Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, werte Kollegen! Guten Morgen, werte Gäste des Hohen Hauses! Wir reden heute hier über den größten Teilhaushalt des Bundeshaushaltes, über den Einzelplan Arbeit und Soziales, der mit 144 Milliarden Euro 40 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes ausmacht.
Die Ausgaben für den Arbeitsmarkt sind mit insgesamt 36,7 Milliarden Euro veranschlagt. Davon entfallen 36,1 Milliarden Euro auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Das sind immerhin noch etwas mehr als 10 Prozent des Bundeshaushaltes. Dazu gehören die Ausgaben für das eigentlichen Hartz IV in Höhe von 20,2 Milliarden Euro, die Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung mit 5,9 Milliarden Euro, die Leistungen zur Eingliederung oder Wiedereingliederung in Arbeit mit 4,9 Milliarden Euro und – man glaubt es kaum – eine horrende Verwaltungskostenerstattung für die Durchführung der Grundsicherung in Höhe von 5,1 Milliarden Euro.
Lassen Sie mich zunächst auf Hartz IV eingehen. Was ist das eigentlich? Es ist nicht nur eine staatliche Transferleistung für alle Arbeitslosen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben. Es ist nicht einmal eine Leistung für Menschen, die überhaupt irgendwann mal gearbeitet haben oder die arbeitssuchend und für Arbeit qualifiziert sind. Darum sind die Bezeichnungen Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung für Arbeitssuchende für diese Leistungen eher irreführend.
Es ist eigentlich eine Grundsicherung für alle, deren Einkommen unterhalb dessen liegt, was die Regierung als Regelbedarf für das Existenzminimum betrachtet, egal ob sie arbeitslos, langzeitarbeitslos, erwerbsfähig oder nicht erwerbsfähig sind. Konkret sind das derzeit 416 Euro im Monat. Und das, liebe Kollegen, ist kein armutsvermeidendes Existenzminimum mehr, sondern es ist ein Existenzminimum, das für die Leistungsbezieher ein Leben in Armut bedeutet.
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Zumal Sie selber den Regelbedarf künstlich kleingerechnet haben, als Sie im Jahr 2011 die untersten 15 Prozent der Einkommensbezieher als Maßstab für die Berechnung genommen haben und nicht, wie früher, 20 Prozent. Würde man das korrigieren, läge der Leistungssatz heute – das wissen Sie alle – bei 571 Euro und nicht bei 416 Euro.
Großzügigerweise haben Sie allerdings in Ihrem Haushalt zum 1. Januar 2019 eine Anhebung um 8 Euro beschlossen. Das hat natürlich für die Leistungsbezieher keine entlastende Wirkung, sondern ist die Fortschreibung einer Geschichte, für die wir uns hier schämen sollten, nämlich der Geschichte von menschenunwürdiger Armut mitten in Deutschland.
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Die Zahl der Bezieher von Hartz-IV-Leistungen liegt seit 2011 fast konstant in der Nähe von 6 Millionen. Davon sind lediglich 1,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger arbeitslos gemeldet. Das ist nur jeder Vierte. Die meisten Leistungsbezieher, nämlich 2,6 Millionen, sind nicht arbeitslos gemeldet, aber erwerbsfähig, und unter diesen 2,6 Millionen sind 620 000 Erwerbstätige, die ihren Verdienst mit Hartz-IV-Leistungen aufstocken müssen, also sogenannte arbeitende Arme. Weitere 658 000 sind Asylbewerber, die bisher Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen haben, nun in das Hartz-IV-System gewechselt sind und dem Arbeitsmarkt erst einmal nur theoretisch zur Verfügung stehen.
Insgesamt lag die Zahl der Hartz-IV-Empfänger aus Asylherkunftsländern Ende des ersten Quartals 2018 bei 978 000. Ich gehe einmal davon aus, dass wir die Millionengrenze mittlerweile deutlich überschritten haben. Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund, und zwar der ersten und zweiten Generation, ist in der Gruppe der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger besonders hoch. Er lag nach einer Erhebung der Bundesagentur für Arbeit im Dezember 2017 bereits bei 56 Prozent.
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Die dritte große Gruppe der Hartz-IV-Bezieher sind die 1,7 Millionen nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Das sind zu 97 Prozent Kinder, die in Haushalten leben, in denen das Einkommen unter dem Regelsatz liegt, ein Armutszeugnis, wie wir finden, für ein Land wie Deutschland.
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Minister Heil, bitte überdenken Sie auch noch einmal Ihr Projekt eines sozialen Arbeitsmarktes. Wobei sich für mich natürlich die Frage stellt: Ist der normale Arbeitsmarkt unsozial?
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Sie wollen für weitere 4 Milliarden Euro 150 000 Langzeitarbeitslose fünf Jahre beschäftigen. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates der Wirtschaftsweisen hat dazu gesagt, dass ein Ausbau eines sozialen Arbeitsmarktes für Langzeitarbeitslose nicht der richtige Weg ist, um das Ziel zu erreichen, Hartz-IV-Bezieher zu aktivieren. Alle, wirklich alle Programme, die Sie in den letzten Jahren durchgeführt haben, um Langzeitarbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, sind gescheitert.
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Der Haushalt für den Einzelplan 11 stützt ein reformbedürftiges und im Kern nach wie vor unverändertes System durch Ausgaben in Milliardenhöhe, die nicht sinnvoll eingesetzt sind. Daher können wir Ihrem Haushaltsentwurf leider nicht zustimmen.
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht nur über den größten Einzeletat des Bundes, sondern im Kern auch über die Zukunft der Arbeit und die Zukunft des sozialen Zusammenhalts in diesem Land. Im Gegensatz zu dem, was wir eben gehört haben, würde ich das gerne einmal mit Blick auf die Lebensrealität vieler Menschen in Deutschland tun
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und Sie an der einen oder anderen Stelle mit ein paar Begegnungen konfrontieren, die ich in der letzten Woche in der schönen Stadt Stuttgart hatte.
Ich war in der vergangenen Woche in Stuttgart bei Beschäftigten der Bosch GmbH. Die Firma Bosch in Feuerbach ist in überwiegendem Maße ein Automobilzulieferer. Ich habe dort mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gesprochen, die sich bei allem Stolz auf ihre Leistungen durchaus ein bisschen Sorgen machen, wie es in ihrem Unternehmen weitergeht, weil sich dieses Unternehmen als Zulieferer beispielsweise sehr stark in der Dieseltechnologie engagiert – Sie alle kennen die aktuelle Debatte – und weil Digitalisierungsthemen in diesem Unternehmen eine große Rolle spielen. Die Beschäftigten in diesem Unternehmen verlangen von mir keinen höheren Regelsatz, sie verlangen von mir auch kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern sie erwarten, dass wir sie in diesem technologischen Wandel vor Arbeitslosigkeit bewahren, bevor sie entsteht.
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Insofern, meine Damen und Herren, haben wir in der nächsten Woche mit der Verabschiedung des Qualifizierungschancengesetzes die Möglichkeit, Unternehmen und Beschäftigte, bei denen Weiterbildung und Qualifizierung notwendig sind, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von heute auch die Arbeit von morgen machen können, im Strukturwandel zu unterstützen. Das ist eine präventive, eine vorsorgende Arbeitsmarktpolitik, die Arbeitslosigkeit verhindert, bevor sie entsteht. Das ist die erste und wichtigste Botschaft.
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Nach dem Besuch bei Bosch war ich am selben Tag in einem Sozialkaufhaus in Stuttgart. Auch in Stuttgart, einer prosperierenden Region, gibt es langzeitarbeitslose Menschen, die seit vielen Jahren den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht gefunden haben. Ich habe dort mit langzeitarbeitslosen Menschen mit sehr unterschiedlichen Lebensbiografien und Lebensschicksalen gesprochen. Eine alleinerziehende Frau hat mir deutlich gemacht, wie schwierig es in den letzten Jahren für sie war, nachdem die Ehe auseinandergegangen war, wieder Zugang zur Arbeit zu finden. Ein Mann, der irgendwann einmal obdachlos war, hat sich aus der Situation herausgeholt und arbeitet jetzt in diesem Sozialkaufhaus. Die Botschaft in dieser Phase der deutschen Politik muss sein, sich trotz der schönen Zahlen für den Arbeitsmarkt nicht auszuruhen, sondern diese Menschen nicht zu vergessen.
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Auch in diesem Bereich handeln wir als Koalition; denn wir haben in der vergangenen Woche den sozialen Arbeitsmarkt auf den Weg gebracht. Im Gegensatz zu meinem Vorredner sollte man sich einmal mit den Leuten unterhalten, die die Chance haben, über diese Möglichkeit eine würdige Perspektive auf sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bekommen. Sie reden und quatschen darüber, aber haben keine Ahnung, was der soziale Arbeitsmarkt für die Menschen wirklich bedeutet.
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Ein paar Tage später, der Zufall wollte es so, war ich wieder in Stuttgart.
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Ich war eingeladen von Betriebsräten der Deutschen Post AG, DHL, 800 Betriebsräte aus ganz Deutschland. Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eines sehr erfolgreichen Unternehmens spüren, dass der Wandel der Arbeitsgesellschaft mit dem Wandel der Arbeitsbedingungen einhergeht. Wir wissen, dass gerade bei Paketdiensten im Logistikbereich eine große Konkurrenz herrscht und es zum Teil sehr schäbige Arbeitsbedingungen gibt. Dort arbeiten Menschen sehr hart. Mein Ziel ist, dass diese Menschen nicht nur bessere Löhne bekommen, sondern vor allen Dingen anständige Arbeitsbedingungen. Das sind fleißige Menschen in diesem Land, und auch in diesem Bereich machen wir etwas.
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Wir werden zum Beispiel im kommenden Jahr dafür sorgen, dass viele dieser Beschäftigten, die oft sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse haben, eine Perspektive auf dauerhafte Beschäftigung bekommen. Ich will, dass wir die willkürliche Befristung in Deutschland endlich zurückdrängen. Das wird diese Koalition im nächsten Jahr auch schultern.
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Warum erwähne ich diese drei Beispiele? Weil mir wichtig ist, an konkreten Beispielen darüber zu diskutieren, was ein moderner Sozialstaat in dieser sich verändernden Arbeitsgesellschaft zu leisten hat.
Wir führen derzeit eine leidenschaftliche Debatte über die Grundsicherung. Das ist auch gut so; denn es ist richtig, dass wir alle Jahre nachschauen, ob die Sicherungssysteme, die wir haben, zukunftsfähig und richtig sind und gut funktionieren. Bei der Grundsicherung gibt es Licht und Schatten. Wir haben in den letzten Jahren Erfolge gehabt, gar keine Frage. Aber wir erleben auch, dass viele Menschen den Sozialstaat in dieser Form als zu bürokratisch, manchmal auch als obrigkeitsstaatlich erleben. Ich will diese Debatte führen, aber vor allen Dingen mit Blick auf die Lebensrealität der Menschen in diesem Lande und mit Blick auf das, was in dieser Gesellschaft, in dieser sozialen Gesellschaft und an diesem Arbeitsmarkt notwendig ist.
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Deswegen will ich Ihnen, meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund des Bundeshaushaltes die Reihenfolge erläutern, wie wir diese Debatte führen werden. Ich habe es vorhin am Beispiel Bosch gesagt. Das Erste und Wichtigste ist angesichts der guten Lage am Arbeitsmarkt und einer sich wandelnden Arbeitsgesellschaft, in der wir gleichzeitig digitalen Wandel und Fachkräftebedarf haben, dafür zu sorgen, dass wir in Beschäftigungsfähigkeiten investieren. Mit dem Qualifizierungschancengesetz gehen wir den ersten Schritt, die Bundesagentur für Arbeit zu einer Arbeitsversicherung weiterzuentwickeln, Arbeitslosigkeit zu verhindern, bevor sie entsteht, indem wir Unternehmen und Beschäftigte bei der Qualifizierung unterstützen. Wir müssen verhindern, dass das Kind in den Brunnen fällt, indem wir dafür sorgen, dass Menschen in Arbeit bleiben können und sozial aufsteigen können in ihrer Beschäftigung. Das ist die erste Priorität.
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Die zweite Priorität ist, darüber zu diskutieren, wie wir es schaffen angesichts des Wandels und der durchaus vorhandenen Abstiegsängste vieler Beschäftigter in Deutschland, die notwendigen sozialen Sicherungssysteme wieder enger zu knüpfen. Da geht mein erster Blick nicht so sehr auf die Grundsicherung, sondern auf die Arbeitslosenversicherung in Deutschland. Wir werden in der nächsten Woche das Qualifizierungschancengesetz verabschieden. Hier ist auch ein Element dabei, mit dem wir dafür sorgen, dass das Sicherungssystem der Arbeitslosenversicherung ein Stück verlässlicher wird.
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Ein konkretes Beispiel sind die kurzzeitig Beschäftigten in Deutschland. Das sind Menschen, die immer in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, aber deren Anwartschaftszeiten und Rahmenfrist nicht so zusammenpassen, dass sie je Leistungen erhalten. Dass wir die Rahmenfrist bei der Arbeitslosenversicherung für diese Beschäftigten ein bisschen enger knüpfen, ist ein Beitrag gegen Abstiegsängste in diesen Zeiten des Wandels.
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Ja, und dann reden wir auch über Reformen in der Grundsicherung und die Weiterentwicklung der Grundsicherung. Aber wir reden nicht nur. Wir haben bereits mit der Weiterentwicklung des sozialen Arbeitsmarktes und der Grundsicherung begonnen. Im Gegensatz zu dem, was der Kollege vor mir gesagt hat, geht es nicht um irgendein Programm. Es geht beim sozialen Arbeitsmarkt um Regelinstrumente im Sozialgesetzbuch II. Es geht um dauerhafte und strukturelle Veränderungen. Das haben wir gemeinsam beschlossen.
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Wir werden aber auch darüber reden, wie wir den Sozialstaat unbürokratischer organisieren können. Ich sage das mit Blick darauf, was für Kinder und Jugendliche, die im SGB-II-Bezug, in Hartz IV sind, notwendig ist. Mein Ziel ist es aber nicht nur, dafür zu sorgen, dass das als würdiger und unterstützender empfunden wird. Wir werden mit Franziska Giffey, der Familienministerin, den Kinderzuschlag reformieren und beispielsweise auch das Schulbedarfspaket ausbauen. Das haben wir uns in der Koalition vorgenommen. Das hilft konkret.
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Mein Ziel ist es nicht, möglichst viele Menschen in der Grundsicherung zu verwalten, sondern – wo immer es geht – Menschen aus der Grundsicherung herauszuholen, meine Damen und Herren. Das ist der Unterschied in dieser Debatte.
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Woran bemisst sich die Qualität eines modernen Sozialstaats? In erster Linie an der Frage, wie wir es schaffen, Menschen zu einem selbstbestimmten Leben zu befähigen, und zwar durch Teilhabe an Arbeit, weil Arbeit mehr ist als Broterwerb.
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Bei all diesen Debatten habe ich von keinem Menschen – weder in Stuttgart bei Bosch noch im Sozialkaufhaus oder von den Beschäftigten der Post AG – gehört, dass er ein bedingungsloses Grundeinkommen will.
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Ich sage Ihnen: Es gibt viele Menschen in diesem Land, die möglicherweise die Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen aus Idealismus führen, weil sie das Gefühl haben, dieser Gesellschaft geht die Arbeit aus. Das ist nicht der Fall; es wird andere Arbeit sein.
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Aber vor allen Dingen unterschätzen Menschen, die das vertreten, die Bedeutung von ordentlicher Erwerbsarbeit für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Für die meisten Menschen ist Arbeit mehr als Broterwerb, meine Damen und Herren.
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Diese Bundesregierung nimmt die Zukunft der Arbeit und die Lebensrealität der Beschäftigten in Deutschland in den Blick, und wir sorgen für sozialen Zusammenhalt und soziale Sicherheit.
Es gibt einige, die sagen: Der Etat ist zu hoch; wir geben zu viel für Soziales aus. – Ich gebe zu: Die Höhe eines Etats sagt noch nichts über die Qualität des Sozialstaats aus.
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Aber wer Investitionen in den sozialen Zusammenhalt als Kokolores diffamiert, der unterschätzt, dass wir eine soziale Marktwirtschaft und ein sozialer Rechtsstaat mit sozialen Bürgerrechten sind. Für genau den arbeitet allerdings diese Bundesregierung, und darauf bin ich stolz, meine Damen und Herren.
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Jetzt hat das Wort der Kollege Michael Theurer, FDP.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den vergangenen Tagen habe ich viel mit Betriebsräten, insbesondere der Automobilindustrie und der energieintensiven Industrie, gesprochen,
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unter anderem in Bonn bei der Betriebsrätekonferenz; manche Kollegen waren dabei. Herr Minister Heil, ich kann Ihre Meinung an dieser Stelle bestätigen: Da ist die Sorge groß, weil zum Beispiel für die Chemieindustrie die Energiekosten der entscheidende Standortfaktor sind und die Energiepolitik dieser Bundesregierung diese Firmen eher aus dem Land treibt, als dass sie hier am Standort gesichert werden. Wir sagen: Innovation und günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen, vor allen Dingen auch für kleine und mittlere Unternehmen, schaffen Arbeit, und was Arbeit schafft, ist sozial.
Wir haben den Eindruck, dass die Bundesregierung hier an vielen Punkten die falschen Weichenstellungen vornimmt. Wir haben eine Eintrübung der Konjunktur, und wir haben im dritten Quartal zum ersten Mal eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung in Deutschland. Wir haben einen internationalen Standort- und Steuerwettbewerb. Deutschland hat die höchsten Steuern und hat mittlerweile die höchsten Unternehmenssteuersätze. Andere Länder wie Frankreich und die USA senken die Steuersätze. Wir haben den Eindruck, hier muss dringend etwas gemacht werden. Denn nur wenn wir in Zukunft wettbewerbsfähige Arbeitsplätze haben, können auch die Sozialleistungen finanziert werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Vor zwei Wochen hätte ich noch gesagt, das größte Haushaltsrisiko sind die stark ansteigenden Sozialausgabenzuschüsse, die aufgrund des demografischen Wandels in die Rentenversicherung hineingegeben werden müssen, auch deshalb, weil Sie den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitern und weil Sie auch die Anspruchsgrundlage ausweiten. Heute sage ich, das größte Haushaltsrisiko, meine Damen und Herren, sind die unsoliden, nicht gegenfinanzierten Vorschläge zur Grundsicherung von Andrea Nahles und Robert Habeck.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, liebe Kollegin Nahles, Sie sollten stolz darauf sein, welche gigantischen Erfolge mit den Agenda-Reformen in Deutschland erreicht wurden. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist um mehr als 5 Millionen Menschen gestiegen, und die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich mehr als halbiert. Die Agenda-Reformen, die wir als FDP über die Länder mitgetragen haben, waren der Startschuss für den größten Wirtschaftsaufschwung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nach dem Wirtschaftswunder.
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Eigentlich müssten Sie als Arbeiterpartei, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Gerhard Schröder auf Händen tragen und für ihn ein Denkmal errichten.
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Sie werden verstehen, dass ich das an dieser Stelle nicht beantrage.
Schon heute geben wir ein Drittel der Wirtschaftsleistung für Sozialtransfers aus.
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Das ist nicht nichts. Normalverdiener ächzen unter der zweithöchsten Steuer- und Abgabenlast aller Industrieländer
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und Unternehmen unter der bald höchsten Steuerlast; ich habe es ausgeführt.
Dann kommt Robert Habeck mit seinem Vorschlag zur Grundsicherung. Ich bin mal gespannt, wie die Grünen das gegenfinanzieren wollen: 30 Milliarden Euro für eine Grundsicherung, die bedingungslos sein soll, aber doch bedarfsgeprüft?
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Das ist nicht der richtige Weg. Wir, die Freien Demokraten, sagen: Ja, es gibt Schwächen bei der Grundsicherung. Ja, es gibt die hohen Abzüge für diejenigen, die in der Grundsicherung sind, aber eine Arbeit aufnehmen wollen; denn von jedem hinzuverdienten Euro werden manchmal 100 Prozent abgezogen, manchmal 90 Prozent. Das heißt, ich verdiene 1 Euro, aber es bleiben mir nicht einmal 10 Cent in der Tasche.
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Das ist ein Problem, das angegangen werden muss, aber nicht durch ein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern durch ein liberales Bürgergeld.
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Und ja, wir lassen mit uns auch über das Schonvermögen reden. Wenn jemand über Jahrzehnte hinweg gearbeitet und in die Sozialkassen einbezahlt hat, sollte er am Ende nicht alles verlieren müssen, also praktisch in die Armut gestoßen werden, bevor er die Leistung der Solidargemeinschaft in Anspruch nehmen kann. Wer ein Leben lang gearbeitet hat, dem soll es auch besser gehen als demjenigen, der noch nie in die Solidargemeinschaft einbezahlt hat.
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Aber hören Sie bitte auf, von einem bedingungslosen Grundeinkommen oder anstrengungslosem Wohlstand zu träumen. Es bleibt weiter richtig, als Gesellschaft die Mitwirkungspflichten einzufordern; denn Solidarität ist keine Einbahnstraße. Es geht nicht um anonyme Staatsknete. Es geht darum, dass die Beitragszahler, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und die Steuerzahler einbezahlen, damit diejenigen, die Arbeit nicht leisten können, und einige wenige, die nicht wollen, unterstützt werden.
Dazu gehört für uns auch die Frage, ob es zumutbar ist, dass jemand aus einem Gebiet mit hoher Arbeitslosigkeit wie in Duisburg oder in anderen Teilen Deutschlands in Gebiete umzieht, in denen Vollbeschäftigung und Fachkräftemangel herrschen, wie zum Beispiel auf der Schwäbischen Alb.
Wir glauben, das Prinzip „Fordern und fördern“ ist richtig. Es aufzugeben, täte niemandem einen Gefallen. Frau Nahles, Ihre Vorschläge dienen vor allem dazu, sich wie ein Reptil den Begriff Hartz IV durch Häutung abzustreifen. Das ist eine innerparteiliche Diskussion. Wir plädieren für eine echte Reform der Grundsicherung, die leistungsgerecht ist. Das ist das liberale Bürgergeld.
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Nächster Redner ist Axel Fischer, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 2019 im Bereich Arbeit und Soziales, den wir jetzt beraten, spiegelt deutlich die gute wirtschaftliche Lage wider und ist ein sehr ambitionierter und zukunftsorientierter Haushalt.
Trotz sinkender Arbeitslosigkeit mussten wir im Regierungsentwurf geplante Ausgaben um mehr als 1 Milliarde Euro erhöhen. Dies liegt auch an den sich langsam eintrübenden Zukunftsaussichten für unsere wirtschaftliche Entwicklung – Kollege Theurer sprach gerade schon davon –; denn im dritten Quartal dieses Jahres ist die wirtschaftliche Leistung im Land das erste Mal seit langer Zeit wieder gesunken. Das heißt, es wurde weniger erwirtschaftet als vorher, nicht mehr.
Auch die demografische Entwicklung zeigt bereits deutliche Spuren im Haushalt. So sind Mehrausgaben in Höhe von 400 Millionen Euro unter anderem für die Erhöhung der Pflegebeiträge für Hartz-IV-Bezieher vorgesehen. 800 Millionen Euro Mehrausgaben waren notwendig wegen der Beteiligung des Bundes an den flüchtlingsbedingten Kosten für Unterkunft und Heizung.
Mehr als 1 Milliarde Euro Mehrausgaben – das sind mehr als 1 000 Millionen Euro – für höhere Ausgaben für Hartz IV und für Kosten für Unterkunft und Heizung. Das ist eine Zahl, die unheimlich schwer zu greifen ist. Vielleicht wird sie etwas plausibler, wenn man sich vorstellt, dass man mit diesem Geld den Bau von etwa 5 000 Doppelhaushälften finanzieren könnte. Das wäre ein familiengerechtes Zuhause für rund 20 000 Menschen. Aber all diese Ausgaben gehen zusätzlich in den Konsum und stehen somit nicht für notwendige und wünschenswerte Zukunftsinvestitionen zur Verfügung.
Unsere rückläufige Wirtschaftskraft hat am Arbeitsmarkt bislang noch keine Spuren hinterlassen. So haben wir derzeit die geringste Arbeitslosenquote und den höchsten Beschäftigungsstand seit der Wiedervereinigung. Im September dieses Jahres waren mit knapp 33,1 Millionen Menschen sage und schreibe 715 000 Personen mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt als noch im Vorjahr. Gleichzeitig ist auch die Zahl der Hartz-IV-Leistungsberechtigten im Oktober im Vergleich zum vergangenen Jahr um mehr als 320 000 gesunken. Sie sehen, meine Damen und Herren: Unser wirtschaftlicher Aufschwung ist auch bei den sozial Schwächeren angekommen und kommt ihnen zugute. Das ist Ergebnis erfolgreicher unionsgeführter Politik.
