulturgut. Das Buch – für jeden erschwinglich durch Johannes Gutenbergs revolutionäres Druckverfahren – begann in Mainz seinen weltweiten Siegeszug. Goethes Faust, Schillers Wilhelm Tell und Thomas Manns Buddenbrooks sind Meilensteine der Literatur. ({2}) Mein Heimatschriftsteller Fritz Reuter hat sich in seinen Schriften der Wiederbelebung der niederdeutschen Sprache als Literatursprache gewidmet. Die Bibelübersetzung Martin Luthers führte zur Reformation, zur Aufklärung, zu unserer nationalen Demokratiebewegung und letztlich zu unserer modernen Gesellschaft. Wir Deutsche tragen gegenüber dem Buch eine ganz besondere Verantwortung, die wir wahrnehmen sollten und keineswegs vorauseilendem Gehorsam eines Europäischen Gerichtshofs überlassen dürfen. ({3}) Meine Damen und Herren, bleiben wir ein Land der Dichter und Denker. Behalten wir die Buchpreisbindung bei. Wir werden dem Antrag zustimmen. Mir bleibt noch, allen frohe Weihnachten zu wünschen, und vielleicht ist bei den vielen Geschenken ja ein gutes Buch dabei. Vielen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Falko Mohrs für die SPD-Fraktion. ({0})

Falko Mohrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004824, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir diese Debatte hier noch führen können, und muss dann doch damit starten, dass ich von der Verlogenheit der AfD wirklich so was von angewidert bin. Sie haben eben Ihre Leute – zum Beispiel Herrn Dr. Jongen – unter Zeugen abgehalten, sich an dem Hammelsprung zu beteiligen ({0}) – das stimmt; Herr Dr. Jongen, stehen Sie auf, geben Sie zu Protokoll, wenn es nicht stimmt –, nur um dieses Haus vorzuführen. ({1}) Und ich bin froh, dass es Ihnen nicht gelungen ist, zu erreichen, dass dieses Hohe Haus Ihrer verlogenen Strategie zum Opfer gefallen ist; und das wird diese Demokratie auch niemals tun, meine Damen und Herren von der AfD. ({2}) – Bleiben Sie ganz ruhig, sonst frage ich Sie gleich einmal, ob in der Auflistung Ihres Kollegen Komning nicht vielleicht auch ein paar jüdisch-deutsche Autoren und wirklich erfolgreiche Schriftsteller gefehlt haben. Damit hätten Sie an dieser Stelle einmal zeigen können, dass Sie wirklich für Vielfalt stehen. ({3}) Mit dem Thema Buchpreisbindung behandeln wir heute für die Allermeisten in unserem Land ein praktisch relevantes Thema. Ob Buchhändler oder Verleger, Schriftsteller oder Leseratte, Bibliotheken oder Schulen, Rentner oder Kleinkinder: Bücher lesen und kaufen alle gerne. Auch wirtschaftlich ist der Bereich des Buchhandels von hoher Bedeutung. 2017 erwirtschafteten die Sortimentsbuchhandlungen in Deutschland 4,3 Milliarden Euro Umsatz und haben damit einen wesentlichen Beitrag zum Gesamtumsatz des deutschen Buchhandels von 9,1 Milliarden Euro beigetragen. Und es gibt in Deutschland noch immer 5 600 Buchhandlungen; allein in meinem Wahlkreis sind es mehr als 10. Das ist gut; diese Vielfalt brauchen wir. Es dürfen gerne noch mehr werden, und an dieser Stelle hat die Buchpreisbindung eine wichtige Funktion. ({4}) Dass es in Deutschland feste Preise für Bücher gibt, ist gut und richtig. Die Verlage sind laut Buchpreisbindungsgesetz verpflichtet, für jedes Buch einen festen Preis zu definieren, und jeder kommerzielle Händler muss sich an diesen Preis halten. Das Ganze hat übrigens eine lange Tradition. Seit 1888 existiert in Deutschland die Buchpreisbindung. Sie hat seit ihrer Geburt zwei Weltkriege, zwei Kartellrechtsreformen und die gegen sie gerichteten Verfahren der EU-Kommission rund um die Jahrtausendwende herum überdauert. Seit 2002 ist die Buchpreisbindung in Deutschland wieder gesetzlich verankert. Sie sehen also: Sie ist nicht nur wichtig; die Buchpreisbindung hat im deutschen Recht auch eine lange Tradition. Und: 2009 wurde die Buchpreisbindung endlich auch vom Europäischen Gerichtshof für zulässig erklärt; denn der Schutz der Bücher als Kulturgut rechtfertige die Eingriffe in den freien Handel – ich zitiere hier aus dem Urteil –: Bücher seien ein Kulturgut, dessen Schutz Eingriffe in den freien Handel rechtfertige. – 2016 wurde die Buchpreisbindung dann folgerichtig auf E-Books ausgeweitet. Doch nun stellt die Monopolkommission die Bedeutung der Buchpreisbindung infrage und möchte sie abschaffen. Aber – meine lieben Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren –: nicht mit uns. Liebe Monopolkommission, Sie argumentieren damit, dass das kulturelle Schutzziel „Kulturgut Buch“ gar nicht klar definiert sei. Das sehe ich erstens anders, und zweitens kommen Sie doch in Ihrem Bericht selbst zu der Erkenntnis, dass die Buchpreisbindung im Grundsatz einem anzuerkennenden kulturpolitischen Ziel dient und durchaus klar definiert werden kann. Wir müssen uns nur, wenn wir Fragen hinsichtlich der Bedeutung haben, umschauen und fragen, wie es in anderen Ländern – auch in Europa –, wo die Buchpreisbindung gefallen ist, um die Buchpreise und um die Vielfalt der Literatur bestellt ist. Und wenn wir das tun, dann stellen wir fest: Erstens. Die Buchpreise steigen im Durchschnitt. Zweitens. Der kleine inhabergeführte Buchhandel stirbt. Und drittens. Man muss viel mehr auf Bestseller setzen. Eine Verschlankung des eigenen Portfolios und das Setzen auf nur noch wirtschaftlich erfolgreiche Bücher führen aber zur Einschränkung der Literatur. Deswegen, meine Damen und Herren, ist deutlich: Die Buchpreisbindung ist wichtig, sie ist richtig. Wir werden sie in Deutschland brauchen, und wir werden sie in Deutschland behalten. Dafür dient dieser Antrag, den wir zusammen mit der CDU/CSU gestellt haben. ({5}) Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich über die Feiertage etwas Ruhe, etwas Muße; lesen Sie ein gutes Buch. Und, Frau von Storch, das darf ich Ihnen zum Ende hin nicht ersparen; ich habe eine Empfehlung für Sie. Es gibt ein Buch, welches zu verhindern Sie versucht haben, weil dort in einer Passage über Sie steht: Wird es doch einmal eng für sie wie im Streit um den Schießbefehl auf Frauen und Kinder an der Grenze, dann ist sie eben „mit der Maus abgerutscht“. Sie hatten keinen Erfolg damit, dieses Buch zu verhindern – zu Recht nicht. ({6}) Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir fahren in der Debatte fort. – Das Wort hat der Abgeordnete Hartmut Ebbing für die FDP-Fraktion. ({0}) – Das Wort hat der Abgeordnete Ebbing, und zwar ausschließlich.

Hartmut Ebbing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004706, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf der Tribüne! Bevor ich mit meiner Rede anfange, muss ich leider auch noch einen Satz zu dem sagen, was eben vorgefallen ist. Mir ist als Kind mitgegeben worden: Verhalte dich anderen gegenüber stets so, wie du selber behandelt werden möchtest. ({0}) Ich möchte Sie von der AfD fragen: ({1}) Möchten Sie so behandelt werden, wie Sie gerade eben das gesamte Parlament behandelt haben? Ich möchte einmal sehen, wie Sie sich dann verhalten. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich bitte jetzt dem Beitrag des Abgeordneten Ebbing zu folgen. Sollte es Fragen oder Bemerkungen geben und sollte er diese zulassen, dann haben wir dazu, wie das hier abläuft, ein verabredetes Verfahren. Und ich bitte darum, parallel zum Beitrag des Abgeordneten Ebbing keine Unterhaltungen zwischen den Fraktionen zu führen. Sollten Sie Bedarf haben, sich auszutauschen, haben wir auch dafür Räume. ({0}) So, Sie haben das Wort.

Hartmut Ebbing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004706, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ende Mai dieses Jahres hat sich die Monopolkommission unter dem Vorsitz von Präsident Achim Wambach für die Abschaffung der Buchpreisbindung ausgesprochen, wie wir alle wissen. Als angesehener Akademiker publiziert Professor ­Wambach selbstverständlich auch selber regelmäßig, zuletzt im September 2018. Die „FAZ“ nannte sein Werk mit dem Titel „Digitaler Wohlstand für alle“ ein „vorzügliches“ Buch. Auch im „Handelsblatt“ wurde es besprochen und sogar in die Shortlist für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis aufgenommen. Es gibt nur ein Problem: Trotz eines moderaten Preises von 28 Euro verkauft sich das Buch nicht gerade üppig. Auf Amazon belegt es gerade Platz 166 284. Selbst in der Kategorie Wirtschaft schafft das Buch gerade mal Platz 3 320. Sie ahnen sicherlich schon, worauf ich hinausmöchte. Das Buch mag inhaltlich hervorragend sein, hätte aber ohne die Buchpreisbindung wahrscheinlich niemals zu einem wettbewerbsfähigen Preis auf den deutschen Buchmarkt gefunden. Das war möglich, da die Buchpreisbindung den Verlagen eine gewisse unternehmerische Freiheit gestattet und es ihnen ermöglicht, die relativ hohen Gewinne durch den Verkauf von Bestsellern mit den anderen Büchern zu verrechnen. Dies trägt dann schlussendlich dazu bei, dass unser Buchhandel wirklich eine Vielfalt hat, die sich sehen lassen kann. Die Buchpreisbindung garantiert aber nicht nur eine gewisse literarische Bandbreite und sozialverträgliche Preise, sondern sie ermöglicht darüber hinaus auch das Überleben kleinerer Buchhandlungen, gerade auch im ländlichen Raum, im Wettbewerb mit Onlinehändlern wie zum Beispiel Amazon. Sie gewährleistet diesen kleinen, mittelständischen Unternehmen ein Mindestmaß an Freiheit, Unabhängigkeit und Rentabilität. Darüber hinaus sind diese Buchhandlungen auch essenziell für die Wahrung und Förderung der kulturellen Vielfalt im ländlichen Raum verantwortlich. ({0}) Schon jetzt fühlen sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger auf dem Land vom kulturellen Leben total abgehängt. Wenn wir die Buchpreisbindung aufheben würden, wie es die Monopolkommission vorschlägt, dann, meine ich, müsste ziemlich bald ein Verfahren gegen Amazon wegen einer marktbeherrschenden Stellung eingeleitet werden. Deshalb – ich sage es mit Worten aus der Digitalwelt –: Never change a running system. Vielen Dank, und Ihnen auch frohe Weihnachten. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Simone Barrientos für die Fraktion Die Linke. ({0})

Simone Barrientos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004660, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Für mich ist es fast wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, dass wir heute als Linke einem Antrag zustimmen können, der genau das Thema berührt, das mich vor meiner Zeit im Bundestag leidenschaftlich beschäftigt hat. Ich war nämlich in meinem vorhergehenden Beruf Verlegerin und habe unter anderem die Ehre gehabt, Werke von Franz Josef Degenhardt, jüdische Literatur von Irene Runge und das letzte, sehr persönliche, kleine Buch von Hermann Kant zu veröffentlichen. Da war es natürlich naheliegend, dass ich als Kulturpolitikerin für meine Fraktion das erste Fachgespräch für Verlegerinnen und Verleger, nämlich für die von unabhängigen Verlagen, organisiert und dazu am 18. Juni eingeladen habe. Wie besorgt die Branche ist, zeigte sich an der Beteiligung: Mehr als 60 Akteure sind meiner Einladung gefolgt, und es kamen auch – dafür bedanke ich mich – zwei Vertreter aus dem BKM und haben fleißig mitgeschrieben. Kurz zuvor, im Mai, hatte die von der Bundesregierung damit beauftragte Monopolkommission ihr Sondergutachten veröffentlicht. Ihre Empfehlung: Die Buchpreisbindung kann, nein, soll sogar weg. Die wesentliche Begründung: Die Buchpreisbindung stellt einen schwerwiegenden Markteingriff dar. – Ich dachte damals: Verdammt, jetzt geht es meinen Kolleginnen und Kollegen endgültig an den Kragen. – Die Branche kämpft nämlich schon lange und in den letzten Jahren zunehmend mit den Veränderungen. Viele Buchhandlungen mussten aufgeben, der Platz in Feuilletons schrumpft, die Digitalisierung sorgt für Rechtsunsicherheit, die Branche hat es schwer. Natürlich ist hier das VG-WORT-Urteil zu nennen, das aus der Sicht der schreibenden Zunft zwar unbedingt zu begrüßen ist, aber die verlegende Zunft hart getroffen hat. Nicht wenige unabhängige Verlage warfen das Handtuch, andere schafften es nur mit sehr viel Mühe und mit einem ohnehin vorhandenen Übermaß an Selbstausbeutung, diesen Schlag zu überleben. Immerhin führte das Urteil dazu, dass im BKM sehr ernsthaft über eine Förderung für Verlage nachgedacht wird. Der angekündigte Deutsche Verlagspreis – er soll im nächsten Jahr zum ersten Mal vergeben werden – ist ein erster guter Schritt, aber er kann nur ein Anfang sein. Britta Jürgs, die Vorsitzende der Kurt Wolff Stiftung und auch Verlegerin, erklärte in dem besagten Fachgespräch: Wir brauchen regelmäßige, dauerhafte, nachhaltige Förderung, um die Kultur der kleinen Verlage zu erhalten. Ich kann mich ihr da nur anschließen. ({0}) Allerdings teile ich nicht ihre Auffassung, dass es sich um kleine Verlage handelt. Es sind unabhängige große Verlage. Gregor Gysi ist ja auch nicht klein, sondern kurz. ({1}) – Ich kann Ihnen das erklären: Gregor Gysi ist ein großer Mann, der ein wenig kurz geraten ist. Unabhängige Verlage sind nicht klein, sondern groß, weil sie Großartiges leisten. Jetzt verstanden? ({2}) – Super. Es ist ja auch Freitag, ein bisschen spät. Ich verstehe das. ({3}) Wir haben uns natürlich auch im Kulturausschuss mit dem Gutachten befasst, und ich habe mit großer Erleichterung feststellen können, dass man da meine Einschätzung teilt, nämlich dass die Abschaffung der Buchpreisbindung nicht nur falsch wäre, sondern ein die Branche ernsthaft gefährdender Akt. Wer wie die Monopolkommission nur in der Marktlogik denkt und deshalb von einem schwerwiegenden Markteingriff spricht, der denkt nicht nur zu eng, sondern vor allem viel zu kurz. Denn die Buchpreisbindung ist es doch, die Marktvielfalt – auf die kommt es hier ganz besonders an – überhaupt ermöglicht. Durch die Buchpreisbindung liegt die Verhandlungsmacht bei den Verlagen, nicht bei den Grossisten. Nur so können es sich unabhängige Verlage überhaupt leisten, sich gerade den Titeln zu widmen, die wir so sehr brauchen. Ich bin sicher, darunter gibt es auch solche, die den Horizont der Verfasserinnen und Verfasser des Gutachtens deutlich erweitern könnten. In Deutschland existieren etwa 3 000 Verlage. Nur 20  Prozent davon vereinigen heute bereits 70 Prozent des Marktes auf sich. Unter den 80 Prozent der Verlage, die also 30 Prozent des Marktes mit Leben füllen, agieren genau die, die die Vielfalt gewährleisten. Mit der Einführung der Buchpreisbindung für E‑Books „setzt die Bundesregierung ein wichtiges Zeichen“, so Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Einig mit dem Börsenverein sind sich auch die großen Verbände der schreibenden Zunft, also der PEN und der VS – nicht zu verwechseln mit dem Verfassungsschutz –, der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller: Die Buchpreisbindung muss erhalten bleiben. ({4}) Es sind aber nicht nur die Verlage, die von der Buchpreisbindung profitieren. Es ist auch und gerade der unabhängige Buchhandel, der mindestens genauso schwer zu kämpfen hat. Auch hier wird mit einem hohen Maß an Idealismus gearbeitet und ums Überleben gekämpft – aus Idealismus, aber auch aus einem Verantwortungsgefühl für die Gesellschaft, gerade in diesen Zeiten der Fake News, in denen Aufklärung so sehr nottut, in denen man Vielfalt so sehr begrüßen muss. Wer also profitiert? Die Monopolkommission sagt, der Markt sei es nicht. Das finde ich gut. Es sind die, die Bücher schreiben, es sind die, die lektorieren, übersetzen, die Bücher in Form bringen, es sind die, die Bücher verlegen, die Bücher vertreiben, und natürlich ganz besonders die, die die Bücher dann lesen, daraus lernen, sich unterhalten lassen, ihren Horizont erweitern oder einfach glücklich in fremde Welten eintauchen. Es ist aber nicht so, dass die Buchpreisbindung lediglich hier in Deutschland erhalten bleiben muss. Lassen Sie uns gemeinsam mit Verbänden und Organisationen der Schriftstellerinnen und Schriftsteller, der Verlage und des Buchhandels versuchen, mit allen Akteuren der Branche eine europäische Bewegung für die Buchpreisbindung zu initiieren. Denn die negativen Folgen, die hier zu erwarten wären, sind andernorts schon Realität. Außer einer solchen europäischen Initiative braucht es aber vor allem die Gewissheit, dass zukünftige internationale Verträge die Regelung nicht verwässern oder gar schleifen werden. Deshalb sage ich auch hier und heute: Kultur gehört als Staatsziel ins Grundgesetz. ({5}) In diesem Sinne: Frohes Fest und einen guten Rutsch – oder, wie man bei uns in Franken sagt, einen guten Beschluss! ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Erhard Grundl für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Erhard Grundl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004733, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Monopolkommission ist auf dem Holzweg. Sie erkennt zwar einerseits die Schutzwürdigkeit des Kulturguts Buch an; gleichzeitig sieht sie aber auch das Buch als Ware, als ob es eine Wurstsemmel oder eine Veggie-Wurst-Semmel wäre. ({0}) Die Kommission folgt den einseitigen Ansichten der Marktmonopolisten, die stets anführen, dass die Buchpreisbindung ein schwerwiegender Markteingriff sei, und sie behauptet schließlich, der Markt würde es auch ohne die Buchpreisbindung schon richten, ohne Buchpreisbindung würden Bücher preiswerter. Das ist, um es gelinde zu sagen, eine sehr eindimensionale Betrachtungsweise, die wir nicht teilen. ({1}) Für wenige Bestseller mag das gelten. Für andere, besondere Bücher, für Sachbücher, für Klassiker, für alles, was experimentell ist, und damit für die gesamte Breite des Angebots des Buchmarkts gilt das definitiv nicht. Es würde deutlich teurer werden. Viele Bücher würden komplett aus dem Angebot verschwinden bzw. erst gar nicht verlegt werden. Studien belegen ganz klar: In Ländern ohne Buchpreisbindung sind die Buchpreise deutlich höher. Es gibt in den Ländern ohne Buchpreisbindung weniger Buchverlage und weniger Buchhandlungen, das heißt weniger Vielfalt. Wenn ich mit meinen amerikanischen Verwandten in Deutschland in eine Buchhandlung gehe, dann sind sie erstaunt über die Möglichkeiten, die der Bestellservice der kleinsten Buchhandlung bietet. Es ist für uns selbstverständlich, dass wir eine Erzählung von Tucholsky, das erste Buch von Viv Albertine oder einen Lyrikband von Emily Dickinson in der Buchhandlung bestellen und am nächsten Tag abholen können, und es kann uns auch zugeschickt werden. Das alles ist in den USA und auch in England völlig undenkbar. Da wartet man sehr, sehr lange, bis die Buchhandlung das jeweilige Buch an den Start bringt. Obwohl die genannten Bücher im Gegensatz zu den 73 000 Neuerscheinungen, von denen heute schon öfter die Rede war, keine Neuheiten sind, ist das, finde ich, eine große Errungenschaft. Es geht auf die Backlist zurück, die es in Deutschland gibt. Diese Backlist, die mit 1 Million Büchern ausgestattet ist, fußt letztendlich auf der Buchpreisbindung im deutschen Buchhandel. ({2}) Diese Backlist ist Ausdruck einer vitalen Struktur am Buchmarkt, und die gilt es zu erhalten. Seit 2002 gibt es das Gesetz, das den Ladenpreis für alle festsetzt. Zugleich sorgt dieses Gesetz dafür, dass wir neben den großen Buchhandlungsketten überall im Land viele kleine Sortimentsbuchhandlungen haben. Rund 5 000 wirkliche Buchhandlungen gibt es in Deutschland. Sie veranstalten Autorenlesungen und bieten Raum zum Schmökern, gerade für Kinder. Denn die Kinder in Deutschland lesen tatsächlich. 2017 stellte die Literatur für den Nachwuchs über 12 Prozent aller Erstauflagen dar. In diesen Buchhandlungen wird vor allem auch beraten. Lassen Sie mich dies persönlich anmerken: Jeder Amazon-Algorithmus ist armselig gegen die Tipps und Empfehlungen einer engagierten Buchhändlerin oder eines engagierten Buchhändlers. ({3}) Buchhandlungen sind Kulturorte, die das Lesen spannend machen und fördern. An die oft schwierige Situation, in der sich die unabhängigen Buchhandlungen in den deutschen Städten und Großstädten befinden, muss nach unserer Meinung das Gewerbemietrecht angepasst werden. Das ist zwar ein Aspekt, der nicht von der Buchpreisbindung abhängt, aber er ist wichtig. Denn es ist nicht akzeptabel, wenn als Erstes die kleinen Buchhandlungen aus dem Kiez verschwinden. ({4}) Wir brauchen nicht mehr Bücher im Supermarkt oder beim Discounter, wir brauchen vor allem eine lebendige Landschaft von unabhängigen Händlern, die ihr Herzblut in ihren Beruf legen. ({5}) Gerade im ländlichen Raum sind sie ein entscheidender Teil unserer kulturellen Infrastruktur. Sie stehen für Vielfalt und Teilhabe. Ich kenne Buchhandlungen vom Emsland bis zum Bayerischen Wald. Das trifft auf alle Menschen zu, die dort tagtäglich ihre Arbeit verrichten und ihr Herzblut da hineingeben, damit in Deutschland der Buchhandel genau so funktioniert, wie er heute ist. Ich finde das gut. ({6}) Ich habe das Beispiel USA und England angeführt. Dort sterben die unabhängigen Buchhändler. Es gibt eine Marktkonzentration, die so weit geht, dass der amerikanische Autor James Patterson, der selbst einer Schreibfabrik vorsteht, die erfolgreich massenhaft Bücher produziert, im letzten Jahr 1 Million Dollar für in Not geratene Buchhandlungen in den USA gestiftet hat. Die Zukunft der amerikanischen Literatur will selbst er nicht den Monopolisten überlassen. Garant für Vielfalt und Qualität ist auch die Arbeit der Verlage. Susan Hawthorne weist in ihrem Buch „Bibliodiversität“ darauf hin, dass globale Verlage sich nicht für das Neue und Ungewöhnliche entscheiden, sondern stets Bekanntes reproduzieren, das sich nur auf das konzentriert, was sich gut verkauft. So entsteht ein sich selbst befeuernder Mainstream, der letztlich nur für eines sorgt: für Eintönigkeit. Das wollen wir doch alle nicht. ({7}) Die Einrichtung des Buchhandlungspreises und die Ankündigung von Frau Grütters, 2019 einen Verlagspreis einzuführen, begrüße ich. Wenn dieser Preis die Vielfalt im Buchmarkt ins Zentrum setzen möchte, ist es unerlässlich, dass dabei auch die Frauenförderung stärker in den Fokus genommen wird. Denn noch immer werden Bücher im Wesentlichen von Männern verlegt. ({8}) Tatsache ist: Wir brauchen eine gestärkte Buchpreisbindung. Der Onlinemonopolist praktiziert durch sogenannte Affiliate-Programme gerade ein Umgehen der Preisbindung. Das ist für den Buchhandel problematisch. Es ist gut, dass die Bundesregierung jetzt eine Studie in Auftrag gegeben hat, um die Auswirkungen dieses internetgestützten Vertriebs auf den deutschen Buchhandel zu prüfen und unter Umständen die Buchpreisbindung anzupassen. Das ist gut, aber es kommt eigentlich zu spät. Die Frage ist: Warum erst jetzt? Wenn wir – wie Sie, Frau Grütters, richtig sagen – eines unserer wertvollsten Kulturgüter, nämlich die literarische Vielfalt, stärken wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Buchpreisbindung nicht ausgehöhlt wird. Meine Fraktion setzt sich dafür ein, unsere vielfältige Literaturlandschaft und vor allem junge, kreative Autorinnen und Autoren zu stärken. Wir wollen gute Bedingungen für kleine Verlage. Wir wollen Vielfalt ermöglichen und viele daran teilhaben lassen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Grundl, achten Sie bitte auf die Redezeit.

Erhard Grundl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004733, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Schließlich gibt es laut Kurt Tucholsky nur sehr wenige Situationen, in denen man keine Bücher lesen kann, könnte oder sollte. Dem Antrag der CDU/CSU und SPD stimmen wir gerne zu.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich bitte Sie, einen Punkt zu setzen.

