Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Immer wieder mahnen wir, die AfD, Statistiken und Auswertungen zu flüchtlingsbedingten Kosten im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfonds an. Denn laut Bundesrechnungshof ist die Finanzlage im Gesundheitsfonds und bei der GKV zwar derzeit noch stabil, in einigen Bereichen gibt es jedoch schon jetzt höhere Ausgaben, sodass fraglich ist, ob der jährliche Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro ausreicht.
Der Bundesrechnungshof bemängelt hier besonders, dass ihm bislang keine nachvollziehbare Berechnung der versicherungsfremden Leistungen vorliegt, was logisch ist; denn es gibt keine gesetzliche Definition dafür, was als versicherungsfremde Leistung gilt. Die „ÄrzteZeitung“ vom 13. Juni 2018 bezeichnet das als „politisch gewollte Unschärfe“.
Dabei wäre eine Definition denkbar einfach: Jeder, der nicht selbst in die GKV einzahlt, jedoch die Leistungen der GKV durch andere, also eine Fürsorgeleistung erhält, erhält versicherungsfremde Leistungen. Und diese Fürsorgeleistung ist als Gemeinschaftsaufgabe von der größeren Gruppe aller Steuerzahler solidarisch zu tragen. Empfänger versicherungsfremder Leistungen sind jedenfalls nichtarbeitende Familienmitglieder. Allein hier fielen in 2016 Krankheitskosten in Höhe von rund 43 Milliarden Euro an, die GKV blieb nach Abzug der 14 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds auf rund 29 Milliarden Euro sitzen. Mit anderen Worten: Den Beitragszahlern der GKV wurden 2016 knapp 29 Milliarden Euro untergejubelt. Das entspricht 2,2 Beitragspunkten.
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Mittlerweile dürfte es einiges mehr sein.
Und bei diesen Zahlen fehlen die krankheitsbedingten Kosten für Hartz‑IV-Bezieher, ebenfalls eine reine Fürsorgeleistung und damit ein klarer Fall der Steuerfinanzierung. 2016 zahlte der Bund für jeden Hartz‑IV-Bezieher monatlich circa 96 Euro Beitrag. Auch Flüchtlinge beziehen nach ihrer Anerkennung, sofern sie nicht arbeiten, sofort Hartz IV.
Laut Bundesrechnungshof gab es in Deutschland von 2015 bis 2017 insgesamt 1 362 320 Asylantragsteller. Damit liegt der EU-Anteil Deutschlands mit rund 44 Prozent einsam an der Spitze, mit großem Abstand folgen Italien mit rund 11 Prozent, Frankreich mit rund 8 Prozent und Schweden mit rund 7 Prozent.
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Der Bundesrechnungshof formuliert, dass Bund, Länder und Kommunen „ungeachtet der bislang fehlenden Unterstützung aus dem EU-Haushalt“ erhebliche Mittel für die Aufnahme und Integration erbringen, in 2017 rund 21 Milliarden Euro nur durch den Bund. Wo ist denn hier die wesentliche finanzielle Unterstützung durch die EU, die für die freiwillige Aufnahme der Flüchtlinge laut Regierung zugesagt wurde?
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Handelt es sich hierbei etwa um Desinformation, Frau Dr. Merkel? Wünschten nicht Sie die Streichung von EU-Mitteln für Parteien, die Desinformationen verbreiten? Und krankheitsbedingte Flüchtlingskosten sind bei all diesen Zahlen noch gar nicht berücksichtigt. Hierzu aber besteht aller Anlass; denn laut Gesundheitsministerium kostet allein bei Aids die lebenslang notwendige Diagnostik und Arzneimitteltherapie das Gesundheitssystem circa 500 000 Euro pro Patient.
Am meisten verbreitet ist Aids laut RKI in der Subsahara-Region, bis zu 40 Prozent der dortigen erwachsenen Bevölkerung ist mancherorts infiziert.
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Für Deutschland liegt bei heterosexueller Übertragung der Anteil der HIV-Neudiagnosen bei Menschen nichtdeutscher Herkunft in 2016 bei 72 Prozent. Hiervon sind 73 Prozent aus der Subsahara-Region. In Bayern, einem der wenigen Bundesländer mit routinemäßiger HIV-Testung von Asylbewerbern, wurden 2016 21 Prozent aller Neudiagnosen Deutschlands mit heterosexuellem Übertragungsweg gemeldet, von diesen 71 Prozent aus Subsahara-Afrika. Insgesamt schätzt das RKI, dass Ende 2016 etwa 88 400 Menschen mit einer HIV-Infektion in Deutschland lebten, davon 12 700 undiagnostiziert. Stand März 2016 schätzte das RKI noch auf etwa circa 77 000 Infizierte, eine Steigerung von 11 Prozent innerhalb eines Dreivierteljahres.
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Genaue Zahlen sind dem RKI deshalb nicht möglich, weil die HIV-Diagnose mangels deutschlandweit verpflichtender Aidstests oft Jahre nach der Infektion – nämlich bei den ersten ernsthaften Symptomen – erfolgt. Ansteckend ist Aids hingegen bereits kurz nach der Infektion. Erstaunlich ist die Begründung, mit der das RKI eine Routinetestung von Asylsuchenden ablehnt: Eine kultursensible Beratung und geordnete Befundübermittlung und -mitteilung könne oft nicht gewährleistet werden. Was meint das RKI damit, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass – wie die „ÄrzteZeitung“ am 27. März 2018 berichtete – bei einer Befragung mehr als die Hälfte der Migranten angab, trotz wechselnder Partner nur unregelmäßig Kondome zu verwenden? Sicher ist, dass eine frühe HIV-Diagnose dazu beiträgt, späte Diagnosen und damit eine höhere Sterblichkeit und Behandlungskosten zu verringern. Die AfD fordert daher eine bundeseinheitliche Routinetestung von Asylsuchenden auf HIV. Denn die Dunkelziffer der Undiagnostizierten birgt ein großes epidemiologisches Potenzial.
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Und wenn diese Regierung das unterlässt, macht sie sich gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung doppelt schuldig. Aber was will man von dieser Regierung, die von diesen Themen nichts sehen, nichts hören und vor allem nicht darüber sprechen will, auch anderes erwarten?
Danke schön.
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Nächster Redner ist der Kollege Josef Rief, CDU/CSU.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann nur wiederholen, was die Kanzlerin gestern gesagt hat: Über das, was einem wichtig ist, soll man reden. – Ich möchte gerne über die Gesundheitsversorgung, über die Gesundheitspolitik in Deutschland und in der Welt reden. Ich glaube, das ist wichtig.
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Der Haushalt steht, meine Damen und Herren. Ich freue mich, dass wir so erfolgreich verhandelt haben. Wir konnten sehr viele neue Projekte anstoßen und dabei zum sechsten Mal in Folge ohne neue Schulden auskommen. Alle unsere weiteren Vorhaben sind mit Mitteln unterlegt. Dieser Haushalt ist zukunftsweisend und generationengerecht.
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Das gilt auch für den hier vorgelegten Gesundheitshaushalt.
Lassen Sie mich als Berichterstatter der Union für den Einzelplan des Gesundheitsministeriums zuerst einmal Danke sagen an Minister Spahn und seine Mitarbeiter für die gute Zusammenarbeit. Auch meinen Mitberichterstattern und den Mitarbeitern in den Ausschüssen und Fraktionen danke ich für die gute Zusammenarbeit.
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Der Gesundheitshaushalt setzt einen klaren Fokus auf die Zukunft und die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung. Dabei geht es um mehr Digitalisierung, mehr Forschung, bessere Versorgung im ländlichen Raum, Prävention und einen nachhaltigen Beitrag für die Verbesserung der internationalen Gesundheit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Haushalt fördern wir Modellprojekte zur Telemedizin mit insgesamt 23 Millionen Euro bis zum Jahr 2022. Damit sollen in ländlichen wie in urbanen Testregionen die Möglichkeiten für digitale Anwendungen weiter konkretisiert und verbessert werden.
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Wir bauen ein Datenkompetenzzentrum auf, um bisher separat erfasste Daten im Gesundheitswesen zusammenzuführen. Dafür haben wir für die kommenden Jahre immerhin 11 Millionen Euro eingeplant. Zum Aufbau von Pflegeschulen im Ausland stellen wir insgesamt 9 Millionen Euro bereit, um zukünftig die hier benötigten Fachkräfte aus verschiedenen Ländern gewinnen zu können.
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Der Gesundheitshaushalt ist ein mittelgroßer Haushalt. Er stellt den Großteil seiner Mittel, nämlich 14,5 Milliarden Euro, dem Gesundheitsfonds zur Verfügung, um sogenannte versicherungsfremde Leistungen zu finanzieren. Damit senken wir die Beiträge für die gesetzlich Versicherten.
Ein weiterer Schwerpunkt des Haushalts ist Prävention. So geben wir 2019 17,5 Millionen Euro für gesundheitliche Aufklärung aus. Darunter fallen Aufklärung zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, Kampagnen für Blutspende und Organspende sowie Aufklärung über Impfungen. Wir tun auch mehr für die Aufklärung über sexuell übertragbare Krankheiten. Insgesamt sehen wir jetzt knapp 13,6 Millionen Euro dafür vor.
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Auch im Bereich der Drogenaufklärung geben wir mit 10,7 Millionen Euro 1 Million Euro mehr aus, als im Regierungsentwurf vorgesehen war. Für Patientensicherheit und die Bekämpfung von Krankenhausinfektionen – großes Thema – investieren wir im kommenden Jahr 5 Millionen Euro.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Bereich der Forschung. Hier geben wir für Forschungsvorhaben und Forschungseinrichtungen im Jahr 2019 insgesamt fast 123 Millionen Euro aus, über 31 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist gut angelegtes Geld.
Ein weiteres wichtiges Vorhaben im Bereich Forschung ist die Durchführung von Pilotprojekten für Landarztstudiengänge an inzwischen vier Universitäten. Die Mittel dafür haben wir noch einmal erhöht und geben jetzt 13 Millionen Euro dafür aus. Die Landarztversorgung ist eine der wichtigen Baustellen, wenn es darum geht, den ländlichen Raum zu stärken. Die Menschen erwarten zu Recht, dass sie auch auf dem Lande eine adäquate medizinische Versorgung vorfinden.
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Das gilt nicht nur für die Versorgung mit Rettungsdiensten und Krankenhäusern in der Fläche. Es beginnt damit, dass man möglichst im eigenen Ort einen Arzt des Vertrauens vorfindet, zu dem man gehen kann und der bei Bedarf auch zu einem Hausbesuch vorbeikommt. Ich danke Jens Spahn ausdrücklich, dass er hier einen ordentlichen Schritt vorangeht, um mehr junge Mediziner dafür zu gewinnen, eine Perspektive als Landarzt zu finden. Diese Haushaltsmittel sind besonders gut angelegtes Geld für die Zukunft.
Bei der Verbesserung der internationalen Gesundheit leisten wir unseren Beitrag entsprechend unserer Bedeutung in der internationalen Staatengemeinschaft. Der übergroße Teil der 105 Millionen Euro, die wir dafür einplanen, geht als freiwillige oder Pflichtbeiträge an die Weltgesundheitsorganisation. Damit sorgen wir auch dafür, dass schwere Infektionskrankheiten wie Ebola wirkungsvoll bekämpft werden. Ich kann nur immer darauf hinweisen, dass Epidemien eben nicht an Landesgrenzen haltmachen, auch wenn es in diesem Hause Abgeordnete gibt, die – wir haben das vorhin gehört – bei der internationalen Hilfe sparen wollen. Ich sage Ihnen: Wir würden uns ins eigene Fleisch schneiden, wenn wir unserer Verantwortung hier nicht gerecht würden.
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Meine Damen und Herren, Reiseweltmeister zu sein, aber Krankheiten nicht auch international zu bekämpfen, das passt einfach nicht zusammen.
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Nur eine starke internationale Zusammenarbeit wird uns auch in Zukunft nachhaltig schützen und insgesamt die Lebensbedingungen auf der ganzen Welt – und damit natürlich auch in Deutschland – verbessern.
Im Rahmen des Einzelplans des Gesundheitsministeriums finanzieren wir außerdem wichtige Institute, die für unsere nationale, aber auch für die europäische und internationale Gesundheit von hoher Bedeutung sind. Stellvertretend möchte ich das Robert-Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut nennen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesundheitshaushalt mag, verglichen mit dem Budget der Krankenkassen, klein sein. Dennoch setzen wir damit die Eckpfeiler und Impulse für die Entwicklung unseres Gesundheitswesens. Dabei ist das Gesundheitssystem nicht in erster Linie Kostenfaktor, sondern ein wichtiger Wirtschaftszweig in unserem Land. Über 1 Milliarde Euro geben wir täglich für Gesundheit aus. Über 5,5 Millionen Menschen arbeiten in den vielen Bereichen und sorgen für eine hervorragende Versorgung, eine Versorgung, die zu den besten gehört, die es auf dieser Welt gibt und die uns allen ein längeres Leben ermöglicht.
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Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen für die gute Arbeit bedanken, die täglich, oft rund um die Uhr, in Schichten und am Wochenende, im ganzen Land geleistet wird. Gesundheit geht uns alle an. Darum müssen wir dafür sorgen, dass unser Gesundheitssystem auch weiterhin gut funktioniert und sich bedarfsgerecht weiterentwickelt. Dazu trägt dieser Haushalt bei.
Herzlichen Dank.
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Karsten Klein, FDP, ist der nächste Redner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Welt ist miteinander verwoben; das betrifft besonders Deutschland. Die Reisefreude der Deutschen ist sprichwörtlich. Aber wir sind auch Exportweltmeister, vor allem wenn es um Automobilbranche und Maschinenbau geht. Deutsche Arbeitsplätze sind abhängig vom Import von Rohstoffen – Erze, Seltene Erden und Mineralöl –, aber auch von Vorprodukten. Deutschland – das zeigt diese Aufzählung – ist von internationalen Schocks deshalb besonders betroffen; das haben auch viele Studien gerade im Hinblick auf die Krisenjahre 2008 und 2009 gezeigt.
Aber internationale Krisen werden nicht nur über den Finanz- oder den Immobilienmarkt erzeugt, sondern eben auch durch Krankheiten und Seuchen. Schulen werden geschlossen, Menschen meiden öffentliche Plätze, Kaufhäuser werden gemieden, das öffentliche Leben kommt zum Stillstand, der Konsum ist rückläufig, es werden Reisewarnungen ausgesprochen, der Reiseverkehr und der internationale Handel leiden. Das alles führt dazu, dass Produktion abnimmt, dass Steuereinnahmen sinken. Die Epidemie SARS hat 2008 ein um 1,5 Prozent geringeres Weltwirtschaftswachstum erzeugt. Die Ebola-Epidemien 2014 und 2016 haben zu einem niedrigeren volkswirtschaftlichen Einkommen in Höhe von 2,8 Milliarden US-Dollar in den betroffenen Ländern geführt. Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen, dass eine Pandemie für Deutschland Einbußen von bis zu 15,5 Milliarden Euro bedeuten würde.
Die internationale Bekämpfung von Krankheiten, liebe Kolleginnen und Kollegen, macht volkswirtschaftlich Sinn – das zeigt diese Aufzählung – und ist auch geboten.
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Sie ist aber auch ein wichtiger Baustein bei der Fluchtursachenbekämpfung. Wenn man Heilung und Linderung schlimmer Krankheiten nur in westlichen Industriestaaten erwarten kann, erhöht das den Migrationsdruck.
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Krankheiten kennen keine Grenzen. Das zeigen die neuen Epidemien, aber das zeigt vor allem auch der Blick in vergangene Jahrhunderte, als es noch keine internationale, gemeinsame Bekämpfung von Krankheiten gegeben hat. Die Pest hat im 14. Jahrhundert 25 Millionen Menschen weltweit das Leben gekostet; das war ein Drittel der Bevölkerung Europas. Die Verbreitung der Krankheiten, der Epidemien erfolgt anhand von Handelswegen und Verkehrswegen. Deshalb, meine liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation aus volkswirtschaftlicher Sicht, aus Gründen der Fluchtursachenbekämpfung, aber auch für die Bekämpfung von Krankheiten innerhalb unseres eigenen Landes so bedeutend.
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Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben bei der Bekämpfung von Krankheiten auf internationaler Ebene unsere volle Unterstützung. Sehr geehrte Damen und Herren, ich betone das heute deshalb so, weil es eine Fraktion in diesem Haus gibt, die immer so tut, als ob sie sich besser und engagierter für das Wohl der Menschen in diesem Land einsetzen würde als alle demokratischen Parteien. Dabei stellt die AfD-Fraktion bei allen Haushaltsberatungen Kürzungsanträge genau in diesem Bereich, bei der internationalen Bekämpfung von Krankheiten.
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Wie das mit den Ausführungen der Frau Kollegin in Einklang zu bringen ist, die sich darüber beschwert hat, dass hier Menschen mit Krankheiten ankommen, ist für mich unerklärlich.
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Ich finde, die Menschen da draußen sollten wissen, dass das parlamentarische Verhalten der AfD eben nicht dem Wohl und dem Wohlstand der Menschen in Deutschland Rechnung trägt.
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Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, selbst wenn es diese Gründe nicht gäbe, wenn es nicht volkswirtschaftlich sinnvoll wäre, wenn es nicht der Fluchtursachenbekämpfung dienen würde, wenn es nicht der Bekämpfung von Krankheiten im eigenen Land dienen würde, wäre es trotzdem richtig, diese Mittel bereitzustellen;
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denn in allererster Hinsicht ist es eine Frage der Humanität, ob wir uns international engagieren. Meine Fraktion, die Fraktion der Freien Demokraten, und, ich denke, auch die allermeisten Mitglieder dieses Hauses möchten keinem Menschen in Afrika sagen müssen, dass wir sein Kind nicht gerettet haben, nicht, weil wir es nicht konnten, sondern, weil wir es nicht wollten – so, wie es die AfD beantragt.
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Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Pflicht, im Namen der Humanität, an der internationalen Bekämpfung von Krankheiten und Seuchen mitzuwirken und dafür, Herr Minister, auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Nächster Redner ist Dr. Karl Lauterbach, SPD.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an das anknüpfen, was der Kollege Klein gesagt hat. Zunächst einmal ist es – erstens – ganz klar richtig: Wir retten Menschen in Afrika und in anderen Teilen der Welt nicht deshalb, weil sie ihre Krankheiten sonst zu uns bringen würden, sondern wir wollen, dass diese Menschen überleben und dass ihnen die Qualen der Krankheit erspart bleiben. Das ist unsere humanitäre Aufgabe, dafür kämpfen wir, und dafür stellen wir dieses Geld zur Verfügung. Es sind die Menschenrechte, die wir hier verteidigen, nicht die Reisefreiheit.
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Zweitens will ich darauf hinweisen – Sie haben es gesagt –: Im 14. Jahrhundert ist jeder Dritte an der Pest gestorben. Das war aber auch gleichzeitig der Beginn des Antisemitismus, der Judenhetze in Europa; denn damals ist die Verbreitung der Pest den Juden in die Schuhe geschoben worden.
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Das ist genau die Art und Weise, wie Sie Ihre schmutzige Kampagne gegen die Flüchtlinge führen. Das ist der neue Antisemitismus.
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– Doch, genau so hat der Antisemitismus angefangen. Die Juden sind beschuldigt worden,
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sie würden die Pest verbreiten. Genau das Gleiche machen Sie heute mit den Flüchtlingen.
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– Sie müssen mir nicht erklären, was pure Hetze ist. Das erleben wir bei Ihnen jeden Tag.
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– Auch wenn man demokratisch gewählt ist, berechtigt das nicht, hier Lügen und Hetze zu verbreiten.
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In der Haushaltsdebatte müssen wir immer auch Bilanz ziehen.
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Was haben wir uns vorgenommen in dieser Großen Koalition? Wir haben uns drei Bereiche vorgenommen. Wir wollten zum Ersten die Finanzierung unseres Gesundheitssystems auf ein solideres Fundament stellen. Zum Zweiten wollten wir einen Neustart bei der Pflege. Zum Dritten – das war uns besonders wichtig – wollten wir einen Abbau der Zweiklassenmedizin. Wenn man auf das Erreichte zurückblickt, dann muss man sagen: Wir haben in den wenigen Monaten, die wir störungsfrei regieren konnten,
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im Bereich Gesundheit besonders viel erreicht. In kaum einem anderen Bereich haben wir so viel in so kurzer Zeit umsetzen können.
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Zum ersten Punkt. Wir haben die Parität zum 1. Januar 2019 wieder eingeführt. Das heißt, die Finanzierbarkeit des deutschen Gesundheitssystems bleibt gewährleistet. Hätten wir das nicht gemacht, wäre der Arbeitnehmerbeitrag immer weiter gestiegen. Es wäre zu einer schleichenden Privatisierung unseres Gesundheitssystems gekommen. Das haben wir abgewendet. Somit ist das eine der wichtigsten Maßnahmen zur Stabilisierung unseres gesamten Sozialsystems. Dafür möchte ich mich bei allen, die hier mitgearbeitet haben, bedanken.
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Zum zweiten Punkt. Wir haben dafür gesorgt, dass es den Neustart in der Pflege wirklich gibt. Um es klarzustellen: Wir haben sichergestellt, dass jede neue Stelle in der Krankenpflege und jede vorhandene Stelle zu 100 Prozent refinanziert wird, und zwar zu Tariflöhnen – zu 100 Prozent! Das heißt, wir haben die Pflege als ersten Bereich im Gesundheitssystem ganz aus der zunehmenden Ökonomisierung unseres Gesundheitssystems herausgenommen. Hier gilt das Kostendeckungsprinzip. Mit der Pflege können keine Verluste mehr gemacht werden. Das wird den Pflegeberuf langfristig viel attraktiver machen, als er derzeit ist, auch für junge Leute. Damit lösen wir das Arbeits- und Nachwuchsproblem in der Pflege in einer Art und Weise, dass der Begriff „echter Neustart“ gerechtfertigt ist. Auch dafür möchte ich mich bedanken.
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Wir haben auch in der Altenpflege viel erreicht. Wir sorgen dafür, dass 13 000 Fachpflegekräfte eingestellt werden. Aber klar ist: Das ist ein Anfang, aber nicht das Ende. Wir werden weitere Fachpflegekräfte ausbilden. Wir haben dafür entsprechende Anreize gesetzt. Wir modernisieren das gesamte Ausbildungssystem in der Pflege. Wir werden durch das Ausbildungssystem erreichen, dass in der Altenpflege und in der Krankenpflege langfristig die gleichen Löhne gezahlt werden. Somit werden beide Bereiche der Pflege deutlich attraktiver werden. Das heißt, wir reden nicht über den Pflegemangel, wir lösen den Pflegemangel. Dafür haben wir die wichtigsten Schritte bereits in den ersten 100 Tagen unserer gemeinsamen Gesundheitspolitik eingeleitet.
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Ich komme zu unserem dritten Versprechen, dem Abbau der Zweiklassenmedizin. Auch hier haben wir etwas erreicht. Wir arbeiten derzeit an einem Gesetzentwurf, der regeln soll, dass man sich 24 Stunden pro Tag an sieben Tagen pro Woche online für einen Facharztbesuch anmelden kann.
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Das heißt, wir werden dafür sorgen, dass in Zukunft auch gesetzlich Versicherten zeitnah Facharzttermine zur Verfügung stehen. Sie lachen darüber, aber dafür stellen wir auch zusätzliches Geld zur Verfügung.
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Wir wollen nicht, dass die Fachärzte gratis arbeiten. Wir wollen nicht, dass mehr gearbeitet wird, aber kein zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt wird. Daher wird dieser Bereich nicht über das Budget, sondern zusätzlich zum Budget abgerechnet. Wir werden den Engpass beseitigen, dass man jahrelang in die gesetzliche Krankenkasse einzahlt, aber dann monatelang auf einen Facharzttermin wartet. Das ist ein wichtiger Schritt zum Abbau der Folgen der Zweiklassenmedizin.
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Wir haben eine weitere Form der Zweiklassenmedizin, die von vielen in diesem Haus zu Recht beklagt wird, und zwar die Zweiklassenmedizin zwischen Stadt und Land. Auch bei diesem Thema werden wir wichtige Schritte unternehmen. Wir werden bei Landärzten und Ärzten in unterversorgten Gebieten die Zulassungsbeschränkungen komplett wegnehmen, wir werden für diese Bereiche Zuschläge vereinbaren – das hat insbesondere der Kollege Nüßlein, der hier sitzt, im Koalitionsvertrag mitverhandelt –, und wir werden die medizinische Versorgung auf dem Land über die Angebote Telemedizin und elektronisches Rezept auf elektronischem Wege machbar machen, sodass Arzt und Patient nicht für jeden Nachsorgetermin weite Strecken zurücklegen müssen. Das ist eine wichtige praktische Maßnahme zum Abbau der Zweiklassenmedizin zwischen Stadt und Land.
Somit gehen wir die drei Probleme – dabei geht es um die Finanzierung, den Neustart in der Pflege und einen wesentlichen Abbau der Zweiklassemedizin – an. Ich möchte mich auch beim Gesundheitsminister herzlich dafür bedanken. Ich muss einmal Folgendes sagen: Er ist mit der Arbeit im Gesundheitsbereich voll ausgelastet. Das, was er hier macht, überzeugt wesentlich mehr als seine Vorschläge zum UN-Migrationspakt.
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Ich gehe daher davon aus und hoffe, dass er uns mit voller Arbeitszeit für diese Funktion erhalten bleibt.
Vielen Dank.
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Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke, ist die nächste Rednerin.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da kann ich nahtlos anknüpfen: Herr Spahn, Sie sind jetzt sehr in den parteiinternen CDU-Wahlkampf eingebunden. Ich kann mir vorstellen, dass sich CDU-Mitglieder mindestens ebenso für gute Gesundheits- und Pflegepolitik interessieren wie für den Migrationspakt der Vereinten Nationen. Ich glaube, Sie sollten sich auf Gesundheitspolitik konzentrieren, Herr Spahn.
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Mit einem Sofortprogramm Pflege könnten Sie auch über CDU-Grenzen hinweg punkten. Wir brauchen nicht nur 13 000 neue Pflegestellen, sondern 100 000.
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Das klingt erst einmal viel; aber wir dürfen nicht vergessen, dass von 1995 bis 2006 über 50 000 Pflegestellen abgebaut wurden. Und, Herr Spahn, Sie sollten den hervorragenden Vorschlag des Geschäftsführers des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, aufgreifen. Er sagt nämlich, dass die Kosten für die Pflegebedürftigen und ihre Familien auf 15 Prozent zu begrenzen sind. Ich glaube, das ist ein Vorschlag, mit dem Sie wirklich punkten könnten, meine Damen und Herren.
Den Wettbewerb um den unsozialsten Kandidaten, den werden auch Sie gegen Herrn Merz verlieren. Aber zum Thema unsoziale Vorschläge: Glauben Sie wirklich, Herr Spahn, dass Ihr Vorschlag, Kinderlose mehr in die Pflege- und Rentenkasse einzahlen zu lassen als Familien, nicht als unsozialer Trick durchschaut wird? Warum versuchen Sie immer wieder, Junge gegen Alte, Gesunde gegen Kranke und Kinderlose gegen Familien auszuspielen? Warum schlagen Sie nie vor, dass die Vermögenden zum Beispiel auf einen Privatjet verzichten und dafür höhere Rentenbeiträge zahlen? Ich glaube, das wäre die richtige Lösung.
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Herr Spahn, Sie machen ja auch Wahlkampf für das ungeborene Leben. Gleichzeitig tun Sie als Gesundheitsminister nichts dagegen, dass ständig Geburtskliniken geschlossen werden. Trotz des steigenden Bedarfs schließen in jedem Jahr mehr Geburtsstationen. Im Jahr 2016 gab es mit 690 Entbindungsstationen ein Fünftel weniger als zehn Jahre zuvor. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe hat eine Umfrage durchgeführt, laut der im zweiten Halbjahr 2017 in einem Drittel der knapp 200 befragten Krankenhäuser Frauen kurz vor der Geburt abgewiesen wurden. Es fehlt an Hebammen, an Kreißsälen und an Betten. Das darf nicht so weitergehen, meine Damen und Herren.
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Ich glaube, wenn Sie auf einem CDU-Parteitag und natürlich auch in der Öffentlichkeit versprechen würden, dass in Zukunft keine schwangere Frau mehr vor der Geburt ihres Kindes von einem Krankenhaus abgewiesen wird, dann würden Sie damit nicht nur die Frauen Union gewinnen, sondern noch, viel mehr Menschen in unserem Land.
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Ich sage Ihnen: Greifen Sie diese Vorschläge auf, und verzichten Sie auf ideologische Schlachten zum Migrationspakt!
Doch Sie, Herr Spahn, sind nicht für alles verantwortlich, was in diesem Land in der Gesundheitspolitik falsch läuft. Es ist gut, dass SPD und Grüne jetzt Hartz IV überwinden und Sanktionen abschaffen wollen.
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Doch die Agenda 2010 – das wird häufig vergessen – ist mehr als Hartz IV: Auch die Gesundheitsreform war unsozial. So hat die Einführung der Fallpauschalen zu einem Ausverkauf unserer kommunalen Krankenhäuser geführt. Für wenig Geld haben renditeorientierte Investoren kommunale Krankenhäuser aufgekauft und auf Gewinn getrimmt. Der erste Schritt war immer die Reduzierung des Personals. Krankenschwestern wurden auf Kosten der Patienten weggespart. Der zweite Schritt war immer die Spezialisierung auf Operationen, die das meiste Geld bringen. Private Kliniken schossen seit der Gesundheitsreform 2004 wie Pilze aus dem Boden. Für kommunale Kliniken ist eine solche Spezialisierung gar nicht möglich, sie müssen die Grundversorgung absichern. Dafür gibt es weniger Geld von den Krankenkassen als für teure Knie- und Hüftoperationen. Das Fallpauschalensystem liefert die kommunalen Krankenhäuser ans Messer der Heuschrecken, und die haben nicht die Patienten im Auge, sondern ausschließlich ihre Rendite. Dem müssen wir uns entschlossen entgegenstellen, meine Damen und Herren.
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Wir brauchen endlich eine echte Gesundheitsreform, eine Gesundheitsreform, die wieder die Patienten und natürlich auch die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, in den Mittelpunkt stellt und nicht die Profite der Investoren.
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In unserem Gesundheitssystem steckt viel Geld – es wurde schon gesagt –: 1 Milliarde Euro pro Tag. Dieses Geld muss denen zugutekommen, die es brauchen, es darf nicht in die Hälse von Investoren fließen; dafür ist das Geld nicht da. Wir brauchen ein soziales, ein gerechtes Gesundheitssystem, und dafür kämpft Die Linke.
Vielen Dank.
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Maria Klein-Schmeink, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen hier im Hause! Die Haushaltsberatung im Gesundheitsbereich ist ja immer eine besondere, weil wir in der Regel gar nicht über die Ansätze reden, die im Bundeshaushalt zwischen den Koalitionsfraktionen verabredet werden, sondern wir reden letztendlich über ein großes Beitragsvolumen und ein Behandlungsvolumen, das in etwa dem entspricht, was der gesamte Bundeshaushalt umfasst. 244 Milliarden Euro sind allein im Bereich der Gesundheitsversorgung im nächsten Jahr in der gesetzlichen Krankenversicherung angesetzt, weitere mehr als 40 Milliarden Euro in der sozialen Pflegeversicherung, und dann kommen noch die Ausgaben aus den privaten Bereichen dazu,. Es ist also ein riesiger und ein enorm wichtiger Bereich, ein Bereich, der maßgeblich darüber entscheidet, ob die Lebensqualität in unserem Lande stimmt. Natürlich muss sichergestellt sein, dass sie auch überall stimmt.
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Schauen wir zurück. Der Minister hat in der Tat in einem enormen Tempo zwei sehr umfangreiche Gesetze vorgelegt, die wir schon verabschiedet haben. Zwei weitere sind in der Wartespur und werden uns noch vor Weihnachten, soweit ich das gehört habe, erreichen. Wenn wir uns anschauen, was da passiert, sehen wir: Da sind 2,3 Milliarden Euro für nächstes Jahr bereits ausgegeben, ohne die noch geplanten 5,3 Milliarden Euro für das Jahr 2020, also ordentliche Ausgaben, große Ausgaben, beitragsrelevante Ausgaben. Da müssen wir natürlich die Frage stellen: Stimmt denn das, was da beschlossen worden ist, sind da die richtigen Prioritäten gesetzt? Da sagen wir ganz klar: Da mangelt es.
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Ich nenne hier das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz. In der Tat, Sie haben ein Sofortprogramm vorgelegt, das erste wichtige Schritte angeht. Aber es hat Schieflage, es konzentriert sich sehr stark auf den Krankenhausbereich, es fehlt das Pendant in der Langzeitpflege. Wir müssen sogar fürchten, dass es zu einer Verlagerung von Fachkräften aus dem Altenpflegebereich in die Krankenpflege kommt. Das, meine Damen und Herren, ist nicht die Lösung des Problems; eine Lösung bleibt mehr als überfällig.
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Wir haben einen enormen Fachkräftemangel, der so weit geht, dass gute Behandlung und verlässliche Behandlung infrage stehen. Das muss dazu führen, dass wir in großem Tempo Gesetze vorlegen; denn das ist wirklich versorgungsrelevant.
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Nächster Punkt. Wir haben in der Pflege Baustellen nicht nur bei der Fachkräftesicherung, sondern auch bei der Angehörigenunterstützung, der Sicherheit der Versorgung und – auch das ist uns ganz klar vor Augen; das ist dringlich und überfällig – der Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Jegliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen wird nach derzeitiger Rechtslage aber zulasten der Pflegebedürftigen gehen. Da frage ich Sie, Herr Minister: Wo ist Ihr Konzept? Wie wollen Sie das verändern? Gibt es Vorstellungen darüber, wie wir mit Steuermitteln diese Belastung abfangen können, oder gibt es Vorstellungen darüber, die Pflegeversicherung insgesamt zu verändern?
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Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Es ist so dringlich, dass wir alle wissen: Wir werden die Probleme, die auf der Hand liegen, nicht lösen können, wenn wir diese Antworten nicht geben. Ich sehe sie derzeit nicht. Ich kann aber ganz klar sagen: Die Beschäftigten im Gesundheitswesen haben ein deutliches Signal verdient, dass sich an ihrer Situation wirklich etwas ändert.
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Kommen wir zur Baustelle Digitalisierung. Es wird viel davon gesprochen, dass es große Potenziale gibt. Aber wo stehen wir im realen Leben? Wo ist eine Strategie erkennbar, wie denn die Digitalisierung für das Gesundheitswesen wirklich fruchtbar gemacht werden soll? Wo sind denn die Mittel dafür, dass beispielsweise die Breitbandversorgung der Krankenhäuser, der Arztpraxen, der Apotheken, der vielen Praxen der Gesundheitsberufler sichergestellt ist? Ich sehe bisher keine zielführenden Ansätze. Es gibt für die Digitalisierung lediglich Minimalansätze – sie wurden vorhin genannt – von etwas über 20 Millionen Euro. So lösen Sie das Problem nicht; das ist schon mal klar.
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Des Weiteren: Wir müssen nicht nur darüber nachdenken, wie wir bessere Arbeitsbedingungen für die jetzt schon im System arbeitenden Fachkräfte schaffen, sondern auch darüber, wie wir neue Fachkräfte gewinnen und diese ausbilden. Da frage ich Sie: Was tun Sie tatsächlich, um zum Beispiel die generalistische Ausbildung mit Mitteln konstruktiv zu begleiten und dafür zu sorgen, dass nicht wieder die Altenpflege die Verliererin in dem gesamten Spiel ist? Ich sehe das nicht. Wir haben leider feststellen müssen, dass unser Antrag, den Altenpflegeschulen Hilfestellung zu geben, abgelehnt worden ist. Das ist keine Antwort auf die großen Herausforderungen, die wir auf jeden Fall kommen sehen.
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Und: Angekündigt ist eine Reform der Gesundheitsberufe. Ich sehe keine Ansätze im Haushalt. Wir wissen, dass wir zum einen das Schulgeld für diese Berufe endlich abschaffen müssen.
Frau Kollegin, vielleicht sehen Sie die rote Lampe, die das Ende Ihrer Redezeit anzeigt.
Ich komme zum Ende. – Wir wissen aber auch, dass wir den berechtigten Ansprüchen auf eine faire Vergütung in diesen Bereichen endlich gerecht werden müssen. Auch da vermisse ich bisher jeglichen Hinweis.
Also: Ihre Baustellen sind groß. Der Finanzbedarf ist hoch. Sie haben bereits viel ausgegeben. Ich hoffe, Sie haben auch den Mut, die eigentlichen Probleme zu adressieren.
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Jetzt hat das Wort der Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Bundeskanzlerin hat eines gestern zu Beginn ihrer Rede zu Recht gesagt: Jeder redet über das, was er für richtig hält. – Soll ich Ihnen sagen, was ich für richtig halte, wenn ich an die Gesundheitspolitik denke? Dass wir an die vielen Millionen Menschen denken, die jeden Tag in Krankenhäusern, in Arztpraxen, in Pflegeheimen Kontakt mit diesem Gesundheitswesen haben, dass wir an die 3,3 Millionen Menschen denken, die pflegebedürftig sind, und an ihre vielen Millionen Angehörigen, dass wir an die 5,5 Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen denken, die jeden Tag zur Arbeit gehen und Großes leisten, dass wir an die 1 Million Pflegekräfte denken. An die denke ich zuerst, wenn ich an Gesundheitspolitik denke. Ich weiß nicht, wo da Ihr Schwerpunkt ist.
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Wissen Sie, Sie von der AfD machen das ziemlich perfide: Sie beschweren sich den ganzen Tag darüber, dass nur über Flüchtlinge geredet würde, und dann schaffen Sie es, morgens um 9 Uhr in der Gesundheitsdebatte als Erstes nur über Flüchtlinge zu reden. Dann ruft Herr Baumann hier noch hinein: „Die eigenen Leute interessieren Sie hier nicht!“ Wenn man Ihnen genau zuhört, fragt man sich, ob Sie überhaupt noch eine Idee davon haben, was die allermeisten Bürgerinnen und Bürger tatsächlich interessiert, wenn es um Gesundheits- und Pflegepolitik in diesem Land geht. Sie haben keine Ahnung, worum es den allermeisten Menschen geht.
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Es geht darum, dass wir ein Gesundheitswesen, das jeden Tag Großes leistet und ein großes Versprechen abgibt – 82 Millionen Menschen haben Zugang zu medizinischer Versorgung; das gibt es so in keinem anderen Land der Welt –, da, wo es im Alltag nicht so gut ist, wie es sein sollte – das ist es ohne Zweifel an bestimmten Stellen –, konkret besser machen, indem wir über diese Themen reden und Vertrauen zurückgewinnen. Damit haben wir in den ersten gut acht Monaten auch gut begonnen.
Wir haben das Versichertenentlastungsgesetz hier im Bundestag nach zweiter und dritter Lesung beschlossen. Über 50 Millionen Menschen – Beitragszahler, Arbeiter, Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner und übrigens auch Selbstständige – profitieren von diesem Gesetz. Sie haben netto mehr in der Tasche. Das stelle ich in den Mittelpunkt der Politik. In guten Zeiten sollen die, die den Laden am Laufen halten, auch was davon haben.
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Wir haben gleichzeitig Geld und Rücklagen und damit die Möglichkeit, etwas in der Pflege zu tun. Die Pflegekräfte spüren nämlich jeden Tag, dass es zu oft nicht so ist, wie es sein sollte. 13 000 neue Pflegestellen in der Altenpflege und in den Krankenhäusern sind ein echter Paradigmenwechsel. Jede zusätzliche Pflegestelle wird finanziert. Wir investieren ins Digitale und in die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Von diesen 13 000 Pflegestellen kommt in jedem Wahlkreis, bei jedem vor Ort und in jedem Krankenhaus etwas an.
Das sind die konkreten Themen, die die Menschen interessieren: wie es den Pflegekräften geht, wie es den Patienten geht, wie es den Pflegebedürftigen geht. Wir haben das Gesetz hier in zweiter und dritter Lesung beschlossen; es tritt am 1. Januar 2019 in Kraft. So machen wir Gesundheits- und Pflegepolitik.
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Digitalisierung: Die elektronische Patientenakte ist in der Beratung und wird spätestens ab 2021 für alle verfügbar sein.
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Telemedizin: Ich war gestern im ländlichen Raum in Thüringen. Gerade auch im ländlichen Raum beschäftigt es wahnsinnig viele Menschen, wie sie in Zukunft an der Versorgung teilhaben können, und die Telemedizin kann einen enormen Beitrag dazu leisten. Darauf legen wir insgesamt einen großen Fokus – auch im Haushalt. Ich bin den Haushältern sehr dankbar für diese zusätzlichen Mittel, die es zum Ende der Beratungen im Haushalt gab.
Wissen Sie, warum? Weil wir erstens Digitalweltmeister werden müssen, um Wirtschaftswachstum zu haben und unseren Wohlstand zu erhalten. Es geht aber um mehr als nur um das Bruttoinlandsprodukt. Es geht zweitens darum, dass Innovationen, Forschung und Digitales im Gesundheitswesen Leiden mindern helfen. Soll ich Ihnen sagen, wie? Indem wir zum Beispiel – das wollen wir mit dem Geld – Daten in der Krebsforschung besser auswerten und die Versorgungsdaten nutzen, um Krebsbehandlungen besser zu machen, Krebs zu besiegen, HIV und Polio auf der Welt auszurotten und die Versorgung der Diabetes-Patienten zu verbessern. Das wollen wir mit dem Digitalen erreichen. Wir wollen Fortschritt, um das Leben besser zu machen. Diese Geschichte sollten wir öfter erzählen. Darum geht es, wenn wir so mutig und schnell an das Thema Digitales herangehen.
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Wir haben einen Gesetzentwurf für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung vorgelegt. Ich erwähne nur Valsartan und den Skandal in Bottrop rund um eine Apotheke. Oder: Was war mit Lunapharm in Brandenburg? Viele fragen sich zu Recht: Wie reagiert die Politik darauf? Wir reagieren, indem wir sagen: Wir stärken die Aufsichtsbehörden, wir kommen zu mehr Kontrollen, wir schützen die Patienten. Die Versicherten, die Patienten in Deutschland müssen sich darauf verlassen können, dass Medikamente ihnen helfen und nicht schaden. Dafür ist dieser Gesetzentwurf da, und wir sind sehr konkret in der Beratung.
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Und wissen Sie was? Auch die 10 000 Menschen, die jeden Tag auf ein Organ warten – eine Niere, ein Herz, eine Leber – und voller Hoffnung und voller Verzweiflung sind, hätten es verdient, dass Sie zumindest mit einem Satz einmal erwähnen, wie wichtig es ist, dass wir aktuell über einen Gesetzentwurf beraten, bei dem es um die Verbesserung der Abläufe in den Kliniken geht, um eine bessere Organisation und Finanzierung. Wie wäre es, wenn Sie einmal über diese 10 000 Menschen statt immer nur über das eine Thema reden würden? Die hätten es auch verdient.
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So gehen wir daran, Thema für Thema. Wenn wir nach den ersten acht Monaten eine Bilanz ziehen, dann können wir sagen: Wir haben schon viel erreicht.
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Aber es ist ja nicht vorbei. Wir haben tatsächlich noch Weiteres vor. Dabei geht es auch um eine Grundsatzdebatte über die Frage – da bin ich ja bei Frau Klein-Schmeink – –
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– Maria!
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Ich bin ja bei dem, was du, was Sie gesagt haben,
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dass wir nämlich wahrnehmen, dass wir gerade in guten Zeiten sind. Wissen Sie, ich bin als Gesundheitsminister ein großer Freund guter Wirtschaftspolitik. Soll ich Ihnen sagen, warum? Weil all das, was wir in der Gesundheits- und der Pflegepolitik an Spielräumen haben, all das, was wir gerade an Verbesserungen machen, erst einmal erwirtschaftet werden muss.
Deswegen ist mir eines ganz wichtig: dass wir in der Gesundheits- und Pflegepolitik immer auch im Blick haben, wie wir mithelfen können, dass es beim Wirtschaftswachstum bleibt. Deswegen haben wir auch die Lohnnebenkosten im Blick und senken die Beiträge da, wo es nötig ist. Wir wollen Wettbewerbsfähigkeit erhalten, um Spielräume für gute Gesundheits- und Finanzpolitik zu haben.
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Herr Minister Spahn, die Kollegin Klein-Schmeink würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Gerne.
Herr Minister Spahn, lieber Jens Spahn,
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da Sie gerade die Finanzen ansprechen: Ich habe in meiner Rede darauf hingewiesen, dass es den Mut braucht, auch weiterhin Probleme zu lösen. Sie haben bis zum Jahr 2020 bereits jährlich 5,3 Milliarden Euro draufgelegt. Es fehlt aber noch die Finanzierung der Kosten, die sich zum Beispiel aus der Besserstellung der Arbeitsbedingungen in der Altenpflege und in der Pflege insgesamt ergeben. Wir wissen, dass die tarifgerechte Bezahlung im Altenpflegebereich in der ambulanten Pflege durchweg fast nicht vorhanden ist. Wir wissen, dass es in den Gesundheitsberufen riesige Entgeltprobleme gibt angesichts von Bruttoentgelten von 2 300 Euro und Ähnlichem oder bei Selbstständigengehältern noch darunter. Also, wir haben große Baustellen, die jeweils Milliarden umfassen werden. Sie haben gleichzeitig im Koalitionsvertrag stehen, dass die Sozialversicherungsbeiträge nicht über 40 Prozent steigen dürfen.
Dann frage ich Sie: Wie werden Sie all diese Themen adressieren? Werden Sie den Mut haben, nächstes Jahr von unserem Finanzminister zu verlangen, dass es zur Finanzierung dieser Aufgaben im Haushalt Steuermittel gibt? Werden Sie zum Beispiel dafür sorgen, dass die Refinanzierung bei den Hartz‑IV-Beiträgen tatsächlich bedarfsgerecht und gerecht passiert? Aus welchen Mitteln – Sie diskutieren derzeit Entlastungen bei den Betriebsrenten – werden Sie das alles finanzieren?
Frau Kollegin.
Haben Sie den Mut, den Finanzminister um Zuschüsse zu bitten?
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Erster Punkt, Frau Kollegin, ist – ja, da bin ich bei Ihnen, um das noch einmal ausdrücklich zu sagen, weil das ein ganz wichtiger Punkt ist –: In der Pflege war das erst der erste Schritt. Wir müssen bei der Verbesserung weitere Schritte gehen. Eines ist mir echt wichtig: dass wir in der Altenpflege regelhaft zu einer besseren Bezahlung kommen. Es kann nicht richtig sein, dass ein Altenpfleger, eine Altenpflegerin in zu vielen Regionen in Deutschland 500, 600, 800 Euro weniger als ein Krankenpfleger, eine Krankenpflegerin verdient. Deswegen werden wir dieses Thema angehen. – Danke, dass Sie mir die Gelegenheit geben, das noch einmal klarzustellen.
({0})
Zweitens. Dazu kommt die Frage der Finanzen. Uns unterscheidet da eines. Ich schaue nicht darauf, wie die Situation nächstes Jahr ist. Nächstes Jahr bekommen wir das hin. Ich möchte, dass wir eine Debatte darüber führen, wie das Ganze in den nächsten 10 oder 20 Jahren sein soll, damit für die jüngere Generation die Sozialversicherung nicht zu sozialer Verunsicherung führt. Die Frage ist: Können wir uns das in den 30er-Jahren überhaupt noch leisten, wenn jedes Jahr – jedes Jahr! – doppelt so viele Menschen in Rente gehen, wie junge Menschen aus den Schulklassen in das Arbeitsleben nachkommen?
({1})
Deswegen braucht es, Frau Lötzsch, eine Debatte, in der man es wagt, diese Fragen zu stellen.
Wissen Sie, was Sie von den Linken ständig machen und Sie von den Grünen im Übrigen auch? Sie machen: Im Himmel ist Jahrmarkt. Sie versprechen ständig allen alles und wollen keine schwierigen Debatten führen. Sie wollen in der Rente nicht über das Renteneintrittsalter reden. Sie wollen nicht darüber reden, wie wir bei den sozialen Sicherungssystemen zu einer besseren Vorsorge kommen.
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Sie wollen nicht darüber reden, wie wir bei den sozialen Sicherungssystemen Familien entlasten, um zu einem fairen Ausgleich zu kommen. Ich stelle mich diesen Debatten, auch wenn es Kritik gibt, weil ich glaube, dass wir Lösungen nur finden werden, wenn wir debattieren, und nicht, wenn wir allen alles versprechen. Das unterscheidet uns eben im Konzept und im Ansatz.
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Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es kurzum darum, dass wir wertschätzen, was wir mit diesem Gesundheitswesen haben, das jeden Tag viel leistet. Es geht darum, dass wir Probleme im Alltag konkret lösen und das Leben Schritt für Schritt besser machen. Es geht darum, dass wir auch bei den grundsätzlichen Fragen und Herausforderungen, vor denen wir stehen, größer denken.
Wenn wir das alles machen – davon bin ich fest überzeugt –, dann wird es uns auch gelingen, Vertrauen zurückzugewinnen.
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Nächster Redner ist der Kollege Detlev Spangenberg, AfD.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Lauterbach, Sie haben von störungsfreiem Regieren gesprochen. Da haben Sie natürlich Pech: Die Demokratie lebt auch von der Opposition. Die sind wir, und da müssen Sie sich daran gewöhnen, dass das so nicht funktioniert.
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Frau Kollegin Lötzsch, Sie haben vorhin gesagt, Gesundheitspolitik habe nichts mit dem Migrationspakt zu tun. Da täuschen Sie sich. Wir werden wohl Milliardenkosten haben, wenn dieses furchtbare Papier zur Geltung kommt, meine Damen und Herren. Davon können Sie ausgehen.
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Gesundheit ist in einer Gesellschaft eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Element, das höchste Gut, damit ein Staat existieren kann. Da sind wir uns einig. Aber wir haben einen demokratischen Nationalstaat, das heißt, gewählt von der deutschen Bevölkerung für die deutsche Bevölkerung,
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das heißt, rechtlich allein verantwortlich für die eigene Bevölkerung. Moralisch geht die Verpflichtung selbstverständlich weiter. Aber es gibt erst mal kein Anrecht auf die Leistung anderer Menschen, meine Damen und Herren. Dieses Anrecht gibt es nicht.
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Vielmehr gilt uneingeschränkt, das Recht derer zu betonen, die mit ihrer Arbeit die Wertschöpfung in diesem Land bewirken.
25,7 Millionen Euro an die Weltgesundheitsorganisation: dritthöchster Beitrag. 1,13 Millionen Euro für die Krebsforschung, 28,4 Millionen Euro an internationale Gesundheitsorganisationen, 72 Millionen Euro für die Stärkung der internationalen öffentlichen Gesundheit, 200 Millionen Euro für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Für den Kampf gegen Ebola hat Deutschland schon insgesamt über 10 Millionen Euro bereitgestellt. Meine Damen und Herren, das sind summa summarum laut Aussage der Bundeskanzlerin vom April 2018 755 Millionen Euro ins Ausland per annum.
Dagegen gilt die Zahlungsmoral der anderen UN-Staaten als nicht gerade befriedigend. Wie gesagt, Hilfe ist etwas Großartiges, aber wieso muss diese immer überproportional von Deutschland kommen, ohne die Bedürfnisse der eigenen deutschen Bevölkerung ausreichend und angemessen zu beachten?
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Diese Hilfen haben sich zu einer dauernden Zahllast für Deutschland entwickelt. Wo bleiben die Rechte derer, die diese Leistung erbringen müssen? Wir haben eben gehört, dass das wichtig ist. So entsteht nämlich keine Verantwortung bei den Nehmerländern. Auch die Zahl derer – jetzt komme ich wieder zu unserem Lieblingsthema –, die seit 2015 ungebremst nach Deutschland einströmen, verursacht hohe Kosten für medizinische Leistungen.
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So kann es nicht weitergehen. Circa 30 Milliarden Euro pro Jahr für Flüchtlinge, und die Schuldenuhr – schauen Sie mal auf der Reinhardtstraße! – zeigt immer noch 2 Billionen Euro. Das sind 2 000 Milliarden Euro, und jede Milliarde hat 1 000 Millionen. Diese Summe können Sie sich mal vor Augen führen.
Wir haben in Deutschland 4,4 Millionen Kinder, die von Armut betroffen sind, und jeder fünfte Bürger ab 55 ist von Altersarmut betroffen. Das heißt: 6 Millionen, meine Damen und Herren.
Der Gipfel des Ausverkaufs deutscher Arbeitsleistung ist die geplante Unterschrift unter den Globalen Pakt für Migration zusammen mit der Aussage von Außenminister Maas, das wäre ein gelungener Interessenausgleich. So einen Blödsinn kann man sich gar nicht vorstellen.
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Meine Damen und Herren, hier soll legitimiert werden, was seit 2015 an Rechtsverstößen eingetreten ist. Das heißt: die unkontrollierte, ungesetzliche Zuwanderung.
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Das ist geradezu eine Verhöhnung der deutschen Bevölkerung, und dann noch mit der Feststellung, dass diese Zuwanderung die Quelle von Wohlstand und Innovation ist.
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Das ist doch ein Treppenwitz, was Sie hier erzählen, meine Damen und Herren.
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Diese Menschen kommen hierher, weil sie die Leistungen ihres Ziellands anstreben, und nicht, weil sie ihr Zielland bereichern wollen. Nicht die Bohne, meine Damen und Herren, nichts – von der Kultur, die sie mitbringen, ganz zu schweigen. Ich erinnere an die Folgen der überproportionalen Kriminalität.
Wer zahlt die Gesundheitskosten? Ich bleibe immer beim Thema, meine Damen und Herren.
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Vielmehr wird das Recht der Migranten betont, in die Sozialleistungen eingebunden zu werden. Jetzt entsteht etwas ganz Interessantes: Das ist genau das Gegenteil eines deutschen Bürgers, der grundsätzlich eine eindrucksvolle lebenslange Leistung vorweisen muss, um Sozialleistungen zu empfangen. Lebenslang, eindrucksvoll muss er arbeiten, damit er die Sozialleistungen bekommt. Für die anderen uninteressant: Die holen wir einfach mal so rein.
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Meine Damen und Herren, das Recht auf Migration ist geradezu die Aufforderung an Migranten, nichts mehr unternehmen zu müssen, um selbst etwas im eigenen Lande zu tun. Das machen Sie mit diesem Pakt. Sie wollen die Einwanderung vereinfachen. Auch dies steht diametral zur Notwendigkeit, die eigene Heimat aufzubauen und zu entwickeln.
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Was sollte in den Ländern passieren, wenn der Migrationspakt diese Menschen quasi von der Verpflichtung entbindet, Verantwortung für sich und ihre eigene Heimat zu übernehmen? Wo bleiben die Rechte derer, die von Migration betroffen sind?
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Mit diesem Pakt wird erst der Staat und werden dann die Familien zerstört. Das sage ich in aller Deutlichkeit.
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Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, wie sich das in allen Bereichen, auch im Bereich Gesundheit, widerspiegelt.
Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wenn Sie gleiche Standards schaffen wollen, die eine Zuwanderung nach Deutschland verhindern sollen, dann geht das eigentlich ganz einfach. Senken Sie den deutschen Standard der Sozialleistungen für Ausländer auf den derzeitigen internationalen Standard ab!
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Dann haben wir überall die gleichen Bedingungen, und es wird nicht mehr so viel Zuwanderung nach Deutschland geben, weil es sich dann nicht mehr lohnt. So einfach ist das.
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Es ist die Pflicht eines jeden Bürgers, sich zuerst selbst um Lösungen zu bemühen. Deutschland hat sich aus einer schier ausweglosen Situation 1945 quasi aus eigener Kraft herausgearbeitet. Das kann also grundsätzlich von jeder Gemeinschaft erst einmal erwartet werden. Auch wenn es nicht direkt hier hingehört: Punkt 17 des Paktes erwähnt, dass jegliche Kritik gegen das, was Sie anstreben, verboten ist. Das ist eine Meinungsdiktatur pur. Ich bin fassungslos, dass so etwas überhaupt legitimiert werden kann.
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Sie bewegen sich im Eiltempo in Richtung Totalitarismus; das sage ich in aller Deutlichkeit.
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Ich mache Ihnen noch einen Vorschlag. Der Bürgermeister von Inzago östlich von Mailand in Italien hat die vielen Befürworter der Migration in das Bürgermeisteramt eingeladen und hat ihnen ein Formular vorgelegt.
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Sie sollten unterschreiben, dass sie alle Migranten aufnehmen – er hat sogar die Wohnungen genannt, in denen es noch freie Zimmer gab – und dass sie die Kosten übernehmen. Flugs waren alle verschwunden. Keiner wollte das Formular unterschreiben. So hat er das Problem gelöst. Vielleicht nehmen Sie sich ein Beispiel daran und übernehmen das. Dann hätten wir alle es etwas leichter und brauchten nicht mehr zu diskutieren.
Vielen Dank.
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Sonja Steffen, SPD, ist die nächste Rednerin.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Herr Spangenberg, zu Ihrer Rede fällt mir ein Satz von meinem Kollegen Alois Karl ein, den er gestern zu einem anderen Kollegen gesagt hat, und traurigerweise passt dieser Satz auf fast alle Ihre Reden: Den ersten Teil Ihrer Rede habe ich vergessen, den zweiten nicht verstanden, und im dritten Teil habe ich das Ende herbeigesehnt.
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Zurück zum Thema. Zunächst einmal möchte ich mich bei allen Berichterstatterinnen und Berichterstattern, beim Ministerium, bei den Kolleginnen und Kollegen aus den Fachausschüssen, aber vor allem bei Ihnen, Herr Minister, und beim Haus für die wirklich gute Zusammenarbeit sehr herzlich bedanken. Man stellt doch fest, dass wir mit Minister Spahn einen ehemaligen Haushälter im Ministerium haben. Das erleichtert die Zusammenarbeit sehr. Ich möchte an dieser Stelle übrigens gerne Ihren Staatssekretär Herrn Stroppe begrüßen; er ist heute, glaube ich, nicht da. Richten Sie ihm meine herzlichsten Grüße aus.
Der Etat des Gesundheitsministeriums umfasst im kommenden Jahr rund 15,3 Milliarden Euro. Das ist viel. Aber davon geht ein Großteil direkt in den Gesundheitsfonds, und zwar insgesamt 14,5 Milliarden Euro. Es verbleibt also nur ein Betrag von rund 800 Millionen Euro, der der parlamentarischen Budgetierung unterliegt. Wir haben im Verfahren selbst zunächst einen Aufwuchs von 63 Millionen Euro erhalten. In der Bereinigungssitzung konnten wir weitere 32 Millionen Euro herausverhandeln, um wichtige Projekte zu fördern. Ich habe bereits gestern in meiner Rede zum Einzelplan 23, zur Entwicklungszusammenarbeit, darauf hingewiesen. Ich bin übrigens den Kollegen Lauterbach und Klein außerordentlich dankbar für die Worte, die sie gefunden haben in Bezug auf die globale Gesundheit; denn Krankheiten machen an Grenzen nicht halt. Aber es ist in erster Linie unsere humanitäre Pflicht, dass wir den Kampf gegen Krankheiten global angehen.
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Ich freue mich daher sehr, dass wir gerade auch in der Bereinigungssitzung noch einmal für den internationalen Bereich in diesem Etat tätig werden konnten. Der Beitrag für das UNAIDS-Programm wird zum Beispiel um weitere 5 Millionen Euro erhöht. In diesem Sinne ist es völlig logisch, darauf zu achten, dass die Ausbildung und das Wissen global eingesetzt werden können. Deshalb freue ich mich sehr über den Aufbau von Pflegeschulen im Ausland; denn auch da leisten wir einen Beitrag, um die Gesundheitssituation global zu verbessern.
Herr Spahn, ich freue mich über Ihre gute Arbeit an dieser Stelle. Ich finde, das passt gar nicht zu Ihrer fragwürdigen Einstellung in Bezug auf den Migrationspakt der Vereinten Nationen.
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Aber ich hoffe, dass spätestens die Rede der Kanzlerin Sie da zum Umdenken bewegt hat.
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Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zum Thema „HIV und Aids“ sagen. Nach Ihrer schäbigen Hetzrede, Frau Malsack-Winkemann – anders kann man sie wirklich nicht bezeichnen –, will ich diesem Thema wieder die notwendige Seriosität geben.
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– Ja, ich. Und jetzt hören Sie bitte gut zu!
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Eines hat sich jedenfalls mit Ihrer Rede wieder gezeigt: Im Kampf gegen Aids haben wir auch national noch einiges zu tun. Es ist so, dass wir laut Schätzung des Robert-Koch-Instituts in Deutschland im Moment noch 12 700 Aids-Erkrankte bzw. HIV-Infizierte haben, die damit leben, ohne es zu wissen. Bei einer zu späten Diagnose – wir wissen das – steigt die Sterblichkeit leider immens, und das muss nicht sein. Ein positiver HIV-Test ist heutzutage kein Todesurteil mehr, wenn rechtzeitig, wenn früh mit der notwendigen Medikamentierung angefangen wird. Unser Ziel muss es also sein, dass kein Infizierter mehr an Aids erkrankt. Leider haben wir hier noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten.
Was mich besonders irritiert, sind die Berichte der Deutschen AIDS-Hilfe über Diskriminierungen im Alltag, mit denen viele HIV-positive Menschen nach wie vor konfrontiert sind. Ihre Rede, Frau Malsack-Winkemann, war leider ein ganz mieses Beispiel für diese Diskriminierung.
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Ich habe die Deutsche AIDS-Hilfe bereits erwähnt – ein ganz wichtiger Akteur in diesem Zusammenhang, schon seit 1983 aktiv. Die Deutsche AIDS-Hilfe wird aus dem Etat des Gesundheitsministeriums unterstützt. Die letzte Aufstockung der Mittel gab es im Jahr 2008. Es wird also höchste Zeit, dass wir hier eine weitere Aufstockung vornehmen. Deshalb freut es uns Sozialdemokraten ganz besonders, dass wir dies in diesem Etat tun können.
Ja, als letztes Beispiel für die vielen dann doch bedeutenden Kleinigkeiten: Ich sehe gerade den Kollegen Dirk Heidenblut. Er hat uns darauf hingewiesen: Bislang ist es so, dass die Drogenhotline nicht kostenfrei ist – im Gegensatz zur Raucherhotline. Auch hierfür können wir im Haushalt Mittel zur Verfügung stellen, sodass auch die Drogenhotline kostenfrei wird. Ich denke, das ist zwar nur ein kleines Detail, aber wenn es auch nur zu einem Drogentoten weniger führt, dann haben wir hier schon viel erreicht.
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Alles in allem haben wir also einen guten Haushalt 2019, und ich freue mich auf die kommenden Beratungen, insbesondere auf die Aufgaben, die wir in diesem Bereich vor uns haben und die mein Kollege Karl Lauterbach schon alle genannt hat.
Vielen Dank.
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Christine Aschenberg-Dugnus, FDP, ist die nächste Rednerin.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister Jens Spahn, in den letzten Wochen haben Sie sich über die FDP-Fraktion beschwert, wir würden Sie zu wenig für Ihre Gesetze loben.
({0})
Dazu muss ich Ihnen aber sagen: Als Opposition sind wir nicht dazu da, den Herrn Minister zu loben, meine Damen und Herren;
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unsere Aufgabe als Opposition ist es, den Finger in die Wunde zu legen, aufzuzeigen, wo es hakt.
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Nur durch konstruktive Oppositionsarbeit, die wir hier leisten, kann das Gesundheitssystem für alle Patientinnen und Patienten, für alle Menschen verbessert werden.
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Deshalb ist es geradezu unsere Pflicht, aufzuzeigen, wo wir Verbesserungen sehen und wo wir mehr Tempo haben wollen.
Apropos mehr Tempo und Verbesserungen: Ja, das wollen wir ganz besonders im Bereich der Digitalisierung erreichen. Meine Damen und Herren, wenn wir privat oder geschäftlich/beruflich kommunizieren, dann sind E‑Mails oder Messengernachrichten für uns das Mittel der Wahl – ganz normal. Aber ganz anders sieht es im Gesundheitswesen aus. Was wurde mit dem E‑Health-Gesetz von 2016 erreicht? Der elektronische Entlassbrief – na, herzlichen Dank. Uns reicht das nicht aus. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie es derzeit um die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen bestellt ist. Ich möchte fast sagen: Wir befinden uns in Deutschland in der digitalen Steinzeit, während um uns herum in Europa digitale Hochkulturen aufgebaut werden. Das müssen wir ändern, meine Damen und Herren.
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Sehr geehrter Herr Minister Spahn, Digitalisierung, Telemedizin, Big Data, künstliche Intelligenz – das alles sind Themen, die wir endlich umfassend angehen müssen. Da reicht es nicht aus, etwas nur zu wollen. Man muss eine Gesamtstrategie haben, und die fehlt uns bei Ihnen.
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Kleine Trippelschritte verhindern doch geradezu eine Gesamtstrategie, und das ist das, was wir Ihnen vorwerfen.
Sie haben in Ihrem Ministerium und auch im Haushaltsplan Stellen für die Digitalisierung geschaffen. Wir warten jetzt alle mit großer Spannung auf das angekündigte E‑Health-Gesetz II. Also gehen Sie das Problem bitte endlich an!
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Denn Digitalisierung ist ja kein Wert an sich, sondern ist ein Mittel, um die Versorgung der Menschen zu verbessern: durch Vernetzung, insbesondere intersektorale Vernetzung, durch Nachhaltigkeit und vor allem durch Zeitersparnis. Diese ersparte Zeit soll dann den Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen; das ist doch das Ziel bei der ganzen Sache.
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Und, meine Damen und Herren, es gibt ja auch unglaubliche Entwicklungen in diesem Bereich. Es gibt Augenuntersuchungen über eine Smartphonekamera. Es gibt intelligente Pillendosen, die die Medikamenteneinnahme überwachen und steuern. Es gibt eine „Sonografie to go“, und Robotik ist aus dem OP-Saal überhaupt nicht mehr wegzudenken. Das alles ist nur ein Bruchteil von dem, was möglich ist. Aber wir müssen es dann auch möglich machen, Herr Minister, und die Gesetze anpassen. Im Moment überholt uns die Zukunft.
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Digitalisierung heißt auch bessere Vernetzung. Ärzte und Patienten haben das längst erkannt. In Schleswig-Holstein gibt es niedergelassene Diabetologen, die mit ihren Patienten über eine App kommunizieren. Alle sind zufrieden; Arzt und Patient sind in ständigem Austausch. Das hilft den Patienten, meine Damen und Herren.
Und: Digitalisierung bedeutet auch Entbürokratisierung – für uns Freie Demokraten ein großes Thema. Es wird weniger Papier beschriftet, und die Beteiligten können schneller agieren.
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Ja, Sie haben schon einiges auf den Weg gebracht; Stichwort: Patientenakte, E‑Rezept. Aber das reicht uns eben nicht aus, Herr Minister. Wir brauchen eine umfassende Strategie. Vor allem hoffen wir, dass Sie im kommenden E‑Health-Gesetz kein Datenchaos produzieren oder weitere Bürokratie schaffen, wie es bei Ihren Gesetzen ja üblich ist. Ich sage als Stichwort nur TSVG.
Ein weiterer Punkt: Die Digitalisierung hilft auch der Forschung und der Wissensgenerierung, Stichwort: Big Data. Aus mehrfach anonymisierten Daten können so neue Erkenntnisse für andere Erkrankte gewonnen werden. Aber ohne Standards und ohne Interoperabilität funktioniert das eben nicht, Herr Minister.
Da wir gerade beim Haushalt sind: Digitalisierung bietet auch finanzielle Chancen. Nach einem Gutachten können bis zu 34 Milliarden Euro jährlich eingespart werden.
Also fangen Sie endlich damit an, die technischen Standards zu definieren, Herr Spahn, und zwar nicht auf Basis des § 291a SGB V, sondern so, dass auch Dynamik entstehen kann, dass die Gesetze nicht immer den Neuerungen hinterherrennen, sondern durch die Gesetze auch Neuerungen ermöglicht werden können. Und fangen Sie endlich damit an, die Interoperabilität herzustellen, damit wir in Deutschland nicht weiter den Neuerungen hinterherhinken.
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Wo ist also Ihre umfassende Digitalisierungsstrategie, Herr Spahn? Darauf warten wir schon lange. Aber wir sind gerne – ich sage das immer wieder – als konstruktive Opposition bereit, Sie dabei zu begleiten und auch wichtige Impulse zu geben. Als applaudierende Claqueure allerdings stehen wir nicht zur Verfügung.
Vielen Dank.
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Pia Zimmermann, Fraktion Die Linke, ist die nächste Rednerin.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehr Personal in den Pflegeheimen, die Förderung pflegender Angehöriger, mehr Digitalisierung am Pflegebett – die Bundesregierung hat in den vergangenen Monaten nicht gegeizt mit Ankündigungen und Versprechungen im Bereich Gesundheit und Pflege. Aber: Versprechen sind schnell gemacht, wenn andere sie bezahlen müssen.
Doch schauen wir zunächst mal auf die Stellen, für die im Haushalt gar kein Geld eingeplant ist.
Sie haben kein Geld eingeplant, um die Reform der Pflegeberufe einzuleiten, obwohl das ja eine der größten Reformen Ihres Hauses gewesen ist. Sie haben kein Geld eingeplant für die Fachschulen. Die müssen die generalisierte Ausbildung finanzieren, die müssen neue Stundenpläne entwickeln. Die Lehrkräfte, wie gesagt, müssen sich fortbilden, Unterrichtsmaterial muss neu erstellt, neu entwickelt werden. Aber dafür sind null Euro eingestellt, obwohl Experten eine Anschubfinanzierung von 400 Millionen Euro erwarten.
Sie haben kein Geld eingeplant, um pflegende Angehörige sozial besser abzusichern. Das läuft über die Pflegeversicherung.
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Sie haben kein Geld eingeplant, um die Digitalisierung in der ambulanten und stationären Altenpflege voranzutreiben. Auch das läuft über die Pflegeversicherung. Bezahlen sollen doch die anderen. – So geht das nicht, meine Damen und Herren.
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Mit den Kosten für die neue Ausbildung wird auch die Pflegeversicherung belastet, obwohl die Umstellung – das wissen wir doch alle – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Indirekt werden die Menschen mit Pflegebedarf wieder zur Kasse gebeten – zusätzlich, Monat für Monat durch steigende Ausbildungszulagen. Denn die Pflegeeinrichtungen müssen ein Drittel der Kosten für die Ausbildungsfonds übernehmen, die dann wiederum von den Menschen mit Pflegebedarf eingefordert werden.
Warum schaffen Sie es eigentlich nicht, Herr Spahn, Ihren so großen Worten auch große Taten folgen zu lassen?
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Nein, Sie sorgen dafür, dass die Pflegeversicherung mehr und mehr versicherungsfremde Leistungen übernehmen muss.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung schafft es mal wieder, Menschen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen doppelt zu schröpfen: zum einen, weil mehr Leistung von der Pflegeversicherung abgedeckt werden muss, zum anderen, weil sie durch das Teilleistungsprinzip auch noch Monat für Monat Zuzahlungen leisten müssen – und die werden immer höher und höher. Das darf so nicht weitergehen, meine Damen und Herren. Denn gute Pflege für alle ist ein Menschenrecht, und Pflege darf natürlich auch nicht arm machen.
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Was wir brauchen, ist eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung, in die ausnahmslos alle entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten einzahlen. Wir brauchen eine Pflegeversicherung, die alle pflegerelevanten Kosten übernimmt.
Was wir ebenfalls brauchen, ist eine Bundesregierung, die den gesellschaftlichen Auftrag annimmt, die gesamtgesellschaftlichen Kosten des Gesundheitssystems selber zu tragen. Wir brauchen eine Bundesregierung, die den Pflegenotstand und den Investitionsstau in den Krankenhäusern nicht nur in Sonntagsreden zum Thema macht, sondern dies wirklich auch entschlossen bekämpft.
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Und wir brauchen eine Bundesregierung, die die Probleme sieht und anpackt.
Es gibt ja noch mehr Leerstellen in Ihrem Haushaltsentwurf, zum Beispiel die Kosten für Investitionen in Krankenhäuser. Ja, es stimmt, das sollten die Bundesländer bezahlen. Aber wir wissen doch auch, dass sie das nicht tun, weil sie es nicht tun können oder wollen.
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Nur: Davor können wir doch nicht die Augen verschließen.
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Die Kliniken nehmen sich das Geld aus den laufenden Mitteln – zulasten des Personals, zulasten der Pflege und zulasten der Versorgungsqualität. Ein Zuschuss aus Bundesmitteln würde diesen Investitionsstau langfristig endlich auflösen. Hier ist schnelles Handeln angesagt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Bundesregierung, gute Pflege kostet Geld. Fangen Sie endlich an, es an den richtigen Stellen auszugeben.
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Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemessen an all dem Geld, das in unserem Gesundheitswesen ist – wir haben die Summen gehört –, könnte es viel besser sein; das muss uns Ansporn sein. Über-, Unter- und Fehlversorgung sind leider immer noch an der Tagesordnung. Arme Menschen sterben in unserem reichen Land eher als wohlhabende, und sie haben gleichzeitig einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung; das ist beschämend.
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Nicht nur auf dem Land fehlen Haus- und Kinderärzte. All das muss sich ändern. Gibt es denn Lösungen in diesem Haushalt? Gibt es echte Strukturreformen? Nein, Fehlanzeige, die brauchen wir aber; denn Strukturen sind in unserem Gesundheitswesen das A und O.
Beispiel Organspende: Wie schafft es denn der Organspendeweltmeister Spanien, so viel besser zu sein, so viel mehr Menschen zu helfen als wir? Wir waren neulich mit fünf Abgeordneten des Gesundheitsausschusses vor Ort und haben gefragt: Was ist denn Ihr Erfolgsrezept? Die Antwort lautete: Organisation, ganz klare, transparente Strukturen. Die Spanierinnen und Spanier setzen dabei im Übrigen komplett auf Freiwilligkeit.
({1})
Politik kann und Politik muss für gute Strukturen sorgen.
Beispiel Notfallversorgung: Landauf, landab platzen die Notaufnahmen aus allen Nähten; das muss sich ändern. Die Menschen sitzen nicht aus Jux und Tollerei in den Notaufnahmen; sie sitzen da, weil sie in Not sind und nicht wissen, wo sie sich sonst hinwenden sollen. Die strikte Trennung zwischen ambulanten und stationären Angeboten schadet auch da, wie übrigens überall im Gesundheitswesen, der Versorgung.
({2})
Das ließe sich ändern.
Herr Minister Spahn, ich frage mich, warum Sie nicht mutiger sind und die verkrusteten Strukturen im Gesundheitswesen wirklich und ernsthaft adressieren. Ich finde, dass Sie sowohl die Patientinnen und Patienten als auch insbesondere die nichtärztlichen Berufsgruppen zu wenig im Blick haben.
({3})
Das sage ich ausdrücklich als Ärztin. Eine gute Gesundheitsversorgung entscheidet sich gerade daran, wie die verschiedenen Berufsgruppen zusammenarbeiten.
Schauen wir auf die Geburtshilfe: Die Arbeitsbedingungen in den Kreißsälen müssen besser werden;
({4})
denn – das ist doch klar – auf den Anfang kommt es an. Endlich hat die Regierung eingesehen, dass wir mit der Akademisierung der Hebammen vorankommen müssen. In spätestens einem Jahr müssen nach EU-Verordnung übrigens entsprechende Maßnahmen vorliegen; Ihr Ministerium, Herr Minister, ist dafür verantwortlich.
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Wo sind denn die Konzepte? Legen Sie endlich etwas vor.
Nun haben Sie von der Koalition all unsere grünen Haushaltsanträge im Bereich Gesundheit abgelehnt. Jetzt könnte man sagen: Okay, das gehört zu den parlamentarischen Gepflogenheiten. – Es ändert aber nichts daran: Sie werden die skizzierten Probleme angehen müssen.
Last, but not least zu Ihrer Cannabispolitik: Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Prohibition ist gescheitert.
({6})
Ihre Verbotspolitik erschwert, verhindert geradezu den Gesundheits- und Jugendschutz. Auch diesen Haushaltsantrag von uns haben Sie – sozusagen naturgemäß – abgelehnt. Dabei spricht sich ja inzwischen auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, immerhin CDU, für Modellprojekte aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wir Grünen fordern Sie auf: Geben Sie endlich Butter bei die Fische.
Vielen Dank.
({7})
Jetzt hat das Wort Dr. Georg Nüßlein, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Gesundheitspolitik war über viele, viele Jahre Kostendämpfungspolitik. Die Große Koalition der letzten und auch dieser Legislatur hatte und hat die einmalige Situation, dass wir eben keine Leistungskürzungen vornehmen müssen. Im Gegenteil: Wir können uns Gedanken darüber machen, was wir beispielsweise an der Qualität verbessern müssen. Die Opposition hat recht: Da gibt es immer wieder etwas zu tun. Wir haben im Bereich der Pflege etwas Außerordentliches geleistet, nämlich eine umfassende Reform.
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– Frau Kollegin, schauen Sie mal: Natürlich ist es das Privileg der Opposition, zu kritisieren. Wenn man nicht mitgestalten darf oder, wie die FDP, nicht will, dann darf man auch nörgeln. Das verstehe ich alles.
Aber es geht doch hier um etwas ganz anderes. Wir wollen momentan Menschen dazu motivieren, sich in diesem Bereich als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstärkt zu engagieren. Deshalb ist es wichtig, dass die Opposition aufhört, unsere umfassenden Reformen – und das sind sie unstrittig – ständig kleinzumachen und zu kritisieren. Das ist der falsche Ansatz.
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Ihnen muss auch daran liegen, meine Damen und Herren, dass man sieht, wie viel wir getan haben – sowohl für die, die pflegebedürftig sind, als auch für die, die pflegen, und zwar sowohl für die Familienangehörigen als auch für die Profipflegerinnen und Profipfleger. Das wurde heute in dieser Debatte schon umfassend dargestellt. Ich möchte es an dieser Stelle ganz deutlich unterstreichen.
Ich würde mir wünschen, dass Sie ein bisschen mehr würdigen, was wir hier vorangebracht haben. Dann sind wir auch gerne bereit, mit Ihnen darüber zu reden, was wir beispielsweise im Bereich der Kurzzeitpflege im nächsten Jahr noch tun wollen.
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Das Gleiche gilt für die Finanzierung. Es ist doch vollständig unstrittig, meine Damen und Herren, dass das alles Geld kostet. Wenn Sie, Frau Klein-Schmeink, hier auf der einen Seite in einer Zwischenfrage darüber lamentieren, was das kostet, auf der anderen Seite aber in Ihrer Rede gleichzeitig die Vollkaskoversicherung fordern, dann frage ich mich: Wie passt das zusammen?
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Um auf Ihre Frage noch einmal einzugehen: Natürlich ist der Finanzminister aufgerufen, die Defizite auszugleichen; denn die Finanzierung von Arbeitslosengeld II ist eben definitiv nicht Aufgabe der Versichertengemeinschaft.
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Nun sehen Sie, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte steigt. Das liegt nicht an unseren Leistungsausweitungen, sondern daran, dass von 2013 bis 2017 die Zahl der pflegebedürftigen Menschen um rund 700 000 gestiegen ist. Das sind 12 Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten. Alle diese Dinge muss man finanzieren.
Sie haben vorhin von Ideenlosigkeit gesprochen. Jetzt sage ich Ihnen eines: Es gab vor ein paar Tagen interessierte Kreise, die das laute Nachdenken von Gesundheitsminister Spahn, Kinderlose in der Sozialversicherung anders zu berücksichtigen, kritisiert haben. Er denkt öfter laut nach. Ich will aber einmal darauf hinweisen: Bei der Pflegeversicherung differenzieren wir bereits zwischen Kinderlosen und Menschen, die Kinder haben.
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Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung liegt für Kinderlose um 0,25 Prozentpunkte höher. Es ist zunächst einmal legitim, auch über einen solchen Ansatz zu diskutieren – das sage ich ganz offen –, und zwar nicht deshalb, weil man Kinderlose diskriminieren will, sondern weil derjenige, der, so wie ich beispielsweise, keine Kinder hat, andere Möglichkeiten hat, in dieses System einzuzahlen, während der andere seine Kinder finanzieren muss.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie deutlicher unterstreichen, dass der Schritt zur vollparitätischen Finanzierung des Kassenbeitrags ein richtiger und ein guter Schritt war und dass unser Bemühen, die Beiträge angesichts der hohen Rücklagen der Krankenkassen zu senken, sinnvoll ist.
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Ich möchte an dieser Stelle unterstreichen: Das geht alles nur, solange die Wirtschaft so läuft, wie sie momentan läuft.
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Das steht nicht im Grundgesetz. Ich sage es nur vorsichtshalber, weil ich spüre, dass es manchen gar nicht mehr geläufig ist, dass es auch andere Konjunkturlagen geben kann. Deshalb halte ich es für vollständig richtig und wichtig, dass du, lieber Jens Spahn, das Thema „Lohnnebenkosten“ in deiner Rede angesprochen hast.
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– Ich habe Ihnen vorhin gesagt: Legen Sie doch mal ein Konzept für das Thema „Vollkaskoversicherung“ vor.
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Sie werden sich wundern, wie schwierig das zu finanzieren ist – aus meiner Sicht nämlich überhaupt nicht. Wir gucken uns dann an, wie Sie sich vorstellen, das zu finanzieren.
Es macht aus meiner Sicht Sinn, sich sehr stark um das Thema „ländliche Räume“ zu kümmern. Das wird eine zentrale Aufgabe dieser Legislatur sein. Ich habe mich gefreut, dass viele das Thema „Telemedizin und Digitalisierung“ angesprochen haben. Ich meine, dass auf diese Weise ärztliche und medizinische Fachkompetenz in ländliche Räume gebracht werden kann.
Wir werden das Thema „Versorgung“ insgesamt neu denken müssen. Ich bin der Überzeugung, dass das Krankenhaus der Zukunft im ländlichen Raum nicht über die Bettenzahl definiert wird. Vielmehr müssen wir uns überlegen, wie man den ambulanten und den stationären Bereich sinnvoll verzahnt, meine Damen und Herren. Darauf kommt es an.
Wir werden uns natürlich auch Gedanken machen, beispielsweise im Rahmen des Themas „Masterplan Medizinstudium 2020“, wie man letztendlich mehr Landärzte motiviert, in strukturschwachen Räumen ihren Dienst anzutreten. Das ist etwas, was mich umtreibt, meine Damen und Herren. Ich glaube, auch da sind wir auf dem Weg, eine Politik zu machen, die am Schluss den Menschen hilft. Das ist unser Anliegen; denn bei uns steht in der Gesundheitspolitik im Unterschied zur AfD der Patient im Mittelpunkt.
Vielen herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Für die Fraktion der SPD hat das Wort die Kollegin Bärbel Bas.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Gesundheitspolitikerin kann ich sagen, dass wir die vergangenen acht Monate wirklich sehr gut genutzt haben. Ich freue mich immer wieder, dass die Union uns dankbar ist, dass wir die Parität durchgesetzt haben.
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Denn damit haben wir in der Tat viele Haushalte finanziell entlasten können, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner. Insofern finde ich es sehr gut, dass wir Sie da überzeugt haben. Ich bin auch dankbar, dass Sie uns dafür loben.
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– Das hat Sie überzeugt. Finde ich super!
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Der Bereich Pflege ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Natürlich dürfen wir bei dem, was wir bisher beschlossen haben, nicht stehen bleiben. Aber was Sie, Frau Zimmermann, unterstellt bzw. gesagt haben, ist nun einmal nicht richtig. Die Gesetze, die wir jetzt gemacht haben, belasten keine Angehörigen oder Pflegebedürftigen zusätzlich.
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Wir haben ja gerade die 13 000 Stellen im Bereich der medizinischen Behandlungspflege herausgerechnet. Deshalb ist es eine Unterstellung, zu sagen, dass die Gesetze, die wir jetzt gemacht haben, dazu führen würden, dass die Angehörigen oder die Pflegebedürftigen stärker belastet werden. Das ist einfach falsch.
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Ich muss bedauerlicherweise doch noch einmal auf die AfD-Fraktion eingehen, damit wenigstens bei denen, die zuhören, Klarheit herrscht. Frau Malsack-Winkemann hat das Thema HIV angesprochen.
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– Ja, ich komme zu den Daten. – Sie hat unterstellt, dass die Behandlung pro Fall circa 500 000 Euro kostet. Jetzt kenne ich zum Beispiel eine Studie der Universität Duisburg-Essen, die besagt, dass die Kosten pro Jahr nur 19 103 Euro betragen. Irgendetwas passt da also nicht. Ich weiß nicht, ob Sie sich die Fakten gerne selber zurechtlegen. Die Zahlen sind jedenfalls andere; denn eine HIV-Infektion verursacht in erster Linie noch gar keine Kosten, um das auch einmal klarzumachen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Malsack-Winkemann?
Erst mache ich den Punkt zu Ende. Danach kann sie gerne fragen. Denn ich war mit den Ausführungen zu dem, was sie gesagt hat, noch nicht fertig. Dann kann sie gleich fragen.
Die Zahlen sind eindeutig. Eine Infektion verursacht erst einmal keine Kosten, sondern erst eine Erkrankung, die dann möglicherweise folgt, an Aids. Aber die Kosten sind nicht so hoch, wie Sie unterstellen. Dazu gibt es auch Studien. Diese würde ich jetzt einmal zitieren, und dann können wir uns am Ende gerne darüber streiten.
Ein Punkt ist: Die Gesamtausgaben der GKV für den Bereich HIV/Aids betragen 1,5 Milliarden Euro. Das sind, um das einmal einzuordnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, 0,7 Prozent des Gesamthaushaltes. Das Problem Diabetes verursacht 35 Milliarden Euro an Kosten. Jetzt frage ich mich: Wo waren eigentlich Ihre Vorschläge, um das Gespräch einmal auf das Thema Diabetes, die Volkskrankheiten, die wir haben, zu bringen?
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Darum kümmern Sie sich nämlich gar nicht. Das interessiert Sie auch nicht.
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Sie interessieren bestimmte Randthemen, die Sie zu einem Wahnsinnsthema hochstilisieren. Die Menschen glauben es hoffentlich nicht, weil die Fakten andere sind. Ich hätte mir neben Ihren Zahlen, die Sie hier permanent referieren, einmal gewünscht, dass Sie sagen, wie Sie denn die Gesundheitsprobleme lösen wollen.
Ich sage einmal: Diabetes – das wird der Kollege Monstadt sicherlich gleich noch einmal ansprechen – ist eine Volkskrankheit, mit der man sich in Ihrer Fraktion einmal auseinandersetzen sollte.
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Lassen Sie die Frage jetzt zu?
Jetzt darf sie mich gerne dazu befragen.
Jetzt dürfen Sie die Frage stellen, Frau Kollegin. Bitte schön.
Mich würde interessieren, wo Sie Ihre Zahlen herhaben.
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Ich habe meine Zahlen aus Auskünften des Gesundheitsministeriums von 2018. Darin ist die Zahl pro Patient für Aids, also HIV, mit 500 000 Euro angegeben worden – vom Gesundheitsministerium selbst. Sie können das entsprechend nachlesen in Zahlen aus dem Jahr 2018. Dort ist es genau so geschrieben worden.
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– Ich habe den Gesamtbetrag genannt. Der ist dort nachzulesen. Sie können es gerne tun. Von daher würde mich Ihre Studie interessieren, woher Sie die anderen Zahlen haben.
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Ich habe den Lebensbetrag gehabt, und dieser Lebensbetrag sind diese 500 000 Euro.
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Insofern sind die Zahlen auch nicht vergleichbar, da Sie den Jahresbetrag genannt haben. Insoweit vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. Oder sehen Sie das anders?
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Frau Kollegin Bas, wollen Sie das beantworten?
Ich vergleiche nicht Äpfel mit Birnen, sondern eine Studie der Universität Essen-Duisburg stellt fest, dass pro Kopf, pro Patient, pro Jahr Kosten in Höhe von 19 000 Euro entstehen.
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– Sie haben von HIV-Kosten gesprochen. Sie haben jetzt gerade selber klargestellt, was ich übrigens gut finde, dass es um die Gesamtkosten geht. Sie haben aber in Ihrem Beitrag über HIV-Infektionen gesprochen, die irgendwelche Flüchtlinge mitbringen. Insofern haben Sie das vermengt. Ich habe gesagt: Es ist schon ein Unterschied, ob ich über HIV oder Aidserkrankung insgesamt spreche. Ich habe trotzdem – dabei bleibe ich – von Ihnen keinen Vorschlag gehört, wie Sie den Menschen, die mit HIV infiziert oder an Aids erkrankt sind, helfen wollen. Wir haben im Haushalt eingestellt, dass wir sowohl die Prävention als auch die Behandlung stärken, damit wir die Menschen nicht diskriminieren, so wie Sie das tun, sondern ihnen helfen. Das ist der entscheidende Unterschied.
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Ich will meine letzten zwei Minuten Redezeit dazu nutzen, um auf ein bzw. zwei Punkte bezüglich der Pflege zu kommen. Die SPD-Fraktion wirbt sehr deutlich dafür, dass wir, wie wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, Teilbereiche der Pflege verbessern. Aber ein entscheidender Teilbereich fehlt mir, nämlich dass wir insbesondere in der Altenpflege viel stärker zu Tariflöhnen kommen. Das ist hier auch schon angesprochen worden. Das sage ich jetzt einmal in Richtung FDP. Es tut mir leid, dass ich das sagen muss.
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– Ja, das finde ich auch nett. – Frau Aschenberg-Dugnus sagte ja, sie sei kein Claqueur. Deswegen will ich sie darin jetzt auch bestärken. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie einmal Einfluss nehmen auf Ihren Parteikollegen Rainer Brüderle, damit wir in diesem Land Tariflöhne umsetzen können, damit er sich also nicht weiter dagegen sperrt, dass wir in der Altenpflege zu Tariflöhnen kommen. Das wäre wichtig. Er ist ja Präsident des Arbeitgeberverbandes für die private Pflegewirtschaft. Er sperrt und blockiert die Diskussion darüber, wie wir – der Minister hat es ja angesprochen – flächendeckend zu Tariflöhnen kommen. Ich würde Sie bitten, das mitzunehmen. Sie brauchen uns dann auch nicht zu applaudieren. Wenn Sie Taten folgen lassen, fände ich das schon super.
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Ein zweiter wichtiger Punkt ist für mich, dass die SPD-Fraktion sehr stark darauf schauen wird, dass die ambulante Pflege, die Pflege zu Hause, nicht untergeht – wir haben ja im Koalitionsvertrag vereinbart, die Angehörigen zu stärken – und wie wir die Finanzierung bei den ambulanten Pflegediensten sicherstellen. Dabei werden auch die Wegezeiten ein Thema sein. All das haben wir schon angesprochen. Die SPD-Fraktion guckt da auch immer zehn, zwanzig Jahre weiter. Von daher bin ich dem Minister dankbar, dass er dieses Thema selber angesprochen hat.
In der Tat müssen wir auch über das Thema Bürgerversicherung noch einmal reden, ob Ihnen das gefällt oder nicht. Wir müssen die Systemfrage noch einmal diskutieren.
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Wenn es darum geht, dass wir dieses System langfristig anders finanzieren wollen, es auf breitere Beine stellen wollen, es sicher machen wollen, dann müssen wir noch einmal darüber reden. Das gilt übrigens auch für die Pflege. Ich kann mir vorstellen, zumindest mit Ihnen darüber zu diskutieren, wie man von einer Teilkasko- hin zu einer Vollkaskopflege kommt. Ich bin da sehr auf Ihre Vorschläge gespannt. Die SPD-Fraktion ist dazu bereit, noch einmal über eine Bürgerversicherung und eine Vollversicherung in der Pflege zu reden. Wenn wir darüber in die Diskussion kommen, wäre ich sehr dankbar.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner ist der Kollege Dietrich Monstadt, CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Spahn! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! An einem Tag wie heute, an dem unsere Bundeskanzlerin auf 13 Jahre erfolgreiche Arbeit zurückblickt,
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darf man, nein, muss man, wenn man diese Debatte verfolgt, unsere Kanzlerin zitieren, die gestern an dieser Stelle sagte – ich zitiere –:
Das Schöne an freiheitlichen Debatten ist, dass jeder über das spricht, was er für das Land für wichtig hält.
Und Frau Bas, ich finde es gut – auch das ist wichtig –, dass die SPD darüber spricht, welche Erfolge sie in der Vergangenheit hatte, damit sie auch mit diesen guten Politikansätzen aus dem Umfragetief, das sie derzeit hat, herauskommt. Das wäre auch uns wichtig.
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Für mich, meine Damen und Herren, sind die großen Volkserkrankungen Adipositas und Diabetes mellitus und deren Auswirkungen wichtig. Halb Deutschland ist zu dick. Daran ist besonders dramatisch, dass das zunehmend auch auf Kinder und Jugendliche zutrifft. Ich bin unserem Gesundheitsminister daher außerordentlich dankbar, dass wir dieses Thema im aktuellen Haushaltsentwurf angehen und – ja, Frau Klein-Schmeink – in Ihrem Sinne mutig angehen, mit Blick in die Zukunft. Wir stellen 3 Millionen Euro zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Kindern und Jugendlichen zur Verfügung. Wir wollen, dass schon Kinder und Jugendliche lernen, was ein gesundes, was ein gesundheitsbewusstes Leben bedeutet.
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– Ja. ich denke, das ist doch einen Beifall wert.
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Meine Damen und Herren, damit stoßen wir auch die Umsetzung eines wichtigen Vorhabens aus dem Koalitionsvertrag an: die Entwicklung einer nationalen Strategie zum Schutz vor Übergewicht, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Meine Damen und Herren, in vielen Familien wird heute nicht mehr gekocht. Familien, die nicht mehr kochen können, wissen nicht, was gesunde Lebensmittel bedeuten. In diesen Familien können Kinder und Jugendliche nicht lernen, was gesundes Essen ist, wie gesundes Essen schmeckt.
Die Familien, die selbst kochen und eventuell ein Kochbuch zurate ziehen, sind häufig auch nicht besser dran. Die Portionen in Kochbüchern werden heute deutlich größer bemessen als in Kochbüchern des Jahres 1955. Die Folge: 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen sind heute übergewichtig oder gar adipös. Das führt bei Erwachsenen zu folgenden erschütternden Zahlen: 67 Prozent aller Männer und 53 Prozent aller Frauen sind übergewichtig, fast ein Viertel adipös, mit gravierenden Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem. Das liegt an fehlendem Wissen, meine Damen und Herren, aber das liegt auch an der Tatsache, dass wir uns zu wenig bewegen: Fahrstuhl statt Treppe, Auto statt Laufen, Computerspiele statt Sport. Ein aktiver Lebensstil gehört zu einem gesunden und ausgewogenen Leben.
Meine Damen und Herren, der Lebensstil, den Kinder und Jugendliche in der Frühphase ihres Lebens erlernen, prägt auch ihr Erwachsenenleben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder und Jugendliche, die sich falsch ernähren und zu wenig bewegen, an Diabetes mellitus erkranken, ist sehr hoch. Nur wenn durch präventive Ansätze Kinder und Jugendliche die richtige Konditionierung erfahren, bleibt ihnen in ihrem späteren Leben vielleicht viel Leid erspart.
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Meine Damen und Herren, schon jetzt leben – inklusive Dunkelziffern – circa 10 Millionen Diabetikerinnen und Diabetiker in Deutschland, Tendenz massiv steigend. Diabetes und seine Begleit- und Folgeerkrankungen belasten unser Gesundheitssystem mit direkten Kosten in Höhe von 48 Milliarden Euro jährlich. Die durchschnittlichen Kosten der Versorgung sind von 4,9 Milliarden Euro im Jahr 2002 auf circa 6,3 Milliarden Euro im Jahr 2015 gestiegen. Neue Zahlen dürften deutlich höher liegen. Ich freue mich, dass der Haushaltsansatz auch hier den dringenden Handlungsbedarf widerspiegelt. Es werden auch hier die richtigen Weichen gestellt: 3 Millionen Euro für Maßnahmen einer nationalen Diabetes-Strategie. Wir brauchen eine vernünftige Datengrundlage, die Information und Aufklärung über Diabetes verbessert.
Meine Damen, meine Herren, wir alle wollen alt werden. Wir alle wollen gesund alt werden. Eine vernünftige Präventionspolitik kann das entscheidend unterstützen. Ich bin sehr davon überzeugt, dass es absolut sinnvoll ist, 17,5 Millionen Euro in gesundheitliche Aufklärung zu investieren. Durch eine derartig langfristige Prävention lassen sich circa 25 bis 30 Prozent der heutigen Gesundheitsausgaben vermeiden. Für die Erkrankungen Adipositas und Diabetes mellitus bedeutet es, dass wir damit auch Begleit- und Folgeerkrankungen verhindern wollen und müssen.
Wir stehen erst am Anfang dieses Weges, aber es ist der erste richtige Schritt, der hier getan wird. Ich darf Sie daher bitten, diesen Haushalt zu unterstützen.
Herzlichen Dank.
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Die letzte Rednerin zu diesem Einzelplan: Professor Dr. Claudia Schmidtke, CDU/CSU-Fraktion.
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Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Damen und Herren! Lieber Gesundheitsminister Jens Spahn! Der Einzelplan 15, den wir heute debattieren, steht für Gesundheit; diese wünschen wir uns und jedem. Er steht mit dem Gesundheitssystem in Deutschland auch für eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, und die Regierungskoalition ist entschlossen, diesen Status nicht nur zu bewahren, sondern sogar auszubauen.
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Dieser Haushalt schafft hierfür die Voraussetzungen: Wir investieren in mehr Pflegepersonal, wir entlasten die Versicherten, und wir verbessern die medizinische Versorgung. Es ist ein gesunder Haushalt.
Um Versorgungsqualität geht es auch bei einem Thema, das mich als Ärztin in seiner medizinischen Dimension ebenso wie in seiner ethischen und uns alle als potenzielle Patienten bewegt – das geht manchmal leider schneller, als man denkt –: Die künftige Strukturierung der Organspende in Deutschland wird uns hier im Bundestag – so viel ist bereits abzusehen, und es ist auch nicht zu vermeiden – entzweien, und zwar außerhalb der Fraktionsgrenzen.
Dass ich mich für eine Widerspruchsregelung einsetze, ist den meisten von Ihnen bekannt. Ich danke Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dafür – und das sicherlich auch im Namen meiner herzchirurgischen Kollegen und, wie ich heute in meiner Heimatzeitung gelesen habe, sicherlich auch im Namen des Verbandes der Dialysepatienten und Transplantierten in Lübeck –, dass er diese offene Debatte durch seinen engagierten Einsatz ins Rollen gebracht hat.
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Durch das Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende schaffen wir bereits eine gute Infrastruktur. Dieser Schritt ist enorm wichtig – das haben wir vorhin auch gehört –, aber in meinen Augen nicht ausreichend. Denn was nützt die beste Infrastruktur, wenn wir keine Organe haben? Was nützt uns die beste Autobahn, wenn wir keine Autos haben, die darauf fahren? Der Blick in die Niederlande zeigt uns, dass nicht nur die Strukturen verbessert werden müssen – sie sind schon vor zehn Jahren angepasst worden –, sondern wir einen Systemwechsel brauchen. Es ist unethisch, die Perspektive der 10 000 Patientinnen und Patienten zu verdrängen, die auf Organe warten. Es ist unethisch, traumatisierten Angehörigen die Entscheidung über eine Organspende aufzubürden. Und es ist unethisch, Organe aus dem Ausland zu importieren, weil wir selbst keine haben.
Dabei ist es mir und uns allen wichtig, dass Organspende eine Spende bleibt – eine ganz und gar freiwillige Leistung, die nach dem eigenen Tod das Leben eines Mitmenschen verbessern oder erhalten kann. Diese Leistung müssen wir honorieren – nicht finanziell, sondern mit mehr gesellschaftlicher Würde. Darüber, meine Damen und Herren, sollten wir uns alle einig sein.
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Einig sind wir uns darin, dass wir dem Kollegen Monstadt sehr dankbar sind – er hat es eben sehr ausführlich dargelegt – für seinen Einsatz bei der Bekämpfung von Diabetes mellitus. Wir haben dafür im Haushalt Gelder in Höhe von 3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Diabetes ist aber nur ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und diese sind nach den letzten Zahlen mit 46,4 Milliarden Euro der größte Kostenverursacher im deutschen Gesundheitssystem. Sie sind zudem Todesursache Nummer eins in den westlichen Industrieländern. Wir müssen sie deshalb genauso im Fokus haben wie die weiteren Risikofaktoren, also ungesunde Lebensweise, Ernährung, Bewegungsmangel insbesondere bei Kindern – wir haben es gerade ausführlich gehört –, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte und Tabakkonsum. Entschiedene Prävention, in die wir hier auch reichlich investieren, ist der Schlüssel zu einem gesünderen Leben, und das fällt in unsere Verantwortung.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema verdient eine ähnliche gesellschaftliche Würdigung: die Gesundheitsforschung; denn auch sie rettet Leben. Es geht um die Herausforderungen der Versorgungsforschung und der Digitalisierung, um personalisierte Medizin und die großen Fortschritte in der Krebsbehandlung. Dieser Haushalt investiert 123 Millionen Euro in Forschungsvorhaben und -einrichtungen und weitere 290 Millionen Euro in unsere vier Forschungsinstitute. Das sind 63 Millionen Euro mehr als im Vorjahr, und das allein in diesem Einzelplan.
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Diese Koalition verdeutlicht damit wieder einmal: Die Opposition redet ganz gern über die Zukunft, aber wir machen sie.
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Wir haben hier also einerseits die Bundesregierung, die mit großen Schritten vorangeht, und mit Jens Spahn einen Gesundheitsminister, der weiß, dass Gesundheitsforschung keine Kür, sondern Pflicht ist. Andererseits gibt es nach wie vor Hindernisse zu bewältigen. Forschung ist mühsam für wissenschaftlich tätige Ärzte, die durch Versorgungsaufgaben beansprucht werden. Sie müssen geschützte Zeiten erhalten. Klinische Studien brauchen Infrastrukturen, Zeit und Geld. Hier sind alle in der Verantwortung: die Ärztekammern, die Länder mit ihren Unikliniken, aber auch der Bund.
Rahmenbedingungen und Forschungsdaten brauchen Verbindlichkeit. Es geht beispielsweise um einen kompatiblen Datentransfer zwischen Patientenakte und Forschungszentrum, insbesondere auch beim Krebsregister. Das gilt auch für das Implantatregister, in dem auch Herzklappen, Prothesen und Schrittmacher zwingend erfasst werden müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesundheitshaushalt des Bundes ist nur ein Teil unseres Gesundheitssystems. In der Gesundheitspolitik ist es wichtiger als in anderen Politikfeldern, welche Rahmenbedingungen wir gesetzlich schaffen, aber auch durch öffentliche Debatten anstoßen; denn hier geht es ganz konkret um das Leben selbst. Und wie sagte schon Ludwig Börne, der immerhin zwei Jahre Medizin studierte:
Es gibt tausend Krankheiten, aber nur eine Gesundheit.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15 – Bundesministerium für Gesundheit – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 15 ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen.
Herr Präsident! Verehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angeregt durch die gestrigen Schlussworte von Ralph Brinkhaus, dem neuen Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion – er führte aus, wir sollten respektvoll und achtsam miteinander umgehen –, möchte ich an den Anfang meiner Rede ein anerkennendes Dankeschön stellen. Das, was Ralph Brinkhaus als Anregung in die Mitte des Parlaments gestellt hat, ist nach meiner Meinung im Kreis der Berichterstatter zum Justizetat verwirklicht. In dieses Lob, was den zwischenmenschlichen Umgang betrifft, möchte ich Sie, Frau Ministerin, und die Mitarbeiter Ihres Hauses ausdrücklich einbeziehen. Unsere Hauptberichterstatterin, Frau Kollegin Esther Dilcher, darf nicht vergessen werden.
Anknüpfend an das letzte Berichterstattergespräch sind hier noch einmal die Härtefallleistungen zu erwähnen, die Opfer extremistischer Übergriffe erhalten können. Die im laufenden Jahr eingereichten Anträge umfassten bei Rechtsextremismus 196 Fälle, bei Linksextremismus 3 und bei islamistischem Extremismus 6 Fälle. Damit hat der Rechtsextremismus eine einsame Spitzenstellung. Dementgegen waren in den Verfassungsschutzberichten die Fallzahlen von links- und rechtsextremer Gewalt durchaus vergleichbar. Daher die Vermutung: Das Programm ist in unterschiedlichen Opfergruppen in unterschiedlichem Maß bekannt. Hier sollte das Ministerium noch einmal nachsteuern. Schließlich steht nach dem G-20-Gipfel in Hamburg eines außer Frage: Die heutige Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Frau Manuela Schwesig, irrte, als sie behauptete: „Linksextremismus ist ein aufgebauschtes Problem.“
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Ebenso geht die frühere Kollegin Angela Marquardt fehl, wenn sie die Antifa in den Kampf gegen rechts einbinden will. Zum Repertoire der Antifa gehören nämlich ganz explizit Angriffe gegen Sachen, aber auch Menschen. Die zahllosen Übergriffe auf Wahlkämpfer und Einrichtungen der AfD sind hier ein Beleg,
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die Angriffe auf Polizeistationen oder Bundeswehrfahrzeuge ebenso.
Die frühere Familienministerin Kristina Schröder erfasst die Situation im Ergebnis richtig:
Der „Kampf gegen rechts“ zielt auf die bürgerliche Mitte.
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Nötig ist Differenzierung, lieber Herr Kollege. Plumpe, pauschale Vorwürfe helfen nicht weiter.
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Lassen Sie uns alle zum antitotalitären Konsens zurückkehren.
Danke schön.
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Ich erteile das Wort der Bundesministerin Dr. Katarina Barley.
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Schönen guten Morgen! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
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– Ich versuche es lauter, aber ich bin leider noch etwas angeschlagen von dieser Woche. Ich versuche es.
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– Ja, genau.
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Sie wissen es alle: Die letzten Wochen und Monate haben nicht nur bei mir den Eindruck verstärkt, dass wir grundsätzlich über den demokratischen Rechtsstaat reden müssen. Er ist nicht perfekt – das wissen wir –, aber er ist stark, und wir werden international um ihn beneidet. Er wird aber von einigen manchmal missverstanden. Wir erleben das immer wieder: Wenn beispielsweise Gerichtsurteile ergehen, die nicht allen gefallen, auch durchaus politisch nicht allen gefallen, dann wird auf einmal eine Gerichtsschelte betrieben, die ins Grundsätzliche geht. Dann werden rechtsstaatliche Prinzipien wie zum Beispiel der Schutz von Angeklagten in Zweifel gezogen. Das kann so nicht gehen.
Wir sehen generell einen Verfall der bisherigen Autoritäten. Wir erleben, dass die 20‑Uhr-Tagesschau nicht mehr das meinungsbildende Medium Nummer eins ist. Wir erleben aber auch, dass Polizei und andere nicht mehr in der Weise Autorität ausstrahlen, dass sie von allen Teilen der Bevölkerung akzeptiert werden. Wir müssen einfach aufpassen, wie wir damit umgehen. Wir müssen klarmachen, dass der Rechtsstaat kein Pizzataxi ist. Es ist nicht so, dass man ein Ergebnis bestellt, und wenn man das Ergebnis nicht bekommt, dann stimmt am Rechtsstaat was nicht. Unsere Aufgabe hier ist es vielmehr, gute Gesetze zu machen, und die Gerichte haben die Aufgabe, sie gut anzuwenden. Die Gerichte in ihrer Unabhängigkeit müssen wir jederzeit schützen. Das ist unsere Aufgabe hier. Wir brauchen weniger Populismus in dem Feld und nicht mehr.
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Der Rechtsstaat hat es nicht immer leicht; denn wer mit dem Rechtsstaat in Kontakt kommt, hat manchmal unangenehme Situationen durchzustehen. Wer wird schon gerne verklagt? Wer klagt gerne? Aber gerade deswegen ist es wichtig, dass wir das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken. Wir werden das tun, auch von politischer Seite.
Wir werden das zum einen tun, indem wir das Forum Recht einrichten. Ich bin sehr dankbar für die Initiativen aus dem Parlament, vor allen Dingen aber auch für die aus der Zivilgesellschaft. Das wird kein Museum werden, sondern das wird ein innovatives, ein interaktives Begegnungszentrum werden, wo Rechtsstaat sehr greifbar wird, wo wir Rechtsstaat vermitteln können.
Zum Zweiten wollen wir eine große Informationsoffensive auflegen; dafür haben wir 5 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Wir müssen nämlich die Grundlagen des Rechtsstaats erläutern – er ist nicht mehr so selbstverständlich, wie das einmal war –: Was ist eigentlich der Rechtsstaat? Warum brauchen wir unabhängige Richterinnen und Richter? Warum geht das mich was an? Weil ich vielleicht auch mal vor Gericht stehe und die Unschuldsvermutung dann mir zugutekommt. Was leisten eigentlich unsere Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und die Justizbediensteten jeden Tag?
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Wir haben als Demokratinnen und Demokraten jedenfalls die Pflicht, unsere Errungenschaften des Rechtsstaates zu verteidigen.
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Das reicht aber nicht, sondern wir müssen ihn auch stärken. Das haben wir ausdrücklich im Koalitionsvertrag vereinbart, und wir tun das von Bundesseite auch. Wir stocken die Stellen für den Generalbundesanwalt noch einmal auf. Das werden insgesamt 20 Prozent mehr Stellen sein. Das ist eine wichtige Stärkung dieser Behörde, die in der letzten Zeit deutlich mehr Aufgaben bekommen hat. Wir werden einen neuen Zivilsenat beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe und einen neuen Strafsenat beim Bundesgerichtshof in Leipzig schaffen, also auch da: Stärkung des Standortes im Osten.
Gerichte sprechen nicht mehr nur durch ihre Urteile, das hat sich geändert, die Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte wird immer wichtiger. Wir haben jetzt vorgesehen, dass alle obersten Bundesgerichte professionelle Pressesprecher bekommen. Ich finde, das ist längst überfällig gewesen. Auch das ist in diesem Haushalt verankert.