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So positiv die derzeitige Entwicklung auch ist, verschließen wir doch nicht die Augen vor deutlich sichtbaren zukünftigen Herausforderungen. Nicht nur zum Erhalt unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist angesichts der demografischen Entwicklung eine verbesserte Ausschöpfung des Arbeitspotenzials der hier lebenden Menschen dringend notwendig. Genau deshalb erhöhen wir, wie übrigens im Koalitionsvertrag vorgesehen, die Leistungen für die Eingliederung in Arbeit erheblich.
Meine Damen und Herren, das heute im Land vorhandene Arbeitskräftepotenzial reicht jedoch nicht aus, um die Wirtschaftskraft zu erhalten, der wir unseren Wohlstand heute verdanken. Wir brauchen Zuwanderung, weil wir in vielen Bereichen nicht genügend Arbeitskräfte haben.
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Mit einem Fachkräftezuwanderungsgesetz muss die legale Zuwanderung von beruflich Qualifizierten und Auszubildenden von außerhalb Europas in den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Bislang kommen weniger als 10 Prozent unserer Zuwanderer über den offiziellen Weg als Erwerbstätige nach Deutschland. Das ist deutlich weniger als in klassischen Einwanderungsländern, was auch an der Komplexität unseres derzeitigen beruflichen Zuwanderungssystems liegt.
Das neue Gesetz muss also die Voraussetzungen schaffen, gezielt Fachkräfte im außereuropäischen Ausland gewinnen zu können. Es muss darüber hinaus eine nachhaltige Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft gewährleisten, und es muss Veränderungen am deutschen Arbeitsmarkt in beide Richtungen zeitnah Rechnung tragen.
Mit Blick auf den Fachkräftemangel ist ein Vorgang, über den sich der Vorstandschef der Asklepios Kliniken öffentlich beschwert hat, befremdlich. Er hat sich öffentlich darüber beschwert, dass 500 vom Konzern selbst ausgebildete, der deutschen Sprache mächtige Pflegekräfte aus den Philippinen nicht einreisen dürfen, weil die Botschaft in Manila überlastet sei und so keine Visa erteilen könne.
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Meine Damen und Herren, da sucht ein Mitglied unserer Bundesregierung, Minister Jens Spahn, händeringend Pflegekräfte, die Wirtschaft bildet diese auf eigene Kosten aus, und ein anderes Mitglied dieser Bundesregierung, der SPD-Bundesaußenminister, erschwert deren Zuwanderung.
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Herr Kollege Fischer, die Kollegin Andreae würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
Sie darf gerne nachher eine Erklärung abgeben.
Na ja, das entscheidet der Präsident.
Okay.
Sie lassen keine Zwischenfrage zu?
Ich lasse keine Zwischenfrage zu.
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Ich denke, meine Damen und Herren, da muss die Bundesregierung eindeutig besser werden. Vielleicht könnte eine Art zentralisierte Clearingstelle zu einer Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens beitragen.
Und natürlich müssen wir die heute schon hier lebenden Zuwanderer möglichst gut und zügig in den Arbeitsmarkt integrieren. Ich begrüße daher ausdrücklich, dass wir im Bundeshaushalt die Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen und die berufsbezogene Deutschsprachförderung sachgerecht fördern.
Erhebliche Herausforderungen liegen zukünftig im Bereich der Ausbildung der Migrationskinder. Es ist doch bezeichnend, wenn die UNESCO in dieser Woche, mehr als drei Jahre nach dem beherzten „Wir schaffen das“ unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel, feststellt, dass in Deutschland 42 000 Lehrer für Flüchtlingskinder fehlen, und fehlenden Sprachunterricht sowie damit einhergehende Integrationsprobleme bemängelt. Hier sind insbesondere die Bundesländer zu fragen, warum und inwieweit sie Verpflichtungen nicht nachkommen und dies trotz sprudelnder Steuerquellen. Geld wäre jedenfalls, auch bei den Ländern, mehr als genug vorhanden.
Meine Damen und Herren, wir haben zudem Maßnahmen ergriffen, um den Betrug bei Hartz-IV-Mitteln einzudämmen. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit entstehen durch bandenmäßigen Leistungsmissbrauch Schäden in Höhe von rund 50 Millionen Euro. Ich begrüße von daher eine Initiative aus der Berliner CDU zur besseren Bekämpfung der Kleinkriminalität. Wir müssen datenschutzrechtliche Regelungen im Sozialgesetzbuch dahin gehend anpassen, dass Datenschutz nicht zum Täterschutz von Betrügern wird. Ein systematischer Datenabgleich durch die Sozialleistungsträger könnte da helfen.
Meine Damen und Herren, es wäre fatal, wenn sich bei unseren Leistungserbringern der Eindruck festsetzte, auf der Ausgabenseite würde geltendes Recht Betrügern dauerhaft Tür und Tor öffnen und ihr hart verdientes Steuergeld würde verjubelt. Die gesellschaftliche Akzeptanz unseres Sozialstaates dürfen wir nicht ohne Not weiter in Gefahr bringen. Das betrifft im Übrigen in hohem Maße auch die Gefährdung der Akzeptanz unseres Sozialstaates durch eine in der Bevölkerung als übermäßig empfundene Zuwanderung. Diese führt bereits heute nicht nur zu politischer, sondern auch zu sozialer Destabilisierung und senkt die Bereitschaft der Leistungserbringer, für den Sozialstaat zu zahlen.
Meine Damen und Herren, die Zahlungen an die Rentenversicherung stellen mit rund 100 Milliarden Euro den größten Block im Bundeshaushalt 2019 dar.
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Diese Mittel zur Sicherung und Steigerung des Lebensstandards unserer Senioren
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machen knapp 30 Prozent der Ausgaben des Bundes aus. Wenn wir diese Summe erfahrbar machen wollen und einmal in Wohnraum umrechnen, dann ließen sich mit diesen 100 Milliarden Euro etwa 450 000 Doppelhaushälften für 1,8 Millionen Menschen finanzieren. Das entspräche dem Bau einer Gartenstadt mit der Einwohnerzahl Hamburgs, und das nicht nur einmalig, sondern in jedem Jahr. Das macht vielleicht anschaulicher, was die Steuerzahler in Deutschland derzeit für das Wohl der älteren Generation aufbringen.
Zukünftige Herausforderungen zeichnen sich deutlich ab: Der Bundesrechnungshof verweist auf überproportionale Ausgabensteigerungen und bestehende Tragfähigkeitsrisiken, die mittelfristig durch Mütterrente und Rente mit 63 befördert werden. Langfristig, nach 2025, seien erhebliche Zusatzbelastungen und Risiken für den Bundeshaushalt zu erwarten, wenn die jüngst beschlossene doppelte Haltelinie über das Jahr 2025 hinaus fortgesetzt würde. Gespannt erwarten wir daher die Ergebnisse der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“.
Meine Damen und Herren, abschließend bleibt mir, Ihnen allen sehr herzlich für eine gute Zusammenarbeit zu danken, besonders dem Kollegen Michael Groß von der SPD-Fraktion, aber auch der Hauptberichterstatterin, Ekin Deligöz, allen anderen Mitberichterstattern und den zuständigen Arbeitsgruppen, dem Ministerium und allen nachgeordneten Behörden.
Herzlichen Dank.
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Dann hat jetzt das Wort zu einer kurzen Zwischenbemerkung die Kollegin Kerstin Andreae.
Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Kurzintervention zulassen.
Herr Fischer, ich habe eine Frage. Sie haben über das Fachkräftezuwanderungsgesetz gesprochen. Erst mal bin ich froh, dass die Union mit dem Einwanderungsgesetz da tatsächlich einen Schritt auf einem langen Weg gegangen ist.
Aber dieses Fachkräftezuwanderungsgesetz soll ja dazu dienen, dass Fachkräfte aus dem außereuropäischen Ausland in die Bundesrepublik Deutschland kommen. Jetzt haben wir eine lange Erfahrung damit, dass die Anerkennung der Berufsabschlüsse ein ganz großes Problem, ein Hindernis für genau dieses Momentum ist. Warum machen Sie jetzt in diesem neuen Gesetz die Gleichstellung der Qualifikation zu einem, quasi, Kriterium für die Frage, ob jemand aus dem außereuropäischen Ausland als Fachkraft nach Deutschland kommen kann? Damit machen Sie genau den gleichen Fehler. Erklären Sie mir mal, wie jemand aus dem Senegal mit einem Meisterbrief im Handwerk – und das wäre Gleichstellung der Qualifikation – in die Bundesrepublik Deutschland kommen kann? Warum legen Sie die Beantwortung der Frage, ob diese Person die Tätigkeit erfüllen kann, nicht in die Hände der Arbeitgeber? Die können doch souverän entscheiden, ob eine Person dazu in der Lage ist. Warum soll die Ausländerbehörde das entscheiden? Sie machen den gleichen Fehler wieder. Erklären Sie mir das bitte!
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Herr Kollege Fischer, Sie können das erklären, wenn Sie mögen. Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich kann nur feststellen: Die Bundesregierung ist wieder deutlich schneller als die Grünen; denn diese Möglichkeit gibt es bereits.
Herzlichen Dank.
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Dann hat als nächste Rednerin das Wort Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja schon wiederholt auf die Größe des Haushalts für Arbeit und Soziales verwiesen worden. Ich finde es immer wichtig, dass man Zahlen ein bisschen auseinandernimmt: Knapp 100 Milliarden Euro aus diesem Einzelplan gehen an die gesetzliche Rentenversicherung. Das ist gut und richtig. Wir müssen alles tun, um die gesetzliche Rente zu stärken. Die Fraktion Die Linke hat dafür gute Konzepte. Ich hoffe, diese können wir bald gemeinsam umsetzen, meine Damen und Herren.
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Wenn wir diese knapp 100 Milliarden Euro aber einmal außen vor lassen, dann sehen wir, wie viel Geld wirklich für Arbeit und Soziales übrig bleibt, nämlich 47,2 Milliarden Euro. Ich möchte Ihnen eine Vergleichszahl geben: Für die Bundeswehr geben wir nach den NATO-Kriterien 47,1 Milliarden Euro aus. Ich finde, das ist ein grobes Missverhältnis. Wir brauchen mehr Geld für Arbeit und Soziales und weniger Geld für Waffen und Kriege.
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Wir werden in den nächsten Jahren mehr Geld für gute Arbeit brauchen. Alle sprechen über Digitalisierung. Wir wissen doch, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt revolutionieren wird; das heißt, viele Menschen werden ihren Beruf aufgeben und neue Berufe erlernen müssen. Wir müssen also viel Geld in die Fortbildung der Menschen stecken. Das scheint mir wichtiger zu sein, als neue Waffen zu kaufen, meine Damen und Herren.
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Wir brauchen auch mehr Geld für Langzeitarbeitslose. Es ist gut, dass die Koalition unseren Vorschlag für einen öffentlichen Beschäftigungssektor aufgegriffen hat. Sie nennen es nur anders, Sie nennen es „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Das Problem aber ist, dass Sie für dieses Programm viel zu wenig Geld eingestellt haben. Da müsste deutlich nachgelegt werden.
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Sie wollen 150 000 Stellen schaffen. Aber die Rahmenbedingungen sind viel zu restriktiv. Selbst der Chef der Bundesagentur für Arbeit hat große Zweifel angemeldet, ob dieses Programm umsetzbar ist. Ich finde, diese Zweifel sollten Sie ernst nehmen, meine Damen und Herren.
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Allein die Voraussetzung, sieben Jahre arbeitslos gewesen sein zu müssen, um an dem Programm teilnehmen zu können, schränkt den Teilnehmerkreis doch arg stark ein.
Meine Damen und Herren, die Kanzlerin hat in ihrer Rede in der sogenannten Generaldebatte sehr stolz darauf verwiesen, dass so viele Menschen in unserem Land beschäftigt sind. Aber sie hat nichts dazu gesagt, dass viele Menschen unter prekären Bedingungen arbeiten müssen. Sie hat die Lebenswirklichkeit in unserem Land eben nicht richtig dargestellt, Herr Heil. Ich finde, wir können nicht zulassen, dass sich Menschen mit mehreren Jobs durch den Tag schleppen müssen und trotzdem ihr Leben nicht fristen können. Das muss dringend geändert werden.
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Es ist gut, dass nach vielen Jahren endlich ein Mindestlohn in Deutschland durchgesetzt wurde. Aber dieser Mindestlohn ist viel zu niedrig.
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Wir sagen, wir brauchen einen Mindestlohn von mindestens 12 Euro. Das muss endlich angegangen werden.
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Ich kann Ihnen das auch vorrechnen: Mit dem jetzigen Mindestlohn können viele Menschen ihre Miete nicht bezahlen. In Köln müsste der Mindestlohn 11,20 Euro betragen, damit die Menschen nicht mit Hartz IV aufstocken müssen, in München sogar 12,77 Euro.
Hinzu kommt erschwerend, dass es viele Arbeitgeber gibt, die beim Mindestlohn tricksen. Da wird alles Mögliche reingerechnet – Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld –, und es werden unbezahlte Überstunden abverlangt. Mit dieser Trickserei muss endlich Schluss sein.
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Dafür brauchen wir eine effektive Kontrolle des Mindestlohngesetzes. Es ist wirklich schlimm, dass noch immer Stellen zur Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohnes fehlen, dass noch immer Stellen nicht besetzt sind, und dass dann, wenn kontrolliert wird, nicht bei denjenigen, die wirklich abzocken, sondern eher bei Kleinen. Ich finde, hier haben wir alle eine Verantwortung, meine Damen und Herren.
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Nun haben SPD und Grüne ja erkannt, dass Hartz IV unsere Gesellschaft gespalten hat. Es gibt so viel Armut in unserer reichen Gesellschaft. Das ist eindeutig eine Folge der Agenda 2010. Ich finde, wenn man darüber diskutiert, muss man das ernst nehmen. Man muss grundsätzliche Dinge ändern. Man darf nicht nur über Hartz IV sprechen, sondern muss endlich auch über eine gerechte Steuerreform sprechen.
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Alle Steuerreformen seit 1998 haben das reichste Hundertstel in unserer Gesellschaft noch reicher gemacht. Das ärmste Zehntel wurde durch die Steuerreformen nicht entlastet, sondern belastet. Diese Belastung machte bei den Armen 5,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, während die Entlastung der Reichen bei 4,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag.
Es wird in unserer Gesellschaft also nur Gerechtigkeit geben, wenn wir endlich die Vermögen gerecht besteuern. Dafür kämpfen wir. Die Linke steht für eine gerechte und soziale Gesellschaft.
Vielen Dank.
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Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Lassen Sie mich mit einem Dankeschön anfangen. Wir reden hier über den größten Etat und die intensivsten Berichterstattergespräche. Wir als Berichterstatter haben zwei ganze Tage getagt, bis wir einmal durch den Etat durch waren. An dieser Stelle Danke schön an alle Mitberichterstatter! Die Tatsache, dass wir als Berichterstatter am Ende viele Veränderungen im Einvernehmen gemeinsam beschlossen haben, ist auch ein Hinweis darauf, dass erstens der Haushalt eine Königsdisziplin sein kann und dass zweitens das Zusammenarbeiten an der Stelle sehr gut funktioniert. Danke dafür.
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Das Gute ist, dass Sie tatsächlich auch ein paar Ideen von uns, der Opposition, übernommen haben. Endlich ist mal Bewegung in die Stagnation bei den Jobcentern gekommen; das ist gut. Ich will hier zwei Punkte herausstellen:
Erstens. Sie bewegen sich im Bereich des sozialen Arbeitsmarkts. Das wurde von uns ja lange gefordert; wir hatten Jahr für Jahr Anträge dazu. Jetzt passiert da was; das ist gut. Es ist ein bisschen gedämpft, weil Sie das Ganze mit einem datierten Ende versehen haben. Besser wäre es gewesen, sich mal darauf einzulassen, um tatsächlich erst mal losmarschieren zu können; aber wir werden ja sehen, wie das dann am Ende aussieht.
An dieser Stelle die Forderung, Herr Minister: Machen Sie bitte alle Entwicklungsschritte transparent. Wir werden an der einen oder anderen Stelle noch an den Schrauben drehen und vielleicht auch Anpassungen vornehmen müssen, und wir sollten die Gelegenheit haben, hier in diesem Bundestag tatsächlich auch darüber zu diskutieren und Korrekturen vorzunehmen. Das gilt auch für den Aktiv-Passiv-Transfer.
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Zweitens. Sie gehen endlich mal die chronische Unterfinanzierung der Jobcenter an; das finde ich wichtig. Sie machen hier ein kleines bisschen. Ich habe hier ja Jahr für Jahr wie eine kaputte Schallplatte immer wieder gefordert, dass da was passieren muss. Jetzt passiert da endlich mal was, und ich bin mir ganz sicher, dass das richtig ist, weil der Jahresabschluss 2018 genau meine Aussage bestätigen wird: Wenn wir wollen, dass die Jobcenter die Menschen auch fördern, müssen wir ihnen auch Luft zum Atmen geben, damit sie auf die Menschen auch eingehen können und Zeit für eine gute Beratung haben. Es gilt, nicht primär zu sanktionieren und zu fordern, sondern Fördern muss im Vordergrund stehen. Deshalb brauchen wir dort diese Luft zum Atmen.
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An dieser Stelle ein Wort zur FDP – ich kann es an dieser Stelle einfach nicht lassen –: Sie haben jetzt eine Mittelerhöhung für das Bildungs- und Teilhabepaket gefordert. Das finde ich super. Wir haben einen solchen Antrag ja auch eingebracht, und Sie legen Ihren eigenen Antrag nochmals vor – umso besser. Doppelt hält vielleicht besser und ist überzeugender, und dem stimmen wir dann auch zu usw. Bei den Eingliederungstiteln – und das gehört auch dazu – wollen Sie aber eigentlich eine Kürzung.
Was bedeutet das denn? Das heißt entweder, dass Sie den neuen Instrumenten einfach nicht vertrauen und von vornherein davon ausgehen, dass sie schiefgehen.
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Dann kann man das Geld gleich kürzen. – Aber kann man das wollen? Kann man wirklich wollen, dass eine Sozialmaßnahme schiefgeht? Was sagt das dann über die Gesinnung aus? – Oder das heißt für Sie, dass jedes Geld, das für den Bereich Soziales ausgegeben wird, falsch ausgegebenes Geld ist; das wäre, ehrlich gesagt, noch schlimmer.
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In diesem Sinne denke ich mir manchmal: „Liberal“ heißt auch, Chancen zu schaffen. Das muss Bestandteil eines aktivierenden Sozialstaats sein. Von daher finde ich es richtig und wichtig, dass wir jetzt manche Debatten führen, auch wenn sie uns herausfordern. Dazu gehört auch, zu fragen: Wie entwickeln wir dieses System weiter?
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Wir müssen diese Debatten führen, auch wenn sie schmerzhaft sind. Sie werden uns am Ende gemeinsam voranbringen. In diesem Sinne finde ich auch den Vorstoß von Robert Habeck gut, endlich mal inhaltlich zu diskutieren und uns nicht nur mit uns selbst zu beschäftigen.
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– Ja, genau das müssen wir ja besprechen, Herr Kollege. Es ist unser Job als Abgeordnete, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir alles besser machen können. Wir dürfen nicht stillstehen. Fortschritt heißt eben nicht „Weiter so“. Zum Fortschritt gehört auch, mal Debatten zu wagen und auch zu führen. Ich weiß gar nicht, warum Sie ein Problem damit haben.
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Zum Thema Kinderarmut wird mein Kollege nachher noch viel ausführen.
Ich komme zu meinem letzten Punkt, dem Rentenpakt. Sie tun so, als ob Sie die Rentenfrage mit Ihrer Mütterrente I und II und der doppelten Haltelinie beantwortet haben. Haben Sie nicht. Nein, Sie verstecken sich hinter Ihrer neuen Demografiereserve. Am Ende Ihrer doppelten Haltelinie fangen die eigentlichen Probleme doch erst an. Darauf haben Sie gar keine Antworten.
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Ich kann wieder und immer wieder fragen – irgendwie ist es wirklich seltsam, dass da nichts kommt –: Wann kommt endlich Ihr Vorschlag zur Grundrente? Das Kind hieß schon einmal anders. Zurzeit sind wir bei dem Namen „Grundrente“. Die einzige Kontinuität ist: Wir warten, warten und warten auf Ihren Vorschlag, und es kommt, kommt und kommt nichts. Da kann ich nur sagen: Die Grünen haben da mit der Garantierente einen hervorragenden Vorschlag gemacht. Wir stellen ihn Ihnen gern zur Verfügung.
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Das Wichtigste ist: Machen Sie endlich was! Fortschritt bedeutet eben nicht eine Politik des Weiter-so, Fortschritt bedeutet, die Dinge zu verändern. Haben Sie den Mut, nicht nur über die Dinge zu reden, sondern auch die Dinge richtig anzupacken, und zwar so, dass davon etwas bei den Menschen ankommt.
Vielen Dank.
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Michael Groß, SPD, ist der nächste Redner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kritik am Bundeshaushalt war im Vergleich zur Kritik am ersten Haushalt in diesem Jahr bisher relativ gering. Das zeigt ja, dass die Koalition auf dem Weg hierhin sehr viel richtig gemacht hat.
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Ich muss Ihnen sagen: Jeder Cent der 40,8 Prozent des Bundeshaushalts, den wir in Inklusion, in Integration, in soziale Teilhabe, in identitätsstiftende Arbeit stecken, ist gerechtfertigt und richtig. Deswegen sind wir als Sozialdemokraten und in der Koalition auf dem richtigen Weg.
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Hubertus Heil hat gesagt, er komme in Deutschland viel rum. Der Minister war in Stuttgart.
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– Zweimal.
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Er ist aber auch viel im Ruhrgebiet unterwegs. Die 38 Milliarden Euro für den Arbeitsmarkt setzen wir richtig ein. Insbesondere die 10 Milliarden Euro, die wir inzwischen für die Verwaltungskosten und für die Eingliederungstitel aufwenden, sind richtig angelegt. Wir investieren in Arbeit, oder wir investieren in Menschen, die Arbeit suchen. Insbesondere der soziale Arbeitsmarkt ist bei mir in der Region, in der 60 Prozent der gemeldeten Arbeitslosen Langzeitarbeitslose sind, das richtige Instrument.
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Ich kann Ihnen aus Treffen mit Trägern und mit dem örtlichen Jobcenter berichten; dort wird gesagt: Die 4 Milliarden Euro und der Passiv-Aktiv-Transfer ermöglichen es uns, im nächsten Jahr in einem ersten Schritt 700 bis 900 Menschen zusätzlich in reguläre Arbeit zu bringen; in Arbeit, die sozialversicherungspflichtig ist, in Arbeit, die nach Tariflohn bezahlt wird. Das zeigt, dass wir hier Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren,
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dass Menschen das Leben wieder selbst bestimmen können, dass Kinder erleben, dass es sich lohnt, arbeiten zu gehen, um am Ende des Monats wissen zu können: Ich kann mir etwas leisten. – Diese Kinder profitieren auch davon, dass sie am Leben teilhaben, dass sie ins Kino gehen können und dass sie Nachhilfeunterricht oder Förderunterricht bekommen und in Urlaub fahren können. Das ist der richtige Weg, sehr geehrte Damen und Herren.
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Einem Punkt muss ich hier widersprechen: Die Jobcenter sind mit dem Instrument sehr zufrieden, weil sie vor Ort entscheiden können, was die richtigen Maßnahmen sind.
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Die 4 Milliarden Euro sind zusätzlich etatisiert, um den Spielraum zu erhöhen. Vor Ort kann entschieden werden: Was sind die richtigen Maßnahmen? Was ist das richtige Regelinstrument? Wer ist der richtige Arbeitgeber? Wie kann ich unterstützen? – Damit zeigen wir doch, dass wir für die Menschen das Richtige tun.
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Ich will noch einmal auf einen Punkt eingehen, den der Minister hier vorgestellt hat: Das ist das Thema Weiterbildung und Qualifizierung. Wir hatten in der letzten Woche ein Treffen der Betriebsräte im Kreis Recklinghausen. Viele haben Angst. Sie sagen: Ich befürchte, dass ich meinen Arbeitsplatz verliere. Ich weiß nicht, was auf mich zukommt. – Es gibt auch viele Menschen, die sich fragen: Was passiert mit der Mitbestimmung? Was passiert mit meinen Daten? Deswegen ist es doch richtig, dass Hubertus Heil jetzt viele Dinge angepackt hat, dass er die nationale Weiterbildungsstrategie weiterverfolgt, dass wir die Denkfabrik eingerichtet haben und dass wir uns auf den Weg machen, genau zu betrachten, was am Arbeitsplatz eigentlich passiert, wie wir künstliche Intelligenz und Menschen zusammenbringen und wie wir dafür sorgen, dass jemand auch übermorgen noch seinen Arbeitsplatz hat. Dafür wird Geld etatisiert, und das ist gut angelegt.
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Danke auch an das Ministerium, dass diese innovativen Dinge jetzt auf den Weg gebracht werden.
Ich möchte nur ganz kurz auf etwas eingehen, was Sie auch in der Presse lesen konnten. Klar, die Hartz-IV-Diskussion wird bei uns geführt. Sie wird auch deshalb bei uns in der SPD geführt, weil auch wir inzwischen kritisch mit der Hartz-IV-Agenda umgehen.