Erhard Grundl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004733, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten. Gehen Sie in die Buchhandlungen, und schenken Sie Bücher! Danke. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ein kleiner Hinweis für die nachfolgenden Reden: Es ist ja nachvollziehbar, dass Sie uns Ihre Wünsche für den Jahreswechsel mitgeben wollen. Versuchen Sie das bitte in der verabredeten Redezeit zu erledigen! – Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Heider für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Matthias Heider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004051, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, es ist Frankfurter Buchmesse, und keiner geht hin. Im vergangenen Jahr haben nur 54 Prozent aller Haushalte in Deutschland ein Buch gekauft, also jeder zweite Haushalt. ({0}) Vor zehn Jahren waren es noch 65 Prozent. Ist es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, dass wir auch in dieser Legislaturperiode wieder über die Buchpreisbindung diskutieren? Ich finde, es ist ein gutes Zeichen. Denn die Debatte zeigt, wie wichtig uns das Kulturgut Buch ist und wie wichtig uns auf der anderen Seite auch ein gesunder Wettbewerb ist. Deshalb ist es im Grunde genommen ein schöner Impuls, den die Monopolkommission gegeben hat. Denn diese Herausforderung gibt uns die Gelegenheit, wieder zu erklären, warum wir uns bei einem kleinen wettbewerbspolitischen Thema so verhalten. Die Hälfte der Bücher, die 2017 verkauft worden sind, sind über den Buchhandel verkauft worden, aber schon 16,8 Prozent sind über das Internet verkauft worden. Noch gibt es den Buchhandel in Deutschland, mit circa 6 000 Buchhandlungen und über 30 000 Menschen, die im Buchhandel beschäftigt sind. Verfehlt wäre es, die Arbeit der Monopolkommission als einen Angriff auf den Erhalt des Kulturgutes Buch zu werten, den es jetzt etwa abzuwehren gilt. Nein, die Monopolkommission – das haben wir auch in unserem Antrag hervorgehoben – erkennt durchaus, dass es ein kulturpolitisches Ziel bei der Buchpreisbindung gibt: den Schutz des Buches. Es ist sogar ausgewiesenes Ziel des kürzlich vorgelegten Gutachtens der Kommission, die Diskussion um künftige Maßnahmen zum Schutz des Kulturgutes Buch zu befeuern. Wenn sie das gesetzliche Konstrukt der Buchpreisbindung aus rein wettbewerblichen und ökonomischen Erkenntnissen als den richtigen Weg zum Schutz des Kulturgutes Buch anzweifelt, ist das ihr gutes Recht, ja es ist sogar die ordnungspolitische Pflicht der Monopolkommission, das zu tun. Sie stärkt hierdurch die Grundsätze, die wir uns für die Wahrung eines florierenden Wettbewerbs gegeben haben. Aber, meine Damen und Herren, es ist Aufgabe der Politik und damit unsere Aufgabe, Wertungsentscheidungen zu treffen, und das rechtfertigt wettbewerblich eine besondere Behandlung des Kulturgutes Buch. Dazu wollen wir aus der Koalition mit unserem heutigen Antrag beitragen. ({1}) Die Monopolkommission vertritt die Auffassung, nur ein freier Wettbewerb trage zur Entstehung und Ausbreitung effizienter Handelsstrukturen und Vertriebskonzepte bei. Meine Damen und Herren, die Monopolkommission gibt zu bedenken, dass nach ihrer Auffassung kein klarer Zusammenhang zwischen Buchpreisbindung und Preissenkungseffekten, Bevorratung und Titelvielfalt bestehe. Es ist unsere Aufgabe, das nachzuweisen. Wenn schon wieder davon gesprochen worden ist, dass man beim Europäischen Gerichtshof mit der Arzneimittelpreisbindung anders umgegangen ist, dann verweise ich nur auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu den deutschen Fernsehgebühren, das in dieser Woche getroffen worden ist. Auch das ist ein Sondertatbestand, den wir hier in Deutschland geregelt haben. Wir haben deshalb guten Grund, auch an den Sonderregelungen für Bücher festzuhalten. ({2}) Meine Damen und Herren, dass sich ein ganz freier Wettbewerb nicht unbedingt nur positiv auf den Büchermarkt auswirkt, zeigt ein Blick auf das Heimatland der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren: Schweden. In Schweden führt diese Maßnahme zu einem deutlichen Rückgang von Neuerscheinungen im Buchmarkt. Die Buchvielfalt muss dort gewissermaßen durch die Einführung eines staatlichen Subventionssystems für die Kultur gerettet werden. Hierzulande ist das Verlagswesen eine der wenigen Ausnahmen in der Kulturlandschaft, für die es keine Subventionierung gibt. Meine Damen und Herren, wir sollten uns dafür einsetzen, dass das auch so bleibt. ({3}) Buchhändler wären, wenn wir es anders machen würden, dem freien Wettbewerb ausgesetzt. Sie würden sich vermutlich stark an der Nachfrage ihrer Kunden orientieren müssen. Absatzfördernd wäre das also nur in einem Sortiment für Kassenschlager – und das sind die Bücher, die eben keine Titelvielfalt in den Regalen zulassen –, weil der Interessentenkreis für bestimmte Bücher sehr eingeschränkt ist. Aber auch diese Meinungen wollen wir hören und wollen wir in der Kultur gerne zur Geltung kommen lassen. Um es kurz zu machen: Die Landschaft an Büchern und Buchläden wäre eintöniger. Es gäbe weniger Autoren, es gäbe weniger Meinungen und Ansichten auf dem Markt. Dabei ist gerade die Vielfalt der Bücher das, was das Kulturgut Buch ausmacht. Sie unterscheiden sich damit auch von einer herkömmlichen Handelsware. Die Verschiedenheit der Bücher ist Ausdruck einer bunten Meinungsvielfalt und der Kreativität der Menschen, die ihren Geist in diese Bücher stecken, um Vielfalt zu fördern. Und auch zum Bedienen kleiner Interessentenkreise bedarf es eines Systems, das sich eben nicht ausschließlich nach Angebot und Nachfrage richtet. Meine Damen und Herren, deshalb müssen wir dafür sorgen, dass es sich für Autoren lohnt, sich an kleine Leserkreise zu richten. Wir müssen dafür sorgen, dass es sich für Verleger lohnt, unbekannte Autoren zu fördern. Wir müssen dafür sorgen, dass es sich für Buchhändler lohnt, ein breites Angebot in ihrem Geschäft zur Verfügung zu stellen. Und schließlich müssen wir dafür sorgen, dass es sich für die Kunden auch lohnt, in die Buchhandlung zu gehen, statt im Internet zu bestellen. Für all dies ist die Buchpreisbindung das richtige Instrument. Sie ist der Weg zum Erhalt des Kulturgutes Buch. Dafür setzen wir uns als Union, als Koalition ein. Meine Damen und Herren, wir werden uns die vielen Bemerkungen, die heute im Parlament gemacht worden sind, sehr genau im Protokoll ansehen. Denn mit Goethe kann ich Ihnen sagen: „Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“ Wenn Sie zum Jahresende eine Empfehlung für ein Buch brauchen, dann lege ich Ihnen nahe: Gucken Sie in die „Frohe Botschaft“. Die Zuversicht und das Vertrauen, die aus diesem Buch sprechen, sind auch das, was die Demokratie beschützen wird. Dafür werden wir uns einsetzen. Herzlichen Dank, und Ihnen ein schönes Weihnachtsfest. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Matthias Heider. – Einen schönen Mittag, kann man, glaube ich, sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, von mir an Sie. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Marc Jongen für die AfD-Fraktion. ({0})

Dr. Marc Jongen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004768, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Fast hätte ich schon „liebe Freunde“ gesagt; ({0}) denn dass die Regierungsfraktionen und selbst Grüne und Linke wie auch die FDP mit der AfD Seit an Seit einen Anschlag auf die Kultur in Deutschland zu verhindern helfen, ist schon ein ganz besonderes Ereignis. So viel Harmonie muss mit dem nahenden Weihnachtsfest zu tun haben; ich weiß es nicht. Vielleicht können Sie jetzt aber zumindest ein bisschen nachempfinden, wie es uns regelmäßig geht, ({1}) wenn wir mit anderen Schaden bringenden Initiativen der EU oder sonst woher konfrontiert sind. ({2}) Völlig zu Recht kritisiert der Antrag der Regierung zum Kulturgut Buch die rein ökomische Betrachtungsweise der Monopolkommission, die den identitätsstiftenden Aspekt des Buches und damit auch der Literatur weitgehend ausblendet. Warum auch die AfD gegen die Aufhebung der Buchpreisbindung ist, hat mein Kollege Enrico Komning ausführlich dargelegt. Mein Part hier ist es, den Finger in eine Wunde zu legen und die Harmonie dann doch zu beenden. Sie nennen nämlich in Ihrem Antrag die Buchpreisbindung ein „zentrales Instrument zur Sicherung des Bestands der kulturellen Vielfalt im Buchwesen“. Ich will kurz rekapitulieren, wie es mittlerweile mit der kulturellen Vielfalt im Buchwesen in Deutschland bestellt ist. Bereits 2014 strich der Onlinebuchhändler Amazon etliche Titel des Antaios Verlages des engagierten rechtskonservativen Verlegers Götz Kubitschek ({3}) aus dem Sortiment, weil sie seiner Meinung nach politisch unkorrekt waren. ({4}) Auf der Frankfurter Buchmesse 2017 demonstrierten leitende Personen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels vor dem Antaios-Messestand. Sie verhinderten nicht ({5}) – Frau Barrientos, ja, da können Sie lachen –, dass der Stand zweimal über Nacht verwüstet wurde. Lesungen konnten wegen Störaktionen Ihrer Freunde dort nicht stattfinden. ({6}) 2018 dann die Verbannung sogenannter rechter Verlage in ein totes Eck der Messehalle; eine klare Repression gegen Andersdenkende. ({7}) Susanne Dagen, Buchhändlerin aus Dresden, die gegen diese Zustände in einem offenen Brief an den Börsenverein protestierte, wurde boykottiert und ausgegrenzt. Eine „Spiegel“-Kolumnistin sagt eine Lesung in einer Buchhandlung ab, weil dort rechte Bücher stehen. ({8}) Ein Buch des hellsichtigen Zeitdiagnostikers Rolf Peter Sieferle, das ganz oben auf der „Spiegel“-Bestsellerliste stand, verschwindet plötzlich von einer Woche auf die andere von selbiger, weil es nicht ins linksliberale Weltbild passt. ({9}) Bücher werden in Deutschland zwar noch nicht verbrannt, aber sie werden verbannt; und das ist einer Kulturnation unwürdig. ({10}) Das sind Regime, die sich so verhalten, die wir zu Recht verurteilen. Wenn es Ihnen wirklich ernst ist mit der kulturellen Vielfalt im Buchwesen, dann verurteilen Sie diese Zustände konsequent. Sorgen Sie für ein gesellschaftliches Klima, das verhindert, dass so was wieder vorkommt! ({11}) Solange das nicht geschieht, müssen wir Ihre edlen Bekenntnisse zur Vielfalt als Heuchelei werten. Nichts anderes sind sie. Danke. ({12}) – Lügnerin.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vorsicht mit der Wortwahl, sehr geehrter Herr Dr. Marc Jongen. – Nächster Redner: Martin Rabanus für die SPD-Fraktion. ({0})

Martin Rabanus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004381, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer auf den Tribünen! Das war schon wieder mal ein denkwürdiger Auftritt von dem Kollegen Jongen, ({0}) der ein ganz merkwürdiges Weltbild, ein ganz merkwürdiges Gesellschaftsbild im Kopf hat. ({1}) Wir reden hier über ein Instrument, nämlich die Buchpreisbindung, die – ich mag das ja beklagen – auch den von Ihnen gemochten Verlagen nutzt. Es ist ja nicht so, dass wir in irgendeiner Weise eine Gesellschaft hätten, die ausgrenzt, ({2}) eine Gesellschaft, die es nicht aushalten würde, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt. Das ist alles überhaupt nicht der Fall. ({3}) Deswegen ist es mir wirklich unerklärlich. Ich habe immer den Eindruck, Sie sind die großen Wortführer, aber in Wirklichkeit sind Sie kleine Heulsusen, die Angst haben, zu kurz zu kommen. ({4}) Außerdem wäre es vielleicht doch besser gewesen, Sie wären aus dem Saal geblieben; das hätte der Debatte jedenfalls nicht geschadet. ({5}) Tatsächlich bin ich aber froh, dass wir als Koalition diesen Antrag eingebracht haben; denn er stellt etwas klar. Natürlich hat die Botschaft im Mai irritiert: Die Monopolkommission – das ist eine Kommission, die durchaus wahrgenommen wird – ({6}) geht mal wieder gegen die Buchpreisbindung vor. – Das hat sie 2000 vor dem Inkrafttreten des aktuellen Buchpreisbindungsgesetzes schon mal gemacht. Deswegen ist es gut, dass wir hier im Deutschen Bundestag klarstellen – übrigens fraktionsübergreifend klarstellen; das ist in der Deutlichkeit selten der Fall –, dass der Vorschlag der Monopolkommission ein Holzweg ist. Wir wollen eben nicht, dass das Kulturgut Buch nur als Wirtschaftsgut Buch gesehen wird, das dem freien Spiel der Kräfte zu unterwerfen ist. Nein, wir wollen das Kulturgut Buch in der unterschiedlichen Bedeutung für Bildung, für unsere Kulturnation, für die Identifizierung mit dem, was über das Buch transportiert wird, schützen, und wir wollen das bewahren. ({7}) Ich bin froh, dass wir diesen Antrag gemacht haben, um klarzustellen, dass wir das ernst meinen. Das hat Herr Staatssekretär Wittke für die Bundesregierung auch gemacht. Es ist ein wichtiges Signal, dass auch die Bundesregierung die Buchpreisbindung eindeutig und unzweideutig stützt. ({8}) Das Buchpreisbindungsgesetz gibt es – ich habe es gerade gesagt – seit 2002. Es ist höchstrichterlich bestätigt. Seit 2016 gilt die Buchpreisbindung für E‑Books gleichermaßen. Mir ist noch der Hinweis auf die Affiliate-Programme – dazu hat Kollege Grundl, glaube ich, schon etwas gesagt – wichtig. Natürlich wird versucht, die Buchpreisbindung ein Stück weit über Rabattsysteme auszuhebeln. Ich bin froh, dass das jetzt durch die Studie, die die Bundesregierung in Auftrag gegeben hat, profund untersucht wird. Wenn sich daraus ergeben sollte, dass im Buchpreisbindungsgesetz zusätzliche Regelungen nötig sind, dann ist es, denke ich, hoffentlich eine Selbstverständlichkeit, dass wir diese wieder gemeinsam, im Konsens in diesem Hause umsetzen. ({9}) In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf auch ich mich an dieser Stelle bei Ihnen für dieses Jahr verabschieden. Ich wünsche Ihnen eine wunderschöne Weihnachtszeit. Kommen Sie alle gesund und munter in das Jahr 2019! Herzlichen Dank. ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen herzlichen Dank, Martin Rabanus, auch für Ihre Wünsche. – Nächster Redner für die FDP-Fraktion: Reinhard Houben. ({0})

Reinhard Houben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Gedanken doch noch einmal aufgreifen. Zum Teil waren die Debatte und die Argumente, so wie sie vorgetragen worden sind, durchaus erwartbar. Ich möchte aber schon zu bedenken geben: Die Monopolkommission hat eine bestimmte Aufgabe. Diese Aufgabe besteht darin, festzustellen, ob marktgerechte oder marktunübliche Verfahren durchgeführt werden. Ordnungspolitisch ist die Buchpreisbindung ein Sündenfall. Darum sollte man nicht herumreden. Man kann jedoch darüber diskutieren, ob man in einem Einzelfall sagt: Okay, wir verlassen eine ordnungspolitische Linie aus bestimmten Gründen. Es sind einige Argumente angeführt worden, die etwas merkwürdig waren. Erstens. Buchpreisbindung, Herr Jongen, bedeutet nicht, dass man einem freien Buchhändler vorschreiben kann, welche Bücher er führt. Das wollen wir doch bitte mal festhalten. ({0}) Sie können sich hier doch nicht beschweren, dass ein Buchhändler einen bestimmten Autor nicht mehr vertreiben will. Das ist die ökonomische Entscheidung eines Unternehmers. Wollen Sie diese angreifen? Wollen Sie einen VEB-AfD-Buchhandel, wo Sie entscheiden und festlegen, welche Bücher verkauft werden und welche nicht? Das finde ich schon ein bisschen merkwürdig, Herr Jongen. ({1}) Zweitens. Es wird zwar über die Vielfalt der Bücher gesprochen. Aber machen wir uns nichts vor: Welche Autoren können in Deutschland vom Buch denn wirklich leben? Die Vielfalt der Bücher erreichen wir vor allen Dingen dadurch, dass Menschen aus Interesse, aus Liebe zu einem bestimmten Thema ein Buch schreiben. Der ökonomische Erfolg ist häufig sehr überschaubar. Viele Autoren brauchen im Grunde einen anderen Broterwerb, um literarisch tätig zu sein. Es gibt wahrscheinlich in Deutschland weniger als 1 000 Autoren, die wirklich vom Verkauf ihrer Bücher leben können. Deswegen sollte man das auch in einen etwas vernünftigeren Rahmen bringen. ({2}) Sie, Frau Barrientos, haben die Buchpreisbindung sehr gelobt. Im Konflikt zwischen dem Verleger und dem Großhandel bzw. einer Plattform wie Amazon geht es ja nicht um Euro, sondern um Prozentmargen. Das ist ökonomisch schon ein ganz entscheidender Unterschied, weil es darum geht, die Marge zu optimieren. Dabei ist es erst einmal vollkommen egal, wie hoch der Preis eines Produktes ist. Auch das sollte man in einer solchen Diskussion nicht vermischen. Es ist uns gesagt worden, dass die Koalition durch das Festhalten an der Buchpreisbindung das Buch nun über Jahre und Jahrzehnte als Kulturgut weiter sichern wird. Meine Damen und Herren, ich wäre da sehr vorsichtig; denn es stellt sich die Frage – Herr Dr. Heider hat es erwähnt –: Wird die EU entsprechend reagieren, wenn zum Beispiel deutschsprachige Bücher aus dem EU-Ausland nach Deutschland exportiert werden? Passiert uns dabei etwas Ähnliches wie bei den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln? Ich weiß es nicht. Es ist zumindest eine Gefahr. Die Produktion und der Vertrieb von Büchern im und aus dem EU-Ausland – das strebt Amazon an – könnten dann eine Gefahr für das gedruckte oder elektronische Buch aus Deutschland sein. Deswegen bin ich mir nicht sicher, ob die Buchpreisbindung das Kulturgut Buch noch lange schützen kann. Solange das jedoch so ist, werden wir als FDP die Buchpreisbindung stützen. Wir müssten aber eigentlich vorausschauender diskutieren und andere Möglichkeiten prüfen und klären, inwieweit wir dieses Kulturgut schützen können. Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und alles Gute. ({3})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Reinhard Houben. – Nächster Redner: Ansgar Heveling für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ansgar Heveling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004056, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In meiner rheinischen Heimat gilt: Alles, was man zweimal macht, ist Tradition, ab dem dritten Mal ist es Brauchtum. Die Monopolkommission bewegt sich beim Thema Buchpreisbindung noch im Bereich der Tradition. Sie hat bereits im Jahr 2000 ein Gutachten zur Buchpreisbindung vorgestellt und auch damals gegen die Buchpreisbindung gesprochen. Sie hat das nun 2018 wiederholt. Ich bin mir sicher, die Monopolkommission befindet sich auf dem Weg zum Brauchtum und wird wahrscheinlich auch noch ein drittes Mal wider die Buchpreisbindung sprechen. Es gibt sie aber trotzdem noch, und ich denke, es wird sie auch weiter geben. Seit 120 Jahren ist die Buchpreisbindung die Konstante, unter der sich der deutsche Buchmarkt entwickelt hat. Damals führte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels erstmals feste Buchpreise für seine Mitglieder ein. Gesetzlich haben wir das dann 2002 im Buchpreisbindungsgesetz verankert. Unter dem Strich dürfen wir wohl festhalten: Alles in allem geht es dem deutschen Buchmarkt qualitativ und quantitativ vergleichsweise gut. Der deutschsprachige Buchmarkt bietet den Leserinnen und Lesern eine besonders vielfältige Auswahl. Ebenso attraktiv ist er für diejenigen, die Bücher schreiben, lektorieren, verlegen und verkaufen. Er ist der zweitgrößte Buchmarkt der Welt. Die Monopolkommission kommt nun in ihrem Gutachten vom Mai dieses Jahres zu dem Schluss, dass das Kulturgut Buch im Sinne des allgemeinen Interesses zwar schützenswert sei. Dennoch sollte die Buchpreisbindung abgeschafft werden, weil es sich um einen „schwerwiegenden Markteingriff“ handele und es keine objektiven Belege für ihren kulturpolitischen Mehrwert gebe. Ob und wie die Buchpreisbindung das Kulturgut Buch schütze, sei unklar, so die Monopolkommission. Der Erfinder der Buchpreisbindung, Adolf Kröner, hat mit großer Überzeugung für die Einführung der Buchpreisbindung gestritten. Auch wenn er seine Überzeugung schon 1878 auf der Weimarer Konferenz zur Beratung buchhändlerischer Reformen vorgetragen hat, teile ich sie noch heute. Er hat gesagt, dass Bücher keine Ware sind wie jede andere. Das ist eine wichtige Prämisse, die aber im Gutachten der Monopolkommission zu kurz kommt. Die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen hält fest, dass Kulturgütern ein Doppelcharakter innewohnt und sie daher mit normaler Handelsware nicht gleichzusetzen seien. Dieser Gedanke findet sich im Übrigen auch in unserem deutschen Urheberrecht, das ja eng mit dem Buchwesen verknüpft ist, wieder. Unsere deutsche Rechtstradition geht von einer doppelten grundrechtlichen Verankerung aus: sowohl in Artikel 14 des Grundgesetzes, dem Eigentumsrecht, als auch in Artikel 2 des Grundgesetzes, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Wir haben über das Urheberrecht also mittelbar eine klare grundrechtliche Verankerung, die belegt, dass es sich beim Kulturgut Buch eben nicht nur um ein Wirtschaftsgut handelt. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat schon richtig gelegen, als sie feststellte, dass die literarische Vielfalt eines unserer wertvollsten Kulturgüter ist, die mit allen Mitteln geschützt werden müsse. Dem schließe ich mich gerne an. Die Autorin Susan Sontag schreibt: „Sie sind eine Art und Weise, ganz und gar Mensch zu sein.“ Was macht nun einen gut funktionierenden Markt für Bücher aus? Ein Buchmarkt mit einem zahlenmäßig überschaubaren, aber dafür möglichst preisgünstigen Angebot an Büchern, das ist nicht das Ziel unserer Kulturpolitik. Ein gut funktionierender Buchmarkt zeichnet sich durch Vielfalt und Verfügbarkeit der Werke aus. Im Gegensatz zu vielen anderen Feldern der Kulturpolitik existiert ein realer Markt für Bücher. Das Buchgeschäft ist für viele durchaus ein auskömmliches Geschäft und muss eben nicht massiv mit staatlichem Geld unterstützt werden. Diese guten Marktbedingungen sind nicht zuletzt der Buchpreisbindung geschuldet. So schützt erstens die Buchpreisbindung ein flächendeckendes Netz von Buchhandlungen. Die Buchhandlungen bilden einen integralen „Teil unserer kulturellen Infrastruktur“, wie der Deutsche Kulturrat feststellt. Gekauft werden Bücher, wenn auch vermehrt online, nach wie vor in bedeutendem Umfang in Buchhandlungen. Die Buchhandlung ist ein Ort der Begegnung. Hier wird nicht nur gekauft. Der Kunde darf stöbern und lesen, aber er findet eben vor allem Beratung und oft auch ein breites Angebot an Veranstaltungen. Die Buchpreisbindung sorgt dafür, dass große und kleine, analoge und digitale Buchhandlungen die Bücher zum gleichen Preis anbieten. Dies ist insbesondere auch für den Verkauf von Bestsellern wichtig. Alle Buchhandlungen sind auf guten Umsatz angewiesen, und dieser erlaubt ihnen dann im Übrigen auch ein breites Angebot. Deshalb halte ich das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben auch für so wichtig, dass sogenannte Affili­ate-Programme bei Internetvertriebswegen die Buchpreisbindung nicht aushebeln dürfen. Es ist auch Teil des Antrags, dass hier ein Gutachten in Auftrag gegeben wird, um die Auswirkungen zu überprüfen. Sollte sich zeigen, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf notwendig ist, bin ich dafür, dass wir dann eine entsprechende Anpassung des Buchpreisbindungsgesetzes vornehmen. Die Buchpreisbindung sichert aber zweitens eben auch ein breites Verlagswesen und eine bunt gemischte Autorenschaft. Die Menschen, die dieses kulturelle Angebot für uns alle erschaffen, müssen und sollen davon leben können, sonst werden sie schlicht einer anderen Arbeit nachgehen. Preiskämpfe würden vor allem zulasten kleinerer Verlage und unbekannterer Autoren gehen, die deutlich weniger Spielraum haben, Zugeständnisse zu machen. Die Vielfalt hätte das Nachsehen. Kritiker der Preisbindung verweisen im Übrigen immer gerne auf die Schweiz, wo die Buchpreisbindung vor einigen Jahren abgeschafft wurde, und darauf, dass dies angeblich keine großartigen Auswirkungen auf das Marktgeschehen gehabt habe. Keiner spricht aber davon, dass die Verlage in der Schweiz ihre Umsätze zu 80 Prozent damit erwirtschaften, dass sie ihre Bücher in Deutschland verkaufen – eben unter dem Regime der Buchpreisbindung. Die Buchpreisbindung abzuschaffen, würde den jetzigen Markt durcheinanderwirbeln; da bin ich mir sicher. Das Risiko, dass dabei viele Buchhandlungen auf der Strecke blieben und kleine und mittlere Verlage und letztlich Autorinnen und Autoren das Nachsehen hätten, ist groß. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es für den Buchmarkt weiterhin das Richtige ist, bei den bewährten Leitplanken zu bleiben, die möglichst vielen Marktteilnehmern den Zugang ermöglichen. Vielen Dank. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Ansgar Heveling. – Der letzte Redner in dieser Debatte: Helge Lindh für die SPD-Fraktion. ({0})