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Wir brauchen eine Stärkung der Justiz auf allen Ebenen. Auch die Länder werden ihren Teil dazu beitragen. Wir gehen davon aus, dass wir den Pakt für den Rechtsstaat im Dezember abschließen können.
Ein weiteres Ziel, das wir haben, ist, die Digitalisierung im Bereich der Justiz weiter voranzutreiben. Da gibt es – das muss man durchaus realistisch betrachten – noch einiges zu tun. Das ist natürlich auch Sache der Länder. Aber da, wo wir etwas tun können, da werden wir es tun. Wir haben durch den Föderalismus unterschiedliche Systeme, die zum Teil nicht miteinander kompatibel sind. Wir werden das besser koordinieren, und wir werden auch dafür sorgen, dass Schnittstellen hergestellt werden. Das schwebt mir vor allen Dingen im Bereich des Strafrechts vor, wo wir die Möglichkeit haben, den Datenaustausch zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwaltschaft und Gerichten deutlich zu verbessern und damit auch das Leben der Bediensteten in der Justiz deutlich zu erleichtern, die zum Teil immer noch händisch jedes Mal alle Daten eingeben müssen.
Ich will noch auf einen anderen Bereich eingehen, ganz kurz in der knappen Zeit, die man in den Haushaltsdebatten immer nur hat. Wir haben alle – fast alle – die Rehabilitierung der Menschen begrüßt, die nach § 175 StGB verurteilt wurden, weil sie homosexuell waren im Wesentlichen. Wir wollten sie nicht nur rehabilitieren, wir wollten sie auch entschädigen. Wir haben gesehen, dass diese Entschädigung relativ wenig in Anspruch genommen worden ist. Das hat viele Gründe. Das mag an Retraumatisierung liegen, das mag aber auch daran liegen, dass der Kreis der Begünstigten sehr eng gehalten war, nämlich nur die, die tatsächlich verurteilt wurden.
Jetzt, mit diesem Haushalt, werden wir diesen Personenkreis ausweiten, wir werden die Möglichkeit schaffen, dass auch Menschen, die nicht nach § 175 letztendlich verurteilt worden sind, aber aufgrund der Verfolgung nach dieser unmenschlichen Norm Schäden erlitten haben, eine Entschädigung bekommen. Ich glaube, das ist am Ende wahrscheinlich nicht viel Geld, was die Einzelnen bekommen; aber es ist ein wichtiges Signal der Rehabilitierung, dass der Staat anerkennt, dass er dort grobes Unrecht ausgeübt hat.
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Auch zum Thema Verbraucherschutz findet sich einiges in diesem Haushalt. Ich will nur einen Bereich dort nennen; das ist der Bereich der Forschung, natürlich insbesondere, auch dort, im Bereich der Digitalisierung. Wenn es etwa um Algorithmen, um Scoring geht, hilft uns das gesunde Bauchgefühl nicht weiter, da müssen wir uns viel externen Sachverstand holen. Unser Ziel ist es, diese komplexen verbraucherpolitischen Fragen dort analytisch und faktenorientiert zu beantworten. Deswegen ist es gut, dass wir dort mehr Mittel eingestellt haben.
Ich möchte mich ganz zum Schluss bedanken. Es ist tatsächlich ein sehr gutes Miteinander in dieser Gruppe. Ich möchte mich bedanken bei allen Berichterstatterinnen und Berichterstattern – natürlich vor allen Dingen bei der Hauptberichterstatterin, Esther Dilcher, aber ausdrücklich auch bei allen anderen – für die sehr konstruktive Zusammenarbeit und auch bei den Kollegen Johannes Kahrs und Eckhardt Rehberg, die ihren Teil dazu beigetragen haben, dass wir in diesem kleinen, aber feinen Haushalt gut aufgestellt sind.
Herzlichen Dank.
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Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Kollege Dr. Stefan Ruppert.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich finde, es ist immer gut, einmal zu betonen, dass man einvernehmliche Debatten, kritische Fragen, Antworten des Ministeriums, ein Ringen von Demokraten um beste Lösungen bei den Haushaltsberatungen und den Einzelplangesprächen gesehen hat. Ich danke allen meinen Kollegen dafür und auch der Ministerin, die uns regelmäßig gut informiert hat. Die Beratungen sind in einer Atmosphäre abgelaufen, die man sich unter Demokraten eigentlich nur wünschen kann.
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Ich will aber gleich auch einige kritische Punkte benennen. Vor über einem halben Jahr kündigte Kanzlerin Merkel an, sie werde beim § 219a dafür sorgen, dass es einen ordentlichen Vorschlag, eine sachgerechte Lösung gibt. Aus der SPD war wiederholt zu hören, man gedulde sich bis Ende Oktober,
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spätestens dann werde man zu Ergebnissen kommen. Das Jahr hat man leider nicht gesagt. Aber wir haben es schon gedeutet als Oktober des Jahres 2018.
Nach wie vor werden in Deutschland Ärztinnen und Ärzte verurteilt und leiden Frauen darunter, dass sie keine Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bekommen, und das nur, weil sich die CDU/CSU und die SPD in dieser wichtigen Frage nicht einigen können. Ich finde, das ist ausgesprochen kritikwürdig und muss bald ein Ende haben.
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Es reicht eben nicht, immer nur den Mund zu spitzen. Liebe SPD, man macht sich allseits Sorgen um euch. Seit Stefan Zweig wissen wir, dass Mitleid auch eine Form der Missachtung ist. Es geht also nicht um Mitleid, sondern darum, Sie von der SPD aufzufordern, dass Sie endlich etwas mehr Profil zeigen und Ihren Forderungen und Ankündigungen auch Konsequenzen folgen lassen.
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Insofern ermuntere ich Sie, sich da durchzusetzen. Wir wären für einen Kompromiss zu haben gewesen. Wir haben einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt; vielleicht ist der tauglich für Ihre Beratungen.
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Der zweite Punkt: Die Debatte über Vorratsdatenspeicherung in Deutschland wird sehr polarisiert geführt.
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Es gibt Menschen, die sagen, ohne dieses wichtige Instrument könne man die Sicherheit in Deutschland nicht gewährleisten. Seit nunmehr eineinhalb Jahren hören wir von dieser Koalition, wie es schon bei der Vorgängerkoalition der Fall war, dazu nichts, aber auch gar nichts. Das Instrument ist ausgesetzt. Sie warten auf eine Entscheidung aus Karlsruhe. Schaffen Sie es endlich ab,
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Menschen ohne Anlass in Deutschland zu beschnüffeln, und wenden Sie sich gegen dieses Instrument. Auch das ist eine Forderung an die Bundesjustizministerin, die wir mittragen würden.
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Ein wichtiges Anliegen ist uns auch die Entschädigung von Homosexuellen nach § 175 StGB. Hier gibt es einen atmosphärischen Punkt, der mich gestört hat – Sie kennen vielleicht nicht den genauen Hintergrund –: Von den 7 Millionen Euro, die dafür in dem Haushalt vorgesehen sind, ist es leider nur zu einem Abruf von 181 000 Euro gekommen. Der Kreis der Berechtigten ist eng gefasst, die Antragstellung ist kompliziert. Anträge werden anscheinend also nicht gestellt. Unser politisches Anliegen als Freie Demokraten war und ist es, den Kreis der Betroffenen, die einen Antrag stellen können, zu erweitern, indem wir die Antragstellung auf Entschädigung erleichtern. Wir wollten bewusst dafür sorgen, dass die Menschen, die unter diesem Unrecht gelitten haben, auch Entschädigungen bekommen.
Aber es gehört eben zum Haushaltsrecht, dass man einen Titel, aus dem über Jahre Summen nicht abgerufen werden, an den Bedarf anpasst. Wir müssen also nach Lösungen suchen, um mehr Menschen, nicht nur die verurteilten, sondern auch die verfolgten, zu entschädigen. Uns daraus einen Strick zu drehen seitens eines Abgeordneten der Grünen – er beehrt diese Plenardebatte nicht einmal mit seiner Anwesenheit –, wir wollten hier in irgendeiner Form Menschen einschränken oder diese Entschädigung beschränken, halte ich schlicht für unkollegial. Nein, § 175 StGB ist Unrecht, und die Menschen, die darunter gelitten haben, müssen entschädigt werden. Das will ich hier ganz klar sagen.
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Bedauerlich ist, dass beim Forum Recht die gemeinsame Initiative, die wir als Parlament gestartet haben, ins Stocken gekommen ist. Wir hatten hierzu vor einigen Monaten euphorische Gespräche, wir hatten die Hoffnung, dass wir schon den Bau auf den Weg bringen können, dass uns ein Entschließungsantrag ein Stiftungsgesetz für die Errichtung einer Stiftung öffentlichen Rechts bringt, um zeigen zu können, wie wichtig uns der Rechtsstaat in Deutschland ist, indem auf dem Gelände des Bundesgerichtshofs erfahrbar wird, dass wir für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte, für ein unteilbares gesamtes Handeln stehen. Leider kommen wir hier nur mit Trippelschritten voran. Ich würde mir wünschen, dass es etwas schneller geht. Am 6. Dezember sind die nächsten Beratungen dazu in Karlsruhe. Wir sollten dafür sorgen, dass dieses Vorhaben an Fahrt aufnimmt, dazu ein Gesetz beschließen und dieses wichtige Vorhaben endlich voranbringen.
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Man sieht, dass der Entschließungsantrag, der zu sehr auf Ministerien statt auf Parlamente zielt, hier leider Sand ins Getriebe gebracht hat. Das ist ausgesprochen bedauerlich.
Mein letzter Punkt betrifft den Pakt für den Rechtsstaat. Es reicht nicht aus, zwei neue Senate am Bundesgerichtshof, jeweils einen in Karlsruhe und Leipzig, zu gründen. Die Große Koalition hat mit Recht ein Vorhaben auf den Weg bringen wollen, um zu mehr Entlastung unserer Gerichte in Deutschland zu kommen. Jetzt war zu lesen, dass die Justizminister der Länder ausgesprochen kritisch argumentiert haben – es stand 16 : 0 gegen Barley –, man bekomme hier seitens der Großen Koalition nichts hin. Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte. Auch die Länder müssten Verantwortung übernehmen und mehr zur richtigen Ausstattung der Gerichte beitragen.
In der Tat ist es uns als Freie Demokraten ein wichtiges Anliegen, dass man sich auf das Rechtssetzungsmonopol des Staates und die Durchsetzung geltenden Rechts verlassen kann und man nicht den Eindruck bekommt, dass das Recht der Macht oder der fehlenden Ausstattung weichen müsse. Nein, die Durchsetzung geltenden Rechts ist eine der vornehmsten Aufgaben dieses Staates.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Ruppert. – Der nächste Redner: Kollege Markus Uhl, CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, der Einzelplan 07, ist, wie üblich, im Wesentlichen ein Verwaltungshaushalt, geprägt durch einen sehr hohen Anteil an Personal- und Verwaltungsausgaben.
Wie bislang ist er auch in diesem Jahr der kleinste Ressorteinzelplan mit einem Volumen von 895 Millionen Euro. Allerdings weist er mit Erhöhungen von knapp 22 Millionen Euro im parlamentarischen Verfahren die fünfthöchste prozentuale Steigerung aller Einzelpläne auf. Das ist gut angelegtes Geld. Damit unterstreichen wir einmal mehr die Wichtigkeit von Justiz, Rechtsstaatlichkeit und Verbraucherschutz.
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Besonders betonen möchte ich an dieser Stelle natürlich auch die Einnahmeseite in diesem Einzelplan in Höhe von 580 Millionen Euro. Das entspricht einem Rekorddeckungsgrad von 65 Prozent. Das wird vor allen Dingen – das gehört auch zur Wahrheit dazu – durch die Gebühreneinnahmen beim Deutschen Patent- und Markenamt erreicht.
Was sind die Schwerpunkte, die wir im parlamentarischen Verfahren gesetzt haben? Zunächst – da beziehe ich mich wieder auf das Patent- und Markenamt in München – stärken wir die Innovationskraft Deutschlands und den gewerblichen Rechtsschutz. Deutschland ist bei der Innovationsfähigkeit nach einer aktuellen Studie des Weltwirtschaftsforums nicht zu toppen. Die Bundesrepublik liegt vor den USA und der Schweiz auf Platz eins. Das liegt unter anderem an der Anzahl der hier angemeldeten Patente. Im Jahr 2017 wurden in Deutschland beim Deutschen Patent- und Markenamt fast 68 000 Patente neu angemeldet. Das unterstreicht einmal mehr die Relevanz dieser deutschen Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz.
Dort werden Erfindungen geprüft, Patente erteilt, Marken, Gebrauchsmuster und Designs registriert und deren Schutzrechte verwaltet. Dabei nehmen Auskunftsersuche zu bestehenden Schutzrechten einen immer größeren Teil ein. Sie sind mittlerweile selbst ein bedeutender Innovationsfaktor.
Damit Deutschland hier Weltspitze bleibt, ist eine zügige Bearbeitung der Prüfungsverfahren und der Auskunftsersuche zwingend notwendig. Deshalb haben wir mit der Aufstellung des Bundeshaushaltes im Jahre 2018 für das Jahr 2018 begonnen, einen Weg zu beschreiten, den wir nun im parlamentarischen Verfahren für den Haushalt 2019 abgeschlossen haben. Insgesamt haben wir dem Deutschen Patent- und Markenamt in diesen beiden Jahren über 250 Stellen dazugegeben, alleine 150 neue Patentprüfer. Das schützt geistiges Eigentum, sichert die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und somit auch die Zukunft unserer Volkswirtschaft.
Wichtig für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung sind aber auch – die Frau Ministerin hat das angesprochen – das Vertrauen in einen funktionierenden Rechtsstaat und eine effiziente Justiz. Nach der eben zitierten Studie des Weltwirtschaftsforums sind wir da eben nicht spitze, sondern leider nur im Mittelfeld. Daher haben wir in den Koalitionsvertrag den Pakt für den Rechtsstaat reingeschrieben: für einen handlungsfähigen Staat, für einen starken Staat. Dieser Pakt besteht aus vier Säulen: Personal, Ausstattung, effiziente Verfahren, Opferschutz und Prävention.
Zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz gehören drei der fünf obersten Bundesgerichte sowie die Bundesanwaltschaft. Diese stärken wir personell mit 37 neuen Stellen beim Generalbundesanwalt und 24 Stellen beim Bundesgerichtshof, jeweils 12 für einen neuen Zivilsenat in Karlsruhe und einen neuen Strafsenat in Leipzig. Damit stärken wir den Justizstandort Leipzig, ohne Karlsruhe zu schwächen; das ist sozusagen eine Win-win-Situation. Wir sorgen bei steigenden Fallzahlen und einer steigenden Arbeitsbelastung für den entsprechenden Personalzuwachs.
Neben diesen konkreten Personalverstärkungen im Rahmen der angesprochenen Kampagne für den Rechtsstaat setzt ein funktionierender Rechtsstaat voraus, dass dessen Bedeutung jedem Einzelnen bewusst ist und jeder ein Verständnis für die oftmals komplexe und undurchsichtige Funktionsweise hat. Daher begrüße ich ausdrücklich, dass wir hier im Deutschen Bundestag im Oktober dieses Jahres bei der Debatte zum Forum Recht dieses sozusagen aufs Gleis gesetzt haben.
Das Forum Recht soll einerseits Museum sein, andererseits und vor allem Dokumentations‑, Informations- und Kommunikationszentrum für das Recht, für Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit. Es soll Ausstellungs- und Diskussionsraum sein, sowohl konkret in Karlsruhe und Leipzig als auch im virtuellen Raum, aber auch vor Ort über portable Formate an vielen weiteren Orten in Deutschland. Es geht darum, das Bewusstsein zu stärken: für den Rechtsstaat, für Recht und Gerechtigkeit und letztlich auch für unsere Demokratie.
In der Bereinigungssitzung haben wir für dieses aus der Mitte dieses Hohen Hauses geborene Projekt 857 000 Euro zum Aufbau einer Geschäftsstelle bereitgestellt, und damit nehmen wir die nächste Hürde auf dem Weg zur Umsetzung, meine Damen und Herren. Kollege Ruppert von der FDP, ich schätze Sie sehr und hätte mich gefreut, wenn Sie dem Antrag, die Gelder bereitzustellen, in der Bereinigungssitzung zugestimmt hätten.
Sie sehen, meine Damen und Herren, wir bekennen uns nicht nur zu einem starken und funktionsfähigen Rechtsstaat im Sinne des Paktes für den Rechtsstaat, sondern wir handeln auch. Ich appelliere aber zugleich an die Bundesregierung und vor allem an die Länder – Rechtsstaat und Justiz sind vor allen Dingen Ländersache –, bei der weiteren Umsetzung des Paktes für den Rechtsstaat an einem Strang zu ziehen.
Die zweite große Säule, meine Damen und Herren, in diesem Einzelplan ist neben dem Rechtsstaat der Verbraucherschutz. Der deutsche Verbraucherschutz und seine Institutionen, die Verbraucherzentralen der Länder, der Bundesverband der Verbraucherzentralen, die Stiftung Warentest, sind Vorbilder für weite Teile der Welt. Daher gilt es, diesen Verbraucherschutz stetig weiterzuentwickeln und die Maßnahmen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, die wir ergriffen haben, zu prüfen und sie effizient und zukunftsorientiert auszugestalten.
Daher investieren wir in den nächsten drei Jahren insgesamt 6 Millionen Euro in ein Projekt zur Verbraucherforschung, zur Evidenzbasierung in der Verbraucherpolitik. Wir wollen so eine Effektivierung des Wissenstransfers zwischen Wissenschaft und Politik erreichen und Antworten auf aktuelle Verbraucherfragen finden, um passgenaue Lösungen zu entwickeln.
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Durch die Evidenzbasierung können wir nicht nur schauen, wo politische Maßnahmen gewirkt haben, wo Stellschrauben nachjustiert werden müssen oder nicht, wo welche verbraucherschutzspezifischen Probleme möglicherweise unter dem Radar geblieben sind. Wir können damit vor allen Dingen den Verbraucherschutz einfacher, transparenter und wirksamer ausgestalten. Sie sehen, meine Damen und Herren, wir stehen für einen starken Verbraucherschutz und entwickeln ihn stetig weiter, um passgenaue und effiziente Ansätze für Verbraucherinnen und Verbraucher zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, das deutsche Justizsystem, der deutsche Verbraucherschutz werden auch im Jahr 2019 sehr gut aufgestellt sein. Wir stärken das Personal. Wir forschen für mehr Effizienz. Wir fördern die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Kollege Uhl. – Der nächste Redner ist der Kollege Victor Perli, Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Justizministerium müsste eigentlich genug zu tun haben: Abgasskandal; Steuerbetrug der Finanzmafia mit Phantomaktien; Großkonzerne, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler um Milliardenbeträge prellen. Aber der Rechtsstaat bekommt es viel zu oft nicht hin, diese Gangster in Nadelstreifen hinter Gitter zu bringen.
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Stattdessen beschäftigen Sie die Behörden lieber damit, ganz normale Leute zu gängeln. Da wird viel Geld zum Fenster hinausgeworfen, aber der Nutzen ist gering.
Erstes Beispiel. Warum ist es eigentlich immer noch so, dass Fahren ohne Ticket eine Straftat und nicht wie Falschparken eine Ordnungswidrigkeit ist? Verstehen Sie mich nicht falsch: Beides gehört sich nicht. Aber schauen wir auf die Fakten.
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Etwa 5 000 Menschen sitzen in Deutschland im Gefängnis, weil sie, wie der Volksmund sagt, schwarzgefahren sind.
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Wissen Sie eigentlich, was den Staat, was uns alle das kostet? Die Haftunterbringung kostet 130 Euro pro Tag für jede betroffene Person. Das sind unfassbare 243 Millionen Euro im Jahr. Ich rede hier nicht über Schwerverbrecher, sondern über Menschen, die eingesperrt werden, weil sie kein Ticket gezogen haben.
Viele Menschen, die Sie mit solchen Gesetzen zu Straftätern machen, konnten sich einfach kein Ticket leisten, und dann wurden sie wiederholt beim Schwarzfahren erwischt. Wenn dieses Vergehen genauso bestraft werden würde wie Falschparken, dann müssten diese Leute ein erhöhtes Verwarnungsgeld zahlen. Aber was machen Sie? Sie sperren sie ins Gefängnis. Wem ist damit geholfen?
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Die 243 Millionen Euro pro Jahr könnte man doch viel besser investieren, zum Beispiel um die Bahnpreise zu senken, um Sozialtickets einzuführen und um Zuschüsse an Städte und Gemeinden zu zahlen, die 1-Euro-Tagestickets oder – wie Melbourne, Tallinn und andere Städte – den kostenfreien öffentlichen Nahverkehr einführen. Das könnten wir auch hier machen. Wir sind sicher: Das ist in unser aller Interesse. Es würde allen Menschen unabhängig vom Geldbeutel Mobilität ermöglichen, die Behörden entlasten und gleichzeitig das Klima schützen. Dann muss auch niemand mehr schwarzfahren.
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Die Linke hat hierzu einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. In Berlin, wo Die Linke mit der SPD regiert, Frau Barley, gibt es einen Vorschlag im Rahmen einer Bundesratsinitiative, der jetzt vom Regierenden Bürgermeister Ihrer Partei unterstützt wird, um Schwarzfahren von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Genau das ist der richtige Weg.
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Zweites Beispiel, wo Sie mit Kanonen auf Spatzen schießen: der Umgang mit der Hanfpflanze, im Fachjargon Cannabis. Auch hier werden Zehntausende kriminalisiert, Polizisten und Gerichte überlastet und zig Millionen Euro verschwendet. Wie wir alle wissen, tun sich Union und SPD schon schwer damit, den Wirkstoff für Medikamente zuzulassen. Dabei könnten viele Menschen, die zum Beispiel von starken Schmerzen geplagt sind, mit Cannabis ein besseres, schmerzfreies Leben führen.
Die Linke fordert endlich einen aufgeklärten Umgang mit Cannabis als Medikament und eine Entkriminalisierung von Hanf als Genussmittel. Kanada hat genau das gerade vorgemacht.
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Jüngst kam eine Studie des Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftlers Justus Haucap zu dem Ergebnis, dass ein legaler Cannabismarkt in Deutschland bis zu 2,4 Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskasse spülen könnte. Eine teure Strafverfolgung würde wegfallen. Wir hätten hohe zusätzliche Steuereinnahmen. Ein gesetzlich streng geregelter Rahmen würde der Drogenmafia die Grundlage entziehen, und Die Linke würde dieses Geld, das wir dann zusätzlich einnehmen, in Prävention, Jugendschutz und ins Gesundheitssystem investieren. Da wird es dringend gebraucht.
Meine Damen und Herren, Frau Barley, der Volksmund sagt: Die Kleinen fängt man, und die Großen lässt man laufen. Es ist für die Akzeptanz und die Stärkung des Rechtsstaats von entscheidender Bedeutung, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte die Großen fangen, statt sie weiter laufen zu lassen.
Deshalb: Legen Sie sich endlich mit den Gangstern in Nadelstreifen an! Das stärkt den Rechtsstaat. Damit würden Sie allen Menschen in diesem Land einen großen Gefallen tun.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
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Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Kollege Dr. Danyal Bayaz.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! John F. Kennedy hat 1962 eine große Rede gehalten und daran erinnert, dass Menschen immer auch Verbraucher sind, ein Thema, über das wir heute noch nicht so viel gesprochen haben. Er hat aber auch darauf hingewiesen, dass die Anliegen der Verbraucherinnen und Verbraucher meistens zu kurz kommen.
Verbraucherinnen und Verbraucher sollen aber Vertrauen in unsere Demokratie und unsere Institutionen haben, und sie sollen ihre Rechte einfach und klar in Anspruch nehmen können. Ich finde, das sind auch wichtige Merkmale unserer heutigen sozialen Marktwirtschaft.
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Warum sage ich das? Seit dem 1. November gibt es die Möglichkeit der Musterfeststellungsklage, und ich stelle mir die Frage: Ist das wirklich das richtige Instrument, um das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken? Ich glaube, für die vielen betrogenen Dieselfahrer ist sie zwar ein wichtiges Signal, aber ein effektiver Verbraucherschutz – davon bin ich überzeugt – geht anders.
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Die Bundesregierung rechnet mit etwa 450 Klagen pro Jahr. Allerdings verkennt sie, dass die Klagebefugnis sehr eng gefasst ist. Es dürfen nicht einmal alle Verbände klagen, die auf der Liste stehen. Außerdem erlaubt die Musterfeststellungsklage nicht einmal, einen konkreten Schadensersatz direkt durchzusetzen.
Frau Ministerin, Sie haben im Mai hier im Plenum gesagt: „Wer recht hat, der muss auch Recht bekommen.“
Ich glaube, dass die Musterfeststellungsklage dafür ein viel zu sperriges Instrument ist. Von einer schlagkräftigen „Einer für alle“-Klage kann da nicht die Rede sein.
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Zweckmäßig wäre nach wie vor die von uns vorgeschlagene Gruppenklage. Hier können sich Verbraucher und Unternehmen unabhängig voneinander zusammenschließen und gemeinsam vor Gericht ziehen. Das wäre die richtige Lösung gewesen. Das ist sie auch noch immer.
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Wir haben leider weiterhin ein Defizit bei der Durchsetzung von Verbraucherrechten. Aber das Gute ist: Diese Lücke kann man füllen, und zwar auch mit innovativen Unternehmen im Rechtsbereich. Das sind sogenannte Legal-Tech-Unternehmen, die einen einfachen und schnellen Zugang zum Recht bieten, ohne komplizierte Formulare mit vielen Fußnoten. Gerade im Bereich der Fluggastrechte werden Verbraucherinnen und Verbraucher darin unterstützt, ihren Anspruch auf Entschädigung einzufordern.
Da haben die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion eine sehr kluge Kleine Anfrage zu Legal Techs erarbeitet. Die Antwort der Bundesregierung lautete: Diese Unternehmen sind integraler Bestandteil der Verbraucherpolitik der Bundesregierung. – Das klingt erst einmal gut. Aber besser wäre, wenn die Bundesregierung dem auch tatsächlich gerecht würde. Sie hatten eine einzige Idee, nämlich das Tool des Inkasso-Checks. Das ist ein sinnvolles Projekt, das wir unterstützen. Aber das kann doch nicht alles sein im 21. Jahrhundert.
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Sie fordern Verbraucherrechte immer nur punktuell, immer nur hier und da. Wir müssen das aber umfassend tun, damit Verbraucher effektiv geschützt werden. Davon ist im Haushaltsplan leider wenig zu sehen, Frau Barley.
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Die Legal-Tech-Start-ups können wirklich dabei helfen, dass Verbraucher ihre Rechte in vielen Bereichen erfolgreich geltend machen. Dazu muss die Bundesregierung einfach die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen. Ich bitte Sie: Finden Sie zügig kluge, einfache Regeln, die allen Beteiligten gerecht werden, den Start-ups, der Anwaltschaft, vor allem aber den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das wäre im Sinne eines modernen Rechtsstaats.
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Sie haben auch etwas zur Digitalisierung gesagt, Frau Barley. Die KI-Strategie der Bundesregierung sagt zu Recht, dass künstliche Intelligenz den Verbraucheralltag erleichtern kann. Ich gebe einmal ein Beispiel. Wir haben es gerade mit dem Betrugsfall P & R zu tun, wo 50 000 Kleinanleger geprellt wurden und ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden ist, weil in Schiffscontainer investiert wurde, die es offensichtlich noch nicht einmal gab. Hier lässt sich die Überlegung anstellen: Können digitale Technologien nicht helfen, einen solchen Betrug rechtzeitig zu erkennen, vielleicht sogar zu verhindern?
Aber ich befürchte angesichts der Strategie der Bundesregierung, dass diese innovative Denkweise bei Ihnen noch nicht vorhanden ist. Wenn man sich die Strategie genau anschaut, dann stellt man fest, dass auf 47 Seiten 31-mal steht, dass Sie prüfen. Ich frage mich, wie lange die Bundesregierung eigentlich noch prüfen will. Fangen Sie doch bitte an, die Chancen der Digitalisierung für den Verbraucherschutz umfassend zu nutzen. Haben Sie auch einmal den Mut, Dinge auszuprobieren. Sie können beispielsweise Experimentierklauseln in die Regulierung einbauen. Sie können Erfahrungen sammeln und nachbessern. Das ist ganz im Sinne eines lernenden Rechtsstaats. Nur wenn sich der Rechtsstaat auch an dieser Stelle konsequent weiterentwickelt, können wir die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land effektiv schützen.
Herzlichen Dank.
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Die nächste Rednerin ist die Kollegin Esther Dilcher, SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Barley! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Plenum und auf den Tribünen! Im ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden stehen sich Einnahmen und Ausgaben in Höhe von insgesamt 356 Milliarden Euro gegenüber. Im Einzelplan 07, über den wir hier verhandeln, stehen davon Einnahmen in Höhe von 571 Millionen Euro Ausgaben in Höhe von 877 Millionen Euro gegenüber, und sie sind aufgegliedert in die Kapitel Verbraucherpolitik, Bundesministerium der Justiz, Bundesgerichtshof, Generalbundesanwalt, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof, Bundespatentgericht, Bundesamt für Justiz und das Deutsche Patent- und Markenamt, ein kleiner Haushalt also, aber trotzdem mit großer Bedeutung.
Artikel 20 des Grundgesetzes normiert die Gewaltenteilung und auch das Rechtsstaatsgebot bzw. das Rechtsstaatsprinzip. Gerade für das Vertrauen in diesen Rechtsstaat werden wir offensiv werben. Die Ministerin hat das bereits angesprochen und auch gut begründet.
Mit dem diesjährigen Haushalt haben wir als SPD für den Bereich Justiz und Verbraucherschutz wichtige Ziele durchgesetzt. Die CDU/CSU wird das mittragen. Ein kleines Einzelbeispiel möchte ich dazu erläutern. Ich freue mich besonders, dass der Marktwächter Energie mit 2 Millionen Euro jetzt effektiv arbeiten kann und auch als Internetportal zusammen mit den Marktwächtern Finanzen und Digitales zukünftig hilft, den Markt zu beobachten.
Was steckt hinter dem Begriff „Marktwächter“? Die Marktwächter sind ein Gemeinschaftsprojekt aller 16 Verbraucherzentralen der Länder und des Bundesverbandes. Einzelne Verbraucherzentralen der Länder übernehmen dabei bestimmte Schwerpunkte. So kümmert sich die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein mit Sitz in Kiel um Telekommunikation und die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart wiederum um Geldanlage und Altersvorsorge. Für Energie werden wir das jetzt noch ausschreiben; da werden die Strukturen etwas weiter aufgefächert.
Diese Marktwächter und die Berücksichtigung der Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher haben wir als SPD in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt und werden diese jetzt auch umsetzen.
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Was bedeutet „Beobachtung“? Erforderlich ist also zunächst einmal, dass Verbraucherinnen und Verbraucher tätig werden und ihre Beschwerden an die Verbraucherzentralen richten. Wird dort eine Häufung von Verbraucherbeschwerden festgestellt, erfolgt ein Austausch mit Experten, um Fehleinschätzungen und Fehlentwicklungen besser beurteilen zu können. Die Erkenntnisse aus den Untersuchungen und Befragungen werden an Behörden, Politik, Institutionen, an die Öffentlichkeit und an die Medien weitergegeben. Die Verbraucherzentralen können dann auf Grundlage dieser Marktwächter-Erkenntnisse zum Beispiel auch abmahnen. Natürlich können die einzelnen Verbraucherzentralen mit den Erkenntnissen der Marktwächter eine noch gezieltere Beratungsarbeit leisten.
Die Marktwächter tragen damit ganz entscheidend dazu bei, Wissen zu bündeln, Fehlentwicklungen sichtbar zu machen und Schaden von Verbraucherinnen und Verbrauchern abzuwenden. Das leisten Marktwächter im Allgemeinen.
Und was machen sie im Besonderen? Da wäre als Beispiel zu nennen: 330 000 Stromsperren wegen Zahlungsunfähigkeit jährlich, Tendenz steigend; die sogenannte Energiearmut. Ziel der Verbraucherzentralen ist es hier, Strom bezahlbarer zu machen, Lösungen zu suchen, wie Stromsperren zukünftig verhindert werden können, oder auch die Bonizahlungen, die bei Vertragsabschluss vereinbart werden und nicht ausgezahlt werden, sichtbar zu machen. Auch bei der Fernwärme sind Preissteigerungen sehr intransparent. Auch hier wollen die Verbraucherzentralen Aufklärung leisten.
Ich freue mich, dass wir als SPD damit erneut den aktiven Verbraucherschutz für Bürgerinnen und Bürger stärken.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Kollege Fabian Jacobi.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jüngst aus der Ferne die Wahl eines neuen Verfassungsrichters in den Vereinigten Staaten von Amerika mitverfolgen können. Die dortige sensationalistische Berichterstattung konnte für deutsche Zuschauer befremdlich wirken. Kultureller Hochmut mag die dortigen Verhältnisse damit abtun: So seien sie halt, die Amerikaner, die auch aus Staatsgeschäften noch ein Hollywoodspektakel machten.
Tatsächlich dürfte etwas Ernsteres eine Rolle spielen, müssen doch Verfassungsgerichte ihrer Natur nach oftmals auf einem schmalen Grat wandern zwischen der Auslegung der Verfassung und einem Hineinlegen neuer Inhalte in die Verfassung. Diese Problematik wird in der politischen Öffentlichkeit Amerikas bewusster gesehen und auch kritischer diskutiert als in Deutschland. Das mag viel eher erklären, warum dort auch eine breitere Öffentlichkeit der Ernennung neuer Verfassungsrichter mit großer Aufmerksamkeit folgt. In Deutschland ist das bislang nicht im gleichen Ausmaß der Fall; das mag sich in Zukunft ändern.
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Ein Beispiel: Die Mehrheit dieses Hauses spekuliert recht deutlich darauf, dass das Bundesverfassungsgericht seine Auffassung aufgeben wird, wonach der Ehebegriff des Grundgesetzes die Verbindung eines Mannes mit einer Frau meint, und ganz ohne Änderung der Verfassung dieser einfach einen neuen Inhalt beilegen wird.
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Ob ein Verfassungsgericht der Versuchung nachgibt, statt bewahrend und erklärend auch rechtsschöpferisch tätig zu werden, das hängt nicht zuletzt von den konkreten Personen ab, die das Gericht bilden.
Wie werden in Deutschland diese Personen bestimmt? Die Theorie steht in Artikel 94 Grundgesetz: Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat – mit Zweidrittelmehrheit – gewählt.
Wie die Praxis aussieht, war in diesem Jahr zu erleben. Bereits in der ersten Jahreshälfte war ein Richter durch den Bundesrat neu zu bestimmen. Dort erhob zunächst die Partei Die Grünen den Anspruch, diesen Richterstuhl zu besetzen oder, vornehmer ausgedrückt, den Personalvorschlag zu machen, der dann zu wählen sei. Und warum? Es hatten CDU, SPD und Grüne eine Verabredung getroffen, nach der die Grünen nun halt an der Reihe gewesen wären. Daraus wurde nichts, weil – so war der Presse zu entnehmen – die CDU die Verteilung der Richterstellen auf die Parteien neu verhandeln wollte. Das war auch naheliegend; denn hier im Bundestag erreichen CDU/CSU, SPD und Grüne gemeinsam keine Zweidrittelmehrheit mehr. Da muss man schon den Herrn Lindner ins Boot holen.
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Es sollten also die Senate des Gerichts neu aufgeteilt werden: drei Richterstellen für die CDU/CSU, drei für die SPD und je eine für die Grünen und die FDP. Konkret würden danach beide in diesem Jahr neu zu bestimmenden Richter von der CDU benannt;
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die Grünen kommen dann halt später dran.
Offenbar ist diese neue Verabredung auch zustande gekommen; denn kurze Zeit später konnte man lesen – Zitat –:
Wenn Angela Merkel aus ihrem Urlaub … zurückkehrt, wartet auf die Kanzlerin … eine Entscheidung von enormer Bedeutung … Wer wird der nächste Präsident des Bundesverfassungsgerichts?
Ja, das entscheidet dann die Kanzlerin.
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Am Ende hieß es dann, es hätten sich die Fraktionsführungen von Union, SPD, Grünen und FDP geeinigt. Von dem laut Grundgesetz für die Wahl zuständigen Bundestag war bei alledem eher weniger die Rede.
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Um seine Aufgabe erfüllen zu können, benötigt ein Verfassungsgericht, mehr noch als andere Verfassungsorgane, das Vertrauen des Volkes.
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Umfragen bestätigen seit vielen Jahren regelmäßig, dass das deutsche Verfassungsgericht dieses Vertrauen bisher genießt. Diesen für die Stabilität der Republik förderlichen Zustand zu erhalten, sollte das Bestreben dieses ganzen Hauses sein.
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– Halten Sie mal die Klappe! – Abträglich wäre dagegen der Eindruck, es gebe ein Kartell von Parteien, die das Verfassungsgericht als unter sich aufzuteilenden Erbhof betrachten.
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Bedauerlicherweise ist nach dem öffentlich gewordenen Verfahren genau das der Fall.
Die an diesem Kartell beteiligten Parteien werden heute wohl das tun, wozu sie sich verabredet haben.
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Für die Zukunft droht durch dieses Verhalten allerdings durchaus eine Beschädigung des Gerichts. Die anderen Fraktionen des Hauses sollten sich hier ihrer Verantwortung bewusst werden.
Die Fraktion der AfD steht für eine konstruktive Diskussion bereit,
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wobei die Zielrichtung allerdings nicht bloß eine Ausdehnung des bisher praktizierten Kartells auf weitere Parteien sein sollte,
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sondern eine grundlegende Entpolitisierung der Justiz.
Danke schön.
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Herr Kollege Jacobi, die Formulierung „Halten Sie die Klappe“ ist nicht üblich in diesem Hause. Ich bitte, sie auch nicht weiter zu verwenden.
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Die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir reden heute über den Haushalt. Man konnte das bei den vorherigen Redebeiträgen manchmal vergessen. Aber wir haben einen kleinen Vorgriff auf den nächsten Tagesordnungspunkt gemacht: Wir schicken nämlich heute einen sehr guten, sehr qualifizierten Richter aus unseren Reihen nach Karlsruhe;
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er wird die Bedeutung und das Ansehen des Bundesverfassungsgerichtes sicherlich unterstreichen. Wir tun das in dem Verfahren, das das Grundgesetz dafür vorsieht, nämlich mit der Wahl durch die entsprechende Mehrheit und die große Basis dieses Hauses; ebenso geschieht das im Bundesrat. Genau so sieht es das Grundgesetz vor,
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und das Ergebnis wird sehr gut sein.
Aber zurück zu unserem heutigen Thema, dem Haushalt des Bundesjustizministeriums. Das Justizministerium ist eines der Verfassungsministerien und hat damit eine zentrale Verantwortung für den Rechtsstaat. Es wurde schon gesagt: Diesen wollen wir ganz besonders stärken durch den Pakt für den Rechtsstaat, den wir, Bund und Länder, gemeinsam schließen wollen. Es geht dabei nicht nur um das Gefühl, dass der Rechtsstaat funktioniert, sondern es geht auch darum, bei den Bürgern das Erfahrungswissen, die Sicherheit, dass er wirklich funktioniert, zu stärken. Es gehört zum gesellschaftlichen Zusammenhalt dazu, ganz sicher sein zu können, dass der Rechtsstaat funktioniert, unabhängig davon, welchen Bildungsgrad, welches Einkommen, welchen kulturellen Hintergrund man hat – und nicht immer nur dann, wenn man gerade selber geblitzt worden ist.
Es geht dabei um folgende Säulen: Personal bei Polizei und Justiz, Ausstattung, Verfahren, Prävention und Opferschutz. Ein Punkt, der dabei sicherlich im Mittelpunkt der Diskussion steht, ist das Personal bei der Justiz. Es gibt einerseits Richterstellen auf der Ebene des Bundes, andererseits auf der Ebene der Länder. Ich denke mal, wir haben in diesem Haushalt nachvollziehbar die Hausaufgaben des Bundes mit dem entsprechenden Geld unterlegt. Das sind zum einen die Stellen beim Generalbundesanwalt: 37 Stellen, gemessen an seinen gestiegenen Anforderungen und Aufgaben. Zum anderen sind im Haushalt des Bundesjustizministeriums selber 74 Stellen zur Bewältigung der vielen Aufgaben neu hinzugekommen,
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zu denen übrigens nicht gehört, dass das Ministerium selber in die Strafverfolgung einsteigt, Herr Perli. Da hatten Sie, als Sie das hier ausgeführt haben, glaube ich, doch eine etwas falsche Vorstellung.
Ein weiterer Punkt ist die Ausstattung der Bundesgerichte. Was hier ins Auge fällt, ist sicherlich der Aufwuchs um zwei Senate beim Bundesgerichtshof. Wir wollen einen neuen Strafsenat in Leipzig installieren und einen weiteren Zivilsenat in Karlsruhe. Das wird zum Teil kritisch gesehen. Wir wissen, dass die Karlsruher dies gerne alles unter einem Dach hätten.
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Aber ich denke, zum Rechtsstaat gehört auch, dass Versprechen eingehalten werden.
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Und wir halten hiermit ein Versprechen, nämlich Leipzig aufzuwerten. Das ist die sogenannte Rutschklausel. Ich füge aber hinzu, dass diese Rutschklausel damit dann abgewickelt und erfüllt ist; damit ist es getan.
Ich denke, dass die Sachsen sehr gute Voraussetzungen schaffen werden, damit die Zusammenarbeit der beiden Standorte und die Zusammenarbeit mit dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe gut gelingen kann. Als Bonnerin weiß ich, dass auch die Ministerien gut zusammenarbeiten müssen. Moderne Videotechnik ist da sicherlich ein wichtiger Aspekt.
Ich bin froh, dass sich, wenn die Rutschklausel erfüllt ist,
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der Organisationsstau beim BGH – wenige Senate mit teilweise vielen Richtern, die aber den Flaschenhals im Senatsvorsitz nicht überwinden konnten – auflöst. Wir können hier zu guten und flexiblen Lösungen kommen, die auch die Rechtsprechung dort unterstützen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Von wem?
Von dem Kollegen der FDP.
Herr Martens.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Sie haben eben gesagt, mit der Einrichtung eines weiteren Strafsenates in Leipzig sei die Rutschklausel erfüllt. Darf ich davon ausgehen, dass die CDU damit eine weitere Anwendung der Rutschklausel in anderen Fällen nicht mehr beabsichtigt?
Das ist der Hintergrund dieser Entscheidung der Haushälter. Sie haben entschieden, Geld für die zwei Senate auszugeben. Das beruht auf der Geschäftsgrundlage, dass damit die Rutschklausel erfüllt ist. So sehen es nach meiner Kenntnis auch die Sachsen.
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Sie wissen auch, dass die Rutschklausel eine nicht erzwingbare Vereinbarung ist – sie resultiert noch aus der Zeit des Einheitsvertrages – und dass wir jederzeit diese Vereinbarung aufheben könnten. Der politische Background der Zusage, zwei neue Senate zu schaffen, ist, damit die Rutschklausel zu erfüllen. Sachsen wird sich nach meiner Kenntnis nicht weiter darauf berufen, sondern erkennt an, dass damit sein Anspruch erfüllt ist. Das finde ich eine sehr vernünftige Regelung. Wenn wir diese noch parlamentarisch absichern sollen, wäre jedenfalls meine Bereitschaft dafür gegeben.
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– Ja, genau.
Kommen wir noch mal zu den Ländern. In der Tat ist es jetzt an den Ländern, ihren Anteil an den 2 000 Stellen, die insgesamt im Koalitionsvertrag genannt sind, zu erfüllen. Die Zahl richtet sich nach dem Bedarfsberechnungssystem PEBB§Y. Wir haben jetzt die Situation, dass bei den Ländern die Erwartungshaltung entstanden ist, dass der Bund dabei substanziell hilft. Ich denke, dass wir das auch tun sollen und müssen. Wir können uns nicht darauf berufen, dass es aufseiten der Länder nur um die Erfüllung der eigenen Verbindlichkeiten geht. Dafür, dass jeder sagt: „Wir machen unsere Aufgaben“, hätte es keinen Pakt gebraucht. Vielmehr appelliere ich daran, dass wir Wege finden, den Ländern zu helfen; denn wenn es so einfach wäre, wenn sie es könnten, dann hätten sie es getan.
Ich möchte aber auch erwähnen, dass viele Länder gerade in den letzten Jahren hier deutliche Fortschritte gemacht haben. Das ist wirklich toll, und damit haben sich die Länder Lorbeeren verdient. Die wollen wir uns nicht selber an den Hut stecken, indem wir sagen: Wir schließen jetzt einen Pakt. Mein Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen hat hier ganz gezielt – gerade auch nach dem Regierungswechsel – eine Priorität gesetzt und richtig Geld in die Hand genommen, um Stellen aufwachsen zu lassen. Ich nenne dieses Beispiel stellvertretend für viele andere Bundesländer, die das auch gemacht haben; das muss hier auch einmal erwähnt werden. Mein Appell ist, dass wir nach Möglichkeiten suchen, die zu einer substanziellen Entlastung der Länder führen. Digitalisierung wäre da ein wichtiger Punkt; den sollte man nicht auslassen. Es ist bisher leider einiges versäumt worden. Es ist eben nicht damit getan, nur eine Werbekampagne zu machen oder die Pressesprecher zu schulen. Vielmehr müssen da noch mehr Vorschläge kommen. Ich hoffe, dass aus dem Hause der Ministerin noch mehr kommt.
In der letzten Minute meiner Redezeit möchte ich ganz kurz ein Thema ansprechen, das auch mit Geld zu tun hat und uns hier schon in der letzten Legislaturperiode beschäftigt hat, nämlich die Vergütung der Betreuer. Die Regelung ist sehr schwierig, da wir das Gesetz zu machen haben, aber die Länder dafür die Mittel aufbringen müssen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode hier im Hause einen einstimmigen Beschluss gefasst, dass wir zu einer deutlichen Erhöhung der Vergütung bereit sind. Die Länder haben es allerdings im Bundesrat liegen gelassen. Ich weiß, dass es dort gute Gespräche gibt; wir haben sie an verschiedenen Stellen begleitet. Es ist notwendig, dass wir zu einer Erhöhung der Betreuervergütung kommen. Wir erleben jetzt schon, dass viele Betreuervereine die Brocken hinwerfen. Wir erleben auch, dass Betreuer aufhören, weil sie ihre Kosten nicht mehr refinanzieren können oder zu viele Fälle annehmen müssen, um sich zu refinanzieren. Das führt nicht zu einer Qualitätssteigerung. Wir warten darauf, dass es hier zu einer konstruktiven Einigung kommt und sind dann auch bereit, schnell zu handeln und das entsprechende Gesetz zu liefern.
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Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Für die FDP-Fraktion hat das Wort die Kollegin Katharina Willkomm.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab möchte ich gerne den Kollegen Uhl korrigieren: Die FDP hat dem Antrag der Großen Koalition zum Forum Recht in Karlsruhe zugestimmt.
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Bei der Haushaltsdebatte 2018 habe ich gesagt: Die FDP fragt nicht, wo jemand herkommt, sondern wo jemand hinmöchte. Heute wissen wir: Sie, liebe Frau Dr. Barley, wollen nach Straßburg. Und was bleibt zurück? Eine Musterfeststellungsklage, ein Mietrechtsbürokratie-Auflade-Gesetz, eine Reihe von Ankündigungen, diffus beim Bestellerprinzip, haarsträubend bei der Frauenquote – es bleiben viele Fragen und der Einzelplan 07. Zu den Ausgaben von rund 90 Millionen Euro gehören etwa 13 Millionen Euro für die Verbraucherzentrale Bundesverband. Circa 19 Millionen Euro stellen Sie für Verbraucherinformationen zur Verfügung. Das ist viel Steuergeld; es sind hoffentlich sinnvolle Investitionen in die Zukunft.
Der vzbv leistet wertvolle Aufklärungsarbeit, etwa mit dem Materialkompass für Schulen. Ich begrüße jede Maßnahme, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu kompetenten, selbstbestimmten Entscheidungen befähigt. Vor allem begrüße ich Maßnahmen, die den Bürger selbst zu kompetenten Entscheidungen befähigen. Deshalb stören mich immer noch die Hardwarefehler, die die Regierung in die Musterfeststellungsklage eingebaut hat,
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vor allem stört mich, dass Sie es den Menschen nicht zutrauen, sich selbst zu einer Kampfgemeinschaft zusammenzuschließen. Stattdessen schieben Sie zwingend einen aufsichtsführenden Verband vor. Warten Sie nicht bis Straßburg, Frau Dr. Barley, gehen Sie jetzt über den Justizministerrat nach Brüssel, und reparieren Sie über die EU-Verbandsklage, was bei der Musterfeststellungsklage von Anfang an defekt ist.
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Ein Kernanliegen der Ministerin laut Haushaltsentwurf ist – ich zitiere – „der Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher und die Gewährleistung einer angemessenen Interessenvertretung“. Das kann man gar nicht falsch finden. Denkbar unpassend ist es hingegen, wenn ein Ministerium, also die Exekutive, Partei ergreift und sich per Tweet wie Bolle freut: Hurra! Nun werden Unternehmen und Banken per Musterfeststellungsklage verklagt. – Schweigen wäre angebrachter; denn jetzt haben wir genau die Art von Aufgabenverwirrung, vor der Anwalts- und Justizverbände gewarnt haben, als der Verbraucherschutz ins Justizministerium gewandert ist.
Noch unverständlicher ist, dass Ihr Kabinettskollege Scheuer den Ressortzuschnitt so versteht, dass er mit Verbraucherinteressen so gar nichts zu tun hat. Wie kann es sein, dass das Kraftfahrt-Bundesamt, das dem Verkehrsministerium nachgeordnet ist, jahrelang personell so schlecht ausgestattet ist, dass es auch bei gutem Willen seinen Aufgaben nicht gut nachkommen kann?
Wie kann es sein, dass das KBA den vom Dieselskandal Betroffenen Werbebriefe für die Autohersteller schickt und der Steuerzahler auch noch für das Porto aufkommt? Wieso fällt dem Verkehrsminister angesichts der grassierenden Straßensperrungen als Erstes ein: „Die Leute sollen sich halt ein neues Auto kaufen“? Wie kommt er außerdem dazu, Richter zu kritisieren, die nach Recht und Gesetz urteilen?
Wie kommt es, dass der Verkehrsminister einen pompösen Fluggipfel veranstaltet, die Fluggäste, die am meisten von Ausfällen betroffen sind, aber vergisst? Was genau soll es bedeuten, wenn der Verkehrsminister verlautbaren lässt, er wolle die Erfahrungen mit den zahlreichen Flugverspätungen in Neuverhandlungen der Fluggastrechte-Verordnung einfließen lassen? Liegen denn die Probleme nicht eigentlich in der Rechtsdurchsetzung? Liegt die Zuständigkeit für Rechtsdurchsetzung nicht immer noch beim nationalen Gesetzgeber?
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Zum Gesamteindruck, den diese Regierung vermittelt: Wie peinlich ist es eigentlich, dass die Verbraucherministerin hier mit dem Besenwagen hinterherfahren muss und nur zwei Monate nach dem ersten Fluggipfel einen zweiten auf Druck des vzbv veranstaltet?
Wir erleben hier ein weiteres Mal, dass ein CSU-Minister irgendwas verbaselt und jemand von der SPD die Scherben wieder einsammeln muss. Die Große Koalition ist ein Trauerspiel; darüber kann auch ein milliardenschwerer Bundeshaushalt nicht hinweghelfen.
Vielen Dank.
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Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege Friedrich Straetmanns.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Zur Beratung steht heute der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf dem Etat des Bundesverfassungsgerichts, einer wichtigen Institution unserer Rechtsordnung.
Zunächst möchte ich hierzu ein paar allgemeine Anmerkungen machen. Der Rechtsfrieden in unserem Land ist in Gefahr wie schon lange nicht mehr. Trotz zurückgehender Kriminalität fühlen sich Teile der Bevölkerung immer weniger sicher. Befeuert und assistiert – auch hier im Bundestag – von den Kolleginnen und Kollegen ganz rechts außen, wird dann schnell der Ruf nach härteren Strafen und mehr polizeilichen Kompetenzen laut. Gerade bei den beiden Koalitionsfraktionen wurde dieser Ruf viel zu oft gehört, und ebenfalls viel zu oft ging dabei jedes Maß verloren.
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In dieser Legislaturperiode beabsichtigt die Koalition mit einem Pakt für den Rechtsstaat, Vertrauen in diesen zu fördern. Unter anderem soll dies durch Stellenaufwuchs bei den Gerichten geschehen. Für die Bundesgerichte gibt es hierzu bereits Vorschläge; für die Länder liegt außer Absichtserklärungen bisher nichts vor. Die Hauptlast in Sachen Justiz liegt jedoch bei den Bundesländern. Der Bund ist aufgerufen, diese zu entlasten. Mein Kollege Victor Perli hat Ihnen hierzu ja schon Vorschläge gemacht, auf die ich hier noch weiter eingehen möchte.
Die Justiz in den Ländern ist in hohem Maße mit der Verfolgung von Bagatelldelikten beschäftigt, an der aus Sicht meiner Fraktion kein erkennbares rechtspolitisches Interesse besteht. Als Beispiel seien hier nur die Kriminalisierung von Cannabis oder die Verfolgung sogenannter Schwarzfahrer genannt. Nun trifft diese im Fall des Schwarzfahrens ganz überwiegend Menschen mit geringem Einkommen. Diese verbüßen in der Folge viel zu oft eine Ersatzfreiheitsstrafe. Ins Gefängnis zu gehen, weil man eine Geldstrafe nicht bezahlen kann, ist in vielerlei Hinsicht Unsinn.
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Jedem Strafrechtler ist klar, dass kurze Freiheitsstrafen der Resozialisierung abträglich sind. Wer das nicht glauben mag, mag sich § 47 des Strafgesetzbuches vor Augen führen. Dort ist festgehalten, dass kurze Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen verhängt werden dürfen. Daher rufe ich Sie auf: Schlagen Sie einfach zwei Fliegen mit einer Klappe. Beenden Sie die Verfolgung dieser Bagatelldelikte. Schaffen Sie Ersatzfreiheitsstrafen ab.
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Damit beenden Sie auch ein unwürdiges Kapitel deutscher Klassenjustiz und sparen den Justizressorts der Länder viel Geld. Wenn Sie dann noch auf die Länder einwirken möchten, schlage ich Ihnen vor, das auf dem Gebiet der Sozialgerichtsbarkeit zu tun. Das durch Übernahme unserer Vorschläge eingesparte Geld wäre hier vernünftig eingesetzt. Aus meiner Erfahrung als Sozialrichter kann ich Ihnen sagen: Hier steht der Sozialstaat auf dem Prüfstand. Zügige Entscheidungen sind hier besonders wichtig, da es oftmals um die nackte Existenz der Klägerinnen und Kläger geht. Schnelle Verfahren brauchen allerdings mehr Personal. Ein Aufwuchs ist daher dringend erforderlich.