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Aber letztendlich ist das, was Andrea Nahles sagt, doch richtig. Vor 15 Jahren war es vielleicht ein richtiges Instrument. Aber wir müssen auf der Höhe der Zeit sein und heute die richtigen Antworten finden. Das Bürgergeld, wie auch immer es letztendlich aussehen wird, kann dazu beitragen, dass die Menschen ein anderes Verhältnis zu denjenigen bekommen, die auf der anderen Seite des Tisches sitzen und Arbeit vermitteln müssen und fördern und fordern sollen. Darum ist es richtig, diese Diskussion zu führen.
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Ein letzter Punkt. Gerade war im Beitrag des Kollegen von der AfD wieder die Rede von den Menschen, die zu uns kommen, weil sie aus unterschiedlichen Gründen aus ihren Herkunftsländern flüchten müssen. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass inzwischen 280 000 Menschen, die aus den Hauptherkunftsländern als Flüchtlinge kommen, bei uns sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.
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Dann davon zu reden, dass sie nicht integrationsfähig sind, ist wirklich das Letzte.
Herzlichen Dank.
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Ulrike Schielke-Ziesing, AfD, ist die nächste Rednerin.
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Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Bürger! Heute besprechen wir zum zweiten Mal den Bundeshaushalt 2019 mit dem Einzelplan für Arbeit und Soziales hier im Plenum. Seit der ersten Lesung hat sich leider nicht viel verändert, und unsere konstruktiven Vorschläge für eine effiziente Mittelverwendung wurden während der Haushaltsverhandlungen leider nicht beachtet.
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Stur bleibt der Minister Heil der Linie treu und bürdet der gesetzlichen Rentenversicherung weitere versicherungsfremde Leistungen auf.
Welche Folgen es hat, wenn die gesetzliche Rentenversicherung durch Reformen belastet wird, konnte man Anfang des Monats im SchuldnerAtlas der Creditreform nachlesen. Der SchuldnerAtlas für das Jahr 2018 zeigt eine verheerende Entwicklung in Deutschland auf. Während die Zahl jüngerer Personen mit massiven Finanzproblemen in den letzten zwölf Monaten erfreulicherweise deutlich gesunken ist, steigen bei den über 60-Jährigen die Zahlen massiv an. Ein Grund dafür ist das immer niedriger werdende Rentenniveau.
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In meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern sind beispielsweise bei Männern die durchschnittlichen Altersrenten bei Rentenbeginn im Zeitraum von 1992 bis 2016 von rund 1 420 auf 985 Euro gefallen. Eindeutiger kann das sozialpolitische Versagen der Sozialdemokraten in Zahlen nicht ausgedrückt werden.
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Schuld sind hier vor allem die Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2001, die unter der Regierung der SPD und der Grünen einen Paradigmenwechsel bei der gesetzlichen Rentenversicherung einleiteten. Damals wurde das Rentenziel der Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung dem neuen Ziel der höheren Beitragsstabilität geopfert. Die hohe Zahl an armen Rentnern hat eine weitere Ursache: die Reformen am Arbeitsmarkt, die Armut begünstigen, indem sie für mehr Niedriglöhne, mehr Leiharbeit und mehr Teilzeitbeschäftigung sorgen. Das alles zeigt sich an der Höhe der neubewilligten Renten.
Hinzu kommt noch die angespannte Mietsituation in Ballungsgebieten. Mittlerweile müssen fast 50 Prozent des Einkommens für Miete aufgewendet werden. Dadurch bleibt den Rentnern fast nichts zum Leben übrig.
Nun reiht sich Herr Minister Heil mit seinem Rentenversicherungs-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz, das er in der letzten Parlamentswoche auf den Weg gebracht hat, in die Reihe erfolgloser SPD-Reformer nahtlos ein.
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Mit Ihrem Gesetz lösen Sie keine Probleme, Herr Minister Heil; Sie zementieren diese lediglich bis 2025.
Mit Ihren Maßnahmen im Rentenpaket belasten Sie die gesetzliche Rentenversicherung, und damit verhindern Sie einen möglichen Anstieg des Rentenniveaus. Wenn die Rentenversicherung weniger Mittel zur Verfügung hat, weil sie die neuen Maßnahmen mit Beiträgen finanzieren muss, dann kann sie auch nicht mehr Mittel an die Rentner ausschütten.
Im Haushaltsjahr 2019 werden wir über 145 Milliarden Euro für die Arbeits- und Sozialpolitik in Deutschland ausgeben. Ein Umdenken bezüglich der anstehenden Maßnahmen ist nötig und in dieser wirtschaftlich guten Lage auch möglich. Mit unseren Änderungsanträgen während der Haushaltsverhandlungen haben wir ein Einsparpotenzial von über 5,2 Milliarden Euro aufgezeigt. Damit könnten Sie, Herr Minister Heil, zum Beispiel die Mütterrente II als versicherungsfremde Leistung aus Steuermitteln finanzieren oder den bedürftigen Rentnern das verfügbare Nettorenteneinkommen erhöhen, damit sie nicht mehr in Mülltonnen nach Flaschen suchen und sich die Lebensmittel von den „Tafeln“ holen müssen. Die finanziellen Mittel sind da. Es fehlt Ihnen allein am Willen, den Rentnern in Deutschland zu helfen.
Bei der Rentenversicherung weigern Sie sich, Herr Minister Heil, die neuen versicherungsfremden Leistungen aus Steuermitteln zu bezahlen. Auf der anderen Seite schütten Sie Steuermittel mit dem Füllhorn aus, obwohl klar ist, dass diese geplanten Mittel nie in dieser Höhe abfließen werden. Hier spreche ich die Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen und die berufsbezogene Deutschsprachförderung durch das BAMF an. 2017 wurden Ausgabereste angehäuft, 2018 ebenso. Der voraussichtliche Überschuss in diesen beiden Positionen wird Ende 2018 rund 500 Millionen Euro betragen. Trotz dieser erwiesenen Fehlplanung der vergangenen Jahre werden weiterhin fast die gleich hohen Beträge für 2019 angesetzt: die Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen mit rund 59 Millionen Euro und die berufsbezogene Deutschsprachförderung mit 470 Millionen Euro. Nehmen Sie hier endlich die Hinweise des Bundesrechnungshofes ernst, und planen Sie nicht am Bedarf vorbei!
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Warum horten Sie das Geld, das nicht abgerufen wird? Es ist eine utopische Wunschvorstellung, dass die Flüchtlinge, die seit 2015 in Deutschland sind, unsere Wirtschaft mit Fachkräften und unsere Rente mit Beiträgen retten werden. Ja, eine Zuwanderung von qualifizierten Menschen ist vorteilhaft für unsere Wirtschaft und damit im Umkehrschluss auch für unsere Sozialsysteme. Das trifft aber auf die große Mehrheit der bei uns teils zu Unrecht gebliebenen Flüchtlinge nicht zu.
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Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht aufgezeigt, dass lediglich 44,9 Prozent der Verpflichtungsermächtigung aus dem Einzelplan 11 im Jahr 2017 tatsächlich abgerufen wurden. Eine genauere Veranschlagung der Verpflichtungsermächtigung würde der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit dienen. Wenn wir schon bei der Wahrheit sind: Dann machen Sie die Mütterrente II auch anrechnungsfrei bei der Grundsicherung im Alter, damit die bedürftigen Mütter auch wirklich etwas davon haben und die Erhöhung nicht komplett mit der Grundsicherung im Alter verrechnet wird. Das wäre eine aufrichtige und ehrliche Unterstützung unserer Rentnerinnen und nicht bloß, wie so oft bei Ihnen, ein Lippenbekenntnis.
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Herr Heil, dieser Rekordhaushalt hatte Ihnen eine Chance geboten, die verfehlte Politik der letzten Jahrzehnte wieder in eine richtige Richtung zu lenken und endlich wieder eine Politik für das eigene Volk zu machen. Sie haben diese Chance nicht genutzt.
Vielen Dank.
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Hermann Gröhe, CDU/CSU-Fraktion, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister Hubertus Heil! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Einzelplan des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist mit 145,3 Milliarden Euro – das wurde schon gesagt – der größte Einzeletat. Er steigt gegenüber dem laufenden Jahr noch einmal um 6 Milliarden Euro. Dies zeigt: Deutschland ist ein starker, ein leistungsstarker und solidarischer Sozialstaat. Darauf können wir stolz sein.
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Klar ist dabei zugleich: Dieser starke Sozialstaat lebt von der Wirtschaftskraft unseres Landes. Es geht also stets um eine kluge Einheit aus Wirtschafts- und Sozialpolitik. Ein robuster, ein guter Arbeitsmarkt ist die entscheidende Grundlage für ein starkes soziales Sicherungsnetz.
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Ein unbezahlbares „Wünsch dir was“, das die Wirtschaftskraft unseres Landes und den Arbeitsmarkt abwürgt, würde erst zum Schuldenstaat und dann zu einem immer schwächeren Sozialstaat führen.
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Wenn wir wollen, dass die gute wirtschaftliche Lage unseres Landes – Rekordbeschäftigung, steigende Löhne und Renten sowie gut gefüllte Sozialkassen – immer mehr Menschen zugutekommt, dann muss es zunächst und zwingend darum gehen, das uns Mögliche zu tun, damit diese gute wirtschaftliche Entwicklung anhält.
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Das hat uns bei den Koalitionsverhandlungen geleitet und – das will ich ausdrücklich sagen – auch zu guten und fairen Kompromissen geführt, die wir jetzt in einem guten und fairen Miteinander umsetzen. Deshalb ist es gut, dass wir mit einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine richtige Antwort auf den Fachkräftemangel als eine entscheidende Wachstumsbremse in vielen Regionen unseres Landes geben. Wir ermöglichen damit einen besseren und unbürokratischeren Zugang der dringend benötigten qualifizierten Fachkräfte auch von außerhalb Europas zu unserem Arbeitsmarkt.
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Deswegen ist es gut, dass wir, etwa mit der Absenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung, Spielräume nutzen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Wirtschaft zu entlasten.
Deswegen ist es schließlich richtig, dass wir bei dem Bemühen, stets eine gute Balance zu finden zwischen den Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Flexibilität bei der Gestaltung ihrer Arbeit und den entsprechenden Bedürfnissen der Wirtschaft, den besonderen Belangen kleiner und mittelständischer Betriebe Rechnung tragen, wie wir dies etwa beim Brückenteilzeitgesetz getan haben. Das war eine wichtige Antwort; denn unfreiwillige Teilzeitarbeit riskiert Altersarmut, wovon leider oft Frauen betroffen sind.
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Der Gedanke, gerade kleine und mittelständische Betriebe nicht zu überfordern, wird uns auch – das will ich ausdrücklich sagen – beim notwendigen Abbau von befristeter Beschäftigung, zu dem wir uns ausdrücklich bekennen, leiten.
Meine Damen, meine Herren, es geht darum, den Sozialstaat gezielt und mit Augenmaß weiterzuentwickeln. Das tun wir. Ich nenne beispielsweise noch einmal das Rentenpaket mit den Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und der Mütterrente, übrigens auch mit der Beitragssenkung für die Bezieher mittlerer Einkommen – Einkommen unter 1 300 Euro brutto –, die, ohne dass die Rentenanwartschaften sinken, bei den Beiträgen entlastet werden – ein richtiger Schritt.
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Weil hier wieder die Schlachten der Vergangenheit geschlagen worden sind: Selbstverständlich ist es so, dass heute schon der Bundeszuschuss die Höhe der versicherungsfremden Leistungen übersteigt. Hören Sie also auf, Schlachten der Vergangenheit zu schlagen.
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Diesen Weg werden wir gezielt fortsetzen, etwa wenn wir demnächst eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige angehen. Auch das ist ein wichtiger Schritt zur Vermeidung von Altersarmut.
Beim Qualifizierungschancengesetz, dem wir uns in Kürze zuwenden werden, geht es gezielt darum, Arbeitslosigkeit infolge von technologischem Strukturwandel erst gar nicht entstehen zu lassen, indem es erweiterte Weiterbildungsförderungsmöglichkeiten gibt, die Menschen Gewissheit geben, dass sie mit ihrer Qualifikation auch weiterhin eine gute Arbeit finden und dass sie nicht erst in Arbeitslosigkeit fallen. Wir werden darauf achten, dass dieses Gesetz nicht zuletzt auch kleinen und mittleren Betrieben im Strukturwandel zugutekommt.
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Schließlich ist das Teilhabechancengesetz ein Anstoß, jetzt die Zeit zu nutzen, uns besonders Langzeitarbeitslosen zuzuwenden, wobei ich ausdrücklich sage: In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen halbiert worden. Also haben auch diese Menschen vermehrt Chancen auf einem Arbeitsmarkt, zu dem heute mit über 1,2 Millionen offenen Stellen viele unbesetzte Arbeitsplätze gehören.
Aber es ist richtig, dass wir mit einem Kraftakt von 4 Milliarden Euro in den nächsten Jahren, mit Lohnkostenzuschüssen, mit gezielter ganzheitlicher Beratung, die auch die Familiensituation in den Blick nimmt, mit einer besseren personellen Ausstattung der Jobcenter, noch mehr tun, damit auch diese Menschen eine bessere Chance auf Teilhabe am Arbeitsmarkt haben.
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Ja, meine Damen und Herren, wir entwickeln unseren Sozialstaat zielgerichtet weiter, und wir machen ihn fit für die Zukunft. Ich möchte aber natürlich auch etwas zur Debatte der letzten Tage über die grundsätzliche Ausrichtung des Sozialstaats sagen. Ich halte es jedenfalls für unangemessen, unseren leistungsstarken Sozialstaat schlechtzureden oder gleichsam so zu tun, als müsste erst ein verlässlicher Sozialstaat überhaupt geschaffen werden, so als würde das das Vertrauen in die Politik stärken. Das stärkt übrigens auch nicht das Vertrauen in die Politik einer Partei, die seit vielen Jahren den Arbeits- und Sozialminister stellt. Ich glaube deswegen, dass es ein falscher Weg wäre, die erfolgreichen Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre abzuwickeln. Nein, wir bekennen uns ausdrücklich zu diesen gemeinsam getragenen Arbeitsmarktreformen.
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Vergangenheitsbewältigung ist kein guter Kompass für die Zukunftsgestaltung.
Wer angesichts der notwendigen Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Unterstützung von Langzeitarbeitslosen gleichsam den Eindruck eines Systems der Dauerdemütigung erweckt, der missachtet damit die eindrucksvolle Arbeit von 60 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jobcentern, vor die sich der Chef der Bundesagentur für Arbeit zu Recht gestellt hat, meine Damen und Herren.
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Wer schließlich so tut, als seien Sanktionen bei verweigerter Mitwirkung gleichsam das zentrale Element bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen, der übersieht, dass 97 Prozent der Menschen davon überhaupt nicht betroffen sind,
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dass es für 97 Prozent derjenigen, die zu Recht Unterstützung erfahren, selbstverständlich ist, dass auch ihrerseits Mitwirkungspflichten bestehen. Ich glaube, diese 97 Prozent würden es einigermaßen befremdlich finden, wenn dauerhafte Verweigerung jedweder Mitwirkung ohne jede Reaktion und gleichsam folgenlos bliebe.
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Dies untergräbt Solidarität, meine Damen und Herren, und darum kann es aus meiner Sicht nicht gehen.
Es wird schließlich gesagt: Dann machen wir eben nicht Sanktionen, sondern es gibt eine Prämie für die, die ihren Pflichten tatsächlich nachkommen.
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Überlegen Sie sich mal einen Moment, wir würden das am Arbeitsmarkt machen: Gehalt für alle und eine Prämie für die, die tatsächlich kommen.
Meine Damen, meine Herren, so nimmt man die Menschen nicht ernst. Jeder Weg, der auf die Mitwirkung verzichtet – Mitwirkung zu fordern, macht nur Sinn, wenn ihre Verweigerung auch Folgen hat –, jedes bedingungslose Grundeinkommen, das überhaupt nicht mehr das Ziel hat, Menschen in Arbeit zu führen, untergräbt Solidarität in unserem Sozialstaat.
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Wir wollen nicht kapitulieren, auch nicht vor Beschäftigungshemmnissen, sondern gezielt Menschen helfen: Hilfe zur Selbsthilfe, zu einem selbstbestimmten Leben.
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Dazu dient unsere Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, und dem dient dieser Haushalt.
Herzlichen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke, FDP.
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Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es waren gute und faire Verhandlungen, und ich kann der Hauptberichterstatterin Deligöz nur zustimmen: Es haben alle Seiten in diesen Beratungen gelernt, weil wir in einer Umbruchphase sind, weil sich in diesem Haushalt vieles verändert.
Kollegin Deligöz, das mit dem Rechnen: Ich darf Sie noch mal darauf hinweisen: Wenn man bei einer Steigerung um 1,6 Milliarden Euro sagt: „Erstens fließt es nicht ab, zweitens ist es zu viel; 400 Millionen Euro davon kürzen wir“, dann ist das etwas, was, glaube ich, auch Sie bei Ihren Anträgen immer wieder gemacht haben, was ein verantwortungsvoller Haushaltspolitiker machen muss.
Die FDP macht dann nicht den Fehler, den Sie uns immer gern vorwerfen – Sie sagen, wir würden nur kürzen –, sondern wir – Sie stimmen ja zu, weil Sie sehen, dass wir es richtig machen – nehmen die jungen Menschen in den Blick, stellen zum Bildungs- und Teilhabepaket Erhöhungsanträge,
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die wir hier auch gleich zur namentlichen Abstimmung stellen, und dann kann jeder erklären, warum er an diesem Punkt nicht bereit ist, den Jungen zu helfen, die in Schule, die in Ausbildung auf gleichem Niveau zu behandeln sind, denen wir nicht ansehen müssen, woher sie kommen. Das wird die Aufgabe sein.
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Ich freue mich – und das ist auch schön; das sage ich, wenn wir schon darüber reden, was gemacht wird –, und zwar: Es wurden von uns Kürzungsanträge zum Haushalt 2018 gestellt; die wurden mit Empörung von der Großen Koalition abgewiesen. Dann ging man an den Haushalt 2019. Und welcher Kürzungsantrag wird vom Ministerium und von der Großen Koalition übernommen? Es sind zwar nur 60 Millionen Euro, aber dann ist das auf einmal gut; dann werden FDP-Anträge übernommen. Das ist Weisheit der Großen Koalition. Wenn die wenigstens zu kleinen Teilen vorhanden ist, freuen wir uns darüber.
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Meine Damen und Herren, der Einzelplan 11 ist auch diesmal wieder der Gewinner. Ganz klar: Hubertus Heil holt am meisten raus. Um sich das mal bildlich vorzustellen – ich mache das gern –: Stellen Sie sich vor, die fleißigen Staatssekretäre, die da in der ersten Reihe sitzen, müssten alle zu den anderen in die hintere Reihe und nur Hubertus Heil säße in der ersten Reihe. Dieses Bild zeigt: So geht diese Bundesregierung mit der Frage um, wie zusätzliche Einnahmen verteilt werden. Hubertus Heil hat ein einnehmendes Wesen,
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aber es ist die Aufgabe des Staates, insgesamt nach vorn zu gucken – so wäre es eigentlich richtig – und die Schwerpunkte nicht nur bei Hubertus Heil zu setzen.
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So werden wir nicht fit für die Zukunft.
Ja, ich weiß, die übliche Ansage von links ist: Alles, was man in den Einzelplan 11 gibt, ist schon per se gut. – Wenn es nach den Grünen geht, sollten es noch mal 30 Milliarden mehr sein; dann wäre es noch viel besser. Das ist eine Mathematik!
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– Na ja, Sie finden Mathematik ja alleine schon deswegen ungerecht, wie man merkt, weil Sie sie einfach nicht beherrschen, und das ist doch eigentlich Ihr Problem.
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Meine Damen und Herren, warum ist dieser Einzelplan 11 so wichtig? Weil er der Kern – da stimme ich ausdrücklich den Vorrednern zu – des Versprechens unseres Staates ist, dass es Sicherheit geben muss in diesem Land, dass die Menschen nicht oder so wenig wie möglich von Angst getrieben sein dürfen, wenn sie ihr Leben führen. Aber – das, finde ich, haben wir in letzter Zeit viel zu wenig beachtet –: Es ist doch die Aufgabe des Sozialstaates, auch ein Zukunftsversprechen zu geben.
Deswegen darf ich noch mal darauf hinweisen, warum wir mehr für das Bildungs- und Teilhabepaket tun wollen. Wir müssen dafür sorgen, dass junge Menschen, egal wie ihr Hintergrund ist, bei alledem, was ihre Bildung und ihre Teilhabe an kulturellem Leben ausmacht, so sehr gestärkt werden, dass es nicht darum geht, wo sie herkommen, sondern es darum geht, wo sie hinwollen. Das ist die Aufgabe des Sozialstaates. Da erwarte ich insbesondere von den Sozialdemokraten, dass sie unserem Antrag am Ende zustimmen werden.
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Meine Damen und Herren, ich will das mit einem Hinweis in Richtung der Kommunen verbinden. Wenn wir bei Bildung und Teilhabe etwas machen, also über den gesamten Bereich der Grundsicherung, dann gilt das auch für das SGB XIII, die Kinder- und Jugendhilfe. Da sage ich ganz klar: Wenn da die Kommunen wieder anfangen, zu sagen: Och, ist ja schön, dass der Bund hier wieder was tut, dann können wir uns zurückziehen! – Nein! Darauf müssen wir ganz genau achten. Denn sonst passiert Folgendes: Der Bund gibt an einer Stelle und nimmt an einer anderen.
Im Übrigen habe ich, was unseren Antrag zum Bildungs- und Teilhabepaket angeht, das Gefühl: Wir werden heute sehen, dass die Große Koalition mal wieder ablehnt. Aber ich schließe mit Ihnen eine Wette ab: Beim nächsten Haushalt werden Sie dem FDP-Antrag folgen. Wenn Sie das dann tun, ist das auch wieder eine Einsicht, dass liberale Politik, die in die Zukunft guckt, sozial ist und zeigt: Im Endeffekt müssen wir in unserem Land nach vorne schauen und nicht – wie in diesem Einzelplan 11, den wir ablehnen werden – immer wieder zurück.
Herzlichen Dank.
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Susanne Ferschl, Fraktion Die Linke, ist die nächste Rednerin.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Diesem Haushalt fehlt der Mumm, um in Richtung soziale Gerechtigkeit umzusteuern.
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Herr Heil, Sie haben vorhin vom notwendigen sozialen Zusammenhalt im Hinblick auf den Wandel der Arbeitswelt durch die Digitalisierung gesprochen. Dafür wäre aber Folgendes notwendig: eine stärkere Regulierung statt immer mehr unternehmerischer Freiheit; Löhne, von denen Beschäftigte auch leben können; Sozialversicherungssysteme, die tatsächlich vor Krankheit, Arbeitslosigkeit und im Alter schützen, und: dass der Finanzsektor, die Unternehmen und die Superreichen endlich wieder zur Finanzierung des Sozialstaates herangezogen werden.
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Kurz gesagt: Es geht um das große Ganze. Sie verbleiben aber beim Klein-Klein und begnügen sich mit Minischrittchen. Ich will das an ein paar Beispielen verdeutlichen.
Sie stabilisieren befristet bis 2025 das Rentenniveau. Wir brauchen aber dauerhaft ein höheres Rentenniveau, um Altersarmut zu verhindern und um den Menschen wieder Vertrauen zu geben.
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Stattdessen verweisen Sie nach wie vor auf die Notwendigkeit, privat fürs Alter vorzusorgen. Aber ich frage Sie: Wovon eigentlich? Bei vielen Menschen reicht der Lohn nicht mal, um über den Monat zu kommen, geschweige denn, mal in Urlaub fahren zu können.
Wir haben inzwischen einen Mindestlohn; aber er ist viel zu niedrig. 12,63 Euro sind notwendig, damit man im Alter nicht aufs Amt muss. Das wissen Sie, Herr Heil, ganz genau; denn das ist die Antwort aus Ihrem eigenen Ministerium.
({3})
Und trotzdem erhöhen Sie den Mindestlohn nur um Centbeträge. Das versteht kein Mensch.
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Wenn der Lohn nicht reicht, müssen Beschäftigte aufstocken. Meine Damen und Herren, diese Menschen sind arm trotz Arbeit, und sie hängen im Hartz‑IV-System fest. Die SPD redet ja jetzt davon, Hartz IV hinter sich zu lassen. Ich hoffe sehr, dass es nicht nur um eine Änderung der Begrifflichkeit geht. Denn ob „Hartz IV“ oder „Nahles V“ – das ist völlig egal –: Wir brauchen eine komplette Änderung des Systems.
({5})
Im Haushalt findet sich dazu nichts. Gerade einmal 8 Euro mehr im Monat bekommen Menschen in Hartz IV. Kinder bekommen sogar nur 5 Euro, und die Erhöhung des Kindergeldes wird voll auf die Hartz‑IV-Leistungen angerechnet. Im Klartext heißt das, dass Millionen armer Kinder ihrer Zukunftsperspektive beraubt werden, während der Nachwuchs der Reichen durch die Kinderfreibeträge besonders stark profitiert. Das ist himmelschreiend ungerecht.