Helge Lindh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004802, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Nicht nur in Ray Bradburys „Fahrenheit 451“ brannten schon einmal die Bücher, sondern auch hier in Deutschland. Insofern tragen wir alle eine besondere Verantwortung für den Schutz des Buches. Leider scheint ausgerechnet die AfD-Fraktion das anders zu sehen. Aber auch Taktik entlässt nicht aus Verantwortung. ({0}) Der taktische Winkelzug, den wir vorhin von Ihnen erlebt haben, war im Effekt ein versuchter Anschlag auf das Kulturgut Buch und nicht gut. ({1}) Wir diskutieren hier so viel und so häufig über Grenzen und Abschottung. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass wir heute über Entgrenzung und Befreiung diskutieren, und das ist genau das, was das Buch leistet: Entgrenzung und Befreiung des Geistes. Das ist etwas sehr Wichtiges, und deshalb kann darüber auch keine Monopolkommission entscheiden; denn es ist eine zutiefst politische Aufgabe. ({2}) Hier kommt, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Primat der Politik zum Zug und eben nicht der Primat des Sachzwangs und nicht der Primat des Marktes. Das ist es, was zählt. Wenn der Vorwurf erhoben wird, das sei ja ein Markteingriff und Protektionismus, dann muss ich sagen: Um uns grassiert ein Protektionismus im Namen von Nationalismus und Chauvinismus. Was kann es Besseres geben, als heute hier ein Bekenntnis zu einem Protektionismus im Namen des Wortes und des Geistes und der Freiheit und der Demokratie abzulegen? Ich kenne nichts. ({3}) Wir sollten aber, glaube ich, auch die Situation konkret und näher betrachten. Die meisten hier kennen sicher das berühmte Gedicht von Bertolt Brecht. Es beginnt so: Wer baute das siebentorige Theben? In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? Die Antwort können Sie sich alle denken. Sie verweist darauf, dass ebendieses siebentorige Theben der Kulturnation Deutschland von ganz vielen Buchhandlungen – kleinen Buchhandlungen – gebaut wird und von vielen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die täglich arbeiten und die kein Mensch kennt, und von vielen kleinen Verlagen, die es tun, ohne damit reich zu werden oder große Erfolge zu erleben. Diese Menschen verdienen, in Form der Buchpreisbindung ein Denkmal gesetzt zu bekommen. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in meiner Heimatstadt, der Stadt von Engels, Else Lasker-Schüler, ist da beispielsweise ein Schriftsteller namens Michael Zeller. Er verbringt sein Leben damit, anspruchsvolle, herausfordernde Literatur zu schreiben, ohne damit hervorragend verdienen zu können. An ihn zu denken, ist heute unsere Aufgabe. In meiner Heimatstadt lebt auch ein Hermann Schulz, der den Peter Hammer Verlag aufgebaut hat, ({5}) der Literatur für Kinder, über Afrika und Südamerika vertreibt. Peter Hammer, Pierre Marteau auf Französisch, war im 17. Jahrhundert ein Pseudonym für kritische Geister, die sich schützten vor den Übergriffen der Obrigkeit. Genau darum geht es heute. Wie ist das Gedicht von Brecht, das ich zitiert habe, denn überschrieben? „Fragen eines lesenden Arbeiters“, nicht eines denkenden, nicht eines wütenden, sondern eines lesenden Arbeiters. Bibliotheken sind doch keine Verwahr- und Verteilstationen für Literatur, sondern sie sind ganz buchstäblich Schulen der Demokratie, und Buchhandlungen sind doch keine analogen Verteilstationen und Verkaufsstationen von Büchern nach dem Vorbild von Amazon, sondern sie sind wenigstens auf den zweiten Blick Kathedralen der Freiheit. Das Lesen, diese Buchhandlungen, diese Verlage sind mit allem Ernst Oasen des Menschseins in einer Welt der Instrumentalisierung, des Nützlichkeitsdenkens und des Sachzwangs, in der wir lauter Verwüstung erleben. ({6}) Politische Aufgabe ist aber nicht, für die Ausbreitung der Wüste zu sorgen, sondern für den Schutz und die Expansion der Oasen. Das ist unsere Aufgabe. ({7}) Deshalb können wir, glaube ich, stolz sein, hier an diesem Ort das „sapere aude“ zu verteidigen, zu verteidigen, dass Politik zu sich selbst kommt. Das heißt, den Menschen zu stärken und seine Selbstermächtigung. Das ist etwas Gutes. Tun wir gemeinsam dieses Gute, sprechen wir laut darüber. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen gesegnete Weihnacht und wunderbare Feiertage. Vielen Dank. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Lindh. – Brecht hat dann, glaube ich, am Schluss noch gefragt: „Wer kochte den Siegesschmaus?“ ({0}) Das ist eines meiner Lieblingsgedichte. Damit schließe ich die Aussprache. Vor der Abstimmung hat Kollegin von Storch nach § 30 der Geschäftsordnung – Erklärung zur Aussprache – das Wort. ({1}) – Frau von Storch hat jetzt das Wort zu einer Erklärung. Das steht ihr zu. Nach § 30 der Geschäftsordnung wird sie sich zu einer persönlichen Frage äußern.

Beatrix Storch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004905, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Mohrs hat vorhin aus einem Buch eine Passage gegen mich zitiert. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich genau wegen dieser Passage gegen die Autorin dieses Buch geklagt habe. Das Buch ist rechtskräftig aus dem Verkehr gezogen worden. ({0}) Es durfte nicht mehr ausgeliefert und musste eingestampft werden exakt wegen der Passage, die Sie gerade zitiert haben. Das ist rechtskräftig. Vielen Dank. ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke schön, Frau von Storch. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 19/6413 mit dem Titel „Kulturgut Buch fördern – Buchpreisbindung erhalten“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist einstimmig angenommen. ({0}) Tagesordnungspunkt 20 b. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 19/2444 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Ja, Sie sind es. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Katharina Dröge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004263, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In wenigen Tagen ist Weihnachten. Wenn am Heiligen Abend die Geschenke für die Kinder unter dem Weihnachtsbaum liegen, dann werden sich manche Eltern vielleicht fragen: Wo kommt das alles her? ({0}) – Ja, bei uns kommt vielleicht auch der Weihnachtsmann. Aber die Frage ist doch: Wo hat der Weihnachtsmann eingekauft? Die meisten Spielzeughersteller, auch die deutschen, produzieren in China. Der „Spiegel“ hat in seiner aktuellen Ausgabe von katastrophalen Arbeitsbedingungen in den chinesischen Spielzeugfabriken berichtet: arbeiten bis zur Erschöpfung, sieben Tage die Woche, Hunderte unbezahlte Überstunden, Bedingungen, die krankmachen. Ich sage Ihnen: Solche Bedingungen kennen wir schon aus anderen Branchen, wie der Textilindustrie beispielsweise. Solche Bedingungen sind Ausdruck globalisierter Verantwortungslosigkeit, die wir nicht mehr hinnehmen dürfen. ({1}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Aufgabe, hierauf endlich eine wirksame Antwort zu geben, eine Antwort, die solchen Geschäftspraktiken etwas entgegenstellt. Genau darum geht es in unserem Antrag. Wenn wir uns anschauen, wie die Staatengemeinschaft in den letzten Jahrzehnten das internationale Investitionsschutzrecht geregelt hat, dann erleben wir dort eine massive Schieflage. Wir erleben Investitionsschutzverträge, die ausschließlich Rechte für internationale Konzerne garantiert haben, jedoch keine Pflichten auferlegt haben. Wir erleben Verträge, die einseitig Klagerechte für Konzerne definiert haben, jedoch keine Klagerechte, nicht einmal Gegenklagemöglichkeiten, für die beklagten Staaten und auch keine Klagerechte für die Menschen, die in diesen Fabriken arbeiten. Genau das wollen wir mit unserem Antrag ändern. ({2}) Wir machen Ihnen einen konkreten Vorschlag für einen multilateralen Gerichtshof, einen Gerichtshof, der sich nicht allein auf Investitionsschutz konzentriert, sondern gleichwertig den Schutz von Menschenrechten und Umweltschutz garantiert. Wir wollen einen Gerichtshof, der auch über völkerrechtliche Abkommen, die ILO-Kern­arbeitsnormen, den Pariser Klimavertrag oder die Stärkung von solch einfachen Dingen wie Gebäudesicherheit oder Brandschutz mitentscheiden kann. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Es ist Ihre Aufgabe, uns zu erklären, warum Sie immer wieder Verträge verteidigen, die den Schutz von Enteignung einseitig garantieren, aber die Durchsetzung von Mindestmenschenrechtsstandards völlig außer Acht lassen. ({3}) Wir machen Ihnen einen Vorschlag für einen Gerichtshof, der auch Klagerechte definiert, Klagerechte für die Vertreter der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Spielzeugfabriken Chinas, auch Klagerechte für die Vertreter und Vertreterinnen der Angehörigen, die momentan in einem aufsehenerregenden Prozess – extrem schwierig – in Dortmund gegen KiK klagen, weil in Bangladesch 2012 eine Fabrik abgebrannt ist. Dort sind über 250 Menschen zu Tode gekommen, unter anderem deshalb, weil Mindestbrandschutzbestimmungen nicht eingehalten wurden und die brennende Fabrik zum Gefängnis für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurde. Mit unserem Antrag wollen wir auch eine zweite Absurdität im Investitionsschutzrecht adressieren. Deutschland wird momentan von Vattenfall wegen des Atomausstiegs vor einem Schiedsgericht verklagt, und das, obwohl es bereits ein gültiges Rechtsurteil des Bundesverfassungsgerichts in genau derselben Sache gibt. Sie können mir nicht erklären, warum es sinnvoll ist, doppelte Klagestrukturen zu etablieren und diese Parallelstruktur des Rechtes fortzusetzen, die es Konzernen ermöglicht, allein aus Renditeinteressen – weil sie denken, dass sie noch höhere Milliardenbeträge als Entschädigungszahlungen vor einem internationalen Gericht kassieren können – zu klagen. Genau das adressieren wir mit unserem Antrag. Wir machen einen vernünftigen Vorschlag, der besagt: Der Weg zum Gerichtshof ist nur noch dann möglich, wenn die Konzerne nachweisen können, dass sie in einem nationalen Verfahren unfair behandelt wurden. ({4}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie wirklich ganz herzlich bitten, gemeinsam mit uns für diese Vorschläge zu streiten. Sie würden damit einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass wir künftig am Weihnachtsabend leuchtende Kinderaugen nicht mit dem Elend der Menschen in anderen Regionen dieser Welt finanzieren. ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Katharina Dröge. – Nächster Redner: Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Dröge, es ist auch in unserem Parlament langsam Weihnachtsfrieden eingekehrt. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir heute eine Debatte führen, in der wir sicherlich nicht übereinkommen, wohl aber bei den Fakten bleiben. Allerdings dadurch, dass Sie in dieser Debatte noch einmal versuchen, dermaßen viele Dinge in einen Topf zu werfen, entsteht kein guter Glühwein für die Weihnachtszeit. Das, was Sie uns angeboten haben, ist einfach untrinkbar gewesen. ({0}) Dass Sie gerade jetzt, wo es darum geht, Weihnachtsgeschenke zu kaufen, zu organisieren und zu basteln, noch einmal richtig auf die Tränendrüse gedrückt haben, wird der Sache sicher nicht gerecht. Sie wissen doch ganz genau, dass die Investitionsschutzabkommen, über die wir reden, nicht dazu da sind, die Dinge zu regeln, die Sie gerne möchten, ({1}) sondern dass man andere Vertragswerke gestalten muss, in denen man die Einhaltung der Menschenrechte und der Bestimmungen zu den Arbeitsbedingungen vor Ort regeln kann. Ich komme zu den Investitionsschutzabkommen zurück. Um es noch einmal ganz klar und deutlich zu sagen: Der Erfinder dieser Investitionsschutzabkommen ist im Prinzip Deutschland selbst gewesen. In den 50er- und 60er-Jahren war es notwendig, deutschen Unternehmen Investitionen in vielen Teilen der Welt zu ermöglichen. Um in vielen Teilen der Welt Investitionen zu tätigen, sind diese Investitionsschutzabkommen zustande gekommen. Man muss ganz klar sagen, dass es gerade für kleine und mittlere Unternehmen wichtig ist, dass ihre Investitionen in unsicheren Ländern vor nicht rechtsstaatlichen Angriffen geschützt werden. Sie wissen ganz genau, dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit nicht überall auf der Welt genauso gilt wie in unserem Land. Schon bei TTIP gab es heftige Diskussion über die internationalen Investitionsschutzgerichte. Ich denke, Sie haben schon einen großen Erfolg erzielt. Bei der Diskussion über TTIP und CETA haben wir die europäische Ebene dazu veranlasst, neu darüber nachzudenken. Insofern können Sie sich selbst auf die Schulter klopfen und sagen: Wir haben etwas erreicht. Der neue multinationale Investitionsgerichtshof, den die Europäische Union auf die Beine stellen will, ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben; das muss man klar sagen. Durch diesen Gerichtshof sollen letztendlich auch die insgesamt rund 3 200 geltenden Investitionsschutzabkommen – davon sind 1 400 von EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen worden – Schritt für Schritt abgelöst werden, um sie auf das europäische Level zu heben. Ich finde es fortschrittlich, dass Sie einen Investitionsgerichtshof zumindest nicht grundsätzlich infrage stellen, wie man in Ihrem Antrag lesen kann. Das ist ein großer Fortschritt. Aber man muss sagen: Ihre Methode, den Unternehmen alles immer von oben aufzudrücken, immer die Unternehmer in ein schlechtes Licht zu rücken und so zu tun, dass sie die Menschenrechte und die lokalen Regelungen zu den Arbeitsbedingungen nicht einhielten, ist aus meiner Sicht falsch. ({2}) Gerade deutsche Unternehmen sind in der Welt hoch anerkannt, gerade weil sie es anders machen, weil sie für Ausbildung sorgen, weil sie in ihren Unternehmen in allen Teilen der Welt Standards haben, die unseren Vorstellungen entsprechen. Insofern halte ich, halten wir diese Methode, den Unternehmen alles von oben aufzudrücken, für falsch. ({3})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Lämmel, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Diether Dehm?

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, der Herr Dehm hat immer gute Bemerkungen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich will nur gleich sagen: Es gibt maximal nur eine Zwischenfrage pro Fraktion und Debattenpunkt, aber keine Kurzinterventionen. Das hat die Kollegin Pau schon gesagt. So, Herr Dehm, aber bitte kurz.

Dr. Jörg Diether Dehm-Desoi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000365, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herzlichen Dank. – Die Kollegin hatte, wenn ich mich recht erinnere, von KiK und Bangladesch gesprochen. Wer aus Bangladesch steht denn über einem Konzern wie KiK? Wer ist denn derjenige, von dem Sie befürchten, er könne von oben auf KiK zugreifen? Oder ist es nicht so, dass über manchen Konzernen nur der blaue Himmel ist? ({0})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Über uns allen ist nur der Himmel. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist. Aber da Sie ja nicht an einen Himmel glauben, ist über Ihnen ja vielleicht ein rotes Zelt. Ich weiß es nicht. Ganz klar ist doch: KiK ist natürlich ein besonderer Fall; da sind wir uns in diesem Hause einig. Deshalb hatte ja Gerd Müller als zuständiger Minister damals das Textilbündnis mit auf den Weg gebracht, um auch auf politischer Ebene für diese Dinge Sorge zu tragen. ({0}) Es gibt natürlich immer wieder schwarze Schafe – das ist gar keine Frage; das will ich gar nicht bestreiten –, und deswegen haben wir politisch die notwendigen Initiativen ergriffen. Es wäre natürlich nicht schlecht, wenn sich noch mehr Firmen am Textilbündnis beteiligen würden. Damit will ich Ihnen bloß sagen: Wir tun schon das politisch Notwendige. Aber wir unterstützen nicht den Antrag der Grünen, in dem die Unternehmerschaft grundsätzlich ins schwarze Licht gerückt wird. ({1}) Frau Dröge, noch eine Sache, die Sie eigentlich wissen müssten. In der Anhörung des Wirtschaftsausschusses am 6. Juni dieses Jahres haben die Gutachter doch ganz klar dargelegt – da haben Sie sicherlich gut zugehört –, dass im Durchschnitt nur 25 Prozent der Schiedssprüche, die nach angestrengten Verfahren gesprochen werden, zugunsten der Unternehmen ausgehen – das ist also schon eine sehr geringe Zahl – und dass ungefähr weitere 25 Prozent der Schiedsgerichtsverfahren mit einem Vergleich enden; 50 Prozent sind damit also schon abgefrühstückt. In den Fällen, in denen es letztendlich um eine finanzielle Entschädigung ging, war die durchschnittliche Entschädigungshöhe ungefähr 29 Prozent. ({2}) Also das, was Sie hier als Gespenst an die Wand malen, findet überhaupt nicht statt. Es stimmt überhaupt nicht, was Sie versucht haben den Menschen zu suggerieren. Meine Damen und Herren, wir wollen auch nicht, dass ein Verbändeklagerecht auf internationaler Ebene eingeführt wird wie in Deutschland. Wir können sehen, dass in Deutschland Investitionen, ob nun in Stromnetze, in Straßen oder in Schienen, verhindert werden, weil jeder Verband heutzutage ein Klagerecht hat und damit die Möglichkeit, Investitionen auf ewige Zeit zu verzögern. ({3}) Eine Investitionsgerichtsbarkeit, die Schiedsgerichte, der Investitionsschutz sind notwendig, um überhaupt Investitionen zu ermöglichen; Frau Dröge, das wissen Sie ganz genau. In Afrika würden noch weniger Investitionen deutscher Unternehmen getätigt werden, hätten wir nicht die Investitionsgerichtsbarkeit. Deswegen, meine Damen und Herren, können wir über die Themen, die die Grünen in ihrem Antrag angesprochen haben, gerne sprechen, aber nicht im Zusammenhang mit Investitionsschutz und einem multilateralen Investitionsgerichtshof. Also: Wir lehnen Ihren Antrag ab. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Andreas Lämmel. – Nächster Redner für die AfD-Fraktion: Stephan Brandner. ({0})

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns vorweihnachtlich gestimmt den multilateralen Gerichtshof besprechen. Denn es gibt ja – das ist unstrittig – beim internationalen Investitionsschutz und den Schiedsgerichtsverfahren, die ja schon mehrfach angesprochen wurden, erheblichen Verbesserungsbedarf. Nicht unberechtigt wird von Paralleljustiz gesprochen; spätestens seit TTIP ist das ein öffentliches Thema. Die „Disziplinierung“ demokratisch gewählter Gesetzgebungsorgane durch die Klageandrohung von Konzernen ist mit dem Leitbild eines demokratischen Verfassungsstaates für uns nicht vereinbar. ({0}) Dass die FDP hingegen unser Staatswesen diesen nichtstaatlichen Gerichten vollumfänglich ausliefern will, ist bezeichnend, liebe FDP, für Ihre nach und nach zunehmende Distanzierung von unserem Rechtsstaat. Während also die FDP beim internationalen Investitionsschutz alles beim Alten lassen möchte, setzen sich die Grünen – wo sind sie eigentlich, sind ein paar da? ja, ich sehe ein paar Grüne – für den multilateralen Gerichtshof ein. ({1}) Dieser Ansatz, liebe Grüne – ich winke zurück –, löst das Problem nicht, er verschlimmert es vielmehr; denn nach derzeitigem Sachstand kann ein multilateraler Gerichtshof die Nachteile der Schiedsgerichte nicht beheben, ohne neue Problemlagen zu schaffen. Wir von der AfD lehnen einen multilateralen Gerichtshof auch aufgrund seiner zentralistischen Organisation ab. Dabei ist es für uns völlig gleich, ob das unter dem Dach der Vereinten Nationen geschieht oder ob das Ganze von der EU-Kommission orchestriert wird; denn sowohl bei den Vereinten Nationen als auch bei der Europäischen Union würden nationalstaatliche Gestaltungsspielräume durch zentralistische Eingriffe beschnitten. Das ist mit der AfD nicht zu machen. ({2}) Außerdem ändert sich im Hinblick auf die nationale Souveränität im Vergleich zwischen den jetzigen Schiedsgerichtslösungen und dem neuen multilateralen Gerichtshof gar nichts. In beiden Fällen wird der Staat – auch unser Staat, also Deutschland – in seinen Hoheitsrechten eingeschränkt. Das geht mit uns auch nicht. Deswegen ist der Gedanke, die EU-Kommission mit der Errichtung eines solchen Gerichtshofes zu beauftragen, strikt abzulehnen, meine Damen und Herren. Aber nicht nur staatspolitische Defizite sprechen gegen ein multilaterales Gericht. Ihm fehlt auch die materiell-rechtliche Grundlage für die Rechtsprechung. Der von der Europäischen Kommission eingeschlagene Weg hin zu einem multilateralen Investitionsgerichtshof, der sich sein anwendbares Recht selber schaffen soll – das muss man sich einmal vorstellen, da wird geplant, dass sich ein Gericht selber Recht schafft –, ist deshalb von uns abzulehnen, gerade vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung, die wir von der AfD sehr befürworten. Deshalb folgen wir Ihrem Antrag nicht. ({3}) Zwar findet man bei Ihnen unter Punkt f die Forderung, dass dieses materiell-rechtliche Fundament durch einen völkerrechtlichen Vertrag, vielleicht auch nur durch einen unverbindlichen völkerrechtlichen Vertrag, geschaffen werden soll. Aber wir alle wissen ja, wie die Europäische Union arbeitet. Zuerst werden ominöse Institutionen geschaffen, auch ohne Rechtsgrundlage. Diese arbeiten dann jahrelang unbemerkt vor sich hin, und irgendwann merkt man es dann. Sie schaffen sich ein Eigenleben und ihr eigenes Recht. Das befürchten wir auch hier, wenn die Europäische Union tätig wird. Das ist für uns ein weiterer Ablehnungsgrund. Übrigens stehen wir damit nicht alleine. Auch der Deutsche Richterbund hat mehrfach von einer Mandatserteilung an die Europäische Union zur Errichtung eines solchen Gerichtshofes abgeraten. Die Rechte ausländischer Investoren festzuschreiben, meine Damen und Herren, bleibt Aufgabe der Parlamente. Das kann nicht delegiert werden. Liebe Grüne, auch in Fragen der Legitimität geht der Antrag leider von falschen Vorstellungen aus, ist er schlecht gemacht. Zu behaupten, wie es im Antrag steht, von den Vereinten Nationen gehe größtmögliche Legitimität aus, ist schlicht falsch. Wie groß die Legitimität von Ideen ist, die von den Vereinten Nationen ausgehen, haben wir beim letzten großen – falschen – Wurf gesehen, bei dem Migrationspakt. ({4}) Es ist alles andere als legitim, was von den Vereinten Nationen ausgeht. Es ist meistens riesengroßer Murks, der von oben oktroyiert wird. ({5}) Die Grünen entlarven sich jedoch, wenn man sich die neuen Klageberechtigten am gedachten grünen Gerichtshof einmal anschaut. Klageberechtigt sollen nämlich nun unter anderem die sogenannten zivilgesellschaftlichen Akteure sein, ({6}) also die, die im Zweifel auch mal gerne gegen Deutschland arbeiten und Deutschland schaden. Wie das aussieht, sehen wir gerade in Deutschland, wo die Deutsche Umwelthilfe, also ein zivilgesellschaftlicher Akteur, ({7}) finanziert durch Steuergeld und durch Toyota, die Autos von Millionen rechtschaffender deutscher Bürger einfach stilllegt. Das sind die zivilgesellschaftlichen Akteure, die Sie wollen. Die Grünen als zivilgesellschaftliche Akteure klatschen dazu – damit wird Deutschland und seinen Bürgern geschadet – immer noch Beifall. ({8}) Üblicherweise, liebe Freunde von den Grünen, wirft man jemand vor: Gut gedacht, schlecht gemacht! Bei Ihnen ist es anders. Bei Ihnen ist es schlecht gedacht und schlecht gemacht. ({9}) Ihr Antrag ist bestenfalls Ausdruck absoluter Blauäugigkeit, ({10}) schlechtestenfalls wirtschaftsfeindlich und aktiv die deutschen Interessen bekämpfend. Gekrönt wird das Ganze dann nämlich noch durch unbestimmte linke Kampfbegriffe wie „Klimarelevanz“ und „Nachhaltigkeit“. Auch das sollen jetzt Klagegründe werden, also Begriffe aus dem Keller der links-grünen Ideologie. Hier werden – wir merken das alles – grün-ideologischem Irr- und Wirrsinn Tür und Tor geöffnet. Meine Damen und Herren, alle, die noch bei Sinnen sind, können diesen Antrag der Grünen daher nur ablehnen. ({11}) Im konkreten Fall – so müsste man sagen – sind die Linken tatsächlich bei Sinnen; denn – man muss sagen: sogar – die Linken, Ihre Freunde von der ganz linken Seite, liebe Grüne, lehnen Ihren Murksantrag ab. Das verbindet in diesem Fall die Linken mit uns. Meine Damen und Herren, zusammenfassend: Gegen alle Entscheidungen von Schiedsgerichten müssen die Möglichkeiten gegeben sein, dass vor staatlichen Gerichten Rechtsmittel eingelegt werden. Eine Privatisierung und Entstaatlichung der Judikative, also der Gerichte, lehnen wir von der AfD im Gegensatz zur FDP strikt ab. Wir sind der Auffassung, einen starken Staat zu brauchen, der in der Lage ist, deutsche Interessen zu vertreten und deutsche Interessen durchzusetzen. Wir, meine Damen und Herren, verlangen den Vorrang nationalen Rechts. Wir lehnen beide Anträge, den der Grünen und auch den der Gelben, ab, ({12}) weil sich in beiden Anträgen dazu nichts finden lässt. Vielen Dank. Frohe Adventszeit noch, ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch. ({13})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Nächster Redner für die SPD-Fraktion: Markus Töns. ({0})