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Zum Schluss zum Bundesverfassungsgericht. Meine Fraktion hält eine angemessene Ausstattung des Bundesverfassungsgerichts natürlich für unterstützenswert, dies allein schon aufgrund der Tatsache, dass Karlsruhe den immer weiter ausufernden Law-and-Order-Gelüsten der Exekutive regelmäßig Paroli bieten muss. Erst kürzlich haben wir deshalb gemeinsam mit Grünen und FDP dort eine Normenkontrollklage gegen das unsägliche bayerische Polizeiaufgabengesetz erhoben. Mit der Ausstattung allein ist es im Fall des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht getan. Es bedarf auch des Respekts vor dieser Institution, insbesondere durch gebotene Zurückhaltung bei der Erweiterung von Eingriffsbefugnissen für Polizei und Geheimdienste,
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aber auch bei der Wahl von Richterinnen und Richtern zum Bundesverfassungsgericht. In einer Zeit, in der in Europa Rechtsideologen demokratisch verfasste Staaten herausfordern, müssen wir alles tun, um die Glaubwürdigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit zu gewährleisten. Ich komme zum Ende: Ein Kandidat, der heute direkt aus dem Bundestag nach Karlsruhe gewählt werden soll, hier im Bundestag aber eher als Cheflobbyist der Automobilkonzerne aufgefallen ist, trägt hierzu nicht bei.
Vielen Dank.
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Die nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt ist insgesamt größer geworden, auch wenn Justiz nach wie vor mit Abstand der kleinste Einzelhaushalt geblieben ist. Daran hat auch der angekündigte Pakt für den Rechtsstaat nichts geändert. Trotzdem freuen wir uns, dass das Parlament in letzter Minute eine Verstärkung des Bundesgerichtshofes um gleich zwei Senate veranlasst hat. Allerdings wurde dabei die Beschlusslage des Bundestages übersehen, wonach für jeden neuen Zivilsenat in Karlsruhe ein Strafsenat nach Leipzig umziehen sollte.
Wir fragen uns außerdem, warum Sie als Ministerin diese Stärkung des Bundesgerichtshofes nicht selbst vorgeschlagen haben. Schließlich brauchen wir in absehbarer Zeit eine Veränderung bei den zulässigen Rechtsmitteln, die ohne eine solche Stärkung schwierig werden würde.
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So kann die provisorische Streitwertgrenze für Nichtzulassungsbeschwerden zum BGH nicht alle zwei Jahre immer wieder verlängert werden. Wir Grüne hatten unter anderem vorgeschlagen, stattdessen die mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz wieder zur Regel zu machen, um die Akzeptanz der Entscheidung zu erhöhen.
Auch die Ungleichbehandlung in Familienverfahren muss endlich beendet werden. Es ist nicht verständlich, warum es in familiengerichtlichen Verfahren weniger Rechtsschutz gibt als in anderen zivilrechtlichen Verfahren.
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Zur Begründung hieß es immer, man bräuchte dann einen zweiten Familiensenat beim BGH. Jetzt stehen die Mittel bereit, und das Argument entfällt.
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Wir vermissen außerdem eine entsprechende Verstärkung des Bundesverwaltungsgerichts. Das würde mehr Verfahren beschleunigen als jedes Planungsbeschleunigungsgesetz,
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zumal Sie ja mit diesem Gesetz dem Bundesverwaltungsgericht noch die Streitsachen für Infrastrukturvorhaben zugewiesen haben. Wie soll das gehen ohne zusätzliche Ressourcen?
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Gut finden wir die zusätzlichen 21 Stellen beim Generalbundesanwalt, und wir hoffen, dass diese Stellen auch der so wichtigen Völkerstrafrechtsabteilung zugutekommen. Aber auch diese Stellen sind Ihnen erst vom Parlament in den Haushalt hineingeschrieben worden. Nur die zusätzlichen 74 Stellen in Ihrem eigenen Ministerium hatten Sie schon selbst eingeplant.
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Aber gut, dass es jetzt in Ihrem Haus eine ganze Unterabteilung für den Pakt für den Rechtsstaat gibt. Sonst ist nämlich von dem Pakt bislang nicht viel zu sehen. Die Ankündigung von 2 000 zusätzlichen Richterstellen aus dem Koalitionsvertrag entpuppt sich zunehmend als heiße Luft. Die Aufstockung würde sich auf rund 400 Millionen Euro jährlich belaufen, und die Länder fragen zu Recht, wo die denn nun herkommen sollen. Und wo bleibt eigentlich die Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege in Ihrem Pakt? Was bringt der schönste Rechtsstaat, wenn die Bürger keinen Zugang mehr dazu haben?
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Frau Ministerin, Sie haben zu diesem Pakt für den Rechtsstaat noch nicht wirklich viel beigetragen. Das liegt wohl kaum daran, dass zu viel Energie in die anstehenden Gesetzesvorhaben gesteckt wird. Wo bleibt zum Beispiel die schon in der letzten Legislaturperiode angekündigte Verschärfung des Ordnungswidrigkeitenrechts gegenüber juristischen Personen und Unternehmen?
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Wo bleibt die Umsetzung der Vorschläge des Arbeitskreises Abstammungsrecht? Zwei Jahre lang haben die Experten getagt, und der Abschlussbericht liegt lange vor. Wann geht es hier weiter?
Mit dem Strafgesetzbuch ist es wie mit dem Haushalt. Es bläht sich auf. Neues kommt immer schneller hinein, als Altes hinaus. Alle paar Wochen kommt von der SPD-Fraktion die Ankündigung: Jetzt würde aber bald wirklich was passieren beim § 219a. Ja wer soll denn das noch glauben?
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Sogenannte Lebensschützer nutzen die Defizite des Gesetzes, um flächendeckend Strafanzeigen gegen Ärzte zu erstatten. Sowohl das Berufungsurteil in Sachen Hänel als auch die Anhörung im Rechtsausschuss haben den gesetzgeberischen Handlungsbedarf klar bestätigt. Also: Auf was warten Sie noch? Harmonischer wird es in dieser Koalition sicherlich nicht mehr.
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Unser freiheitlicher Rechtsstaat braucht eine starke, durchsetzungsfähige Justizministerin. Zeigen Sie endlich, dass Sie diesem Anspruch gerecht werden und nicht nur auf den Abruf nach Europa warten!
Vielen Dank.
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Der nächste Redner: der Kollege Dr. Johannes Fechner, SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Tribünen! Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt, und wir sind weit davon entfernt, eine Krise des Rechtsstaates in Deutschland zu haben. Aber wir können noch mehr für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger tun, und wir können mehr tun, damit das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat gestärkt wird. Und genau das machen wir mit dem Haushalt: Wir tun viel für noch mehr Sicherheit für die Bürger, und wir tun viel, um den Rechtsstaat in Deutschland zu stärken. Und das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Mit dem Pakt für den Rechtsstaat, den ich mir zugegebenermaßen auch in einem fortgeschritteneren und konkreteren Stadium wünschen würde, werden wir gemeinsam mit den Ländern für die Justiz 2 000 zusätzliche Stellen schaffen, die dort dringend benötigt werden. Wir erwarten, dass auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 6. Dezember – 2018, das muss man immer dazusagen – konkrete Beschlüsse gefasst werden, wie dieser Pakt umgesetzt wird. Wir sind dankbar, dass Ministerin Barley hierzu konkrete Vorschläge gemacht hat. Die müssen nun umgesetzt werden. Es muss insbesondere klar sein, wie viele Stellen in welchem Bundesland geschaffen werden, und vor allem, wie es finanziert wird. Das muss kommen, damit dieses wichtige Projekt für unser Land vorankommt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Auf Bundesebene gehen wir voran und schaffen in diesem Haushalt 24 neue Stellen beim Bundesgerichtshof, nämlich einen Zivilsenat in Karlsruhe und einen Strafsenat in Leipzig. Das entspricht zumindest dem Geist der Rutschklausel.
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Dem Genörgel der Opposition will ich ganz klar entgegenhalten: Es ist doch gut, dass wir den Rechtsstaat stärken, und zwar gleichermaßen in Ost und in West.
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Und ebenso in Ost und West engagieren wir uns für den Rechtsstaat mit dem Forum Recht. Rund 900 000 Euro stellen wir für die weiteren Planungen und Vorbereitungen in Karlsruhe zur Verfügung. Damit stellen wir sicher, dass dieses wichtige Projekt realisiert werden kann.
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Meine Damen und Herren, das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat hat nicht zuletzt durch den Dieselskandal ganz erheblich gelitten. Deshalb kann man schon jetzt sagen, dass das Gesetz zur Musterfeststellungsklage eines der wichtigsten Gesetze in dieser Wahlperiode ist. Wir haben uns sehr gefreut, dass ADAC und Verbraucherzentrale dieses Gesetz sofort anwenden und die Musterklage gegen VW eingereicht haben; denn es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Politik vor den Konzernen kuscht oder einknickt.
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Nein, wir haben mit diesem Instrument eine wichtige Möglichkeit geschaffen, dass Bürgerinnen und Bürger schnell und ohne Kostenrisiko zu ihrem Recht kommen, meine Damen und Herren. Ein ganz wichtiges Gesetz.
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Zum Verlust des Vertrauens in den Rechtsstaat trägt leider auch bei, dass sich die AfD nicht an Recht und Gesetz hält. Sie haben Hunderttausende Euro von angeblich Ihnen unbekannten Personen angenommen und damit politische Arbeit gemacht. Das lässt die Bürger zu Recht daran zweifeln, dass Sie unabhängig sind; das lässt Bürger in der Tat glauben, dass Politik käuflich sein kann.
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Das sät das Misstrauen der Bürger in Bezug auf rechtsstaatliche Zustände. Zu Recht haben Sie hier Ihre Glaubwürdigkeit verloren, liebe Kollegen von der AfD.
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Wir freuen uns, dass Ministerin Barley angekündigt hat, noch im Dezember Vorschläge zur Reform des Strafprozessrechtes vorzulegen. Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt. Wir brauchen nicht immer schärfere Gesetze, sondern wir brauchen mehr Personal und effektivere Strafverfahren, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger noch zu verbessern. Deswegen ist es sehr gut, dass Frau Barley angekündigt hat, im Dezember diese Vorschläge vorzulegen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Weil viele Bürgerinnen und Bürger der Meinung sind, dass Konzerne bei Rechtsverstößen ungeschoren davonkommen, ist es gut, dass wir das Unternehmenssanktionsrecht verbessern werden. In der Tat: Es ist nicht einzusehen, dass große, umsatzstarke Konzerne bei Rechtsverstößen Geldbußen aus der Portokasse bezahlen können. Nein, hier werden wir Änderungen durchführen. Wir werden dafür sorgen, dass zukünftig 10 Prozent des Umsatzes als Geldbuße verhängt werden können. Bei einem Umsatz von 1 Milliarde Euro sind das 100 Millionen Euro an Bußgeld. Damit machen wir klar: Auch für große Konzerne gilt Recht und Gesetz, und das setzen wir auch durch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Schließlich ist es gut – ich komme zum Schluss –, dass die Bundesregierung angekündigt hat, in diesem Herbst, und zwar in der Dezembersitzungswoche, den Vorschlag für den § 219a zu präsentieren. Darauf sind wir gespannt. Es ist gut, dass dieser Vorschlag noch in diesem Jahr, im Herbst, kommt. Denn wir müssen Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte und einen einfachen Zugang für Frauen in schwieriger Situation zu Informationen über Schwangerschaftsabbrüche ermöglichen. Das ist für uns in der SPD-Fraktion ein ganz wichtiges Thema.
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Vielen Dank.
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Für die Fraktion der AfD hat das Wort nun der Kollege Stephan Brandner.
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Meine Damen und Herren! Vier Minuten sind nicht lang; da fange ich gleich mal an.
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Der Haushaltsplan des Justizministeriums steckt voller Überraschungen, meine Damen und Herren, und es sind keine guten Überraschungen. Die erste Überraschung sind die gegenüber 2017 stark erhöhten Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit. Es droht dabei, dass dieses Geld für parteiische Einflussnahme missbraucht wird, meine Damen und Herren.
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Denn erst neulich war ja zu erleben, dass Frau Barley sozusagen offiziell abstruse Diktaturvergleiche zulasten der Opposition bzw. zulasten der AfD in die Welt sandte.
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Und warum? Nur weil wir auf die Neutralitätspflicht der Schulen hingewiesen hatten. So was droht hier auch weiter. Verunglimpfung der Opposition, finanziert durch Staatsmittel,
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ist ein Zeichen für eine zumindest angeschlagene Demokratie und weiß Gott kein Ruhmesblatt, Frau Barley.
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Eine weitere Überraschung ist, dass auf der offiziellen und steuergeldfinanzierten Netzseite des Ministeriums interessanterweise die privaten Facebook- und Twitter-Auftritte der Frau Barley verlinkt sind und beworben werden und damit zweifelsohne Amtliches und Privates vermischt werden. Vielleicht fließt also auch ein Teil dieses neuen Geldes für die Öffentlichkeitsarbeit in das, was Sie da privat vermarkten, Frau Barley, genauso wie in eine aktuelle Meldung, die ich Ihrer Facebook-Seite entnommen habe, wo Sie offenbar mit Herrn Soros Gespräche geführt haben über – ich zitiere – „die Bedeutung einer lebendigen #Zivilgesellschaft für die Zukunft unserer #Demokratie“; Zitat Ende. Frau Barley, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Sie reden da mit einem zwielichtigen, dubiosen
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internationalistischen Strippenzieher über die Zukunft unserer Demokratie. Frau Barley, da hätte ich mir gewünscht, dass Sie die Inhalte dieses Gespräches und das Ziel dieses Gespräches einmal veröffentlicht hätten.
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Zig Millionen, meine Damen und Herren, werden für internationale Beratungshilfe und Demokratieprojekte ausgegeben. Das Geld fließt in ausländische Konferenzen über berufliche Weiterbildung von Haftinsassen. Ich denke, das Geld wäre für deutsche Haftinsassen besser geeignet, Frau Barley.
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Tausende Euro für internationale Tagungen über Gesetzesfolgenabschätzungen werden rausgehauen, ohne dass hierzulande über Gesetzesfolgenabschätzung geredet wird; ich denke da mal an das EEG oder an die Verordnung zu Stickoxiden im Straßenraum. Da hätte man mal Gesetzesfolgenabschätzung betreiben müssen, Frau Barley.
Bevor Sie Fachgespräche zum weißrussischen Gerichtsvollzieherwesen finanzieren, könnten Sie ja mal die deutschen Gerichtsvollzieher ein bisschen unterstützen, die Sie ganz despektierlich im Koalitionsvertrag als „Folgepersonal“ bezeichnet haben. An dieser Stelle, meine lieben Damen und Herren Gerichtsvollzieher, meine lieben Rechtspfleger und Amtsanwälte: Für uns von der AfD sind Sie kein Folgepersonal; Sie sind hochqualifiziertes juristisches Personal, auf das Deutschland nicht verzichten kann. Danke an Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger und Amtsanwälte von hier aus!
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Meine Damen und Herren, man findet auch die seltsame Magnus-Hirschfeld-Stiftung.
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Herr Kahrs ist gerade nicht da; er hat wahrscheinlich ein bisschen was dazu beigetragen, dass auch die – seltsamerweise – aus dem Justizhaushalt finanziert wird.
Finanziert werden auch die Parlamentarischen Staatssekretäre, von denen es inzwischen so viele gibt wie noch nie: Ganze 35 Parlamentarische Staatssekretäre gibt es in der Regierung; zwei sind dem Justizministerium zugeordnet. Kosten: 19 Millionen Euro im Jahr, meine Damen und Herren. Diese Parlamentarischen Staatssekretäre dienen dazu, die Minister zu entlasten, Minister, die nebenbei auch noch Abgeordnete sind. Ich würde sagen: Bevor Sie Parlamentarische Staatssekretäre einstellen, legen Sie doch erst mal Ihr Mandat nieder, und konzentrieren Sie sich auf Ihre Ministerarbeit! Deshalb unser Entschließungsantrag, Parlamentarische Staatssekretäre abzuschaffen! Meine Damen und Herren, die braucht kein Mensch.
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Vieles liegt im Argen: Die Musterfeststellungsklage wurde angesprochen. Das NetzDG: eine völlige Katastrophe, meine Damen und Herren. Der Pakt für den Rechtsstaat – wurde schon mehrfach hier angesprochen –: außer Spesen nichts gewesen. Er ist grundgesetzkonform nicht hinzubekommen. Frau Barley, Sie müssen in Ihrem Ministerium mal ordentlich aufräumen und aufhören, viele Gelder in Facebook, Twitter und Treffen mit George Soros zu stecken.
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Aufgrund der genannten Mängel, meine Damen und Herren, wird es Sie nicht überraschen, dass die AfD-Fraktion – ich hoffe, ihr zieht alle mit – diesen Einzelplan ablehnt.
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An dem Einzelplan ist wirklich nicht viel Gutes.
Dem Einzelplan 19 hingegen, meine Damen und Herren – er betrifft das Bundesverfassungsgericht –, werden wir zustimmen, obwohl der Kollege Jacobi vorhin zu Recht geäußert hat, was beim Bundesverfassungsgericht wirklich bedenklich läuft, insbesondere die Benennung der Richter.
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Man stelle sich einmal vor, meine Damen und Herren, in Polen oder in der Tschechei wäre es so, dass der stellvertretende Vorsitzende einer Regierungsfraktion Verfassungsgerichtspräsident werden soll. Überlegen Sie sich mal, was da los wäre, wenn der stellvertretende Vorsitzende einer Regierungsfraktion hinter Türen als Kandidat ausgekungelt und seine Wahl mit Fristverkürzung durch das Parlament getrieben würde, was da zu Recht los wäre! Wir zeigen auf Polen, auf Tschechen, aber drei Finger zeigen immer auf einen zurück – ich habe das gestern oder vorgestern schon mal erwähnt.
Herr Kollege Brandner, achten Sie auf die Zeit, bitte.
Genau so ist es hier mit dem Bundesverfassungsgericht, das es verdient hätte, dass würdevoller mit ihm umgegangen wird.
Vielen Dank.
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Der nächste Redner ist der Kollege Sebastian Steineke, CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Lieber Kollege Brandner, wir kungeln nicht aus, wir wählen in freier und geheimer Wahl einen Richter für das Bundesverfassungsgericht.
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Das ist die Realität in diesem Hause. Das muss Ihnen nicht schmecken; aber die Wahrheit steht in der Tagesordnung; können Sie lesen.
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Zurück zur Sache. Der Haushalt, über den wir heute reden, ist – das ist bekannt und auch vielfach gesagt worden – relativ klein, aber nicht, weil er unwichtig ist; er ist uns vielmehr besonders wichtig. Neben den Mitteln für einen funktionierenden Rechtsstaat ist in unserem Haushalt auch der große Bereich des Verbraucherschutzes enthalten. Auch hiervon kann faktisch jeder Bürger – wie bei der Justiz – jeden Tag betroffen sein. Es wird deutlich: Es gibt viele primär dem Verbraucherschutz zuzuordnende Bereiche, die wir mit dem Haushalt 2019 dankenswerterweise weiter fördern.
So haben wir für den Verbraucherzentrale Bundesverband zwei weitere Planstellen vorgesehen, die schon im 2018er-Haushalt vorhanden waren, aber jetzt erst umgesetzt werden. Wir werden dem Verbraucherzentrale Bundesverband auch 2019 weitere Mittel zur Verfügung stellen, weil wir – Kollege Fechner hat darauf hingewiesen – die Musterfeststellungsklage beschlossen haben und mit diesem Instrument die Klage für die Verbraucherinnen und Verbraucher schneller und kostengünstiger und für alle einfacher machen wollen.
Im Übrigen: Dass die Musterfeststellungsklage funktioniert, zeigt, dass nicht nur der ADAC und die Verbraucherzentrale entsprechende Klagen eingereicht haben, sondern es eine weitere Klage gibt, die bereits öffentlich bekannt gemacht worden ist. Die Verbraucherzentrale ist in diesem Bereich eine qualifizierte Einrichtung und kann klagen; weitere Voraussetzungen muss sie nicht nachweisen.
Um das Instrument nicht ins Leere laufen zu lassen und es praxistauglich zu gestalten, haben wir uns bereits im Koalitionsvertrag und im Gesetzgebungsverfahren geeinigt, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Insbesondere geht es natürlich um Mittel im Zusammenhang mit dem Thema Vermögensschadenhaftpflichtversicherung; das ist eine ganz wichtige Geschichte, die wir im 2019er-Haushalt – vielen Dank an die Haushälter – mit einem eigenen Titel abgebildet haben. Der vzbv ist hier handlungsfähig, und andere schlagen diesen Weg auch schon ein.
Ich freue mich auch, dass wir auf speziellen Wunsch der Union das Thema „Legal Tech“ zum ersten Mal im Haushalt verankert haben. Es geht dabei um Mittel zur Untersuchung von Qualitätssicherung und Diskriminierungsfreiheit. Legal Tech sollte in der Zukunft ein wichtiger Baustein der Justizpolitik werden – mit entsprechender Software und Onlinediensten. Aber es ist notwendig, die Hintergründe zu beleuchten. Insofern ist es gut, dass wir dafür zum ersten Mal einen Titel im Bundeshaushalt aufgelegt haben. Das war unser spezieller Wunsch, und das freut uns besonders.
Bei allem Erreichten, das uns positiv stimmt, gibt es natürlich in diesem Bereich ein paar Themen, die wir für diese Legislaturperiode mitgenommen haben:
Zum einen gibt es im Wohnungseigentumsrecht erheblichen Reformbedarf. Die Wohnungseigentümergemeinschaften sind übrigens laut Bundesgerichtshof seit 2015 in vielen Fällen auch Verbraucher; darauf kann man auch einmal hinweisen. Eine entsprechende Änderung haben wir in der letzten Legislaturperiode nicht mehr hinbekommen. Nun haben wir im aktuellen Koalitionsvertrag eine umfassende Reform vereinbart. Kosmetische Eingriffe allein – ich glaube, da sind wir uns einig – reichen hier nicht mehr aus. Es gibt einen guten Vorschlag aus Bayern, der viele Punkte aufnimmt, die uns wichtig sind, aber wir sollten noch weitergehen: Digitalisierung der Eigentümerversammlung, Harmonisierung von WEG und Mietrecht, Rechte der Verwalter bis hin zu dem Thema Mehrheitsverhältnisse in den Eigentümerversammlungen. Wir sollten hier wirklich groß denken und das Thema neu aufstellen. Ich hoffe, dass wir in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu guten Ergebnissen kommen und am Ende des Tages vielleicht schon 2020 Ergebnisse präsentieren können.
Ein Thema – es ist vorhin schon angesprochen worden –, das ebenfalls eine große Rolle spielen wird und das uns wichtig ist, sind die Fluggastrechte. Laut „Handelsblatt“ hat das Bundesjustizministerium auf Anfrage von Flightright zunächst erklärt, dass es keinen weiteren Handlungsbedarf sieht. Wir haben uns gefreut, dass das inzwischen anders ist. Wir haben die Ankündigung aufgenommen, dass Sie einen Verbrauchergipfel zum Thema Fluggastrechte durchführen wollen; das halten wir für richtig. Wir brauchen klarere Regeln für mehr Transparenz, für bessere und schnellere Verbraucherinformation und vor allen Dingen zur stärkeren Durchsetzbarkeit der Ansprüche. Es ist keine Frage: Das muss schneller und einfacher gehen.
Im Übrigen haben wir schon im Koalitionsvertrag zu diesem Thema vereinbart, dass wir gegen die Abtretungsverbote für Forderungen gegenüber Gesellschaften in deren AGB vorgehen wollen. Inzwischen gibt es eine entsprechende Rechtsprechung vom Landgericht Nürnberg, die das deutlich unterstreicht. Auch für die Entlastung der Justiz wäre es notwendig, dass wir schneller vorankommen und das Thema Abtretungsverbote klar regeln.
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– Ja, es ist ein wichtiges Thema.
Ein letzter Punkt beim Thema Stärkung der Fluggastrechte, über den wir uns sicherlich unterhalten müssen, ist die Sicherung der Ansprüche im Insolvenzfall. Hier hat die Bundesregierung frühzeitig angekündigt, auf europäischer Ebene vorzugehen. Eine europaweite Pflicht wäre aus unserer Sicht notwendig und richtig, da bei Insolvenz ansonsten der Kunde oder der Steuerzahler zahlt. Eine einheitliche Lösung ist unser Ziel. Wir müssen aber auch deutlich sagen: Wir können nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Wenn es auf europäischer Ebene keine Lösung gibt, müssen wir national tätig werden können. Das ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher sehr wichtig.
Erlauben Sie mir zum Schluss in eigener Sache die Erwähnung eines Titels, der für die Rechtspflege in ganz Deutschland wichtig ist. Es geht um die Deutsche Richterakademie in Wustrau, bei mir im Wahlkreis; der zweite Sitz ist bei der Ministerin im Wahlkreis, in Trier. Der Bund ist zu 50 Prozent an den laufenden Kosten beteiligt.
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– Ja, da wird die AfD wieder sagen, da sei etwas ausgedealt worden. – Ist es aber nicht, denn: Der Bund fördert seit Jahren im Übermaß die Richterakademie. Wenn man mit dem Direktor der Richterakademie spricht, hört man, dass er mit der Finanzierung zufrieden ist. In den Haushaltsberatungen ist es ja so: Es beschwert sich der eine oder andere, sie seien nicht ausreichend bedacht worden.
Mein besonderer Dank geht also an die Haushälter; denn gerade bei der Richterakademie besteht massiver Sanierungsbedarf. Sie ist für die Rechtspflege in Deutschland von enormer Bedeutung.
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Meine Damen und Herren, wir haben im Bereich Verbraucherschutz einen soliden Haushalt aufgestellt. Wir können mit Ausgaben von insgesamt 37 Millionen Euro arbeiten. Für Verbrauchervertretungen sind Zuschüsse in Höhe von 12 Millionen Euro vorgesehen. Wir haben im Koalitionsvertrag viele Maßnahmen zum Verbraucherschutz vereinbart. Aber wir sollten nicht aufhören, wir sollten weitermachen. Wir haben die Themen, die uns nächstes Jahr beschäftigen werden, aufgerufen. Wir können über das Thema Inkasso reden. Wir können über das Thema unerlaubte Telefonwerbung reden; auch das ist noch ein großes Thema. Wir haben also auch 2019 eine Menge zu tun. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Kollege Steineke. – Die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion: die Kollegin Sarah Ryglewski.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde meine Redezeit nicht darauf verwenden, mich mit der merkwürdigen Rechtsauffassung des Kollegen Brandner auseinanderzusetzen. Ich sage mal: Jeder blamiert sich, so gut er kann. Ihnen ist das heute wieder hervorragend gelungen.
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Als letzte Rednerin einer Fraktion hat man auch die Aufgabe, die anderen Redebeiträge einzusortieren. Herr Bayaz, Frau Willkomm, so sehr ich Sie schätze, aber ich fand Ihre Einlassungen zur Musterfeststellungsklage, ehrlich gesagt, höchst unkreativ. Wir wissen, dass Sie aus unterschiedlichen Gründen dagegen sind. Das ist Ihr gutes Recht. Wir haben das hier ausführlich diskutiert. Wenn Sie aber schon jetzt meinen, dass die Musterfeststellungsklage scheitern wird, dann riecht das nicht nach Überzeugung, sondern nach Glaskugelgucken und nach Fundamentalismus. Ich sage Ihnen für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aber zu – ich glaube, da kann ich auch für die Ministerin sprechen –: Für uns ist „Wer recht hat, soll recht bekommen“ mehr als ein Satz; für uns ist das ein Versprechen.
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Dieses Versprechen werden wir unabhängig vom gewählten Instrument einhalten. Deswegen sind wir natürlich offen. Wenn wir damit nicht das erreichen, was wir damit erreichen wollen, werden wir natürlich nachbessern. Wir sind auch nicht vernagelt, was andere Formen der kollektiven Rechtsdurchsetzung angeht.
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Natürlich sind wir da in der Diskussionen offen; das haben wir immer wieder gesagt. Aber wir sind nach wie vor von der Wirksamkeit der Musterfeststellungsklage überzeugt. Die Tatsache, dass jetzt schon eine erste Klage vorliegt, die wir auch finanziell unterstützen – dadurch, dass wir den vzbv unterstützen –, zeigt, dass wir hier auf einem guten Weg sind.
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Aber die Musterfeststellungsklage ist nicht alles, was wir im Bereich Verbraucherschutz machen. Das Wichtigste im Bereich Verbraucherschutz ist, dass es gar nicht erst zu Klagen kommt. Deswegen brauchen wir im Vorfeld gute Regelungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher schützen. Ich möchte zwei Bereiche hervorheben, in denen ich einen besonders großen Bedarf sehe. Der eine Bereich ist der finanzielle Verbraucherschutz, der andere die Digitalisierung.
Wir haben zum finanziellen Verbraucherschutz im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir die Regelungen, die wir in den letzten Jahren hier dazu getroffen haben, evaluieren werden. Das ist zehn Jahre nach der Finanzkrise auch bitter nötig; denn die Finanzkrise war ja nicht nur eine Bankenkrise, sondern auch eine Verbraucherkrise. Wir wollen überprüfen, ob die getroffenen Regelungen geeignet sind, eine Wiederholung zu verhindern; denn das muss unser Ziel sein. Wir wollen prüfen: Sind die Finanzmärkte insgesamt verbraucherfreundlicher und sicherer geworden? Wo besteht weiterer Handlungsbedarf? Werden Versicherte ausreichend und gut informiert? Müssen Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer ungerechtfertigte Vorfälligkeitsentschädigungen zahlen, wenn sie vielleicht aus Not heraus ihren Kredit kündigen müssen oder wenn sie umziehen, weil sich ihre Lebensumstände verändert haben?
Ein Thema möchte ich in diesem Zusammenhang ganz besonders hervorheben, weil es hier um Menschen geht, die sich auch sonst immer schlecht wehren können: Es geht um das Girokonto für alle. Das war ein großer Erfolg der letzten Legislaturperiode; das haben wir hier gemeinsam beschlossen. Eine Erhebung der BaFin zeigt, dass das Girokonto für alle grundsätzlich wirkt. Seit Inkrafttreten der Regelung wurden über 540 000 Girokonten auf Basis des „Girokontos für alle“ eingerichtet. Das zeigt, hier bestand ein hoher Handlungsbedarf. Aber die Höhe der Entgelte deutet darauf hin, dass dem Geist des Gesetzes regelmäßig nicht entsprochen wird. Wir haben teilweise Entgelte von bis zu 140 Euro im Jahr. Das ist nicht die reguläre Gebühr für ein Girokonto. Ich sage Ihnen ganz klar: Ich sehe hier Handlungsbedarf. Wenn so eklatant gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen wird, müssen wir nachsteuern.
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Einen letzten Aspekt möchte ich noch hervorheben: Das ist der Bereich Digitalisierung. Wir haben hier, so wie für Finanzen, einen Marktwächter. Der Marktwächter Digitale Welt trägt durch Monitorings dazu bei, entsprechende Entwicklungen im Verbraucherschutz im digitalen Bereich zu erkennen, damit wir Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt bekommen und gegensteuern können. Ich glaube, dass wir diese Arbeit weiter stärken müssen. Ich finde es gut, dass wir das mit diesem Haushalt machen. Aber ich bin mir auch sicher, dass wir in den nächsten Jahren hier noch über sehr viele grundsätzliche Fragen diskutieren müssen; Stichwort etwa: Verbraucherrechte auch als Bürgerrechte in der digitalen Welt. Ich glaube ferner, dass sich das in Zukunft noch viel stärker in diesem Haushalt widerspiegeln muss.
Vielen Dank.
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Der letzte Redner zu diesem Einzelplan ist der Kollege Alexander Hoffmann, CDU/CSU-Fraktion.
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Ich darf Sie bitten, dem Redner zuzuhören und Ihre Gespräche einzustellen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nur einige Wochen her, da hat Wolfgang Schäuble in diesem Saal einen bemerkenswerten Satz gesagt, der mir bis heute nachklingt:
Wir brauchen keine Revolution, sondern einen starken und toleranten Rechtsstaat.
Dieser Satz passt deswegen so gut in die Zeit, weil wir merken, dass die Menschen am Funktionieren des Rechtsstaats zweifeln. Sie zweifeln am Funktionieren des Rechtsstaats, wenn ein Prozess über Schadensersatz vier oder fünf Jahre dauert. Sie zweifeln auch am Funktionieren des Rechtsstaats, wenn ein Strafverfahren wegen Wohnungseinbruchdiebstahls eingestellt wird.
Deswegen ist es richtig, dass wir mit dem Pakt für den Rechtsstaat das Ziel verfolgen, Vertrauen in den Rechtsstaat zurückzugewinnen. Aber genau aus diesem Grund, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Debatte, wie wir sie im Moment mit den Ländern führen müssen – das will ich auch mal so frei heraus sagen –, so wahnsinnig schädlich. Es geht den Ländern ums Geld. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Es ist nachvollziehbar, wenn die Länder sagen: 2 000 Richterstellen und Stellen für Folgepersonal – das Geld dafür fällt nicht einfach vom Himmel. – Aber es ist nicht sachgerecht, wenn die Länder den Eindruck erwecken: Den Pakt für den Rechtsstaat hat uns der Bund eingebrockt, und wir sollen das bezahlen. – Denn angelegt ist das Ganze im Koalitionsvertrag, einem Paket, das geschnürt worden ist – das will ich an der Stelle auch mal sagen – in Anwesenheit der Länder.
Wenn wir den Koalitionsvertrag anschauen, dann sehen wir da ein Gesamtpaket, das eben besteht aus den Aspekten Nehmen und Geben. Und der Bund – das will ich auch mal anmerken – gibt eben auch: Nehmen Sie nur die 2 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau – und zwar über 2019 hinaus, was ja so ursprünglich nicht vorgesehen war – oder zum Beispiel auch die Grundgesetzänderung im Bereich der Schulbaufinanzierung. Deswegen wünsche ich mir von den Ländern schon eine sachgerechtere Herangehensweise und weniger – ich will das mal so sagen – Rosinenpickerei; dann gelingt es uns nämlich tatsächlich, mit dem Pakt für den Rechtsstaat das Vertrauen der Menschen ein Stück weit zurückzugewinnen.
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Frau Ministerin, wenn wir einen starken, einen leistungsfähigen Rechtsstaat haben wollen, dann sind wir uns einig, dass wir das natürlich auch in der digitalen Welt brauchen. Die digitale Welt stellt die Verbrechensbekämpfung natürlich immer wieder vor neue Herausforderungen. Ich war sehr froh, als Sie vor einigen Tagen ganz klar angekündigt haben: Die Strafbarkeit des Versuchs beim Cybergrooming wird kommen. Ich will aber auch sagen: Ich fand es schade, dass Sie heute hier an dieser Stelle dazu nichts gesagt haben; denn wir warten auf diesen Entwurf schon sehr lange.
Meine Damen, meine Herren auf den Besuchertribünen, ich will Ihnen vielleicht skizzieren, um was es beim Cybergrooming geht: Cybergrooming ist das Anbahnen sexueller Kontakte im Internet zwischen Erwachsenen und Minderjährigen.
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So etwas hat früher stattgefunden, indem sich der Täter an einem Kinderspielplatz, an einem Kindergarten, an einer Grundschule platzieren musste – also immer mit dem Risiko der Entdeckung. Heute, im Schutz der Anonymität des Netzes, findet das – die Zahlen sind erschreckend – tatsächlich hundertfach, tausendfach in deutschen Jugend- und Kinderzimmern statt.
Die Ermittler sagen uns: Die einzige Chance, um an diese Täter heranzukommen, ist, dass sich ein verdeckter Ermittler in einem sozialen Netzwerk, in einem Schüler-Chatroom oder neuerdings auch auf irgendeiner Spieleplattform als Minderjähriger ausgibt; so kommt man an die Täter ran. – Da entsteht das Problem: Wenn es im Chatroom gegenüber einem solchen Ermittler, der erwachsen ist, zu Aufforderungen zu eindeutigen Handlungen kommt, dann ist das nicht strafbar, weil der Ermittler erwachsen ist und damit kein taugliches Tatobjekt. Deswegen, liebe Frau Ministerin: Die Zeit drängt. Wir sollten die nächsten Wochen nutzen. Wir hoffen sehr, dass einer der ersten Gesetzentwürfe nach dieser Haushaltsdebatte der zur Strafbarkeit beim Cybergrooming ist.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Internet gibt es viele Baustellen, über die wir uns unterhalten müssen. Wir wissen zum Beispiel, dass gerade im Darknet heute käuflich alles zu erwerben ist. Wir brauchen eine neue strafrechtliche Struktur, um an die Betreiber von solchen Plattformen heranzukommen, weil wir wissen, dass unsere herkömmliche Struktur, nämlich die Strafbarkeit der Beihilfe, dafür allein nicht ausreicht.
Ein weiteres Problem: Wenn wir über den effektiven Kampf gegen Kinderpornografie sprechen, steht uns – die Justizministerkonferenz hat es auch schon thematisiert – auch die Frage ins Haus, wie Ermittler Zugang zu Kinderpornografieplattformen im Darknet erlangen. Auch dort ist der Hintergrund, dass man als Konsument eigentlich nur da draufkommt, wenn man selbst kinderpornografisches Material hochlädt. Das können Ermittler aber nicht, weil sie sich damit strafbar machen. Es gibt in Großbritannien und den USA sehr gute Erfahrungen mit computergenerierten Bildern, die auch so gut sind, dass sie eben nicht einfach aufgeklärt werden können.
Ich glaube, Frau Ministerin, wir sollten uns da nicht von der Justizministerkonferenz treiben lassen, sondern uns selbst an die Spitze der Bewegung setzen. Wenn wir es mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet ernst meinen, dann sollten wir in diesem Bereich alle Register ziehen.
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Am Ende meiner Rede wollte ich eigentlich über das Thema Mieten sprechen, aber da der Kollege Ruppert von der FDP in seiner Rede ein flammendes Plädoyer gegen die Vorratsdatenspeicherung gehalten hat,
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werde ich jetzt einen Werbeblock für die Vorratsdatenspeicherung einfügen.
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Das mache ich nicht, weil das, wie ich weiß, bei der FDP, den Grünen und den Linken durchblutungsfördernd wirkt, sondern weil es einfach nicht sachgerecht ist, auch heute in dieser Debatte nicht, einfach die Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung zu fordern. Wer das fordert, der negiert die Realität.
Die Realität in der digitalen Welt sieht heute anders aus. Ich will Ihnen eine Zahl mitgeben: 2017 hat das BKA 8 400 Fälle von Kinderpornografie – ich wiederhole die Zahl: 8 400 – nicht weiterverfolgen können, weil Verbindungsdaten nicht mehr vorhanden waren. Ich bitte Sie, das in die Debatte mit aufzunehmen. Wer so gegen die Vorratsdatenspeicherung kämpft, der muss wissen, dass er am Ende auch Täter schützt;
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das müssen Sie sich sagen lassen. Das darf nicht sein. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, sodass bei Ihnen vielleicht ein Umdenken einsetzt.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Alexander Hoffmann. – Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 07 – Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Einzelplan 07 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 19 – Bundesverfassungsgericht – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Einzelplan 19 einstimmig angenommen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister Altmaier! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die deutsche Volkswirtschaft ist bei näherer Betrachtung nicht in einer so guten Verfassung wie von der Bundesregierung gerne herausgestellt. Sie ist in hohem Maße von der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank beeinflusst. Für diese Wachstumsfinanzierung mit der Notenpresse zahlen die deutschen Sparer einen hohen Preis durch entgangene Zinsen. Dieser Verlust wird für die Sparer auf rund 500 Milliarden Euro seit 2010 geschätzt und beträgt aktuell rund 70 Milliarden Euro pro Jahr.
Aber auch mit einem solchen künstlichen Markteingriff lässt sich das Wirtschaftswachstum nicht ewig halten, wie wir jetzt sehen. Erstmals nach Jahren ist das Bruttoinlandsprodukt in einem Quartal zurückgegangen. Umso wichtiger ist es, jetzt die richtigen strukturellen Weichen für unsere Wirtschaft zu stellen.
Stattdessen wird die Automobilindustrie als deutsche Schlüsselindustrie mit Dieselfahrverboten, willkürlichen Grenzwerten und einer einseitigen Förderung der Elektromobilität schwer beschädigt. Hier legen manche Leute – auch in diesem Haus – die Axt an die Wurzel unseres Wohlstands.
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Aufgabe des Wirtschaftsministers wäre es, sich diesem unvernünftigen Treiben entgegenzustellen, meine Damen und Herren.
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Statt die Wirtschaft im eigenen Lande zu fördern, werden deutsche Steuergelder großzügig im Ausland verteilt. Deutschland finanziert zum Beispiel aus Haushaltsmitteln des Wirtschaftsministeriums zum Teil den Bau einer U-Bahn-Linie in Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam.
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Anstatt die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zu erhalten und auszubauen, will die Bundesregierung eine neue U-Bahn-Linie in der Sozialistischen Republik Vietnam finanzieren – in einem Land, das Menschenrechte missachtet
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und auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reportern ohne Grenzen auf Platz 174 von 180 steht.
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Ja, die Zusage stammt aus dem Jahr 2008, insofern haben Sie recht: Damit hat der Wirtschaftsminister jetzt nicht unmittelbar was zu tun. – Aber im Jahr 2019 werden bis zu 53 Millionen Euro zur Auszahlung kommen. Die Finanzierung soll dabei aus gebildeten Ausgaberesten vorgenommen werden. Eine Finanzplananmeldung erfolgt seit 2017 nicht mehr. Wohlgemerkt, hier geht es nicht um die Übernahme einer Ausfallbürgschaft, sondern um eine echte Finanzierung. Das ist nicht Aufgabe des deutschen Wirtschaftsministeriums, meine Damen und Herren.
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Der Mittelstand wartet vergeblich auf wirkliche Entlastungen und wird mit noch mehr Bürokratie überhäuft: neben der Arbeitszeiterfassung oder der Vorfälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen nun auch noch mit der Datenschutz-Grundverordnung.
Es sind ebenfalls der Mittelstand und die Privatverbraucher, die unter der Energiewende und hohen Strompreisen zu leiden haben, während die Großindustrie von der EEG-Umlage vielfach ausgenommen ist. Wir fordern eine Beendigung der CO 2 -Gebäudesanierungsprogramme. Die für 2019 angesetzten Mittel von 2 Milliarden Euro stehen in keinem angemessenen Verhältnis zum mittlerweile geringen Grenznutzen.
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Ein großer Teil der Ausgaben für Klimaschutzprojekte läuft über das Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“, welches ein Volumen von fast 6 Milliarden Euro umfasst. Der Fonds sollte ursprünglich die Einnahmen aus dem CO 2 -Zertifikatehandel verwenden, um damit Projekte zur CO 2 -Einsparung zu finanzieren. Von dieser Koppelung an die Erlöse aus dem Emissionshandel hat man sich weit entfernt. Obwohl die prognostizierten Erlöse aus dem Emissionshandel um fast 1 Milliarde Euro auf 2,1 Milliarden Euro deutlich ansteigen, wird der Bundeszuschuss nicht etwa reduziert – wie es vorgesehen war –, sondern noch weiter erhöht. Der Bundeszuschuss macht mittlerweile 3 Milliarden Euro aus, das heißt mehr als 50 Prozent des EKF-Budgets. Noch im Jahr 2017 war der Bundeszuschuss lediglich mit rund 700 Millionen Euro veranschlagt; er hat sich also in zwei Jahren mehr als vervierfacht.
Zugleich sind die Ansätze für zahlreiche Haushaltstitel im Energie- und Klimafonds weit über dem Bedarf angesetzt und bereits in den letzten Jahren bei weitem nicht abgeflossen. Das führt zu einer immer größer werdenden Rücklagenbildung innerhalb des Sondervermögens. Die nun vorgesehene Rücklagenbildung von 2,5 Milliarden Euro bedeutet nichts anderes, als dass 2,5 Milliarden Euro im Jahr 2019 gar nicht benötigt und tatsächlich ausgegeben werden. Der Bundesrechnungshof hat den Energie- und Klimafonds aus diesen Gründen deutlich kritisiert und seine Auflösung gefordert. Kernaufgaben gehören in den Bundeshaushalt und nicht in Nebenhaushalte.
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Liebe Kollegen von der FDP, Sie wollen mit Ihrem Entschließungsantrag nur halbe Sachen machen. Wir dagegen teilen die Bewertung des Bundesrechnungshofes und sagen: Der Energie- und Klimafonds muss aufgelöst werden.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie uns zu einer vernünftigen Wirtschafts- und Energiepolitik sowie zu einer soliden Haushaltsführung zurückkommen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes spricht zu uns für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Andreas Mattfeldt.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass man nun zwei Haushalte in fast einem halben Jahr beraten und auch verabschieden darf, werden hoffentlich die meisten von uns in ihrer politischen Karriere nicht allzu oft erleben. Ich sage ganz ehrlich: Das ging schon ein wenig an die Substanz in den letzten Monaten.
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Ich glaube, ich darf sagen: Wir haben anständig gearbeitet. Das heutige Ergebnis kann sich – das sage ich als Haushälter der Koalition – sicherlich mehr als sehen lassen.
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Der Haushalt 2019 ist mit 8,2 Milliarden Euro für das Wirtschaftsministerium sehr solide aufgestellt und auf die Herausforderungen – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – einer nunmehr im neunten Jahr in Folge wachsenden Wirtschaft ausgerichtet. Bevor ich jetzt auf die Details eingehe, möchte ich ganz kurz, wie es sich gehört, Danke sagen. Zuallererst bedanke ich mich bei allen meinen Mitberichterstattern: Anja Hajduk, Heidrun Bluhm, Thomas Jurk, Karsten Klein und Volker Münz. Ich glaube, wir dürfen sagen: Wir haben hart gearbeitet; wir gehen aber auch fair und freundschaftlich miteinander um und pflegen einen Umgang, der von Respekt geprägt ist. Dafür herzlichen Dank.
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Für eine tolle Zusammenarbeit, lieber Peter Altmaier, darf ich auch Ihnen und Ihrer Staatssekretärin Frau Dörr-Voß und dem ganzen Haushaltsreferat mit Herrn Kerres an der Spitze als neuem Kollegen danken. Es macht Spaß, mit Ihnen zu arbeiten.
Bevor wir in den Haushalt direkt einsteigen, gestatten Sie mir, als einem Haushälter, der nun schon länger dabei ist, eine kritische Voranmerkung zu den Personalhaushalten aller Ministerien. Diese Kritik habe ich auch schon in den vorangegangenen Beratungen geäußert. Seit 2014 wachsen die Personalausgaben massiv, und wir erleben jedes Jahr einen Stellenaufwuchs in den verwaltenden Ministerien, der anfänglich, 2014, sicherlich begründet war, der nun aber jedes Jahr als Automatismus von den Ministerien angesehen wird.
Klar – ich glaube, da sind wir uns einig –, zusätzliche Stellen, die eben für die Sicherheit unseres Landes notwendig und erforderlich sind, müssen sein. Dass aber alle Ministerien jedes Jahr im Verwaltungsbereich massiv personell aufwachsen, ist für die kommenden Jahre, zumindest nach meiner Auffassung, nicht mehr zu begründen. Ich sage das auch mit Blick darauf, dass sich die Einnahmesituation nicht permanent positiv entwickeln kann.
Auch dieses Jahr bekommen das Kanzleramt und die Ministerien noch einmal 1 000 Stellen zusätzlich genehmigt. Davon, Herr Minister Altmaier, bekommt Ihr Haus, das Wirtschaftsministerium, 50 Stellen. Das ist, muss ich sagen, gemessen an anderen Ministerien sehr, sehr bescheiden. Aber ich möchte dennoch an das gesamte Kabinett appellieren, in den kommenden Jahren in den jeweiligen Ministerien mehr umzustrukturieren, und nicht permanent beim Haushaltsausschuss einfach mehr Stellen zu fordern, nur weil das der vermeintlich einfachere Weg ist, meine Damen und Herren.
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Kommen wir nun zum Haushalt: Der wichtigste Schwerpunkt ist wieder, auch 2019, die Mittelstandsförderung. Mit zahlreichen Programmen wollen wir auch dieses Jahr dafür sorgen, dass dieser Motor unserer Wirtschaft weiterhin vor Kraft strotzen kann. Als positives Beispiel möchte ich hier erneut unser Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand nennen. Manche nennen es fast schon liebevoll ZIM. Das ZIM erhält dieses Jahr fast 560 Millionen Euro, was, wie ich meine, mehr als beachtlich ist.
Bei der Einführung dieses Programms im Jahr 2008, also vor zehn Jahren, war das ZIM gerade mal mit 135 Millionen Euro ausgestattet. Die Erfolge in der mittelständischen Wirtschaft zeigen, dass es gut eingesetztes Geld ist. Diese Koalition, meine Damen und Herren, wird diesen erfolgreichen Weg beim ZIM weitergehen.
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Innovation und Zukunft liegen auch im Bereich von Energie und Klima. Auch wenn die international vereinbarten Klimaschutzziele mit Blick auf Zeit und Umfang ambitioniert sind, sind der politische Wille und vor allen Dingen die finanzielle Ausstattung vorhanden. Auch im Haushalt 2019 stehen dafür allein im Energie- und Klimafonds, der ja zu über 80 Prozent bei Ihnen, Herr Minister Altmaier, bearbeitet wird, rund 4,8 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Einzelplan 09, also Ihrem originären Haushalt, sind weitere 2,3 Milliarden Euro vorgesehen. Hinzu kommen noch erhebliche Mittel – das wissen wir alle – aus den Bereichen Umwelt, Verkehr und Finanzen.
Warum sage ich das? Ich sage das, weil ich meine, dass wir auch ein Stück weit aufpassen müssen, dass wir bei aller Förderung den roten Faden im Auge behalten. Ich meine, wir wollen keine Förderung mit der Gießkanne, bei der man in scheinbar blindem Aktionismus Geld ausgibt, nur weil es eben da ist.
Was wir wollen, ist eine bewusste, eine auf die konkrete CO 2 -Einsparung ausgerichtete, praxisorientierte Energie- und Klimapolitik. Dabei muss es, wie ich meine, eine ganz klare Aufteilung der einzelnen Aufgaben und Programme zwischen den beteiligten Ressorts ohne Doppelstrukturen geben. Deshalb haben mein SPD-Kollege Andreas Schwarz und ich – wir beide sind neuerdings für den EKF zuständig – mit diesem Haushalt angefangen, Herr Kollege Münz, Überschneidungen abzubauen.
Ganz besonders freut mich, dass wir auch neue Ideen umsetzen konnten. Ich hoffe, dass diese ganz schnell Erfolge vorweisen können. Als Beispiel möchte ich hier vor allem ein Programm gegen die Plastikvermüllung unserer Weltmeere nennen, das wir mit einem Umfang von 50 Millionen Euro noch in der Bereinigungssitzung als Koalitionshaushälter eingebracht haben. Wir wollen hier eben nicht nur reden, wie es viele in diesem Hause tun, sondern wir wollen ganz konkret handeln, meine Damen und Herren.
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Ganz praktisch orientiert ist übrigens auch ein Parkanlagen- und Blühflächenprogramm. Auch das haben wir noch in der Bereinigungssitzung eingebracht. Es ist mit 100 Millionen Euro ausgestattet. Viele Kommunen warten darauf schon mit Spannung, zumindest zeigen das die zahlreichen E-Mails und Anfragen, die seit der Bereinigungssitzung bei mir eingehen.
Meine Damen und Herren, auch Afrika steht im Blickpunkt des Wirtschaftsministeriums. Wir wollen, dass die deutsche Wirtschaft, der deutsche Unternehmer erkennt, dass man auf dem afrikanischen Kontinent Geld verdienen kann. Für eine auf die deutsche Wirtschaft ausgerichtete Afrika-Strategie werden wir in diesem BMWi-Haushalt nun erstmalig 30 Millionen Euro bereitstellen. Finanziert werden sollen damit unter anderem Markterschließungs- und Messebeteiligungsprogramme für die deutsche Wirtschaft. Es soll aber auch Managerfortbildungen geben. Die deutschen Auslandshandelskammern und unsere GTAI werden diese Strategie begleiten und erhalten hierfür 14,4 Millionen Euro. Ich meine, das ist für das Wirtschaftsministerium ein guter Anfang, meine Damen und Herren.
Auch die Industriepolitik kommt nicht zu kurz. Beispielhaft möchte ich hier die Luft- und Raumfahrt nennen, wo sowohl das Nationale Programm für Weltraum und Innovation wie auch das Luftfahrtforschungsprogramm erheblich mehr Mittel erhalten. Unser Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt erhält für 57 Millionen Euro pro Jahr sechs neue Institute, um sich um Quantentechnologie und Weltraumwetter zu kümmern, CO2-Forschung zu betreiben und auf einem Flughafen in Cochstedt in Sachsen-Anhalt zukünftig auch Drohnen zu erforschen.
Meine Damen und Herren, weil ich hier gerade Paul Lehrieder sehe, möchte ich noch auf den Tourismus eingehen. Der Tourismus ist ein herausragendes, leider häufig auch unterschätztes Wirtschaftsthema, auch bei uns im Hause. Unsere Mitglieder im Ausschuss für Tourismus leisten eine großartige Arbeit, und mit der Deutschen Zentrale für Tourismus, die in der globalen Welt für Urlaub in Deutschland wirbt, schreiben wir eine Erfolgsgeschichte. Hierfür herzlichen Dank!
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Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. Ich würde gerne noch auf die Außenwirtschaftspolitik eingehen, Herr Präsident, auf unsere Auslandsmesseprogramme.
Das kann ich aber nicht zulassen.
Ich würde gerne noch auf künstliche Intelligenz eingehen, auf die maritime Wirtschaft. Ich merke, Sie werden ein wenig nervös.
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Mir bleibt deshalb eigentlich nur übrig, dafür zu werben, dass dieser Haushalt seine Zustimmung erhält. Ich darf sagen: Er ist verantwortungsbewusst, und er ist zukunftsweisend aufgestellt.
Herzlichen Dank.
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Herr Kollege Mattfeldt, ich bin nicht nervös geworden, sondern ich wollte Ihnen nur die Peinlichkeit ersparen, dass ich Ihnen das Mikrofon abschalte.
Ich unterbreche jetzt die Aussprache und rufe noch einmal Zusatzpunkt 1 auf; denn mir liegt das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der Wahl eines Richters bzw. einer Richterin zum Bundesverfassungsgericht vor. Mitgliederzahl des Deutschen Bundestages 709, abgegebene Stimmzettel 652, ungültige Stimmzettel keine. Mit Ja haben gestimmt 452 Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 166 Abgeordnete, Enthaltungen 34. Der Abgeordnete Dr. Stephan Harbarth hat damit die erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens jedoch 355 Jastimmen, erreicht. Er ist damit zum Richter des Bundesverfassungsgerichts gewählt.
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Herr Kollege Dr. Harbarth, bevor das untergeht, frage ich Sie: Nehmen Sie die Wahl an?
Herr Präsident, ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das große darin zum Ausdruck kommende Vertrauen sehr herzlich.
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Herr Dr. Harbarth, dann beglückwünsche ich Sie im Namen des gesamten Präsidiums zur Wahl und wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses für Ihre neue Aufgabe alles Gute!
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Wir kehren zurück zur Beratung des Einzelplans 09. Ich rufe als nächsten Redner den Kollegen Karsten Klein von der FDP-Fraktion auf,
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wir warten jedoch noch einen kleinen Moment, bis sich die Reihen der Union nicht gelichtet, sondern beruhigt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe großes Verständnis dafür, dass man sich darüber freut – wir uns hier ja auch –, aber es wäre nett, wenn wir in der Beratung fortfahren könnten.