({6})
Liebe SPD, ich habe freudig zur Kenntnis genommen, dass Sie nach all den Jahren endlich verstanden haben, dass der Mindestlohn zu niedrig ist und welche Geißel Hartz IV für diese Gesellschaft ist.
({7})
Aber die Einsicht muss sich jetzt auch in konkreter Politik wiederfinden.
Die Fraktion Die Linke hat dazu konkrete Vorschläge unterbreitet: bei der Rente eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einbezahlen;
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einen Mindestlohn von wenigstens 12 Euro. Statt Hartz IV brauchen wir eine sanktionsfreie, armutsfeste Mindestsicherung und eine eigenständige Kindergrundsicherung,
({9})
zur Finanzierung die Einführung einer Finanztransaktionsteuer und eine Vermögensteuer.
Liebe SPD, wenn Sie statt der Minischrittchen auf dem Weg hin zu sozialer Gerechtigkeit bereit sind, große Schritte zu tun, dann werden wir Sie unterstützen.
Vielen Dank.
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Jetzt hat das Wort der Kollege Sven Lehmann, Bündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter dem Hashtag „#unten“ schildern gerade Tausende Menschen in den sozialen Medien ihre Erfahrungen mit Armut und Ausgrenzung. Auch ich persönlich habe diese Erfahrungen gemacht: Meine Mutter war lange alleinerziehend und hatte nur ein sehr kleines Einkommen. Nur durch sehr viel Verzicht hat sie es geschafft, dass ich das kaum spüren musste.
Wir reden heute hier über den größten Etat in diesem Haushalt. Da sind durchaus einige richtige Maßnahmen drin, aber es klafft eine große Leerstelle, nämlich wenn es darum geht, zielgenau die Teilhabe und die Würde derjenigen zu stärken, die jetzt arm sind. Das ist verdammt traurig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Bleiben wir mal bei den armen Kindern und Jugendlichen – immerhin 3 Millionen in Deutschland. Es gibt jetzt eine Kindergelderhöhung; das finde ich gut. Aber davon bekommen Kinder in Hartz IV keinen einzigen Cent, weil das Kindergeld angerechnet wird. Und es gibt höhere Steuerfreibeträge; auch das finde ich gut. Aber davon haben Familien nichts, die keine Steuern zahlen.
Was es aber nicht gibt, ist eine Erhöhung des Kinderregelsatzes. Wir Grüne haben deshalb eine sachgerechte Erhöhung beantragt. Sie haben das abgelehnt. Somit verschärft sich mit diesem Haushalt die Schere zwischen den Familien. Genau umgekehrt wäre es richtig: Wir müssen dafür sorgen, dass die Kinder am meisten Unterstützung bekommen, die sie am meisten brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Und da geht es neben Geld auch um ganz alltägliche Dinge wie das Recht auf ein warmes Mittagessen, auf Bus und Bahn, auf Klassenfahrt;
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das haben wir eben schon gehört.
Man muss schon sehr gute Sozialarbeiter an seiner Seite haben, um durch den Formulardschungel durchzusteigen, den das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket produziert hat.
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Im letzten Jahr hat nur ein Drittel der leistungsberechtigten Kinder diese Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen. Das Zynische ist: Mit dieser niedrigen Quote kalkuliert die Bundesregierung jetzt bei ihrem sogenannten Starke-Familien-Gesetz. Richtig stark wäre es aber, das Bildungs- und Teilhabepaket endlich aufzulösen und die Mittel unbürokratisch in höhere Kinderregelsätze und in kostenfreie Angebote vor Ort zu geben. Das wäre stark, und das würden die Kinder und Familien auch spüren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Warum also erhöhen Sie die Kinderregelsätze nicht? Ich glaube, Sie trauen den Eltern nicht zu, dass sie mit dem Geld schon das Richtige für ihre Kinder tun. Dabei hat die Bertelsmann-Stiftung erst vorgestern sehr eindrücklich genau dieses Vorurteil widerlegt: Eltern sparen, wenn sie sparen müssen, zuerst bei sich und erst dann bei ihren Kindern.
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Aber dieses Vorurteil hält sich leider hartnäckig.
Dieses Menschenbild – es geht um Menschenbilder – zeigt sich auch mal wieder in der aktuellen Debatte zu Hartz IV. So lässt sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner allen Ernstes damit zitieren, man solle Steuereinnahmen nicht „denjenigen … geben, die nicht arbeiten wollen“. Mit dem Geld werde finanziert – Zitat –,
dass vielleicht ein junger Mann ohne Schulausbildung sagt, ich hab einfach keine Lust zu arbeiten. Ich bleibe zu Hause.
Zitat Ende. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie herablassend und zynisch das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.
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1,2 Millionen Menschen in Hartz IV arbeiten, verdienen aber zu wenig und müssen deswegen aufstocken. 4,6 Millionen Menschen sind dauerhaft in Minijobs beschäftigt. Armut ist ein Mangel an Geld, nicht ein Mangel an Charakter, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.
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Wir Grüne werden weiter dafür streiten, dass wir Menschen motivieren und befähigen, anstatt sie zu sanktionieren. Wir werden dafür streiten, die Arbeit der Jobcenter besser zu machen, auch indem wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von unsinniger Bürokratie entlasten. Wir werden dafür streiten, den Zuverdienst zu belohnen, statt ihn zu bestrafen. Und wir werden dafür streiten, jedem Menschen ein Mindestmaß an Teilhabe zu garantieren, nicht, weil er es sich verdienen muss, sondern einfach, weil er ein Mensch ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Thomas Heilmann, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und an den digitalen Endgeräten! Kern jeder Sozialpolitik ist erfolgreiche Bildung. Dieser Satz hatte in unserer Geschichte schon lange Gültigkeit. Die flächendeckende Einführung und Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht im Jahr 1810 war die Grundlage für die wirtschaftlich erfolgreiche Industrialisierung in Deutschland. Ausbildung wurde zu dem Schlüsselwert des 19. Jahrhunderts in einer sich verbürgerlichenden Gesellschaft. Das haben preußische Herrscher und Stein und Hardenberg 1806 erkannt und eine Kampagne für Bildung gemacht. Bildung bleibt auch heute überragend wichtig. Deshalb unternimmt diese Koalition mehr als alle ihre Vorgängerregierungen zur Umsetzung dieses Konzepts. Dieser Haushalt ist dafür ein guter Beleg und ein guter Anfang.
Lassen Sie mich beispielhaft sagen: Wir haben die Grundlagen für den DigitalPakt Schule gelegt; das gehört zwar nicht in den Einzelplan 11, aber in diesen Zusammenhang. Wir verstärken erneut die Mittel für Hochschule und Berufsausbildung. Wir haben das Qualifizierungschancengesetz auf den Weg gebracht; Minister Heil hat es gerade gesagt. Wir geben mit diesem Haushalt 3 Milliarden Euro Steuergelder, zusätzlich zu den Mitteln in der BA, für Weiterbildung aus. Und nächstes Jahr – darauf möchte ich schwerpunktmäßig eingehen – kommt die Weiterbildungsstrategie, die wir angekündigt haben.
Die Tätigkeiten der Arbeitswelt ändern sich fundamental – das haben einige Vorredner schon gesagt –, übrigens in rasantem Tempo. Klar ist dabei: Die Arbeit wird uns nicht ausgehen; aber zukünftig werden Tätigkeitswechsel immer häufiger notwendig werden. Sie, Herr Bundesarbeitsminister, nennen das eine „anstrengende Nachricht“. Ich bin gar nicht sicher, ob das wirklich anstrengend ist. Weiterbildung kann nämlich durchaus auch Freude machen, schneller werden und mehr für alle bringen; darüber möchte ich gerne berichten.
Wir brauchen in Deutschland für die Weiterbildung eine grundlegende Überarbeitung mit bewährten, aber eben auch mit neuen Elementen. Genau das haben wir uns vorgenommen.
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– Ich wundere mich, dass Sie zu der angekündigten Weiterbildungsstrategie der Bundesregierung Beifall klatschen; aber ich freue mich ja, wenn auch die Linken uns zustimmen. –
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Meine Fraktion hat das mit großer Einmütigkeit unterstützt.
Ich will gerne kurz auf den Zusammenhang eingehen, warum das so wichtig ist. Wir haben heute schon 1,2 Millionen offene Stellen und Fachkräftemangel. Und wenn sich die Tätigkeiten ändern, dann droht dieser Fachkräftemangel größer zu werden. Und wenn wir gleichzeitig Arbeitslosigkeit haben, weil die Menschen den Übergang in diese neuen Jobs nicht schaffen, dann ist das sozialpolitisch, aber eben auch wirtschaftspolitisch verhängnisvoll; denn es ist notwendig, dass wir diesen Menschen eine Chance in der neuen Arbeitswelt geben.
Die Union hat für diese wichtige Weiterbildungsstrategie einen neuen Baustein entwickelt. Wir nennen diesen Baustein „MILLA“. MILLA steht für modulares, interaktives lebensbegleitendes Lernen für alle. MILLA soll alle Menschen dazu anregen und ihnen helfen, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden. Es ist eine digitale Antwort auf die digitalen Herausforderungen unserer Zeit. Wir in der CDU/CSU-Fraktion freuen uns sehr über die positive Resonanz, die MILLA – obwohl erst vor wenigen Tagen veröffentlicht – aus allen Teilen der Bevölkerung und auch aus allen Teilen des politischen Spektrums – offensichtlich auch bei den Linken – erhalten hat.
Kurz zur Erläuterung: MILLA stellt erst einmal kostenlos für alle Bürgerinnen und Bürger neue und bestehende Weiterbildungsangebote bereit. Dabei werden Offline- und Onlineangebote berücksichtigt. Wie alle modernen digitalen Plattformen wird dabei jedem einzelnen ein individuelles Angebot nach seinen Interessen und Vorerfahrungen gemacht. Das ist ein ziemlich großer Sprung. Das müssen Sie sich so vorstellen, als würden Sie direkt aus der Zeit des Schwarz-Weiß-Fernsehers in eine moderne Zeit mit einem modernen Standard, den Sie vielleicht von Netflix oder anderen Programmen kennen, springen.
MILLA ist also individuell anpassbar, berücksichtigt die persönlichen Interessen und das vorhandene Fähigkeitsprofil. Es ist deutschsprachig, es ist kurzweilig, und es ist modular. Es ist damit ein modernes E-Learning-Angebot, das nachhaltig Motivation und Neugier auf Weiterbildung schaffen soll. Der Staat stellt dabei nur die Plattform zur Verfügung; darauf wird ein neuer Wettbewerb entstehen – um die besten Bildungsinhalte, die besten didaktischen Konzepte und um attraktive Lernmethoden.
Ich will zum Schluss darauf eingehen, wie wichtig das in konzeptioneller Hinsicht aus meiner Sicht ist. Digitale Fragen brauchen digitale Antworten. MILLA wird durch eine neu zu schaffende digitale Einheit umzusetzen sein. Mit MILLA wollen wir also den Gedanken der sozialen Marktwirtschaft ins digitale Zeitalter übertragen. Wir wollen damit Eigenverantwortung stärken und neue Chancen für alle eröffnen. Das ist wirklich etwas anderes als das bedingungslose Grundeinkommen. Wenn wir jedem eine Brücke bauen und ihm signalisieren: „Dich brauchen wir zukünftig nicht mehr, weil die Tätigkeiten sich ändern; aber du kriegst ja wenigstens ein bedingungsloses Grundeinkommen“, dann ist das, finden wir, unsozial.
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Wir sagen: Jeder kann am Arbeitsmarkt bleiben. Jeder hat Fähigkeiten. Wir brauchen jeden, und jeder soll eine Chance bekommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen die Bevölkerung nicht in Digitalisierungsgewinner und Digitalisierungsverlierer spalten – heute nicht und in Zukunft nicht. Wir in der Union wollen Digitalisierung für alle. Wir wollen Wohlstand für alle. Wir wollen in diesem Sinne eine den Menschen dienende Digitalisierung.
Vielen Dank.
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Jetzt hat das Wort Kerstin Tack, SPD.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wie immer gut und richtig, dass wir heute mit dem Etat des BMAS, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, den größten aller Etats zu beraten haben; denn er enthält aus unserer Sicht die wichtigsten sozialpolitischen Aspekte.
Wir leben in einer Welt, in der wir mit dem digitalen und technischen Fortschritt große Veränderungen haben. Der Klimawandel verändert unsere Lebensgewohnheiten, der globale Austausch unsere Einstellungen, der demografische Wandel unsere Bevölkerung. Das alles löst spürbar Ängste und Unsicherheit bei den Menschen aus. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir uns mit diesen Fragen intensiv beschäftigen und auch Antworten geben, die insbesondere die Stärkung unserer Systeme und des Sozialstaates zur Grundlage haben.
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Dass dieser Etat mit den bereits erwähnten 145 Milliarden Euro der größte und stärkste Etat ist, ist deshalb richtig und wichtig.
Wir freuen uns darüber, dass wir bei den Kolleginnen und Kollegen der FDP mit unserem Koalitionsvertrag eine gute Grundlage gelegt haben, von der aus sie Ideen für Haushaltsanträge gewinnen, indem sie unsere Vorstellungen zur Weiterentwicklung des Bildungs- und Teilhabepaketes abgeschrieben und in einen Haushaltsantrag gestellt haben.
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Wir freuen uns, mitteilen zu können: Wir werden im nächsten Jahr – es steht im Koalitionsvertrag – mit dem Familienstärkungsgesetz nicht nur das Bildungs- und Teilhabepaket erweitern,
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sondern auch die Mittel für den Kinderzuschlag um 1 Milliarde Euro erhöhen. Das ist richtig.
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Dazu brauchten wir keine Unterstützung der FDP. Das war für uns schon in den Koalitionsverhandlungen wichtig.
Frau Kollegin Tack, jetzt haben Sie eine Zwischenfrage aus der FDP provoziert. Mögen Sie sie zulassen?
Aber natürlich.
Frau Kollegin Tack, wenn Sie es für richtig halten, dass das Bildungs- und Teilhabepaket finanziell aufgestockt wird: Welchen vernünftigen Grund kann es dann geben, die Kinder noch länger auf diese Chance warten zu lassen? Stimmen Sie doch einfach zu! Erhöhen Sie die Mittel des Bildungs- und Teilhabepakets! Schon am 1. Februar wird die zweite Tranche des Schulstarterpakets ausgezahlt. Da könnten Sie schon ganz einfach eine leichte Erhöhung ermöglichen. Warum machen Sie das nicht?
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Ich will Ihnen sagen, dass wir mit Ihren Vorschlägen nicht zufrieden sind; denn wir haben weiter gehende Vorschläge, die wir im Rahmen des Familienstärkungsgesetzes einbringen werden.
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Deshalb ist unsere Antwort eine weiter gehende als Ihre Antwort, und sie ist eingebettet in ein Gesamtpaket eines starken Familiengesetzes. Es macht Sinn, ein Gesamtpaket zu formulieren.
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Dazu sind unsere Vorschläge besser geeignet, als Ihr Antrag es suggeriert.
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Insofern werden wir mit unserem Gesetz für eine ganzheitlichere Antwort sorgen.
Ich will etwas zu der aktuellen Debatte sagen, die wir über die Frage des Sozialstaates der Zukunft führen. Ich bin etwas überrascht, dass sich die einen oder anderen darüber wundern, dass es aktuell eine Diskussion um die Frage des Sozialstaates der Zukunft gibt. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch unser politischer Auftrag.
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Alles andere wäre doch politische Arbeitsverweigerung.
Selbstverständlich muss man sich, wenn man vor 13 Jahren eine Reform gemacht hat, die sich mit der Teilhabe am Arbeitsleben unter den damals existierenden Bedingungen auseinandergesetzt hat, heute Gedanken darüber machen, wie man unter den heutigen Bedingungen Teilhabe am Arbeitsleben organisiert, wie man Sozialstaatlichkeit neu diskutiert, wie man es schafft, dass Zugänge vereinfacht werden, dass Existenzängste genommen werden, dass existenzsichernde Leistungen gewährt werden, dass wir darüber reden, wie wir uns auf Armut in Deutschland, insbesondere Kinderarmut, einstellen und mit der Kindergrundsicherung eine Antwort darauf geben können, wie wir es schaffen, jedem ein Recht auf Arbeit zu organisieren, wie wir es schaffen, dass wir mit einem Sozialstaat Verlässlichkeit, Sicherheit und Zugänglichkeit für die Zukunft nicht nur weiter garantieren, sondern auch verbessern. Das ist doch selbstverständlich. Das ist unser Auftrag. Damit beschäftigen wir uns wie viele andere auch. Das ist richtig, wichtig, notwendig und, ich glaube, auch Erwartungshaltung an künftige Politik – unabhängig von der Partei, die das gerade diskutiert.
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Dieser Haushalt ist ein erster und wichtiger Schritt, damit wir die Maßnahmen, die wir in den letzten Wochen schon diskutiert, behandelt und verabschiedet haben, umsetzen können. Er setzt richtige und wichtige Zeichen. Ich freue mich, dass wir uns über das hinaus, was hier mit dem sozialen Arbeitsmarkt, mit dem Rentenpakt schon häufig diskutiert wurde, auch einer Zielgruppe zuwenden – das möchte ich noch einmal besonders erwähnen –, die es besonders schwer hat: den Menschen mit Behinderungen. Wir haben uns, was den Zugang zum Arbeitsmarkt angeht, hier richtig ins Zeug gelegt. Wir haben mit dem Programm „rehapro“ dafür gesorgt, dass es einen echten, modernen und neu konzipierten Zugang geben kann,
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dass wir Schnittstellen besser definieren.
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Das ist wichtig. Wir haben es dank dem Kollegen Matthias Bartke, dem Vorsitzenden des Ausschusses für Arbeit und Soziales, geschafft, dass wir die Mittel erhöhen können und jede Debatte des Deutschen Bundestages in Gebärdensprache übersetzt wird, nicht nur in der Kernzeit.
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Das ist ein richtig wichtiger Schritt für Teilhabe in Deutschland. Dass wir das jetzt organisieren, ist gut, richtig und super.
Der Haushalt 2019 im Bereich Arbeitsmarkt und Soziales drückt in Zahlen aus, was wir uns politisch auf die Fahnen geschrieben haben: mehr soziale Sicherheit, besserer gesellschaftlicher Zusammenhalt, gegenseitige Wertschätzung. All das ist in Zahlen formuliert der Haushalt der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, gut angelegtes Geld.
Danke schön.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Saal füllt sich in Erwartung der letzten Rede in dieser Aussprache. Dazu erteile ich das Wort dem Kollegen Peter Weiß, CDU/CSU. Ich bitte um die notwendige Aufmerksamkeit.
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Zum Schluss dieser Debatte über den Haushalt Arbeit und Soziales für das Jahr 2019 ist es gut, einfach noch einmal zusammenzufassen, was die Hauptbotschaften dieses Haushaltes sind.
Die erste und wichtigste Botschaft ist: Wir nehmen richtig viel Geld in die Hand, um mehr in Arbeit zu investieren, damit Arbeitslosigkeit verschwindet.
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Das System, das im Volksmund Hartz IV genannt wird, aber eigentlich „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ heißt – das ist der Titel des Gesetzes –, ist in einer Zeit geschaffen worden, in der wir eine hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland hatten. Heute haben wir Gott sei Dank eine niedrige Arbeitslosigkeit. Aber wir sehen, dass es viele Langzeitarbeitslose immer noch schwer haben, in Arbeit zu kommen. Meines Erachtens kann es jetzt nicht darum gehen, Debatten darüber zu führen, ob man diesem Hilfesystem einen neuen Namen gibt. Die Hauptdebatte muss doch sein: Wie bekommen wir auch diejenigen, die in Langzeitarbeitslosigkeit verharren, wieder in Arbeit? Dafür stellen wir die Mittel zur Verfügung.
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Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass Kinder, die in Bedarfsgemeinschaften leben, die auf Grundsicherung angewiesen sind, auch Armut erfahren. Deswegen legen wir mit unserem Förderinstrumentarium Wert darauf, dass vor allem die Bedarfsgemeinschaften von unseren Jobcentern in den Blick genommen werden, in denen Kinder leben, damit deren Eltern wieder in Arbeit kommen. Kinderarmut gehört dann der Vergangenheit an, wenn die Eltern ein anständiges Arbeitseinkommen haben, von dem sie leben können.
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Die zweite wichtige Botschaft dieses Haushalts ist: Wir haben nicht Angst vor der Digitalisierung, nicht Angst vor den Veränderungen der Arbeitswelt, die auf uns zukommen, sondern wollen die Chancen, die sich auftun für unsere Gesellschaft, für unsere Wirtschaft, für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, beherzt nutzen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sollen wissen: Wir unterstützen sie aktiv und mit viel Geld
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beim technologischen und digitalen Wandel, der auf sie zukommt.
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Zu den beiden Themen darf man sich nicht nur den Bundeshaushalt ansehen, sondern muss auch den vor 14 Tagen vom Verwaltungsausschuss der Bundesagentur für Arbeit verabschiedeten Haushalt berücksichtigen, wo die Beiträge aus der Arbeitslosenversicherung eingesetzt werden. Wir stocken das Personal in den Jobcentern auf, die die Langzeitarbeitslosen beraten und wieder in Arbeit vermitteln. Wir erhöhen auch kräftig die Mittel, die wir in die Weiterbildung in unseren Betrieben investieren. Beide Haushalte, Bundeshaushalt und Haushalt der Bundesagentur für Arbeit, sind Zukunftshaushalte für unser Land.
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Die dritte wichtige Botschaft ist: Mit diesem Bundeshaushalt 2019 schaffen wir die Grundlagen für eine weiterhin verlässliche Alterssicherung in unserem Land. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Beiträge des Bundes aus Steuermitteln an die Rentenversicherung steigen auf die historisch hohe Marge von über 98 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Das sind noch einmal 4 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr. Das zeigt doch deutlich: Ja, wir als Deutscher Bundestag stehen mit diesem Haushalt dafür gerade, dass unsere Alterssicherung in Deutschland auch in Zukunft funktioniert. 98 Milliarden Euro, das ist nicht nur der größte Einzelposten im Haushalt für Arbeit und Soziales, das ist sogar im gesamten Bundeshaushalt der größte Einzelposten.
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Gleichzeitig haben wir dank der guten Konjunktur, dank der guten Lage am Arbeitsmarkt die Situation, dass wir Ende dieses Jahres eine Rücklage von über 38 Milliarden Euro in der Rentenversicherung haben werden. Nie stand die Alterssicherung in Deutschland finanziell auf stärkeren und festeren Füßen als heute.
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Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich finde, die drei Kernbotschaften des Bundeshaushaltes 2019 im Bereich Arbeit und Soziales sind Kernbotschaften, die es jedem von uns leicht machen sollten, klar und deutlich mit Ja zu stimmen. Es ist ein Haushalt, der in die Zukunft investiert und für Sicherheit in unserem Land sorgt.
Vielen Dank.
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Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11 – das ist der Einzelplan für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales – in der Ausschussfassung. Wer stimmt für diesen Einzelplan? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Einzelplan 11 mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von AfD, FDP, Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Bürger! Lassen Sie mich zunächst kurz auf einen Debattenpunkt eingehen, der Sie hier offenbar sehr umtrieb. Ich sage ganz klar, Frau Merkel, Herr Scholz und liebe Kollegen von der Koalition: Es gehört mehr Gewicht dazu, als Sie es je auf die Waage bringen können, Alice Weidel von meiner Fraktion und der Parteibasis zu entzweien. Wir stehen hinter Alice Weidel! Lassen Sie Ihre Angriffe an dieser Stelle!
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Ich sehe hier an dieser Stelle eine rote und eine schwarze Null: Herrn Scholz und Frau Merkel. Sie täuschen und tricksen besser, als es die Bilanzbuchhalter der Hypo Real Estate je konnten. Ihr Haushalt ist so wenig ausgeglichen, wie sich Italien an die Defizitregeln hält.
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Ihr klammheimliches Verfrühstücken der Flüchtlingsrücklage, um sich mit dieser angeblichen schwarzen Null schmücken zu können, sei hier nur am Rande erwähnt.
Trotz sprudelnder Steuereinnahmen, eines Haushalts von 356 Milliarden Euro – ein Rekord übrigens: 60 Mal so viel wie Ihr Pleiteflughafen hier in Berlin vom Wirtschaftsweisen der SPD, Herrn Wowereit –, schafft es diese reformunfähige Regierung nicht, einen ausgeglichenen Haushalt zu budgetieren. Sie berauben mit dieser verantwortungslosen Politik die jungen Menschen ihrer Zukunft und die alte Generation ihrer Gegenwart. Ein kluger Kaufmann und bedachter Staatsmann würde jetzt Rücklagen bilden.
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Kennen Sie überhaupt noch den Spruch „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“?
Meine Damen und Herren, die Not wird kommen, sie klopft von Süden her schon erbarmungslos und ziemlich laut an. Sie machen stattdessen den Bürgern undurchdachte Steuergeschenke, statt sie, so wie wir es fordern, wirklich zu entlasten.
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Keine Spur davon, sich finanziell auf den Brexit vorzubereiten. Stattdessen bauen Sie einen Schattenhaushalt nach dem nächsten auf.