Markus Töns (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004921, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Dröge, man muss schon ein bisschen aufpassen, wie man argumentiert. ({0}) – Finden Sie? Ich finde nicht. – Mindeststandards werden zum Beispiel nicht im Rahmen von Investitionsschutzabkommen verhandelt, sondern im Rahmen von Freihandelsabkommen. Da muss man schon unterscheiden, wenn man das hier vorbringt. So ist das halt. ({1}) Wenn man dann von der Klage Vattenfalls redet, dann muss man wissen, dass es hier um ein Investitionsschutzabkommen geht, in dessen Rahmen der schwedische Konzern Vattenfall den Staat Deutschland vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt. Sie wissen auch, dass es nach dem Achmea-Urteil durchaus umstritten ist, ob das überhaupt möglich ist. Das ist ungeklärt. Über diese Frage werden wir uns noch unterhalten. Das aufzumetern, um zu sagen: „Jetzt ist aber alles, was mit Investitionsschutz zu tun hat, falsch“, ist ein schlechtes Beispiel. ({2}) Nur noch ein kleiner Hinweis zu China, der vielleicht hilft. Es gibt kein Investitionsschutzabkommen mit China. Das gibt es schlichtweg nicht. ({3}) Das ist hilfreich. Vielleicht sollten Sie den Menschen keinen Sand in die Augen streuen, Frau Dröge. ({4}) – Das ist doch Quatsch. Aber hören Sie doch mal zu! Dann können Sie vielleicht etwas lernen. Das ist vielleicht ganz gut für Sie. ({5}) Sie wollen gleichzeitig die Reform institutioneller Standards und die Reform materieller Standards. Sie wollen sozusagen die Quadratur des Kreises. Was haben wir? Wir haben weltweit 2 500 Investitionsschutzanträge. Alle sollen vereinheitlicht werden; das ist Ihr Ziel. Erst danach soll über einen multilateralen Investitionsgerichtshof verhandelt werden. Dann sind wir in 100 Jahren noch nicht weiter. ({6}) Darüber muss man, glaube ich, auch mal nachdenken. Sie ziehen rote Linien und machen die Verhandlungsspielräume damit so eng, dass es dann schlichtweg nicht möglich ist, dies hinzubekommen. Außerdem müsste man dann auch bedenken, dass das Verhandlungsmandat nachträglich zu ändern ist. Ich glaube, dass das mit den 26 Partnern in der Europäischen Union – wir lassen die Briten mal an dieser Stelle weg – nicht möglich ist. Es ist richtig, den ersten Schritt zu machen und die institutionellen Standards zu ändern. Dann will ich eines zur AfD sagen: ({7}) Die AfD hat eine Vorstellung von Handelspolitik, die noch aus dem 19. Jahrhundert kommt. Für Sie ist Handel nur Austausch von Waren. Ich glaube, Sie haben überhaupt nicht begriffen, worum es in der internationalen, globalisierten Welt geht. ({8}) Wenn man die ganze Zeit – was Sie ja immer tun – von deutschen Interessen spricht, dann muss man sich mit Investitionsschutz inhaltlich auseinandersetzen. Dann muss man auch mal verstehen, worum es dabei eigentlich geht. Das haben Sie gar nicht begriffen. ({9}) Sie hassen die Europäische Union. Sie hassen alles Internationale. Sie hassen die UNO, wie Sie eben gesagt haben. ({10}) Sie wollen einen starken Staat, aber eine schwache EU. ({11}) Im Prinzip hassen Sie damit auch die Menschen in Deutschland, ({12}) weil Sie das Beste – das ist es, worum es hier geht – in Zweifel ziehen. Das ist schon abenteuerlich. ({13}) Wenn man Quatsch erzählt, ({14}) dann sollte man ihn auch vernünftig begründen können. Ich kann den von Ihnen behaupteten Zentralismus eines multilateralen Investitionsgerichtshofes nun wirklich nicht erkennen. Das hat nichts miteinander zu tun. ({15}) Was sind denn unsere Positionen? Es geht darum, bei einem multilateralen Investitionsgerichtshof zu mehr Rechtsbindung in einem internationalen Rahmen zu kommen, ein Schritt hin zu mehr Transparenz und Unabhängigkeit. Wir begrüßen das ausdrücklich. Ich will auf einige Dinge eingehen. Wo stehen wir? Grundsätzliches Problem: Private Schiedsgerichte entscheiden im Moment über die Auslegung internationaler Verträge. Das ist falsch, weil es mangelnde Transparenz der Verfahren gibt, mangelnde Rechtssicherheit, mangende Unabhängigkeit der Richter und keine Berufungsinstanz. Unsere Forderung bezieht sich auf die Auslegung des Völkerrechts. Es muss öffentlich und durch unabhängige Richter erfolgen. Deshalb ist die Ablösung des alten Systems, das intransparent ist, richtig. Zukünftig müssen private Schiedsgerichte der Vergangenheit angehören. Das ist der Schritt in die richtige Richtung. Also, was tun wir? Ohne Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister und ohne die SPD hätte es die Veränderung von einem alten System hin zu einem neuen überhaupt nicht gegeben; das muss man deutlich sagen. ({16}) Statt privater Schiedsgerichte öffentlich-rechtliche Gerichtshöfe! Um das an dieser Stelle auch zu sagen: Das alte System bedeutete geheime Verhandlungen und geheime Urteile. Der neue Investitionsgerichtshof bedeutet öffentliche Verhandlungen, veröffentlichte Urteile und Rechtssicherheit. Schiedsrichter mussten im alten System für jedes Verfahren neu ernannt werden. Zukünftig wird es unabhängige Richter geben, ernannt für einen längeren Zeitraum, feste Vergütungen und einen strengen Ethikkodex. Das alles sind Neuerungen und Verbesserungen. Es gab früher keine Möglichkeit, in Berufung zu gehen. Eine Berufungsinstanz wird es zukünftig geben. Auslegungsfehler können also korrigiert werden. Das alles ist neu und richtig. Ich glaube, auf diesen Weg müssen wir uns machen. Diese Verbesserung – das ist eindeutig – gibt es nur aufgrund des Einsatzes der SPD und des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Gabriel. ({17}) Es gibt bereits Einigung über die Einrichtung bilateraler Investitionsgerichtshöfe mit Kanada, Mexiko, Singapur und Vietnam. ({18}) Es ist ein mittelfristiges Ziel, einen multilateralen Investitionsgerichtshof zu schaffen, einen Gerichtshof für alle Staaten, die mitmachen wollen. Eine multilaterale Lösung ist aus meiner Sicht im Moment der Königsweg. Es können später sicherlich noch Dinge hinzukommen, über die man verhandeln muss. Aber das ist der erste Schritt. Aktuell läuft dazu übrigens ein Diskussionsprozess bei den Vereinten Nationen. Er ist ganz wichtig. Noch mal an die Grünen gerichtet: Liebe Frau Dröge, es geht jetzt darum, bei anderen Staaten für einen multilateralen Investitionsgerichtshof zu werben und ein Mandat an die Kommission offenzuhalten. Wir sind am Anfang dieses Diskussionsprozesses. Sie ziehen aber rote Linien, bevor Sie überhaupt mit anderen Ländern gesprochen haben. Sie vergraulen die potenziellen Partner. Im Multilateralismus und in der internationalen Diplomatie ist das aus meiner Sicht schlichtweg naiv. Ich will Ihnen da einmal eine Frage stellen; denn eines wundert mich: Wann haben die Grünen eigentlich ihren Kompass in der internationalen Politik verloren? Da ist seit einigen Jahren doch schon einiges verloren gegangen. ({19}) Wir fordern von der EU, international für den multilateralen Investitionsgerichtshof zu werben, weil er erstmalig ein Gericht ist, das auch transparent verhandelt. Er soll alle alten Verträge ersetzen und die privaten Schiedsgerichte durch öffentliche Gerichte ersetzen, Vertrag für Vertrag. Das ist der richtige Weg, zwar in kleinen Schritten, aber es ist der richtige Weg. Ein Beispiel ist der neue Investitionsschutzvertrag mit Singapur. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es geht. Er wird 17 bilaterale Investitionsschutzabkommen ablösen, die nach dem alten System funktionieren. Das ist gut. ({20}) Unsere Forderung als Sozialdemokraten an die Bundesregierung ist, sich bei der EU weiter dafür einzusetzen, dass es diesen multilateralen Investitionsgerichtshof mit möglichst vielen Partnern in der Welt gibt. Ich halte das für richtig. ({21}) – Es werden nicht alle mitmachen, Frau Dröge. Das ist halt so. ({22}) Wir können es trotzdem versuchen. Wir werben um jeden. Der Antrag der Grünen ist abzulehnen, weil er am Ziel vorbeischießt. Ich wünsche uns allen trotzdem schöne Weihnachtstage und einen geruhsamen Übergang ins nächste Jahr. Vielen Dank. ({23})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Markus Töns. – Nächste Rednerin für die FDP-Fraktion: Sandra Weeser. ({0})

Sandra Weeser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004929, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren oben auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle profitieren vom freien Handel mit Waren und Dienstleistungen. Ja, unsere Weltwirtschaft ist immer enger miteinander verflochten. Der Freihandel gerät aber neuerdings von links und rechts immer stärker in Bedrängnis und unter Druck. Ich möchte – ich bin ja froh, dass alle Fraktionen dem eben schon zugestimmt haben – einmal ganz klar sagen, dass die Freien Demokraten sich vollumfänglich für freien Welthandel aussprechen. ({0}) Ich sage aber auch ganz ausdrücklich: Zu freiem Welthandel gehören faire Spielregeln, und zu fairen Spielregeln gehört zum Beispiel der Investitionsschutz für Unternehmen. ({1}) – Ja, so ist das schon. ({2}) Für Freie Demokraten bedeutet der Investitionsschutz auch Schutz von Eigentum, und der ist uns sehr, sehr wichtig. ({3}) – Ja, ich rede ja auch von Eigentum. Haben Sie kein Eigentum als Arbeitnehmer zum Beispiel? Aber gut. ({4}) Weltweit gilt: Länder, in denen Eigentum geschützt wird, sind wirtschaftlich immer erfolgreicher. Das ist zu belegen, und wir können den Bewohnern in dem Moment auch bessere Lebensbedingungen bieten; so ist das. Die heute hier vorliegenden Anträge zeigen mir wieder deutlich, wie grundsätzlich unterschiedlich die Haltung von Linken, Grünen und den Freien Demokraten hier ist. Das Verständnis, das uns trennt, ist, dass für Sie Staaten gleich gut und Investoren gleich gefährlich sind. Die gefühlte Wahrheit, liebe Grünen und liebe Linken, hilft uns bei der Ausgestaltung von fairen Spielregeln aber nicht. Sie sind eher populistisch. Von den Linken – das muss ich jetzt ehrlich sagen – habe ich auch eigentlich nichts anderes erwartet. Aber von Ihnen, liebe Grünen? Sie wollen doch regieren. ({5}) Es beruhigt mich aber schon ein Stück weit, dass es, wenn Sie Regierungsverantwortung annehmen, immer noch zu vernünftigen Entscheidungen geführt hat. Ich kann mich daran erinnern: In der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2005 haben Sie immerhin 23 bilaterale Abkommen mit Schiedsgerichtsklauseln mit unterzeichnet. ({6}) Natürlich können sich politische Positionen ändern; aber Politik ist auch dazu da, Planbarkeit herzustellen, und verpflichtet zu Verlässlichkeit. Die Unternehmen und die Menschen, die in diesem Land den Wohlstand erwirtschaften, rechnen im wahrsten Sinne des Wortes damit. Da bedarf es nicht simpler Ideologie, sondern hier muss einfach Sachverstand eingesetzt werden. Sie unterschlagen in Ihren Anträgen leider auch, dass in anderen Staaten nicht die Art von Rechtsstaatlichkeit und Gerichtsbarkeit herrscht, die wir hier in Deutschland kennen. Diese Abkommen schützen deutsche Unternehmen, und sie schützen auch vor staatlicher Willkür. Gerade den mittelständischen Unternehmen eröffnet die Schiedsgerichtsbarkeit einen einfachen und kostengünstigen Zugang. Sie sprechen hier von „Schiedstribunalen“ und „Konzernschiedsgerichten“. Das Wording verrät mir hier bereits den Geist Ihrer Gedanken. Sie lehnen den heutigen Investitionsschutz ab. Wir sind aber der Ansicht, dass er die Rechte von deutschen Unternehmen im Ausland schützt. Hier geht es einzig und allein um Rechtssicherheit. Ich weiß, Sie sehen das ein bisschen anders: Sie wollen am liebsten sofort raus aus allen bestehenden Verträgen. Aber Sie legen – das hat der Herr Töns eben schon gesagt – die Maßstäbe so hoch an, dass bei mir der Eindruck erweckt wird, dass Sie Freihandelsabkommen mit Investitionsschutz eigentlich überhaupt nicht wollen, und deswegen legen Sie die Messlatte so hoch, dass alle nur noch untendrunter durchlaufen können. ({7}) Auch die Äußerungen von Ihrem Fraktionschef Toni Hofreiter gehen genau in die gleiche Richtung, wenn er sagt, die EU dürfe künftig nur noch Handelsabkommen abschließen, in denen die Nichteinhaltung der Klimaschutzziele an Sanktionen gekoppelt ist. Sie, liebe Grünen, wollen Freihandel nur, wenn er in Ketten gelegt ist. ({8}) Hier geht es schlicht und ergreifend um Investitionsschutz. Seien Sie doch einmal so ehrlich und sagen Sie den Leuten da draußen: Wenn es keinen Freihandel gibt, dann gibt es auch keine Arbeitsplätze; die gehen dann nämlich verloren. Der Wohlstand bleibt auf der Strecke, und damit gibt es erst recht kein Geld für den Klimaschutz, der uns allerdings allen wichtig ist. ({9}) Können Sie denn sicherstellen, dass mit den Maximalanforderungen, die Sie hier ansetzen und die Sie den anderen Ländern abverlangen, überhaupt noch Freihandelsabkommen zustande kommen? Das ist doch im Prinzip eine Verhinderungstaktik. Ich finde das anmaßend, meine Damen und Herren. ({10}) Ich begrüße es ausdrücklich, dass Sie nun in Ihrem vorgelegten Antrag einen multilateralen Investitionsgerichtshof unterstützen; denn das ist ja auch unser Ziel. Ich frage mich aber natürlich auch, wie irgendein Land den von Ihnen angedachten grünen Gerichtshof anerkennen soll. Die Standards – das haben wir gerade schon gesagt –, die Sie anlegen, verhindern meines Erachtens komplett ein Zustandekommen. Machen wir uns nichts vor: Es wird noch zehn Jahre dauern, bis der MIC überhaupt funktionsfähig ist. Dann müssen wir uns doch die Frage stellen: Was machen wir denn in der Zwischenzeit? Wollen wir jetzt alles aufgeben? Wollen wir die Unternehmen ins kalte Wasser schmeißen? ({11}) – Sie würden doch am liebsten alle in die Wüste treiben; das ist mir schon klar. Dann müssen Sie sich aber überlegen, wo die Leute demnächst ihre Arbeit finden. ({12}) – Das ist ja Ihr Problem. Sie hier reden hier immer nur von Konzernen. Ich rede hier von mittelständischen Unternehmen, also bitte. Was bereits an zahlreichen Verbesserungen unternommen worden ist, darf man hier nicht ignorieren. Wir schlagen in unserem Antrag vor, dass das System der Abkommen besser werden muss. Das heißt, die Investitionsschutzabkommen müssen verbessert werden. Wir brauchen transparentere Verfahren. Es muss die Möglichkeit von Revisionsentscheidungen geben. Die Richter müssen unabhängiger werden, und wir brauchen natürlich auch die Möglichkeit der Einführung von Berufungsinstanzen. Ich sage es noch einmal: Wer Freihandel will, der darf es jetzt nicht nur bei Worten belassen. Arbeiten wir an einer Verbesserung und Weiterentwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit, statt bewährte Systeme infrage zu stellen. ({13}) Damit geben wir den Unternehmen ein Zeichen, dass sie sich von der Politik nicht im Stich gelassen fühlen müssen, sondern sie Investitionen planbar gestalten und somit Arbeitsplätze sichern können. Auch wenn Sie es mir nicht glauben: Ich wünsche Ihnen allen frohe und gesegnete Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich freue mich auf die Debatten im nächsten Jahr mit Ihnen. Danke schön. ({14})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Kollegin Weeser. Ich weiß nicht, warum wir Ihnen das nicht glauben sollten. Ich glaube Ihnen das. Danke schön. Nächster Redner für Die Linke: Pascal Meiser. ({0})

Pascal Meiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004819, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um einen multilateralen Investitionsgerichtshof dreht sich im Kern immer um die gleichen Fragen: Wollen wir, dass ausländische Konzerne ganze Länder mit Milliardenklagen überziehen können, wenn diese Konzerne glauben, dass politische Entscheidungen ihre Gewinne schmälern, oder wollen wir das nicht? Wollen wir das selbst dann, wenn diese Entscheidungen von demokratisch gewählten Parlamenten oder Regierungen getroffen werden und dem Schutz von Umwelt und Menschen dienen, oder wollen wir das nicht? Für uns als Linke bleibt es dabei: Wir lehnen jegliche Paralleljustiz für ausländische Konzerne ab, und das ohne Abstriche, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Zwischenstaatliche Abkommen, die ausländischen Konzernen Sonderklagerechte einräumen, gibt es in der Tat schon seit vielen Jahrzehnten. Und sie richten auch seit vielen Jahrzehnten viel Schaden an, zunächst vor allem in Entwicklungsländern. Inzwischen werden sie aber auch mehr und mehr zu einer Bedrohung von Demokratie und Rechtsstaat bei uns in den westlichen Industriestaaten. Der weltweit renommierte Investitionsrechtsanwalt George Kahale, der seit vielen Jahren mit solchen Konzernklagen sein Geld verdient – hören Sie von der FDP genau zu –, hat diese Investitionsschutzabkommen jüngst als – Zitat – „juristische Vernichtungswaffen“ in den Händen transnationaler Konzerne bezeichnet, ({1}) und das aus gutem Grund; denn solche Klagen können den Steuerzahler Milliarden kosten. Nehmen wir die schon erwähnte laufende Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall, der die Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage einer solchen Regelung wegen des Atomausstiegs verklagt – dabei geht es um 4,3 Milliarden Euro plus Zinsen – oder das Beispiel des britischen Ölkonzerns Rockhopper. Nachdem in Italien zum Schutz der Umwelt eine neue küstennahe Ölförderung verboten wurde, hat dieser Ölkonzern Italien auf über 250 Millionen US-Dollar verklagt, darunter auf über 200 Millionen US-Dollar Entschädigung für entgangene Profite, die ein neues Ölfeld möglicherweise – möglicherweise! – eingebracht hätte. Sie von der FDP, der Union und leider auch Sie von der SPD sagen weiterhin, solche Klagemöglichkeiten seien kein Problem. Das ist doch absurd, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Mit der Erteilung des Verhandlungsmandats an die Europäische Kommission für ein multilaterales Investitionsgericht wurde dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Denn eines ist klar: Kommt ein solcher Investitionsgerichtshof zustande, wird das System der Sonderklagerechte für Konzerne weiter zementiert. Daran ändern auch die kosmetischen Verbesserungen nichts, liebe SPD, auf die Sie so stolz sind, mit denen Sie Ihre in dieser Frage ja sehr kritische Parteibasis ruhigstellen wollen. Millionen Menschen in Deutschland und in ganz Europa haben in den vergangenen Jahren gegen neue Investitionsschutzabkommen wie das berühmt berüchtigte TTIP-Abkommen mit den USA und das CETA-Abkommen mit Kanada protestiert. Bei aller Verleumdung, die ich hier darüber höre, bin ich stolz, dass ich, bevor ich in den Bundestag einzog, ein aktiver Teil dieser breiten außerparlamentarischen Bewegung sein durfte, ({3}) auch mit vielen aus meiner Fraktion und aus der Fraktion der Grünen. Wenn ich mir anhöre, wie leicht Sie es sich machen, wie Sie weiter unverdrossen für dieses Konzernklagerecht werben, dann scheint mir, Sie haben nichts, aber auch gar nichts von den Sorgen dieser Menschen verstanden. ({4}) Wenn Sie schon nicht auf diese Menschen hören wollen, dann nehmen Sie zumindest endlich ernst, was der Deutsche Richterbund sagt. In seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss bezeichnet er den vorliegenden Vorschlag für einen multilateralen Investitionsgerichtshof als – Zitat – „ein Sondergericht ohne nachgewiesene Notwendigkeit“. Und weiter – ich zitiere –: „Das … Mandat zielt auf die Einrichtung eines Gerichts, dem auch weiterhin demokratisch gesetztes Recht als Entscheidungsbasis fehlt.“ Übersetzt heißt das so viel wie: Es ist völlig ungeklärt, in welchen Fällen ein Konzern ein Land zum Beispiel auf entgangene Profite verklagen kann. Daher – so der Deutsche Richterbund unmissverständlich – sollten Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung – es sind nicht mehr viele da – das Mandat für Verhandlungen zur Errichtung eines multinationalen Investitionsgerichts ablehnen. Ein solch harsches Urteil der Vertretung von immerhin fast 17 000 Richtern und Staatsanwälten in Deutschland können Sie doch nicht einfach ignorieren, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die FDP in ihrem Antrag noch weitreichendere Sonderrechte für Konzerne fordert und damit versucht, die Bundesregierung vor sich herzutreiben. Bei dem heute dazu vorliegenden Antrag der Grünen, dem wir die erneute Debatte über dieses heikle Thema zu verdanken haben, ist uns auch nach mehrmaligem Lesen nicht ganz klar geworden, ob Sie in der Konsequenz eigentlich für Sonderklagerechte für ausländische Konzerne sind oder nicht.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Weeser?

Pascal Meiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004819, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Im Moment nicht, danke. Tut mir leid! ({0}) – Das freut mich zu hören. – Nach Lage der Dinge ist dieser Antrag für uns zurzeit leider nicht zustimmungsfähig; aber, liebe Katharina Dröge, vielleicht gelingt es dir, das im Ausschuss aufzuklären und uns zu überzeugen. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir als Linke sind für internationale Abkommen zur Gestaltung des Welthandels. Dabei unterscheiden wir uns in dieser Frage ganz fundamental von den Positionen der AfD. Doch statt exklusiver Klagerechte für Konzerne, wollen wir dafür sorgen, dass international agierende Unternehmen endlich Arbeitnehmerrechte und Umweltschutzstandards einhalten müssen. Die Erfahrung zeigt: Dabei reichen keine freundlichen Appelle. Vielmehr brauchen wir klare und verbindliche Regeln für die Unternehmen, die auch eingeklagt werden können. ({2}) Wir unterstützen daher das Vorhaben, im Rahmen der Vereinten Nationen einen verbindlichen Vertrag über die Pflichten international agierender Konzerne abzuschließen. Das ist ein Prozess, der unter dem Namen UN-Binding-Treaty bereits seit 2014 in Gang ist, der aber leider bisher keinerlei Unterstützung durch die Bundesregierung erfährt. Heute können wir das ändern. Wenn Sie wollen, dass die Globalisierung gerecht gestaltet wird, stimmen Sie unserem Antrag zu, unterstützen Sie den UN-Binding-Treaty und stoppen Sie die weitere Stärkung der Macht großer Konzerne durch die Etablierung eines internationalen Investitionsgerichtshofs. Vielen Dank. ({3})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Pascal Meiser. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion: Dr. Heribert Hirte. ({0})

Prof. Dr. Heribert Hirte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004302, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Schriftführer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer!

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Oh, das ist eine Premiere.