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Ich wollte nur sagen: Die Geschäftsordnung sieht das normalerweise nicht vor, aber es macht ja keinen Sinn, dass der Kollege Klein redet und ihm bei der Unionsfraktion keiner zuhört. Das wäre wahrscheinlich ohnehin der Fall, aber jedenfalls wäre der optische Eindruck ein anderer.
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Liebe Freunde der Union, nun ist es wirklich gut.
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– Dann müsste Ihr Fraktionsvorsitzender oder Parlamentarischer Geschäftsführer jetzt eine Unterbrechung der Sitzung beantragen. Dem könnte ich vielleicht nachgehen, aber es sieht nicht sehr gut aus.
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Herr Kollege Klein, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Auch von mir herzlichen Glückwunsch zur Wahl! Ich schließe mich auch dem Dank für die kollegiale Zusammenarbeit an die Kollegen Mitberichterstatter, vor allen Dingen an den Kollegen Mattfeldt, dem Hauptberichterstatter, und an das Ministerium an.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, was haben Friedrich Merz, Angela Merkel, Alexander Dobrindt und Peter Altmaier gemeinsam? Richtig, sie sind alle in der Union, aber noch wichtiger: Alle kündigen in berechenbarer Wiederkehr Steuerentlastungen an. Und wenn es dann um die politische Umsetzung geht, kehrt sofort Vergesslichkeit ein.
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Erst vor kurzem, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat die FDP-Fraktion hier die Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlags zur Abstimmung gestellt. Die namentliche Abstimmung, an der Herr Altmaier und Frau Merkel aufgrund von Unpässlichkeit nicht teilnehmen konnten, hat ergeben, dass Alexander Dobrindt und Jens Spahn wie alle anderen anwesenden Abgeordneten der CDU/CSU gegen die Abschaffung des Solidaritätszuschlags gestimmt haben. Herr Minister, gerade in diesen Tagen wäre es so wichtig; denn die Vereinigten Staaten von Amerika haben die Ertragsteuern gesenkt, Großbritannien die Körperschaftsteuer, Frankreich kündigt eine große Steuersenkung an. Nur weil Sie mit der SPD koalieren, sollte Deutschland nicht die rote Laterne beim Steuerwettbewerb innehaben.
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Die Abgabenlast bei den Arbeitseinkommen in Deutschland für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer liegt laut einer aktuellen OECD-Studie bei 49,7 Prozent. Das sind 14 Prozent mehr als im Durchschnitt. Ihr Koalitionspartner, Herr Altmaier, und auch die CSU fordern unentwegt weitere Belastungen für den Faktor Arbeit. Zuletzt wollten Sie sich für die Wiedereinführung der Parität feiern lassen, was die Arbeitsplätze in Deutschland mit 5 Milliarden Euro belastet.
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Wir Freie Demokraten fordern die Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlags. Das wäre ein erster guter Schritt, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arbeitsplätze zu sichern. Deshalb, Herr Minister, werben Sie innerhalb Ihrer Fraktion, werben Sie innerhalb der Regierung für diese Komplettabschaffung, und stimmen Sie das nächste Mal bei den Anträgen der Freien Demokraten mit den Freien Demokraten, bevor Sie das Bundesverfassungsgericht dazu zwingen wird.
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Für uns ist elementar wichtig, dass die Belastungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Unternehmen in Deutschland reduziert werden.
Weitere Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger und für die Unternehmen sind die Strompreise. Das sollte Ihnen vonseiten der Linken auch besonders wichtig sein.
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Die Strompreise in Deutschland sind schon auf Rekordniveau. Von 802 Grundversorgern haben jetzt schon 309 Preiserhöhungen für das nächste Jahr angekündigt. Das trifft vor allem diejenigen, die besonders viel Strom verbrauchen. Das sind Familien, aber das sind auch die Zukunftstechnologien. Der Energiebedarf der Rechenzentren wird bis 2025 auf 16,4 Milliarden Kilowattstunden steigen. Verschlüsselungstechnologien verbrauchen unheimlich viel Strom, damit sie wirklich sicher sind. Rechenzentren, Herr Minister, sind aber die Basisinfrastruktur für das Internet. Deshalb ist sichere und auch bezahlbare Energieversorgung nicht nur ein Thema der sogenannten Old Economy, sondern auch der Digitalisierung.
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Das alles sollte man im Hinterkopf haben, wenn man über den Kohleausstieg spricht. Beim Kohleausstieg drohen die gleichen Fehler gemacht zu werden wie beim Atomausstieg. 2017 waren weltweit, während Deutschland aus der Nutzung der Atomenergie aussteigt, noch 448 Atomkraftwerke im Netz, 59 waren im Neubau.
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Frankreich, das sich gerne als Treiber beim Kohleausstieg generiert, hat 58 Atomkraftwerke am Netz, eines im Bau. Kohle- und Atomausstieg können nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Herr Minister, es ist Ihre Aufgabe, sich dafür auf europäischer Ebene einzusetzen.
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Beim Ausstieg aus der Kohle setzen Sie auf Strukturpolitik. Erfolgreicher Strukturwandel wird aber nur gelingen, wenn Politik den Rahmen setzt und bei neuen Industrien auf private Investoren setzt. Die Wirtschaftsweisen haben Ihnen das noch einmal in das Stammbuch geschrieben. Sie sollten auf lenkende Industriepolitik verzichten. Ich darf an dieser Stelle kurz zitieren: Geht es der Politik um nachhaltigen Fortschritt, so sollte sie viel eher auf das dezentrale Wissen und die individuellen Handlungen verschiedener Akteure der Volkswirtschaft vertrauen.
Herr Minister, wir Freien Demokraten haben dieses Vertrauen. Man nennt das übrigens soziale Marktwirtschaft. Anstatt nur in Sonntagsreden darüber zu reden, sollten Sie Ihr Regierungshandeln danach ausrichten.
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Für uns ist beim Kohleausstieg eines wichtig, dass bezahlbare Energie, Versorgungssicherheit und Klimawandel in Übereinstimmung gebracht werden und dass marktwirtschaftliche Anreize gesetzt werden anstatt planwirtschaftliche Anreize;
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denn für die Bürgerinnen und Bürger und für die Unternehmen in diesem Land ist die Stromversorgung eine Grundversorgung und elementar wichtig.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Bernd Westphal, SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute einen Haushalt der Superlative: 356,4 Milliarden Euro. Das ist vor allen Dingen ein Haushalt, der mich als Wirtschaftspolitiker begeistert, weil er die Investitionen auf 39 Milliarden Euro steigert. Damit haben wir die Investitionsquote auf 10,9 Prozent erhöht. Das ist wirklich ein Erfolg dieser Bundesregierung.
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Dass wir als Politiker in diesem Hohen Hause diesen finanzpolitischen Spielraum haben, haben wir vor allen Dingen den fleißigen, gut ausgebildeten und motivierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu verdanken, die in vielfacher Hinsicht mit ihren kreativen und engagierten Ideen dafür sorgen, dass wir eine wirtschaftliche Situation haben, die zu diesen Steuereinnahmen führt. Die packen an für unser Land: in Industrie und Dienstleistung, im Handwerk und in vielen Bereichen der Verwaltung. Deshalb gibt es diesen Bundeshaushalt.
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Wir setzen damit die Wachstums- und Finanzpolitik fort, die auch für soziale Gerechtigkeit sorgt. Wir zeigen den Bürgerinnen und Bürgern, dass es möglich ist, neue wichtige politische Instrumente der Haushaltspolitik zu schaffen. Die Menschen werden spüren, dass es besser wird in unserem Land: in den Schulen, für Familien, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch was die Modernisierung der Infrastruktur unseres Landes angeht. Wir haben bewiesen, dass wir das mit politischem Mut und Kraft durchsetzen können. Wir haben dies alles ohne Nettokreditaufnahme seit 2004 erreicht. Auch das ist ein politischer Erfolg dieser Bundesregierung.
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Wir stehen sicherlich vor großen Herausforderungen; das ist ja in vielen Redebeiträgen in dieser Woche schon deutlich geworden. Deshalb hat das Bundeswirtschaftsministerium in dem Etat 133 Millionen Euro mehr zur Verfügung, um wichtige Akzente zu setzen. So soll es zur Gründung von fünf neuen Standorten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt kommen, und das in verschiedenen Regionen Deutschlands, auch in der vom Strukturwandel betroffenen Region der Lausitz. Das Erfolgsmodell der industriellen Gemeinschaftsforschung wird mit insgesamt 169 Millionen Euro schwerpunktmäßig gefördert. Das ist gut für unsere innovative Wirtschaft, stärkt den Wissenschaftsstandort Deutschland und schafft Arbeitsplätze.
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Ein Haushaltsansatz stellt die Fördermaßnahmen zur weiteren Stärkung der Gründungskultur an Universitäten und Hochschulen dar. Wir wollen die Gründungskultur stärken. Deshalb haben wir das Programm EXIST, das Potenziale für Projektförderung in Millionenhöhe schafft, fortgesetzt. Wir machen Deutschland für die Zukunft fit. Daher stellen wir 4,1 Milliarden Euro zur Verfügung, um den Breitbandausbau zu forcieren. Davon werden über 30 000 Schulen, 7 000 Gewerbegebiete und 1 700 Krankenhäuser profitieren. Das ist wichtig, um die Digitalisierungsstrukturen in diesen Bereichen zu verstärken.
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Die Faktoren für den weiteren wirtschaftlichen Erfolg liegen auf der Hand. Da geht es einmal um politische Rahmenbedingungen, aber auch verstärkt um Investitionen in Bildung, in Fachkräfte, in Infrastruktur und in die Schaffung eines kreativen und innovativen Umfeldes. Deshalb gibt es Bereiche wie zum Beispiel die Energiewende – sie ist hier schon angesprochen worden –, die wir erfolgreich fortsetzen wollen.
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Herr Minister, wir haben in dem Regierungsentwurf in der parlamentarischen Beratung sicherlich an der einen oder anderen Ecke auch noch Verbesserungsbedarf. Gerade den Ausbau von Photovoltaik und Windenergie dürfen wir jetzt nicht abrupt stoppen, sondern hier brauchen wir eine Förderkulisse, die gerade Projektierer, Unternehmen, Handwerker und Wertschöpfung vor Ort unterstützt. Deshalb werden wir in den Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, noch einige Verbesserungen einbringen müssen.
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Viel Potenzial hat die Digitalisierung, Stichworte: Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz. Viele Maßnahmen, die zur Veränderung führen, werden in der Wirtschaft ihren Erfolg haben, wenn wir diese Digitalisierungsstruktur verstärken, gerade auch, was die Energiewende angeht. Zusammen mit einer dezentralen Erzeugung wird es helfen, diese Prozesse zu optimieren. In der Logistik, im Umweltschutz: In vielen Bereichen wird Digitalisierung uns helfen. Natürlich hat das auch Einfluss auf die Gestaltung der zukünftigen Arbeitsplätze. Wir müssen den Menschen Zuversicht geben, dass die Politik Rahmenbedingungen setzt, die diesen Auswirkungen in Form von Weiterbildung und anderen Maßnahmen Rechnung trägt.
Letzter Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir sind als Exportland abhängig vom Zugang zu Märkten. Deshalb ist es wichtig, im Rahmen unserer Handelspolitik dafür zu sorgen, dass die Europäische Union Freihandelsabkommen mit vielen Ländern dieser Welt abschließt. Das ist bereits erfolgreich gelungen, ebenso die Stärkung multilateraler Institutionen.
Deshalb freue ich mich auf eine weitere gute Zusammenarbeit. Wir werden als SPD den sozialen Fortschritt und Zusammenhalt in unserem Land weiter fördern.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Kollegin Heidrun Bluhm, Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses hat für den Einzelplan des Wirtschaftsministeriums eine nochmalige, leichte Etaterhöhung ergeben. Der Gesamtansatz liegt jetzt bei knapp 8,2 Milliarden Euro. Zuzüglich des Zugriffs auf die 80 Prozent des Energie- und Klimafonds verwaltet Herr Minister Altmaier insgesamt gut 10 Milliarden Euro Steuergelder. Darin enthalten sind auch 1 Million Euro für ein Lichterfest in Leipzig. Dem haben wir im Ausschuss zugestimmt; denn Licht ist Hoffnung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen wir mal, ob der Einzelplan 09 insgesamt dieser Hoffnung gerecht wird. Der Wirtschaftsetat ist eigentlich als ein Steuerungsinstrument gedacht, um nicht oder noch nicht marktförmige Wirtschaftsinitiativen dabei zu unterstützen, sich am Markt zu etablieren. Dafür stehen durchaus Programme und auch Projekte zur Verfügung. Die Frage ist nur, ob sie auch zielführend sind.
Erhöht werden wieder die Einzelposten für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und für die Energieforschung. Sie fördern damit nicht nur weiterhin die staatsnahen Monopolisten, sondern investieren auch Geld in umweltschädliche Technologien wie CCS oder Flüssiggas. Meine Fraktion Die Linke will eine solche umweltpolitische Verantwortungslosigkeit nicht mittragen und hat deshalb entsprechende Entschließungsanträge gestellt.
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Der Mittelstand als Gradmesser einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung benötigt aus unserer Sicht eine viel stärkere Strukturförderung, insbesondere in den strukturschwachen Gebieten. Nun wurden zwar KMU-Projektmaßnahmen etwas besser gestellt, und Kollege Mattfeldt hat gesagt, dass das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand – er hat gesagt, manche nennen es liebevoll ZIM – ebenfalls mehr Geld erhält. Aber vor dem eigentlich notwendigen großen Schritt, hier etwas wesentlich zu verändern, drückt sich die Bundesregierung immer noch.
Der generelle Trend dieses Haushalts: viel Geld vom Staat für die großen Player und das, was übrig bleibt, für alle anderen. Dabei liegt der Osten immer noch weit hinter der Gesamtentwicklung in Deutschland zurück. Das Gleiche gilt für die ländlichen Räume. Hier gäbe es trotz aller Strukturprobleme Chancen für Innovationen, wenn die positiven Effekte der Digitalisierung endlich vor Ort zur wirtschaftlichen Konsolidierung genutzt werden könnten.
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Aber genau da geht es eher um kleine Unternehmen, und die haben wir bei diesem Haushalt aus unserer Sicht nicht genügend im Auge. Die Förderung von Start-ups im ländlichen Raum liegt dabei genauso auf der Hand wie die Anschubfinanzierung digitaler Dienstleistungen, die die gesellschaftliche Teilhabe im ländlichen Raum erhöhen, wie zum Beispiel die Telemedizin und vieles andere mehr. Genau bei dieser Teilhabe muss angesetzt werden, um dem wachsenden Misstrauen von Teilen der Bevölkerung gegenüber unserer Demokratie zu begegnen.
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Allerdings sind die Signale der Koalition in dieser Hinsicht wenig ermutigend. Exemplarisch nenne ich die Ausstattung des Beauftragten für die neuen Bundesländer: Die im Einzelplan des Wirtschaftsministeriums ausgewiesenen 4,5 Millionen Euro stellen – erstens – keine Erhöhung dar, sondern schreiben nur fort, was aus unserer Sicht an sich schon viel zu wenig ist. Schaut man in die Finanzplanung der nächsten Jahre, dann stellt man – zweitens – fest, dass für die Jahre bis 2022 ebenfalls von dieser gleichbleibenden Summe auszugehen ist. Das ist aus unserer Sicht, ehrlich gesagt, ein ziemlicher Skandal; denn dem ist – finanztechnisch verklausuliert – zu entnehmen, dass der Osten für die Bundesregierung ganz sicher keine Chefsache ist.
Als Handkasse für Herrn Hirte ist es zu viel Geld, für den wirtschaftlichen Aufholprozess des Ostens reicht es gerade mal fürs Porto. Was Sie hier machen, ist das Gegenteil von guter Regionalpolitik. Diese falsche Weichenstellung werden Sie auch nicht durch die Gründung der neuen Kommission zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Deutschland korrigieren können.
Ein weiterer Kritikpunkt von uns ist und bleibt die Energiepolitik der Koalition. Die Erreichung der Klimaziele 2020 und 2030 ist in weite Ferne gerückt, und sie werden, wenn Sie grundsätzlich nichts ändern wollen, auch nicht erreicht werden können. Nach Untersuchungen des Stockholm Resilience Centre sind von den neun dort aufgeführten planetarischen Grenzen vier Belastungsgrenzen bereits definitiv überschritten: beim Klimawandel, bei der Biodiversität, bei der biologischen und geologischen Bearbeitung der Kreisläufe sowie bei der Landnutzung. Das zu reparieren, wird teuer; aber dafür ist dann wahrscheinlich die Umweltministerin verantwortlich.
Die Linke empfiehlt Ihnen, Herr Altmaier, dringend, die deutschen Wirtschaftsinteressen mit den Erfordernissen zum Erhalt unseres Planeten in Einklang zu bringen.
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Wirtschaft und Umwelt gehören zusammen. Der Haushalt des Wirtschaftsministeriums ist in dieser Hinsicht aus unserer Sicht enttäuschend. Deshalb werden wir nicht zustimmen.
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Herzlichen Dank, vor allem an den Hauptberichterstatter und an meine Kolleginnen und Kollegen Mitberichterstatter.
Danke schön.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Bluhm. – Als Nächste spricht zu uns die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwischen Juli und September schrumpfte die deutsche Wirtschaft zum ersten Mal seit 2015, und zwar um 0,2 Prozent. Ich würde das jetzt nicht als Zeichen deuten, dass wir auf eine Rezession zusteuern. Aber man muss schon feststellen: Es darf nicht gelten, für die deutsche Wirtschaft und deutsche Wirtschaftspolitik gebe es ein einfaches Weiter‑so.
Herr Minister, es kommt erstens sehr darauf an, dass die Bundesregierung die richtigen Rahmenbedingungen für Innovation und Forschung schafft. Ich kann es Ihnen leider nicht ersparen, Sie daran zu erinnern, dass relativ einfache Versprechen, zum Beispiel die seit Jahren angekündigte Erhöhung der Mittel für die Industrielle Gemeinschaftsforschung auf 200 Millionen Euro, leider immer noch nicht eingehalten werden und dass sich die Fraktionen nicht aufraffen konnten, einer solchen Erhöhung zuzustimmen. Ich halte das für einen Fehler.
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Anstatt jetzt als Große Koalition kurz vor Weihnachten mit der Forderung nach einem vollständigen Abbau des Soli einen großkoalitionären Streit vom Zaun zu brechen, fordere ich Sie auf, Herr Minister: Setzen Sie doch erst mal den Koalitionsvertrag um! Dort steht nämlich, endlich eine steuerliche Forschungsförderung zu beschließen – und nicht immer nur in die Planung zu nehmen.
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Das würde den Bereich Forschung und Innovation beleben.
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Wir brauchen diesen Aufbruch für Forschung und Innovation. Wir sind eine der innovationsstärksten Volkswirtschaften, aber man darf sich nicht darauf ausruhen, dass das einfach so bleibt. Andere schlafen da nicht.
Ich komme zu einem zweiten Punkt, Herr Minister. Wir brauchen einen Aufbruch in eine nachhaltige Industriepolitik. Auch für uns Grüne ist das eine anspruchsvolle Herausforderung. Ihre Kritik am Sachverständigenrat, dass sich Wirtschaftspolitik eben nicht nur auf das Festlegen von Rahmenbedingungen reduziert, die teilen wir, die teile ich ausdrücklich.
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Eine industriepolitische Strategie ist mit Blick auf Klimaschutz nötig, mit Blick auf den globalen Wettbewerb ökonomisch nötig und bei der Digitalisierung unabdingbar. Wir brauchen den notwendigen Strukturwandel, der den ebenso notwendigen Kohleausstieg begleitet. So weit sind wir uns vielleicht noch einig. Ich muss an dieser Stelle auch mal sagen: Ich wundere mich schon, dass die Wirtschaftsberater der Bundesregierung nicht sehen, dass wir politische Strategien angesichts der Herausforderungen gerade auch eines starken Europas brauchen.
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Dazu gehört aus grüner Sicht auch ein Euro-Zonen-Budget.
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Herr Minister, eine Sache frage ich mich auch: Wenn wir in Deutschland mit dem Wirken der sogenannten automatischen Stabilisatoren durch die Arbeitslosenversicherung bei der letzten Krise vor zehn Jahren ökonomisch so gute Erfahrungen gemacht haben: Warum soll das eigentlich nicht auch für den Euro-Währungsraum gelten? Ich fordere Sie auf: Nähern Sie sich auch der Idee einer europäischen Arbeitslosenrückversicherung an. Das ist nicht in erster Linie eine Transfergeschichte, sondern eine Möglichkeit, automatische Stabilisatoren in Krisenzeiten wirken zu lassen. Das ist wirtschaftlich hochsinnvoll.
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Mein dritter Punkt. Herr Minister, wir brauchen weiterhin einen Aufbruch für mehr Energieeffizienz im Wärmebereich. Wir Grüne werden nicht aufhören, Sie daran zu erinnern, dass es nicht genügt, Geld ins Schaufenster zu stellen, sondern dass wir da endlich erfolgreicher werden wollen und müssen. Ich kann nur sagen: Über den Haushaltsausschuss müsste es mittlerweile bei allen Fraktionen angekommen sein, dass Deutschland Strafzahlungen drohen. Deutschland verfehlt die EU-Klimaziele im Gebäudebereich wahrscheinlich krachend. Deswegen stehen ab 2021 Strafzahlungen zur Diskussion – das kann sich dann durch das ganze Jahrzehnt ziehen – von roundabout 600 Millionen bis 1 Milliarde Euro jährlich. Das kann sich zu einem mehrstelligen Milliardenproblem anhäufen. Das müssen wir doch vermeiden, auch aus haushalterischen Gründen, aus Klimaschutzgründen sowieso.
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Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass wir im Energie- und Klimafonds 4 Milliarden Euro zur Verfügung haben, die nicht abfließen. Ich mache einen ganz einfachen Vorschlag: Führen Sie im Bereich Gebäudesanierung endlich eine steuerliche Förderung für selbstgenutztes Eigentum ein! Das wäre eine kluge Entlastungspolitik für Bürgerinnen und Bürger. Vielleicht überzeuge ich auch die FDP, dass wir da zusammenarbeiten. Dass wir ständig bei der Energieeffizienz Zeit verlieren, ist das Gegenteil von Aufbruch in die Zukunft. Packen Sie das endlich an, Herr Minister!
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Hajduk. – Darauf darf der Bundesminister Dr. Peter Altmaier sofort antworten. Herr Minister, ich erteile Ihnen das Wort.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Dank der Berichterstatter an den Haushaltsausschuss zurückgeben. Wir haben gemeinsam einen guten, einen zukunftsfähigen Haushalt zustande gebracht. Die Investitionsquote in unserem Haushalt ist mit 25 Prozent doppelt so hoch wie die Investitionsquote des Gesamthaushaltes. Dafür habe ich dem Haushaltsausschuss zu danken, auch weil auf den letzten Metern noch Beiträge geleistet worden sind.
Es wird auch in Zukunft notwendig sein, dass wir eine aktive, eine an Grundsätzen orientierte Wirtschaftspolitik vertreten; denn wir befinden uns in einem nicht leichten internationalen Umfeld. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist derzeit hervorragend. Wir haben vom Weltwirtschaftsforum bestätigt bekommen, dass wir auf Platz drei der wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften weltweit liegen. Es ist uns bestätigt worden, dass wir zu den innovativsten Volkswirtschaften der Welt zählen.
Trotzdem ist richtig, dass das Wachstum im dritten Quartal eine Pause gemacht hat. Nach allem, was wir wissen, sind diese 0,2 Prozent Minuswachstum darauf zurückzuführen, dass es Probleme in der Automobilindustrie mit Zulassungen, mit neuen Testzyklen gegeben hat. Das zeigt, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie anfällig, wie verletzlich dieses Wachstum ist. Wir dürfen uns auf unseren Lorbeeren aus der Vergangenheit nicht ausruhen. Wir dürfen nicht darauf vertrauen, dass dieses Wachstum, automatisch, egal was wir tun und lassen, so weitergeht.
Deshalb will ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Deutschland hat ein nationales und europäisches Interesse daran, dass wir auch in Zukunft eine wettbewerbsfähige, eine wachstumsfähige, eine erfolgreiche Automobilindustriebranche in Deutschland haben.
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Dazu gehört zum einen, dass wir Rahmenbedingungen setzen. Ja, wir wollen, dass die Automobilbranche ihren Beitrag zum Klimaschutz leistet. Wir haben im Ministerrat der Umweltminister beschlossen, dass bis zum Jahr 2030 die CO 2 -Emissionen von Pkw um 35 Prozent reduziert werden sollen. Das ist bereits mehr als ambitioniert. Deshalb möchte ich an alle Beteiligten appellieren, dass wir dafür sorgen, dass dieser Wert im Trilogverfahren nicht weiter aufgeweicht wird. Wir sind damit weltweit führend, was die Bereitschaft zur Reduzierung des CO 2 -Ausstoßes angeht; aber wir müssen uns realistische Ziele setzen, die auch in der Praxis erreicht werden können.
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Dazu gehört, meine Damen und Herren, dann auch, dass die Automobilindustrie selber ihre Hausaufgaben macht. Das, was wir diskutiert haben im Hinblick auf die Vorgänge beim Thema Diesel, hat viele Bürgerinnen und Bürger zu Recht erbost. Wir werden noch einiges zu tun haben, um verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.
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Mir geht es aber auch und insbesondere um die Herausforderungen der Zukunft. Wir werden – das wissen wir alle – eine Perspektive für Verbrennungsmotoren dort, wo sie benötigt werden, nur dann aufrechterhalten können, wenn wir insbesondere im städtischen Ballungs- und Verdichtungsraum, überall dort, wo es möglich ist, viel mehr als bisher auf Elektromobilität setzen. Ich finde, es ist keine gute Botschaft, wenn heute klar wird, dass wir das Ziel von 1 Million Elektroautos möglicherweise, wahrscheinlich nicht erreichen werden.
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Deshalb sage ich hier ganz deutlich: Ein Land wie Deutschland, das stolz darauf ist, dass es die weltweit führenden und besten Automobile im Bereich der bisherigen, klassischen Antriebstechnologien produziert und auch weiter optimiert, dieses Land muss auch den Anspruch haben, dass es führend wird bei der Produktion von Elektromobilität und Elektroautos; das ist unser Anspruch für die Zukunft.
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Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
Ja, gerne.
Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie sagen völlig zu Recht, wir müssen beim Thema Mobilitätswende vorankommen. Sie sagen, wir müssen uns realistische Ziele setzen. Allerdings setzt uns das Klima gerade einen sehr realistischen Rahmen, wenn Sie die wissenschaftlichen Daten und Extremwetterereignisse auf der ganzen Welt anschauen. Deswegen frage ich Sie: Warum blockieren Sie beim Thema CO 2 -Steuer? Warum schaffen Sie es auch nicht, Ihre Strategie Künstliche Intelligenz, die Sie aufgelegt haben, wie die Franzosen ganz klar in Richtung ökologische Wirtschaft zu ordnen? Sie machen ja mit vielem von sich reden; aber beim Thema „ökologische Wirtschaft/Klimaziele einhalten mit Innovation“, da sind Sie nicht stark dabei. Warum treiben Sie das nicht voran?
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Ich bin überzeugt, Herr Kollege, dass wir am Ende der Amtszeit dieser Bundesregierung auch im Klimaschutz erhebliche Fortschritte erzielt haben werden.
Aber ich sage Ihnen auch – das gehört zur Ehrlichkeit der Diskussion –: Wenn wir uns den Koalitionsvertrag der Großen Koalition anschauen, aber auch die Papiere der Jamaika-Verhandlungen, so wie sie standen an dem Abend, als ein Teil der Kolleginnen und Kollegen den Saal verlassen hat, müssen wir feststellen: Da ist das Wort „CO 2 -Besteuerung“ nirgendwo erwähnt, weder in den damaligen Vereinbarungen noch in dem, was wir jetzt abgeschlossen haben.
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– Sie mögen es auf Ihren Parteitagen beschlossen haben; aber in den damaligen Gesprächen hat es keine herausgehobene Rolle gespielt. Das wollte ich nur der Ehrlichkeit der Diskussion halber noch einmal erwähnt haben.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir wollen, dass die Automobilindustrie stark bleibt, dann müssen wir sie unterstützen bei Innovationen. Das fängt an beim autonomen Fahren und konzentriert sich auf künftige Antriebstechnologien. Heute finden 80 Prozent der Wertschöpfung eines in Deutschland gebauten Automobils in Europa statt, durch Teile aus anderen europäischen Ländern, durch Zusammenbau in Deutschland. Das ist eine großartige Leistung. Wenn aber – das treibt mich um – künftig alle Batterien aus China kämen und die Plattform für autonomes Fahren aus den USA, dann würden 55 bis 60 Prozent der Wertschöpfung eben nicht mehr in Europa stattfinden. Das kann uns nicht gleichgültig lassen. Ich bin ein großer Anhänger der Marktwirtschaft. Ich möchte keinem Unternehmen vorschreiben, wo und wie es zu investieren hat.
Aber der Staat hat – das hat er in siebzig Jahren Marktwirtschaft immer wieder gezeigt, nicht nur mit Franz Josef Strauß, auch mit Edmund Stoiber, mit Gerhard Schröder und vielen anderen – ein Interesse daran, dass er Innovationsprozesse unterstützt, die von den Unternehmen in dem jeweiligen Bereich in eigener Verantwortung vorangetrieben werden. Es gibt in Deutschland inzwischen ein großes Interesse von Unternehmen, von sich aus eine Batteriezellproduktion aufzubauen. Wenn in Zukunft alles mit Batterien funktionieren wird – außer vielleicht Raketen und bestimmte Typen von Flugzeugen –, dann haben wir ein Interesse daran, dass wir in diesem wichtigen Bereich der Industrieproduktion in Zukunft ebenfalls führend werden. Deshalb werden wir die Unternehmen, die in diesem Bereich investieren, mit Mitteln aus dem Haushalt meines Ministeriums unterstützen – damit Arbeitsplätze in Deutschland entstehen.
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Wir brauchen klare Rahmenbedingungen. Wir haben in den letzten sechs Jahren keine Steuern erhöht. Aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir festhalten, dass die Steuerquote gleichwohl gestiegen ist, weil nämlich die Steuereinnahmen des Staates stärker gewachsen sind als das volkswirtschaftliche Bruttoinlandsprodukt.
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– Die Kollegen von der FDP klatschen. – Deshalb würde ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, einfach einmal den gutgemeinten Rat geben, nicht immer dann, wenn sich der Bundeswirtschaftsminister mit diesem Thema öffentlich beschäftigt, so zu tun, als seien seine Äußerungen nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist dies der Beginn einer Debatte, die wir darüber führen müssen, wie wir Belastung und Entlastung gleichmäßig und erträglich verteilen.
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Wir haben uns in dieser Koalition darauf verständigt, dass wir Familien und Kinder in einem Umfang entlasten, wie er noch nie dagewesen ist. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir mehr investieren in Forschung, Entwicklung, Digitalisierung, mehr Geld ausgeben für unsere Bundeswehr und die Entwicklungszusammenarbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Anliegen dieses Wirtschaftsministers ist, dass wir zusätzliche Spielräume, die sich im Laufe der Wahlperiode ergeben, auch dafür nutzen, diejenigen zu entlasten, die als Mittelständler, die als Handwerker, die als unternehmerisch Tätige mit dafür sorgen, dass unsere Wirtschaft in Gang bleibt und in Zukunft weiter wächst.
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Das ist eine Frage der konkreten Steuerbelastung, es ist aber auch eine Frage der Anerkennung
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und der Bereitschaft junger Menschen, sich selbstständig zu machen. Ich werde in der nächsten Woche, am 29. November, mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft eine Gründungsoffensive starten. Ich möchte junge Menschen ermuntern, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, sich selbstständig zu machen. Davon lebt unser Land. Wir brauchen mehr Menschen, die bereit sind, selbstständig zu werden. Wir als politisch Verantwortliche sollten sie ermutigen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hatte mich in den letzten Haushaltsberatungen häufiger zu rechtfertigen im Hinblick auf das sogenannte Energiesammelgesetz mit den Sonderausschreibungen für Photovoltaik und Windenergie als unseren Beitrag zum Klimaschutz. Ja, es hat etwas gedauert, weil wir zwischen den Koalitionsfraktionen ein gutes Gesetz vereinbaren wollten. Das Bundeskabinett hat diesen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Wir haben eine Chance, dieses Gesetz noch in diesem Jahr zu verabschieden und in Kraft zu setzen. Damit geben wir ein klares Signal, dass Umweltschutz und erfolgreiche Wirtschaftspolitik für uns kein Gegensatz sind. Wir wollen nicht Umwelt oder Wirtschaft, wir wollen Wirtschaft und Umwelt. Wir wollen die Energiewende nachhaltig vorantreiben, wir wollen aber auch dazu beitragen, dass sie auf Dauer erfolgreich ist. Dazu gehören nicht nur sauberer Strom, nicht nur sicherer Strom, dazu gehört auch bezahlbarer Strom.
Herr Minister, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage – sie könnte Ihre Redezeit verlängern – aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
Ja, gerne.
Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, dass es Ihr Ziel ist, eine nachhaltige Energieversorgung zu gewährleisten. Ich möchte auf einen Bereich zu sprechen kommen, der industriepolitisch und arbeitsmarktpolitisch sehr relevant ist, nämlich den Bereich der erneuerbaren Energien. Sie haben gerade vom Energiesammelgesetz gesprochen. An diesem Bereich hängen in Deutschland bekannterweise 340 000 Arbeitsplätze.
Jetzt haben wir im Zusammenhang mit dem Energiesammelgesetz überlegt, wie es in diesem Sektor weitergehen soll. Ich bin allerdings etwas irritiert – vielleicht können Sie ein bisschen zur Aufklärung beitragen –: Es gibt in § 49 Absatz 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Ansage, dass die Bundesregierung rechtzeitig, bevor der sogenannte 52‑Gigawatt-Deckel bei der Photovoltaik erreicht wird, einen Vorschlag machen soll, wie das in Zukunft gestaltet werden soll. Dieser Auftrag wurde noch nicht umgesetzt, hierzu liegt kein Entwurf vor. Deswegen frage ich Sie, wie Sie sich den Ausbau der Photovoltaik vorstellen, sobald der 52‑Gigawatt-Deckel erreicht sein wird. Selbst wenn Sie die Ausschreibungen nicht mit hineinrechnen, wird das hoffentlich in ein bis zwei Jahren der Fall sein. Sie wollen ja auch, dass es bei der Photovoltaik weitergeht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Kollegin, ja, wir haben diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir haben im Übrigen auch vereinbart, dass auf den zusätzlichen Ausbau der Photovoltaik dieser Deckel nicht angewendet werden wird. Der Deckel hat aber eine Berechtigung, nämlich dafür zu sorgen, dass die erneuerbaren Energien, wie wir das wollen, zu marktfähigen Preisen ausgebaut werden, dass sie wettbewerbsfähig werden. Diesem Ziel sind wir einen großen Schritt näher gekommen. Wie nahe wir ihm gekommen sind, werden die nächsten Ausschreibungen zeigen.
Wir werden uns als Bundesregierung gemeinsam darauf verständigen, wie wir in Zukunft vorgehen. Ich glaube aber, es ist auch richtig, dass wir die Schritte nacheinander machen.
Wir verabschieden jetzt das Energiesammelgesetz, das Sie so vehement eingefordert haben. Es ist gut geworden und setzt die Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag um. Wir werden dann die nächsten Schritte gemeinsam diskutieren und es ebenfalls gemeinsam umsetzen. Unser Ziel muss es sein, dass alle erneuerbaren Energien – Wind an Land, Wind auf hoher See und auch die Photovoltaik, die großen Freiflächen und Dachanlagen – aus eigener Kraft wettbewerbsfähig werden. Dann haben sie auch eine Chance, weltweit erfolgreich zu sein.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluss, noch einen wichtigen Punkt anzusprechen, der viele Menschen – gerade in den neuen Bundesländern, aber auch im Rheinland – umtreibt. Es geht um die Frage, wie es mit der Verstromung von Kohle und Braunkohle im Hinblick auf die Klimaambitionen der Bundesregierung weitergeht.
Wir haben uns verpflichtet, die Klimaziele des Abkommens von Paris einzuhalten. Wir haben ein europäisches Reduktionsziel für das Jahr 2030, und das bedeutet auch, dass wir schrittweise aus der Kohleverstromung aussteigen werden. Der Anteil wird in den nächsten Jahren sinken. Wir werden dies aber so tun, dass es sozial und regionalpolitisch verträglich ist und wir die Menschen in den betroffenen Regionen mitnehmen.
Man kann aus der Kernenergie aussteigen, und das werden wir bis zum Jahre 2022 abschließend tun. Man kann auch die Kohleverstromung reduzieren; da sind wir dabei. Ich kenne aber kein Land in Europa, das in so kurzer Zeit gleichzeitig aus der Kernenergienutzung und aus der Kohleverstromung ausgestiegen wäre. Ein Land wie Deutschland, mit seinem hohen Anteil an industrieller Produktion, muss diesen Prozess nachhaltig organisieren.
Deshalb möchte ich den Menschen in der Lausitz, den Menschen im mitteldeutschen Revier – im Helmstedter Revier und im rheinischen Revier – von dieser Stelle aus sagen: In der Kommission, die im Augenblick tagt, die von der Bundesregierung unterstützt wird, und mit den Beschlüssen und Gesetzen der Bundesregierung werden wir dafür Sorge tragen, dass am Ende in den betroffenen Regionen nicht weniger, sondern mehr Arbeitsplätze vorhanden sind.
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Wir werden dafür sorgen, dass die Lausitz eine Energieregion bleibt, in der auch in Zukunft Energie produziert wird – aus erneuerbaren Quellen, aus Gas und aus anderen Quellen – und in der Forschung und Entwicklung möglich sind.
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Das ist unsere gemeinsame Verantwortung. Wir müssen dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze der Zukunft in Deutschland entstehen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir international weiter das Ansehen und die Achtung genießen, die unser Land so groß und so stark gemacht haben. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung – nicht nur in den Haushaltsberatungen, sondern auch in der täglichen Politik. Wir müssen dafür sorgen, dass das Vertrauen in eine gute Wirtschaftspolitik in Deutschland zu keinem Zeitpunkt erschüttert wird.
Vielen Dank.
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Herr Minister, herzlichen Dank. – Ich gebe dem Kollegen Klaus Ernst die Gelegenheit zu einer Kurzintervention.
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Herr Minister, Sie haben einen Bereich, der aus meiner Sicht von großer Bedeutung ist, in Ihrer Rede völlig ausgeklammert. Wir haben heute, also sehr aktuell, eine Aussage des amerikanischen Botschafters gehört, der sagte, er freue sich darüber, dass sich deutsche Unternehmen aus dem Iran-Geschäft zurückziehen.
Es ist die erklärte Politik der Bundesregierung und auch der Europäer, dass der Atomvertrag mit dem Iran eingehalten werden soll. Das bedeutet, dass auch wir unsere Aufgaben gemäß diesem Vertrag erfüllen müssten. Der Botschafter freut sich nun, dass sich die Deutschen aus diesem Geschäft mit dem Iran zurückziehen.
Welche Haltung hat die Bundesregierung zu dieser Frage? Vor allen Dingen: Was tun Sie, um insbesondere auch die Mittelständler zu schützen, die nachweislich nach wie vor an dem Geschäft mit dem Iran interessiert sind?
Wir haben den Fakt, dass die Amerikaner auf das SWIFT-System Einfluss genommen haben und die Zahlungen zwischen dem Iran und der Bundesrepublik Deutschland sowie den Europäern in großer Gefahr sind. Die deutschen Unternehmen kriegen schlichtweg ihr Geld nicht mehr, wenn sie weiter handeln. Das widerspricht europäischen und deutschen Interessen.
Erstens. Welche Möglichkeiten sehen Sie und was tut die Bundesregierung, um das SWIFT-System vor amerikanischem Einfluss zu schützen und um möglicherweise auch über europäisches Recht dazu beizutragen, dass der Zahlungsverkehr mit dem Iran nach wie vor abgewickelt wird?
Zweitens. Welche Möglichkeit sehen Sie eigentlich als Wirtschaftsminister, die Deutsche Bundesbank dazu zu benutzen, den Zahlungsverkehr aufrechtzuerhalten, weil das im europäischen und deutschen Interesse ist? Ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie zu diesem Punkt überhaupt nichts gesagt haben.
Zu dem letzten Punkt haben Sie auch nichts gesagt. Wir haben eine wirtschaftliche Entwicklung, die nicht nur so ist, wie Sie sie immer darstellen, sondern wir haben auch einen großen Teil der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, der an diesem Wachstum nicht mehr partizipiert. Das DIW spricht von 40 Prozent in der Einkommensklasse, von unten nach oben gesehen, die in den letzten Jahren nicht mehr am wirtschaftlichen Fortschritt beteiligt waren. Wie wollen Sie das ändern? Was haben Sie da für Vorschläge?
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Herr Kollege Ernst, was das Thema Iran angeht, muss man, glaube ich, einige Dinge unterscheiden.
Erstens. Die Politik, die der Iran in vielen Bereichen im Mittleren und Nahen Osten betreibt, findet natürlich nicht die Billigung der Bundesregierung. Wir haben das öffentlich kritisiert und tun das weiterhin.
Zweitens. Das Gleiche gilt für die Menschenrechtslage im Iran. Auch diese kann niemals unsere Billigung finden, jedenfalls nicht so, wie sich die Dinge derzeit darstellen.
Drittens. Wir sind allerdings auch der Auffassung, dass wir ein Interesse daran haben, dass das Atomabkommen in Kraft bleibt, dass der Iran keine Atomwaffen produziert, dass er weiterhin unter internationaler Kontrolle verbleibt. Deshalb haben wir uns als Vertreter der Europäischen Union dafür ausgesprochen, dieses Abkommen nicht zu kündigen. Wir haben auch klargemacht, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Sanktionen erlassen werden.
Die Sanktionen der US-Amerikaner beanspruchen eine exterritoriale Wirkung. Das ist aus unserer Sicht rechtlich und völkerrechtlich durchaus problematisch. Aber das hat zur Folge, dass Unternehmen, die weiterhin im Iran Geschäfte tätigen, Probleme haben, Banken zu finden, die ihre Geschäfte finanzieren, weil sich die Banken selber in den USA refinanzieren und sie dort mit Sanktionen zu rechnen haben.
Das bedeutet, dass wir als Bundesregierung bzw. als Europäische Union versuchen, diesen Unternehmen zu helfen. Wir haben auf Ebene der Europäischen Union die sogenannte Blocking-Verordnung erlassen, die zum Ziel hat, solchen Unternehmen Hilfestellung zu gewähren. Wir diskutieren über mögliche Zahlungsvehikel. Das ist der technische Ausdruck, der im Zusammenhang mit möglichen Lösungen verwendet wird. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, wie lange diese Zeit dauern wird, weil das gemeinsame europäische Gespräche sind, an denen sich die Bundesregierung konstruktiv beteiligt.
Zur zweiten Frage, was die Partizipation breiter Bevölkerungsschichten an der Wohlstandsentwicklung angeht: Da muss man zur Kenntnis nehmen – es würde mich freuen, wenn auch Sie das einmal anerkennen würden –, dass durch die Lohn- und Rentensteigerungen der letzten Jahre, durch den Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit und der Jugendarbeitslosigkeit eine erhebliche Verbesserung im Hinblick auf die Partizipation bereits erreicht worden ist.
Wir sind damit nicht zufrieden. Aber wir werden dafür sorgen, dass wir es Langzeitarbeitslosen, dass wir es Frauen, die nach der Geburt ihrer Kinder aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind und den Wiedereinstieg nicht geschafft haben, durch passgenaue Beratung ermöglichen, an der allgemeinen Wohlstands- und Einkommensentwicklung wiederum teilzuhaben. Wir sind auch bereit, in der Bildungspolitik und in der Weiterbildung über Möglichkeiten zu diskutieren.
Was ich allerdings nicht glaube – dafür sind zufällig einmal nicht Sie zuständig; Sie sagen das zwar sowieso immer schon, aber in letzter Zeit nicht so sehr –, ist, dass man das Problem dadurch lösen kann, dass man Sanktionen für jugendliche Hartz‑IV-Empfänger abschafft und einfach so tut, als ob es den Staat nicht interessierte, ob die Betreffenden dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen oder nicht.
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Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass es richtig ist, Hartz IV infrage zu stellen. Wir haben damals diese Reformen, die mit der Agenda 2010 einen umfassenden Ansatz dargestellt haben, in einem schwierigen Prozess, gesellschaftlich und politisch, mit parteiübergreifenden Mehrheiten durchgesetzt. Ich sage Ihnen: Das hat dazu geführt, dass wir innerhalb von 13 Jahren die Arbeitslosigkeit halbiert haben, dass die Zahl der offenen Stellen gestiegen ist. Wir sollten diese Erfolge nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
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Vielen Dank, Herr Minister. – Ich glaube, Herr Kollege Ernst und Herr Minister Altmaier, Sie haben beide gewusst, dass es mir von der Geschäftsordnung her untersagt ist, Mitglieder der Bundesregierung in ihrem Redefluss zu unterbrechen. Aber meine Bitte ist, dass bei der Kurzintervention die zwei Minuten Redezeit, die die Geschäftsordnung vorsieht und die vereinbart sind, eingehalten werden.
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– Ich will das nicht weiter kommentieren. Außer: Der Kollege Ernst hat genau gewusst, was er tut, als er nach der Rede von Minister Altmaier ihn in einer Kurzintervention gefragt hat.
Als nächster Redner spricht zu uns der Kollege Steffen Kotré von der AfD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Altmaier, die letzte Antwort hat mich nicht so ganz befriedigt. Die Frage steht zu Recht im Raum: Warum darf sich hier jemand hinstellen und uns ins Stammbuch schreiben, wir sollen nicht mehr mit anderen Staaten Handel betreiben? Die Bundesregierung reagiert darauf nicht angemessen. Ich empfinde die Ausführungen des Botschafters schon als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten. Da würde ich mir wünschen, dass das heftiger zurückgewiesen wird.
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Dann sprachen Sie von der hervorragenden Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Auf den ersten Blick mag das so sein, auf den zweiten Blick aber nicht mehr so. Die Innovationsindikatoren sagen, dass wir da leider Boden verlieren. Dabei ist das genau das Feld, das wir für unsere Wirtschaft brauchen, nämlich die Innovationsfähigkeit. Denn darin liegt die Zukunft.
Schauen wir uns doch einmal die großen deutschen Unternehmen unter den Top 100 der weltweiten Unternehmen an: Da sind ganz wenige Unternehmen der Zukunftstechnologien aufgenommen. Auch das ist ein Indikator, der zeigt, dass unsere Wirtschaft nicht so wettbewerbsfähig ist, wie sie immer dargestellt wird.
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Zur Autoindustrie sagten Sie, Sie wollen sie unterstützen. Ja, aber ich sehe da noch zu wenig Initiativen. 35 Prozent CO 2 -Einsparung: Wissen Sie, wohin das führt? Das führt zu einer Verteuerung. Wir haben das einmal durchgerechnet. Für einen normalen Mittelklassewagen sind es gleich 10 000 Euro, wenn dieser Wert gerissen wird.
Das sind alles Dinge, die unsere Autoindustrie beschweren, natürlich auch die mangelnde Unterstützung für den Diesel bzw. den Verbrennungsmotor. Warum steht im Raum, dass der Verbrennungsmotor eine alte Technologie ist? Das ist doch völliger Quatsch.
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Das ist auch eine Technologie der Zukunft, wenn man sie denn weiterentwickeln würde. Genau diese Chance verspielen wir gerade in Deutschland, weil wir so auf den Diesel eindreschen.
Wenn Sie sagen, Sie wollen die erneuerbaren Energien langsam wettbewerbsfähig machen, dann entziehen Sie doch mal langsam alle Subventionen. Nach 20 Jahren EEG – oder wie lange das schon in Kraft ist – müsste sich schon erwiesen haben, dass es funktioniert. Die sollten Sie jetzt wegnehmen; dann können wir im nächsten Jahr 30 Milliarden Euro einsparen, die wir in die Bildung stecken und für Sozialausgaben einsetzen können.
({3})
Weil wir gerade bei den erneuerbaren Energien sind, komme ich zur Energiewende. Da wird Ihrem Haus unter anderem bescheinigt, dass keine Koordination stattfindet und dass Sie die Ziele reißen. Das sehen wir auch. Die Ziele sind realitätsfern; sie können gar nicht erfüllt werden.
Wohin führt das in Deutschland? Wir hatten 2017 Stromabschaltungen in 344 000 Haushalten. Bei circa 5 Millionen Haushalten drohte die Stromabstellung. Das trifft die Niedrigverdiener, und das liegt auch an der sogenannten Energiewende, die sich unsere Ökofanatiker leisten.
({4})
– Jawohl. – Das sind meist Besserverdiener, und es trifft dann die Niedrigverdiener, die darunter leiden.
({5})
Fragen wir doch mal ganz ehrlich: Wozu führt denn der verringerte CO 2 -Ausstoß? Führt er dazu, dass die Temperaturerhöhung weltweit um 0,0001 Grad Celsius oder um 0,0009 Grad Celsius verhindert wird? Wohin führt das?
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Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Die Erde ist keine Scheibe und Zappelstrom aus Windenenergie keine Alternative.
({7})
Leider hat die Diskussion um das EEG und die Energiewende die freie und soziale Marktwirtschaft, aber auch den gesunden Menschenverstand ausgehebelt.
({8})
Wissenschaftliche Grundlagen werden von Halbwissen und Glauben verdrängt. Angst und Panikmache verdrängen nüchterne Analysen. Ideologie schlägt Fakten. Das ist leider der Zustand
({9})
in unserem Land.
({10})
Nehmen wir die Kohlekommission: Da sitzt kein einziger Fachmann für Stromnetze und Stromerzeugung, kein einziger Experte für Elektrotechnik. Warum wohl? Ja klar, die Kohlekommission soll uns den Kohleausstieg schmackhaft machen und den Ausstieg aus der Kohle vorbereiten, aber nicht mit der AfD. Die AfD steht zu unserer Kohle – zu unserer Braunkohle, meine Damen und Herren.
({11}))
Es gibt Leute – gerade auch bei Ihnen, den Linken –, die behaupten, durch die Kohleverstromung in Deutschland würden Menschen sterben. Das ist Panikmache.
({12})
– Doch, das ist Panikmache. – Das hetzt die Menschen auf, und das spaltet unsere Gesellschaft.
({13})
Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse von gesundheitlichen Schäden. Das ist Fakt. Genauso ist es auch.
Wie erklären wir eigentlich – um diesen Irrsinn weiterzutreiben – unseren Kindern, dass unwissenschaftliche Grenzwerte für Stickoxide im Straßenverkehr existieren, dass aber Windenergieanlagen nachweislich gesundheitliche Schäden hervorrufen können, Stichwort „Infraschall“?
({14})
– Aber selbstverständlich.
({15})
Schauen Sie bitte nach!
Der Diesel ist, wie ich schon sagte, eine saubere Technologie. Schauen Sie sich einmal die E-Mobilität an. Dort werden dreckige Batterien eingebaut. Des Weiteren ist im Zusammenhang mit dem Werkstoff Kobalt teilweise Kinderarbeit im Kongo zu verantworten. Wir kommen mit dieser E-Mobilität nicht hin. Ich sage ganz ehrlich: Ich würde lieber am Auspuff eines modernen Dieselautos schnüffeln, als mich zigarettenrauchend in ein Elektroauto zu setzen.
({16})
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Ökofanatiker holzen Wälder ab. Das ist mit uns nicht zu machen.
Vielen Dank.
({0})
Da uns noch Zuschauer an den Fernsehschirmen zusehen: Ich würde dringend davon abraten, an einem Dieselauspuff zu schnüffeln.
({0})
Als nächster Redner hat der Kollege Thomas Jurk, SPD-Fraktion, das Wort.
({1})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich auf keine Schnüffeleien mehr einlassen. Ich habe in der DDR gelebt, da wurde zu viel geschnüffelt. Hören wir also mit diesem Thema auf!
({0})
Mit dem Bundeshaushalt für 2019 mit einem Volumen von über 356 Milliarden Euro verteilen wir viel Geld – darin sind wir uns in der Koalition sicherlich einig – für viele sinnvolle Sachen; einiges wurde in der Debatte schon erwähnt. Ich möchte darauf hinweisen, dass gerade das Wirtschaftswachstum und die derzeit niedrigen Zinsen uns natürlich jene finanziellen Spielräume verschaffen, die wir dafür nutzen können. Aber wir alle im Saal sind uns sicher einig, dass das nicht auf alle Zeit so bleiben wird. Es gibt bereits einige Signale. Die Wachstumsdelle wurde schon erwähnt. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch mit diesem Bundeshaushalt Impulse dafür setzen, dass weiterhin Wirtschaftswachstum generiert werden kann. Ich gebe freimütig zu, dass wir mit einem Haushaltsplan nicht alle Rahmenbedingungen schaffen können. Dafür ist auch der Wirtschaftsausschuss zuständig; darüber wurde schon diskutiert. Aber aus Sicht eines Haushälters will ich durchaus sagen, dass wir mit dem Plan für das Wirtschaftsministerium deutlich gemacht haben, dass wir bei Forschung und Innovation wiederum eine erhebliche Schwerpunktsetzung vorgenommen haben. – Andreas Mattfeldt, du kannst gleich klatschen.
Ich darf darauf hinweisen, dass sich der Entwurf des Haushaltsplans bereits auf einem wirklich guten Niveau befand. Ich darf daran erinnern, dass wir zusätzliche FuE-Mittel von 132 Millionen Euro zur Verfügung stellen können. Darin steckt das so häufig und völlig zu Recht gelobte Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, für das bereits 10 Millionen Euro zusätzlich beinhaltet waren. Die Verkehrstechnologie erfährt einen Aufwuchs um 9 Millionen Euro, während bei den maritimen Technologien – in diesem Hause immer wieder gewünscht und diskutiert – 2,5 Millionen Euro zu verzeichnen sind. Weitere Forschungsaktivitäten werden unterstützt in den Bereichen zivile Luftfahrt, Leichtbau oder Entwicklung digitaler Technologien.
({1})
Ich weiß: Auf den Hauptberichterstatter ist Verlass. Deshalb will ich in die Dankesrunde eintreten. Es waren sehr gute Beratungen, die wir durchgeführt haben, auch in der anstrengenden Bereinigungssitzung. Dafür allen Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen herzlichen Dank.
({2})
Unter dem Stichwort „Digitalisierung“ will ich den Förderschwerpunkt „Digitalisierung der Wirtschaft“ mit 30 Millionen Euro zusätzlich nicht unerwähnt lassen. Darin enthalten ist auch das Programm „go-digital“, dessen Mittelansatz wir um 10 Millionen Euro erhöhen. Warum sage ich das? Bislang wurden im Rahmen von „go-digital“ insbesondere Beratungsleistungen zur Digitalisierung für kleine und mittelständische Unternehmen finanziert. Wir ergänzen das jetzt und geben auch Investitionszuschüsse. Ab kommendem Jahr werden für Hardware- und Softwareanschaffungen insbesondere im Bereich IT-Sicherheit 193 Millionen Euro bereitgestellt. Das ist ein wichtiges Signal gerade für kleine und mittelständische Unternehmen, die ja oft auch mit den Risiken der Digitalisierung konfrontiert sind.