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Der Energie- und Klimafonds sei an dieser Stelle genannt. Mit diesem versuchen Sie, Ihre gescheiterte Energiewende zu kaschieren. Immerhin ist es Ihnen gelungen, dass wir bei den Energiekosten nicht Spitzenreiter in Europa sind – wir sind nur an zweiter Stelle.
Keine Spur davon, sich auf die italienische Krise vorzubereiten. Stattdessen haben Sie, Herr Scholz, sich wahrscheinlich schon hinter verschlossenen Türen darauf verständigt, die 300 Milliarden Euro für die Finanzierung der italienischen Staatsanleihen, die fällig werden, zu überweisen. Ich prognostiziere schon heute an dieser Stelle: Sie werden den kranken Euro retten und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger opfern. Und tatsächlich wissen auch Sie, dass Italien das beste Druckmittel überhaupt in Händen hält: Entweder retten Sie italienische Banken mit deutschen Euros, oder Sie gestatten, dass die Italiener ihre Banken mit einer neuen Lira retten. Etwas anderes wird gar nicht möglich sein.
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Da Ihnen also der Euro näher ist als die Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, werden Sie den Euro retten. Italien sitzt auf einem Schuldenberg von immerhin 2,3 Billionen Euro und muss in 2019 – wie gesagt – 300 Milliarden Euro an Refinanzierung und Zinsen aufbringen. Italien muss aber zehnmal so viel Zinsen zahlen wie Deutschland, nämlich 3,5 Prozent.
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Der wesentliche Unterschied ist aber, dass die meisten dieser Staatsanleihen von – hört! hört! – italienischen Banken gehalten werden.
Dieser Haushalt ist also ein riesiger Etikettenschwindel, der mit den ersten dunklen Wolken am Wirtschaftshorizont krachend zusammenbrechen wird. Bezüglich des Euros hangeln Sie sich, meine Damen und Herren von der Regierung, von Lüge zu Lüge. Wir von der AfD sagen an dieser Stelle: Kein deutsches Steuergeld für italienische Banken!
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Nehmen Sie es zur Kenntnis: Italien ist pleite! Herr Merz würde wohl von Insolvenzverschleppung sprechen. Bildlich gesprochen liegt der italienische Patient im Koma und ist an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen.
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Betrachte ich die Aussagen des Herrn Merz zur Asylpolitik – da überholt er uns ja inzwischen rechts; meine lieben Kollegen von der CDU/CSU, Sie kopieren ja nur –, ist die Frage: Will er den Stecker der Herz-Lungen-Maschine ziehen, oder ist es Herr Salvini, der dann mit frischem Geld, nämlich einer neuen Lira, die italienische Wirtschaft und das Land wiederbelebt?
Aber, meine Damen und Herren, was bleibt diese Regierung noch schuldig? Sie bekommen die aggressive Steuervermeidung seit Jahren nicht in den Griff. Im Gegensatz zum Europäischen Parlament können Sie ja nicht einmal die Schäden beziffern, die dem deutschen Steuerzahler dadurch jährlich entstehen. Auf meine Anfrage hin – und die spricht Bände – antworteten Sie als Regierung zunächst, Sie könnten diese Mechanismen nicht kennen und würden da keine Einschätzung vornehmen, um auf die dritte Frage zu antworten – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:
Die Bundesregierung unterstützt von Beginn an das von OECD und G 20 initiierte Projekt gegen Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung ..., im Rahmen dessen im Jahr 2015 konkrete Maßnahmenbündel zu 15 Aktionspunkten, insbesondere zur Vermeidung unfairen Steuerwettbewerbs, bestimmter Missbrauchskonstellationen ... beschlossen wurden.
Dann müsste man sie ja doch kennen. Warum antworten Sie dann nicht drauf?
Also, meine Damen und Herren, schätzen wir einmal – das EU-Parlament konnte das sehr gut –: Den europäischen Mitgliedstaaten entstehen durch diese Steuervermeidung jährlich zwischen 160 und 190 Milliarden Euro an Schäden. Nehme ich einfach mal den deutschen Anteil an der EZB von circa 27 Prozent, entsteht dem deutschen Steuerzahler unter Ihren Augen, unter Ihrer jämmerlichen Politik jährlich ein Schaden von 51,3 Milliarden Euro. Da ist der Soli spielend drin, mit dessen Wegfall Sie die Menschen hier entlasten könnten.
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Wären Sie Pinocchio, hätten wir heute eine Verbindung zum Mond. Ihre Regierung hinterlässt einen haushalterischen und gesellschaftlichen Scherbenhaufen. Seien Sie froh, dass wir noch nicht regieren und umgesetzt haben, was in unserem Programm steht:
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dass Steuerverschwendung strafbar sein muss. Ich wüsste dann nämlich, wo Sie alle von der Regierungsbank sitzen würden. Sie würden die Banken tauschen und auf der Anklagebank sitzen – und das mit Recht.
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Treten Sie endlich zurück! Beim Soli haben Sie ja gerade schon ein Problem, Herr Scholz; Sie widersprechen ja gerade der CDU. Oder werden Sie der totalen Stufenabschaffung doch zustimmen?
Meine Damen und Herren, diese Regierung ist ein zerstrittener Haufen. Machen Sie den Weg frei für Neuwahlen, und geben Sie den Menschen endlich die Chance, eine vernünftige und verantwortungsvolle Regierung zu wählen!
Danke schön.
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Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dennis Rohde.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinter uns liegt die Woche des Geldes. Ich glaube, es ist auch gerade wieder deutlich geworden, wo die Schwerpunkte in dieser Debatte um das Geld liegen: Bei den einen liegen sie in der internen Debatte um Schwarzgeld und bei den anderen in der Debatte über einen ausgeglichenen Bundeshaushalt. Das waren die Schwerpunkte in dieser Woche und in dieser Debatte.
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Ich möchte in dieser Schlussrunde an das anknüpfen, was der Bundesminister der Finanzen bei der Einbringung dieses Haushaltes am Dienstag gesagt hat. Er hat zum einen festgestellt, dass diese Regierung einen guten Entwurf vorgelegt hat; zum anderen hat er dem Parlament gedankt, dass es aus diesem guten Entwurf einen noch besseren Bundeshaushalt gemacht hat. Herr Minister, der ein oder andere mag diesen Bundeshaushalt kritisiert haben, ich möchte Sie doppelt bekräftigen: Ja, Sie haben recht, Sie haben einen guten Regierungsentwurf vorgelegt. Ich möchte Sie aber auch darin bekräftigen, weiterhin zu betonen, dass Sie sich beim Parlament bedanken, dass wir aus diesem guten Entwurf einen noch besseren Haushalt gemacht haben; denn damit, Herr Minister, haben Sie auch recht.
Ich möchte betonen, dass das Ganze nicht möglich gewesen wäre, wenn uns nicht viele tatkräftige Unterstützerinnen und Unterstützer zugearbeitet hätten, und ich möchte diese Debatte nutzen, um mich zum einen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen zu bedanken, die genauso wie wir bis tief in die Nacht arbeiten mussten, um Hunderte Änderungsanträge abzuarbeiten. Ich möchte mich zum anderen aber auch ausdrücklich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats bedanken. Es war schon gut, zu wissen, dass jemand neben einem sitzt, der genau weiß, wo man gerade ist und was noch passiert, wenn man morgens um vier den Vorsitz des Ausschusses übernimmt. Von daher: Ihnen im Ausschusssekretariat herzlichen Dank! Vielen Dank für die Unterstützung in den letzten Wochen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auf drei aktuelle Debatten eingehen, die sich auch in diese Haushaltsdebatte gemischt haben:
Ich habe auch dieser Debatte wieder entnommen, dass es immer noch Kolleginnen und Kollegen gibt, die darüber diskutieren, dass man die Wehrpflicht wieder einführen sollte,
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wohl wissend, Sven-Christian Kindler, dass die Strukturen in der Bundeswehr nicht mehr vorhanden sind, wie der Kollege Kahrs am letzten Dienstag richtigerweise festgestellt hat. Daneben gibt es andere, die darüber diskutieren, nicht eine Wehrpflicht einzuführen, sondern ein Zwangsarbeitsjahr, eine Dienstpflicht für junge Leute.
Ich finde, mit diesem Bundeshaushalt geben wir genau die richtige Antwort auf diese Debatte, indem wir nämlich sagen: Wir wollen junge Menschen nicht zwangsverpflichten, sondern wir wollen freiwilliges Engagement unterstützen. – Wir unterstützen mit diesem Bundeshaushalt die Freiwilligendienste in großem Maße, etwa beim Technischen Hilfswerk, aber auch darüber hinaus. Ich finde, das ist die richtige Antwort auf diese Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Dann führen wir in diesem Haus eine Debatte über die Zukunft des Solidaritätszuschlages. Ich möchte für unsere Fraktion betonen, dass wir es richtig finden, in dieser Legislatur 90 Prozent der arbeitenden Menschen in diesem Land zu entlasten, dass wir es richtig finden, diejenigen zu entlasten, die mit ihren Einkommen eben nicht zu den Top Ten in diesem Land gehören. Das ist Solidarität. Sie ist an dieser Stelle wichtig; denn wir leben nicht in einer radikalen Marktwirtschaft, sondern unserer Verfassung folgend ausdrücklich in einer sozialen Marktwirtschaft.
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Aufgabe einer sozialen Marktwirtschaft ist es, dafür Sorge zu tragen, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergeht. Das ist Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; das können Sie nachlesen, Herr Kollege.
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Deshalb haben wir hier die Chance, zu sagen: Wir wollen, dass diejenigen, die breite Schultern haben, die in diesem Land viel Geld verdienen, mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Deshalb finde ich es nicht nur richtig, dass wir nur die unteren 90 Prozent entlasten; ich finde es auch sozialstaatlich geboten.
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Dann steht in diesem Koalitionsvertrag eine Regelung, dass wir die Ausgaben im Bereich der Verteidigung und im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit bzw. der humanitären Hilfe eins zu eins aufwachsen lassen wollen. Das ist eine Herausforderung. Man muss wissen, dass allein 19 Milliarden Euro im Einzelplan der Bundesministerin der Verteidigung Personalausgaben sind und sich die Kosten jeder Erhöhung durch Tarifabschlüsse in diesem Einzelplan sofort niederschlagen. Deshalb, finde ich, muss man an dieser Stelle positiv hervorheben, dass wir der Verantwortung, die wir in dieser Welt haben, dadurch gerecht werden, dass mit Abschluss dieses Haushaltes 1 Milliarde Euro für den Bereich zusätzlich zur Verfügung steht. Das ist gelebte Solidarität, aber auch in unserem eigenen Interesse. Ich finde, das sollte man hier noch mal betonen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn gerade öffentlich versucht wird, diesen Tag als einen Black Friday dastehen zu lassen, möchte ich ausdrücklich sagen, dass es kein schwarzer Freitag für die Bundesrepublik ist. Es ist ein guter Tag, weil wir einen Haushalt verabschieden, der in die Zukunft weist und den sozialen Zusammenhalt stärkt. Ich glaube, das kann man an dieser Stelle noch mal hervorheben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich komme zu meinem letzten Satz, Herr Präsident. – Auch mit Blick auf eine aktuelle Debatte möchte ich zum Abschluss nur einen einzigen Satz aus dem Koalitionsvertrag zitieren. Auf Seite 103 steht: „Wir werden das Grundrecht auf Asyl nicht antasten.“
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Florian Toncar.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Freien Demokraten ist dieser Haushalt, der heute beschlossen werden soll, ein Haushalt der verpassten Chancen. Sie verbrauchen die hohen Steuereinnahmen, die in den letzten Jahren durch eine einzigartige Wirtschaftsentwicklung generiert worden sind, für einen einzigen Zweck: Sie versuchen, mit Geld zusammenzuhalten, was sich anders nicht mehr zusammenhalten lässt, nämlich Ihre ideenlose Koalition.
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Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Menschen lassen sich nicht einfach mit Geld zu Ihnen zurückbringen. Ich glaube, sie erwarten, dass man eine Idee hat, wo das Land hingehen soll.
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Gerade weil sich das wirtschaftliche Umfeld eintrübt, auch wenn die Sozialdemokraten mit dieser Erkenntnis offenbar ihre Probleme haben und dazwischenrufen, ist es notwendig, dass wir überlegen: Was können wir denn in Deutschland dafür tun, dass wir auch im Jahr 2030 noch Wohlstand haben und einen ausgeglichenen Haushalt mit einer erfreulichen Finanzentwicklung? Dafür müssen heute die Grundlagen gelegt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({2})
Nahezu alle, die Europäische Kommission, die OECD, der Sachverständigenrat der Bundesregierung, Ihr eigener Sachverständigenrat, Herr Minister Scholz – ich sehe, Sie googeln ihn gerade noch –,
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empfehlen, dass es eine Entlastung der Bezieher mittlerer Einkommen und eine Unternehmensteuerreform gibt. Ihr Sachverständigenrat schreibt übrigens: Nachdem alle anderen diese Reform gemacht haben, sollte auch Deutschland das einseitig schnell nachholen. – Das sind doch glasklare Aussagen. Ich habe es gerade in der Steuerpolitik selten gesehen, dass sich eine Regierung so systematisch über das, was Experten empfehlen, hinweggesetzt hat wie die aktuelle Bundesregierung.
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Sie haben in der letzten Sitzungswoche des Bundestages kleinere Entlastungen beschlossen, die weit überwiegend von der Verfassung vorgegeben waren. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man das mal zusammenzählt, dann bringt wahrscheinlich der heutige Black Friday mehr Entlastungen für die Bürger als die ganze Legislaturperiode dieser Bundesregierung.
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Sie kündigen an, den Solidaritätszuschlag ab 2021 zur Hälfte abzuschaffen,
({6})
obwohl der Solidarpakt, für den er einst eingeführt worden ist, bereits Ende 2019 ausläuft. Damit, Herr Minister Scholz, riskieren Sie übrigens, dass wir auf Jahre neue Haushaltsrisiken aufbauen.
({7})
Wir glauben: Wenn der Zweck einer Abgabe wegfällt wie beim Solidaritätszuschlag, dann muss man die Abgabe abschaffen. Dann kann man sich nicht einen neuen Zweck überlegen oder ganz auf den Zweck verzichten.
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Aber selbst wenn Sie das anders sehen würden: Es gibt ganz erhebliche Zweifel daran, dass der Solidaritätszuschlag nach 2020 noch verfassungsmäßig ist. Eine Anhörung im Finanzausschuss hat das relativ klar ergeben. Wenn Sie ihn jetzt weiter erheben wollen, und sei es auch nur zur Hälfte, dann riskieren Sie doch, dass wir irgendwann in den 2020er-Jahren ein Urteil bekommen, und der Finanzminister, der dann amtiert, muss das über viele Jahre gezahlte Geld zurückerstatten. Das sind Haushaltsrisiken, die Sie dadurch erzeugen, dass Sie die Fakten an der Stelle ignorieren.
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So könnte man im Grunde weitermachen. Zu dem Rentenpaket, das beschlossen worden ist, sagt der Sachverständigenrat: Das kostet. Wenn man den Beitrag nicht auf über 20 Prozent erhöhen will, braucht man im Jahr 2040 annähernd den doppelten Steuerzuschuss aus dem Bundeshaushalt. – Für den sind Sie doch verantwortlich, Herr Minister. Was sagen Sie denn den Bürgerinnen und Bürgern, die Sie fragen, wie man das, was die Koalition bereits beschlossen hat, im Jahr 2040 finanzieren möchte? Sie haben darauf keine Antwort.
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Man kann doch keine Finanzpolitik machen, bei der man zu zweistelligen Milliardenbeträgen, die da jährlich fällig werden, den Bürgern keine Antwort liefern kann.
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Ich kann nicht verstehen, dass ein Bundesfinanzminister sich auf so etwas überhaupt einlässt.
Die Alternative wäre übrigens – das schreibt der Sachverständigenrat auch –: Wenn Sie das nicht über die Steuern machen können oder wollen, müssten die Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2040 für diese Rentenreform, die Sie beschlossen haben, bis zu ihrem 72. Lebensjahr arbeiten. Sie könnten erst mit 72,3 Jahren in Rente gehen. Haben Sie das mal zu Ende gedacht? Was sagen Sie den Menschen, die Sie fragen, wie diese Leistungen seriös und ohne dass Menschen undenkbar lange arbeiten müssen, finanziert werden? Was sagen Sie denen? Ich bin gespannt, ob Sie nachher in der Debatte vielleicht etwas dazu sagen werden.
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Ich will noch auf einen letzten Punkt eingehen. Diese Woche sind Berichte aufgekommen, dass es ein neues Betrugsmodell rund um die Erstattung von Kapitalertragsteuern geben soll. Dieses Mal geht es um ein Modell, mit dem es möglich gewesen sein soll, für Aktien, die überhaupt nie existiert haben, eine Erstattung zu beantragen.
Herr Minister, wir haben dazu einige Fragen. Ich hoffe, Sie können dem Bundestag dazu schon heute etwas sagen: denn das Thema ist nicht neu, und ich hätte nach jahrelangen Diskussionen um Cum/Ex erwartet, dass das seitens des Finanzministeriums abgestellt ist und dass sämtliche Lücken, Betrugsmöglichkeiten und Anfälligkeiten des Systems bereits in den letzten Jahren überprüft worden wären.
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Wir erwarten auch, dass Sie sich spätestens am Mittwoch im Finanzausschuss auf die Fragen der Abgeordneten einlassen. Denn allein dass man jetzt noch prüfen muss, ob das möglich war und ob da etwas passiert ist, ist doch in hohem Maße beunruhigend. Eigentlich hätte ich mir erhofft, dass die Verwaltung sagen kann: Das System ist betrugsfest; wir haben es jahrelang geprüft und verbessert. – Dass Sie noch prüfen müssen, ist bedenklich.
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Wir erwarten, dass Sie uns und den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen schnell überzeugende Antworten geben.
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Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion: der Kollege Dr. André Berghegger.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Schlussrunde einer Haushaltswoche ist immer eine besondere Gelegenheit, die Woche noch einmal Revue passieren zu lassen, Eindrücke zu schildern und Besonderheiten zu beschreiben. Die Besonderheit an diesem Tag ist sicherlich die, dass wir zum zweiten Mal in diesem Jahr einen Haushalt debattieren und beschließen. Einige Argumente sind sicherlich aus den Debatten bekannt. Einige sind es sogar wert, dass man darauf eingeht, andere nicht.
Wir als Koalition haben über 300 Änderungsanträge zum Regierungsentwurf eingebracht. Zusammen mit den Änderungen in der Vorlage für die Bereinigungssitzung, sehr geehrter Finanzminister Scholz, haben wir in der Tat aus Ihrem guten Entwurf einen noch besseren Haushalt gemacht. Er ist gut und ausgewogen. Das werden wir fortsetzen.
Da das Bild des Black Friday häufig verwendet wurde, will ich das ebenfalls aufnehmen. Der Black Friday ist – für mich ein nachvollziehbarer Erklärungsgrund – ein umsatzstarker Tag der Händler in den USA zu Beginn des Weihnachtsgeschäftes. Man hat dann die Chance, aus einem guten Geschäftsjahr ein noch besseres zu machen oder aus einem schlechten ein gutes. Wenn ich dieses Bild aufnehme, dann stelle ich fest, dass diese Regierungskoalition seit etlichen Jahren gute Geschäfte macht. Wir nehmen seit 2014 keine neuen Schulden mehr auf. Die schwarze Null steht. Das ist solide Haushaltspolitik. Diese werden wir in dieser Koalition fortsetzen.
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Wir müssen jedoch mehr darauf achten, dass wir auch an das Erwirtschaften denken und nicht nur an das Verteilen. Woher kommen die Steuereinnahmen, die uns zur Verfügung stehen? Wir müssen an die Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken. Sie liefern die meisten Steuereinnahmen, die uns zur Verfügung stehen. Die Wirtschaft muss also arbeiten und atmen können. Wir dürfen den Gürtel nicht zu eng schnallen.
Lieber Andreas Mattfeldt, ich erinnere an die gestrige Debatte über den Einzelplan 09, in der Carsten Linnemann ein gutes Bild verwendet hat. Er hat eine Liste mit vielen Gesetzen, die wir in diesem Hause beschlossen haben, vorgetragen, die der mittelständischen Wirtschaft Bürokratie auferlegen. Er hat gar nicht alle vorgelesen und hat sinngemäß gesagt: Über einzelne Gesetze kann man reden, aber die Summe ist das Problem. – Wir müssen in Zukunft darauf achten, dass wir bei neuen bürokratischen Aufgaben maßhalten sowie der Wirtschaft das Atmen und das Handeln ermöglichen.
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Vor diesem Hintergrund haben wir den Regierungsentwurf durchgearbeitet und die Ausgaben leicht reduziert. Wir haben die Investitionen auf eine Quote von 11 Prozent gesteigert. Ich möchte den Kollegen Christian Dürr ansprechen, um – so will ich es höflich formulieren – mit einem kleinen Missverständnis aufzuräumen. Christian Dürr hatte zu Beginn dieser Woche gesagt, dass die Investitionen im Vergleich zum letzten Haushalt sinken. Das ist zumindest missverständlich. Das Gegenteil ist der Fall.
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Wir sollten Äpfel mit Äpfeln und nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Wir hatten im Haushalt 2018 einen Sondereffekt des Digitalfonds in Höhe von 2,4 Milliarden Euro zu verzeichnen. Wenn wir diesen herausrechnen, stellen wir fest, dass wir mit dem diesjährigen Haushalt die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr steigern. Da sind wir auf einem guten Weg.
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Ein für uns naheliegendes Thema ist die innere Sicherheit. Wir haben viele neue Stellen in diesem Bereich geschaffen. Fast 4 000 Stellen werden wir Sicherheitsbehörden im weitesten Sinne zur Verfügung stellen: Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und Zoll. Aber alleine die Stellenbereitstellung hilft nicht. Wir müssen die Stellen besetzen. Wir müssen ganzheitlich denken. Wir müssen die Ausbildungskapazitäten erhöhen. Hier sind wir zum Beispiel beim Zoll auf einem guten Weg. Wir werden in Münster Ausbildungskapazitäten für die Laufbahn des gehobenen Dienstes bereitstellen. Wir werden in Leipzig Ausbildungskapazitäten für den mittleren Dienst bereitstellen. Wir haben im Haushaltsausschuss die Voraussetzungen geschaffen, dass mehr Auszubildende übernommen werden können. Wir haben die Attraktivität der Laufbahn des mittleren Dienstes erhöht, indem wir die Besoldung des Eingangsamts angehoben haben. All das dient der Attraktivitätssteigerung. Hier sind wir auf einem guten Weg im Bereich der Sicherheitspolitik.
Zur äußeren Sicherheit. Man hört oft die Kritik, dass wir den Etat des Verteidigungsministeriums zu sehr erhöhen. Ich bin ganz anderer Meinung. Man muss sich die Entwicklungen im Detail anschauen. Große Beschaffungsvorhaben müssen voll ausfinanziert werden. Wenn wir das tun, dann ist es nur logisch, dass wir einen entsprechenden Ansatz im Haushalt bereitstellen und erhöhen müssen, genauso wie die Verpflichtungsermächtigungen für die nächsten Jahre. Beschaffungsvorhaben können wir nur beauftragen, wenn die entsprechende Summe über Jahre ausfinanziert ist. All die Beschaffungsvorhaben, über die wir noch diskutiert haben, erhöhen die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr und sichern und stärken das Vertrauen. Die Soldatinnen und Soldaten leisten hervorragende Arbeit und können von uns eine gute finanzielle Ausstattung erwarten.
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Wir beschäftigen uns auch mit Zukunftsthemen in diesem Haushalt. Ich muss Ihnen, Kollege Otto Fricke, hier widersprechen. Lieber Kollege, Sie haben sinngemäß gesagt, dass wir uns nur mit dem Hier und Jetzt beschäftigen und die Zukunft missachten. Wir befassen uns aber mit vielen Zukunftsthemen. Es gibt einen breiten Strauß an Maßnahmen. Ich möchte nur einige nennen. Wir haben die Förderung der künstlichen Intelligenz in den Haushalt aufgenommen.
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Unter dem Motto „Forschung sichert die Zukunft“ weisen wir Mittel für weitere DLR-Institute aus. Und – ein kleines, aber feines Thema –: Auch Einzelplan 09 zeigt, dass wir den Kampf gegen den Plastikmüll in den Weltmeeren beginnen.
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Wir stellen dafür 50 Millionen Euro bereit. Das ist natürlich zuvörderst ein Umweltthema. Aber wir müssen auch die Chancen für die deutsche Wirtschaft sehen, Technik zu exportieren und daraus Nutzen zu ziehen. In dieser Gesamtheit ist das, glaube ich, wahrlich ein Zukunftsthema, dem wir uns widmen.
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Wir werden auch unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht. Die Mittel für den Bundesfreiwilligendienst erhöhen wir. Wir schaffen allein 2 000 zusätzliche Stellen beim THW.