Prof. Dr. Heribert Hirte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004302, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, das muss auch mal sein; denn sie arbeiten bis tief in die Nacht, wie wir ja auch. ({0}) Wir reden heute zum x‑ten Mal über Freihandel und die damit verbundenen und dies absichernden internationalen Schiedsgerichte. Ich erinnere daran, dass dieses Thema in der letzten Legislaturperiode fast wöchentlich auf der Tagesordnung stand, vor allen Dingen im Zusammenhang mit TTIP und CETA. Einer der Hauptkritikpunkte – ich werde gleich noch etwas dazu sagen – waren die Schiedsverfahren, über die wir jetzt schon einiges gehört haben. Lassen Sie mich zunächst sagen: Wir haben vor allen Dingen bei CETA durch Diskussionen, die wir hier im Haus geführt haben, sehr viel erreicht. Ich bin gespannt, was das Bundesverfassungsgericht nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in einigen Wochen oder Monaten zu diesem Thema sagen wird. Ich freue mich auf die Diskussion hier im Haus, wenn wir CETA endgültig verabschieden werden. ({1}) Wir haben gesehen, dass das Verfahren der Schiedsgerichte nicht ideal ist. Ich plädiere dafür, ein stehendes Gericht zu schaffen. Ich habe gesagt, wir müssen die Richterbestellung an dieses Haus rückbinden – ein Punkt, der möglicherweise bei der Umsetzung von CETA eine Rolle spielen wird. Und ich habe gesagt: Wir brauchen besondere Regeln für kleine und mittlere Unternehmen. All das haben wir in CETA nachträglich erreicht. ({2}) In der Frage zu einem Berufungsgericht war ich anderer Meinung; aber auch darüber kann man trefflich streiten. In dem Grünenantrag loben Sie zunächst einmal den Schritt nach vorne, den wir gemacht haben; das finde ich richtig. Ich weise darauf hin, dass wir das Mandat für den multilateralen Gerichtshof, über den wir jetzt reden, verabschiedet haben. Sie gehen mit Ihrem Antrag einen deutlichen Schritt weiter und sagen, es gehe bislang nur um Investitionsschutz und andere Punkte wie die Abwägung mit Menschenrechten, Umweltschutz und Sozialstandards fehlten. So wie Sie den Antrag formulieren – das muss ich sagen –, geht das nicht. Letztlich geht es Ihnen darum, weltweit einheitliche Standards und ein einheitliches Abwägungsprozedere durchzusetzen. ({3}) – Ja, die Mindeststandards. – Sie wollen die Mindeststandards ähnlich dem Völkerrecht, das für die gesamte Welt gilt, festschreiben. Das wollen wir sozusagen mit unseren Mitteln erreichen. Ich kann nur sagen: Bei uns ist schon die Frage, wie weit Völkerrecht gilt, nämlich über Ratifikation oder indirekt – wir haben das beim Pakt für Migration in den letzten Wochen intensiv diskutiert –, eine heillos umstrittene Frage. Das, was Sie hier machen wollen, ist – ich sage es vorsichtig – mutig. Denn ich kann mir kaum einen Staat – und das ist in der Debatte schon angeklungen – vorstellen, der sagt: Deutsche Standards akzeptieren wir eins zu eins in der ganzen Welt, und wir akzeptieren auch deutsche NGOs und andere Kläger, die in anderen Ländern dieser Welt diese Standards durchsetzen. – Das ist eine abenteuerliche Vorstellung ({4}) – Das gilt dann ja in beide Richtungen. – Wenn Sie diese sozusagen Geltungsentleerung vornehmen, stellt sich die Frage, wie das mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar sein soll, die besagt, dass wir selbst definieren, welche Regeln bei uns gelten. Meines Erachtens geht das so nicht. Sie sagen: Wir wollen an die Investitionsschutzabkommen andocken. – Meines Erachtens sind nicht die Vereinten Nationen der richtige Regelungsort, sondern die Welthandelsorganisation. Es müsste dann in die WTO gebracht werden, und genau in diese Richtung denken wir ja auch. Es gilt Folgendes: Die Standards, die Sie normieren wollen, sind geltendes Recht, soweit sie in den entsprechenden Ländern umgesetzt werden. Sie dürfen nur nicht diskriminierend und enteignend angewandt werden. Die entscheidende Frage ist, wer sie auslegt. Darüber kann man natürlich trefflich streiten. Ob das nationale Gerichte tun, supranationale Gerichte, stehende Gerichte oder Schiedsgerichte, wie auch immer zusammengesetzt, das ist doch eine Frage der Verhandlung zwischen souveränen Staaten, die darüber entscheiden können, dürfen und müssen und dies in eigener Verantwortung auch tun. Und daran sind wir als Parlament in jedem Einzelfall beteiligt. ({5}) Sie sagen – auch das wurde schon angesprochen –, dass Sie die Durchsetzung dieser Rechte in die Hände – ich zitiere – lokaler Gemeinschaften, Gewerkschaften oder anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen legen wollen. Ehrlich gesagt, auch das ist abenteuerlich. Es ist aus meiner Sicht mit dem Demokratieprinzip nicht im Ansatz vereinbar, irgendwelchen Institutionen die Durchsetzung von Recht zu ermöglichen, die in keiner überprüfbaren Weise demokratisch legitimiert sind. Die Deutsche Umwelthilfe wurde schon angesprochen. Ich glaube, auch dieses Beispiel zeigt, dass diesbezüglich die Sensibilität erhöht werden muss. Im Übrigen sage ich zu diesem Parteitagsbeschluss – weil wir darüber zum Teil auch schon öffentlich diskutiert haben –: Der Ansatzpunkt ist aus meiner Sicht nicht die möglicherweise oder angeblich fehlende Gemeinnützigkeit, sondern die Zusammensetzung des Verbandes – über diese Frage haben wir auch bei der Musterfeststellungsklage diskutiert – bzw. die Finanzierung des Verbandes. ({6}) Aber demokratisch ist das so nicht. Damit bin ich beim letzten Punkt; das ist vielleicht der entscheidende Punkt. Sie von den Grünen und den Linken sagen, wir könnten Konzernen keine Klageprivilegien einräumen, wir müssten diese Privilegien beenden. Nein, es geht nicht um Privilegien, sondern es geht darum, dass im Sinne gelebter Subsidiarität denen, die aus einem Investitionsschutzabkommen Rechte ableiten, auf einem verkürzten Weg die Wahrnehmung dieser Rechte gestattet wird. Das wird demokratisch legitimiert. Das ist demokratisch legitimiert, weil wir darüber entschieden haben. Wenn Sie sagen, solche Schiedsgerichte könnten entsprechende Schadenssummen auswerfen, dann sage ich: Ja, aber die Alternative ist, dass Gesetze rückabgewickelt werden. Ich muss sagen: Ich möchte nicht, dass durch Schiedsgerichte Gesetze abgewickelt werden; dann lieber Schadenersatz. ({7}) Ihr Verhalten ist im Übrigen widersprüchlich, weil Sie im Zusammenhang mit der Musterfeststellungsklage fordern – möglicherweise zu Recht –, dass Schadenersatz in Geld geleistet wird, und zwar in viel größerem Umfang. Warum soll das in die eine Richtung nicht möglich sein, in die andere aber doch? Das passt nicht zusammen. ({8}) Schließlich haben Sie gesagt, Investitionsgerichte seien mit der deutschen Tradition nicht vereinbar. Der Deutsche Richterbund hätte dies gesagt. Nein, es geht um die Frage, ob die Richter unabhängig sind und ob sie unabhängig bestellt sind. Das heißt, das Verfahren ist entscheidend. Es ist nicht so, dass es in Deutschland nicht auch Kritikpunkte gibt. Ich nenne den Richter Reuschle aus Stuttgart oder den Insolvenzrichter Frind aus Hamburg. Es ist nicht so, dass aus dem Ausland nicht auch auf solche Fälle geguckt wird. Deshalb kann ich durchaus verstehen, dass an der einen oder anderen Stelle Fragezeichen gesetzt werden. In diesem Sinne sage ich: Lassen Sie uns über die Sache weiterdiskutieren. Das ist ein Ansatz für die Diskussion; aber über Weihnachten machen wir Pause. Gesegnete Weihnachten und eine neue Debattenkultur im nächsten Jahr! Vielen Dank. Alles Gute! ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Hirte. – Nächster Redner: Falko Mohrs für die SPD-Fraktion. ({0})

Falko Mohrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004824, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! In der Debatte ist jetzt einiges durcheinandergekommen. Wir haben Anträge vorliegen, bei denen es um multilaterale Investitionsgerichtshöfe geht. Zwischendurch wurde in der Diskussion der Eindruck vermittelt, wir würden mal eben die gesamte Weltordnung mit diesen Gerichtshöfen klären. Herr Meiser, Sie sprachen davon, dass wir über Ihren Antrag die ganze Globalisierung fairer gestalten könnten. Dann sollte der Antrag aber etwas anders ausgerichtet sein und von mehr als bloß Investitionsgerichtshöfen handeln. Wenn Sie die Fragen der Gerechtigkeit in der Globalisierung auf die Frage der Investitionen reduzieren, dann springen Sie doch ein klein wenig zu kurz. ({0}) – Natürlich habe ich den Antrag gelesen. Ich kann Ihnen auch sagen, dass Sie immer nach dem gleichen Muster vorgehen: Sie lehnen immer und grundsätzlich all das ab, bei dem es um den Investitionsschutz geht. Das ist aber einfach zu wenig. Wenn wir uns überlegen, wo wir in Sachen Investitionsschutz herkommen, stellen wir fest, dass es eigentlich darum geht – das ist doch das Problem –, dass wir im Moment einen großen Mangel an Unabhängigkeit bei privaten Schiedsgerichten haben. Das ist das Defizit, von dem wir ausgehen. Das ist das Defizit, über das wir eine Diskussion führen müssen. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Europäische Union – mein Kollege Herr Töns hat das ja deutlich gemacht – auf der Grundlage unserer Diskussion innerhalb der SPD getrieben vom Wirtschaftsminister auf den Weg gemacht hat, um über die Frage der privaten Investitionsschutzgerichte hinauszugehen und zu einem wirklich multilateralen, internationalen Ansatz zu kommen. ({1}) Denn wir brauchen – das ist doch der Anspruch, wenn wir über Investitionsschutz reden – transparente Verfahren. Wir brauchen eine transparente Rechtsprechung. Deswegen ist es wichtig, dass die Richter nicht immer nur für das einzelne Verfahren ausgesucht werden, sondern die Richterinnen und Richter über einen langen Zeitraum unabhängig agieren können, dass sie nicht nur auf diejenigen schielend, die sie bestellt haben, Urteile fällen, sondern wirklich unabhängig agieren können. ({2}) Eine Anmerkung: Herr Meiser, Frau Dröge, Sie waren ja beide, wenn ich mich richtig erinnere, in der Anhörung am 6. Juni 2018 dabei. Herr Meiser, Sie haben hier den Deutschen Richterbund zitiert. Vielleicht erinnern Sie sich, dass dieser Sachverständige von allen Sachverständigen, die zur Anhörung eingeladen waren, der Einzige war, der das, was Sie hier dargestellt haben, infrage gestellt hat. Alle anderen haben tatsächlich gesagt: Wir brauchen dieses Mehr an Transparenz; wir müssen den Weg zu den internationalen Schiedsgerichtshöfen gehen. Das ist doch eine der Kernaussagen dieser Anhörung gewesen. ({3}) – Ja, eben, wir können uns gerne verabreden, um vor der Diskussion über Ihren Antrag im Wirtschaftsausschuss die Protokolle der Anhörung zusammen durchzugehen. ({4}) Dann können wir auf der Grundlage noch einmal darüber diskutieren. Wir freuen uns auf die Diskussion. Ich habe unseren Ansatz deutlich gemacht. Herzlichen Dank fürs Zuhören. Schöne Feiertage! ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Falko Mohrs. – Nächste Rednerin: Anja Hajduk für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben mit unserem Antrag in der Tat ein bisschen weit nach vorne geschaut; das will ich gerne einräumen. Aber wir haben das in der Überzeugung gemacht, dass es richtig ist, den Multilateralismus zu stärken. Ich glaube, wir können ihn nur stärken, wenn wir ihn qualitativ besser machen und anreichern. ({0}) Ich will das erklären. Es gibt Fraktionen, die den Multilateralismus gar nicht so schätzen, die ihn nicht wollen und nicht begeistert davon sind – geschenkt. Aber wir haben in Deutschland, eine Exportnation, ein Riesenproblem in unserer eigenen Gesellschaft mit der Akzeptanz von Freihandel. Das haben wir gemerkt an dem großen Widerstand gegen TTIP und CETA. Ein Punkt, an dem sich ganz viele Leute stoßen und reiben, ist – zumindest haben sie das Gefühl, und ich kann als ehemalige Senatorin sagen, dass das nicht nur ein Gefühl ist, sondern dass da auch Druck entsteht –, dass internationale Konzerne versuchen, rechtliche Privilegien auszuspielen, die sie durch alte Abkommen mit privaten Schiedsgerichten haben. Die werden ausgenutzt, und wir sind aufgerufen, daran etwas zu ändern. ({1}) Deswegen verfolgen wir mit unserem Antrag nicht das Ziel, Ketten an den Freihandel zu legen, vielmehr verfolgen wir das Ziel, für Kohärenz zwischen internationalen Abkommen zu sorgen. Wenn es ein internationales Klimaschutzabkommen gibt, dann macht es doch Sinn, dass auch für den internationalen Freihandel eine Kohärenz zwischen Freihandel und Klimaschutzzielen möglichst hergestellt wird. ({2}) Deswegen wollen wir überhaupt keine deutschen Standards verabreichen – das wäre nicht multilateral –; aber wir wollen, dass Gerichte abwägen dürfen, ob Konzerninteressen, die legitim sein können, im Widerspruch zu anderen internationalen Abkommen stehen, egal ob sie Arbeitsrecht, Umweltrecht oder Klimaschutz betreffen. ({3}) Das sind die Idee und der Geist unseres Antrages. Ich bin durchaus adventlich gestimmt: Wir wollen diese Diskussion mit Ihnen weiterführen; aber wir erlauben uns, an der Stelle ehrgeizig zu sein, klar zu sein. Wir sind der Meinung, dass wirtschaftliche, ökologische und soziale Interessen auch im Multilateralismus zusammengedacht werden sollten. So erreichen wir mehr Akzeptanz, und das täte unserem Globus gut. Herzlichen Dank. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Anja Hajduk. – Letzter Redner in dieser Debatte: Bernhard Loos für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Bernhard Loos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004806, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen! Staaten haben keine Freunde, nur Interessen. Dieses bis heute ungebrochen gültige Zitat von Charles de Gaulle unterstreicht die Notwendigkeit von internationalen Abkommen. Und mehr noch: Deutschland ist als europäische Exportnation Nummer eins in existenzieller Weise auf verlässliche Handelsvereinbarungen angewiesen, einklagbar auch von deutschen Unternehmen; denn wie heißt es so schön: Beim Geld hört die Freundschaft auf. Daher wäre ein Multilateraler Investitionsgerichtshof für die deutschen Exportunternehmen ein wirtschaftspolitischer Gewinn an Sicherheit für ihre Investitionen im Ausland – in einer globalisierten Welt eine klare Sache, die eigentlich jedem einleuchtet. Nun wollen Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, aus einem geplanten Multilateralen Investitionsgerichtshof einen Gerichtshof für Soziales, Ökologisches und Menschenrechte basteln und damit die eigentliche Arbeit eines MIG verwässern. Leider sind Sie wieder etwas zu spät dran; denn die Fraktion der Linken hat bereits am 22. November 2017, also vor gut einem Jahr, einen inhaltlich weitgehend ähnlichen Antrag eingebracht ({0}) und gleich das Ende eines solchen Investitionsgerichtshofs gefordert, verbunden mit dem Ausstieg aus bestehenden Investitionsabkommen. Müssen Sie von Bündnis 90/Die Grünen deshalb auch etwas zum MIG sagen, so nach dem Motto des Münchener Originals Karl Valentin: „Es ist schon alles gesagt, aber halt noch nicht von allen“? Vor genau sechs Monaten hatten wir hier eine Debatte über CETA und JEFTA. Auch damals waren Ihnen von den Fraktionen der Linken und der Grünen diese Abkommen ein Dorn im Auge, vor allem wegen der Trennung der Verträge in „nur EU“ und einem zweiten Teil in Form eines gemischten Abkommens als Reaktion der EU auf die negativen TTIP-Verhandlungserfahrungen vor allem in Deutschland. Jetzt ist aber nicht mehr die Zeit für politische Spielchen und Showveranstaltungen. Die Unternehmen in unserem Lande erwarten von der Politik eine klare Absicherung für ihre Investitionen durch klare internationale Handelsregelungen, die einklagbar sind. Meine Damen und Herren von der grünen und der linken Opposition, man kann es nicht oft genug sagen: Hätten wir damals das TTIP-Abkommen abgeschlossen und nicht über nicht existente Chlorhühnchen diskutiert, wäre es für den America-first-Präsidenten Donald Trump jetzt nicht so einfach, Strafzölle auf Stahl, Aluminium und bald wohl auch auf deutsche Autos zu erheben ({1}) und damit Wachstum und Arbeitsplätze zu gefährden; denn durch gemeinsame Handelsregelungen und offene Märkte sichern wir den Wohlstand in unserem Land angesichts einer immer weiter fortschreitenden Globalisierung. Zu solchen internationalen Handelsverträgen gehören eben auch Multilaterale Investitionsgerichtshöfe. Lassen Sie mich kurz noch etwas Grundsätzliches sagen: Freier Handel statt staatlich kontrollierter und geschützter Wirtschaft, das macht den Unterschied. Freier Handel mehrt Wachstum und Wohlstand, falscher Protektionismus schadet ihm. Wir als Union stehen für Freihandelsabkommen, für eine offene und faire Handelspolitik mit unseren Partnern in der EU, mit unseren G-7-Partnern und weltweit. Nach einem Jahr verschiedenster wirtschaftspolitischer Debatten hier im Hohen Haus wird eines klar – sagen wir es doch ganz einfach –: Sie von der Linken und den Grünen haben grundsätzliche Probleme mit einem globalisierten Handel. ({2}) Sie wollen, dass sich alle anderen Handelspartner an unseren deutschen Vorstellungen orientieren. Ich will keine Sonderrolle Deutschlands. Ich glaube auch nicht, dass wir immer alles besser wissen als alle anderen. Im Endeffekt läuft der Antrag der Grünen konsequent auf die Abschaffung eines effektiven Investitionsschutzes durch Überblähung des MIG hinaus. Sie von den Grünen behindern das Schutzbedürfnis deutscher Investoren im Ausland. Deswegen steht Ihre Haltung im Widerspruch zu den außenpolitischen Interessen Deutschlands. Der Europäische Rat hat am 20. März 2018 das EU-Mandat und die Richtlinien zur Verhandlung über die Errichtung eines Multilateralen Investitionsgerichtshofs beschlossen. Die Vorgaben sind klar, richtig, ausreichend und umfassend. Der MIG soll die bestehenden materiellen Regeln des Investitionsschutzes erhalten und die Schiedsgerichte aus den bilateralen Investitionsschutzverträgen von EU-Mitgliedstaaten mit Drittstaaten und die bilateralen Investitionsgerichte in EU-Abkommen mit Investitionsschutz, zum Beispiel CETA, ersetzen können. Ziel des MIG ist es, Legitimität der Rechtsstaatlichkeit sowie Transparenz und Einheitlichkeit der Rechtsprechung in der Investor-Staat-Streitbeteiligung weiter zu verbessern und die Anreize für missbräuchliche Klagen zu senken. Die Verhandlungsrichtlinien des Mandats sehen daher einen transparenten MIG, ähnlich dem System des Investitionsgerichts CETA, mit öffentlich ernannten Richtern und Berufungsmechanismen vor. Die EU-Kommission, die EU-Mitgliedstaaten und Kanada werben gegenwärtig bei der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht für die Einrichtung des MIG. Das unterstützt unsere Wirtschaft und sichert unsere Arbeitsplätze. Noch ein Wort zum FDP-Antrag vom April dieses Jahres.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Darf ich Sie an die Redezeit erinnern? Sie sind schon drüber.

Bernhard Loos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004806, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ein letzter Satz. – Die von Ihnen geforderten Maßnahmen werden entweder bereits umgesetzt oder befinden sich in der Planung. Daher ist Ihr Antrag eine unnötige Wiederholung. Wir werden den vorliegenden Anträgen nicht zustimmen; denn sie gefährden deutsche Arbeitsplätze und den Wohlstand in unserem Land. Sie sind unnötig. Ich danke für die Aufmerksamkeit. – Ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch. Auf noch bessere Debatten im nächsten Jahr! ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Bernhard Loos. – Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5908 mit dem Titel „Multilateralen Gerichtshof an soziale, ökologische, menschenrechtliche und wirtschaftliche Völkerrechtsnormen binden – Klageprivilegien für Konzerne ablehnen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Zugestimmt hat Bündnis 90/Die Grünen, dagegen waren die Fraktion Die Linke, SPD, CDU/CSU, FDP und AfD-Fraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt. Wir kommen zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie auf Drucksache 19/5666. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/1694 mit dem Titel „Rechtssicherheit im internationalen Investitionsschutz“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Gegen die Beschlussempfehlung war die Fraktion der FDP, für die Beschlussempfehlung waren die Fraktionen der Linken, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und AfD. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/97 mit dem Titel „Den Rechtsstaat stärken – Multilateralen Investitionsgerichtshof ablehnen und Paralleljustiz für Konzerne stoppen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben die Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und FDP, dagegengestimmt hat die Fraktion der Linken, und enthalten hat sich die Fraktion der AfD.

Tobias Matthias Peterka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004850, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Vorliegender Gesetzentwurf soll die Strafschärfung bei Rückfall wieder einführen; denn nachdem wir in Deutschland Jahrhunderte – mit mehreren Staatsformen und schlimmen Rückschlägen – gebraucht haben, um einen anerkannten Rechtsstaat zu erreichen, sind wir dabei, alles wieder – freiwillig – aus dem Fenster zu werfen. Jeder, der nicht beide Augen zukneift, kann dies live verfolgen. Es wäre auch viel zu sagen zu dem Dunkelfeld, in welchem sich auch das Zivilrecht und das öffentliche Recht in diesem Land bewegen, die oft nur noch ein Schulterzucken wert sind. Aber hier soll es jetzt um das Strafrecht gehen, um die Strafzumessung. Wieder eingeführt werden soll in verfeinerter Form der § 48 StGB, übrigens damals auf den Weg gebracht von der sozial-liberalen Koalition – nur falls hier nachher wieder der ganz billige historische Holzhammer auf den Weg gebracht werden soll. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Kollege, erlauben Sie eine Frage oder Bemerkung vonseiten der FDP?

Tobias Matthias Peterka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004850, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Nachher dann gerne.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Gut. ({0})

Tobias Matthias Peterka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004850, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Als Intervention gerne. – Wir wählen hier eine Drei-Strikes-Lösung. Viele US-Bundesstaaten fahren dieses Modell, zum Teil noch sehr viel härter ausgeprägt und im Übrigen erfolgreich. Ähnliche Regelungen gibt es auch in vielen EU-Staaten. Eine Gesellschaft mit galoppierender Eigentums- und Gewaltkriminalität muss den Abschreckungs- und Sühneaspekt in ihrem Strafrecht hochhalten, um nicht jeden Respekt einzubüßen. Ich rede bei der alltäglichen Kriminalität nicht über die Statistiken im Hellbereich, die Sie sicher gleich anführen werden. Ich rede von dem Ladenbesitzer, der gar keinen Diebstahl mehr anzeigt, weil er ohnehin eine Flatrate mit seiner Versicherung ausmachen musste. Ich rede von überfallenen Einwohnern gekippter Stadtteile, die noch auf dem Boden liegend abwinken und gar nicht erst zur Polizei gehen. ({0}) Tagtäglich wird unser Rechtsstaat verletzt. Er wird verächtlich gemacht, ({1}) weil er für schwach gehalten wird, weil er inzwischen auch schwach geworden ist. Wenn in kleinen Städten die Polizei ihren Praktikanten schon nicht mehr mitteilt, wie viele Streifenwagen sie besetzen können, weil dies für Ablenkungsmanöver benutzt werden kann, ({2}) dann ist dies ein Zeichen für allgemeine Freibeuterstimmung. Nicht nur, aber gerade in Parallelgesellschaften gilt: Greife zu, wer kann! Sonst ist vielleicht bald nichts mehr übrig von dem schönen, wehrlosen Beutestaat. ({3}) Und wenn die verbliebenen Polizisten den Eindruck haben, dass ihre Zugriffe ohnehin nichts bringen, weil der fünfzehnfache Ladendieb morgen wieder frei herumläuft und auch der Totschläger nach drei Zuckerfesten wieder frei ist, dann sinkt die Moral auf Dienst nach Vorschrift, und zwar bestenfalls. ({4}) Das Gesetz, das hier als Entwurf vorliegt, löst ab der dritten Tat eine erhebliche Strafschärfung aus. Das Tatschuldprinzip ist berücksichtigt; dies ist auch bereits verfassungsrechtlich bestätigt worden. ({5}) „Drei Strikes und du bist raus“, das ist ein Merksatz, den jeder Straftäter im Hinterkopf behalten kann und auch im Hinterkopf behalten wird, wenn der neue Paragraf kommt. Gerade kleine Verstöße werden nicht mehr als „erlaubt“ oder als „schadet keinem“ angesehen; denn nun schaden sie irgendwann dem Täter: mit zwingender erheblicher Freiheitsstrafe. ({6}) Was schwere Delikte angeht, ist vor allem das richterliche Ermessen einzuschränken. Oft wird hier der Täter zum Opfer gemacht, wird auf Teufel komm raus auch die x-te Chance noch vergeben. Rehabilitation in allen Ehren, aber irgendwann geht die unschuldige Restgesellschaft einfach vor. ({7}) Bei Verbrechen gegen gleichartige Rechtsgüter sind beim dritten Strike fünf Jahre Mindeststrafe vorgesehen, bei Verbrechen gegen die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person oder die sexuelle Selbstbestimmung zehn Jahre. Und kommen Sie mir jetzt nicht mit spektakulären Fällen, bei denen dieses Maß ohnehin überschritten sein mag! Es geht uns hier gerade um die alltäglichen kleinen und mittleren Erschütterungen unseres Rechtsstaats; diese zermürben uns, diese lassen die Bürger resignieren oder vielleicht auch sich bewaffnen. ({8}) – Möglicherweise leben Sie in Vierteln, wo man sich noch ziert, den Sperrmüll einmal einen Tag früher rauszustellen. Hier geht es aber um Tätergruppen, die unseren Staat als dekadent und zahnlos feiern, die dabei sind, unsere ganze Zivilgesellschaft auf den Sperrmüll zu werfen. Und glauben Sie mir: Der Abholtermin ist nicht mehr weit. ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Denken Sie an Ihre Redezeit.

Tobias Matthias Peterka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004850, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Zum Abschluss noch: Der Attentäter von Straßburg wäre aufgrund von Vortaten in Baden-Württemberg, wenn diese Regel gelten würde, derzeit im Gefängnis, drei Menschen würden noch leben. Das gebe ich Ihnen über die Feiertage mal zum Nachdenken mit.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Denken Sie an Ihre Redezeit.