Die industrielle Gemeinschaftsforschung ist erwähnt worden. Liebe Kollegin Anja Hajduk, ich will daran erinnern, von welchem Betrag wir gestartet sind. Seitdem ich für diesen Haushalt zuständig bin, haben wir, glaube ich, doch einen erheblichen Aufwuchs bei den Ausgaben für dieses wirklich sehr innovative Programm. Insbesondere uns in der Regierungskoalition war es sehr wichtig, dass wir wieder die Planansätze des Jahres 2018 erreichen. Das haben wir gemeinsam hinbekommen.
({3})
Bei Frau Bluhm habe ich natürlich wieder die Kritik gehört – ich kenne das ja – am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR. Der Name sagt nicht aus, was alles mit dem DLR in Zusammenhang zu bringen ist. Das DLR steht auch für eine Forschungseinrichtung höchster Qualität, für Energie, für Verkehr, aber auch für Digitalisierung.
Jetzt will ich ausdrücklich darauf hinweisen: Mit den sechs neuen Instituten, die wir empfehlen – das muss am Ende noch vom Senat beschlossen werden –, haben wir es geschafft, dass dann mit dem Institut in der Lausitz und dem Standort in Cochstedt, Sachsen-Anhalt, zum ersten Mal alle ostdeutschen Bundesländer einen DLR-Standort haben werden. Warum ist das so? Nach der deutschen Wiedervereinigung gab es nur ein Institut in Berlin. Wir haben es vor zwei Jahren geschafft, dass beispielsweise Thüringen und Sachsen ein solches Institut bekommen haben; einen Standort in Mecklenburg-Vorpommern gibt es bereits. Ich sehe jetzt den Kollegen Rehberg nicht; er setzt sich immer sehr für Neustrelitz ein. Es war uns wichtig, dass wir auch einen Beitrag für den Aufbau Ost im Bereich Forschungsförderung leisten, indem DLR-Institute in jedem ostdeutschen Bundesland verfügbar sind.
({4})
Da die Zeit rennt und ich weiß, dass es dem Präsidenten immer viel Freude macht, wenn man die Redezeit nicht einhält, will ich ein Letztes zur Frage des Strukturwandels sagen. Wir haben in der Lausitz gerade das Projekt des DLR-Instituts zu CO 2 -armen Industrieprozessen. Das sage ich aus guten Gründen. Damit will ich jetzt nicht unbedingt den Grünen gefallen; wir müssen einfach schauen, dass wir mit Forschungsinitiativen und Innovation gerade auch den Strukturwandel begleiten. Dafür haben wir erste Handlungsschritte unternommen.
Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.
({5})
Vielen Dank, Herr Kollege Jurk. Das war noch just in time. – Als Nächster spricht zu uns der Kollege Reinhard Houben, FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Herr Minister Altmaier, ich kann Sie nicht verstehen. Ich kann Sie wirklich nicht verstehen.
({0})
Von der Kanzlerin haben wir vor einigen Jahren gehört: 1 Million Elektroautos. – Eine Hürde, unter der wir aufrecht herlaufen werden! Dann wurde im Mai verkündet: 1,5 Millionen Wohnungen, davon 100 000 Sozialwohnungen, bis 2021. – Jetzt stellen Sie sich hierhin und sagen den Betroffenen in den Braunkohleregionen, es würden am Ende des Verfahrens mehr Arbeitsplätze in diesen Regionen vorhanden sein als im Moment. Das ist doch wirklich unfassbar.
({1})
Sie führen die Leute hinter die Fichte, und Sie nehmen die Probleme offensichtlich nicht ernst.
Wirklich, Herr Minister, ich kann es nicht verstehen. Sie wissen genau, dass es nicht nur die Arbeitsplätze in den Kraftwerken sind. Das ist das kleinste Problem; gut ausgebildete Leute bringt man unter. Wir haben zumindest da, wo abgebaut wird, eine ganze Menge Leute, wo es schon schwierig wird, und da ist die Zahl auch viel größer. Und, Herr Minister, Sie müssen natürlich auch im Auge haben, dass wir bestimmte Industrien in der Nähe der Braunkohleförderung haben, wie zum Beispiel Aluwerke in Grevenbroich, die Sie nicht einfach irgendwohin versetzen können, wo wir im Moment überhaupt noch nicht die Infrastruktur haben, um irgendeinen alternativen Strom zu erzeugen.
({2})
Dann sich hierhinzustellen und zu sagen: „Fürchtet euch nicht; es wird alles wieder gut“, das ist wirklich keine seriöse Politik, Herr Altmaier.
Sie schließen da auch an eine Linie an, die Sie im letzten Jahr verfolgt haben: Charta der sozialen Marktwirtschaft – angekündigt, nichts passiert. Serviceministerium für die Wirtschaft – kann ich nicht erkennen. Frage nach dem dritten Staatssekretär bei Ihnen im Hause – inzwischen eher ein Running Gag. Nachfolgerin für die digitale Botschafterin – nicht gefunden. Investitionsfonds zum Schutz von Unternehmen vor ausländischen Übernahmen – glücklicherweise nur eine Seifenblase. Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes – noch immer nicht durchs Kabinett gebracht. Im Oktober wurde ein Entlastungspaket angekündigt – der Kollege Klein hat darauf hingewiesen –; ebenso ist es bei der Unternehmensteuer. Wir haben keinen Diskussionsbedarf in Ihrem Bereich, Herr Minister; wir haben Handlungsbedarf.
({3})
Nach unserer Meinung sollten Sie die wirtschaftliche Entwicklung fördern und im Kabinett verhindern, dass zu große Belastungen auf die Wirtschaft zukommen, und Sie sollten für die deutschen Interessen gerade der Wirtschaft im Ausland eintreten. Dort sehen wir einen großen Mangel. Wo war Ihr Einsatz für die Interessen deutscher Unternehmen im Handelsstreit mit den USA? Ein Antrittsbesuch in Washington allein genügt aus unserer Sicht dafür nicht.
({4})
Und wenn dann mal etwas angeschoben wird, meine Damen und Herren, dann mit vielen handwerklichen Schnitzern. Wie das Akkreditierungsstellengesetz und das Energiesammelgesetz im Schweinsgalopp durch den Bundestag gejagt werden, ist nicht besonders gut.
Wie sagte die Kanzlerin gestern? Deutschland müsse überall wieder Weltklasse werden. – Das gilt auch für die Regierungsbank.
({5})
Auf die einzelnen Positionen im Haushaltsplan möchte ich jetzt nicht eingehen, weil mir die Zeit davonläuft. Aber wir müssen doch Folgendes fragen – das war der Beitrag, wo ich Ihnen noch am ehesten folgen kann –: Wie verläuft die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Monaten und Jahren? Die Prognosen zeigen nach unten. Es gibt am Arbeitsmarkt natürlich auch schon einige ungemütliche Anzeichen. 2 300 Stellen bei der ArianeGroup, 2 900 Stellen bei Siemens, 900 Stellen bei Enercon fallen weg. Ich bin gespannt, wie gut die deutsche Automobilindustrie die Delle der Elektromobilität durchhalten wird.
Sie haben – sprachlich auch wieder interessant –, obwohl Sie wissen, dass die DAX-Kurse fallen und die Wirtschaftsweisen und Forschungsinstitute sagen, es geht in eine schwierige Zeit, die Aussage umschifft, dass wir einen gewissen Schrumpfungsprozess haben, und es „Minuswachstum“ genannt.
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Schöne Formulierung; aber ich glaube, wir sollten mit solchen Spielereien nicht arbeiten.
Also: Ruhen Sie sich nicht aus, Herr Minister! Wir haben genug Aufgaben vor der Brust: Brexit, Industrie 4.0, Wagniskapital, Bürokratieabbau. Und ich erwarte eigentlich auch eine stärkere Rückendeckung für die deutsche Automobilindustrie, die ja anscheinend ins Weiße Haus mehr einbestellt als eingeladen worden ist. Ich hoffe, Sie sind da an der Seite der deutschen Automobilindustrie. Sie hatten bisher 253 Tage im Amt, Herr Altmaier; –
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
– viel Zeit mit 1 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Nutzen Sie das Potenzial Ihres Hauses. Fangen Sie an!
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank, Herr Kollege Houben. – Als Nächster hat das Wort der Kollege Thomas Lutze, Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Die Wirtschaft soll den Menschen dienen. Folgt man dieser Debatte, muss man zumindest in Teilen ein Fragezeichen daran machen. Dass aber ausgerechnet Sie, Herr Altmaier, der erste CDU-Politiker waren, der die Initiative der Kollegen von der SPD zur Ablösung von Hartz-IV-Gesetzen abgelehnt hat, war mehr als beschämend.
({0})
Hartz IV ist Armut per Gesetz und gehört endlich abgeschafft.
Vier Minuten Redezeit, vier Beispiele aus der Wirtschaft.
Erstens. Niemand bedroht unser Land militärisch.
({1})
Hören Sie endlich auf, Kriegswaffen zu produzieren und zu exportieren!
({2})
Die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie haben natürlich, wie aktuell in Wolgast, ein Anrecht auf sichere und ordentlich bezahlte Jobs. Wenn immer wieder vom Fachkräftemangel die Rede ist: Dort gibt es sicher Potenziale. Diese Kolleginnen und Kollegen sind gutausgebildet und hochqualifiziert.
({3})
Geben Sie ihnen eine Perspektive, indem Sie Konversion fördern und nicht Aufrüstung.
({4})
Zweitens. Akzeptieren Sie endlich, dass der Klimawandel und die Umweltverschmutzung keine Naturgesetze sind, sondern das Ergebnis einer rücksichtslosen Wirtschaftspolitik. Wenn Sie hier nur halb so viel an die kommenden Generationen denken würden, wie Sie es bei Ihrer schwarzen Null oder in der Rentendebatte immer wieder herunterbeten, dann müssten wir uns wirklich deutlich weniger Sorgen machen.
({5})
Nein, ein Festhalten an der Kohleverstromung so lange, bis uns etwas Besseres eingefallen ist, kann keine Lösung sein. Es darf aber auch keine Experimente beim Umgang mit den Beschäftigten geben. Sie haben ein Recht auf eine gute Beschäftigung mit guten Löhnen. Und solange kein Ersatz da ist, muss man den Mitarbeitern ihr Einkommen garantieren, auch wenn sie keine Kohle mehr abbauen oder zur Stromerzeugung verfeuern.
({6})
Drittes Beispiel. In Ihrem Wahlkreis, Herr Altmaier, muss ein großer Pkw-Hersteller mit Standorten in Köln und Saarlouis zum Jahreswechsel seine Produktion zurückfahren, sonst erfüllt er die Flottenvorgaben bei den Abgaswerten nicht mehr. Direkt betroffen sind bis zu 1 600 Arbeitsplätze allein an der Saar. Zum Glück hat die IG Metall gute Tarifverträge ausgehandelt, sodass Kündigungen vorerst ausgeschlossen sind. Doch immer nur ältere Mitarbeiter vorzeitig in Rente zu schicken, ist mit Sicherheit auch keine Lösung.
Sie als Bundesregierung haben zu verantworten, dass in den letzten zehn Jahren primäre Fragen der Mobilität vollkommen verschlafen wurden.
({7})
Elektromobilität ist nach wie vor eine teure Nische. Der Verkauf von dicken SUVs hingegen boomt und wirft Gewinne ab. Als VW und andere Hersteller nach Strich und Faden betrogen und belogen haben, passierte bei Ihnen in der Bundesregierung überhaupt nichts. Erst als die ersten Straßen in einem vollkommen wirren Verfahren für Dieselautos gesperrt wurden, kam das auf die Tagesordnung.
Herr Altmaier, in der Bundesrepublik ist die Automobilindustrie derzeit ein wesentlicher Standortfaktor. Mit einem „Weiter so; es wird schon“ machen Sie sich was vor; denn ohne die Dienstwagenprivilegien im Steuerrecht wären die meisten dicken Karossen heute fast unverkäuflich. Machen Sie sich lieber zusammen mit dem Verkehrs- und mit dem Forschungsministerium Gedanken, wie Sie jenseits der Automobilbranche industrielle Kerne erhalten und wieder aufbauen.
({8})
Viertes Beispiel. In Leipzig und Saarbrücken fährt gerade ein mittelgroßes Gießereiunternehmen an die Wand, und das nicht, weil die Produkte oder die Produktion nicht marktfähig sind oder weil der Strom zu teuer ist oder Ähnlichem, sondern weil Heuschrecken diesen Laden kaputtmachen bzw. kaputtgemacht haben. Auch hier hat die Bundesregierung nichts unternommen, um diesen Spuk zu unterbinden. Irgendwelche Heuschrecken haben mehr Macht in der Wirtschaft als die Mitarbeiter oder die Betriebsleitung. Das ist doch irre, liebe Kolleginnen und Kollegen!
({9})
Selbst die letzte Rettung, eine Verstaatlichung dieses Unternehmens, das kurz vor dem Abgrund steht, haben CDU und SPD im Saar-Landtag abgelehnt. Doch genau das hat in den 80er-Jahren die Stahlindustrie, die Sie, Herr Minister, neulich auf dem Saarbrücker Stahlgipfel noch so hoch gelobt haben, überhaupt erst gerettet.
Heute haben Sie die Hosen voll, wenn es darum geht, sich für die Jobs der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernsthaft querzulegen. Das ist sehr traurig, sehr schade.
Ein herzliches Glück auf!
({10})
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin spricht zu uns die Kollegin Katharina Dröge, Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Altmaier! Sie hatten jetzt insgesamt sehr viel Zeit, um zu uns zu sprechen. Ich finde es trotzdem interessant, worüber Sie in dieser ganzen Zeit nicht gesprochen haben.
({0})
Von Ihnen gab es kein Wort zum Thema Brexit, kein Wort zu den globalen Handelskonflikten, insbesondere mit den USA, und auch kein Wort zur chinesischen Investitionsstrategie. Ich glaube, Herr Minister, es gibt draußen im Land ziemlich viele Unternehmen, die hierzu gerne klare Aussagen von Ihnen hätten.
({1})
Denn die globalen Konflikte, die wir erleben, bedrohen auch die Grundlagen der deutschen Industrie.
Schaue ich zurück auf die vergangenen Monate, in denen Sie Wirtschaftsminister sind, muss ich sagen: Einen klaren Kompass, eine klare Haltung von Ihnen konnte ich in dieser ganzen Zeit leider nicht erkennen. Ich erwarte ja nicht von Ihnen, dass Sie alle Konflikte lösen können,
({2})
aber zumindest zu wissen, wo es langgehen soll, sollten Sie, finde ich, schon liefern können.
Wenn man sich alleine den Handelskonflikt mit den USA anschaut, wird das schon deutlich. Natürlich war es richtig von Ihnen, zu sagen: Deeskalation ist das Mittel der Wahl. – Aber Sie haben eine zweite Aufgabe, die angesichts des Brexits genauso wichtig ist, und zwar: die Europäische Union zusammenzuhalten. Ich fand es hochgradig irritierend, dass Sie im vergangenen Sommer immer wieder mit deutschen Alleingängen vorgeprescht sind, während die Kommission verhandelt hat, dass Konflikte zwischen Ihnen und den Franzosen öffentlich wurden, dass sogar in „Spiegel“-Interviews darüber diskutiert wurde. Ich sage Ihnen: Das schwächt die europäische Handelsstrategie. Das ist genau das, was Donald Trump am Ende erreichen will, nämlich die europäischen Staaten gegeneinander auszuspielen.
Wir haben wieder eine schwierige Zeit mit den USA vor uns. Der Trump-Juncker-Deal wird wahrscheinlich scheitern, so wie es gerade aussieht. Wir appellieren eindringlich an Sie: Setzen Sie diesmal auf europäische Geschlossenheit und europäische Einigkeit.
({3})
Und Sie hätten einen weiteren Job gehabt, Herr Altmaier: Die ganze Zeit, die uns der Trump-Juncker-Deal verschafft hat, hätten Sie nutzen müssen, um einen Plan B zu entwickeln – einen Plan B gegen das Chaos, das Donald Trump gerade auf der Welt anrichtet.
({4})
Wir haben Ihnen dazu im Sommer einen Vorschlag gemacht: Eine neue Bündnisstrategie mit Staaten, die bereit wären, die Globalisierung gerecht zu gestalten, die bereit wären, voranzugehen – nicht nur bei fairen Handelsregeln, sondern zum Beispiel auch beim Thema Klimaschutz.
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Das wäre eine Möglichkeit gewesen, über die Sie hätten verhandeln können. Doch diesbezüglich habe ich von Ihnen in den vergangenen Monaten nichts erlebt.
({6})
Sie hätten auch europäische Partner für so eine Bündnisstrategie gehabt. Der französische Präsident Macron hat vorgeschlagen, das Pariser Klimaschutzabkommen zum essenziellen Bestandteil von jedem Handelsabkommen zu machen. Was für ein starkes Schwert hätten wir dann gehabt, um Klimaschutz nicht nur national zu regeln, sondern eben auch international voranzubringen.
({7})
All denjenigen, die wie Sie erzählen, man soll Klimaschutz nicht nur national regeln, weil es um die deutsche Wettbewerbsfähigkeit geht, hätten Sie antworten können, dass Sie es auf diese Weise machen.
({8})
Deswegen finde ich es unverständlich, dass ausgerechnet die deutsche Bundesregierung hier blockiert und Macron die Rote Karte gezeigt hat. Ich kann nur an Sie appellieren: Beenden Sie diese Blockadehaltung!
({9})
Jetzt zum Thema China. China spielt Monopoly mit der Welt. Chinesen sind auch in Europa auf Einkaufstour, gerade bei kritischer und sensibler Infrastruktur. Sie haben das Thema jetzt erkannt und werden anscheinend noch in diesem Jahr im Kabinett einen Vorschlag machen, um das Ganze zu regeln – aber nur bezüglich der einen Hälfte des Problems, nur dann, wenn chinesische Unternehmen deutsche Unternehmen aufkaufen wollen. Wir haben sie gefragt: Wie verhält es sich denn beim Aufbau von kritischer Infrastruktur? Wir vergeben gerade die Lizenzen für den Aufbau der 5G-Netze. Da sind es auch chinesische Investoren, die daran beteiligt sind. Wieso messen Sie mit zweierlei Maß? Warum machen Sie so ein Riesentheater bei 50 Hertz und drehen Pirouetten mit der KfW, regeln aber beim Aufbau von kritischer Infrastruktur – da, wo Sie es in der Hand hätten – nichts?
({10})
Das letzte Thema ist das Thema Ordnungspolitik. Sie selbst haben Ihre Zeit als Wirtschaftsminister in die Tradition von Ludwig Erhard gestellt, haben sogar einen Saal im BMWi nach ihm benannt.
({11})
Jetzt hat Frau Merkel ausgerechnet im Hinblick auf die digitalen Giganten, wo wir ein schärferes Wettbewerbsrecht bräuchten, angeregt: Lassen Sie uns mal in Brüssel Vorschläge machen, die das Wettbewerbsrecht aufbrechen und aufweichen. Wir brauchen größere Konzerne. – Das ist genau die falsche Strategie.
({12})
Sie haben sich trotzdem hinter Frau Merkel gestellt.
({13})
Ich sage Ihnen: Säle, die nach Ludwig Erhard benannt wurden, gibt es in diesem Land genug. Einen Wirtschaftsminister, –
Frau Kollegin.
– der sich in die Tradition von Ludwig Erhard stellt und danach handelt, wäre etwas Neues.
({0})
Vielen Dank, dass Sie auf mich gehört haben. – Als Nächstes hat das Wort der Kollege Dr. Carsten Linnemann, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berichterstatter aus dem Haushaltsausschuss! Ich wohne diesem Hohen Hause seit neun Jahren bei, und in diesen neun Jahren habe ich Haushaltsberatungen erlebt, die alle sowohl auf nationaler und in der Regel auch auf internationaler Ebene in einem konjunkturellen guten bis sehr guten Umfeld abliefen.
Wir haben uns nach 2007, 2008, 2009, nachdem wir die Finanzkrise einigermaßen verkraftet haben, in einer unglaublichen Geschwindigkeit wieder in die internationale Arbeitsteilung eingeklinkt und haben heute eine Situation, in der sich zeigt, dass die deutsche Wirtschaft sehr wohl wettbewerbsfähig ist. Ich finde, das gehört auf den Tisch und das darf man jetzt nicht schlechtmachen, sondern das muss man zum Ausdruck bringen. Wenn vor zehn Jahren, während der größten Rezession der Nachkriegsgeschichte, in Deutschland jemand erzählt hätte, dass Deutschland in Sachen Wirtschaft und Mittelstand heute so dasteht, hätte man ihm nicht geglaubt. Es ist aber so, und das ist auch gut so und richtig, und das ist zunächst einmal die Leistung der Wirtschaft und nicht der Politik.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Dröge, Sie haben natürlich insofern recht – das gebe ich auch zu; das belegen auch die volkswirtschaftlichen Prognosen –, dass das Wachstum seinen Höhepunkt erreicht hat, dass wir zwar weiter wachsen, aber nicht mehr in dieser Dynamik wie in den letzten Jahren. In den letzten vier, fünf Jahren gab es durchschnittlich rund 2 Prozent Wachstum; das sind im Durchschnitt 0,5 Prozentpunkte mehr als in den Jahren zuvor. Aber das jetzt am deutschen Wirtschaftsminister festzumachen, ist vielleicht sogar naiv.
({1})
– Nein, das haben Sie nicht gesagt. –
({2})
Natürlich hat das nationale Gründe; das gebe ich zu. Da ist zum einen die demografische Entwicklung, dass die Babyboomer jetzt in Rente gehen, gleichzeitig beschäftigt uns das Thema Fachkräftemangel mehr denn je.
Wenn Sie sich die internationale Gemengelage anschauen – nehmen Sie das Thema Handelspolitik –, dann sehen Sie: Das liegt in europäischer, nicht in nationaler Hand. Und zum ersten Mal seit Jahren gibt es einen Kommissionspräsidenten, der, unterstützt von Peter Altmaier, mit einer klaren Stimme in Amerika aufgetreten ist; und genau so muss es sein. Die Amerikaner haben uns in diesem Handelskonflikt als sehr wichtig akzeptiert. Ich finde, dass Herr Juncker – so sehr man über ihn streiten kann – in dieser Frage eine sehr gute Position eingenommen hat, und Peter Altmaier hat ihn dabei unterstützt. Aber natürlich tragen diese Handelskonflikte Sprengstoff in sich.
Natürlich ist auch die weltweite Situation zu berücksichtigen. Ich denke an die Schwellenländer, die sich massiv in Dollar verschuldet haben, weil der Dollar so schwach war, und jetzt unter den hohen Kreditzinsen leiden, weil der Dollar aufgrund der amerikanischen Notenbankpolitik an Fahrt gewinnt.
Auch die Situation in Europa spielt eine Rolle. Sie haben den Brexit angesprochen. Auch das Thema Italien ist nicht einfach. Da müssen wir aufpassen, dass es nicht zu einer neuen Euro-Krise kommt.
({3})
Interessant ist, was mir jenseits all der Probleme, die wir hier angesprochen haben, in dieser Woche passiert ist. Wie wir alle habe ich mir diese Haushaltsdebatte zwei Tage lang angehört. Wir haben hier viel über die Zukunft gesprochen. Fast alle Parteien haben übrigens darüber gesprochen, was wir heute machen müssen, damit es uns morgen noch gut geht. Da ging es um Digitalisierung, um Industrie 4.0, um Blockchain, um künstliche Intelligenz. Dann habe ich gestern 1 000 Mittelständler auf einer Veranstaltung getroffen. Fast alle von ihnen hatten weniger als zehn Mitarbeiter. Wenn ich da angefangen hätte, darüber zu sprechen, wie wir in Zukunft den Wettkampf mit China usw. um die künstliche Intelligenz gewinnen wollen, dann hätten sie gesagt: Das ist richtig und wichtig; das müsst ihr auch machen, aber vergesst bitte jenseits der großen Herausforderungen nicht die vermeintlich kleinen Themen. – Ich sage bewusst: vermeintlich kleine Themen. Ich finde, dass diese heute und in diesen Tagen hier zu kurz kommen. Drei Themen wurden angesprochen: zunächst das Thema Bürokratie, dann das Thema Steuern und das Thema Fachkräfte. Das sind die drei Themen, die im Moment – das ist zu beobachten – den kleinen Mittelstand umtreiben.
Beim Thema Bürokratie hat man mich dann mit Themen, zu denen übrigens auch auf Länderebene manches verabschiedet wurde, konfrontiert und aufgezählt, was in den letzten Monaten und ein, zwei Jahren alles verabschiedet wurde: neues Bundesmeldegesetz, neue Trinkwasserverordnung, Kassen-Nachschau, Datenschutz-Grundverordnung, verstärkte Zollkontrollen, Ausbildungsnachweis, Hygieneampel, neue Sonnenschutzregeln, verschärfte Arbeitsstättenverordnung, Arbeitszeitdokumentation, Allergenkennzeichnung. Ich könnte fortsetzen.
Ich sage das deshalb, weil diese kleinen Betriebe das Gefühl haben, dass sie hier nicht mehr ernst genommen werden.
({4})
Ich finde, wir müssen diese Betriebe wieder ernst nehmen.
({5})
Das ist auch ein Thema, das auf die Agenda muss.
({6})
Denn jeder einzelne Punkt für sich ist nicht schlimm; aber die Aneinanderreihung von Punkten macht es aus. Dieser kleine Mittelstand kommt meines Erachtens zu kurz.
({7})
– Sie können nicht auf andere schimpfen. Auf meiner Liste habe ich 10, 15 Punkte, die auch aus Ländern kommen, wo die Grünen oder auch die FDP mitregieren.
({8})
Ich glaube, wir sollten endlich begreifen, dass es ein parteiübergreifendes Thema ist, diese Bürokratie abzubauen.
({9})
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Nein. Gleich kann man gerne eine Kurzintervention machen.
Wir werden jetzt Folgendes machen: Erstens werden wir das Thema „Stärkung des Normenkontrollrates“ im parlamentarischen Verfahren angehen. Zweitens wollen wir, dass einmal gemeldet wird – Stichwort „Once-only-Prinzip“. Das reicht. Dann müssen die Behörden mit den Daten umgehen. Drittens. Wir brauchen auf EU-Ebene eine One-in-one-out-Regel, damit nicht mehr Bürokratie aufgebaut wird. Damit muss endlich Schluss sein. Unser Berichterstatter Klaus-Peter Willsch wird sich dieses Themas annehmen – gemeinsam mit der SPD.
({0})
Zum zweiten Thema: Steuerreform. Hier unterstütze ich ausdrücklich den Wirtschaftsminister. Wir brauchen eine Unternehmensteuerreform und auch eine Einkommensteuerstrukturreform. Die wird es geben.
({1})
Hier gibt es weltweit Druck. Darum müssen wir uns auch zu Hause darum kümmern.
Das dritte und letzte Thema: Fachkräfte. Die Regierung bringt ein Fachkräftezuwanderungsgesetz auf den Weg. Der Mittelstand ruft danach. Er braucht es. Das Verfahren muss vereinfacht werden. Auch die Visaverfahren müssen schneller abgeschlossen werden können. Das kommt jetzt.
({2})
Es ist richtig und wichtig, sich all dieser Themen – „China-Strategie“, „künstliche Intelligenz“ – anzunehmen, damit wir in 10, 15 Jahren noch erfolgreich sind. Aber wir müssen uns genauso um den kleinen Mittelstand in Deutschland kümmern. Das sind 3 Millionen Betriebe, die weniger als zehn Mitarbeiter haben. Die gehören in einer Haushaltswoche auch auf die Agenda.
Vielen Dank.
({3})
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Linnemann. Wenn Sie böse sind, dann bitte nicht mit mir. Ich muss Sie immer fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen, auch wenn das Ihren Redefluss stört.
Als Nächstes spricht zu uns die Kollegin Gabriele Katzmarek, SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung investiert gezielt in die mittelständische Wirtschaft und in Zukunftstechnologien. Erfolgreiche Programme wie das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand oder die Industrielle Gemeinschaftsforschung werden fortgesetzt; meine Kollegen haben darüber schon berichtet. Die weiteren Anstrengungen für den Aufbau einer Batteriezellenproduktion, die Förderung von Industrie-4.0-Technologien für den Mittelstand, die Stärkung der heimischen Mikroelektronik, die Strategie Künstliche Intelligenz sind richtig und werden sich auszahlen.
({0})
Es gibt jedoch immer zwei Seiten einer Medaille, und die will ich heute hier schon noch ansprechen. So wichtig Investitionen in Zukunft sind: Wir brauchen auch Investitionen in die Köpfe der Menschen, in das Potenzial der Menschen; denn nur dann kann es gelingen, dass die Investitionen, die Anwendungen in der zukünftigen Produktion gut und richtig umgesetzt werden. Meine Damen und Herren, da gibt es Nachholbedarf.
({1})
Investitionen in Köpfe fangen in den Kitas an, über die Grundschulen, die weiterführenden Schulen, die Hochschulen, selbstverständlich auch in Aus- und Weiterbildung. Unsere Ministerin Franziska Giffey hat mit dem Gute-Kita-Gesetz einen wichtigen Baustein in diese Richtung gesetzt. Das Qualifizierungschancengesetz von Hubertus Heil packt die Herausforderungen in der Weiterbildung im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land an; und das ist gut so.
Noch gibt es aber keine Lösung für die Investitionen in unsere Schulen. Der DigitalPakt Schule, der die Investitionen in unsere Schulen zugunsten junger Menschen regeln soll, damit junge Menschen dort lernen, was für die Zukunft notwendig ist, nämlich mit neuen Technologien umzugehen, ist immer noch nicht beschlossen. Die Bundesbildungsministerin der letzten Legislatur, Frau Wanka, ist als kleiner Tiger gestartet und, ich sage mal, als Bettvorleger bei Herrn Schäuble gelandet.
({2})
– Das mag so sein. – Ich würde mir wünschen, dass die jetzige Bildungsministerin, Frau Karliczek, ihren Aufgaben nachkommt
({3})
und nicht anfängt, heute wieder über das zu reden und erneut das zu diskutieren, was letztendlich schon erledigt ist,
({4})
nämlich die Ehe für alle, und das unter dem Deckmantel des Kindeswohls.
({5})
Lieber Herr Altmaier, ich würde mir wünschen, dass Sie – –
({6})
– Also, jetzt pöbeln. Dazu sage ich Ihnen mal was: Das hätten Sie sich gestern einfallen lassen sollen, als Ihre Frau Weidel über den Haushalt geredet hat.
({7})
Ihre Frau Weidel hat gestern hier versucht, den Spendenskandal, in dem es jetzt Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gibt, herunterzuspielen,
({8})
weil 130 000 Euro und wer weiß, wie viel sonst noch,
({9})
aus irgendwelchen ominösen Kassen bei Ihnen auf dem Konto gelandet sind und das aufgedeckt worden ist.
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Deshalb hat sie nicht über den Haushalt geredet, sondern versucht, hier weiterhin Ihre Saubermannpolitik bzw. Sauberfraupolitik vorzuspielen. Ist ihr nur leider nicht gelungen.
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Ich finde es wichtig, dass Sie sich jetzt einmal darüber Gedanken machen,
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wie Sie mit der Staatsanwaltschaft umgehen werden und mit dem Strafverfahren, das wohl eingeleitet wird.
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Ansonsten sollten Sie aufhören, hier zu pöbeln.
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Meine Zeit ist abgelaufen, meine Damen und Herren,
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aber nicht ganz. Eine Botschaft möchte ich Ihnen mitgeben, und die ist an Herrn Altmaier gerichtet. Ich möchte Sie bitten, Herr Altmaier, mit Ihrer Kollegin darüber zu reden, dass es jetzt dringend notwendig ist, dass wir auch in den Ländern in Bildung investieren. Ich möchte die Grünen bitten, mit Herrn Kretschmann zu reden, damit er nicht weiter auf der Bremse steht, und ich möchte die CDU/CSU bitten, dass sie mit Herrn Laschet redet, damit er nicht ebenfalls auf der Bremse steht. Wir brauchen Investitionen in die Zukunft, aber wir brauchen auch Investitionen in Bildung. Nur so kann es funktionieren. Dafür stehen wir als SPD, dafür werden wir weiter streiten und kämpfen.
Ich danke Ihnen, Herr Altmaier, für Ihre Unterstützung, damit wir auch weiterhin gute Wirtschaftspolitik machen können.
Danke schön.
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Vielen Dank, Frau Katzmarek, für Ihren Beitrag. – Herr Kollege Gauland, ich habe auch darüber nachgedacht, ob die Kollegin zum Thema spricht, aber irgendwie haben Spenden im weitesten Sinne auch etwas mit Wirtschaft zu tun.
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Als Nächster redet zu uns der Kollege Hansjörg Durz, CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Volkswirtschaft befindet sich in der historisch längsten Aufschwungsphase der Nachkriegszeit. Das kommt auch bei den Menschen an. Das zeigt die Beschäftigungsquote. Und weil unsere Wirtschaft so wettbewerbsfähig ist, steht Deutschland heute ökonomisch herausragend da. Auch die öffentlichen Haushalte profitieren davon. Seit 2014 kommt der Bund nun ohne Schulden aus. Wir erreichen erstmals seit 2002 das Maastricht-Kriterium von maximal 60 Prozent Gesamtverschuldung. Daher darf man diesen Haushalt auch zu Recht als historisch bezeichnen.
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Dennoch befinden wir uns in zunehmend unruhigem ökonomischen Fahrwasser. Für Unsicherheit sorgen außenwirtschaftliche Faktoren und geopolitische Konflikte gleichermaßen. Exemplarisch zu nennen sind – die Beispiele sind auch schon genannt worden – der Handelsstreit zwischen USA und China, der Brexit, die Situation im Iran.
Die Tatsache, dass die deutsche Wirtschaftsleistung erstmals seit 2015 innerhalb eines Quartals geschrumpft ist, ist zwar kein Grund zur Sorge, aber das macht schon deutlich, dass es nicht immer nach oben geht. Finanzielle Solidität ist nur möglich, wenn das Geld auch erwirtschaftet wird. Das muss uns immer bewusst sein.
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Der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat darauf umfassend hingewiesen. Zwei Punkte möchte ich hervorheben.
Erstens. Wollen wir weiterhin der Stabilitätsanker in der EU bleiben, müssen wir unsere Wirtschaft fit für die Zukunft machen. Wir brauchen mehr Impulse für Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft.
Zweitens. Die Digitalisierung verändert alles in enormer Geschwindigkeit und bringt den größten Strukturwandel unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft seit Gründung der Bundesrepublik mit sich. Wollen wir bei diesem Transformationsprozess erfolgreich sein, müssen wir ihn im Sinne der Menschen gestalten.
Beides – Impulse für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Digitalisierung im Sinne der Menschen – geht die Bundesregierung und die Koalition ganz konkret an. Drei Beispiele hierzu aus dem Einzelplan des Bundeswirtschaftsministeriums möchte ich hervorheben.
Erstens. Wir investieren zusätzliche Mittel in Forschung und Entwicklung sowie in innovative Unternehmensgründungen. Stellvertretend seien die Haushaltsmittel für EXIST genannt. Diese werden im Jahr 2019 gegenüber den Vorjahren verdoppelt. Damit fördern wir noch stärker junge Menschen, die sich aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen heraus selbstständig machen wollen. Wir fördern mutige junge Menschen. Wir fördern Unternehmertum.
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Zweitens. Wir investieren weiter ganz konkret in die Digitalisierung des Mittelstandes. Zentraler Bestandteil des Förderschwerpunktes bleiben die 25 Mittelstand-4.0-Kompetenzzentren. Sie stellen ein kostenfreies und auf KMU und Handwerksbetriebe zugeschnittenes Angebot bereit. Wir bringen damit die Digitalisierung konkret in den Mittelstand, in die Regionen, dorthin, wo die Arbeitsplätze der Menschen sind, dorthin, wo der Wohlstand erwirtschaftet wird. Wir fördern den Mittelstand.
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Drittens. Wir gehen das Zukunftsthema „künstliche Intelligenz“, den Treiber der Digitalisierung, ganz konkret an. Wie lässt sich das mit Blick auf die in der vergangenen Woche vorgestellte KI-Strategie erkennen? Mit dem Haushalt 2019 stellt der Bund in einem ersten Schritt 500 Millionen Euro zur Verfügung. Bis 2025 werden es 3 Milliarden Euro sein. Auch der Wirtschaftsetat wird hier eine Rolle spielen. Hinzu kommen 100 neue KI-Professuren und ein nationales Forschungsnetzwerk aus zwölf Kompetenzzentren.
All das wird zwar nicht ausreichen – bei Investitionen und beim regulatorischen Rahmen müssen wir viel stärker europäisch denken und handeln –, aber mit diesem Haushalt leiten wir gute, konkrete Schritte ein, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Wir fördern Innovationen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe drei Beispiele genannt. Es bedarf einer höheren gesellschaftlichen Wertschätzung von Innovationen und Unternehmertum; das hat uns der Sachverständigenrat ins Stammbuch geschrieben. Hierfür steht ganz konkret EXIST. Weiter heißt es: „Oberste Priorität sollte auf Anstrengungen liegen, die Bevölkerung besser zu befähigen, die Chancen des digitalen Wandels“ zu nutzen. Die Initiativen zur Digitalisierung des Mittelstandes sind hier ganz konkrete Maßnahmen. Und zu guter Letzt: „Technologischer Fortschritt führt zu tiefgreifenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft.“ Das ist richtig. Deshalb müssen wir es schaffen, den Menschen zu vermitteln, dass Digitalisierung zwar große Herausforderungen mit sich bringt, aber noch viel mehr Chancen.
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Unsere Vorstellung und unser Ziel ist es, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und durch Digitalisierung das Leben der Menschen jeden Tag ein Stück besser zu machen. Der Haushalt trägt genau hierzu bei.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Durz. – Das letzte Wort hat nun der Kollege Andreas Rimkus, SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Am Anfang wurde das Universum erschaffen. Das machte viele Leute sehr wütend und wurde allenthalben als Schritt in die falsche Richtung angesehen.
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Das ist ein Zitat von Douglas Adams, ein, wie ich finde, wunderbares Zitat. Denn was wir daraus lernen können, ist, dass schon die bloße Möglichkeit, Fortschritt zu generieren, das Vorprogrammiertsein von Widerstand setzt. Am Ende allerdings werden wir alle Male sehr froh sein, dass es diesen Fortschritt dann gegeben hat, oder, wie ich als Rheinländer sagen würde: Auch wer am Auspuff nuggelt, mer muss och jünne künne.
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Tatsache ist jedenfalls: Der volkswirtschaftliche Erfolg von heute und damit der wichtigste Pfeiler unseres relativen Wohlstands ist das Resultat des Fortschritts von gestern, und für den Wohlstand von morgen bedarf es auch heute eines vorsorgenden Blickes in die Zukunft. In meinem Ressort „Wirtschaft und Energie“ spielen Zukunft und Fortschritt deshalb eine tragende Rolle. Das ist auch gut so; denn die Herausforderungen sind ja groß. Mit der Energiewende einerseits, der Digitalisierung andererseits befinden wir uns inmitten gleich zweier gesamtgesellschaftlicher Transformationsprozesse, die zugleich die drei wichtigsten Fragen unserer Zeit berühren: die ökonomische, die ökologische und nicht zuletzt die soziale Frage.
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Meine Genossin Gabi Katzmarek und mein Genosse Bernd Westphal
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haben vor diesem Hintergrund ja gerade schon richtigerweise wichtige Investitionen in die Erforschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien herausgehoben: die Fortschritte im Bereich Industrie 4.0 und die Perspektive für künstliche Intelligenz und Automatisierung.
Mir persönlich ist es aber eine Herzensangelegenheit, noch einen ganz anderen Punkt in den Vordergrund zu stellen, und zwar den des politischen Gestaltungsanspruchs, den der politischen Erzählung. In der Debatte um die Energiewende geht es mir nach wie vor viel zu sehr um die Frage, wen das alles eigentlich am schlimmsten treffen wird. Das ist oftmals die Erzählung, die wir setzen. Verfolgt man nur die Schlagzeilen der Debatte, die wir führen, könnte man meinen, die Energiewende sei zwar irgendwie richtig, aber unweigerlich mit dramatischen Arbeitsplatzverlusten und explodierenden Energiekosten verbunden, während auf der anderen Seite die völlig überzogenen Klimaschutzziele eh nie erreicht würden – kurzum: ein völlig sinnloses und aussichtsloses Projekt, eine Totalkatastrophe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist zwar totaler Quatsch und überdies ziemlich fatal, aber kein Wunder.
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Denn während sich die einen noch bei Schnee im Sommer gegen die Annahme verwehren werden, dass der Mensch irgendetwas mit dem Klimawandel zu tun habe, machen die anderen Vorschläge, die zwar ökologisch in die richtige Richtung gehen, die sich aber ein Teil der Bevölkerung, ein Teil der Bürgerinnen und Bürger schlichtweg nicht leisten kann.
Wir alle stehen miteinander in der Verantwortung, die Risiken des Wandels sorgfältig abzuwägen und die Lasten fair zu verteilen. Aber: So sind wir eben gut beraten, dass wir alles in den Blick nehmen. Es geht um die Reduktion der Treibhausgasemissionen – aber nicht nur. Es geht um den Aufbau neuer Industrien – aber nicht nur. Denken wir an die Speichertechnik, denken wir an synthetische Kraftstoffe, an die Wasserstoffwirtschaft und an Batteriezellfertigung.
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Für entsprechende Perspektiven im Verkehrssektor hat meine Fraktion Anfang Oktober ja auch ein entsprechendes Positionspapier verabschiedet. Sie sehen also, es geht um viel mehr.
Zum Schluss: Es geht auch um die Kohle – nicht nur um die Euros, sondern um die echte Kohle und um die Kumpels, denen wir es schuldig sind, dass wir ihnen heute, bevor der alte Arbeitsplatz verloren geht, sagen, was sie für einen Arbeitsplatz haben werden. Das ist das Wichtigste, was wir tun müssen. Wir wollen solidarisch, nachhaltig und damit erfolgreich sein.
Danke fürs Zuhören.
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Vielen Dank, Herr Kollege Rimkus. – Damit beende ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09 – Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Dann ist der Einzelplan 09 mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der anderen Fraktionen des Hauses angenommen.
Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin Giffey! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Vorwort zum Einzelplan 17 heißt es, dass das Familienministerium das Ziel verfolgt, „bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine Entscheidung für Familie und Kinder zu erleichtern“.
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Hierzu gehöre „eine wirksame Familienförderung mit dem Ziel, für Familien beruflich und privat bestmögliche Perspektiven zu schaffen“. Und tatsächlich werden mit rund 10 Milliarden Euro beträchtliche Haushaltsmittel bereitgestellt. Aber wird die Regierung damit ihrem hohen Anspruch auch gerecht? Nein, die Regierung wird ihrem Anspruch, bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, nicht gerecht, meine Damen und Herren.
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So hieß es einmal, es solle Wahlfreiheit für die Eltern geschaffen werden, ob sie ihr Kind in die Kindertagesstätte geben oder wenigstens die ersten zwei, drei Jahre zu Hause erziehen wollen. In der Realität sehen sich aber viele Eltern gezwungen, ihr Kind in eine Betreuungseinrichtung zu geben, weil das Einkommen eines Elternteils nicht ausreicht. Wie kann das sein?
Es hieß einmal, die Kinderarmut solle bekämpft werden. Tatsächlich nimmt die Anzahl der Kinder in Armut zu. Einen nicht geringen Teil der Armut importieren wir, indem die Bundesregierung eine Masseneinwanderung zulässt, meine Damen und Herren.
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Im Hinblick auf die hausgemachte Armut von Familien sprechen sich das Deutsche Kinderhilfswerk und weitere betroffene Institutionen für eine Neugestaltung der Existenzsicherung von Kindern aus. Geschehen ist aber bislang wenig. Wie kann das sein?
Die Caritas hat sich an uns Volksvertreter mit der Bitte gewandt, die jährliche Bundeseinlage für die Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ zu erhöhen, weil das Geld für schwangere Frauen in Notlagen nicht mehr ausreicht. Sie liegt seit 25 Jahren unverändert bei 92 Millionen Euro pro Jahr. Wegen der gestiegenen Anzahl der schwangeren Frauen in einer Notlage kann die Stiftung den Betroffenen immer weniger Geld bewilligen: Waren es 1993 noch umgerechnet 800 Euro, die einer bedürftigen Frau für Babyausstattung, für Wohnung und Einrichtung bewilligt werden konnten, sind es jetzt nur noch 600 Euro. Die AfD hat hier eine deutliche Erhöhung des Bundeszuschusses um 10 Millionen Euro gefordert, was die anderen Fraktionen abgelehnt haben. Das ist traurig, meine Damen und Herren.
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Wie kann es sein, dass Familien, die doch die tragende Säule einer Gesellschaft sind, immer stärker unter wirtschaftlichen Druck geraten? Die Regierung tut zu wenig dagegen, meine Damen und Herren. Auf der anderen Seite sollen auch im kommenden Jahr wieder rund 120 Millionen Euro für das Programm „Demokratie leben!“ ausgegeben werden.
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Hiermit werden überwiegend Projekte im „Kampf gegen rechts“ finanziert.
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Es wurden in der Vergangenheit auch fragwürdige Gruppen aus dem linken und aus dem islamistischen Spektrum gefördert. Wir wollen, dass die Demokratieklausel wieder eingeführt wird,
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damit nur Gruppen eine Förderung erhalten, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Außerdem wollen wir die Mittel um die Hälfte auf rund 60 Millionen Euro kürzen.
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Die freiwerdenden Mittel von 60 Millionen Euro wollen wir in Unterstützungsprogramme für Kinder und Familien einbringen.
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Das Geld für eine bessere Familienförderung ist da, meine Damen und Herren. Es scheint also am Willen zu fehlen. Statt vorrangig den Menschen im eigenen Land zu dienen, wie es die Aufgabe der Regierung wäre, wollen wir die ganze Welt retten und Mühselige und Beladene in Deutschland aufnehmen. An dieser Hybris werden wir scheitern, meine Damen und Herren.
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– Ich rede darüber, dass Geld vorhanden ist. – Für Flüchtlinge und solche, die sich dafür ausgeben, werden aus dem Bundeshaushalt jährlich um die 20 Milliarden Euro aufgewendet.
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Das entspricht dem doppelten Etat des Familienministeriums.
Ein Willkommensgeld für Neugeborene von 2 500 Euro wäre möglich. Außerdem könnte jedem Kind in der Schule oder im Kindergarten eine kostenfreie Mahlzeit angeboten werden und vieles mehr.
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Außerdem fordern wir eine spürbare Entlastung bei Steuern und Abgaben für Familien. Wir begrüßen den Vorschlag von Gesundheitsminister Spahn, einen Rabatt für Eltern gegenüber Kinderlosen in Pflege- und Rentenversicherung einzuführen; denn Eltern halten mit ihren Kindern den Generationenvertrag in der Sozialversicherung aufrecht.
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Das wäre eine Willkommenskultur für Kinder und eine wirksame Familienförderung.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat die Bundesministerin Dr. Franziska Giffey.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Sie kennen mittlerweile meinen Politikansatz: hingehen, zuhören und dann handeln. Deshalb bin ich viel im Land unterwegs. Ich habe mittlerweile alle 16 Bundesländer besucht, über 300 Termine seit meinem Amtsantritt absolviert und vielen Menschen zugehört, die mir erzählt haben, was sie bewegt.
Ich höre von Erzieherinnen und Erziehern, dass sie sich mehr Zeit, eine bessere Ausstattung und eine bessere Bezahlung wünschen, um allen Kindern gerecht werden zu können. Mir berichten Menschen von ihrer Sorge um ihre pflegebedürftigen Eltern. In Chemnitz haben mir Engagierte erzählt, unter welch teilweise schwierigen Bedingungen sie sich für unsere Demokratie einsetzen und wie dankbar sie dafür sind, dass es das Programm „Demokratie leben!“ und die Partnerschaft für Demokratie in Chemnitz gibt. Ich komme auch mit Alleinerziehenden ins Gespräch, die mir sagen, dass sie sich noch mehr Unterstützung wünschen. Und genau das ist es, was uns veranlasst, etwas zu tun.
Die Debatte über die Zukunft unseres Sozialstaates ist in diesen Tagen im Mittelpunkt der Berichterstattung. Sie bewegt viele Menschen. Und die Frage bei all den Konzepten, die es gibt, ist: Was leisten wir jetzt, und was leisten wir im nächsten Jahr, damit die Entlastung bei den Familien auch spürbar ankommt? Das Familienentlastungsgesetz ist angesprochen worden. Es geht nicht nur darum, das Kindergeld zu erhöhen und Familien bei den Steuern zu entlasten – so wie es hier beschlossen wurde –, sondern es geht auch darum, Familien mit kleinen Einkommen zu stärken und zu unterstützen. Und genau das haben wir vor.
Hubertus Heil und ich werden gemeinsam das Starke-Familien-Gesetz auf den Weg bringen. Wir sagen: Ein starkes Land braucht starke Familien. Wir wollen, dass alle Kinder gut aufwachsen können, dass diejenigen, die ein kleines Einkommen haben, von ihrer Arbeit leben können und dass sie, nur weil sie Kinder haben, nicht in den Sozialleistungsbezug fallen. Deshalb werden wir einen neuen Zuschlag zum Kindergeld gestalten, den Kinderzuschlag erhöhen, vereinfachen, leichter zugänglich machen und die Abbruchkante abschaffen; denn wenn Menschen ein bisschen mehr verdienen, kann es ja passieren, dass der gesamte Zuschlag gestrichen wird. All das werden wir verändern, und zwar so, dass wir über 1 Million mehr anspruchsberechtigte Kinder haben werden, als das jetzt der Fall ist.
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Es geht darum, dass Familien, die arbeiten, sagen können: Arbeit lohnt sich; uns bleibt etwas vom Einkommen.
Wir wollen gerne, dass diejenigen, die den Kinderzuschlag bekommen, auch für den Bereich Schule eine Erleichterung erfahren. Hier ist vom kostenlosen Mittagessen gesprochen worden. Ja, genau das haben wir vor. Wir werden das Bildungs- und Teilhabepaket endlich so verbessern, dass der unsägliche 1 Euro, der in den letzten Jahren einen riesigen Verwaltungsaufwand verursacht hat, wegfällt, sodass diejenigen, die in sozial schwachen Familien leben, diesen 1 Euro nicht mehr zahlen müssen, sondern das Mittagessen kostenlos bekommen.
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Wir wollen auch, dass es den Eigenanteil zur Fahrkarte, der mühsam errechnet werden muss, nicht mehr gibt; denn dies hat einen riesigen Verwaltungsaufwand verursacht. Wir wollen, dass es nicht nur ein kostenloses Mittagessen und ein kostenloses Schülerticket, sondern auch eine kostenlose Lernförderung gibt, die nicht erst dann einsetzt, wenn eine Versetzungsgefährdung droht, sondern schon davor.
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Das sind ganz konkrete Schritte zur Bekämpfung der Kinderarmut, die wir im nächsten Jahr umsetzen. Familien werden es merken.
Im Übrigen gibt es hier eine Schnittmenge zum Gute-Kita-Gesetz, weil diejenigen, die den Kinderzuschlag erhalten, die Wohngeld erhalten und die Sozialleistungen beziehen, künftig eben nicht mehr in die eine Tasche diese Unterstützung bekommen und ihnen aus der anderen Tasche das Geld für die Kitagebühren genommen wird. Diejenigen, die diese Unterstützung vom Staat bekommen, werden künftig überall in Deutschland von den Kitagebühren befreit sein. Das ist das, was wir mit dem Gute-Kita-Gesetz vorhaben. Das ist eine Antwort auf die Kinderarmut, auf die Situation, dass Menschen nicht genügend Geld für sich und ihre Kinder haben.
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Das Gute-Kita-Gesetz ist das, was als Nächstes ansteht. Wir wollen nicht nur sagen, dass wir in Qualität investieren. Wir brauchen den Dreiklang aus Qualität, Kapazität und Personal. Es geht auch darum, dass wir weiter – das ist im nächsten Haushalt vorgesehen – in die Kapazität investieren. Wir haben das Sonderinvestitionsprogramm für Kitaplätze. Wir haben im nächsten Jahr 300 Millionen Euro dafür vorgesehen, und wir wollen als Bund bis 2020 zusätzlich 100 000 Kitaplätze schaffen. Das ist ein Beitrag für mehr Kapazität.
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Das Gute-Kita-Gesetz ist im parlamentarischen Verfahren. Es ist das erste Mal, dass der Bund – ich will das heute noch einmal sagen – über 5 Milliarden Euro in die frühkindliche Förderung in Deutschland investiert. Es geht darum, mehr Qualität zu schaffen, aber auch darum, Eltern von den Gebühren zu entlasten, sodass sie sich eben nicht mehr die Frage stellen müssen, ob es sich für sie überhaupt lohnt, arbeiten zu gehen, ob sie es sich überhaupt leisten können, einen Kitaplatz in Anspruch zu nehmen.
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Das Dritte, was dazugehört, ist das Personal. Natürlich geht das alles nur, wenn Menschen da sind, die das machen. Deshalb bin ich sehr dankbar – das möchte ich auch hier noch mal sagen –, dass im parlamentarischen Haushaltsverfahren ein Vorhaben noch mal verstärkt und unterstützt worden ist, das mir ein Herzensanliegen ist: Wir wollen vonseiten des Bundes eine Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher starten, damit wir die Länder beim Gewinnen und Halten von Fachkräften unterstützen können.
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Wir hatten ursprünglich 30 Millionen Euro als Startbetrag vorgesehen. Es sind jetzt 40 Millionen Euro geworden. Vielen Dank an alle Parlamentarier, die das bis hierher unterstützt haben.
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Müller von der Linken?
Ich würde gerne bis zum Ende durchsprechen.
Auch in der Pflege geht es darum, dass Menschen für den Beruf gewonnen werden sollen. Wir haben für das nächste Jahr eine Ausbildungsoffensive für die Pflegeberufe vorgesehen. Wir werden ganz gezielt in Oberschulen gehen und mit Beratungsteams aus unserem Hause, vom BAFzA über die neue Pflegeausbildung ab 2020 informieren, über die schulgeldbefreite, vergütete Pflegeausbildung. Wir wollen, dass junge Menschen über diesen Beruf und seine Entwicklungsperspektiven Bescheid wissen. Deshalb werden wir an die Oberschulen in Deutschland gehen und darüber informieren. Das ist unser Beitrag, um für die Pflege zusätzliche Kräfte zu gewinnen.
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Und wir stärken diejenigen, die sich in Deutschland für ein solidarisches Land, für unsere Demokratie einsetzen. Ja, es war eine meiner ersten Entscheidungen, die Mittel für das Programm „Demokratie leben!“ zu entfristen. Es geht darum, dass wir diejenigen stärken, die in Deutschland für die Demokratie ganz konkret vor Ort in der Zivilgesellschaft arbeiten. Ich habe nicht die Absicht, dieses Programm infrage zu stellen.