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Wir erhöhen die Mittel für das Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“. Es wurde zigfach überzeichnet; aber all diejenigen, die einen Wahlkreis vertreten, wissen, dass das gut angelegtes Geld ist und dass wir dort wirklich auch den ländlichen Raum stärken. Deswegen ist das eine sehr gute Entscheidung.
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Das gilt genauso für die für die nächsten Jahre geplante Initiative zur Umsetzung der Barrierefreiheit an 180 Bahnhöfen. Auch das wird in der Fläche wirken. Wir sind angetreten, um die Schaffung gleichberechtigter, guter Lebensbedingungen im ganzen Land zu unterstützen, und deswegen halte ich das für ein wichtiges Thema.
Klein, aber fein: Wir stellen 1 Million Euro für die immer weniger werdenden Opfer der sogenannten Colonia Dignidad in Chile bereit. Meine Damen und Herren, hier wurden über Jahrzehnte schwerste Menschenrechtsverletzungen durch eine von dem Deutschen Paul Schäfer gegründete Stiftung begangen. Die Mittel sind gesperrt. Bis zum nächsten Sommer soll ein Konzept entwickelt werden. Es ist, glaube ich, eine tolle Signalwirkung, dass wir uns dieser Aufgabe auch stellen.
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Fast zu guter Letzt: der Gerichtsfonds für ehrenamtliche Einsatzkräfte im Zivil- und Katastrophenschutz in Höhe von 500 000 Euro. Auch hier sind die Mittel gesperrt. Es geht um Ehrenamtliche, die sich Tag für Tag für uns einsetzen, in schwierigen Situationen helfen. Es gibt Situationen in gerichtlichen Prozessen, dass man ohne Anwalt dasteht. Wir wollen ein Konzept erarbeiten, damit man auch diese schwierigen Situationen auf Augenhöhe durchstehen kann. Die Ehrenamtlichen helfen uns, und deswegen müssen wir sie unterstützen.
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Ich komme zum Schluss. Ich denke, summa summarum haben wir einen ausgeglichenen, ausgewogenen, auf die Zukunft ausgerichteten Haushalt vorgelegt, und ich kann allen nur empfehlen, diesem zuzustimmen.
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Vielen Dank. – Die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch von der Fraktion Die Linke ist die nächste Rednerin.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungskoalition aus Union und SPD hat hier wirklich ein Feuerwerk der Selbstzufriedenheit abgeliefert. Ich denke, für Selbstzufriedenheit besteht überhaupt kein Grund. Das, was Sie hier mit diesem Haushalt geliefert haben, zeigt, dass Sie die Lage in unserem Land nicht zur Kenntnis nehmen, und die Menschen regt so viel Realitätsverweigerung auf. Das können wir Ihnen nicht durchgehen lassen, meine Damen und Herren.
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Ich bin die Rede von Finanzminister Scholz von Dienstag noch einmal durchgegangen, und auch als ich noch mal nachgelesen habe, war ich wirklich erschrocken: Kein Wort über das ungerechte Steuersystem in unserem Land, kein Wort über die zunehmende Armut, kein Wort über Kinderarmut und kein Wort über die Geldverschwendung der Bundeswehr. Wie kann ein Finanzminister so am Thema vorbeireden, meine Damen und Herren!
({1})
Die Hilfsorganisation Oxfam weist auf einen aktuellen Bericht der Europäischen Zentralbank hin. In der Euro-Zone ist das Vermögen nur noch in Litauen ungleicher verteilt als in Deutschland. Ich sage Ihnen: Das ist nicht gottgegeben; das ist Ergebnis der Steuerreformen seit 1998, und das muss dringend geändert werden, meine Damen und Herren.
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Ihr Steuersystem bestraft die arbeitenden Menschen, die Rentner und die Arbeitslosen und verschont die Vermögenden. Das hat zu einer enormen Reichtumskonzentration in unserem Land geführt. Es ist doch nicht normal, wenn 1 Prozent der Bevölkerung über ein Drittel des gesamten Eigentums verfügt. Das kann gar nicht erarbeitet worden sein. Das ist einfach ungerecht, und das muss sich ändern.
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Wer eine gerechte Gesellschaft will, muss Hartz IV abschaffen und eine Steuerreform durchführen, die die Vermögenden belastet und die Mittel- und die Unterschicht entlastet. Dafür kämpft Die Linke.
({4})
Auch Armut ist kein Thema für den Finanzminister. Nach einer Studie des Robert-Koch-Institutes sterben Männer, die an der Armutsgrenze oder darunter leben, hierzulande im Schnitt fast elf Jahre früher als Wohlhabende. Männer, die in prekären Verhältnissen leben, haben demnach eine durchschnittliche Lebenserwartung von ungefähr 70 Jahren; bei Wohlhabenden beträgt sie 81 Jahre. „Weil du arm bist, musst du eher sterben“, das ist doch etwas, was unseres Landes unwürdig ist, meine Damen und Herren.
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Der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Rolf Rosenbrock, bringt es auf den Punkt. Er sagt: Einkommensschwache sterben deutlich früher, „weil sich der psychische Druck durch die insgesamt beengte Lebenssituation und meist auch schlechtere Arbeitsbedingungen oder auch durch Arbeitslosigkeit negativ auf das eigene Leben und die Möglichkeiten der Teilhabe auswirkt“. Wir als Linke wollen, dass alle in unserem Land teilhaben können, meine Damen und Herren.
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Wir haben gerade über den Bereich Arbeit und Soziales diskutiert. Wenn man den Rentenzuschuss herausrechnet, dann geben Sie für Arbeit und Soziales so viel aus wie für todbringende Waffen und Kriegseinsätze. Wenn Sie dann noch die Forderung von Donald Trump erfüllen, die Rüstungsausgaben zu erhöhen, werden wir bald mehr in die Finanzierung der Bundeswehr stecken als in Arbeit und Soziales. Ich finde, das ist ein krasses Missverhältnis. Wer in Friedenszeiten mehr Geld für Rüstung als für Arbeit ausgeben will, kann nicht behaupten, die Interessen der Mehrheit der Menschen in unserem Land zu vertreten.
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Sie loben sich für Ihre Investitionspolitik; im Redebeitrag vor mir gerade wieder geschehen. Aber selbst der Bundesrechnungshof – das ist nun keine Vorfeldorganisation der Linken – ist der Auffassung, dass die Investitionsquote zu niedrig ist. Das Selbstlob kommt auch bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht gut an. Sie erleben doch täglich, dass Brücken nicht mehr befahrbar sind, Schulen saniert werden müssten und Krankenhäuser bei den Personalkosten sparen, um die dringendsten Reparaturarbeiten durchführen zu können.
Wir brauchen also unbedingt mehr Zukunftsinvestitionen in Ostdeutschland und in anderen strukturschwachen Regionen. Die Wirtschaft in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wuchs langsamer als im Bundesdurchschnitt, und das ist schlecht für das ganze Land. Darum muss das geändert werden, meine Damen und Herren.
({8})
Und: Mit einer desolaten Infrastruktur können wir die digitale Zukunft nicht meistern. Doch bevor sich Studierende mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz beschäftigen können, brauchen sie ein Dach über dem Kopf. Wir erleben im Augenblick einen beispiellosen Wohnungsnotstand, und mit dem Baukindergeld kann das wirklich nicht gelöst werden, das ist genau die falsche Antwort auf ein großes Problem. Was wir brauchen, ist ein öffentliches Wohnungsbauprogramm und endlich eine wirksame Begrenzung der Mietpreise, meine Damen und Herren.
({9})
Herr Scholz, ich kann mich an keinen Finanzminister erinnern – ich habe schon mehrere erlebt –, der so bereitwillig Geld für Waffen und Kriege ausgegeben hat. Dabei scheint es Sie auch überhaupt nicht zu interessieren, ob die Steuergelder sinnvoll ausgegeben werden. Kein anderes Ministerium verschwendet so viel Steuergelder wie das Verteidigungsministerium. Das ist mehr als ein Skandal. Erst in dieser Woche mussten mehrere Sondersitzungen stattfinden, um darüber ausführlich zu diskutieren, meine Damen und Herren. So kann es doch nicht weitergehen. Sie können doch nicht Frau von der Leyen das Geld weiter in ihr Ministerium schieben. Dafür sind Sie doch nicht Sozialdemokrat geworden; dachte ich jedenfalls.
({10})
Ich will noch einige grundlegende Irrtümer ansprechen, die immer wieder kolportiert werden. Die schwarze Null verkauft die Koalition als ihren großen Erfolg.
({11})
Ich sage Ihnen: Die Debatte um die schwarze Null ist nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver: Ablenkung davon, dass wir kein gerechtes Steuersystem haben. Wir brauchen aber endlich ein gerechtes Steuersystem, meine Damen und Herren.
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Die schwarze Null bedeutet ja nichts anderes, als dass man nicht mehr ausgibt, als man einnimmt. Wir könnten viel mehr in Kitas, Schulen, Krankenhäuser investieren, wenn wir in unserem Land endlich die Vermögen gerecht besteuern würden; dann hätten wir immer noch eine schwarze Null. Wir brauchen also Mehreinnahmen; dann können wir auch mehr ausgeben. Ich habe schon dargestellt, wie ungerecht das Vermögen und das Einkommen in unserem Land verteilt sind. Da ist noch eine Menge zu machen. Da müsste man ansetzen; man darf sich nicht immer nur für die schwarze Null auf die Schulter klopfen.
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Über eine Kehrseite der schwarzen Null sprechen Sie überhaupt nicht. Der von Ihnen erzwungene Personalabbau in den Verwaltungen, Schulen und Krankenhäusern hat dazu geführt, dass wir 10 000 Lehrerinnen und Lehrer zu wenig haben und 100 000 Pflegerinnen und Pfleger. Das ist eine Last, eine Schuldenlast, die der kommenden Generation aufgebürdet wird. Man kann nicht sagen, man würde, wenn man in Ihrem Sinne keine Schulden mehr macht, der kommenden Generation nichts aufbürden. Andersherum wird ein Schuh draus. Die Wahrheit ist, dass wir mit dieser maroden Infrastruktur, die in unserem reichen Land leider an vielen Orten existiert, den kommenden Generationen viel aufbürden, und das wollen wir nicht, meine Damen und Herren.
({14})
Ein weiterer Irrtum, der immer wieder kolportiert wird, ist, dass mehr Personal für Geheimdienste und Bundeswehr mehr Sicherheit bringen. Ich sage Ihnen: Viele Menschen fürchten sich davor, dass sie bald ihre Miete nicht mehr bezahlen können oder im Alter das Geld für das Pflegeheim nicht aufbringen können. Die Menschen wollen vor allem soziale Sicherheit, und dafür sorgt dieser Haushalt nicht. Darum ist er ein schlechter Haushalt, meine Damen und Herren.
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Heute ist Black Friday; das wurde ja bereits gesagt. Ich sage Ihnen: Das ist kein Tag, an dem man besonders schön einkaufen geht, sondern es ist ein schwarzer Tag für alle Menschen, die in diesem Land von ihrer ehrlichen Arbeit leben müssen. Dieser Haushalt ist für die ehrlichen Menschen eine große Enttäuschung.
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In den Augen der Kapitaleigner dagegen leuchten die Dollarzeichen. Sie müssen nicht einmal Hinterziehungszinsen zahlen, weil Sie lieber neue Stellen für Schlapphüte schaffen, statt ausreichend Steuerbeamte auszubilden und einzustellen.
BlackRock, die Heuschrecke, für die Friedrich Merz arbeitet, sieht die Lage in Deutschland nicht so optimistisch wie die Bundesregierung. Das „Handelsblatt“ schreibt, dass der US-Fondsgigant BlackRock 178 Millionen Euro auf Kursverluste von deutschen Aktien gesetzt hat. Was ist denn das für ein Skandal – ein Möchtegernkanzler, der gegen das eigene Land wettet! Hat man so etwas schon einmal gesehen, meine Damen und Herren! Und Herr Merz tut jetzt wirklich alles, damit deutsche Aktien sinken und der Ruf unseres Landes beschädigt wird.
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Auch ich will zum Schluss sagen, dass die Diskussion um das Asylrecht nicht nur für ihn peinlich, sondern auch menschenverachtend ist. Das Asylrecht in unserer Verfassung ist sowieso schon eingeschränkt worden. Aber es ist eine Lehre aus der Geschichte, und dieser Lehre dürfen wir uns niemals verweigern.
Vielen Dank.
({18})
Der Kollege Sven-Christian Kindler ist der nächste Redner für Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Scholz, der Haushalt 2019 ist Ihr erster richtiger Haushalt als Finanzminister. Was hat sich verändert? Man erkennt keine rote Linie bei diesem Haushalt. Einen wirklichen Stempel haben Sie diesem Haushalt nicht aufgedrückt. Im Kern bleibt in der Haushaltspolitik alles beim Alten. Das ist ein müdes, ein lustloses Weiter-so, und ich sage Ihnen: Das ist zu wenig für unsere Zukunft.
({0})
Okay, zugegeben: Es ist – statt einer schwarzen Null – mit Ach und Krach eine rote Null geworden. Aber Finanzpolitik ist mehr als eine Zahl. Die Frage ist: Wo sind die Schwerpunkte in diesem Haushalt? Wo sind Ihre Antworten auf die Klimakrise, auf die soziale Spaltung? Wo ist der Aufbruch für Europa? Wo sind die Initiativen für Abrüstung? Sie geben überall ein bisschen mehr Geld aus, hier und da, alles nach dem Prinzip Gießkanne; aber Schwerpunkte bilden Sie nicht. Ich sage Ihnen, Herr Scholz: Die Gießkanne gehört eigentlich in den Garten. Sie sind nicht der oberste Bundesgärtner, Sie sind der Bundesfinanzminister, und der muss Schwerpunkte und Prioritäten setzen. Das erwarte ich von Ihnen als Minister.
({1})
Sie verlassen sich, wie auch Ihr Vorgänger, auf die gute Konjunktur, auf niedrige Zinsen, und das, obwohl Ihr Haushalt und die Steuerschätzung schon jetzt gezeigt haben, dass das nicht mehr geht. Ihre Koalition musste in der Bereinigungsnacht 4 Milliarden Euro zusammenkratzen für ihre Projekte. Aus den letzten Ecken haben Sie das Geld zusammengekratzt, um am Ende mit Ach und Krach die Null noch darstellen zu können.
In der Finanzplanung reißen Sie weitere Löcher in das Fundament. Sie planen den Abbau des Solis ab 2021 – 10 Milliarden Euro kostet das pro Jahr – ohne gerechte Gegenfinanzierung. Sie haben eine milliardenschwere Subvention für die Besserverdienenden geschaffen: das Baukindergeld. Sie greifen systemfremd in die Beitragskasse für die Mütterrente II. Das hilft aber nicht gegen Altersarmut.
Im Kern ist Ihre Politik ungerecht, und es wird mittelfristig richtig teuer für den Haushalt; das geht zulasten der Zukunft in diesem Haushalt.
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Herr Scholz, Sie haben einen Großteil Ihrer Redezeit am Dienstag für Europa verwendet. Das ist richtig; das waren schöne Worte. Aber zu konkreten Taten war da leider weniger zu hören. Sie haben dann gesagt, man müsse sich mit 27 Ländern in Europa verständigen. Ja, das ist richtig. Am Ende heißt Europa auch, dass man zu Kompromissen kommt; völlig klar. Aber ich finde, das kann doch keine Ausrede dafür sein, dass Deutschland nicht mutig vorangeht. Das kann keine Ausrede dafür sein, dass im Jahr 2018 der ganze Prozess blockiert, verzögert, verwässert wird, dass auf der Bremse gestanden wird. Ich fordere Sie auf: Seien Sie nicht mehr länger der Bremsklotz in ganz Europa!
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Konkret: Sie stehen auf der Bremse bei der Steuer für digitale Konzerne. Das wollen Sie jetzt auf die OECD und auf Mitte 2020 verschieben; das ist wieder ein Verschieben eines wichtigen Projektes.
Ein anderes Beispiel ist das Euro-Zonen-Budget. Frankreich hat zwar eine sehr schöne Überschrift bekommen, im Kern hat sich diese Bundesregierung aber leider durchgesetzt, und das ist schlecht für dieses Euro-Zonen-Budget. Das Volumen ist am Ende viel zu gering. Um eine makroökonomische Stabilisierung zu garantieren und auch in Bezug auf die Einnahmen wäre es ja sinnvoll, dass man die Konjunktur in Krisenzeiten in Europa stabilisiert, indem man zum Beispiel die Unternehmensteuer angleicht oder gegen Steuerbetrug vorgeht. De facto ist das, was Sie schaffen, ein Euro-Zonen-Budget ohne Geld; Sie schaffen eine Schimäre. Ich sage Ihnen: Ihre Europapolitik ist kein Aufbruch für Europa!
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Herr Scholz, ich frage mich: Wo ist eigentlich der Bundesfinanzminister, wenn es um die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerdiebstahl geht? Wir haben den Cum/Ex-Skandal in Deutschland erlebt. Um 55 Milliarden Euro wurden die deutschen und die europäischen Steuerzahler betrogen und beraubt. De facto hat das Bundesfinanzministerium in all den Jahren fast nichts dagegen gemacht.
Jetzt haben wir den nächsten Skandal: Cum/Fake, Handel mit Phantomaktien. Wo ist und wo war hier der Bundesfinanzminister? Im Juli dieses Jahres gab es einen Vergleich der Deutschen Bank mit der US-Börsenaufsicht, wo es genau um diese Phantomaktien ging. Das hätte man bei der deutschen Bankenaufsicht wissen können, das hätte man im Bundesfinanzministerium wissen können. Doch im Bundesfinanzministerium agiert man anscheinend nach der Methode der drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass es im Bundesfinanzministerium für Millionäre quasi jeden Tag fette Schnäppchen gibt, dass quasi jeder Tag Black Friday ist. Das freut vielleicht einige Millionäre, das freut vielleicht einige Finanzfirmen und ihre Aufsichtsratschefs, aber im Kern erwarte ich, dass Sie für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger eintreten und es endlich zur Chefsache machen, dass Steuerbetrug in Deutschland hart bekämpft wird.
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Herr Scholz, das bleibt leider ein Haushalt des schlechten Weiter-so. Aber das wäre nicht notwendig gewesen. Man kann mit diesem Haushalt wirklich etwas verändern mit Schwerpunkten beim Klimaschutz, bei Europa, bei Gerechtigkeit. Man kann 13 Milliarden Euro an Subventionen abbauen, die klimaschädliche Projekte fördern. Man kann ein hartes Controlling einführen im Rüstungsbereich, bei ÖPP-Projekten. Diese Vorschläge haben wir – konkret gegenfinanziert – vorgelegt. Das alles hat die Koalition weggebügelt.
Deswegen werden wir naturgemäß diesen Haushalt ablehnen. Aber wir werden weiter dafür streiten, dass es einen richtigen Zukunftshaushalt gibt. Wir wollen nämlich einen Aufbruch für Klimaschutz, wir wollen Zusammenhalt in Deutschland. Wir brauchen vor allen Dingen Zusammenhalt auch in unserem Europa. Packen Sie es an!
Danke.
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Das Wort hat jetzt der Bundesminister Olaf Scholz. Herr Minister, bitte schön.
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Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Wir führen eine Diskussion über unseren Bundeshaushalt. Daran ist sehr viel gearbeitet worden, und das Parlament hat diesen Haushalt sehr klug und vernünftig weiterentwickelt. Ich glaube, das kann man hier nach den Beratungen sagen.
Allerdings ist es auch so, dass in der letzten Woche viele Vorschläge das Licht der Welt erblickt haben, insbesondere von den Oppositionsfraktionen. Ich habe mir das mal angeguckt: Wenn man alles zusammennimmt, stellt man fest, dass von jeder der Oppositionsfraktionen viele Milliarden Euro vorgeschlagen werden, die man zusätzlich ausgeben kann.
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Das alles wirkt ein bisschen wie ein besonderer Verkaufstag, ein Black Friday, wo die Sonderangebote des politischen Shoppings ins Fenster gestellt worden sind. Mit seriöser Haushaltspolitik, meine Damen und Herren, hat das nichts zu tun.
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Es ist deshalb sehr richtig, dass wir unverändert darauf bestehen, einen Haushalt zu entwickeln, der ohne zusätzliche Schulden auskommt, weil er uns immer auch die Kraft gibt, dass wir in die Zukunft unseres Landes investieren können, dass wir in den sozialen Zusammenhalt investieren können und dass wir in der Lage sind, in einer Krise aktiv zu handeln. Das brauchen wir auch; denn wir haben in der letzten großen wirtschaftlichen Krise 2008/2009/2010 gelernt, wie viele Milliarden Euro plötzlich zusätzlich mobilisiert werden müssen, damit man handeln kann. Es ist in der Tat eine ganz große europäische Verantwortung, die Deutschland in einer solchen Situation hat. Denn wenn es uns mit unserer Volkswirtschaft mitten in Europa gelingt, in einer ökonomischen Krise das Notwendige zu tun, um antizyklisch gegenzusteuern, dann leisten wir einen Beitrag nicht nur für die Beschäftigung in diesem Lande, sondern generell.
Ich bin davon überzeugt, dass genau dieser Kurs richtig ist, weil er uns jetzt hilft, weil er uns in die Lage versetzt, zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen, aber auch, weil er uns befähigt, in einer wirtschaftlich schwierigen Situation zu handeln. Genauso muss man das machen.
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Meine Damen und Herren, wenn wir über Europa diskutieren, dann gibt es viele Themen. Viele haben wir auch schon am Anfang der Debatte in dieser Woche erörtert; ich will das nicht wiederholen. Aber mir ist schon wichtig, dass wir eine Reihe von Schwierigkeiten im Blick haben müssen. Dazu gehört die Debatte über den Brexit. Ich bin froh, dass jetzt ein sichtbares Vertragsdokument existiert, das zeigt, dass eine einvernehmliche Lösung möglich wäre. Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn das jetzt, wenn die Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, nicht nur endgültig abgeschlossen werden kann, sondern es dafür auch eine Mehrheit im britischen Parlament gibt; denn wir müssen vermeiden, dass es zu einem harten Brexit kommt. Er ist schwierig für das Vereinigte Königreich und die dortigen Bürgerinnen und Bürger, und alle in Europa werden darunter zu leiden haben. Deshalb wäre es besser, wir erreichen eine einvernehmliche Lösung und müssten unsere Vorbereitungen auf einen harten Brexit nur hypothetisch treffen.
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Aus meiner Sicht bedeutet das auch, dass wir klug mit den Herausforderungen umgehen, die wir an anderer Stelle sehen. Das gilt für mich insbesondere bei der Frage, wie sich die italienische Wirtschaft weiterentwickeln wird und welche Haushaltspolitik des Landes sich in den nächsten Jahren zeigt. Aus meiner Sicht hat Europa klug reagiert; denn es wird in einem Europa von künftig 27 Mitgliedstaaten immer so sein, dass Regierungen gewählt werden, die hier und dort nicht so gut gefallen. Das kann nicht dazu führen, dass wir jedes Mal in größte Schwierigkeiten kommen. Vielmehr müssen wir damit vernünftig und plausibel umgehen können.
Wir müssen in einem Europa, das so aufgestellt ist, in dem es viele Regierungen mit unterschiedlichen nationalen Traditionen, aber auch unterschiedlichen Verantwortlichkeiten gibt, darauf bestehen, dass es immer eine Eigenverantwortlichkeit gibt für das, was man tut. Aus meiner Sicht bedeutet das zum Beispiel, dass eine italienische Regierung angesichts von 130 Prozent Schulden im Vergleich zur Wirtschaftsleistung viel vorsichtiger agieren muss als jede andere Regierung, die mit einer geringeren Herausforderung, was die Schuldenlast betrifft, konfrontiert ist. Das ist auch das, was wir dazu zu sagen haben. Deshalb, finde ich, ist es ein gutes Zeichen, dass Europa unaufgeregt über diese Frage diskutiert, dass sich die Kommission unaufgeregt, aber klar zu diesem Thema positioniert und dass wir immer sagen: Am Ende bleibt es ein Thema italienischer Politik. Italien muss sicherstellen, angesichts der Schulden die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Ich bin überzeugt, dass dieser Kurs der richtige ist. Wir sollten das Spiel der Populisten nirgendwo mitmachen, weder hierzulande noch anderswo in Europa.
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Wenn wir über die Fragen der Zukunft diskutieren, dann geht es auch um Steuergerechtigkeit; das ist ein zentrales Thema der Politik, die diese Regierung und auch ich verantworte. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in diesem Bereich sehr weit vorangekommen sind, mit vielen Abkommen, die sich unter dem Stichwort „Base Erosion and Profit Shifting“ zusammenfassen lassen. Es geht darum, dass wir es hinbekommen, dass Gewinne nicht mehr verlagert werden und die Besteuerungsgrundlagen woanders liegen, wenn wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich hier stattfindet. Meine feste Überzeugung ist: Wir dürfen da nicht stehen bleiben. Wir müssen es schaffen, dass wir international im Kampf gegen solche Strategien der Verlagerung von Gewinnen und der Verlagerung von Besteuerung weiter vorankommen. Deshalb, finde ich, muss es uns gelingen, dass wir neue Vereinbarungen über Mindestbesteuerung zustande bringen. Dass sich die OECD das vorgenommen hat, ist, auch im Hinblick auf die digitale Wirtschaft, ein großer Fortschritt, für den Deutschland gearbeitet hat. Dass es so aussieht, dass wir eine Verständigung hinbekommen, ist ein noch größerer Fortschritt. Wir sollten alles dafür tun, dass das gelingt.