Tobias Matthias Peterka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004850, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielleicht hilft es ja was. Vielen Dank. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Ingmar Jung. ({0})

Ingmar Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004770, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eben habe ich ganz kurz bedauert, dass wir beim Hammelsprung doch eine Mehrheit hatten. ({0}) Dann wäre uns diese Debatte, wie wir sie eben erlebt haben, erspart geblieben. ({1}) Ich habe mir vorgenommen, vielleicht als erster Redner mal zur Sache zu sprechen, ({2}) und zwar zu diesem Gesetzentwurf, den wir vor uns haben. Eben, eine Minute vor dem Ende, haben wir etwas dazu gehört; vorher handelte es sich um irgendetwas Gesamtgesellschaftliches. ({3}) – Ja, „Sperrmüll“ habe ich auch gehört; das habe ich nicht verstanden. ({4}) – Nein, ich sage nichts zu Straßburg, Herr Kollege; denn es geht hier um etwas ganz anderes. Ich rede einfach mal zur Sache und mache es nicht so wie Sie, ({5}) nämlich jede Vorlage zu nutzen, um immer dasselbe daherzureden. ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir diskutieren heute über die Frage: Wie kommen wir zu einer angemessenen Strafe im Strafprozessrecht, zu einer Strafe, die schuld- und tatangemessen ist und im Einzelfall auch gerecht? Da hätte ich einen Formulierungsvorschlag: Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. So steht es in § 46 StGB, und damit leben wir bisher ganz gut, meine Damen und Herren. ({7}) Für den Einzelfall gibt es natürlich die Abwägungsmöglichkeiten des Gerichtes. Wir haben eben gehört: Die AfD will das Ermessen des Gerichtes einschränken. Das ist nicht meine Vorstellung von Gewaltenteilung, das sage ich Ihnen ganz ehrlich. ({8}) Wir wollen im Einzelfall tat- und schuldangemessene Strafen finden. Damit eines klar ist: Ein Wiederholungstäter, ein Rückfalltäter ist – außer in besonderen Ausnahmefällen – selbstverständlich härter zu bestrafen als ein anderer Täter. Deswegen besagt § 46 ja auch, dass das Vorleben des Täters zu berücksichtigen ist. Das ist geltende Rechtslage, meine Damen und Herren; das sollten wir an der Stelle auch nicht ignorieren. Übrigens: Jeder, der ein Rechtsreferendariat gemacht hat ({9}) und in der Strafstation war, weiß: Das Erste, was man in die Ermittlungsakte einheftet, ist das Zentralregister, damit die Vorstrafen sowohl im Ermittlungsverfahren als auch später beim Finden der gerechten Strafe berücksichtigt werden. Das ist alles aktuelle Rechtslage. Tun Sie doch nicht immer so, als seien das völlig neue Ideen, die Sie hier haben! Jetzt haben wir in diesem Gesetzentwurf als Paradebeispiel das schneidige Österreich; in Österreich gibt es diese Schärfungsvorschrift. Da stellen wir uns doch die Frage: Warum können wir Deutschen das nicht auch? Tatsächlich, in Österreich gibt es die Vorschrift, dass der Richter in bestimmten Fällen – bei Rückfalltätern – den Strafrahmen, also die Höchststrafe, um die Hälfte erhöhen kann. Aber wenn wir Österreich als Paradebeispiel des starken Rechtsstaates und der harten Strafe sehen, dann müssen wir ja auch mal schauen, welche Höchststrafen im österreichischen StGB festgelegt sind. Ich habe ein paar Beispiele mitgebracht: Totschlag: in Österreich 10 Jahre, in Deutschland 15. Körperverletzung: in Österreich 1 Jahr, in Deutschland 5 Jahre. Körperverletzung mit Todesfolge: in Österreich 10 Jahre, in Deutschland 15 Jahre. ({10}) Menschenhandel mit Gewaltanwendung: in Österreich 5 Jahre, in Deutschland 10 Jahre. Diebstahl: in Österreich 6 Monate, in Deutschland 5 Jahre. Nötigung: in Österreich 1 Jahr, in Deutschland 3 Jahre. Betrug: in Österreich 6 Monate, in Deutschland 5 Jahre. Raub: in Österreich 10 Jahre, in Deutschland 15 Jahre. – Fällt Ihnen irgendetwas auf, meine Damen und Herren? ({11}) – Ja, ihr habt es gemerkt; da bin ich froh. – Österreich geht von völlig anderen Voraussetzungen aus. Es hat viel engere Strafrahmen und schafft aufgrund der Verengung des Strafrahmens bei Rückfalltätern dann eben die Möglichkeit, diesen ein Stück weit zu erhöhen, und der liegt dann übrigens in fast allen Fällen immer noch deutlich unter dem Deutschlands. Das ist eine völlig andere Situation. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Das ist nicht sachgerecht, meine Damen und Herren. ({12}) – Herr Kollege Grosse-Brömer, daran habe ich Zweifel, aber ich will es nicht aufgeben. ({13}) Darüber hinaus, meine Damen und Herren, kommen wir mit dem Vorschlag, den wir hier vorliegen haben, zu erheblichen Wertungswidersprüchen im Einzelfall. Das können wir einfach nicht ausschließen. Ja, es gab einmal diesen § 48, und wir haben gerade gehört, dieser werde jetzt leicht verfeinert vorgelegt. Na ja, also in der alten Fassung, die einmal Gesetz war und aus guten Gründen abgeschafft wurde, war es so, dass unter ähnlichen Voraussetzungen wie nach diesem Vorschlag bei einer dreimonatigen Freiheitsstrafe im Vorfall mindestens eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten galt, aber nicht die Hälfte der Höchststrafe, im Zweifel also 5 oder 7,5 Jahre. Das ist eine völlig andere Rechtslage. Und die Sonderregel für Verbrechen – 5 Jahre, in besonderen Fällen 10 Jahre Mindeststrafe – war im alten § 48 gar nicht enthalten. Daraus also zu schließen, dass, wenn dieser Paragraf verfassungskonform war, dieser Vorschlag automatisch auch verfassungskonform ist, ist ziemlich irre, meine Damen und Herren; denn das eine hat mit dem anderen wenig zu tun. Es ist nicht nur eine Verfeinerung. Ich will am Ende vielleicht noch sagen: Wir sollten hier nicht jedes Mal versuchen, unseren Rechtsstaat schlechtzureden. Ja, es gibt einzelne Urteile, die auch mir nicht passen – das sage ich Ihnen ganz ehrlich –, wo auch ich zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Aber insgesamt fahren wir mit dem System, bei dem wir die Möglichkeit haben, in jedem Einzelfall schuld- und tatangemessen zu urteilen, sehr gut. Wir sollten uns nicht jedes Mal über die Justiz erheben und glauben, dass wir es besser wüssten als die Richter, die vor Ort die Urteile fällen, meine Damen und Herren. ({14}) Außerdem: Wenn es hier Gruppen im Parlament geben sollte, die glauben, etwas für den Rechtsstaat tun zu wollen, dann kann ich Sie ganz herzlich einladen, uns zu unterstützen. Wir tun nämlich einiges. Wir sind gerade dabei, die Mittel- und Personalausstattung für die Gerichte, für die Staatsanwälte und für die Polizei zu erhöhen. Wir machen die Strafprozessordnung fit für die Zukunft. Das sind Mittel, die dazu führen, dass unser Rechtsstaat stark bleibt. Dafür müssen wir sorgen. Das hilft mehr als Vorlagen, die am Ende zu nichts führen. Wir haben eben gehört, dass sich Ladeninhaber nicht mehr trauen, eine Anzeige zu machen. Wenn dem so wäre, wüsste ich gerne einmal, was eine Strafschärfungsvorschrift im Rückfall bei einer zweiten oder dritten Verurteilung bringen soll. Das sind hier doch alles Schaukämpfe. Also, ich lade Sie herzlich ein: Pakt für den Rechtsstaat, unterstützen Sie uns dabei! Dann kommen wir weiter. Vielleicht kommen wir am Ende ja gemeinsam auf die Idee, bei diesem Gesetzentwurf nicht das gesamte Verfahren zu bestreiten. Das würde uns Raum für wichtige Debatten geben. Herzlichen Dank. ({15})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Ingmar Jung. – Nächster Redner: Dr. Jürgen Martens für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Jürgen Martens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004816, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, mit dem wir uns hier befassen müssen, wurde schon mit einer nicht zutreffenden Behauptung eingeführt. § 48 StGB alter Fassung ist nicht von der sozialliberalen Koalition auf den Weg gebracht worden, sondern mit einem Gesetz aus dem Juni 1969 von der Großen Koalition. Aber das kann Herr Peterka nicht wissen; der ist ja Jahrgang 82. Man hätte sich aber schlau machen können. ({0}) Aber gut, das sind Kleinigkeiten, auf die es der AfD nicht ankommt; mit Zahlen und Fakten haben die es nicht so. Jetzt soll eine Strafverschärfung für Rückfalltaten eingeführt werden, die es schon einmal gab und wieder abgeschafft wurde. ({1}) – Aus gutem Grund einmütig. – Nicht einmal die Opposition hat damals opponiert. Damals war die SPD in der Opposition; das war 1986. Diese Regelung hatte sich schlicht nicht bewährt. Die von ihr erhofften Wirkungen sind ausgeblieben. Aber das interessiert die AfD natürlich nicht. Zur Begründung verweisen Sie auf statistische Rückfallquoten; aber das belegt überhaupt nichts, meine Damen und Herren. Interessant wäre ein Vergleich der Rückfallquoten in der Zeit, als es den alten § 48 StGB gab, und den Zeiten danach. Das kann man machen; denn dazu gibt es in der Tat Studien. Die belegen: § 48 hat keine Wirkung gehabt. Ihre Regelung wird genauso wenig eine Wirkung haben; denn die Rückfallquoten sind vergleichbar. Sie ändern sich nicht durch eine Rückfallverschärfung. Das ist nachgewiesen durch Studien, nur weigern Sie sich offensichtlich, das zur Kenntnis zu nehmen. ({2}) Aber es kommt noch besser. In der Gesetzesbegründung führen Sie an, als Faktoren für höhere Rückfallquoten gelten die Verbüßung von Haftstrafen, die Zahl von Vortaten und die Schwere der Sanktionen. In Ihrem Gesetzentwurf heißt es dazu: Mit der Zahl der Vortaten und der Schwere der Sanktionen nimmt die Rückfallrate nicht etwa ab, sondern drastisch zu. Und deshalb wollen Sie uns hier heute klarmachen, dass Sie die Rückfallquoten verringern, indem Sie die Sanktionen verschärfen? Sie haben Ihren eigenen Gesetzentwurf nicht verstanden. ({3}) Sie erklären uns hier, dass das, was Sie vorhaben, völlig wirkungslos, ja, sogar kontraproduktiv ist, und erhoffen sich dafür auch noch Beifall. Den gibt es mit Sicherheit nicht, meine Damen und Herren. ({4}) Stattdessen faseln Sie in der Begründung von einem „generalpräventiv erforderlichen Wegsperren“. Auch das ist bereits dogmatisch falsch. Generalprävention ist das Einwirken auf einen Ersttäter, indem man versucht, ihn von der Tat abzuhalten. Darum geht es Ihnen aber nicht. Es geht um die Behandlung von Wiederholungstätern. Das ist aber keine Generalprävention, sondern Spezialprävention. ({5}) Ein bisschen Fachkenntnis könnte Ihnen, glaube ich, wirklich guttun. Die Strafverschärfung allein aufgrund der Anzahl von Vortaten wäre mit dem Schuldprinzip unseres Strafrechts schlicht unvereinbar. Aber auch das interessiert Sie nicht. Stattdessen verweisen Sie auf die Three-Strikes-Lehre der USA. Die Bundesstaaten, die diese eingeführt haben, wenden sie inzwischen zunehmend nicht mehr an. In den USA – das Land hat 5 Prozent der Weltbevölkerung – leben 25 Prozent aller Inhaftierten auf diesem Globus. Die Sicherheitslage in den USA ist deswegen nicht besser. ({6}) Auch dieses Argument zieht nicht. Aus welcher Mottenkiste Ihr Gesetzentwurf kommt, zeigt sich auch bei der Wortwahl. Dort wird im besten NS-Jargon vom „Gewohnheitsverbrecher“ gesprochen oder vom „Verbrecher, der ein Recht auf Freiheit verwirkt“ habe, so als hätte der Bürger ein Recht auf Freiheit und nicht Freiheit als solche, die er verwirken könnte, indem man sie ihm wegnimmt. ({7}) Meine Damen und Herren, ein Indianersprichwort sagt: Steig ab, wenn das Pferd, auf dem du reitest, tot ist. – Lassen Sie mich mit einer etwas weihnachtlicheren Formulierung schließen: Sie fahren auf einem Schlitten, vor den Sie zwei Rentierskelette gespannt haben. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Jürgen Martens. – Nächster Redner: Dr. Johannes Fechner für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Johannes Fechner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nach diesem Treffer noch reden zu müssen, ist undankbar. ({0}) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Einmal mehr legt die AfD einen handwerklich schlecht gemachten Gesetzentwurf vor, der zudem gefährlich ist, weil er für mehr Kriminalität sorgen würde. Vom Vorsitzenden des Rechtsausschusses sind wir gewohnt, dass er regelmäßig rechtspolitische Debatten schwänzt, aber dass der Redner der AfD keinen einzigen Kollegen aus seiner Fraktion aus dem Rechtsausschuss hier ins Plenum bekommt, dass Sie von den eigenen Leuten so im Stich gelassen werden, zeigt doch die dünne Qualität dieses Gesetzentwurfs, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Deutschland ist eines der sichersten Länder. Damit das auch so bleibt, hat die Große Koalition schon in der letzten Wahlperiode viel getan, und wir haben auch noch viel vor. Zum Beispiel haben wir im Bereich der Prävention mit unserem Förderprogramm für Einbruchschutz dafür gesorgt – wie alle Experten sagen –, dass die Einbrüche in Deutschland zurückgehen, und dieses Programm haben wir um 80 Millionen Euro aufgestockt. Wir haben das Strafrecht dort, wo es sinnvoll war, etwa im Sexualstrafrecht oder bei den Attacken gegen Rettungskräfte, verschärft. Und vor allem werden wir für mehr Personal sorgen. Wir haben schon in der letzten Wahlperiode 3 000 zusätzliche Stellen bei den Sicherheitsbehörden geschaffen. Wir haben mehr Personal beim Generalbundesanwalt und beim BGH geschaffen. Und ich hoffe, dass wir im Januar auch zu dem Pakt für den Rechtsstaat kommen und damit 2 000 zusätzliche Stellen für die Justiz schaffen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit solchen Maßnahmen sorgen wir für mehr Sicherheit, mit solchen Maßnahmen bekämpfen wir Kriminalität, nicht mit Ihrem Gesetzentwurf. Sie wollen die Leute ja nur wegsperren, meine Damen und Herren. ({2}) Heute Morgen haben wir das Gute-Kita-Gesetz verabschiedet. Warum sage ich das? Ich finde, mit guten Bildungseinrichtungen, mit guten Bildungsangeboten verschaffen wir jungen Leuten einen Berufsabschluss und damit eine Lebensperspektive. Das ist für mich, nebenbei gesagt, auch Kriminalitätsprävention. Auch deswegen war das Gute-Kita-Gesetz eine wichtige Maßnahme, die wir heute Morgen beschlossen haben. ({3}) Der AfD-Gesetzentwurf ist schlampig formuliert. Auf Seite 1 schreiben Sie zum Beispiel „Fragesteller“. Offensichtlich war der Text des Gesetzentwurfs für eine Anfrage geplant. ({4}) Sie zeigen aber auch allein schon durch Ihre Sprache, wes Geistes Kind dieser Gesetzentwurf ist. Begriffe wie „sozialschädliche Gewohnheitsverbrecher“, angebliches Verwirken des Rechts auf Freiheit, Bürger mit angeblich angeborenen schädlichen Neigungen – das sind Begriffe, die an die finstersten Zeiten in Deutschland erinnern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das will ich hier ausdrücklich sagen. ({5}) Auch rechtsdogmatisch ist Ihr Gesetzentwurf indiskutabel. Für den Strafrahmen maßgeblich ist der Unwertgehalt der Handlung, der durch den Rückfall eben nicht erhöht wird. Aus guten Gründen wurde deshalb 1986, mit Zustimmung über alle Parteigrenzen hinweg, der damalige, vergleichsweise noch harmlose, § 48 in der alten Version gestrichen. Ich glaube, das war eine richtige Maßnahme, die damals getroffen wurde. Vor allem aber – und das ist mir der wichtigste Punkt – ist Ihr andauerndes Misstrauen gegenüber unserer Justiz eine schallende Ohrfeige für alle Staatsanwälte und alle Strafrichter in Deutschland, die oft unter hoher Arbeitsbelastung ihren Dienst für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland tun. ({6}) Es ist einfach unerträglich, wie Sie den hart arbeitenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälten und Strafrichtern immer wieder vorwerfen, zu lasch zu urteilen und den jeweiligen Strafrahmen nicht auszuschöpfen. In Ihrem Gesetzentwurf sprechen Sie ausdrücklich vom Misstrauen gegenüber der Judikative. Dieses Dauermisstrauen gegenüber der Justiz ist, wie gesagt, eine schallende Ohrfeige, die die Arbeit der Staatsanwälte und Strafrichter in Deutschland in einer unangemessenen Weise herabwürdigt. Das können wir nicht dulden. ({7}) Sie verweisen auf den Fall in Straßburg. Ich war vor wenigen Tagen selbst mit meiner Familie auf diesem wunderschönen Weihnachtsmarkt. Der Fall in Straßburg ist ein Beispiel dafür, dass Ihr Gesetzentwurf überhaupt nichts bringen würde; denn die längste Haftstrafe hat der Täter für seine Einbrüche in Deutschland bekommen. Wir haben also eine hart urteilende, eine angemessen urteilende Justiz in Deutschland. Von einer laschen Justiz kann überhaupt keine Rede sein. Und es war der Gefängnisaufenthalt, der diese Person radikalisiert hat. Das heißt, je länger man jemanden wegsperrt, desto höher ist das Risiko, dass er ins kriminelle Milieu abdriftet und eine kriminelle Karriere starten wird. ({8}) Auch dazu gibt es genügend Studien, die Sie natürlich ignorieren, wie Sie es auch in Ihrem Gesetzentwurf tun. Insofern: Der Gesetzentwurf ist nicht zu unterstützen. Er würde nichts bringen, sondern würde – im Gegenteil – für mehr Kriminalität in Deutschland sorgen. ({9}) Vielen Dank. ({10})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Niema Movassat, Die Linke. ({0})

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass Ihnen von der AfD eigentlich Ihr eigener Gesetzentwurf überhaupt nicht wichtig ist, haben Sie vorhin gezeigt, als Sie die Beschlussfähigkeit des Bundestages angezweifelt haben und damit die Sitzung des Bundestages beenden wollten. Ich kann das durchaus verstehen. Sie haben eine äußerst sinnlose Änderung des Strafgesetzbuches vorgeschlagen. Darüber würde ich an Ihrer Stelle auch nicht reden wollen. ({0}) Sie wollen also § 48 StGB wieder einführen – eine Gesetzesänderung, die explizit regeln soll, dass Straftäter, die rückfällig werden, die also wieder Straftaten begehen, härter bestraft werden. Ich will kurz begründen, warum Ihr Gesetzentwurf überflüssig ist: Erstens gab es § 48 StGB schon mal in ähnlicher Form, und er wurde nach sehr kurzer Existenz 1986 wieder abgeschafft. Alle Fraktionen im Bundestag waren sich damals einig: § 48 StGB ist wirkungslos, er ist sogar schädlich. So sagte der Abgeordnete Beckmann von der FDP 1985 zur Begründung der Abschaffung des § 48 StGB – ich zitiere –: Die Regelung hat sich in der praktischen Anwendung nicht bewährt. Besonders bei Bagatelldelikten hat sie zu nicht mehr vertretbaren Ergebnissen geführt. Die oft als allzu hart empfundene Strafe gegenüber der Geringwertigkeit des verletzten Rechtsguts hat sich negativ auf die … Resozialisierung ausgewirkt. Halten wir fest: Die AfD will wieder etwas im Strafrecht einführen, von dem man weiß, dass es Unsinn ist. So unbelehrbar muss man erst mal sein. ({1}) Zweitens ist das Vorleben – und damit auch Vorstrafen von Tätern – immer zentral für die Strafzumessung. Lesen Sie mal § 46 StGB. Insgesamt enthält das Strafgesetzbuch hinreichende Regeln für die richterliche Urteilspraxis, um Strafen tätergerecht zu bemessen. Und dann gibt es noch § 66 StGB: die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung bei bestimmten Wiederholungstätern. Unabhängig davon, wie man zur Sicherungsverwahrung steht, folgt sie – anders als das, was die AfD will – zumindest einem generalpräventiven und opferschützenden Gedanken. Das Strafrecht bietet also jetzt schon Möglichkeiten, Wiederholungstäter härter zu bestrafen. Das, was die AfD vorschlägt, ist überflüssig. ({2}) Drittens würden noch mehr Strafzumessungsregeln dazu führen, dass Richter kaum noch eine vernünftige Einzelfallwürdigung vornehmen können. Aber genau darum geht es im Strafverfahren: Der Richter soll sich den Täter und den Einzelfall anschauen; er soll schauen, wie glaubwürdig der Täter ist, ob er Reue zeigt. Es gibt eben nicht den Rückfalltäter, wie es die AfD heute suggerieren möchte. ({3}) Die AfD will weg von der Einzelfallbetrachtung, hin zur pauschalen Vorverurteilung. Das ist abzulehnen. ({4}) Das moderne Strafrecht ist kein Pranger, wie es die AfD gerne hätte. Es hat die Aufgabe, Straftäter wieder in die Gesellschaft einzugliedern. ({5}) Der AfD-Gesetzentwurf dient ausschließlich der Abschreckung. Das ist eine Strafrechtsvorstellung von vorvorgestern. ({6}) Sie beweisen in Ihrem Gesetzentwurf, wie haarsträubend Ihr Gedankengut ist, wenn Sie von der „schädlichen Neigung“ des Täters reden. Diesen Begriff wollen Sie in § 48 StGB aufnehmen. Die „schädliche Neigung“ ist ein Begriff aus dem Jugendstrafrecht und soll dort erzieherischen Zielen dienen. Es ist hochgradig strittig, ob das überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist. Aber Sie wollen das Ganze auch noch systemwidrig ins Erwachsenenstrafrecht überführen. Sie führen damit eine Gesinnungsprüfung im Erwachsenenstrafrecht ein. Das gab es nur zu dunklen Zeiten in Deutschland, und das wollen wir nie wieder in unserem Strafrecht haben. ({7}) Zum Schluss der peinlichste Teil Ihres Gesetzentwurfes. Sie stellen selbst richtig fest, dass schwere Strafen eher dazu führen, dass es zu Wiederholungstaten kommt. Wer also lange im Gefängnis sitzt, wird eher wieder rückfällig. Und was bietet die AfD dann als Lösung? Noch härtere Strafen, die dann zu noch mehr Wiederholungstätern führen. Ja, diese Logik muss man erst mal verstehen. Ich rate Ihnen: Denken Sie über Weihnachten noch mal in Ruhe über Ihren Gesetzentwurf nach, und ziehen Sie ihn heute zurück. Sie blamieren sich damit sonst wirklich völlig. Danke schön. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Canan Bayram, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin. ({0})

Canan Bayram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004665, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tatsächlich haben alle, die sich an dieser Debatte beteiligt haben, ein Interesse daran, dass Straftäter nicht rückfällig werden. Da sind wir uns einig, das hat auch jeder hier deutlich gemacht. Umso mehr verwundert es, was für ein Gesetzentwurf hier vorgelegt wird; denn er bewirkt im Ergebnis – das haben die Vorredner auch schon gesagt – genau das Gegenteil. Deswegen kann man diesen Gesetzentwurf tatsächlich nur ablehnen. Das will ich schon mal vorweg sagen. ({0}) § 48 StGB wurde aus guten Gründen vor über 30 Jahren abgeschafft. Es ist halt so: Er hat sich nicht bewährt, er ist auch in Teilen entbehrlich gewesen. Insoweit verwundert es tatsächlich, dass Sie ihn wieder aus der Mottenkiste ausgepackt haben. Wenn man es sich genau anschaut, dann sieht man, dass Sie in Ihren Gesetzentwurf einen Absatz 3 eingebaut haben, der in seiner Absurdität kaum zu überbieten ist und der systemwidrig ist. In der Begründung zu diesem Absatz deuten Sie an, dass die Strafverschärfungen eine Antwort auf das Leid der Opfer sein sollen. Da sage ich ganz ehrlich: Das ist die falsche Stelle. Natürlich müssen wir uns mit dem Leid der Opfer beschäftigen, aber nicht an dieser Stelle. Das ist ein Irrweg, den Sie dort beschritten haben. Das tragen wir so nicht mit. ({1}) Wenn man sich anschaut, worum es Ihnen geht, dann sieht man: Es geht Ihnen um Freiheitsstrafe – am liebsten ganz viel davon, am liebsten wegsperren. Das haben die Kollegen vorher auch schon festgestellt. Aber diese Einstellung verkennt – der Vollzug liegt ja mittlerweile in der Zuständigkeit der Bundesländer –, was eigentlich der Sinn von Freiheitsstrafe ist. Freiheitsstrafe hat Resozialisierung zum Gegenstand. Gehen Sie wirklich mal in die Justizvollzugsanstalten in Ihren Bundesländern! Sie werden sehen, dass man sich dort um die Menschen bemüht. Man bemüht sich darum, dass die Menschen, nachdem sie einen Fehler begangen haben, den Weg zurück in die Gesellschaft finden. Die AfD hat ein komplett anderes Verständnis von Justizvollzug als der Rest dieses Hauses. Auch das kann ich, glaube ich, hier feststellen. ({2}) Da der Gesetzentwurf sowohl inhaltsleer als auch völlig unsinnig ist, will ich die letzte Minute meiner Redezeit darauf verwenden, mich bei allen Menschen zu bedanken, die in der Strafrechtspflege und im Justizvollzug dafür sorgen, dass Menschen, Straftäter, nicht wieder rückfällig werden. Diesen Dienst werden sie auch über Weihnachten in den Justizvollzugsanstalten verrichten. Ganz herzlichen Dank, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in all den Justizvollzugsanstalten in Deutschland! ({3}) Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen – die meisten von Ihnen werden nicht so wie ich in Berlin feiern –, wünsche ich eine gute Fahrt nach Hause, jetzt, durch die AfD verschuldet, eine Stunde später als erwartet, ({4}) frohe Festtage und einen guten Rutsch. ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Alexander Hoffmann, CDU/CSU. ({0})