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Im Übrigen nur noch mal hier zur Kenntnis: Wir fördern natürlich nur Organisationen, die sich auf dem Boden des Grundgesetzes und der Demokratie bewegen und nicht irgendwelche anderen Organisationen, Herr Münz, von denen Sie gesprochen haben.
Wir haben vor, im nächsten Jahr einen großen Schritt in Richtung Engagementförderung zu gehen. Wir werden eine deutsche Engagementstiftung gründen; wir bereiten das jetzt alles vor. Wir stocken den Kinder- und Jugendplan um über 11 Millionen Euro auf, sodass wir 205 Millionen Euro für die politische und internationale Jugendarbeit ausgeben. Wir stellen zusätzlich 1 Million Euro für die Gründung des Deutsch-Israelischen Jugendwerkes zur Verfügung. Wir stärken auch, dank des Parlaments, die Freiwilligendienste mit zusätzlich 65 Millionen Euro. Wir wollen, dass der Freiwilligendienst so ausgebaut wird, dass er mehr Menschen zur Verfügung steht. All das stärkt Engagement, all das stärkt Zusammenhalt und Demokratie.
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Meine Damen und Herren, zwei Punkte, die ich noch ansprechen möchte: Wir haben zwei wichtige Entscheidungen getroffen für Menschen, die besonders von Gewalt und schlimmen Erfahrungen in ihrem Leben geprägt sind. Es geht einmal um die Aufstockung der Mittel für den Kampf gegen häusliche Gewalt an Frauen, gegen Partnerschaftsgewalt, für den runden Tisch, für ein Programm gegen Gewalt an Frauen. Das ist jetzt auch noch mal aufgestockt worden. Zum anderen geht es darum, dass wir endlich den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs mit seiner Arbeit, mit seinem Team verstetigen. Wir haben dafür im nächsten Haushalt 5,9 Millionen Euro vorgesehen – das alles ist ein wichtiges Signal.
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Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist ein Haushalt für die Familien und das Engagement in Deutschland. Daran haben die Haushälterinnen und Haushälter einen wichtigen Anteil. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken für Ihre Unterstützung, für Ihre Mitwirkung, dafür, dass wir gemeinsam arbeiten für starke Familien in einem starken Land, für Zusammenhalt, Demokratie, gute Pflege und gelebte Solidarität. Wir wollen Deutschland zukunftsfähig machen und damit dazu beitragen, dass Deutschland insgesamt stärker wird.
Herzlichen Dank.
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Zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Müller das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, herzlichen Dank für Ihren Vortrag. Nun konnten Sie ja der Anhörung zum Gute-Kita-Gesetz nicht beiwohnen; aber Sie haben sicherlich dem Protokoll entnommen, dass neun von neun Sachverständigen, also auch jene der Koalition, erklärt haben, sie würden dem Gute-Kita-Gesetz in der vorliegenden Form nicht zustimmen.
Einig waren sich die Sachverständigen interessanterweise alle in zwei Punkten. Unter anderem der Sachverständige, der auf Einladung der CDU/CSU teilnahm, Professor Kirchhof – immerhin ein anerkannter Staatsrechtler –, hat erklärt, das Gesetz sei in allen seinen Punkten verfassungswidrig.
Aber in zwei Punkten waren sich die Sachverständigen einig: Erstens haben sie gefordert, die Finanzierung dauerhaft zu entfristen – jetzt nicht im Kabinettsentwurf. Und zweitens haben sie gefordert, dass im SGB VIII ein fester Betreuungsschlüssel vereinbart wird oder eine feste Fachkraft-Kind-Relation festgeschrieben wird, mit einem gewissen Zeitkorridor zur Umsetzung.
Mich würde nun interessieren, ob die Koalition beabsichtigt, sich die Vorschläge ihrer eigenen Sachverständigen zu eigen zu machen und das Gesetz, das ja in der nächsten Sitzung wiederum nicht auf der Tagesordnung des Bundestages ist, durch Änderungsanträge so zu modifizieren, dass zumindest die einhellige Auffassung der Sachverständigen in der Anhörung im Familienausschuss umgesetzt wird.
Möchten Sie erwidern, Frau Ministerin?
Sehr geehrter Herr Müller, wir sind im parlamentarischen Verfahren. Die Dauerhaftigkeit der Mittel ist eine Forderung seitens der SPD. Es ist aber, wie Sie wissen, ein Thema, das mit mehreren Beteiligten besprochen werden muss. Es ist im Gesetzentwurf ganz klar definiert, dass die Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit der Finanzierung ein Ziel ist, das der Bund auch verfolgt. Die Basis dieses Gesetzes ist, dass wir natürlich diese Forderung haben und auch weiter daran festhalten werden. Wir sind der Auffassung, dass wir bei diesem Thema jetzt mit dem Gesetzentwurf einen ersten Schritt machen.
Im Übrigen: Eine Bindung an einen Fachkraft-Kind-Schlüssel ist etwas, worauf man sich vorher mit allen Ländervertretern, mit allen Jugendministern nicht einigen konnte. Wir haben einen Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz, in dem man sich ganz klar gegen einen bundeseinheitlichen Fachkraft-Kind-Schlüssel als Standard ausspricht, weil die Länder hier unterschiedlich weit sind. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen.
Natürlich sind bundesweite Standards für einen Fachkraft-Kind-Schlüssel das langfristige Ziel, aber an diesem Punkt sind wir noch nicht. Die Bedingungen in den einzelnen Bundesländern sind so unterschiedlich, dass das nicht zu einen war. Die Landesregierungen würden einen solchen Gesetzentwurf nicht mittragen. Deshalb sind wir jetzt bei einem Zwischenschritt, den wir mit diesem Gesetz gehen. Im Moment sind wir noch nicht so weit, einen bundeseinheitlichen Fachkraft-Kind-Schlüssel zu vereinbaren, haben in diesem Handlungsfeld aber sehr wohl vorgesehen, diesen Schlüssel zu verbessern. Das ist prioritär. Daran werden sich alle Bundesländer orientieren.
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Danke. – Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Abgeordnete Christoph Meyer für die FDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey, nachdem ich Ihre Rede gerade gehört habe, kann ich durchaus feststellen, dass wir in vielen Zielen, die Sie hier artikuliert haben, einig sind. Wir haben nur Kritik an der Art, wie Sie Umsetzungsschritte definieren und mit uns diskutieren. Sie reden immer wieder von guten und wichtigen Projekten – Sie haben erzählt, dass Sie im letzten Jahr insgesamt 300 Termine in allen 16 Bundesländern wahrgenommen haben –, Sie haben in Ihrem Haushalt einen starken Mittelaufwuchs. Uns ist das aber zu wenig. Wir wollen mit Ihnen transparent die Planung und Durchführung von Programmen und Projekten, die Sie auflegen, diskutieren. Da mangelt es, auch gerade bei diesem Haushalt.
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Das war eben – Stichwort Gute-Kita-Gesetz – auch wieder der Fall. Wir nehmen wahr, dass es bei Ihren Projekten immer wieder so ist, dass die Grenze zwischen den Aufgaben, die Bund und Länder durchführen müssen, und den Aufgaben, die der Bund erfüllen kann und soll, verschwimmt. Das mag aus fachpolitischer Sicht, wenn man gute Sachen machen möchte, nachvollziehbar zu sein, aber aus Sicht des Haushaltsgesetzgebers ist das kritisch. Auch daran werden wir Sie immer wieder erinnern.
Es ist wenig Licht in diesem Haushalt. Einige Punkte, die Sie aus den Haushaltsberatungen 2018 von uns übernommen haben und die die Koalition durchgebracht hat – das möchte ich lobend erwähnen –, sind: Aufwüchse bei den Hilfen im Falle ungewollter Kinderlosigkeit und Änderungen bei der Kürzung der Mittel für Darlehen nach Familienpflegezeitgesetz, was die Ansätze angeht; denn dieses Gesetz läuft an diesem Punkt offensichtlich leer. Noch im letzten Jahr haben Sie sich bei der Einbringung des Entwurfs geweigert, hier zu realistischen Planansätzen zu kommen. Wir begrüßen außerdem ausdrücklich, dass Sie Aufwüchse in der internationalen Jugendarbeit durchbekommen haben; das ist ein sehr wichtiges Thema.
Aber wenn man auf der anderen Seite sieht, wo man überall Kritik äußern kann, dann stellt man fest, dass die Liste doch deutlich länger ist.
Stichwort Personalaufwüchse. Sie beanspruchen – das wurde am Dienstag bei der Einbringung des Haushalts schon besprochen – 30 zusätzliche Stellen im Bereich Strategische Planung und Konzeptentwicklung/diverse Aufgaben. Wofür diese genau sein sollen, ist bis heute nicht geklärt. Ich fand es besonders eindrücklich, wie der Rechnungshof in der Bereinigungssitzung darauf hingewiesen hat, dass diese Stellen nicht veranschlagungsreif sind. Das wirklich Schlimme ist, dass ein Interesse an dieser Feststellung in Ihrem Haus offensichtlich nicht existent ist. Der Rechnungshof formuliert, dass Sie hier offensichtlich gegen Grundsätze verstoßen, und Sie drücken das mit der Mehrheit der Koalition trotzdem einfach durch.
Stichwort Engagementstiftung. Auch hierfür haben Sie Stellen beantragt und Stellen bekommen. Ein Konzept existiert allerdings noch nicht. Bei der Aufgabenbeschreibung: Fehlanzeige. Bei der Personalbedarfsermittlung: Fehlanzeige. Seit dem Jahr 2015 wird an diesem Konzept geschrieben. In einer Sitzung des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“ wurde dann etwas präsentiert, was man in zwei, drei Stunden hätte zusammenschreiben können, trotzdem werden 32,5 Millionen Euro freigegeben. Die Regierung weiß noch nicht genau, wo diese Institution positioniert werden wird. Das ist ein Beispiel dafür, was wir schon angesprochen haben: Sie reden über viele gute Sachen, aber in der Umsetzung hapert es. Da müssen Sie es sich gefallen lassen, wenn die Opposition Sie kritisiert.
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Stichwort Evaluierung des Programms „Demokratie leben!“. Es ist durchaus so, dass dieses Programm einige sehr wichtige Akzente gesetzt hat und auch weiterhin setzen wird. Aber wir erwarten von Ihnen, dass Sie, wenn der Evaluierungsbericht Ende nächsten Jahres vorliegen wird, auf Grundlage dieses Berichts entscheiden werden, ob die Mittel hier gut verwendet und veranschlagt werden, und nicht pauschal formulieren, dass Sie dieses Programm in dieser Form auf jeden Fall verlängern werden und weiter aufsetzen werden.
Das Gleiche gilt für das Entgelttransparenzgesetz, zu dem wir im nächsten Jahr ebenfalls eine Evaluierung bekommen. Auch hier erwarten wir, dass Sie nicht einfach so weitermachen wie bisher, sondern sich die Prüfergebnisse angucken und dann gegebenenfalls auch Änderungen vornehmen.
Das Gute-Kita-Gesetz wurde eben schon erwähnt und wird später auch noch mal angesprochen werden. Die Ergebnisse der Anhörung waren in der Tat desaströs: überall ein bisschen, nichts richtig. Sie nennen das „Handlungsfelder“; man könnte das auch „wahllos“ nennen.
Alles in allem haben wir in den Haushaltsberatungen und auch in der Haushaltseinbringung hier am Beginn dieser Beratungen gesehen, dass die fetten Jahre offenbar vorbei sind. Auch das wird dazu führen, dass man auch im Einzelplan 17 die Mittelkontrolle auch bezüglich der Effizienz der Mittelvergabe deutlich stärker in den Fokus rücken muss. Das ist Aufgabe des Haushaltsgesetzgebers, und deswegen wird das eine oder andere Projekt, was Sie hier formuliert haben, in der Form, wie Sie sich das vorstellen, nach unserer Auffassung sicherlich nicht realisierbar sein.
Ich hoffe, dass sich hier die Haushalts- und Finanzpolitiker der Koalition perspektivisch eher durchsetzen als die Fachpolitiker, und dann werden wir mal sehen, ob wir mit etwas mehr Effizienz im nächsten Haushalt – für das Haushaltsjahr 2020 – vielleicht auch die eine oder andere Bereinigung in diesem Etat hinbekommen.
Ich danke Ihnen.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Alois Rainer das Wort.
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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Eingangs freue ich mich, dass wir in dem parlamentarischen Verfahren den Haushalt wieder ein Stück weit haben verbessern können. Ich freue mich auch, dass der Gesamtetat, den wir morgen beschließen werden, auch im kommenden Jahr ohne Neuverschuldung auskommen wird.
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Dies ist ein Zeichen für solide Finanz- und Haushaltspolitik. Vor allem ist es für mich aber ein generationengerechter Haushalt – für unsere Zukunft, für die Jüngsten in unserem Land –, und ich denke, das dürfen wir nicht vergessen.
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Wir konnten in der Bereinigungssitzung den Regierungsentwurf noch mal um circa 145 Millionen Euro erhöhen bzw. verbessern – wie auch immer man das sehen will. Mit nun 10,4 Milliarden Euro hat sich der Etat in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Dies ist ein gutes Zeichen; denn gerade für dieses Ministerium – ich sehe das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auch als ein Querschnittsministerium in unserem Land – ist es wichtig, hier auch dementsprechend zu investieren.
Anhand der Veränderungen gegenüber dem Regierungsentwurf kann man schon erkennen, dass der Etat in der parlamentarischen Beratung noch richtungsweisende Verbesserungen erfahren hat. Ich will nur einige wenige Punkte nennen:
Die Verbesserung beim Bundesfreiwilligendienst. Ich habe in meiner Rede im September schon angesprochen, dass wir hier Verbesserungen wollen. Wir haben die 40 Millionen Euro geschafft, ohne den Zusatz „Flüchtlingsbezug“. Uns war wichtig, dass die Stellen im Bundesfreiwilligendienst frei zu besetzen sind.
Ich möchte hier auch die Gelegenheit nutzen, mich ganz herzlich bei all denjenigen zu bedanken, die sich für den Bundesfreiwilligendienst zur Verfügung stellen. Es ist eine gute und wichtige ehrenamtliche Arbeit, die hier geleistet wird.
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Ebenso konnten wir die Mittel für die Jugendfreiwilligendienste um 25 Millionen Euro erhöhen. Dazu kommen 40 Millionen Euro für die Fachkräfteoffensive, 16 Millionen Euro für das Programm „KitaPlus“ und plus 4 Millionen Euro für die Jugendverbandsarbeit. Die Jugendverbandsarbeit in unserem Land ist unglaublich wichtig. Auch hier ein herzliches Dankeschön all denen, die sich in der Jugendverbandsarbeit engagieren. Auch das ist bei weitem nicht mehr selbstverständlich.
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Für die Jugendmigrationsdienste gibt es 2 Millionen Euro. Die Mittel für die verschiedensten Jugendwerke wurden erhöht und angepasst. Mir persönlich war es sehr wichtig, eine kleinere Summe im Etat wieder fortführen zu können, nämlich 500 000 Euro für die Online-Suizidprävention für unter 25‑Jährige. Mir persönlich ist es ein großes Anliegen gewesen, dass wir das schaffen.
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Um das zu schaffen, braucht man gute Mitberichterstatter. Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern, vor allem ein herzliches Dankeschön an die Kollegin der SPD, Frau Svenja Stadler. Wir haben zum Ende der Beratungen noch alles auskarteln müssen. Vielen herzlichen Dank.
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Meine Damen und Herren, das alles können wir nur machen, weil wir gute Steuereinnahmen haben – ein Rekordhoch –, die Wirtschaft boomt immer noch, und die Arbeitslosenzahl sinkt. Das ist nicht in Stein gemeißelt. Aber trotzdem: Lassen Sie uns auch über vieles Gute reden.
Lieber Herr Kollege Volker Münz, schön, dass Sie heute die richtigen Zahlen zum Bundeshaushalt verwandt haben. Sie haben 20 Millionen Euro an Flüchtlingskosten genannt. Lassen Sie mich noch hinzufügen: Ja, der Etat des Familienministeriums umfasst 10,4 Millionen Euro.
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– Milliarden, Entschuldigung. – Das alleine sind nicht die familienbezogenen Kosten in unserem Bundesetat. Rechnen wir vielleicht einmal zusammen: 10,4 Milliarden Euro für den Familienetat, Kindergeld: 36 Milliarden Euro, Baukindergeld: 2,7 Milliarden Euro, Ehegattensplitting – das kann man auch zum Familienetat hinzurechnen –: 15 Milliarden Euro, Gute-Kita-Gesetz: 5,5 Milliarden Euro, BAföG: 3,5 Milliarden Euro. Damit sind wir schon bei etwa 73 Milliarden Euro. Wenn man noch die Mittel für das Familienentlastungsgesetz hinzunimmt, sind wir bei über 80 Milliarden Euro. Also, der Vergleich hinkt ein bisschen. Das lassen wir auch so nicht stehen.
({7})
Kollege Rainer, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?
Ja, bitte.
Lieber Kollege Rainer, das haben Sie letztes Mal auch schon so gemacht, Sie müssen genau zuhören. Ich habe nicht gesagt, die 10 Milliarden Euro seien die gesamten Ausgaben für die Familien.
({0})
Ich habe gesagt: Das ist der Etat des Familienministeriums. – Ich wollte nur zwei Zahlen gegenüberstellen. Die Zahlen kann man mal auf sich wirken lassen. Also, ich habe nicht die Familienleistungen insgesamt betrachtet.
Wenn Sie Ihre Zahlen so wirken lassen wollen, dann lassen wir die Zahlen, die ich genannt habe, auch wirken.
({0})
– Ja, das ist schön. Ich habe Sie ja schon ermahnt, weil Sie die falschen Zahlen genannt haben. Jetzt waren sie aber richtig.
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So, wir kommen jetzt nicht zu einer bilateralen Debatte. Ich habe Ihnen das Wort zu einer Frage oder Bemerkung erteilt. Der Kollege Rainer kann darauf noch antworten. Solange wird auch die Uhr angehalten. Alle weiteren Formate müssen Sie dann außerhalb des Saales pflegen.
Ich denke, ich habe geantwortet. Auch meine Zahlen waren richtig. Aber man kann das immer so interpretieren, wie man will.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Ministerin, Sie hatten in Ihren Ausführungen darüber gesprochen, dass Sie viel im Land unterwegs waren, was wir alle begrüßen, und mit vielen Erzieherinnen und Erziehern in Kitas und anderen Einrichtungen gesprochen haben, die Ihnen ihr Leid geklagt haben. Wir nehmen das gerne mit, wir unterstützen auch gerne. Aber Sie kennen auch meine Einstellung zum föderalen System in Deutschland. Ich hoffe, Sie haben all denjenigen, die Ihnen ihr Leid geklagt haben, gesagt, dass für ihre Einrichtungen in erster Linie die Länder zuständig sind und dass das, was von uns kommt, obendrauf kommt. Das ist mir persönlich wichtig. Ich werde Sie immer wieder gerne und mit voller Inbrunst daran erinnern, dass wir in einem föderalistisch aufgebauten Staat mit entsprechenden Zuständigkeiten leben.
({1})
Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das ist für das Ministerium, für die Fachpolitiker ein guter Etat, mit dem sich, denke ich, gut arbeiten lässt. Ich wünsche denjenigen, die jetzt mit diesem Zahlenwerk in die fachpolitische Arbeit gehen, alles Gute und freue mich auf die nächsten Wünsche, die an uns herangetragen werden.
Vielen herzlichen Dank.
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Das Wort hat Katrin Werner für die Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin Giffey, Familienentlastungsgesetz, Starke-Familien-Gesetz, Gute-Kita-Gesetz: Wenn man diese Überschriften auf sich wirken lässt, könnte man meinen, die Regierung tut wirklich alles, um die Situation für Familien spürbar zu verbessern.
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Genaueres Hinsehen zeigt, dass die Gesetze erhebliche Mängel haben und die Verbesserungen an den Familien vorbeigehen, die sie am dringendsten benötigen.
Vom Familienentlastungsgesetz haben Familien in Hartz‑IV-Bezug gar nichts. Ihnen wird die Kindergelderhöhung auf die Leistungen angerechnet. Am meisten profitieren reiche Familien: 15 Euro haben sie künftig pro Monat mehr im Geldbeutel. Normalverdienerfamilien erhalten durch die Kindergelderhöhung nur 10 Euro im Monat mehr.
An der Kinderarmut in diesem Land ändern Sie so also gar nichts. Ich finde, das ist eine Schande. Mehr noch: Das Gesetz ist eine Umverteilung von unten nach oben und verfestigt die Ungerechtigkeit in unserem Land. Erhöhen Sie endlich das Kindergeld auf 328 Euro für alle Kinder, und zwar als ersten Schritt hin zu einer Kindergrundsicherung!
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Mit dem sogenannten Starke-Familien-Gesetz – auch da wieder starke Worte – nehmen Sie sich endlich der Reform des Kinderzuschlags an. Sie haben die Zahlen genannt. 1 Milliarde Euro sind im Haushalt veranschlagt. Mit dieser Leistung soll verhindert werden, dass Familien in Hartz IV abrutschen, die trotz Arbeit von Armut bedroht sind. Das hört sich gut an. Aber wir haben uns deutlich mehr versprochen, und dafür werden wir auch weiter streiten.
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Denn einen großen Haken hat das Gesetz: 450 000 Kinder sollen durch die Reform zusätzlich erreicht werden, davon nur 40 000 Kinder, die derzeit in Hartz‑IV-Bezug leben. 40 000 Kinder: Das ist nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein bei insgesamt 2 Millionen Kindern, die in Deutschland auf Hartz IV angewiesen sind und somit in Armut leben. Meine Damen und Herren, das ist kein effektiver Kampf gegen Kinderarmut. Ich finde, dass das ein unverschämter Taschenspielertrick ist.
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Die Dinge in dem Gesetz, die Sie gelobt haben, Frau Giffey, sind Selbstverständlichkeiten. Ich halte sie nicht für einen großen Wurf.
Auch das Gute-Kita-Gesetz haben Sie angesprochen. Nennen Sie es Kita-Gesetz, aber lassen Sie das Wort „Gute“ weg. Auch wenn Sie dabei ein Bund-Länder-Problem sehen: Ich finde nicht, dass der Name gerechtfertigt ist. Sie schaffen, wie Sie selber sagen, keine bundesweit einheitlichen Qualitätsstandards und auch keinen verbindlichen Personalschlüssel. Es bestehen weiterhin große regionale Unterschiede
Weil Sie die Länder angesprochen haben, möchte ich die GEW in Rheinland-Pfalz zitieren: „Das Wasser steht den Kitas nicht nur bis zum Hals, die ersten Kitas saufen bereits ab.“
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Sehr geehrte Regierung, Sie investieren deutlich weniger Geld in die Kitas, als Sie versprochen hatten. Nach vier Jahren läuft die Finanzierung des Bundes aus, und dann stehen die Länder wieder alleine da.
Diese Woche haben sich viele große Sozialverbände in einem offenen Brief an Sie gewandt. Sie fordern eine dauerhafte finanzielle Unterstützung. Greifen Sie diese Initiative auf, und investieren Sie ausreichend in die frühkindliche Bildung!
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Ich finde, dass Ihre Familienpolitik trotz der starken Überschriften an den Problemen vorbeigeht. Wir brauchen einen entschlossenen Kampf gegen Kinderarmut, mehr Investitionen in die frühkindliche Bildung sowie eine wirkliche Entlastung von Familien, die bei denen ankommt, die sie benötigen.
Die dauerhafte und verlässliche Finanzierung ist im Übrigen auch in anderen Bereichen und insbesondere in den Kommunen ein großes Problem. Ich möchte dazu ein Beispiel aus meinem Wahlkreis bringen. Durch jahrelangen Sanierungsstau ist dort gerade eine Jugend- und Kultureinrichtung, das Exhaus Trier, massiv in der Existenz bedroht. Vor Ort organisiert der Verein viele Unterstützer. Sie suchen nach Ideen, um dieses Kultur- und Jugendzentrum zu retten. Sie rufen zu Spenden auf und haben die Kampagne „Werdet Exfreunde!“ entwickelt. Sie machen sich vor Ort stark. Dass diese Einrichtung vor dem Aus steht, ist auch ein Ergebnis Ihrer Haushaltspolitik.
Wir brauchen dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur. Auch das wird nicht angepackt.
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Die Kommunen müssen durch finanzielle Beteiligung des Bundes endlich wieder in die Lage versetzt werden, auch kurzfristig und eigenständig zu handeln.
Zum Schluss noch kurz zum bürgerschaftlichen Engagement: Dafür ist kurz vor Toresschluss auf Druck der Verbände mehr Geld investiert worden. Sie haben die Plätze des auslaufenden Programms für Geflüchtete in den Bundesfreiwilligendienst übernommen. Sie investieren Geld in die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Auch für die Jugendfreiwilligendienste ist mehr Geld vorgesehen, mit dem die Zahl der Plätze erhöht werden soll. Das sind gute Ansätze. Aber wir hätten in diesem Rahmen schon ein Gesamtkonzept vorliegen haben müssen, in dem Sie sich auch mit der Arbeitsmarktneutralität auseinandersetzen. Es gibt zwar gute Ansätze in Ihrem Haushalt. Aber die jeweilige Ausgestaltung lässt einiges zu wünschen übrig. Wir hoffen, dass Sie beim nächsten Haushalt mehr Investitionen im Bereich der Familie tätigen.
Danke schön.
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Das Wort hat die Kollegin Deligöz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mit dem an, was mich gerade sehr gestört hat. In der Verfassung, im Grundgesetz dieses Landes steht: Ehe und Familie stehen unter besonderem Schutz. – Dort steht nicht: nur die deutsche Ehe oder nur die deutsche Familie, sondern Ehe und Familie. Für uns sollten Kinder Kinder und Familien Familien sein. Wir sollten nicht die eine Gruppe gegen die andere ausspielen. Wir sollten uns genau für diese Menschen einsetzen. Das ist unser Auftrag. Was Sie hier gemacht haben, Herr Münz, spaltet diese Gesellschaft und schadet dieser Gesellschaft. In diesem Sinne lassen Sie uns gemeinsam einstehen für das, was wir in der Verfassung festgeschrieben haben, nämlich für alle Kinder und für alle Familien einzustehen.
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Frau Ministerin, genau darin haben Sie auch unsere Unterstützung. Ich finde es gut, dass Sie nach Chemnitz gefahren sind und dass Sie ein solches Programm wie „Demokratie leben!“ auflegen; denn das bringt diese Gesellschaft zusammen und versöhnt sie. Auch darin werden wir Sie unterstützen, genauso wie beim Erreichen vieler anderer Ziele, die Sie sich gesetzt haben. Aber ich kann kein Geheimnis daraus machen, dass auch ich über den Weg enttäuscht bin, genauso wie über den Umgang mit dem Haushaltsausschuss. Ich wünschte mir etwas mehr Redlichkeit und Verbindlichkeit. Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen.
Erstens, das Gute-Kita-Gesetz. Ja, wir alle wollen das Beste gerade in der frühkindlichen Förderung. Sie geben den Ländern viel Geld, schaffen aber nirgendwo Verbindlichkeiten, die dafür sorgen, dass das Geld genau dort ankommt, wohin es kommen soll.
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Was passiert eigentlich, wenn die Länder das Geld nehmen und nicht für das Konkrete ausgeben? Können Sie das Geld zurückholen? Nein! Können Sie sanktionieren? Nein! Können Sie Verbindlichkeiten schaffen? Nein! Die Idee, die die Kollegen von der Linken und meine Fraktion als Änderungsantrag einbringen werden, ist, Verlässlichkeit und Vertrauen für die Kinder zu schaffen. Das muss doch unser Auftrag sein. Aber Sie verlassen sich auf warme Worte. Ich befürchte, dass das nicht reichen wird.
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Das zweite Beispiel ist das Thema Kinderarmut. Kinder in Deutschland leben in Armut. Es ist eine Schande für ein reiches Land, wenn sich ein Kind noch nicht einmal einen Schwimmbadbesuch leisten kann oder einen Kindergeburtstag, Stichwort „Teilhabe“. Das fängt schon mit der Gebühr bei der Stadtbücherei an. Wir warten noch immer auf Ihren Gesetzentwurf in den Bereichen Kinderzuschlag und Teilhabepaket; wir kennen ihn noch nicht. Gerade deshalb habe ich Angst, dass Sie hier nur Trippelschritte machen werden, dass der große Durchbruch weiterhin auf sich warten lässt. Meine Fraktion hat Ihnen einen Vorschlag gemacht. Wir wollen mit einem 6-Milliarden-Euro-Paket in einem reichen Land endlich den Durchbruch im Sinne der Kinder schaffen, sodass Kinderarmut ein Thema von gestern ist und unsere Kinder eine Zukunft haben, in der ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe garantiert wird. Das muss doch unser Ziel sein, keine Trippelschritte, bei denen viel versprochen wird, die aber nichts bringen.
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Es reicht nicht, nur über den Kinderzuschlag zu sprechen. Wir müssen auch über die Hartz-IV-Sätze reden. Diese müssen neu berechnet werden. Einen entsprechenden Antrag haben wir eingebracht. Es ist Ihre Aufgabe, nicht nur auf bestimmte Bereiche zu achten, sondern für alle Kinder aktiv zu werden.
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Der dritte Punkt ist der Freiwilligendienst; das ist besonders spannend. Im Frühjahr habe ich Sie gefragt, ob Sie Bedarf an neuen Plätzen sehen. Sie haben das verneint. Dann habe ich Sie gefragt, ob Sie eine Bedarfsabfrage vornehmen werden. Das haben Sie erneut verneint. Ich habe Sie noch einmal gefragt, ob Sie der Meinung sind, dass wir mehr Plätze brauchen. Sie haben das verneint. Dann gab es in der Sommerpause eine Debatte über Pflichtdienste. Sie haben als Antwort gesagt: Alle, die einen Freiwilligendienst machen wollen, sollen das können. Ich garantiere dafür. – Jetzt landen wir bei einer großartigen Erhöhung von 9 Prozent. Damit sollen zeitgleich der pädagogische Auftrag erfüllt und neue Plätze geschaffen werden. Merken Sie eigentlich selber, wie hoch Sie gesprungen sind und wie tief Sie gefallen sind mit Ihren Forderungen? Wenn Sie sich tatsächlich dafür einsetzen wollen, dann müssen Sie Geld in die Hand nehmen. Wir haben dafür einen Antrag eingebracht. Sie haben ihn bedauerlicherweise abgelehnt. Kleine Schritte sind zwar auch Schritte, aber hier bräuchten wir endlich mal ein beherztes Herangehen an die Sache.
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Letzter Punkt. Ja, auch wir kritisieren, dass Sie über Nacht neue Stellen bewilligen, davon 30 Stellen für eine ominöse Abteilung für Strategie und Innovation. Auf die Frage „Was sollen denn diese Menschen machen?“ kam die Antwort – sage und schreibe! –: Andere Ministerien haben es doch auch. – Das ist doch keine Antwort. Das ist doch kein Inhalt.
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Das ist kein Ziel. Das ist kein Wille. Das sind einfach nur Stellen, die Sie für was auch immer – ist es der Status? – brauchen. Auch ich zitiere den Bundesrechnungshof. Er sagt: Die besagten 30 Planstellen sind nicht etatreif begründet.
Schlimmer finde ich es, ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie das im Haushaltsausschuss durchgewunken haben. Das ist nicht redlich. Das ist nicht in Ordnung. Das ist ein Fehler. Ich finde, gerade aus Selbstachtung sollten wir es als Haushälter am meisten einfordern, dass man verantwortungsvoll mit Steuermitteln umgeht.
Vielen Dank.
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Das Wort hat die Abgeordnete Svenja Stadler für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Liebe Gäste auf den Tribünen! Wir reden nicht nur, sondern wir machen auch. Herr Meyer, da komme ich auf Sie zurück. Für die Engagementstiftung gibt es natürlich ein Konzept. Das wird uns – zumindest ist es so geplant – im Dezember vorgestellt. Dann können wir gern darüber diskutieren. Also, wir machen und reden nicht nur.
Dass wir handeln, zeigt sich besonders deutlich am Etat des Familienministeriums. Für 2019 stellen wir über 10 Milliarden Euro bereit – und das für Alt und Jung, für Kinder und Jugendliche, für Frauen und Männer und für die vielen Engagierten in unserem Land. In den parlamentarischen Beratungen ist es uns gelungen, zusätzlich 144 Millionen Euro zu mobilisieren, um wichtige Projekte voranzubringen. Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, das haben wir gut gemacht.
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An dieser Stelle möchte ich mich besonders herzlich bei meinem Kollegen Alois Rainer bedanken
({1})
sowie bei den Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Dass wir die richtigen Schwerpunkte gesetzt haben, zeigt sich auch an den Voten in der Bereinigungssitzung; denn Vorschläge von der CDU/CSU und der SPD wurden auch von den Oppositionsfraktionen unterstützt, und das ist gut so.
65 Millionen Euro mehr für die Freiwilligendienste! Wir wollen, dass jeder und jede, der oder die diesen Dienst machen möchte, das auch kann, und zwar freiwillig. Weil wir mit „alle“ auch wirklich alle meinen, haben wir als SPD-Fraktion es durchgesetzt, dass es erstmals gesonderte Budgetposten für Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderungen gibt, und zwar insgesamt 6 Millionen Euro.
({2})
16 Millionen Euro gibt es für das Bundesprogramm „KitaPlus“. Mit den jetzt beschlossenen Geldern sichern wir die gute Qualität in unseren Kitas; denn dank unseres Einsatzes können die Einrichtungen, die sich bislang am Bundesprogramm beteiligt haben, das auch 2019 tun.
Gute Kitas brauchen aber auch gute Erzieherinnen und Erzieher, die qualifiziert und ausgebildet sind, und deshalb gibt es 40 Millionen Euro für die Fachkräfteoffensive – gut investiertes Geld.
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4 Millionen Euro mehr für die Jugendverbandsarbeit, 2 Millionen Euro mehr für das Deutsch-Französische Jugendwerk, 1 Million Euro mehr für das Deutsch-Polnische Jugendwerk! 12,6 Millionen Euro gibt es im kommenden Jahr zur Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit und für die vertrauliche Geburt. Das ist ein Plus von 5,6 Millionen Euro, und das ist gut so.
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Also, was soll ich sagen? Es war ein guter Haushaltsentwurf; den haben wir einfach besser gemacht.
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Ich persönlich freue mich, dass wir gerade im Bereich der Frauen- und Gleichstellungspolitik Mittel bereitstellen. Letzte Woche hatten wir „100 Jahre Frauenwahlrecht“, und am kommenden Sonntag ist der Tag gegen Gewalt an Frauen. Insgesamt stellen wir 6 Millionen Euro für das Aktionsprogramm gegen Gewalt an Frauen zur Verfügung. Davon ist 1 Million Euro für den Aufbau eines digitalen Netzwerks zur Vermittlung von Frauenhausplätzen vorgesehen. Angesichts der aktuellen Zahlen ist das gut investiertes Geld.
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Für diese Initiative möchte ich mich ganz persönlich noch einmal bei Alois Rainer bedanken – so von Frau zu Mann.
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Zum Thema Gleichstellung hatte ich schon in meiner Rede zur Einbringung des Haushalts mit den Worten von Simone de Beauvoir deutlich gemacht: Wenn wir mehr wollen, dann müssen wir das auch fordern. – Wir Frauen waren laut und wir wollten, und wir haben es bekommen: Für den Bereich der Gleichstellung stellen wir mehr Mittel bereit. 1,5 Millionen Euro gibt es in den nächsten beiden Jahren für die Entwicklung einer Gleichstellungsstrategie, mit dem Ziel übrigens – wie im Koalitionsvertrag vereinbart –, „wissenschaftlich fundiert insbesondere Fragen der gerechten Partizipation von Frauen in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft“ zu bearbeiten. Ich möchte, dass am Ende ein Institut für Gleichstellung etabliert ist, das uns tatkräftig dabei unterstützt, Gleichstellung auf allen relevanten Ebenen und in allen gesellschaftlichen Bereichen nach vorne zu bringen.
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Dass wir das stärker machen müssen, mache ich mal an einem Fall aus meinem Wahlkreis deutlich, der, wie ich glaube, exemplarisch für viele Fälle in allen Wahlkreisen steht. In dem schönen Landkreis Harburg gibt es einen außerschulischen Lernort, der bis vor kurzem noch eine Geschäftsführerin hatte. Egal mit welchen Multiplikatoren – aus Wirtschaft, Politik oder auch Wissenschaft – ich gesprochen habe: Jeder hat immer gut über sie gesprochen. Im Mai dieses Jahres kam sie aus der Elternzeit zurück, im September wurde sie entlassen. Jetzt gibt es einen neuen Geschäftsführer – männlich natürlich und weit über 60.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von echter Gleichstellung sind wir verdammt weit entfernt. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit zum Beispiel, gleicher Zugang zu Führungspositionen, ein wirksamer Schutz vor Gewalt, § 219a StGB, die Quote für mehr Frauen in den Parlamenten und vieles mehr könnte ich aufführen, nur leider reicht meine Redezeit nicht.
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Solange wir also in dieser Gesellschaft keine echte Gleichstellung haben, so lange müssen wir Geld für den Bereich Gleichstellung zur Verfügung stellen. Unsere Ministerin Franziska Giffey sagte anlässlich 100 Jahre Frauenwahlrecht: Frauen können alles, und wenn nicht, müssen wir dafür streiten. – Ich bin mir sicher: Das tun wir. Verlassen Sie sich drauf!
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Martin Reichardt für die AfD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der zweite Haushalt, den Frau Ministerin Giffey uns vorlegt, ist leider genauso ziel- und planlos wie der erste.
({0})
Er enthält keine erkennbare Strategie zur Bekämpfung der Familienarmut und damit auch keine zur Bekämpfung der Kinderarmut. Anstatt sich seriös um Frauen, Familien und Kinder in Deutschland zu kümmern, sind Sie, Frau Ministerin, offensichtlich zu einer PR-Ministerin in eigener Sache geworden. Ankündigungen von 20 Millionen Euro hierfür und dafür und die eine oder andere Million da und dort konnten wir in den letzten Tagen zur Genüge sehen.
Auch die Einberufung runder Tische steht hoch im Kurs, runde Tische, die zusätzlich zu schon vorhandenen Arbeitsgruppen einberufen werden. Jeden Tag aber kämpfen Eltern und arme Familien in Deutschland für eine bessere Zukunft ihrer Kinder. Sie kämpfen um das, was uns hier im Plenum selbstverständlich erscheint: um eine bezahlbare warme Wohnung, warmes Essen und eine ordentliche Bildung. Frauen kämpfen aber auch ums nackte Überleben, um ein Leben ohne Gewalt und Angst. Über 130 000 Frauen in Deutschland werden Opfer häuslicher Gewalt. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner umgebracht. Diesbezügliche Maßnahmen der Ministerin: ein runder Tisch. Unsere diesbezüglichen Anträge wurden leider abgelehnt. Wir wissen es.
Familien und Frauen in Deutschland sind stark; das haben Sie richtigerweise ausgeführt. Aber sie müssen auch stark sein; denn sie haben aufgrund dieser Regierung viel zu erleiden.
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Die Regierungen der letzten Jahre haben sie zu Bittstellern gemacht. Familien und Frauen haben eine Ministerin verdient, die selbst genauso stark ist wie die Familien und die Frauen. Unseriöse Ankündigungen aber, schlecht gemachte Gesetze und PR-Veranstaltungen kaufen keiner Familie ein paar Winterstiefel und bieten Frauen auch keinen Schutz.
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Sie, Frau Ministerin, sind angetreten, damit es jedes Kind in Deutschland packt. Ich fürchte aber: Wenn es so weitergeht, werden sie es nicht packen. Ihr zentrales Vorhaben, das Gute-Kita-Gesetz, ist ein schlechtes Gesetz. Ich brauche kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass es in der Praxis scheitern wird. Es ist in weiten Teilen verfassungswidrig und handwerklich schlecht gemacht. Selten wurde ein Gesetzentwurf so niederschmetternd bewertet.
In der öffentlichen Anhörung im Ausschuss haben acht von neun Sachverständigen empfohlen, den Entwurf in dieser Fassung nicht anzunehmen. Die Kritik reichte von unzureichender Festlegung von Qualitätsstandards über den Fachkraft-Kind-Schlüssel bis zu Vertragsabschlüssen, zu denen der Bund gar nicht berechtigt ist.
Ebenso wurde der Eingriff ins Elternrecht von uns zu Recht kritisiert. Der Abbau geschlechterspezifischer Stereotype, also der offen ausgerufene Kampf gegen das natürliche Aufwachsen eines Mädchens als Mädchen und eines Jungen als Jungen, wurde in diesem Gesetz postuliert und festgeschrieben. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wie können Sie eigentlich einen derartigen Stuss mittragen?
({3})
Die Ministerin, die auf runde Tische und Expertenmeinungen Wert legt, ignoriert diese Kritik. Es wird festgestellt:
Die Bewertung der schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen sowie die Entscheidung, ob dem Gesetzentwurf zugestimmt wird, obliegt den Mitgliedern des Deutschen Bundestages im parlamentarischen Verfahren.
Das ist natürlich richtig.
Aber, Frau Giffey, Sie haben sich hier ein Vorbild an einer Person genommen, die in Deutschland nicht mehr als Vorbild taugt: an unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel.
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Es ist der reine Machterhalt, der Sie antreibt, die Kritik von Experten aus den Ländern und auch hier im Plenum zu ignorieren. Wir alle sind aufgerufen, den Gesetzentwurf zum Gute-Kita-Gesetz im Interesse unserer Familien, unserer Mütter, unserer Väter und unserer Kinder abzulehnen.
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5,5 Milliarden Euro werden im Rahmen dieses PR-Projekts der Ministerin als Wahlkampfgeschenke der Sozialdemokratie im Bund verschleudert, meine Damen und Herren. Auch deshalb werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen. Die AfD fordert die Regierung auf, die Gelder konsequenter am Ziel der Bekämpfung von Kinderarmut auszurichten.
Ihre Pflicht, Frau Ministerin, wäre es gewesen, die Reform des Kinderzuschlags, der Geringverdienenden hilft, voranzutreiben. Mit einer Entbürokratisierung hätten Sie erste Schritte und wichtige Zeichen setzen können. Wir begrüßen es zwar, dass für den Kinderzuschlag in diesem Haushalt 185 Millionen Euro mehr eingestellt sind, aber wir wissen auch, dass aufgrund der Bürokratie nur ein Drittel aller Berechtigten den Anspruch wahrnimmt.
Das Gesetz zur Reform des Kinderzuschlags befindet sich derzeit in der ressortinternen Abstimmung; es soll noch dieses Jahr eingebracht werden. Ich hoffe im Interesse der Familien und der Kinder in Deutschland, dass die SPD-geführten Ministerien diesmal in der Lage sein werden, anders als beim Gute-Kita-Gesetz einen brauchbaren Gesetzentwurf vorzulegen.
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Eine gezielte Entlastung von einkommensärmeren Familien wäre zum Beispiel über geringere Sozialbeiträge und die Senkung der Mehrwertsteuer für Kinderprodukte möglich. Das aber geschieht nicht.
Frau Ministerin Giffey, mit Ihrer Ernennung zur Familienministerin haben Sie vielen Menschen in diesem Land Hoffnung auf Gerechtigkeit gegeben – eine Hoffnung auf Gerechtigkeit, die von der deutschen Sozialdemokratie schon lange niemand mehr erwartet und auch niemand mehr erwarten kann.
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Hoffnung aber verlängert das Leiden – das hat schon Friedrich Nietzsche gesagt.
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Frau Ministerin, Sie verlängern das Leiden unserer Familien durch schlechte Gesetze und einen planlosen Haushalt.
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Kehren Sie um, und erfüllen Sie die in Sie gesetzten Hoffnungen. Das wäre ein wichtiges Zeichen.
Vielen Dank.
({10})
Und da ich noch etwas Zeit habe – –
Das ist ein Irrtum. Das Minuszeichen vor den Zahlen zeigt an, wie weit Sie schon über der Zeit sind.
({0})
Gut, dann nicht.
Das Wort hat Marcus Weinberg für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsdebatten sind immer so schön, weil man erlebt, wo die Positionen, die Ziele sind, weil man erfährt, wofür jemand steht, wie er zu seiner Erkenntnis kommt,
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hier vielleicht, indem man viele Gespräche mit Erzieherinnen und Erziehern führt und diese dann in konkretes Handeln umwandelt.
Herr Reichardt, Sie haben gerade Nietzsche zitiert, das will ich dann auch tun:
Überzeugungen sind oft die gefährlichsten Feinde der Wahrheit.
Sie haben nur Überzeugungen und keine Nähe mehr zur Wahrheit;
({1})
deswegen sollten Sie viel Nietzsche lesen, das bringt uns weiter, möglicherweise auch in diesen Debatten.
Wir als Union sagen ganz deutlich: Das ist ein guter Haushaltsentwurf, der noch besser wurde – dafür möchte ich Dank sagen – durch die vielen Aktiven im Haushaltsausschuss, die diesen Etatentwurf von 10,3 Milliarden Euro auf 10,45 Milliarden Euro hochschrauben konnten. Nun ist Geld nicht alles; aber Geld ist vieles. Das ist der 15. Haushaltsentwurf, über den ich – tatsächlich; das ist erkennbar am Alter – debattieren und abstimmen darf,
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und es ist das 15. Mal, dass es wieder eine Erhöhung des Familienetats gibt. Wir haben 2005 mit 4,5 Milliarden Euro angefangen; wir sind jetzt bei 10,45 Milliarden Euro. Ich kann sagen: Seitdem die Union regiert – mit verschiedenen Partnern – steht Familienpolitik tatsächlich wieder ganz oben auf der Agenda. Das ist gut für die Familien.
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In unserer Familienpolitik lassen wir uns schon auch von Grundsätzen und auch von Überzeugungen leiten. Überzeugungen kann man gegebenenfalls verschieben und verändern, weil man sie an die Bedarfe und Wünsche der Familien, der Kinder, der Betroffenen anpassen will. Aber wir haben auch unsere Grundsätze. Wofür stehen wir? Wir stehen für Wahlfreiheit der Eltern. Wir wollen ferner auch mit diesem Haushalt diejenigen stärken, die Verantwortung übernehmen und sich gesellschaftlich engagieren, wir wollen Bindungen zwischen Personen stärken und das als Staat auch unterstützen, und wir wollen tatsächlich eines machen: Familien endlich Wertschätzung entgegenbringen.
Nun komme ich zu einzelnen Bereichen.
Der erste Punkt ist, dass wir Familien finanziell entlasten. Ja, wir haben auch die Verantwortung, für die Menschen in der Mitte – wie man wahlsoziologisch bzw. soziologisch so schön sagt – etwas zu tun. Das Familienentlastungsgesetz mit einem Paket von 10 Milliarden Euro trägt dazu bei. Wir haben hier schon über die Kindergelderhöhung debattiert. Wir werden es bis 2021 schaffen, das Kindergeld um 25 Euro zu erhöhen. Eine kleine Bemerkung an die Adresse der Linken: Das muss man auch finanzieren. Das, was wir ausgeben, müssen Menschen und Unternehmen in diesem Land erwirtschaften.
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Die Erhöhung des Kindergeldes um 1 Euro kostet rund 800 Millionen Euro; da sollte man sehr sorgsam sein. Wir haben uns entschieden, diese Erhöhung zu unterstützen, weil das für eine Familie mit zwei Kindern bedeutet, am Ende 600 Euro mehr zu haben. Das ist dann auch ein Beitrag zur Armutsbekämpfung; denn diejenigen, die Kindergeld bekommen, sind nicht diejenigen, die zum Beispiel Freibeträge in Anspruch nehmen können. Ich glaube, es ist eine gute und wichtige Maßnahme, auch denjenigen etwas zu geben, die hart arbeiten, aber auch sehen müssen, wie sie mit ihren Finanzen zurechtkommen.
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Das Familienentlastungsgesetz und die Erhöhung des Kindergeldes stärken die Mitte.
Der zweite Punkt: Kinderarmut. Richtig ist: Kinderschutz und Kinderarmut ist ein Schwerpunkt im Koalitionsvertrag und für uns besonders wichtig; denn es ist die Aufgabe staatlichen Handelns, Kinder zu schützen, aber auch Kinderarmut zu bekämpfen. Das Familienstärkungsgesetz, das jetzt kommen wird, trägt dazu bei. Der Kinderzuschlag wurde angesprochen: über 1 Milliarde Euro mehr. Übrigens: Das Armutsrisiko sinkt dadurch um 16,5 Prozent. Die Erhöhung des Kinderzuschlags auf 183 Euro, die Vereinfachung der Beantragung, insbesondere die Abschaffung der Abbruchkante, die ein Verhinderungsmechanismus ist, wenn Menschen arbeiten wollen – auch das alles ist richtig. Mit diesem Stärkungsgesetz wird die Unterstützung im Bereich Bildung und Teilhabe – es wurde angesprochen – erhöht; es sind jetzt 150 Euro statt bisher 100 Euro. Das umfasst Mittagessen, Schülerbeförderung, Lernförderung, auch für diejenigen, die nicht unmittelbar versetzungsgefährdet sind. Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart. Das setzen wir jetzt um.
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Nun komme ich noch zu einem Thema, das für uns in der Familienpolitik zentral ist, nämlich zur Situation in der Kindertagesbetreuung. Erstens noch einmal danke für die 16 Millionen Euro für „KitaPlus“. Zunächst wurde es überraschenderweise im Regierungsentwurf einfach gestrichen; das wurde jetzt korrigiert. Diejenigen, die „KitaPlus“ in Anspruch nehmen wollen, können dieses Angebot auch weiterhin nutzen.
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Eine alleinerziehende Ärztin oder Krankenschwester, die morgens um 6.30 Uhr zum Dienst müssen, sind darauf angewiesen, dass sie zu dieser Zeit auch eine Kindertagesbetreuung bekommen; deswegen war es richtig und gut, dass dieses Programm bestehen bleibt.
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Jetzt komme ich zum Gute-Kita-Gesetz. Es ist jetzt tatsächlich so, dass wir uns auf Qualität konzentrieren wollen. Nach dem Ausbau der Kindertagesbetreuung in den letzten Jahren muss jetzt die Qualität im Vordergrund stehen. Da wir viel mit Erzieherinnen sprechen und uns die Situation in Kindertagesbetreuungseinrichtungen anschauen, kann ich fünf Punkte feststellen.
Erstens. Eltern setzen tatsächlich auf Qualität. Das ist übrigens überraschend; man könnte ja auch sagen: Eine Streichung der Beiträge wäre für Eltern ja durchaus als finanzielle Entlastung interessant.
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– Nein, Eltern wollen, dass ihre Kinder gut betreut werden.
Zweiter Punkt. Das sagen auch die Experten.
Drittens. Es gibt eine leichte Verbesserung in der Qualität. Das ist messbar am Betreuungsschlüssel in nahezu allen Bundesländern.
Aber – viertens – wir stehen vor einem Fachkräftemangel, und den müssen wir angehen.
Letzter Punkt. Das ist eine nationale Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen.
Deswegen haben wir uns verständigt, dass wir dieses Gute-Kita-Gesetz auf den Weg bringen wollen. Und ich zitiere nicht ohne Grund die damalige Bundesfamilienministerin Schwesig, die gesagt hat:
Wir brauchen gut ausgestattete Kitas und Kindertagespflege, damit Kinder bessere Chancen und Fachkräfte bessere Arbeitsbedingungen bekommen.
Jetzt wollte ich hier eigentlich eine Zäsur machen und sagen: Wir werden dann gemeinsam verhandeln, damit wir ein gutes Kita-Gesetz hinbekommen. Das mache ich jetzt aber nicht; denn ich saß in Ruhe vor dem Fernseher und musste mir bei „Anne Will“ anhören, wie die jetzige Ministerpräsidentin Schwesig uns vorwarf, dass wir beim Gute-Kita-Gesetz blockieren würden, weil wir nicht die Bundesgelder komplett für die Beitragsfreiheit freigeben wollten.
Und da muss ich mir – es tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD – mal anschauen, wie die Situation in Mecklenburg-Vorpommern konkret ist:
Erstens. Der Betreuungsschlüssel liegt dort bei 1 : 6 im Krippenbereich und bei 1 : 13,4 im Elementarbereich. Das ist – mit Verlaub – der letzte Platz aller Länder.
Zweitens. Kommt jetzt der große Qualitätsimpuls von Frau Schwesig, die das damals als Ministerin ja gefordert hat? Nein. Die Regierung in Mecklenburg-Vorpommern hat verkündet, dass die Beiträge im Jahr 2020 gestrichen werden: 120 Millionen Euro. Mecklenburg-Vorpommern hat aktuell einen Überschuss von 676 Millionen Euro, und man streicht jetzt die Beiträge im Umfang von 120 Millionen Euro.
Ich mache mal eine Rechnung auf: 120 Millionen Euro Beiträge plus 44 Millionen Euro, die demnächst vom Bund über das Gute-Kita-Gesetz kommen – das ist dann schon die Hälfte der Summe, die man bräuchte, um den Betreuungsschlüssel zumindest halbwegs an das anzunähern, was uns die Experten von Bertelsmann empfehlen, nämlich 1 : 3 bzw. 1 : 7,5. Das ist die tatsächliche Situation in einem Bundesland.
Wenn ich aber dann den Vorwurf höre, die Union würde infrage stellen, dass das Bundesgeld komplett für die Gebührenfreiheit verwendet werden kann, dann sage ich – ich habe damit ein Problem; wir werden das ja besprechen –: Es kann doch nicht sein, dass wir jahrelang über Qualität reden, dass wir jahrelang – auch hier und heute wieder – darüber reden, dass wir mehr Erzieherinnen brauchen, dass diese besser bezahlt werden müssen, dass wir den Personalschlüssel verändern müssen, und dann erleben, dass jemand, wenn er in Verantwortung ist, sagt: Wir beschließen Beitragsfreiheit und machen weniger für Qualität.
Ich sage Ihnen: Damit bin ich nicht einverstanden. Wir werden intensiv darüber diskutieren, wie wir damit zurechtkommen, liebe SPD.
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Denn ich habe gerade bei meinen wesentlichen Punkten etwas formuliert – da bin ich ja bei Ihnen –: Ich will nicht, dass Eltern mit einem geringen Einkommen, die Transferleistungen bekommen, die zum Beispiel Wohngeld bekommen, Beiträge für die Kita zahlen müssen. Das ist doch selbstverständlich. Das Thema Beiträge ist wichtig. Ich könnte es aber besser formulieren, nämlich: Zusätzlich zur Frage der Qualität müssen wir uns um die Frage der Beiträge kümmern.
Aber, liebe Kollegen der SPD, wenn ich in die Kneipe gehe und ein Bier bestelle und zusätzlich einen Korn haben will, dann wird mir das Bier nicht weggenommen, sondern man stellt zusätzlich einen Korn auf den Tisch. Deswegen müssen wir uns darüber verständigen, wie wir einen Weg zur Lösung finden.
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Wir sind gerne bereit, diesen Weg zu gehen.
Jetzt komme ich zum letzten Punkt – die Zeit reicht nicht –: Das Thema Fachkräfte ist ein elementares Problem in diesem Land. Wir wissen teilweise gar nicht, was auf uns zukommt. Schon bis zum Jahr 2025 fehlen möglicherweise mehr als 300 000 Erzieherinnen und Erzieher.