({5})
Aus meiner Sicht bedeutet das immer auch, dass wir dafür Sorge tragen, dass wir denjenigen, die Missbrauch treiben und die Gesetze umgehen, auf die Spur kommen. Das gilt für die Einhaltung unserer sozialen Standards und aller Vorschriften; deshalb ist der mit diesem Haushalt weiter unterstützte Ausbau des Zolls ein ganz wichtiger und bedeutender Fortschritt.
({6})
Es wird weitere Fortschritte geben. Sie alle wissen, dass die Bundesregierung an einem Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung arbeitet, mit dem wir uns institutionell stärker aufstellen werden und dafür sorgen wollen, dass noch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt werden, mit dem wir aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen so verändern werden, dass das mit größerer Effizienz geschehen kann.
({7})
Was hindert uns gegenwärtig trotz aller Fortschritte der letzten Jahre daran, in diesem Bereich so erfolgreich zu sein, wie wir es gerne wären? Als die Kontrolltätigkeit, die Bekämpfung von Schwarzarbeit, zum Zoll wanderte, sind die Vorschriften, die bisher für die Sozialversicherungsträger gegolten haben, weitgehend nur kopiert worden. Das war im ersten Schritt wahrscheinlich richtig so. Aber das führt dazu, dass eine Behörde wie der Zoll zum Beispiel mehr Kompetenzen beim Vorgehen gegen Schmuggler, gegen Menschen, die an den Grenzen betrügen oder Umsatzsteuerbetrug oder Ähnliches begehen, hat als bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit. Wir wollen das ändern. Das ist, glaube ich, ein großer Fortschritt. Ich hoffe, dass der Bundestag, wenn die Gesetze hier beraten werden, mithelfen wird, dass wir dagegen hocheffizient vorgehen können; denn Recht und Ordnung auch auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen, ist von allergrößter Bedeutung.
({8})
Natürlich gehört dazu, dass wir immer wieder auch alles dagegen tun, dass Leute auf irgendeine Weise Steuerbetrug oder Gestaltungsmissbrauch begehen. Deshalb werden wir im Hinblick auf Steuergestaltungsanzeigen etwas tun und Gesetze etablieren, die es zum Beispiel im Vereinigten Königreich sehr erfolgreich längst gibt. Aber wir müssen aus den Erfahrungen, die wir mit Cum/Ex und anderem gewonnen haben, lernen und immer wieder wachsam bleiben. Wenn wir feststellen, dass es dort neue Entwicklungen gibt, müssen wir sofort mit Gesetzen – wie es gerade geschieht –, aber auch mit weiteren Maßnahmen hinterher sein. Es darf nicht sein, dass diese Dinge lässlich und dilatorisch behandelt werden. Wir werden mit aller Strenge und all unseren Möglichkeiten gegen jede neue Form des Missbrauchs oder der Illegalität vorgehen.
Schönen Dank.
({9})
Für die Fraktion der AfD hat das Wort der Kollege Peter Boehringer.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Scholz! Schlussrunde: Was hat die Debattenwoche so alles erbracht? In drei Wochen – in drei Wochen! – soll ein neues Euro-Rettungspaket beschlossen werden. Wir fragen im Haushaltsausschuss seit Monaten an, was da in Brüssel eigentlich beschlossen werden soll. Doch weiterhin ist intransparent, welches Paket im Dezember kommen wird. Im Raum stehen weitergehende Rettungsbefugnisse des neuen EWF bei der Bankenrettung, das Macron’sche Euro-Zonen-Budget sowie neue große Kreditprogramme für halbstabile Euro-Länder.
Besonders gravierend wird die Vergemeinschaftung der Sparguthaben. Die südeuropäischen Länder haben etwa 700 Milliarden Euro gefährdete Kredite auf ihren Büchern. Seit Jahren versuchen sie, die abzubauen, doch das gelingt natürlich nicht. Und so verwässert die EU mal wieder ihre eigenen Regeln. Zwei bis neun Jahre – so lange! – sollen diese faulen Kredite in den Bilanzen ohne Abschreibungen einfach stehen bleiben. In der Privatwirtschaft würde man so etwas als Insolvenzverschleppung bezeichnen.
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Herr Minister, um in Ihren Worten zu bleiben: Mit seriöser Finanzpolitik hat das nichts zu tun. Das waren Ihre Worte.
Zudem werden – ganz aktuell – ernsthaft wiederum Derivatetricks diskutiert. Völlig unsichere Steuergutschriften der griechischen Banken auf mögliche Gewinne der nächsten 20 Jahre sollen verbrieft und heute schon zu Geld gemacht werden und damit die eigenen faulen Kredite aufgekauft werden. Auf so etwas kann wirklich nur die EU kommen. Seriöse Finanzpolitik?
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Die EU war schon 2001 beim griechischen Euro-Beitritt betrügerisch kreativ. Schon damals war man von Herrn Draghi, heute EZB-Chef, beraten. Darum wird die EZB diesen Derivateschrott am Ende auch aufkaufen. Damit ist er runter von den griechischen und italienischen Büchern – und faktisch auf den deutschen.
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Die haushälterische Abrechnung folgt dann an einem schwarzen Freitag, noch nicht am heutigen Black Friday. Ist das seriöse Politik? Nein. All das ist ein einziger Skandal. Dieser Transfersozialismus ist vertrags- und rechtswidrig.
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Wo ist der Verfassungsschutz, wenn man ihn wirklich braucht?
Weiterhin lernten wir in dieser Woche: Die Nationale Klimaschutzinitiative der Bundesregierung hat in den etwa zehn Jahren ihres Bestehens so viel CO 2 eingespart, wie allein beim Moorbrand in Meppen im September freigesetzt wurde. Es ist dasselbe absurde Missverhältnis von Aufwand und Wirkung wie bei den Forderungen der CO 2 -Klimagläubigen nach Verringerung des menschengemachten deutschen CO 2 -Ausstoßes. Eine 0,00004-prozentige Verringerung des weltweiten CO 2 -Gesamtvolumens soll das Weltklima retten, und die Steuerzahler sollen das glauben und mit weiteren Milliarden bezahlen. Ein Wahnsinn! Nichts ist daran seriös.
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In ähnlicher Verwirrung holte die SPD gestern gleich die ganz große Keule raus. „Menschenverachtend“ sei es, wenn die AfD sagt, dass erneuerbare Energien für nordafrikanische Moscheen vielleicht nicht zwingend die Fluchtbewegungen nach Europa und Deutschland stoppen und darum nicht mit deutschem Steuergeld gefördert gehören. Frau Kollegin Steffen, wenn wir einfach nur Positionen aus dem Haushalt zitieren, dann ist das bei Ihnen menschenverachtend? Nein, das Aufzählen dieser Wahrheiten ist die Aufgabe der Opposition, und wir werden das weiterhin tun. Wenn Sie das nicht wollen, dann ist das eher steuerzahlerverachtend. Die SPD war hier eindeutig zu lange nicht mehr Opposition. Sie sollten diese Arbeit wieder einmal üben.
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Darum vielleicht gleich noch weitere millionenschwere Weltbeglückungsmaßnahmen aus Ihrem vorliegenden Haushalt – auch das sind Zitate; keine Menschenverachtung –: Förderung eines zivilgesellschaftlichen Gendernetzwerks – in China; Verbesserung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit – in Bolivien; gendergerechte Förderung von Kleinbauern – in Mbulu; Förderung einer argumentativ hinterlegten Debattenkultur – beim Radiosender Al Arabiya –, also arabische Debattenkultur, Istanbul und so; Empowerment von Jugendlichen durch Kooperation mit erwachsenen Künstlerinnen und Künstlern – in Sichuan.
Weiterhin – auch sehr erwähnenswert – die Projekte der parteinahen Stiftungen. Auch diese Projekte werden weitgehend aus dem Staatshaushalt finanziert. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linken finanziert millionenschwer einen – ich zitiere – Dialog zu sozialer Gerechtigkeit, sozial-ökologischer Transformation, partizipativer Politik und gerechten internationalen Beziehungen Südostasiens.
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Kein Problem, man hat es ja! – Ja, es klingt gut. – Die Rosa-Luxemburg-Stiftung bekommt im Jahr mehr als 60 Millionen Euro Steuergeld. Die Konrad-Adenauer-Stiftung erhält 11 Millionen Euro. Das ist aber wohlgemerkt nur der Zuschuss zu den Verwaltungskosten. Die Hanns-Seidel-Stiftung der CSU stärkt die Zivilgesellschaft in Ostafrika mit 4 Millionen Euro. Ist es wirklich „menschenverachtend“, wenn wir auf diese Fehlverwendungen im Haushalt hinweisen?
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Die Finanzierung der sechs parteinahen Stiftungen ist ohnehin eine skandalöse Selbstbedienung der Altparteien. Hier werden ohne explizites Stiftungsgesetz – immer noch; unseres wurde abgelehnt – in einem haushalterisch höchst intransparenten Prozess insgesamt 600 Millionen Euro Steuergeld ausgezahlt. Wir sprechen hier von einem Volumen, das das der lediglich falsch zurückgebuchten AfD-Spende um 200 000 Prozent übersteigt – das auch in Richtung Medien – 200 000 Prozent!.
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Abschließend einige Worte des Dankes: Ein Haushaltsgesetz mit 3 000 Seiten Umfang, fast 1 600 Änderungsanträgen, diskutierten und abgestimmt in 54 Stunden Ausschusssitzung, alles noch ohne Berichterstatterrunden. Die Regierung hat zwar leider 80 Prozent ihrer Anträge erst in der Bereinigungssitzung eingebracht und sie so längeren Debatten entzogen, doch insgesamt hat sich gezeigt: Man kann in den Ausschüssen ganz gut und ordentlich miteinander umgehen. Dafür Dank an alle berichterstattenden Kollegen und Referenten aller Fraktionen und an alle Regierungsvertreter, besonders an die des BMF, und ganz besonders – Herr Rohde hat es schon erwähnt – auch an die Kollegen des Haushaltsausschusssekretariats. Das Team ist ja heute anwesend.
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Ohne Ihre eingespielte, sachkundige und auch noch in den Nachtstunden konzentrierte Arbeit hätten wir es nicht schaffen können. Es war auch diesmal wieder eine sehr zuverlässige und wertvolle Arbeitsleistung.
Herzlichen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Alois Rainer.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Bundeshaushalt ist ein Haushalt, der auf die Heraus- und Anforderungen unseres Landes ausgerichtet und vorbereitet ist. Daher ist es nur richtig, dass wir unserer Linie der letzten Jahre treu bleiben und weiterhin einen Haushalt ohne neue Schulden planen; denn uns ist die Zukunft eben nicht egal. Wir denken an morgen, und wir denken an unsere nachfolgenden Generationen.
Dass wir gut aufgestellt sind, machen wir deutlich, indem wir bei den Investitionen eine Schippe drauflegen und sie auf 39 Milliarden Euro erhöhen konnten.
Es ist ein Haushalt der Chancen für jedes einzelne Ressort der Bundesregierung. Wir investieren in zentrale Zukunftsbereiche wie die Verkehrsinfrastruktur, die Digitalisierung, die künstliche Intelligenz, aber auch in die Sicherheit, insbesondere die innere Sicherheit unseres Landes. Aber auch die Städtebauförderung und der soziale Wohnungsbau werden mit 1,5 Milliarden Euro verstetigt. Damit unterstützt der Bund die Länder und Kommunen beim Neubau von Wohnungen bzw. beim Ausbau von Bestandswohnungen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir investieren nicht nur in Beton, Brücken und Teer, wir investieren vor allem in die Menschen unseres Landes. Das ist uns besonders wichtig.
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In den letzten Tagen habe ich in vielen Haushaltsreden den Vorwurf gehört, dass der Bund zu wenig in Kitas, in Schulen und in Bildung investiere. Dazu muss ich sagen: Das ist schlichtweg falsch. Nehmen wir nur ein Beispiel aus dem Etat des Familienministeriums, den ich betreuen darf. Beim Abruf des Sondervermögens „Kinderbetreuungsausbau“ aus den Investitionsprogrammen des Bundes von 2017 bis 2020 haben es ganz offensichtlich die gesamten neuen Bundesländer nicht nötig, auf diese Mittel zurückzugreifen. Bis auf Sachsen mit 2,6 Prozent haben alle anderen neuen Bundesländer null Euro abgerufen. Es darf nicht sein, auf der einen Seite – das beziehe ich auf alle Bundesländer – nach mehr Geld zu rufen und auf der anderen Seite bereitstehende Gelder nicht zu nutzen.
Blicken wir doch einmal auf unsere Bundesländer, die wir alle sehr schätzen. Die Bundesländer werden in diesem Jahr einen Überschuss von circa 20 Milliarden Euro erzielen. Schon im ersten Dreivierteljahr kratzten die Bundesländer an dieser Marke und erwirtschafteten einen Haushaltsüberschuss von 19,6 Milliarden Euro. Das waren 6,9 Milliarden Euro mehr als im Vorjahreszeitraum. Wir als Bund werden einen Überschuss, der bei null Euro liegt, erwirtschaften.
Ich habe in meinen letzten Reden gesagt, der Bund unterstützt die Länder so stark wie nie zuvor. So stellt der Bund den Ländern und Kommunen jedes Jahr rund 22 Milliarden Euro in Form von Entlastungen zur Verfügung, zum Beispiel: für den angesprochenen Kitaausbau, für die Kitabetreuung, für die frühkindliche Bildung, für die Schulsanierung oder mit Sonderfonds wie zum Beispiel das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz. Wenn man dann aber von fehlenden Sanierungen in Schulen oder Kitas spricht und gleichzeitig von dem erwirtschafteten Überschuss hört, dann muss man sich doch ernsthaft hinterfragen: Ist es in dieser Form und auch in dieser Höhe weiterhin notwendig? Hier passt meines Erachtens etwas nicht zusammen.
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Wenn wir heute schon von Entlastungen sprechen, dann will ich nicht unerwähnt lassen: Der Bund entlastet die Bürgerinnen und Bürger in dieser Legislaturperiode um insgesamt rund 60 Milliarden Euro, in der Endstufe im Jahr 2021 sogar um 30 Milliarden Euro. Mit dem Familienentlastungsgesetz haben wir bereits einen sehr wichtigen ersten Schritt gemacht. Bis 2021 wird die Entlastung 23,5 Milliarden Euro betragen. Insbesondere werden wir damit Familien stärken und entlasten. Im steuerlichen Familienleistungsausgleich sorgen gerade Kinderfreibeträge und die Erhöhung des Kindergeldes für die nötige Entlastung von Familien.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch sagen: Mit diesem nun vorliegenden Haushalt haben wir weder Black Friday noch ein wirtschaftliches Chaos, vielmehr haben wir einen in die Zukunft gerichteten Haushalt ohne Neuverschuldung. Da aber dies nicht ständig in Fels gemeißelt ist, bitte ich dieses Hohe Haus, ständig darauf aufzupassen, dass diese gute wirtschaftliche Entwicklung auch in den Folgejahren zu Buche schlägt. Wenn wir mit zu viel Bürokratie, mit zu hoher steuerlicher Belastung ständig auf die Unternehmen einschlagen, wird es am Ende der Tage nicht besser werden. Ich bitte, diesem Etat zuzustimmen.
Danke schön.
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Der Kollege Otto Fricke ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion.
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Geschätzter Herr Vizepräsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Das waren bemerkenswerte letzte Wochen. Es waren intensive Monate, muss man sogar sagen, für den Haushaltsausschuss. Ich finde, es war eines Parlamentes würdig, und es war auch des Arbeitsaufwandes würdig. Neben allem Dank, den es gibt, und leider auch neben dem Versprechen an das Sekretariat des Haushaltsausschusses, dass es beim nächsten Haushalt wieder sehr, sehr viele Anträge, sicherlich nicht nur von meiner Fraktion, geben wird – aber es ist die Mühen der Edlen wert –, möchte ich dennoch sagen – ich weiß, dass manche da immer grummeln; aber ich sage das deutlich –: Der Vorsitzende des Haushaushaltsausschusses und der stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses haben bis morgens um fünf in hochkonzentrierter Weise dafür gesorgt, dass wir diese über 1 400 Anträge durchgebracht haben. Bei allem politischen Diskurs: Diese Arbeit war die Arbeit von zwei guten Demokraten an dieser Stelle im Ausschuss. Herzlichen Dank dafür!
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Meine Damen und Herren, hier kann man immer sehr schön sehen, welche Unterschiede zwischen den Fraktionen deutlich werden: Wie ist die Bewertung der Vergangenheit? Wie ist der Blick in die Zukunft des Landes? Welche Antworten gibt man auf die Zukunftsfragen? Das Schöne beim Haushalt ist ja, dass man das dann alles festmachen kann, dass man alles zahlenmäßig abrechnen kann und dass man sehen kann: Wie viel kommt dabei heraus? Wer weitet das Defizit aus, wer erhöht es? Ich glaube, das Schöne ist auch, dass die Große Koalition – das hoffe ich immer noch, solange sie noch regiert – wenigstens erkennt, dass die Mathematik politischen Wunschvorstellungen eben Grenzen setzt und nicht einfach nur ein Wolkenkuckucksheim ist, was ich aus Richtung der Grünen inzwischen leider immer wieder höre.
Meine Damen und Herren, in der Schlussrunde geht es nicht nur um die fachlichen Detailfragen. Ich fand es bemerkenswert, dass es hier wieder das alte Spiel gab: Es wird gesagt – gerade zu meiner Fraktion –: Überall kürzt ihr. – Wenn es aber am Ende darum geht, wie man einen modernen und guten Haushalt darstellt, dann wird eben vergessen, dass diese Kürzungen Teil dessen sind, was notwendig ist, um im Zweifel in einem Jahr wie diesem Schulden zurückzuzahlen. Deshalb hat meine Fraktion zum ersten Mal in der Geschichte einen Titel eingebracht, mit dem über 12 Milliarden Euro an Schulden zurückgezahlt werden könnten, wenn wir denn wollten; aber leider will die Regierung ja nicht.
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Meine Damen und Herren, ich habe mir überlegt, für meine christlichen Freunde mal ein bisschen auf die Bibel einzugehen. Sie alle kennen das Beispiel der sieben fetten und der sieben mageren Kühe. Ich will das nicht ausweiten. Aber ich will auf einen Punkt eingehen, der bei dem, was Josef dem Pharao erklärt, oft vergessen wird, nämlich dass die sieben mageren Kühe nicht nur die sieben fetten auffressen, sondern dass sie danach noch genauso mager und genauso hässlich wie vorher sind. Das ist die Warnung, die diese Regierung, glaube ich, noch nicht verstanden hat.
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Sie glauben immer, wenn Sie nur heute alles gut machen, wenn Sie es bei einer roten Null belassen, wenn Sie auf eine Asylrücklage zurückgreifen, die nichts anderes als eine Kreditermächtigung ist, dann hätten Sie für die sieben mageren Jahre schon vorgesorgt.
Vielleicht einmal als Information – das wird vergessen, weil man sich die Dinge ja so ungerne anguckt, liebe Große Koalition –: Habt ihr euch eigentlich mal angeguckt, dass dieser Finanzminister dem Haushaltsausschuss diese Woche die Mitteilung überbracht hat, dass er, weil sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt, bei Hartz IV und an vielen anderen Stellen eindunkelt, eine halbe Milliarde Euro – eine halbe Milliarde! – zusätzlich als überplanmäßige Ausgabe braucht? Anstatt zu sagen: „Da deutet sich etwas an; wir gehen einen Schritt zurück“, hören wir im Hinblick auf den Haushalt von diesem Minister nur: Da hätten wir noch mehr, da könnte es noch etwas sein, da noch ein Schippchen drauf. – Das ist keine zukunftsgerichtete Politik.
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Das ist im Endeffekt nur Politik für das Hier und Jetzt. Nachher stehen wir wieder vor dem Salat, und dann können es andere ausbaden; das kann im Endeffekt Ihre eigene Fraktion ausbaden. Das ist keine zukunftsgerichtete Politik.
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Meine Damen und Herren, es ist immer wieder von „zukunftsgerecht“ die Rede. 4 Prozent – 4 Prozent! – der Mehreinnahmen stellen Sie für Bildung und Forschung zur Verfügung. Was die künstliche Intelligenz betrifft, muss ich sagen: Herr Kollege Berghegger, es ist ja schön, dass ihr dieses Thema endlich entdeckt habt. Aber auch hier war es so: Letztes Jahr habt ihr die Anträge der FDP noch abgelehnt, dieses Jahr macht ihr sie. Ich wette, im nächsten Jahr stellen wir fest: Es wird noch nicht einmal die Hälfte davon richtig ausgegeben.
Meine Damen und Herren, es ärgert mich, wenn ich sehe, wie die Verhandlungen verlaufen sind. Man hat so das Gefühl, das war einerseits wie auf dem Basar in Marrakesch, andererseits wie beim heutigen Black Friday, dass also gesagt wird: Ach, hier bestellen wir noch etwas, da gibt es noch ein Pöstchen, dort gibt es noch eine Denkmalförderung, da geben wir noch etwas nach Hamburg, und da geben wir noch etwas an alle anderen möglichen Städte. Das war an vielen Stellen keine Haushaltspolitik. Das war Operation Abendsonne: Hauptsache, wir kriegen die Sachen weg. Ganz ehrlich: Ich habe bei Ihnen das Gefühl, das war auch nicht Black Friday, das war schon mehr das Chaos von Black Sabbath,
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jedenfalls war die Tonlage entsprechend.
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Zum Abschluss. Was sind die Lehren aus den Haushaltsberatungen? Ich komme doch wieder zum Pharao und zu Josef. Man muss ehrlicherweise sagen – Frau Merkel ist noch nicht da –: Herr Scholz, wenn Frau Merkel Ihnen ihre Träume erzählen würde, dann würde ich fürchten, dass Sie, anders als Josef, an dieser Stelle leider nicht die richtigen Ratschläge geben würden, sondern die Ratschläge geben würden, die dazu führen, dass die Zukunft unseres Landes keinen Good Friday im Blick hat, sondern leider einen Bad Friday.
Danke.
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Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Kollege Dr. Tobias Lindner.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Otto Fricke, ich erzähle Ihnen von meinem Traum, den ich heute Nacht hatte, es war nämlich ein Albtraum.
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Als ich in den Morgenstunden so vor mich hindämmerte,
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dachte ich, ich würde hier sitzen und mit einer Redezeit von zehn Minuten angezeigt werden.
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Ich habe dann voll Panik bekommen, weil ich mich fragte: Was willst du denn über diesen Bundeshaushalt zehn Minuten lang Vernünftiges erzählen? Und das ist genau das Problem, meine Damen und Herren, das Sie mit Ihrem Haushalt haben.
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Wir haben eine Bereinigungssitzung hinter uns, die bis in die Früh ging. Ich glaube schon, dass viele Kollegen ernüchtert herausgekommen sind.
Was lange währt, bleibt leider schlecht. Ihr Haushalt ist im Wesentlichen ein Dokument des Weiter-so. Es ist ein Dokument, an dem man ablesen kann, welche Lustlosigkeit diese Große Koalition prägt, welche Lustlosigkeit Sie am Regieren und am Gestalten haben, meine Damen und Herren.
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Ja, Sie haben einen großen Topf. 360 Milliarden Euro sind eine Menge Geld. Sie haben dank der noch guten ökonomischen Lage viele Möglichkeiten, aber Sie haben diese nicht genutzt. Ähnlich wie beim Black Friday, wo es jede Menge Rabatte gibt, manch sinnvolle, meist weniger sinnvolle: Sie sind mit Ihren Anträgen hergegangen und haben hier ein bisschen was draufgegeben, dort ein bisschen was draufgegeben. Ich unterstelle Ihnen sogar: Das war an vielen Stellen gut gemeint. Aber Sie haben sich nicht gefragt: Ist es auch wirklich gut gemacht?
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Und wie es halt beim Black Friday ist: Die meisten Sachen, die sich die Menschen kaufen, weil sie einen Rabatt sehen und die Instinkte losgehen, sind am Ende doch nicht die richtigen Entscheidungen. So ist es leider auch mit Ihren Anträgen und Ihren Schwerpunkten in diesen Haushaltsberatungen gewesen.
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Wir Grüne haben Ihnen mit unseren Anträgen gezeigt, wie man Schwerpunkte setzen könnte, wie man in diesem Haushalt hätte arbeiten können: Wie man mehr tun kann beispielsweise für sozialen Zusammenhalt und gegen Kinderarmut, wie man wirklich die Lage am Wohnungsmarkt verbessern kann. Ja, Sie haben das Baukindergeld ausgebracht, und ich kenne niemanden, der nicht gerne, wenn er baut, die 12 000 Euro entgegennimmt. Das ist auch gar nicht der Punkt. Herr Seehofer stellt sich hierher und erzählt, wie hoch die Antragseingänge sind und davon, dass die Menschen ganz wild auf das Baukindergeld sind. Aber da sind wir wieder beim Punkt: Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Wie viel zusätzlicher Wohnraum wird dadurch denn entstehen? Wie viele Menschen, die sich in Städten wie Berlin keine Wohnung leisten können, werden sich deswegen eine leisten können? – Niemand! Sie verteilen einfach nur Geld, vielleicht mit guten Absichten, aber die Wirkung ist schlecht, meine Damen und Herren.