Alexander Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004304, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Peterka, ich sage jetzt einfach mal: Schade. Denn ich habe eigentlich gedacht, auch vom Thema her, dass wir heute durchaus fachlich und sachlich tief und rechtspolitisch angemessen dieses Thema aufarbeiten können. ({0}) – Ja, tatsächlich. – Ich habe mich dann im Laufe Ihrer Rede gefragt, in welchem Land Sie leben, wenn Sie von „Freibeuterstimmung“ und einem „Beutestaat“ reden. An der Stelle Ihrer Rede, als Sie gesagt haben: „Es gibt Leute, die ihren Sperrmüll heute schon rausstellen“, habe ich gedacht: Das kommt an diesem Rednerpult auch manchmal vor, dass Leute ihren Sperrmüll in verbaler Art und Weise rausstellen. ({1}) Ich will Ihnen auch noch etwas dazu sagen, weil ich die Art und Weise, wie Sie die Debatten führen, für gefährlich halte. Ich glaube, die Rechtspolitik ist nicht der Raum, um dort Strafrecht nach der Schweinehundtheorie zu konstruieren, die sich bei Ihnen vor allem an der Herkunft und der Gesinnung entlanghangelt. Wenn Sie dann auch noch ausdrücklich sagen, dass Sie richterliches Ermessen einschränken wollen, dann läuft es mir eiskalt den Rücken herunter, und dann will ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Da haben wir in diesem Haus einen anderen Anspruch. ({2}) Ich möchte noch ein paar Sätze dazu sagen, warum ich mir von der Debatte fachlich und sachlich mehr erhofft hatte. Denn man kann in der Tat darüber nachdenken – das tun wir beim Pakt für den Rechtsstaat auch –, was man strafrechtlich machen kann, um vor allem auch präventiv mehr auf Täter einzuwirken. Beim Wiederholungstäter muss es natürlich um Sanktionen gehen – denn es ist ein Mehr an Schuld –, und es muss auch um Prävention gehen. Aber man darf nicht ausblenden, dass wir mit § 48 StGB alter Fassung schon Erfahrungen gesammelt haben; Kollege Martens hat es gesagt. Er hatte eigentlich nicht die erhoffte Wirkung, ganz im Gegenteil. Wir stellen heute fest, dass nach der Abschaffung von § 48 das Strafmaß nicht niedriger geworden ist. Denn das, was § 48 damals formuliert hat, geht komplett in den heute anerkannten Regeln der Strafzumessung auf, die – das müssten Sie wissen – gerade auch vom BGH in den letzten Jahrzehnten sehr feingliedrig entwickelt worden sind. Da sind Komponenten wie Vorstrafen und auch die Rückfallgeschwindigkeit ausdrücklich und zwingend zu berücksichtigen. Das darf also heute schon kein Richter außen vor lassen, weil das unter Umständen in seinem Urteil schon den Grund dafür, in die nächste Instanz zu gehen, geben könnte, zumal man auch feststellen muss – auch das ist angeklungen –: Strafzumessung bedeutet Einzelfallgerechtigkeit, und es verbieten sich schematische Vorgaben, die der Einzelfallgerechtigkeit im Ergebnis entgegenstehen können. Wenn man eine Norm ins Feld führt, die vorsieht, den Rückfall ausdrücklich als strafschärfend gesetzlich zu regeln, dann muss man in dem entsprechenden Gesetzentwurf auch erklären – aber das machen Sie nicht –, warum nicht auch andere Komponenten wie zum Beispiel besondere schwere Auswirkungen beim Opfer ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt werden. Die Systematik in Österreich ist genannt worden. Ich glaube nicht, dass das als Beispiel trägt. Die Österreicher haben eine andere Systematik, was die Strafrahmen angeht. Ich glaube, dass sich unser Prinzip bewährt hat, weil wir die Strafzumessung in die Hand unabhängiger Gerichte legen, und ich glaube, dass wir gerade auf Unabhängigkeit großen Wert legen müssen. Ich will am Ende dieser Debatte, kurz bevor Weihnachtsstimmung aufkommt, noch einen Punkt anmerken. Wenn Sie Ihren Gesetzentwurf hier vorstellen, merkt man schon, dass Sie sich in der Rolle der Partei der Rechtsstaatlichkeit gefallen – mit viel Pathos. Ich muss Ihnen aber ehrlich sagen: Wenn man diese Rolle spielen will, dann muss man sich auch in allen Belangen daran halten. In diesen Tagen wurde Ihre Fraktionsvorsitzende Frau Weidel mit dem Satz zitiert: Von den Gelbwesten in Frankreich können wir lernen. ({3}) Wenn ich Bilder von ausgebrannten Autos sehe, geplünderte Geschäfte – auch das ist eine Straftat –, eingeschlagene Fensterscheiben ({4}) und verletzte Polizisten, dann muss ich ganz ehrlich sagen: So ein Satz darf von einer Partei, die eine Partei des Rechtsstaats sein will, mit Sicherheit nicht kommen. ({5}) – Man kann natürlich darüber reden, dass es verschiedene Aspekte gibt. Aber das ist schon ein halbes Zurückrudern. Sie sollten mir eigentlich recht geben und sagen: Der Satz ist letztendlich zu platt. – Er passt nämlich nicht in einen Rechtsstaat, Herr Kollege. ({6}) Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und eine besinnliche Zeit. ({7}) Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dr. Karl-Heinz Brunner, SPD, ist der letzte Redner in dieser Debatte. ({0})

Dr. Karl Heinz Brunner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004256, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Heute, könnte man sagen, haben wir in der Rubrik „Dinge, die die Welt nicht braucht“ es mit der Strafverschärfung bei Rückfall zu tun. Und ausnahmsweise, so habe ich festgestellt, wird als Begründung mal nicht die Migration, sondern eine Untersuchung des Justizministeriums für die Jahre 2004 bis 2013 herangezogen. Doch aus der Untersuchung werden nicht die Schlüsse gezogen, die erforderlich wären, sondern es wird ein Gesetzesvorhaben gestrickt, das mehr an die Erkenntnisse einer amerikanischen Krimisoap der Privatsender anknüpft, in der der Rachegedanke für die spannende Handlung sorgt. Das ist viel, viel netter als das mühsame Erkenntnisverfahren, in dem die unterschiedliche Schwere der Schuld bzw. der Unwertgehalt der Strafhandlung für die Zumessung der Strafe maßgeblich sind und das den Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten viel, viel Fleiß und Arbeit abverlangt. Doch schauen wir uns den Entwurf mal genauer an. Eigentlich ist er nichts anderes als die Wiedereinführung des schon zitierten alten § 48 StGB, allerdings in einer deutlich schärferen Form. Ich sage: eine rechtsstaatliche Zumutung. Das zeigt die Wortwahl, der braune Geist, der da drinsteckt. So erhalten längst überwundene Begriffe Einzug in das, was uns eigentlich schützen soll: in unser Strafrecht, und zwar Begriffe wie der „sozialschädliche Gewohnheitsverbrecher“ – man erinnere sich: einst erfunden, um Sinti und Roma anlasslos aus der Gesellschaft zu entfernen –, die Verwirkung des Rechts auf Freiheit oder sozialschädliche Neigungen, die wir lange Zeit im Jugendstrafrecht hatten. ({0}) Wer stellt sie fest? Wer stellt den Charaktermangel fest? Ich könnte hier auch gewisse Charaktermängel feststellen, aber ich wage es nicht zu tun. Hinzu kommt das Wiederaufleben des alten § 19 JGG, der über 40 Jahre Jugendstrafe sogar auf unbestimmte Dauer ermöglichte und Naziideologie in Reinform war. Doch das Beispiel des § 19 JGG zeigt, wohin die Reise gehen soll, nämlich direkt in die 30er- und 40er-Jahre, in das dunkelste Kapitel unserer Nation, als Juristen, Staatsanwälte und Richter, wenn sie nicht selbst Hand anlegten, sich zumindest zu willfährigen Helfershelfern und Henkern machten, und zwar genau deshalb, weil sie eben nicht unabhängig waren und nicht selbstständig das Strafmaß feststellen konnten, wie es heute der Fall ist. Heute jedoch, so hoffe ich, sind wir in der Zivilisation angekommen. Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen und Heranwachsenden entgegenwirken. Zum Erreichen dieses Ziels sind die Rechtsfolgen und das Verfahren, soweit es möglich ist, am Erziehungsgedanken auszurichten. Und bei Erwachsenen ist das Ziel die Resozialisierung – dies gerade deshalb, weil die Erfahrung gezeigt hat – das belegen die Statistiken aus den Vereinigten Staaten von Amerika, die schon zitiert worden sind, ganz deutlich –, dass härtere Sanktionen nicht zu einer geringeren Rückfallwahrscheinlichkeit führen, sondern dass im Gegenteil die Resozialisierung das fördert. Freiheitsentzug ist dafür weder sinnvoll noch erfolgversprechend. Die Streichung des § 19 JGG im Jahr 1989 ist aus gutem Grunde erfolgt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Kürze der Zeit, als letzter Redner und kurz vor Weihnachten noch ein paar weihnachtliche Gedanken: Wir brauchen keine Verschärfung des Strafrechts, aber wir können einiges tun. Wir können auch in der Vorweihnachtszeit etwas tun, nämlich unsere Justizvollzugsanstalten personell so ausstatten, dass sie ihrem Auftrag zur Resozialisierung nachkommen können; ({1}) Gerichts- und Bewährungshilfe so ausstatten, dass die Anzahl der zu betreuenden Probanden eine Hilfe tatsächlich ermöglicht; die Sozialdienste in den Justizvollzugsanstalten befähigen, auch mit Geldmitteln Strafentlassenen in prekären Wohnlagen, wie hier in Berlin, Wohnraum zu verschaffen, damit sie nicht erneut in die Kriminalität fallen, und zuletzt auch die Begleiter der Straffälligen bei der Arbeitsplatzsuche unterstützen. Dafür sollten wir etwas tun; denn wegsperren war schon immer die schlechteste aller Lösungen. Das möchte ich auch in der Vorweihnachtszeit nicht. Ich wünsche Ihnen von Herzen ein gesegnetes Weihnachtsfest, einen ruhigen Advent und ein gutes 2019. ({2})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf der Drucksache 19/6371 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den nächsten sechs Jahren werden bis zu 583 000 Fachkräfte in den Kitas benötigt. Absehbar wird davon nur die Hälfte verfügbar sein. Zusätzlich fehlen im Feld der Jugendhilfe Zehntausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jugendämtern, in den Allgemeinen Sozialen Diensten, bei den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern. Warum ist das ein Problem? Das führt zu großen Kitagruppen und schlechter Qualität; das Thema hatten wir heute früh. Das führt dazu, dass Beschäftigte ausgebrannt werden, dass viele das Feld schnell verlassen, dass Einrichtungen wegen Personalmangel schließen müssen, dass die Plätze in den Einrichtungen reduziert und Öffnungszeiten eingeschränkt werden. Das führt zu hohen Fallzahlen in den Jugendämtern und zu einem Qualitätsverlust in der Kinder- und Jugendhilfe. Das hat Bedeutung für Kinder, für Eltern und für die Beschäftigten. Was bedeutet das für Kinder, wenn in der Kinder- und Jugendhilfe Personal fehlt? Die Kinder- und Jugendhilfe ist ebenso wie die Kita ein Stück weit Reparaturbetrieb unserer Gesellschaft. Das sehr weitreichende Kinder- und Jugendhilfegesetz formuliert klare Rechtsansprüche. Aber um die zu untersetzen, braucht es Personal. Welche Bedeutung hat das für Eltern? Eltern, die ihre Kinder morgens nicht in die Kita bringen können, weil die Öffnungszeiten auf sechs Stunden eingegrenzt werden oder weil eine Kita zeitweise wegen Personalmangel ganz schließen muss, haben ein großes Problem. Eltern, die gar keinen Kitaplatz finden, haben noch ein größeres Problem, weil sie häufig nicht wissen, wie sie im nächsten Monat ihre Miete zahlen sollen, wenn einer nicht mehr arbeiten gehen kann. Welche Bedeutung hat das für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Hohe Arbeitsbelastung, insbesondere in den Kitas, führt dazu, dass heute schon 37 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher sagen, sie sind unzufrieden mit der Qualität ihrer eigenen Arbeit. Bei den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sagt das jeder Zweite. 72 Prozent der Beschäftigten in dem Feld sagen, sie leiden an übermäßigem Stress. Das ist schlecht. Ich finde, das sollten wir endlich ändern. ({0}) Der auch auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragene Kitaausbau und die Einsparungen in der Kinder- und Jugendhilfe der letzten 20 bis 30 Jahre rächen sich nun. Weil wieder eine SGB-VIII-Novelle droht, sage ich nach den Erfahrungen der letzten Wahlperiode insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und der SPD: Wir brauchen mehr Beschäftigte im Feld. Was wir nicht brauchen, sind abgemilderte Rechtsansprüche für Kinder, die auch damit gerechtfertigt werden, dass Länder und Kommunen sagen: Wir kriegen es nicht hin. Wir müssen sparen. Oder: Wir finden die Beschäftigten nicht. – Nein, andersrum wird ein Schuh draus: Wir müssen die Rechtsansprüche stärken, auch im SGB VIII, gerade im Kinder- und Jugendhilferecht. Dafür brauchen wir mehr Beschäftigte. ({1}) Klar ist: Wir werden diesen Personalmangel nicht schnell auflösen können. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir die Hände jetzt einfach in den Schoß legen und sagen: Dann ist das nun so. – Zehntausende Menschen haben das Berufsfeld wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren verlassen. Diejenigen, die in der sozialen Arbeit und in Kitas arbeiten, sind meistens Überzeugungstäterinnen und Überzeugungstäter. Die sind zurückgewinnbar für ihre eigentliche Profession. Dafür schlagen wir als Linke einige Maßnahmen vor; einige wenige möchte ich vorstellen. Erstens. Wir finden, dass in Kitas mehr multiprofessionelle Teams eingesetzt werden sollten. Das heißt, dass die Tätigkeit der Erzieherinnen und Erzieher – die sind uns sehr wichtig – im Kern so bestehen bleiben sollte, aber sie von fachfremden Aufgaben wie Mittagessen-Ausgeben oder Telefondiensten befreit werden sollten. Insgesamt darf der Beruf aber nicht abgewertet werden. Zweitens. Wir wollen ein Bundeskitaqualitätsgesetz – damit nerve ich Sie auch noch weitere drei Jahre –, das verlässliche Standards in allen Teilen der Republik gewährleistet. Drittens. Wir wollen, dass im Allgemeinen Sozialen Dienst endlich Fallzahlbegrenzungen eingeführt werden, damit angemessen mit den Rechten der Familien und Kinder umgegangen werden kann und am Ende nicht nach Aktenlage entschieden werden muss. Die Zustände im Allgemeinen Sozialen Dienst – das zeigt uns gerade die Studie „ASD in Not“ –, in den Jugendämtern sind häufig eine systematische, institutionelle Kindeswohlgefährdung. Das muss endlich aufhören. ({2}) Viertens. 2019 werden Verdi und die GEW die Tarifvereinbarung zu den Sozial- und Erziehungsberufen kündigen. Danach werden wir eine ganze Phase von Arbeitskämpfen und Auseinandersetzungen erleben, gerade im öffentlichen Dienst. Für Die Linke sage ich jetzt schon: Wir werden uns an die Seite der Beschäftigten stellen, auch wenn es zu Arbeitskampfmaßnahmen kommt, weil wir glauben: Entscheidend ist eine Aufwertung der Berufe. Entscheidend ist zwar auch mehr Ausbildung, aber vor allen Dingen eine Aufwertung des Berufsfeldes insgesamt, damit mehr Beschäftigte zurückkehren und wir die Lücke von 583 000 fehlenden Fachkräften wenigstens etwas schließen können, jedenfalls um deutlich mehr, als die Fachkräfteoffensive des Bundes momentan vermuten lässt. Vielen Dank. ({3})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Marcus Weinberg, CDU/CSU. ({0})

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Müller, Sie haben ein wichtiges Thema angesprochen, nämlich den Fachkräftemangel in den Bereichen, in denen mit Kindern gearbeitet wird. Wir haben heute Morgen das Gute-Kita-Gesetz verabschiedet. Jetzt, am Ende des Debattentages, diskutieren wir über die Situation der Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe. Es ist tatsächlich so – da stimme ich Ihnen zu –: Eine ganz zentrale Aufgabe liegt beim ASD, beim Allgemeinen Sozialen Dienst, bei den Menschen, die darüber entscheiden, ob zum Beispiel Kinder aus einer Familie geholt werden oder ein Kind in eine Pflegefamilie, in eine Heimunterbringung kommt. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Kinder, auf die Familie. Uns muss daran gelegen sein, diese Debatte zu führen, sowohl hier im Deutschen Bundestag – ich komme gleich zur Frage des föderativen Systems –, als auch in der Gesellschaft; denn es gibt viele einzelne Fälle. Diejenigen, die zum Beispiel aus Großstädten wie Hamburg kommen, können eine Reihe von Namen von Kindern nennen, die elendig zugrunde gegangen sind, verhungert sind, gestorben sind, weil möglicherweise auch gewisse systemische oder strukturelle Defizite in der Kinder- und Jugendhilfe vorliegen. Deswegen müssen wir darüber reden. Herr Müller, ich habe Ihre Vorschläge insgesamt gelesen; die sind in Teilen sehr spannend, sehr interessant. Aber ich muss ganz offen sagen – jetzt bin ich wieder beim föderativen System und der Fragestellung, was wir ordnungspolitisch gerade anstellen –: Wir haben eine klare Aufteilung der Kompetenzen. Es gibt eine Bundeskompetenz, es gibt eine Richtlinienkompetenz – Reform des SGB VIII –, die liegt bei uns, aber die Ausführung obliegt den Ländern und den Kommunen. Ich will nicht immer von dieser Stelle an die Länder diesen Appell richten, aber bei permanenter Mischfinanzierung wissen wir irgendwann nicht mehr: Wer hat welche Aufgaben, und wer hat welche Ansprüche zu erfüllen? Deswegen noch mal der ganz klare Hinweis: Es geht hier um Länderkompetenzen. Die Erledigung der meisten von Ihnen genannten Punkte obliegt den Ländern; da gehört sie auch hin. ({0}) Jetzt komme ich inhaltlich auf drei Themen in Bezug auf die Fragestellung „Wie muss es im ASD weitergehen?“ zu sprechen – es gibt ja viele Studien, die man auch sehr kritisch betrachten kann, aber es gab auch sehr viele Termine und Gespräche mit den Allgemeinen Sozialen Diensten zum Thema: wohin muss es gehen? –: Erstens: gute Arbeitsbedingungen. Zweitens: gute und faire Löhne; denn die, die mit Menschen arbeiten, müssen besser bezahlt werden. Das Dritte ist eine qualitativ hochwertige Ausbildung und Weiterbildung von denjenigen, die mit Kindern arbeiten. Richtig ist, dass wir im Bereich der Kindertagesbetreuung – wir haben heute Morgen darüber gesprochen – einen massiven Fachkräftemangel haben werden. Es fehlen möglicherweise bis zu 300 000 Erzieherinnen und Erzieher. Bei ASD haben wir jetzt schon ein Personaldefizit von ungefähr 4 000 Stellen. Dazu kommt eine höhere Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn sie tragische Fälle bearbeiten müssen, in denen Kindesmissbrauch, Vernachlässigung von Kindern oder Gewalt an Kindern eine Rolle spielt. Das ist eine besondere Situation für diejenigen, die dort arbeiten. Das auszuhalten und durchzuhalten, ist eine besondere Herausforderung. Deswegen ist es wichtig, dass diese Mitarbeiter dafür weiter qualifiziert werden. Richtig ist, dass es in diesem Bereich im Moment zu wenig Bewerber gibt. Es gibt kaum Nachwuchsförderung und eine hohe Fluktuation. Das ist das größte Problem; denn die jungen Menschen, die in der Verwaltung arbeiten, sind in großer Sorge angesichts der Dinge, die auf sie zukommen könnten, und weigern sich möglicherweise, in diesen so wichtigen Bereich zu gehen. Der Krankenstand ist enorm hoch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Allgemeinen Sozialen Dienstes, und die Mehrarbeit muss natürlich immer, wie überall, von Kolleginnen und Kollegen übernommen werden. Ich komme gleich zu den Aufgaben, die der Bund meines Erachtens übernehmen muss. Vorher möchte ich aber noch eine Bemerkung zu Ihren Vorschlägen machen. Sie haben von einer Obergrenze bei den Fallzahlen gesprochen. Darüber kann man diskutieren. Die Zahl 35 steht im Raum. Ich will aber darauf hinweisen, dass kein Fall mit einem anderen Fall vergleichbar ist. Jeder Fall ist ein besonderer Fall. Deswegen, glaube ich, muss man sehr intensiv darüber nachdenken, ob und wo man diese Fallobergrenzen einzieht. Auch hierbei plädiere ich dafür, dass das die Kommunen und die Länder entscheiden; denn ein Jugendamt in Hamburg-Altona oder Hamburg-Wilhelmsburg ist zum Beispiel mit anderen soziokulturellen Herausforderungen konfrontiert als ein Jugendamt im Bergischen Land. Deswegen, glaube ich, sollte man die Frage einer Fallobergrenze weiterhin den Ländern und Kommunen überlassen. Diese Diskussion muss aber geführt werden. Was kann nun der Bund machen? Heute Morgen haben wir lang und breit über das Gute-Kita-Gesetz diskutiert. Wir haben auch eine Fachkräfteoffensive im Bereich Kita im Umfang von 40 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Das wird natürlich nicht reichen. Ich weise aber noch einmal darauf hin: Das ist Aufgabe der Länder. Wir haben aber als Koalition gesagt – darauf möchte ich noch einmal hinweisen –, dass diejenigen, die im weiteren Umfeld gemeinschaftlich mit dem ASD arbeiten, eine gemeinsame Aufgabenstruktur haben – also Familienrichter, Gutachter, Verfahrensbeistände – eine breite Qualifizierung brauchen. Das ist elementar; denn das sind diejenigen, die als Gutachter und als Familienrichter Entscheidungen treffen und das Jugendamt in einer wichtigen Funktion unterstützen. Sie haben den SGB-VIII-Reformkurs angesprochen. Ja, wir haben ihn damals nicht zu Ende geführt. Dafür gab es auch – mit Verlaub – gute Gründe. Aber ich sage auch – ich kann das an dieser Stelle sehr positiv bewerten –, dass sich das Ministerium auf den Weg gemacht hat, diesen Reformkurs noch einmal aufzunehmen. Aufgrund meiner ersten Wahrnehmungen kann ich sagen: Es ist genau richtig, was dort momentan passiert. Wir werden aber – das ist klar – genau darauf achten, wo es hingeht, und im Übrigen darüber sprechen müssen, wie wir diejenigen mit aufnehmen können, die negative Erfahrungen mit dem Jugendamt gemacht haben. Die meisten Jugendämter arbeiten exzellent, aber es gibt natürlich hier und da auch einmal negative Wahrnehmungen. Als Politik muss es uns doch wichtig sein, zu fragen: Wo sind Eltern denn enttäuscht worden? Warum können Eltern oder sogar Großeltern ihre Kinder oder Enkelkinder nicht mehr sehen? Wir als Abgeordnete, als gewählte Volksvertreter, sind diejenigen, die das aufnehmen müssen. Richtig und wichtig ist – das haben Sie angesprochen – der Bereich der Forschung und der wissenschaftlichen Begleitung. Es geht um die Anlaufstelle zum einen und die Frage der Auswertung zum anderen, um zu analysieren, wo im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe strukturelle oder systemische Defizite liegen. Der Einzelfall ist immer besonders und immer schwierig. Systemisches und Strukturelles müssen wir aber überprüfen; das werden wir auch machen. Da haben wir auch in der Frage der wissenschaftlichen Wahrnehmung unsere Aufgaben. Das heißt, der Bund wird hier seinen Teil beitragen. Ein letzter Punkt. Bei den Kommunen und Ländern liegen die Hauptaufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe. Wir haben als Koalition in der letzten Legislaturperiode die Kommunen und die Länder um fast 100 Milliarden Euro – 100 Milliarden Euro! – entlastet. Damit ist auch etwas verbunden, was für uns wichtig ist: Die Kommunen müssen ihre originären Aufgaben wahrnehmen. Das können wir auch verlangen. Wir sagen: In den Bereichen, in denen wir euch nicht entlasten können, liegen eure originären Aufgaben. – Wenn wir das gemeinsam analysieren und besprechen, welche Wege wir gehen, finden wir den richtigen Weg. Das, was Sie fordern, ist allerdings eine deutliche Übernahme von Kompetenzen, die uns nicht zustehen. Deswegen ist Ihr Antrag abzulehnen. Vielen Dank. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag erteile ich dem Abgeordneten Frank Pasemann, AfD, das Wort. ({0})