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Ich habe über Lustlosigkeit geredet. Für Sie ist der Satz „Zurück zur Sacharbeit“ ja fast schon ein Mantra, das Sie vor sich hin beten. Ich frage mich: Wenn Sie im letzten Jahr wirklich Sacharbeit geleistet hätten, warum beten Sie dann so oft: „Zurück zur Sacharbeit, zurück zur Sacharbeit“?
Schauen wir uns einmal an, was Sie bei den Stellen gemacht haben. Sie haben sich über 1 000 neue Stellen in der Bundesverwaltung gegönnt. Es gibt Stellen im Bereich Strategie. Ich muss sagen: Mein Gott, wenn Sie nach einem Jahr keine Strategie haben und jetzt auf die Idee kommen, Leute einzustellen, damit Sie eine Strategie haben, dann weiß ich auch nicht mehr, wie Ihnen zu helfen ist. Da ist Ihre zweite Kategorie viel ehrlicher, sie lautet nämlich: Diverses. Ich denke, das ist das, was man zu Ihrem Haushaltsplan sagen kann: Da ist Diverses drin; aber ein Plan ist es nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Sie haben auf 3 043 Seiten ein Weiter-so aufgeschrieben. Ein Weiter-so ist angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, aber der falsche Plan, der falsche Weg für dieses Land. Es braucht einen neuen Aufbruch für sozialen Zusammenhalt, für Klimaschutz, für Investitionen. Wir Grüne haben Ihnen gezeigt, wie es geht. Sie laufen in die andere Richtung. Deswegen werden wir heute Ihren Haushaltsentwurf ablehnen.
Herzlichen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Hermann-Josef Tebroke.
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Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Haushaltswoche hatten wir Besuch von einer großen Zahl von jungen Menschen im Alter von zehn bis zwölf Jahren, die als Miniköche bei der DEHOGA hier in Berlin zu Gast waren, sich aber auch für politische Fragen interessierten – hellwach, sehr interessiert. Auch eine Gruppe von etwa 40 Jungen und Mädchen aus meinem rheinisch-bergischen Wahlkreis war dabei. Sie stellten Fragen wie: Wie viel Kindergeld bekommen eigentlich meine Eltern und wofür? Es hält sich das Gerücht, dass diese aufgeweckten jungen Menschen damit in die neuen Taschengeldverhandlungen einsteigen wollen. Es gab aber auch Fragen wie: Warum zahlen meine Eltern so viel Steuern? Und: Wenn so viel Geld ausgegeben wird, bleibt denn dann noch was über, wenn wir mal groß und alt sind? – Diese Frage stellt mit aller Wucht die Frage nach der Nachhaltigkeit von Haushaltsführung und Haushaltspolitik, von Politik insgesamt.
Ist der Haushalt, sind die Grundlagen, die hier für die zukünftige Politik gelegt werden, nachhaltig? Haushaltspolitik ist dann nachhaltig, wenn sie erstens in den einzelnen Jahren nicht mehr Ausgaben vorsieht als Einnahmen. Das ist zweifellos der Fall. Im sechsten Jahr in Folge ist der Haushaltsplan ausgeglichen. Wir kommen ohne weitere Kredite aus. Der Gesamtschuldenstand sinkt unter 60 Prozent.
Zweitens. Auch für die Zukunft werden keine Zusagen gemacht, die nicht eingehalten werden.
Drittens. Es werden Ausgaben nur insoweit getätigt, wie sie unbedingt nötig sind, und Strukturen so angepasst, dass sie günstig werden. Hier besteht zweifelsohne Handlungsbedarf; aber das ist etwas, womit sich Politik über die Haushaltsplanung hinaus befassen wird.
Viertens. Wir werden Risiken angemessen abbilden. Es geht nicht darum, Panik zu schüren, sondern darum, Risiken zu benennen und sie anzugehen. Das gilt sowohl für das Risiko des Zinsanstiegs, das gilt aber auch für die wirtschaftlichen Risiken, und das gilt auch für die Risiken, die sich aus möglichen Krisen an den Finanzmärkten ergeben können. Da sind wir unterwegs. In dieser Hinsicht muss die Bankenunion schneller vorankommen.
Meine Damen und Herren, nachhaltige Haushaltsführung bedeutet aber fünftens auch Vorrang für Investitionen. Hierfür werden etwa 11 Prozent der Ausgaben ausgewiesen. Unsere Miniköche werden sicherlich Ausgaben für Bildung, für die Förderung von Innovationen und vielleicht auch Ausgaben für ihre Familien hinzuzählen. Es kommt darauf an, was aus einem ausgegebenen Euro in Zukunft wird und was er in Zukunft nützt. Investitionen müssen gut und sorgfältig gerechnet werden. Sie lassen sich nicht auf einem Schnäppchenmarkt erstehen, auch nicht an einem Black Friday. Da kann man nicht aus der Hüfte schießen. Dafür bedarf es schon mehr. Wer billig kauft, zahlt zweimal.
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Nicht zuletzt bedeutet nachhaltige Haushaltsführung auch die Unterstützung von Strukturwandel, wenn er nötig ist, und dann so schnell wie möglich; denn frühzeitig eingeleitete Veränderungen geben auch und gerade nachfolgenden Generationen noch eine Chance. Deswegen begrüße ich es außerordentlich, dass eine Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ installiert worden ist, dass wir eine Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ in den Braunkohleregionen aufgesetzt haben und dass es eine Rentenkommission gibt – vorausgesetzt, politische Aussagen setzen nicht Schranken oder Leitlinien, die eine ergebnisoffene Debatte unmöglich machen.
Meine Damen und Herren, Schulden von heute sind die Steuern der jungen Leute von morgen. Versprechen von heute sind ihre Lasten. Ungedeckte Risiken sind die Verluste von morgen. Aber es gilt auch: Innovationen und rechtzeitige Investitionen und auch Strukturveränderungen sind zugleich die Chancen für die jungen Menschen von morgen. Genau das hat eine nachhaltige Haushaltsführung im Blick, und genau das ist auf der Grundlage des vorliegenden Haushaltes möglich.
Meine Damen und Herren, mein Kollege Rainer hat gerade schon darauf hingewiesen; auch ich komme an dieser Stelle kurz zur kommunalen Perspektive. Sie kennen alle den Hinweis, wenn Menschen vor Ort sagen: Egal wer sich kümmert – Hauptsache, es wird sich gekümmert: um den Ausbau der Schulen, um die Renovierung, um den Ausbau des Kitaangebotes, um saubere Luft in den Städten. Egal wer es bezahlt – Hauptsache, es passiert.
Da ist es naheliegend, dass man auch den Bund heranzieht; aber ich halte es auf Dauer für höchstgefährlich, wenn sich der Bund immer häufiger und immer mehr in unterschiedlichen Themenfeldern engagiert; denn solche Maßnahmen – das melden die Kommunen zurück – bedeuten einen hohen administrativen Aufwand bei der Umsetzung. Wir sprechen hier von goldenen Zügeln. Da werden vergiftete Geschenke vermutet: Es wird was angestoßen, anfinanziert, es werden Kapazitäten geschaffen, aber die Folgekosten bleiben bei den Kommunen.
Gegen ein Engagement des Bundes spricht aber auch, dass nicht nachzuvollziehen ist, dass sich die Länder hier aus einer Verantwortung herausstehlen, obwohl ihre Überschüsse in den nächsten Jahren im Vergleich zu dem, was der Bund zur Verfügung hat, steigen.
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Die Spitzenverbände bescheinigen der aktuellen Koalition, so kommunalfreundlich zu sein, wie es vorher nie eine war. Sie teilen aber auch unsere Bedenken, wenn es darum geht, den Föderalismus dadurch aufzuweichen, dass sich der Bund dauerhaft mit vielen kleinen Paketen auf der kommunalen Ebene engagiert.
Meine Damen und Herren, der Haushalt 2019 ist solide und ausgewogen. Ich danke all denjenigen, die geholfen haben, ihn aufzustellen. Ich lade Sie ein, dem Haushalt zuzustimmen und auch in Zukunft ganz konsequent die Perspektive der Kinder und der Kommunen nicht zu vernachlässigen.
Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat als nächste Rednerin die Kollegin Svenja Stadler, SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Wir haben es fast geschafft; nach mir kommen nur noch zwei Redner. Heute, am Black Friday, beschließen wir einen Haushalt ohne neue Schulden und mit soliden Investitionen, und das ist gut so.
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Wir investieren in Kitas und Schulen, in Straßen und Schienen. Wir investieren aber auch in den Umwelt- und Klimaschutz, in den sozialen Wohnungsbau, in Forschung und in vieles andere mehr. Damit kümmern wir uns auch um die künftigen Generationen.
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Im Übrigen ist es ein gutes Zeichen für unsere parlamentarische Demokratie, dass wir es schaffen, innerhalb eines Jahres einen zweiten vernünftigen Haushalt auf die Beine zu stellen. Diese Große Koalition arbeitet zielgerichtet, wohlüberlegt, ohne Schnellschüsse und mit guten Ergebnissen. Das hat auch etwas mit Souveränität zu tun.
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Die Souveränität der Großen Koalition erträgt – mit Verlaub – sogar einen Innenminister, der es uns in den letzten Wochen und Monaten nicht immer so leicht gemacht hat.
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Sachorientierte Politik – das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten, und zwar zu Recht. Die Koalition hat das geliefert und wird es auch weiterhin gemeinsam liefern.
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Wir haben diese Woche schon viel über den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gesprochen. Dieser Haushalt setzt genau da an: mehr Geld für Familien, die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes, die Rückkehr zur Parität in der Krankenversicherung, mehr Geld in der Pflege, die Stabilisierung des Rentenniveaus, bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden und des Zolls, mehr Mittel für den dringend benötigten sozialen Wohnungsbau – all das steckt in den über 350 Milliarden Euro des Haushaltes 2019.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht bei dem gesellschaftlichen Zusammenhalt um Solidarität, um Respekt, um gegenseitige Unterstützung und um Chancengleichheit. Wir als Bundestag setzen dabei den Rahmen, mit gesetzlichen Regeln und mit finanziellen Mitteln. Wir wollen zum Beispiel, dass es jedes Kind packt. Deshalb haben wir das Gute-Kita-Gesetz auf den Weg gebracht – 5,5 Milliarden Euro in den nächsten Jahren –, und wir arbeiten an der Reform des Kinderzuschlags.
Für den Zusammenhalt in unserem Land ist auch das Engagement der vielen Ehrenamtlichen wichtig. Es ist – wie schon so oft gesagt – der Kitt unserer Gesellschaft. Deshalb freue ich mich, dass wir die Freiwilligendienste mit 65 Millionen Euro mehr ausstatten.
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Wir, die SPD, wissen um die Stärke der Zivilgesellschaft.
„Demokratie leben!“ ist das einzige Bundesprogramm, das Präventionsarbeit gegen alle Formen des Extremismus leistet. Und es ist – leider – auch nach wie vor dringend notwendig, dass das Programm weiterläuft. Deshalb gibt es dafür 115 Millionen Euro für 2019.
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Ich möchte mich an dieser Stelle bei den vielen Ehrenamtlichen bedanken, die sich in den unterschiedlichsten Projekten gegen rechts einsetzen. Danke für den wichtigen Beitrag für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt! Initiativen wie „Wir sind mehr“ und „#unteilbar“ können sich darauf verlassen, dass die SPD-Fraktion und die SPD als Partei sie auch in Zukunft unterstützen.
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Manchmal braucht es auch Mut, Mut, um die Zukunft zu gestalten. Und wissen Sie, was? Diesen Mut haben wir. Die Vorschläge des Bundesfinanzministers zu einer europäischen Arbeitslosenversicherung zum Beispiel sind mutig – und richtig. Lassen Sie uns das doch einfach einmal unaufgeregt und ohne reflexartige Abwehr diskutieren.
Gleiches gilt übrigens auch, wenn es um die Digitalsteuer geht. Wir wollen die Steuervermeidung multinationaler Konzerne beenden und uns als Europäer für eine weltweite Mindestbesteuerung von Unternehmen einsetzen. Es geht um eine faire Besteuerung der Internetkonzerne wie Google, Facebook und Co – und damit übrigens auch um Gerechtigkeit.
Der Haushalt 2019 zeigt Zuversicht und investiert konsequent in die Zukunftssicherung unseres Landes. Wir machen konkrete Politik für die ganz konkreten Probleme der Menschen. Wir wollen das Leben derer leichter machen, die unsere Unterstützung brauchen. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung für diesen großartigen Haushalt.
Herzlichen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Tankred Schipanski.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist guter Brauch in der Unionsfraktion, dass die Digitalpolitiker in der Schlussrunde der Haushaltsberatungen noch einmal zu Wort kommen. Unsere Bundeskanzlerin hat ja in ihrer Rede am Mittwoch die Digitalpolitik zu einem Schwerpunkt gemacht. Wir hatten in der letzten Woche die Regierungsklausur zum Thema Digitales. Wir haben die Digitale Agenda II auf den Weg gebracht, die Umsetzungsstrategie inklusive KI-Strategie. Wir haben über 100 Projekte verschiedener Ministerien, die mit Digitalisierung befasst sind, haben diese Projekte vorgestellt, Projekte mit einem konkreten Nutzen für die Menschen, für mehr Lebensqualität und die unseren wirtschaftlichen Wohlstand sichern sollen.
Der Haushaltsausschuss hat bei vielen Digitalthemen einen sehr großen Einfluss. Einige dieser Projekte möchte ich hier gerne aufgreifen. Ein erstes Projekt ist die IT-Konsolidierung des Bundes. Das ist ein Großprojekt, für das wir auch in diesem Haushalt sehr viele Mittel zur Verfügung stellen. Die IT-Konsolidierung wird vom Haushaltsausschuss entsprechend überwacht. Es kommt uns darauf an, dass sie auch wirklich gelingt. Dieses Projekt ist sehr vielschichtig. Das werden wir parlamentarisch konstruktiv und kritisch begleiten.
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Ein zweites großes Projekt ist das Onlinezugangsgesetz. Es geht hier um die Bündelung von Verwaltungsdienstleistungen in einem Portalverbund. Auch hier vielen Dank an die Haushälter, die für 2019 im Bereich des BMI 82 Millionen Euro für Verwaltungsmodernisierung bereitgestellt haben. Ich glaube, das ist ein wichtiges Zeichen, insbesondere auch, dass wir im BMI Personalstellen zur Verfügung stellen, dass dieses große Projekt eines Onlinezugangsgesetzes gelingt. Auch hier ein herzlicher Dank an unsere Haushälter.
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Ein drittes wichtiges Projekt ist die Agentur für Disruptive Innovation. Aufgehängt im Einzelplan 30 des BMBF, haben wir für 2019 darin 14 Millionen Euro plus weitere Verpflichtungsermächtigungen stehen. Disruption bedeutet – das wissen Sie alle – Veränderung, Neuerfindung, Neuanfang. Das müssen wir dieser Agentur mit auf den Weg geben. Wir müssen das bisherige Denken auch bei der Finanzverteilung ein Stück über den Haufen werfen. Diese Agentur braucht Freiräume. Diese Agentur will und muss experimentieren. Wir Digitalpolitiker wollen natürlich Verständnis bei den Haushältern dafür wecken, ähnlich wie wir das 2012 beim Wissenschaftsfreiheitsgesetz getan haben, dass diese Agentur auch die entsprechenden finanziellen Freiräume erhält.
Zu den Wissenschaftsorganisationen ist zu sagen: Auch diese sind natürlich in Deutschland die Treiber digitaler Innovationen, und uns beschwert hier natürlich ein Stückchen die große Problematik hinsichtlich der Selbstbewirtschaftungsmittel in den Forschungseinrichtungen. Wir haben das ausgiebig debattiert, auch im Haushaltsausschuss, auch mit dem Bundesrechnungshof. Ich möchte als Fachpolitiker nur ein Stück weit anmahnen: Wir dürfen die Grundidee des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes in diesem Zusammenhang nicht gefährden. Wir wollen den Unwägbarkeiten des Forschungsprozesses auch haushaltstechnisch Rechnung tragen, und wir sollten das gemeinsam – der Haushaltsausschuss und der Fachausschuss – konstruktiv begleiten.
Das Thema KI-Strategie wurde angesprochen. Ich denke, das war ein guter Aufschlag, auch vom Haushalt her ist das mit 50 Millionen Euro im nächsten Jahr plus Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 450 Millionen Euro ein guter Aufschlag. Mit der Zusage, bis 2025 3 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, wird, denke ich, auch ein richtiger Schwerpunkt gesetzt. Bezüglich der Verteilung dieser 3 Milliarden Euro in den nächsten Jahren kommt es mir darauf an, festzuhalten: Wir müssen da viel in die Grundlagenforschung investieren. Da sind wir gut, aber bevor wir Transferzentren errichten und in den Transfer gehen können, brauchen wir natürlich Grundlagenforschung. Dieser Gedanke sollte uns bei der Verteilung der Mittel, über die wir ja in den nächsten beiden Haushaltsjahren sprechen werden, leiten.
Letzter Punkt ist das Thema „Games-Förderung“. Der Haushaltsausschuss stellt in diesem Jahr 50 Millionen Euro für den Deutschen Games-Fonds zur Verfügung. Ich möchte hier insbesondere Rüdiger Kruse ganz herzlich danken, der hier ein offenes Ohr hatte und sich mit starker Hand dafür eingesetzt hat.
Wir wurden ein bisschen belächelt, dass wir diese Games-Förderung betreiben, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, durch diese Förderung entstehen digitale Innovationen, neue Arbeitsplätze, kulturelle Impulse. Die Games-Industrie sorgt auch für einen Innovationsschub bei Softwarelösungen für andere Branchen in Deutschland. Überall greifen wir auf Softwarelösungen zurück – im Bildungsbereich, in der Architektur, in der Medizin –, die wir im Bereich der Games gefunden haben. Mit Blick auf den heutigen Black Friday hoffe ich, dass wir damit erreichen, dass man in Zukunft auch Computerspiele kaufen kann, die made in Germany sind.
Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu diesem Digitalhaushalt.
Danke.
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Vielen Dank. – Der letzte Redner in der Haushaltsdebatte ist der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst ein herzliches Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Haushaltsauschusssekretariates, an unsere eigenen Mitarbeiter, und ich möchte mich auch bei den beiden – das muss ich mittlerweile ja fast sagen – Vorsitzenden des Haushaltsausschusses bedanken, bei Ihnen, Herr Boehringer, und bei Dennis Rohde, den ich mal ganz konkret ansprechen möchte. Wer am 9. November morgens um 4.30 Uhr in weniger als zehn Minuten 150 Deckblätter zum Einzelplan 60 abarbeitet, dem muss ich sagen: Dennis, danke, das war Champions League.
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Als Anfang September die erste Lesung des Haushaltes 2019 hier im Deutschen Bundestag stattfand und Johannes Kahrs und ich darüber gesprochen haben, wie wir das mit den Einzelplänen in der Bereinigungssitzung machen, da haben wir uns eines gesagt – wir haben unsere beiden Arbeitsgruppen mitgenommen, und zwar bis Freitagfrüh, den 9. November, morgens um 5.09 Uhr –: Wir machen in Ruhe sachliche Arbeit und lassen uns durch die eine oder andere Aufgeregtheit in der Regierungskoalition nicht nervös machen.
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Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundeshaushalt 2019 ist grundsolide, seriös, sachorientiert. Deswegen: Danke an die Mitglieder der beiden Arbeitsgruppen und auch dir persönlich, Johannes, herzlichen Dank!
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Lieber Tobias Lindner, ich schätze dich persönlich ja sehr, aber uns in der Union und in der SPD und mir persönlich vorzuwerfen, die ganze Sache mit Lustlosigkeit abgearbeitet zu haben,
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dazu sage ich dir, auch wenn ich mittlerweile gute 64 bin, ganz klipp und klar – ich glaube, das merkt und sieht man auch –: Mir macht es nach wie vor Spaß und Freude, und das Wort „Lustlosigkeit“ weise ich mit aller Entschiedenheit zurück.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wurde von Steuergeschenken geredet. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ja, ich stehe zu einem Steuergeschenk, und zwar zum Familienlastenausgleich in Höhe von fast 24 Milliarden Euro: Erhöhung des Kinderfreibetrages, Erhöhung des Kindergeldes usw. usf. Ich stehe auch dazu, dass wir für Bezieher niedriger Einkommen den Soli abschaffen. Wer meint, das als Steuergeschenke für Familien und Bezieher niedriger Einkommen bezeichnen zu müssen, dem sage ich in Gottes Namen: Dann sind das eben Geschenke. Ich finde, das ist sinnvolle Politik.
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Wenn hier manche meinen, hier fehlten irgendwie die großen Linien: Da braucht man nur zwei Beispiele zu nennen.
Erstens. Wir haben im letzten Jahrzehnt den Etat für Bildung und Forschung verdoppelt. Der gute Zustand unserer Universitäten und Hochschulen oder auch der Forschungsgemeinschaften ist unter anderem dadurch begründet, dass wir hier so viele Mittel aufgewandt und die Länder massiv entlastet haben.
Zweitens. Ich verstehe gar nicht, dass hier Linke und Grüne ständig mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau anmahnen.
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Wir stellen im Jahr 2018 1,5 Milliarden Euro, im Jahr 2019 noch mal 1,5 Milliarden Euro, in den Jahren 2020 und 2021 je 1 Milliarde Euro bereit: 5 Milliarden Euro legt der Bund auf den Tisch. Wenn die Länder diese Summe um ebenfalls 5 Milliarden Euro ergänzen würden, könnten fast 150 000 Sozialwohnungen gebaut werden.
Deswegen hoffe ich, dass wir eine Grundgesetzänderung unter dem Gesichtspunkt der Zusätzlichkeit für den sozialen Wohnungsbau hinbekommen: Der Bund gibt 1 Euro, und die Länder werden verpflichtet, auch 1 Euro zu geben. Dann werden wir die schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt meistern.
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Aber ohne das Zutun der Länder wird das an dieser Stelle nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Frau Kollegin Lötzsch, die Krokodilstränen, dass der Bund nicht genug in den neuen Bundesländern tue, kann ich nun wirklich nicht nachvollziehen. Wenn Sie ein bisschen ehrlich gewesen wären, dann hätten Sie zugestanden, dass beim Städtebauförderungsprogramm drei Städte aus dem Osten dabei sind: Plauen, Erfurt und Rostock. Wenn Sie außerdem in den Einzelplan 30 geguckt hätten, hätten Sie gesehen: Aufstockung der Innovationsförderung für die neuen Länder um 10 Millionen Euro. Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, im Vorgriff zu den Beschlüssen der Kohlekommission zu sagen: Wir schaffen die Rahmenbedingungen dafür, dass Fraunhofer-Institute in der Lausitz und in Nordrhein-Westfalen sowie ein Institut des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in der Lausitz eingerichtet werden können. So wollen wir den Strukturwandel bei der Braunkohle in Ostdeutschland begleiten. Deswegen weise ich diesen Vorwurf massiv zurück. Dieser Haushalt ist ein Haushalt für die neuen Bundesländer, für die ländlichen Räume, für strukturschwache Regionen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, was kam jetzt in dieser Woche und bei den Haushaltsberatungen von der Opposition? Die AfD, gestartet als vermeintlich politische Saubermänner, musste diese Woche erkennen, dass sie mittlerweile zu den politischen Schmuddelkindern gehört – Stichwort Spendenaffäre.
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– Es ist schlichtweg so. Die Realität hat Sie eingeholt.
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP, Grünen und Linken, ich muss auch euch sagen: Ihr wart fleißig beim Geldausgeben. – Ich kann aber nur einen Rat geben: Man sollte nicht amerikanische Methoden wie den Black Friday oder eine Verschuldung von über 21 Billionen Dollar auf Deutschland übertragen. FDP und Grüne, ihr seid mit einem Minus – ich gebe zu: mit über 60 Milliarden Euro Mehrausgaben an der Spitze ist Die Linke vorneweg – von 5 Milliarden Euro dabei.
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Ihr meintet, mal ganz einfach mit 70 Milliarden Euro in die Neuverschuldung gehen zu müssen.
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Lieber Sven Kindler, eure Steuermehreinnahmen bedeuteten insbesondere eine Steuermehrbelastung für die Bürgerinnen und Bürger. Union und SPD wollen jedoch nicht, dass wir die Bürger an dieser Stelle mehr belasten.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, einen Strich unter diese Woche ziehen zu dürfen, noch einmal verbunden mit einem Dankeschön auch an die vier Oppositionsfraktionen. Wir haben ein gutes Klima im Haushaltsausschuss, das überwiegend sachorientiert ist. Deswegen kann ich Ihnen nur raten: Stimmen Sie zu! Sie tun etwas Gutes für Deutschland.
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