Frank Pasemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004847, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Gäste! Der vorliegende Antrag, den wir heute beraten, erzeugt in mir einen Zwiespalt. Natürlich ist man als Familienpolitiker in Deutschland froh über jeden Euro, der für Familienpolitik, Kinderpolitik und Jugendpolitik ausgegeben wird. Wir haben heute lang und breit über das sogenannte Gute-Kita-Gesetz diskutiert. Ich hatte den Eindruck, dass nicht das gesamte Haus der Meinung war, dass es wirklich ein gutes Kita-Gesetz ist. Im Kielwasser dieses Gute-Kita-Gesetzes macht Die Linke nun einen weiteren Vorschlag und bringt einen Antrag ein, über den wir jetzt reden wollen. Die politische Intention dieses Antrages ist sehr schnell klar. Ich habe als Schüler einen Besuch in der Volkskammer hinter mich gebracht. In der Regierung saß damals eine Frau mit blauen Haaren. Das war unsere Bildungsministerin. ({0}) Sie war auch für Schulen und alles, was dazugehört, zuständig. ({1}) Der jetzige Finanzminister Olaf Scholz hat es 2012 auf den Punkt gebracht und gesagt, worum es eigentlich geht – Zitat –: Es geht um die Lufthoheit über den Kinderbetten. – Und der Vorschlag, den der verehrte Kollege Müller hier macht, ist nichts anderes als der Versuch, zentralistisch zu regieren, zentralistisch Regelungen herbeizuführen, die uns in einen Staat führen sollen, in dem Politiker bestimmen, wie Eltern ihre Kinder erziehen. ({2}) 2012 war die Position der CDU scheinbar noch streitbar; denn das Zitat, welches ich eben vorgetragen habe, von Herrn Scholz, SPD, entstammt einer Diskussion über Familienpolitik. Damals schien es also noch Dissens zu geben. Ich bin kein Berufspolitiker und bin auch stolz darauf. Ich möchte auch keiner werden. ({3}) Ich sitze im Familienausschuss, schaue mir das alles an und wundere mich. Wir haben im Familienausschuss Positionen zu vertreten, die faktisch nicht mehr diskutiert werden. Es geht darum, ganz starre Strukturen und Regeln in der Diskussion einzuhalten. Diskussion in dem Sinne findet nicht statt. Es wird vom Blatt vorgetragen. ({4}) Man möge dann bitte die Redezeit so einhalten, dass das alles passt. ({5}) Es gab eine Ausnahme: das Fachgespräch mit Frau Kathinka Beckmann von der Hochschule Koblenz. Sie hat untersucht, wie deutsche Ämter im ASD arbeiten. Diese Diskussion führte wirklich weiter. Es wurde klar, dass es in Deutschland bis jetzt nicht gelungen ist, die einfachsten Strukturen zu schaffen. Es ist nämlich unklar, wie in einzelnen Bundesländern problematische Fälle, die womöglich zum Kindesentzug führen können, in Familien behandelt und untersucht werden. Hierbei eine Vereinheitlichung zu schaffen, scheint mir sinnvoll. Darüber sollten wir reden. ({6}) Der Antrag der Linken beklagt weiterhin einen akuten Fachkräftemangel. Wir haben zu konstatieren, dass das so ist. Wir müssen aber auch fragen: Woran liegt das? Woher rührt dieser Fachkräftemangel? Wenn wir uns anschauen, was in diesem Land seit 2015 passiert ist, ({7}) dann sehen wir, dass der Bedarf an Kindergartenplätzen rapide gestiegen ist. Warum? Nicht weil deutsche Familien mehr Kinder bekommen haben, ({8}) sondern weil Migrantenfamilien das Recht bekommen, ihre Kinder in unseren Kindergärten unterzubringen. ({9}) Dagegen ist grundsätzlich auch nichts zu sagen. Aber wenn man einen solchen Prozess in Gang setzt, dann muss man auch Lösungsansätze haben und sagen, wie man das finanzieren will. Dieser Antrag von Herrn Müller enthält nicht einen einzigen Lösungsvorschlag, keine Zahl. Es ist nichts zu finden. Ich möchte aber Folgendes sagen, weil es denjenigen, die uns zuschauen, vielleicht nicht so ganz klar ist: Pro Tag kostet ein unbegleiteter minderjähriger Ausländer 166 Euro, pro Monat 5 250 Euro, ({10}) im Jahr 65 000 Euro. ({11}) Den Bundeshaushalt belastet diese Aktion im Jahr mit 2 Milliarden Euro. ({12}) Die Zahl der Fachkräfte, die hier gebunden wird, ist überhaupt nicht klar. Deshalb ist auch nicht zu ermitteln, wie wir aus dieser Misere wieder herauskommen. Wir haben überhaupt keine verlässlichen Zahlen dazu. ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Kollege Pasemann, denken Sie bitte daran, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Frank Pasemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004847, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Das tut mir leid. – Dann danke ich für die Aufmerksamkeit. Frohe Weihnachten! ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächste Rednerin ist Ulrike Bahr, SPD. ({0})

Ulrike Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Das Gute-Kita-Gesetz ist ein gutes Gesetz. Es ist heute auch im Bundesrat beschlossen worden. Das zu all den kritischen Bemerkungen gegenüber diesem so guten Gesetz. ({0}) Ja, für eine gute Kinder- und Jugendhilfe braucht man vor allem engagierte, qualifizierte und persönlich geeignete Menschen, die sich den Aufgaben und Herausforderungen stellen, egal ob im Jugendamt, in der Erziehungsberatung, in der Heimerziehung oder in den Angeboten der offenen Jugendarbeit. Und: Ja, bereits seit 2008 gibt es bei den sozialen Berufen konstant hohe Quoten an sofort zu besetzenden offenen Stellen. Besonders augenfällig ist der gestiegene Personalbedarf in der Kindertagesbetreuung. Dazu hat Ministerin Giffey heute Vormittag ja erklärt, dass es sehr wohl eine Fachkräfteoffensive geben wird, an der wir mit Hochdruck arbeiten, um speziell die Situation bei den Erziehern und Erzieherinnen zu verbessern. Die Mittel hierfür sind für 2019 in den Haushalt eingestellt. ({1}) Aber ich will mich hier vor allem mit der Situation in der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigen. Auch dort sind Personalbedarf und Personaleinsatz in den letzten Jahren stark gestiegen, wie dem „Monitor Hilfen zur Erziehung 2018“ zu entnehmen ist. Trotz vieler neuer Stellen hören wir alle aber immer wieder von Überlastungsanzeigen der Jugendämter. Ich verweise auf Frau Professor ­Beckmann aus Koblenz, die eindringlich die schwierige Situation des Allgemeinen Sozialen Dienstes in Jugendämtern mit Beispielen aus allen Bundesländern geschildert hat. Sie hat Überlastungen geschildert, die zu Überforderungsgefühlen führen, zu Fehlern, zu Unzufriedenheit im Job und zu hoher Fluktuation. Das schildert auch der Antrag der Linksfraktion sehr zutreffend. Qualität dagegen braucht Kontinuität, braucht gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung, keine Frage. Wenn wir die Kinder- und Jugendhilfe stärken, sie inklusiv öffnen und, wie im neu gestarteten Reformprozess des Jugendministeriums geplant, den Kinderschutz wie auch das Hilfesystem verbessern wollen, dann sind die Fachkräfte dafür ein Dreh- und Angelpunkt. Dabei sind die bundesrechtlichen Regelungen für die Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe sehr überschaubar gehalten: Das SGB VIII regelt im Fachkräftegebot des § 72 nur, dass Fachkräfte eine entsprechende Ausbildung vorweisen und persönlich geeignet sein müssen. Genauer wird das nicht spezifiziert, mit gutem Grund, wie ich denke; denn die vielfältigen Aufgaben und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe profitieren auch von vielfältigen Kompetenzen und Zugangswegen. Bildung und Ausbildung sind Länderkompetenzen, die – wir haben es gerade erst beim DigitalPakt erlebt – mit Zähnen und Klauen verteidigt werden, sobald der Bund nicht nur Geld gibt, sondern auch mitgestalten möchte. Nicht immer haben die Landesregierungen die Personalbedarfe und Belange der Kommunen im Blick, die ja vor Ort die Kinder- und Jugendhilfe letztendlich stemmen müssen. So hat zum Beispiel bei mir zu Hause die Hochschule Augsburg nach langem Ringen einen Studiengang „Soziale Arbeit“ eingerichtet, den sie aber komplett selbst querfinanzieren muss, weil die CSU in München keine Landeszuschüsse bewilligt. Der Studiengang bietet darum ganze 20 Plätze. Ich denke, das ist wirklich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Darum habe ich persönlich große Sympathien für die Forderung der Linken, auf eine Analyse der Ausbildungssituation in den verschiedenen Bereichen zu dringen und mit den Ländern und Kommunen an einer Strategie für ausreichend Ausbildungs- und Studienplätze zu arbeiten. Ich halte es aber für zielführender und besser, diese Fragen in den Beteiligungsprozess zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe einfließen zu lassen. In jedem Fall werden wir das Fachkräfteproblem in vielen Fragen mitdenken müssen, mit denen wir uns im nächsten Jahr beim Beteiligungsprozess beschäftigen werden. Ob Kinderschutz oder ein wirksames Hilfesystem, ob Angebote für bislang vernachlässigte Zielgruppen wie die Kinder psychisch erkrankter Eltern oder auch der bessere Umgang mit Beschwerden und Fehlern, zum Beispiel über die Einrichtung von Ombudsstellen, all dies funktioniert nur mit ausreichend qualifizierten Fachkräften. Beim Beteiligungsprozess sitzen Kommunen und Länder, Vereine, Praktiker und Wissenschaft gemeinsam an einem Tisch, und alle Fachleute können sich auch über den Onlineprozess einbringen. Ich bin mir sicher: In diesem Dialogprozess werden wir etliche gute Anregungen aus dem Antrag der Linken aufgreifen. Das ist dann auch der Ort, zu analysieren, wo wir gesetzliche Klarstellungen für eine starke Kinder- und Jugendhilfe und bessere Arbeitsbedingungen brauchen. Danke sehr. ({2})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist Grigorios Aggelidis, FDP.

Grigorios Aggelidis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004652, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich die Ankündigung zu diesem Antrag gelesen habe, habe ich mich sehr gefreut, weil ich dachte: Das sind gute und wichtige Themen, die wir besprechen müssen. – Schon bei der Überschrift wurde mir aber leider klar: Sie mixen unglücklicherweise verschiedene Themen zusammen, sodass eine klare Lösung bzw. Empfehlung eher schwer möglich ist. Leider hat sich dieser Eindruck auch beim Durchlesen bestätigt. Kita und Jugendhilfe, Teilzeit, Altersarmut, alles in einem Antrag. Die Zuständigkeiten wurden hier schon erwähnt, egal ob Land, Bund, Kommunen, Tarifpartner. Trotzdem bin ich dankbar, dass wir dadurch heute noch einmal über die Probleme in diesem Bereich sprechen können. Die Vorredner, interessanterweise auch die Vorredner der Großen Koalition, haben an sich ja auch bestätigt, dass sie erkannt haben, worin eigentlich die höchste Priorität liegen sollte und worin die besondere Herausforderung liegt, nämlich in der Qualität. Wenn wir über Qualität reden, ob das jetzt im Kita-Gesetz ist – ich vermeide ganz bewusst das Adjektiv davor – oder ob es in der Jugend- und Kinderhilfe ist, dann muss man sagen: Die Qualität hängt mit dem Personal und mit der Ausstattung des Arbeitsumfeldes für dieses Personal zusammen. ({0}) Fangen wir mit dem Kita-Gesetz an. Als in der letzten Sitzung des Familienausschusses das Gesetz überraschend wieder von der Tagesordnung gestrichen wurde, keimte zumindest die Hoffnung auf, dass die GroKo tatsächlich aus der Ohrfeige der Experten lernen würde, verstehen würde, dass vor allem die Steigerung der Qualität durch die Investition in Erzieherinnen und Erzieher, in Personal ihre dringendste Pflicht gewesen wäre. Am Dienstagabend kam aber mit dem Änderungsantrag der Koalition die Ernüchterung. Gedacht wird bei dieser Regierung nach wie vor offensichtlich nur in Schaufensterkonzepten, damit hauptsächlich die SPD aus ihrem Umfragetief herausgeholt werden kann. ({1}) Wie übrigens aus unserer Kleinen Anfrage zur Situation von Erzieherinnen und Erziehern hervorgeht, weiß die Regierung ganz genau, worauf die schlechte Gesundheit der Fachkräfte und die kurze Verweildauer zurückgehen. Das Arbeitsumfeld und die Arbeitsbelastung tragen dazu massiv bei. Hilfe haben die Erzieherinnen und Erzieher aber von diesem Gesetz leider nicht zu erwarten. Besonders gravierend ist das Ganze, weil diese Situation seit langem bekannt ist, aber dennoch kein Wille und kein Interesse da zu sein scheint, die richtigen Prioritäten zu setzen. Aus unserer Sicht ist das peinlich und unverantwortlich. ({2}) Wer dem Fachkräftemangel, egal ob nun in den Kitas oder in der Kinder- und Jugendhilfe, entgegenwirken will, der muss, gerade wenn es nicht in unsere Zuständigkeit, in die des Bundes fällt, besonders darauf achten, dass das Geld prioritär in die Bereiche fließt, in denen es besonders gebraucht wird, und darf es nicht mit der Gießkanne verteilen, wie es bei Ihnen der Fall ist. ({3}) Insofern ist auch der Ansatz des Antrags richtig, dass wir uns genauere Daten beschaffen müssen, analysieren müssen, woran es liegt, wie wir weiterkommen. Wir brauchen Fakten und müssen eine langfristige Strategie ausarbeiten. So würde eine Regierung auch verantwortungsbewusst handeln. Aber was wir im Endeffekt hier sehen, ist leider nur Stückwerk und vor allem eine Gießkanne, die das meiste Geld in die Richtung beitragsfreier Kitas lenkt. 40 Millionen Euro geben Sie für eine Fachkräfteoffensive aus. Wenn Sie sich das in Relation zu den Geldern ansehen, die dort fließen, dann kann man nur sagen, dass das lächerlich ist. ({4}) Aber noch einmal zu Ihrem Antrag: Sie packen in die wichtigen Bereiche Dinge wie – letzter Gedanke, Herr Präsident –: generelle Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen, Eindämmung unfreiwilliger Teilzeit. Da legen Sie sich nicht fest oder sagen: Wer legt eigentlich fest, was das ist? Usw. usw. Dann fehlt nur noch ein Satz über den Mindestlohn, mit dem Sie sich in die Arbeit der Mindestlohnkommission einmischen würden. Schade, dass Sie in einen vom Ansatz her guten Fachantrag ideologische Forderungen hineinschreiben. Die Kinder verdienen es besser. Ich hoffe, dass wir in den Beratungen im Ausschuss etwas Besseres zustande bringen, vor allem Richtung Qualität. Vielen Dank und Ihnen allen schöne Feiertage! ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Katja Dörner, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin. ({0})

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Linksfraktion gibt uns für die Advents- und Weihnachtszeit einen achtseitigen eng bedruckten Besinnungsaufsatz mit auf den Weg. Ernsthaft will ich sagen: Danke dafür! Dass es in unseren Kitas und auch in den Kinder- und Jugendeinrichtungen insgesamt einen großen Fachkräftemangel gibt, ist seit Jahren bekannt. Dieses Thema ist es wert, hier diskutiert zu werden. Die Arbeitsbedingungen der Menschen, die gerade im sozialen Bereich in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind, sind es wert, dass wir hierzu eine Plenardebatte führen und uns mit konkreten Vorschlägen auseinandersetzen. Insofern ist es gut, dass wir dieses Thema auf der Tagesordnung haben. ({0}) Der Fachkräftemangel, gerade im Kitabereich, hat sich in den letzten Jahren tatsächlich stark verschärft, und er hat sich verschärft wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz für Kinder unter drei Jahren, den wir fast alle gewollt und immer unterstützt haben. Wir wissen heute, dass die ursprünglichen Prognosen längst überholt sind. Wir brauchen mehr Plätze, der Bedarf steigt weiter, und damit steigt auch der Bedarf nach gut ausgebildetem Personal. Gerade in diesem Bereich gibt es sehr seriöse Zahlen. Bis zum Jahr 2025 werden mindestens 270 000 neue Erzieherinnen und Erzieher alleine in den Kitas gebraucht. Wir sprechen auch – das steht im Koalitionsvertrag der Großen Koalition – vom Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Wir finden das gut. Aber auch hier muss uns klar sein: Auch das wird mit einem zusätzlichen Bedarf an Fachkräften einhergehen. Schon heute können in vielen Kitas Plätze, die eigentlich da wären, gar nicht besetzt werden, weil die Fachkräfte fehlen. Träger sagen mir vor Ort, sie würden gerne zusätzliche Gruppen einrichten. Sie machen es aber nicht, weil sie kein Personal finden. Das ist doch eine dramatische Situation, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere für die Eltern, die vielerorts immer noch dringend und händeringend einen Platz für ihre Kinder suchen. Wenn wir uns vor Augen halten, dass eine Erzieherausbildung etwa fünf Jahre dauert und wir kontinuierlich mehr Plätze benötigen, dann heißt das für uns Grüne ganz klar: Es muss dringend gehandelt werden, und zwar jetzt. Es ist höchste Zeit, auch für die Bundesregierung, in den Turbogang zu schalten und gemeinsam mit den Bundesländern für mehr Ausbildungsplatzkapazitäten und mehr Fachkräfte in den Kitas wie in der Jugendhilfe insgesamt zu sorgen. ({1}) Leider muss ich feststellen, dass in diesem Bereich in den letzten Jahren wenig, zu wenig passiert ist. Die ersten Empfehlungen aus der Bund-Länder-Arbeitsgruppe liegen uns seit 2012 vor. Die Ministerin hat in ihrem Etat für eine Fachkräfteoffensive 30 Millionen Euro zur Verfügung. Ab 2020 sind es noch einmal 60 Millionen Euro. Das ist ein erster Schritt, den erkennen wir auch an. Es ist aber klar, dass das angesichts der Herausforderungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann. ({2}) Heute Morgen haben wir über das Gute-Kita-Gesetz gesprochen. Mit dem Gute-Kita-Gesetz wurde die Möglichkeit vertan, eine substanzielle Verbesserung für die Situation der Fachkräfte in den Kitas zu schaffen. Das Gesetz beinhaltet keine verbindlichen Personalschlüssel. Es verzichtet auch auf die Möglichkeit, gezielt zu steuern, wo die Bundesmittel in den Kitas ankommen. Damit befürchten wir – das muss ich einfach sagen –, dass dies zur Beitragsabsenkung, zur Abschaffung der Elternbeiträge führt und nicht zur Verbesserung der Personalsituation und nicht zur Verbesserung der Arbeitssituation der Fachkräfte vor Ort. Das halten wir für falsch. ({3}) Eines ist auf alle Fälle klar: Gute Arbeit braucht gute Bedingungen. Um die zu verbessern, haben sich einige Bundesländer schon auf den Weg gemacht. Ich will einmal Baden-Württemberg herausgreifen. Mit ihrer praxis­integrierten Ausbildung schließen Azubis einen Ausbildungsvertrag mit der Kita und werden schon während der Ausbildung nach dem gültigen Tarifvertrag vergütet. Das ist natürlich wesentlich attraktiver als die klassische schulische Ausbildung, wo viele noch Schulgeld bezahlen müssen. Das sind richtig gute Beispiele. Ich finde, an denen sollte sich die Bundesregierung orientieren. ({4}) Ich will abschließend sagen: Wir werden sicherlich nicht mit allen Vorschlägen, die im Antrag der Linken aufgeführt sind, konform gehen. Wir haben auch Kritik. Aber ich freue mich, dass wir das im Ausschuss konkret und an den einzelnen Forderungen orientiert diskutieren werden. Es ist ein wichtiges Thema. Wir sollten es wirklich intensiv beraten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und natürlich frohe Weihnachten und einen guten Rutsch! ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Da der Kollege Sönke Rix mit guten Weihnachtswünschen seine Rede zu Protokoll gegeben hat, ({0}) ist Michael Kießling, CDU/CSU, der letzte Redner in dieser Debatte. Ich erteile ihm hiermit das Wort. ({1})

Michael Kießling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! Die oberste Maxime ist das Wohl des Kindes. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig: die Kommunen, das Land und der Bund. Das ist eine gute Basis. Der Antrag der Linken enthält durchaus interessante Punkte, aber auch einige, über die man sicherlich diskutieren kann. Die frühkindliche Förderung ist nicht mehr nur Aufgabe der Eltern, sondern auch der Gesellschaft. In Zeiten, in denen Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen sind, übernehmen Kindertagesstätten und auch die Erzieherinnen und Erzieher eine immer wichtigere Rolle. In den vergangenen Jahren – das ist schon angesprochen worden –, unter Regierungsverantwortung der CDU und CSU, ist ein Rechtsanspruch auf den Kitaplatz eingeführt worden. Dadurch sind viele Tausend Betreuungsplätze entstanden. Die Zahl der zu betreuenden Kinder ist innerhalb der letzten neun Jahre um fast eine halbe Million auf über 3,5 Millionen Kinder gestiegen. Wir haben gehört: Auch die Fallzahlen in der Kinder- und Jugendhilfe sind gestiegen. Im Koalitionsvertrag stehen noch viele andere gute Dinge. Das zeigt natürlich, dass wir Fachkräfte benötigen. Ich selber war Bürgermeister. In dieser Zeit habe ich gemerkt: Wenn man engagiert ist und qualifiziertes Personal haben will, ist es sehr schwierig. Dennoch sollte man einige sachliche Punkte erwähnen. Während sich die Zahl der zu betreuenden Kinder zwischen 2008 und 2017 um 16 Prozent erhöht hat, hat sich die Zahl des pädagogischen Personals auch erhöht, und zwar von 382 000 auf 600 000. Die Zahl zeigt natürlich auch, dass die Politik in der Vergangenheit gut gewesen ist. Aber wir müssen noch weiter arbeiten, damit wir in Zukunft dem Anspruch einer guten Kinderbetreuung gerecht werden. Für mich ist auch wichtig, dass die Fallzahlen der Kinder- und Jugendhilfe entsprechend bearbeitet werden können. Daher ist wichtig, dass wir entsprechendes Personal bekommen. Nach dem quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung gehen wir jetzt einen Schritt weiter in den qualitativen Ausbau. Heute früh haben wir über das Gute-Kita-Gesetz diskutiert und es verabschiedet. Klar, bei diesem Gesetz hätte ich mir schon vorstellen können, dass wir eine Fachkraft-Kind-Relation hätten einführen können. Aber jetzt liegt es an den Ländern, die Verantwortung zu übernehmen. Jedes Land kann die Verantwortung übernehmen, um für den qualitativen Ausbau das Geld zu investieren und anderweitige Maßnahmen zu überlegen. ({0}) Bei den Ländern sind wir an der richtigen Adresse, wenn es um die Ausbildung der Fachkräfte geht. Liebe Fraktion Die Linke, ich weiß, es könnte schwierig sein, aber schauen Sie einmal in den Süden. Die Kollegin von den Grünen hat Baden-Württemberg erwähnt. Ich muss mich jetzt leider auf Bayern beziehen. Ich hoffe, Sie haben etwas Nachsicht dafür, aber das ist auch in Ordnung. ({1}) Da sieht man: Wenn man richtige Maßnahmen ergreift, um Fachkräfte zu gewinnen, kann man etwas bewegen. Klar, auch bei uns fehlt Personal. Klar ist auch, dass die Ausbildung nicht schneller absolviert wird wie in anderen Ländern. Aber in Bayern sind Maßnahmen ergriffen worden, um diesem Mangel zu begegnen. Im Jahr 2018 gibt es allein 65 Fachakademien für Sozialpädagogik in Bayern. In den letzten zehn Jahren wurde die Zahl der Fachakademien für Sozialpädagogik von 39 auf 65 gesteigert. Zudem sind zeitgleich die Schülerzahlen in der Ausbildung von Erziehern um 70 Prozent gestiegen. Auch die Zahl der Absolventen hat sich vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2018 um 66 Prozent erhöht. Da sieht man: Wenn die Länder die richtigen Maßnahmen ergreifen, kann man auch was bewegen. ({2}) Es geht dann natürlich auch darum, das Personal zu behalten und zu binden. Dazu hat Bayern eine Qualitätsbegleitung ins Leben gerufen. ({3}) – Na, das ist bloß ein Beispiel. Vielleicht habt ihr auch Beispiele aus anderen Ländern; aber ich kann halt das von Bayern vortragen, weil ich es zufällig kenne. Es bleibt ja jedem freigestellt, das auch zu tun. ({4}) Mit der Pädagogischen Qualitätsbegleitung wird beispielsweise die Qualität der Einrichtungen vor Ort mit allen Beteiligten zusammen entwickelt, um die Fluktuation von Fachkräften zu vermeiden. Es zeigt sich: Wenn auf Länderebene ordentlich Politik gemacht wird, kann man die Herausforderungen meistern. Nichtsdestotrotz möchte ich uns als Bund nicht ganz rausnehmen. Wir haben im Koalitionsvertrag, wie besprochen, das Fachkräftezuwanderungsgesetz; damit wollen wir dem Fachkräftemangel begegnen. Ich denke, wir können gemeinsam daran arbeiten, dass das Fachpersonal für die Erziehung auch mehr in den Fokus gerückt wird. Ich denke, es ist aller Mühen wert, darüber zu diskutieren und das auch voranzutreiben. Deswegen – Herr Müller, zum Antrag der Linken –: Der Antrag geht in die richtige Richtung. Es gibt Punkte, über die wir durchaus diskutieren können. Es gibt auch Punkte, die ich gern ablehne. ({5}) Aber ich denke, wir sind hier auf dem richtigen Weg, das Thema Fachkräfte entsprechend voranzutreiben, auch im sozialen Bereich. Abschließend wünsche ich Ihnen allen schöne Weihnachten ({6}) und besinnliche Feiertage; denn Zeit zur Besinnung und Einsicht würde dem einen oder anderen nicht schaden. ({7}) Zudem bedanke ich mich bei dieser Gelegenheit für in der Regel fair geführte Debatten in diesem Jahr ({8}) – in der Regel – sowie beim Tagungspräsidium.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege, lassen Sie dem Tagungspräsidenten auch noch was. Ihre Redezeit ist nämlich abgelaufen. ({0})

Michael Kießling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Selbstverständlich. – Einen Satz würde ich gerne noch sagen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Einen Satz noch.

Michael Kießling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich bei den Mitarbeitern der Verwaltung, beim Stenografischen Dienst und bei der Saalassistenz. ({0}) Und jetzt haben Sie das letzte Wort. Ich bedanke mich und freue mich auf das nächste Jahr. Vielen Dank. – Bürgermeister überziehen halt etwas öfter; aber, Herr Präsident, Sie haben es im Griff. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Alles ist gut. – Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf der Drucksache 19/6421 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit einverstanden? – Dann ist das so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich wünsche Ihnen allen und Ihren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest, Ihnen allen Tage der Erholung und uns allen ein friedvolles, glückliches Jahr 2019. ({0}) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 16. Januar 2019, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 16.03 Uhr)