Sie, Frau Ministerin, haben ganz richtig gesagt – da bin ich bei Ihnen –: Die Mittel für die Fachkräfteoffensive von 30 auf 40 Millionen Euro zu erhöhen, war klug und weise. – Aber das wird nicht ausreichen. Wir müssen uns intensiv Gedanken machen, wie wir mit einer konzertierten Aktion von Bund, Ländern und Kommunen dieses Thema gemeinsam angehen.
Noch einmal: Eine Fachkräfteoffensive wird wichtig sein, damit wir bereits heute signalisieren, dass dieser Fachkräftemangel nicht dazu führen darf, dass – und das ist bereits so passiert – Kindertagesstätten schließen müssen, weil sie nicht genug Erzieherinnen und Erzieher finden. Deswegen wird das ein zentrales Thema sein.
Gern hätte ich viel zur Frage „Schutz von Frauen“ und „Schutz von Kindern“ gesagt. Dazu gibt es viele gute Programme, die von den Haushältern jetzt im Etat umgesetzt worden sind. Manche davon sind kleine Programme. Da geht es zum Beispiel um 600 000 Euro für eine mobile Beratung für Kinder, die sexuellen Missbrauch erfahren haben. Der Schutz von Kindern wird auch in Zukunft weiter auf der Agenda stehen.
Ich glaube, dieser Haushalt ist gut; jetzt ist er sehr gut. Ich freue mich, dass wir zustimmen können. Ich danke noch einmal den Haushältern für ihre gute, kameradschaftliche Arbeit.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Aggelidis für die FDP-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz eine Bemerkung machen: Dieser gesamte Etat mag vieles sein; aus Sicht eines Familienvaters kann ich Ihnen nur eins sagen: Generationengerecht ist er nicht, und fair für Familien ist er auch nicht.
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Bei Ihrem Amtsantritt, Frau Giffey, haben Sie uns mit dem Leitgedanken unseres Wahlprogramms, dass „echte soziale Gerechtigkeit“ bedeutet, „Menschen zu befähigen und nicht zu bevormunden“, begrüßt. Aber mit Ihren Genossinnen und Genossen – Hand aufs Herz – ist das nicht zu machen. Denn was ist verglichen mit diesen großen Ankündigungen bisher tatsächlich passiert? Nichts! Das wird deutlich, wenn man die großen Linien der Familienpolitik dieser Regierung anschaut: ein stetiges und unambitioniertes Weiter-so. Sie hatten neun Monate Zeit, um Ihre Handschrift als Ministerin sichtbar zu machen. Aus Sicht der Freien Demokraten ist nach wie vor die Vereinfachung, Zusammenlegung und Vernetzung der über 50 familienpolitischen Leistungen entscheidend. Das ist mittlerweile allen außer der Familienministerin klar. So werden keine zentralen Probleme gelöst, sondern nur notwendige Reparaturen geleistet. Sie allerdings denken in Legislaturperioden, wir Freien Demokraten denken in Generationen. Das ist das, was Familien brauchen.
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Denn, Frau Ministerin – Vorredner haben es schon erwähnt –, im realen Leben zählt die Wirkung und eben nicht die politische Absicht. Mehr Geld für Kinderbetreuung – so steht es im Koalitionsvertrag. Sie schaffen es, mit Ihrem Kitagesetz trotz mehr Geld Verunsicherung bei Betroffenen und Chaos bei Kommunen und Kindern zu erzeugen. Und was passiert mit den aktuellen Programmen der Kitas, wenn diese auslaufen? Statt Absichtserklärungen brauchen Kitas und Kommunen auch hier Verbindlichkeit und Klarheit. In der öffentlichen Anhörung kritisierten die Sachverständigen, dass das vorliegende Gesetz den Ausbau der Qualität eher behindern werde und die Finanzierung des Gesetzes eben nicht über das Jahr 2020 gesichert sei. Eltern, Sachverständige und Familienverbände fordern, mehr auf Qualitätsausbau und Flexibilität zu setzen. Sie machen das Gegenteil. Zu „dilettantisch“ kommt offenbar „beratungsresistent“ dazu.
Sie wollen den Kinderzuschlag erhöhen und Abbruchkanten beseitigen. Eine gute Absicht, aber das zentrale Problem des Kinderzuschlags war nicht seine Höhe, sondern dass zwei Drittel der Anspruchsberechtigten diese Leistung gar nicht erst bekommen. Die meisten kennen diese Leistung nicht, und offensichtlich werden viele Eltern, die sie kennen, von Ihrer Antragsbürokratie abgeschreckt. Eine wesentliche Vereinfachung des Antragsverfahrens würde den Familien deutlich mehr helfen.
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Sie aber lassen sogar den Irrsinn weiter zu, dass man den Kinderzuschlag alle sechs Monate neu beantragen muss. Machen Sie wenigstens diesem Irrsinn ein Ende!
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Eigentlich sind sich alle einig, auch hier im Bundestag, dass es in der Familienpolitik ein generelles Umdenken geben muss. Die Familienleistungen müssen endlich übersichtlich aufeinander abgestimmt und einfach zu beantragen sein, damit wir eben alle Familien erreichen, die besonders eine Unterstützung brauchen. Genau deswegen müssen die familienpolitischen Leistungen regelmäßig überprüft werden. Effizienz bedeutet in diesem Fall, sozial besonders verantwortungsbewusst zu handeln.
Mit unserem Kindergeld 2.0 zeigen wir dafür einen Weg auf. Dort werden alle bisherigen kinderbezogenen Leistungen gebündelt, vernetzt und vereinfacht. So kann eine gezielte Förderung ohne unsinnige Brüche, wie sie bisher bestehen, und Fehlanreize umgesetzt werden. Den Kindern muss aber auch eine größere Anzahl von Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten geboten werden, um ihnen faire Aufstiegschancen zu bieten. Deswegen haben wir unter anderem als einen Schritt eine zusätzliche Anhebung des Bildungs- und Teilhabepakets beantragt.
Offensichtlich ist Ihnen, Frau Ministerin, die Dringlichkeit einer grundlegenden Neugestaltung immer noch nicht klar, sonst würden Sie eine Evaluation und eine grundlegende Reform nicht immer abblocken. Stattdessen werden pünktlich zu Wahlen ideenlos Beträge aufgestockt, mehr Geld versprochen und besonders wohlklingende Gesetzesnamen gefunden. Sie hätten längst mit einem Umbau des Kindergeldes und der Familienleistungen beginnen müssen.
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Doch aus Ihrem Ministerium gibt es nicht einmal ein Konzept dazu. Hier wird stattdessen weiter Politik für die Partei und nicht für die Familien gemacht. Sie denken doch nur bis zur nächsten Wahl. Im Gegensatz dazu: Wer Kinder bekommt, denkt über Jahrzehnte. Das sage ich Ihnen als Familienvater, und das sagen wir Ihnen als Freie Demokraten.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 20 Prozent aller Kinder leben in Armut. Viele sind Kinder von Alleinerziehenden oder leben in Familien mit zwei oder mehr Kindern. Die Höhe der Leistungen für Kinder reicht nicht einmal aus, um deren grundlegende Bedürfnisse zu befriedigen. Das System der Kinderleistungen muss deshalb grundlegend überprüft werden.
({0})
Das schließt ein: das Kindergeld, den Kinderzuschlag, den Kinderregelsatz sowie das Bildungs- und Teilhabepaket. Das Ziel muss sein, Kinderarmut auszumerzen.
({1})
Meine Damen und Herren, ich zitiere hier nicht das Parteiprogramm der Linken, sondern den Abschlussbericht des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen zur Lage der sozialen Menschenrechte in Deutschland. Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, wenn Sie schon uns nicht zuhören, dann hören Sie doch wenigstens auf die UNO. Deutschlands Familienpolitik verletzt das Recht auf soziale Sicherheit und das Recht auf Schutz und Unterstützung für Familien. Das ist eine Schande, meine Damen und Herren, für so ein reiches Land.
({2})
Mit Hartz IV hat sich Armut in Deutschland per Gesetz verfestigt. Die Berechnung des Regelsatzes ist unseriös, und das wissen Sie seit Jahren. Millionen Menschen in Deutschland arbeiten in miesen Beschäftigungsverhältnissen und zum Niedriglohn; das sind die Ursachen für Kinderarmut, Familienarmut und Altersarmut. Hier muss sich etwas verändern.
({3})
Und was tut die Bundesregierung? Sie feiern sich dafür, dass Sie das Kindergeld um 10 Euro erhöhen. Das sind 30 Cent am Tag, Herr Weinberg, wenn Sie das einmal umrechnen. Sie erhöhen den Kinderfreibetrag, und die wohlhabenden Familien haben es dann besser.
({4})
Mit diesem Haushalt vertun Sie erneut die Chance, die Familien in unserem Land finanziell zu unterstützen. Mit diesem System der Kinderleistungen begünstigen Sie weiterhin die Familien mit höherem Einkommen. Die Familien mit wenig Geld bekommen nichts vom Kuchen ab. Das ist ungerecht, und deshalb muss sich hier etwas Grundlegendes ändern.
({5})
Die Linke fordert eine eigenständige Kindergrundsicherung. Wir fordern einen regulierten Arbeitsmarkt, und – man kann es nicht oft genug wiederholen –: Hartz IV muss endlich weg.
({6})
Ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie nun auch Hartz IV hinter sich lassen wollen. Ich freue mich auch, dass Sie sich zu einer Kindergrundsicherung bekennen, zumindest habe ich es so in der „FAZ“ vernommen. Reichlich spät, aber ehrlich mal: Braucht es erst 14 Prozent in den aktuellen Wahlumfragen, damit Sie sich daran erinnern, dass Sie einmal eine soziale Partei waren? Meine Damen und Herren, man darf ja die Hoffnung nicht aufgeben; nur, ich glaube nicht daran, dass Sie Ihre Vorstellungen mit diesem Koalitionspartner umsetzen können.
Sie schreiben pünktlich zum Jahresende einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann, nur messen die Menschen in Deutschland Sie nicht an Ihren Wünschen, sondern an Ihren Taten. Ich möchte Sie alle daran erinnern: Sie sind in der Regierungsverantwortung.
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Wenn Sie Hartz IV abschaffen wollen, wenn Sie eine Kindergrundsicherung wollen: Warum lehnen Sie dann unsere Anträge ab, in denen all das geschrieben steht? Wenn Sie etwas für Kinder tun wollen: Warum dürfen dann gerade die Kinder in den Hartz-IV-Familien das Kindergeld nicht bekommen? Denn sie haben es doch am allernötigsten. So kann man keine Kinderarmut bekämpfen. Ich fordere Sie hier und heute auf: Schaffen Sie eine sanktionsfreie Mindestsicherung! Schaffen Sie eine Kindergrundsicherung! Erhöhen Sie den Mindestlohn auf 12 Euro! Das kostet im Haushalt übrigens keinen Cent. Schaffen Sie Leiharbeit, Befristungen und Minijobs ab! Das nenne ich Familienpolitik, und nur so kann man Armut bekämpfen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat Annalena Baerbock für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In Ihrem Koalitionsvertrag steht ja als einer der prägenden Sätze:
Familien halten unsere Gesellschaft zusammen.
Das ist ein sehr richtiger Satz, und wenn man ihn mit Leben füllen will, dann bilden diese Haushaltsverhandlungen dafür den essenziellen Kern. Denn wir werden dieses Land, wir werden Familien, wir werden die Gesellschaft nur zusammenhalten, wenn wir Geld nicht nur in die Hand nehmen, sondern es an den entscheidenden Stellen richtig investieren.
({0})
Da der gesellschaftliche Zusammenhalt in diesem Land derzeit an allen Ecken bröckelt, ist es so wichtig, dass wir eben nicht nur gute und richtige Themen – da sind wir ja vollkommen bei Ihnen – ansprechen und gute Überschriften dafür finden, sondern dann auch an den entscheidenden Stellen investieren. Eine Solidargemeinschaft ist darauf angewiesen, dass sich jeder und jede in jeden hineinversetzen kann, dass man eben nicht nur einen Teil, nicht nur die Mittelschicht im Blick hat, sondern alle Menschen und vor allen Dingen alle Kinder in dieser Gesellschaft.
({1})
Die Realität sieht so aus: Obwohl wir eine Kindergelderhöhung haben, kommt das Geld bei vielen Kindern nicht an. Sie können dann eben nicht ins Kino gehen. Wir haben die Situation, dass ein Jugendlicher, der sagt: „Mensch, ich mache im Sommer noch mal einen Job, damit ich mir, weil meine Familie im Hartz‑IV-Bezug lebt, endlich auch mal was leisten kann“, feststellen muss, dass sein Verdienst leider bei seiner Mutter angerechnet wird.
Wir haben die Situation, dass man Frauen, die vor ihrem gewalttätigen Ehemann fliehen und in ein Frauenhaus kommen, dort sagen muss – das ist aus sozialpädagogischer Sicht fatal –: Nein, wir können Sie nicht aufnehmen, Sie müssen im Zweifel auf der Straße schlafen. – Das ist die Situation in unserem Land, und deswegen müssen wir genau auf die Menschen schauen, die nach wie vor in solchen Notlagen sind.
({2})
Deswegen: So richtig wir viele Punkte in Ihrem Haushalt finden – „Initiative Demokratie Stärken“, bessere Unterstützung der Betroffenen bei Gewalt gegen Frauen –, müssen wir den Finger in die Wunde legen. Sie kommen als SPD, als Union und auch als Ministerin nicht daran vorbei, dass Sie sich die Frage stellen lassen müssen: Sind das nur schöne Überschriften, oder kommt das Geld wirklich an den entscheidenden Punkten an?
Insofern möchte ich jetzt gerne an ein paar Punkten in Ihren Einzelplan 17 reinpiksen. Der erste Punkt, den Sie immer wieder vorbringen, ist das Kitagesetz. Frau Ministerin, es tut mir leid – Sie sind nun mal die für diesen Themenbereich zuständige Ministerin. Oh ja, wir wissen auch, wie das manchmal mit den Ländern ist; wir wissen, dass sie sich manchmal querstellen; aber seit Jahren wird in diesem Land nur angekündigt. Hier sitzen sehr viele Väter und Mütter, und sie alle kennen die Realität: An den Standards und an der Qualität in den Kitas muss sich was ändern.
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Wir brauchen eine andere Verbindlichkeit mit Blick auf die Zahl der Kinder pro Erzieherin. Wir wissen, wie die Quoten sind, und wir wissen, dass eine Erzieherin drei Kinder unter drei Jahren betreuen sollte, damit die Qualität wirklich ankommt. Deswegen können Sie sich nicht einfach rausreden – auch auf die Frage von Herrn Müller – und müssten erklären, warum in diesem Kita-Qualitätsgesetz, bei dem es um Qualität geht, die Handlungsfelder so erweitert worden sind, dass das zentrale Merkmal Qualität nicht mehr an oberster Stelle steht.
({4})
Wenn Sie nicht bereit sind, mehr Geld in die Hand zu nehmen, dann müssen Sie auch sagen, was prioritär ist: Qualität oder Beitragsfreiheit.
Die für die nächste Woche geplante Beratung des Gesetzes wurde ja jetzt abgesetzt. Ich hoffe, dass das daran liegt, dass wirklich noch mal nachgebessert wird. Wenn neun von neun Sachverständigen im Ausschuss sagen: „Dieses Gesetz können wir so nicht annehmen“, dann muss dringend was verändert werden. Wir fordern eine Verbindlichkeit des Fachkraft-Kind-Schlüssels, und wir fordern, dass das entsprechende Geld in diesen Haushalt eingestellt wird.
({5})
Das bedeutet, Sie müssen den Einzelplan 17 an dieser Stelle ändern. Seine Mittel reichen hier nicht aus.
Sie müssen den Einzelplan 17 auch an vielen anderen Punkten ändern. Es ist gut, dass Sie in Ihrem eigenen Gesetz das Problem beim Kinderzuschlag erkannt haben; aber in der Gesetzesbegründung sagen Sie: Wir erreichen nur 35 Prozent der Betroffenen. – Mehr Geld haben Sie gar nicht eingestellt. Das heißt, Sie wollen für den Rest der Kinder den Kinderzuschlag überhaupt nicht auszahlen. Das ist das Problem an diesem Finanzplan.
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Das Gleiche gilt mit Blick auf die Frauen, die vor Gewalt fliehen. Es ist sehr gut, dass Sie das Hilfstelefon jetzt besser finanzieren. Es ist sehr gut, dass Sie 30 Millionen Euro für Infrastruktur in die Hand nehmen.
Kollegin Baerbock, achten Sie bitte auf die Zeit.
Ich komme zum Schluss. – Aber: Wir müssen so ehrlich sein: Wenn uns Plätze für 4 000 Frauen fehlen, die vor ihrem Lebenspartner fliehen, weil er sie umbringen will, dann reichen 30 Millionen Euro für eine Sanierung von Frauenhäusern nicht aus. Wir brauchen 300 Millionen Euro. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass jede Frau in diesem Land einen Rechtsanspruch, ein Recht auf Zuflucht hat.
({0})
Zwingen Sie mich nicht, von der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.
Wenn Sie das erreichen wollen, müssen Sie entsprechend Mittel in den Haushalt einstellen. Oder Sie sagen: Wir schaffen es nicht.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat Sönke Rix für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Eine Debatte lebt auch davon, dass auf die Vorredner eingegangen wird. Ich werde das in den mir verbleibenden vier Minuten versuchen.
Herr Aggelidis, immer wieder die gleiche Rede zu halten und zu erzählen, dass man alle Familienleistungen überprüfen und entbürokratisieren sollte, das ist vielleicht wichtig, um die eigenen Botschaften draußen erfolgreich zu vermitteln, aber ich würde mir schon wünschen, wenn Sie anerkennen würden, dass die Zeiten auch weitergegangen sind. Frau Giffey hat eben insbesondere in Bezug auf die Reform des Kinderzuschlags deutlich gemacht, dass wir da Entbürokratisierung wollen. Zum Beispiel soll aufhören, dass er alle sechs Monate neu beantragt werden muss. Also: In einer Debatte zuhören und vielleicht darauf eingehen, wenn sich etwas verändert – das wäre nicht schlecht, Herr Aggelidis.
({0})
– Keine Zwischenfragen jetzt.
Herr Kollege Weinberg hat darauf hingewiesen, dass die letzten 14 Jahre eine besonders erfolgreiche Zeit für Familienpolitik waren, weil auch die Mittel immer mehr geworden sind. Ich würde sagen: Die vier Jahre, die Sie mit der FDP regieren mussten, waren nicht gerade die erfolgreichsten. Ich habe überlegt, welche familienpolitischen Reformen oder Ansätze in diesen vier Jahren auf den Weg gebracht wurden. Sie sind ausgeblieben. Wie gut, dass wir in den anderen Jahren immer die Familienministerin gestellt haben.
({1})
Frau Kollegin Zimmermann, es ist immer leicht, etwas zu fordern, wenn man nicht regiert. Auch Sie halten fast immer die gleiche Rede. Sie fordern: Hartz IV muss weg. – Das passt immer. Das ist Standard bei den Linken.
({2})
Es wäre anständig, Frau Zimmermann, anzuerkennen, dass man mit den aktuellen politischen Mehrheiten im jetzigen Sozialsystem tatsächlich Verbesserungen für Familien und Kinder erreicht hat, indem man den Kinderzuschlag reformiert, indem man ihn für die Menschen zugänglicher macht, indem man die Mittel für das Bildungs- und Teilhabepaket erhöht. Wir tun mit diesen Schritten etwas gegen Kinderarmut, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({3})
– Es kann immer mehr sein. Mit anderen politischen Mehrheiten können wir gerne in Richtung Kindergrundsicherung usw. gehen. Das versuchen wir.
Zum Kitagesetz. Es wird gerade im parlamentarischen Verfahren behandelt. Wenn wir die Beratung in diesen Tagen erfolgreich abschließen, dann können wir uns damit sehr bald wieder im Parlament befassen. Falls wir das eine oder andere Thema noch diskutieren wollen, geben wir uns eine weitere Woche Zeit. Lassen Sie mich ein paar Sätze dazu sagen.
Erstens. Natürlich soll es eine dauerhafte finanzielle Förderung des Bundes für die Länder geben. Die Formulierung dieses Ziels ist schon im jetzigen Gesetzentwurf enthalten; es kann noch deutlicher formuliert werden. Aber es ist, wie gesagt, als Zielformulierung bereits im jetzigen Gesetzentwurf enthalten.
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Zweitens. Die Handlungsfelder, die der Kollege von der FDP als quasi wahllos gegriffen bezeichnet hat, wurden von allen 16 Bundesländern gemeinsam mit dem Bund und den Fachorganisationen erarbeitet. Teilhabe gehört übrigens dazu, und auch Beitragsfreiheit ist als Handlungsfeld enthalten. Jetzt so zu tun, als ob das eine wesentlich wichtiger wäre als das andere, ist fatal. Ich warne davor, Gebührenfreiheit und Qualität gegeneinander auszuspielen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich will noch kurz darauf hinweisen: Die Abschaffung von Elternbeiträgen für Kindertagesstätten bedeutet auch finanzielle Förderung und damit Entlastung von Familien. Ich weiß gar nicht, warum wir uns für das Kindergeld feiern lassen und immer betonen, wie großartig es ist – und es ist auch großartig, dass wir dadurch den Familien Geld zukommen lassen –, aber andererseits sagen, dass die Familien das Geld, das ihnen durch die Abschaffung der Kitagebühren zur Verfügung steht, nicht brauchen können. Das Geld können die Familien sehr wohl gebrauchen, und eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass die Familien das Geld sinnvoll für die Förderung ihrer Kinder ausgeben.
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Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Aggelidis das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege Rix, ich kann mich sehr genau an diese Dinge erinnern. Selbstverständlich würde ich gerne ein paar neue Punkte nennen, zusätzlich zu denen, die ich sowieso immer nenne. Aber offensichtlich ist der Lernprozess im Familienministerium und auch bei Ihnen nicht weit fortgeschritten.
Ich kann mich sehr genau erinnern: Das erste Thema, über das wir miteinander gesprochen haben, war eine signifikante Verbesserung der Bedingungen, beispielsweise beim Elterngeld Plus. Sie haben mir in einem Interview sogar gesagt: Super, dass die FDP das auch will; dann machen wir das. – Ich sehe nur unglücklicherweise herzlich wenig in diesem Bereich.
Beim Kinderzuschlag höre ich immer nur: Wir wollen, wir wollen, wir wollen. Aber die Sechsmonatsfrist wird, zumindest nach den mir vorliegenden Unterlagen, nicht gestrichen oder signifikant verlängert. Der Kinderzuschlag muss alle sechs Monate neu beantragt werden.
Zum Thema Priorisierung: Es ist nicht zu erkennen, dass alle Dinge zusammengefasst und aus einem Blickwinkel gesehen werden.
Letzter Punkt zum Thema Gute-Kita-Gesetz: Ihnen haben neun von zehn Sachverständigen sehr klar gesagt – auch hier in der Debatte wurde das im Grunde von allen vorgebracht –, dass auch bei diesem Thema der Lernprozess nicht schnell genug voranschreitet und auch die Einsichtsbereitschaft nicht groß genug ist. Dass das jetzt so lapidar abgetan wird, ist vielleicht genau das Problem. Die richtigen und wichtigen Hinweise werden nicht konstruktiv im Sinne der Familien aufgenommen. Man muss das offenbar so lange sagen, bis das auch bei Ihnen ankommt.
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Sie haben die Möglichkeit zur Erwiderung.
Vielen Dank. – Ich mache noch einmal den Versuch: Lesen Sie den Gesetzentwurf zum Kinderzuschlag, wenn er vorliegt, genau durch. An genau diese Frage der Bürokratie – dass der Kinderzuschlag alle sechs Monate beantragt werden muss – wollen wir ran.
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Ich habe es Ihnen gerade deshalb noch einmal erzählt, weil es mich gewundert hat, dass, nachdem die Ministerin Ihnen das schon erzählt hat, Sie Ihre Kritik noch einmal wiederholt haben, statt einfach zu sagen: Gut, dass Sie wenigstens diesen einen Punkt erkannt haben.
Zur Frage nach dem Elterngeld Plus: Wir haben 190 Millionen Euro mehr dafür zur Verfügung, weil immer mehr Eltern, insbesondere Väter, dies in Anspruch nehmen. Das sind Verbesserungen, die wir vorgenommen haben. Ich freue mich, dass Sie dieses Instrument gut finden und auch diese Verbesserung mittragen, Herr Aggelidis.
({1})
Nun fahren wir in der Debatte fort. – Das Wort hat die Kollegin Sylvia Pantel, CDU/CSU.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht vorab: Hier geht bei der Frage, wer welche Zuständigkeit hat, wirklich einiges durcheinander. Diese Woche noch haben Vertreter des Städte- und Gemeindebundes gesagt, dass keine Bundesregierung zuvor so kommunal- und länderfreundlich war. Die Länder haben so viel Geld zur Verfügung wie noch nie. Auch die müssen ihren Job bitte schön erfüllen.
({0})
Eine starke Familie ist die Grundlage für eine starke Gesellschaft. Familie ist der Ort, wo gegenseitige Verantwortung übernommen wird, wo Kinder leben, wo sie Gemeinschaft, Zusammenhalt und gegenseitige Verantwortung erleben und erlernen. Auch Pflege findet meistens in der Familie statt. Starke Familien sind eine notwendige Voraussetzung für die Erfüllung des Generationenvertrages. Deshalb sind familienpolitische Leistungen keine großzügigen Geschenke des Staates, sondern Investitionen in eine gute Zukunft. Wir als Familienpolitiker wissen das und können wirklich zufrieden mit dem Ergebnis der Haushaltsberatungen sein.
Wir bleiben mit dem Bundeshaushalt trotz eines Ausgabenansatzes in Höhe von insgesamt 356,4 Milliarden Euro bei einem ausgeglichenen Haushalt. Dies ist bereits der sechste ausgeglichene Haushalt in Folge. 2019 halten wir erstmals seit 2002 das Maastricht-Kriterium der Gesamtverschuldung von maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein. Also: Die Formulierung „ein reiches Land“ ist relativ. Seit 2014 nimmt der Bund keine neuen Kredite auf. Die Nettokreditaufnahme beträgt damit auch in diesem Jahr null Euro. Das ist generationenfreundlich und familienfreundlich. Wir hinterlassen unseren Kindern und Enkelkindern keine neuen Schulden.
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Paare und Eltern entscheiden am besten selbst für sich und ihre Familien, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Sie entscheiden, wie sie Kindererziehung und Berufstätigkeit aufteilen wollen. Eltern brauchen keine staatliche Bevormundung, sondern Ermutigung, Entlastung und Förderung. Deshalb stärken wir das Selbstbestimmungsrecht von Eltern. Wir erweitern ihre Wahlmöglichkeiten und sichern diese finanziell ab.
Im Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stehen nach Abschluss der Haushaltsberatungen Mittel in Höhe von 10,45 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind knapp 144 Millionen Euro mehr, als im Entwurf vorgesehen waren. Solange ich im Bundestag bin, konnte ich jedes Jahr sagen, dass wir mit einer Erhöhung rechnen konnten. Ich hoffe, dass das in Zukunft weiterhin so sein wird. Ich freue mich zumindest darüber, weil wir sehr viel für unsere Familien erreicht haben.
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Wie Sie wissen, sind die Gelder, die in unserem Familienhaushalt stehen, nur ein Teil der Mittel – damit komme ich auf die Kritik von eben –; viele der staatlichen Leistungen für Familien sind nämlich in anderen Etats enthalten. Ich nenne Ihnen einmal ein paar Beispiele: Denken Sie an das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz – mit 41,7 Milliarden Euro –, das ab dem 1. Juli 2019 um 10 Euro pro Kind und Monat erhöht wird.
Zu nennen sind auch die Beitragszahlungen des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung für Kindererziehungszeiten in Höhe von 15,4 Milliarden Euro. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Mütter, die ihre Kinder vor 1992 bekommen haben, nun 2,5 Entgeltpunkte angerechnet bekommen. Auch dafür haben wir lange gekämpft. Dass wir das erreicht haben, freut mich sehr; das hat auch etwas mit der Bekämpfung von Altersarmut bei älteren Müttern zu tun.
Ich erinnere an die Kinderzulage im Rahmen der Altersvorsorgezulage in Höhe von etwa 1,5 Milliarden Euro. Und für den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende wendet der Bund 718 Millionen Euro auf; auch hier haben wir für Alleinerziehende etwas getan. Die Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung erhält 14,5 Milliarden Euro als jährlichen Zuschuss aus dem Steuerhaushalt.
Ein weiteres, ganz neues Kapitel, das mich sehr freut: Zum Baukindergeld, das erst vor zwei Monaten gestartet ist, haben wir bereits 35 000 Anträge mit einem Zusagevolumen von 700 Millionen Euro vorliegen, rückwirkend zum 1. Januar 2018. Für 2019 sind 570 Millionen Euro eingeplant. Hier bin ich besonders erfreut, da ich mich persönlich für die Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum für unsere Familien eingesetzt habe. Eine gute Wohnsituation ist für Familien besonders wichtig. Wohneigentum bedeutet gleichzeitig eine Spardose für das Alter. Ich freue mich über die große Nachfrage und die Akzeptanz.
Eine wirkliche Erfolgsgeschichte ist auch das Elterngeld. So ist auch im Etat des Familienministeriums der größte Posten mit rund 6,86 Milliarden Euro das Elterngeld, das Elterngeld Plus und der Partnerschaftsbonus. Da sind 190 Millionen Euro mehr im Etat als 2018. Das ist eine sehr erfreuliche Mehrausgabe, weil wir sehen, dass das Elterngeld nicht nur angenommen wird, sondern dass auch mehr Kinder geboren werden und dass wir damit dem Trend von damals entgegengewirkt haben, dass es immer weniger Kinder gab.
Das Bundesprogramm „KitaPlus“ wird mit 16 Millionen Euro fortgesetzt. Damit können die Randzeiten in Kitas erweitert werden, und wir können Tagesmütter und Tagesväter finanzieren. Was das KitaPlus-Gesetz angeht: Selbstverständlich wären wir auch für eine Verstetigung, aber nur, wenn wir die Garantie erhalten, dass das mit der Qualität in Einklang zu bringen ist, wir also die Qualität gesichert bekommen. Solange das nicht klar ist, können wir auch nicht sagen: Ja, klar, das Land kriegt mehr Geld. Wir wollen nicht wissen, was es damit macht.
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Wir alle kennen aus unseren Wahlkreisen die Bedeutung der Freiwilligendienste. Wir erhöhen den Ansatz um 65 Millionen Euro auf 328 Millionen Euro. Für den Bundesfreiwilligendienst stellen wir 40 Millionen Euro zusätzlich bereit. Damit schaffen wir unter anderem 2 000 Freiwilligenstellen beim Technischen Hilfswerk. Für das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr und den Internationalen Jugendfreiwilligendienst planen wir zusätzlich 25 Millionen Euro ein. Neben der pädagogischen Begleitung und mehr Plätzen im Freiwilligendienst fördern wir die Beteiligung von Behinderten mit zusätzlich 3 Millionen Euro.
Im Haushalt unseres Familienministeriums sind 32,5 Millionen Euro für die Errichtung einer Engagementstiftung eingeplant. Allerdings erfolgt eine Zustimmung nur unter Beachtung des Maßgabenbeschlusses aus der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses. Mit diesem Beschluss wird die Bundesregierung aufgefordert, den Deutschen Bundestag über die Errichtung der Engagementstiftung zu informieren und ihn daran zu beteiligen. Beteiligung heißt für mich nicht nur, ihn zu informieren, sondern bedeutet ganz klar, dass eine Zustimmung des Bundestages erforderlich ist. Damit benötigen wir eine gesetzliche Grundlage, die eine Federführung gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium beinhaltet. Es ist dabei von großer Bedeutung, alle Belange zur Stärkung des Ehrenamts zu bündeln.
Ich möchte zwei Projekte, die im Rahmen der Haushaltsberatungen aufgenommen werden konnten, besonders erwähnen, weil sie mir ein großes Anliegen sind.
Wenn Frauen und Kinder Opfer von körperlicher, sexualisierter und physischer Gewalt werden, brauchen sie rasche Hilfe. Das Hilfetelefon bei Gewalt hat sich bewährt. Wenn Frauen nach Gewalterfahrungen rasch einen Platz im Frauenhaus benötigen, ist aber zu oft die Platzsuche ein Problem, das viele Ressourcen bindet. Wir werden die bundesweite Vernetzung von Frauenhäusern und den Aufbau einer digitalen Plattform zur Vermittlung von Frauenhausplätzen fördern.
({4})
Die neue Informationsplattform soll am bewährten Hilfetelefon andocken, um Synergieeffekte zu nutzen. Dafür werden wir zusätzliche Mittel in Höhe von 1 Million Euro einsetzen, zusätzlich zu den 5,1 Millionen Euro an Unterstützung für die Frauenhäuser. Hier möchte ich unserer Ministerin noch einmal dafür danken, dass sie erst runde Tische einrichtet, erst mit den Betroffenen spricht und sich anhört, wie der Bedarf ist, und danach all das in gesetzliches Handeln umwandelt.
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Ein weiteres Modellprojekt widmet sich einer besonders verletzlichen Zielgruppe in der Schwangerschaftsberatung, die aufgrund sozialer Umstände schwer erreichbar ist, und das besonders im ländlichen Raum. Ich habe mir das Konzept von Donum Vitae in Bonn näher erklären lassen – ein kleiner runder Tisch – und freue mich, dass wir mit einer Förderung von 4 Millionen Euro in das Projekt investieren.
Kollegin Pantel, Sie können natürlich weitersprechen. Ich muss Sie aber darauf aufmerksam machen, dass das dann auf Kosten Ihres Kollegen geht.
Gut. – Dann sage ich nur noch zum Schluss: Ich finde den Haushalt sehr gut und möchte mich an dieser Stelle für die Einrichtung der „vertraulichen Geburt“ bedanken. Über 500 Kinder können so sauber und sicher zur Welt kommen. Es hat sich gelohnt. Meinen herzlichen Dank!
({0})
Das Wort hat der Kollege Josef Rief für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt sehr viel über die Situation der Familien in unserem Land gehört. Es ist richtig und gut, dass wir die Politik für Familien ins Zentrum der Koalitionsverhandlungen gerückt haben; denn die Familien sind – es ist schon gesagt worden – der Ursprung unserer Gesellschaft. Das Ergebnis der intensiven Arbeit haben die Koalitionsredner bereits sehr gut dargestellt. Der Opposition ist – das muss ich sagen – ein Aufzeigen brauchbarer, guter Alternativen zumindest heute nicht geglückt.
Wir dürfen uns nicht nur auf den Familienetat beschränken, sondern müssen alle Ressorts anschauen. Ein Renner ist – es ist schon gesagt worden – unser Baukindergeld mit in diesem Jahr schon fast 25 000 gestellten Anträgen. Damit unterstützen wir Familien auf dem Weg zum Eigenheim. Hinzu kommt – das ist ebenfalls schon gesagt worden – unser Familienentlastungsgesetz mit steuerlichen Erleichterungen und Kindergelderhöhungen.
Bayern hat Gutes getan mit seinem Familiengeld mit 250 bzw. 300 Euro monatlich für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr. Mit dem erhöhten Kindergeld ist ab 1. Januar 2019 jedes Kind in Bayern unter drei Jahren raus aus Hartz IV. „Vorbildliches Bayern!“, kann ich da als Nachbar nur sagen.
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Der Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt die Menschen in unserem Land von ihrer Geburt an und begleitet sie ihr ganzes Leben. Der Grundgedanke ist, dass jeder befähigt werden muss, sein Glück selbst zu finden. Wir sollten vorrangig die unterstützen, die selber noch nicht oder noch nicht genügend ihr Glück finden können.
Keine Haushaltsrede ohne Zahlen – man kann gewisse Zahlen nicht oft genug wiederholen –: Für das Elterngeld stellen wir gut 6,8 Milliarden Euro und für den Bundesfreiwilligendienst 40 Millionen Euro zur Verfügung. Das THW bekommt 2 000 Stellen. Für weitere Freiwilligendienste – Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwilliges Ökologisches Jahr – gibt es über 25 Millionen Euro zusätzlich, für die Beteiligung von Behinderten immerhin über 3 Millionen Euro zusätzlich und für die Gewinnung von mehr Erzieherinnen und Erziehern – unsere Fachkräfteoffensive – insgesamt 40 Millionen Euro.
Aber wir unterstützen auch mit vergleichsweise kleinen Beiträgen sehr effektiv, wo Hilfe benötigt wird. Zum Beispiel unterstützen wir die Organisation Off Road Kids – frei übersetzt: Kein Kind muss in Deutschland auf der Straße leben. Dafür stellen wir 400 000 Euro zur Verfügung. Mit sofahopper.de wurde daneben die erste virtuelle Streetwork-Station für Straßenkinder und junge Obdachlose in Deutschland eröffnet.
Besonders am Herzen liegt mir auch der Verband kinderreicher Familien Deutschland. Mit 140 000 Euro im Jahr – ein vergleichsweise kleiner Beitrag – unterstützen wir den Verband, dessen Augenmerk auf den besonderen Bedürfnissen der 1,2 Millionen Familien mit drei oder mehr Kindern liegt. Hier wachsen die Kinder auf, ohne die der demografische Wandel in unserem Land noch dramatischer ausfallen würde. Unser Bestreben muss auch sein, den Familien zu ermöglichen, nach ihren Wünschen verantwortlich mehr Kinder zu bekommen. Warum liegen der Kinderwunsch und die Zahl der tatsächlich geborenen Kinder pro Familie so weit auseinander? Wir müssen weiter daran arbeiten, die Wünsche der jungen Generation zu erfüllen.
2 Millionen Euro gehen in die Qualifizierung von Gutachtern für Familiengerichte bei Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch. Das ist ebenfalls ein sehr wichtiges Thema.
Meine Damen und Herren, Lernen fängt früh an und hört nicht auf. Auch ältere und hochbetagte Menschen lernen ihr Leben lang. Ein hervorragender Ort dafür sind unsere Mehrgenerationenhäuser, die wir weiterhin mit 17,5 Millionen Euro fördern.
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Dort gibt es Begegnungen, die bewegen, Emotionen wecken, anregen – zwischen Jung und Alt, Eingesessenen und Zugezogenen. Ich lade daher jeden und jede ein: Besuchen Sie das Mehrgenerationenhaus in Ihrer Nähe!
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– Eben.
Sie sehen: Haushalt bedeutet eben nicht nur Zahlen. Politik ist konkret, nahbar und effektiv, braucht aber auch konkrete Ziele. Daran wird in der Regierung und in der Koalition in vielen Sitzungen, Anhörungen und Arbeitsgruppen konzentriert und hart gearbeitet. Ich danke allen, die an der Erstellung des Haushalts mitgewirkt haben: der Ministerin, den Leuten in den Ministerien, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ebenso danke ich allen, die vor Ort Familien, Senioren, Frauen und junge Menschen unterstützen und mit ihrer Arbeit Großartiges für uns alle leisten – sei es in der Kinderbetreuung, in der Pflege, in Verbänden oder in Vereinen. Danke für Ihr Engagement zu Hause!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit hier.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17 – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Der Einzelplan 17 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Karliczek, Sie sind ja seit kurzem im Gespräch, allerdings nicht wegen der Themen Bildung und Forschung, sondern weil Sie es gewagt haben, Zweifel zu säen, Zweifel am Institut der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und sogar am Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Frau Ministerin, wir finden das sehr mutig. Wir dürfen Sie zu diesem Mut beglückwünschen.
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Allerdings vermissen wir ebendiesen Mut im vorliegenden Haushaltsentwurf. Sie haben es nicht gewagt, auch nur ein einziges der von Ihrem Haus mitfinanzierten linksideologischen Projekte anzutasten. Man fragt sich, welches Motto die Kanzlerin wohl für dieses Ministerium ausgegeben haben mag. Wahrscheinlich lautete es: Bloß nichts anbrennen lassen!
Meine Damen und Herren, diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls, wenn man sich das vorliegende Zahlenwerk etwas genauer anschaut. Der gesamte Etat steigt kaum und liegt mit rund 18 Milliarden Euro nur knapp über dem Budget des letzten Jahres. In der Relation zum Bruttosozialprodukt gibt Deutschland deutlich weniger für Bildung aus als andere OECD-Staaten. Mit 4,2 Prozent liegen wir unter dem Durchschnitt und auf dem 28. Platz, noch knapp vor Ländern wie Litauen, Italien, Griechenland, Tschechien oder Ungarn. Spitzenreiter ist übrigens Norwegen mit 6,4 Prozent, gefolgt von Neuseeland mit 6,3 Prozent und Großbritannien mit 6,2 Prozent. Diese Länder, meine Damen und Herren, investieren in die Zukunft; Sie setzen andere Schwerpunkte.
Die gesamten öffentlichen Bildungsausgaben in Deutschland für das Jahr 2017 beliefen sich auf 134,8 Milliarden Euro. Im gleichen Zeitraum hat Deutschland 965,5 Milliarden Euro, also fast 1 Billion, für Sozialleistungen ausgegeben.
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Dazu gehört übrigens auch das BAföG, ein Lieblingsprojekt der Grünen, dem parlamentarischen Arm des AStA. 1 Billion Euro für Sozialleistungen, meine Damen und Herren, ist kein Grund zum Jubeln, sondern ein Armutszeugnis für Ihre Politik.
Ihnen fehlt der Mut, neue Projekte anzustoßen und alte Zöpfe abzuschneiden. Wir warten seit langem auf Ihr Konzept zur steuerlichen Forschungsförderung. Der Vorschlag der AfD dazu liegt Ihnen, ebenso wie die Vorschläge der anderen Fraktionen, längst vor. Stattdessen geben Sie beispielsweise 30 Millionen Euro für die Erforschung von „Strategien zur Durchsetzung von Chancengerechtigkeit für Frauen“ aus.
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Das, meine Damen und Herren, ist so überflüssig wie ein Kropf.
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Sie wollen einfach nicht verstehen, dass Gerechtigkeit nicht bedeutet, dass am Ende das Gleiche herauskommen muss. Wer Quoten propagiert, greift in das für Wissenschaft und Forschung fundamentale Prinzip der Freiheit ein. Was aber allein zählen darf, meine Damen und Herren, sind Qualität und Leistung.
Unter Merkel hat die CDU ihren konservativen Kern offenbar verloren und leistet auch im Bereich von Bildung und Forschung keinen nennenswerten Widerstand mehr. Sie machen mit bei der Genderideologie, finanzieren die Gesellschaftswissenschaften für Nachhaltigkeit mit Millionen, propagieren die flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen und sind drauf und dran, gemeinsam mit der SPD und den anderen linken Parteien hier im Hause die bewährten föderalen Strukturen unseres Bildungswesens einzureißen. Aber machen Sie nur so weiter. Immer mehr Bürger erkennen, dass sie AfD wählen müssen,
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wenn sie eine Politik haben wollen, für die auch die CDU noch vor wenigen Jahren stand.
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Sie haben sich in den vergangenen Debatten zu unserem Ressort vor allem an zwei Begriffen abgearbeitet, als hinge von ihnen die Zukunft der Bildungsnation Deutschland ab. Ich meine den Digitalpakt und die Abschaffung des angeblichen Kooperationsverbots. Zu beiden noch ein paar Worte.
Mit dem Digitalpakt wollen Sie über einen Zeitraum von fünf Jahren den Ländern insgesamt 5 Milliarden Euro für den Aufbau einer digitalen Infrastruktur der Schulen zur Verfügung stellen, in Anbetracht von über 33 000 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland eine lächerlich geringe Summe. Für dieses Projekt soll nun das Grundgesetz geändert werden,
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weil der Bund gerne auch die Kommunen unterstützen möchte, die sich das eigentlich selbst leisten könnten.
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Muss es uns da verwundern, wenn insbesondere finanzstarke Länder wie Baden-Württemberg – ich gucke jetzt zu Ihnen, Frau Stumpp – überhaupt keine Lust haben, sich für diese Euro die vom Grundgesetz übrigens besonders geschützte und garantierte Bildungshoheit der Länder abkaufen zu lassen? Mich wundert das nicht.
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Der Bund will ja nicht einfach nur Geld geben; er will auch mitbestimmen.
Die AfD-Fraktion will das nicht. Wir wollen den Ländern keine goldenen Zügel anlegen. Wir wollen keine zentralistische Bundesschulpolitik, und wir sehen darin einen Verstoß gegen die föderale Ordnung unseres Staates. Wir werden das nicht mittragen, meine Damen und Herren, und behalten uns eine rechtliche Prüfung vor. Wenn es darum geht, die Länder finanziell besser auszustatten, wäre dies übrigens auch über eine Anpassung des Finanzausgleichs möglich.
Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass bei der Anhörung der Sachverständigen die große Mehrheit der anwesenden Experten die Bedenken der AfD geteilt hat.
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Wenn Sie schon nicht auf uns hören wollen, dann hören Sie doch wenigstens auf die von Ihnen selbst eingeladenen Sachverständigen, meine Damen und Herren.
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Vielleicht hören Sie auch einmal denen zu, die an der Basis die Suppe auslöffeln müssen, die die schon viel zu lange regierenden Parteien uns eingebrockt haben. Vorgestern konnten wir wieder einmal von einem Hilferuf einer Berliner Schulleiterin in der Zeitung lesen. Ich zitiere aus dem Bericht:
An ihre „Schule an der Köllnischen Heide“ kamen im Sommer 103 Erstklässler – darunter ein einziges Kind mit deutschen Eltern. An zwei weiteren Schulen im Viertel finden sich unter 109 ABC-Schützen ganze zwei Kinder, bei denen Deutsch Mutter- und Familiensprache ist.
Meine Damen und Herren, wie soll da Integration, wie soll da Inklusion funktionieren? Ich weiß es nicht.
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Und jetzt blüht uns auch noch der Migrationspakt, den kürzlich Kollege Harbarth – herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum Verfassungsrichter! – hier in höchsten Tönen gelobt hat. Zum Thema Bildung enthält der Migrationspakt übrigens eine interessante Selbstverpflichtung. Ich zitiere:
Wir werden … Migranten im Kindes- und Jugendalter eine inklusive und gleichberechtigte hochwertige Bildung gewährleisten.
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Das klingt ja ganz toll. Aber wie wäre es denn, wenn wir erst mal den hier geborenen und hier schon länger lebenden Kindern eine solche hochwertige Bildung zukommen lassen würden, bevor wir Tausende andere ins Land holen, meine Damen und Herren?
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Mit der Unterzeichnung dieses Globalen Pakts für Migration wird sich Neukölln letztlich auf ganz Deutschland ausbreiten.
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Ich glaube, die Verhältnisse, die wir heute dort haben – und ich kenne sie –, wollen wir nicht in Deutschland haben. Deshalb wenden wir von der AfD uns gegen diesen Migrationspakt. Stattdessen müssen wir etwas ganz anderes tun. Die berufliche Bildung wird sträflich vernachlässigt. Wir haben deshalb in unserem Entschließungsantrag Vorschläge unterbreitet, wie wir auf diesem Feld mehr tun können. Wir müssen das duale Ausbildungssystem nach vorne bringen. Wir brauchen mehr Meister und weniger Master. Dafür werden wir uns einsetzen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat die Abgeordnete Kerstin Radomski für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte einen anderen Ansatz wählen als mein Vorredner. Ich möchte darauf hinweisen, dass das Haushaltsrecht das Königsrecht des Parlamentes ist.
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Wir nutzen die heutige Debatte, um im Sinn dieses Rechts einen Blick auf die Weichenstellungen im Bereich Bildung und Forschung zu werfen. Dass die Opposition dies stets kritisch tut, ist sicherlich nichts Neues. Aber es ist wichtig, dass wir dabei ein bisschen bei den Fakten bleiben.
Wir debattieren heute über den Einzelplan 30. Dieser ist im Rahmen der Haushaltsberatungen und der Bereinigungssitzung um weitere 124 Millionen Euro erhöht worden.
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Als Koalition blicken wir nun auf einen Rekordhaushalt und eine nie dagewesene Größenordnung: 18 Milliarden 269 Millionen Euro. Ich glaube ganz sicher, dass wir darauf gemeinsam stolz sein können.
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Doch bei diesem Themenfeld geht es um viel mehr als um Geld. Es geht nämlich – das habe ich schon am Anfang meiner Rede gesagt – um die Weichenstellungen, die man vornimmt. Wir stellen die Weichen, damit Bildung und Forschung weiterhin die Grundlagen sind, um unser Land voranzubringen, Innovationen zu fördern, Arbeitsplätze zu sichern und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
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Wir alle wissen nicht, wie das Leben in 10, 15 oder 20 Jahren aussehen wird. Umso wichtiger ist, dass wir heute die richtigen Weichen für die Zukunft stellen, indem wir in Bildung und Forschung investieren.
Betrachten wir zuerst den Bereich Forschung. Es geht für Deutschland um eine starken Forschungsstandort – von dem hängen auch der starke Wirtschaftsstandort und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ab –, damit Arbeitsplätze gesichert sind und neue geschaffen werden können, damit es den Menschen in diesem Land gut geht und damit wir positiv in die Zukunft blicken können.
Für das parlamentarische Verfahren haben wir Schwerpunkte gesetzt. Zum Beispiel fördern wir mit zusätzlichen 10 Millionen Euro die Bereiche Arbeitsforschung und Innovationsförderung. Im Bereich Arbeitsforschung fördern wir unter anderem – ich möchte ein Beispiel nennen; denn das ist praxisnäher, als wenn man nur Summen und Titel nennt – das Projekt DigiRAB. Dabei forscht die Universität Bochum gemeinsam mit mittelständischen Unternehmen, um durch visuelle Modelle Gefahrenpotenziale auf Baustellen rechtzeitig zu erkennen. Diese Erkenntnisse können dann schon in die Planungsphase eines Baus einfließen und helfen, zukünftig Arbeitsunfälle zu vermeiden.
Ein weiteres Projekt aus der Arbeitsforschung zur virtuellen Realität kommt aus meinem Wahlkreis. Das Ingenieurbüro Kirschbaum aus Neukirchen-Vluyn hat eine 3‑D-Brille entwickelt, mit der die Steuerung einer Anlage mit all ihren Fertigungsprozessen simuliert werden kann, und das schon, bevor diese überhaupt gebaut worden ist.
Wir als Koalition haben erkannt, dass es in der Zukunft darum geht, moderne Arbeitsplätze zu schaffen, die den neuen Methoden des Internet- und KI-Zeitalters gerecht werden und die Chancen von Technologien nutzen. Es ist uns dabei besonders wichtig, dass die Digitalisierung dem Menschen dient und nicht umgekehrt.
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Natürlich möchte ich noch etwas zur Innovationsförderung sagen und zu dem Programm „Innovation und Strukturwandel“, das wir um weitere 10 Millionen Euro aufgestockt haben. Ein konkretes Beispiel hierfür ist ein Projekt der Hochschule Stralsund, der Universität Rostock und der örtlichen Wohnungsgenossenschaften, die daran forschen, Wohnkonzepte für ältere Menschen zu erstellen mit dem Ziel, diese durch Smart-Home-Lösungen so lange wie möglich selbstbestimmt wohnen lassen zu können.
Ein anderes Pilotprojekt aus Ostdeutschland ist – das wird unseren Kollegen Schipanski erfreuen – das Projekt „3‑D-Stahl“, bei dem in Thüringen Wissenschaftler und mittelständische Unternehmen zusammenarbeiten. Das Projekt hat zum Ziel, das Schweißen großer Stahlbauteile zu automatisieren, damit Maschinen in Zeiten des Fachkräftemangels das Schweißen erlernen und mithelfen können, die fehlenden Fachkräfte auszugleichen.
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– Ich wusste, dass dir das gefällt.
In den kommenden Jahren wird das Programm „Innovation und Strukturwandel“, nachdem es viele Jahre schwerpunktmäßig in Ostdeutschland Forschung förderte, auch auf strukturschwache Regionen in Westdeutschland ausgeweitet werden.
Im Zusammenhang mit Strukturwandel stehen auch Investitionen in Höhe von 5 Millionen Euro für den Start eines neuen Fraunhofer-Instituts, in dem der Themenschwerpunkt „Energieinfrastruktur und Geothermie“ bearbeitet wird.
In diesen Bereichen liegt ein großes und immer noch nicht vollständig ausgeschöpftes Potenzial für die angewandte Forschung, das vor allen Dingen in der Region NRW und in der Lausitz Perspektiven schaffen könnte – gerade hier ist das Ende der Verstromung fossiler Brennstoffe absehbar –, um eine potenziell hohe Wertschöpfung nicht verloren gehen zu lassen.
Die bestehenden Forschungseinrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft in Rostock und Hamburg unterstützen wir mit 4,7 Millionen Euro im Jahr 2019 für das Projekt „Smart Ocean“. Es geht dabei um eine nachhaltige Nutzung der Meere, zum Beispiel in den Bereichen „emissionsfreie Warenströme“ oder „ressourcenschonende Schifffahrt“.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, wie wichtig Kommunikation ist. Deshalb freue ich mich, dass wir die Wissenschaftskommunikation stärken und das Kulturgut für breite Bevölkerungsschichten zugänglich machen. Am gemeinsamen Aktionsplan der Leibniz-Gemeinschaft nehmen führende Museen – vom Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven bis zum Deutschen Museum in München – teil. Dafür werden vom Bund 5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
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Bei so vielen Zukunftsbegriffen und so viel Technikrhetorik ist es mir als Lehrerin besonders wichtig, dass wir bei aller Exzellenz und Spitzenforschung auch die breiten Bevölkerungsschichten im Blick haben; denn nicht jeder junge Mensch wird Informatik studieren, und unser Arbeitsmarkt braucht an vielen Stellen gut ausgebildeten Nachwuchs. Deshalb richten wir unseren Fokus auch auf die berufliche Bildung und die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Wir fördern deshalb Innovationswettbewerbe in der beruflichen Bildung. Bei einem Projekt, das sich „Innovationscluster für eine exzellente berufliche Bildung“ nennt, starten wir mit 2 Millionen Euro. Es werden in den nächsten Jahren noch viele Millionen folgen, um diesen Prozess anzustoßen und positiv zu begleiten.
Ich halte fest: Wir gehen im Bereich von Bildung und Forschung gut aufgestellt in das neue Jahr. Das ist ein Grund zur Freude; denn die seit Jahren stetig wachsenden Investitionen in Bildung und Forschung sind keine Normalität, sondern eine bewusste Priorisierung von uns, auf die wir stolz sind.
Am Ende meiner Rede möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen Mitberichterstattern für die gute Zusammenarbeit danken. Ebenso danke ich natürlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen und des Ministeriums für die Unterstützung bei den langwierigen Verhandlungen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Kerstin Radomski. – Schönen Nachmittag Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nächster Redner für die FDP-Fraktion: Christoph Meyer.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin Karliczek, ich respektiere Sie. Ich denke, Sie bemühen sich stets. Ich möchte aber sozusagen vor der Klammer doch auf eine Äußerung eingehen, die Sie quasi als Forschungs- und Wissenschaftsministerin vor zwei Tagen gemacht haben. Ich bitte Sie, in Ihrer Rede richtigzustellen, was Sie in Bezug auf die Ehe für alle gemeint haben. Wenn Sie in den Raum stellen, dass Kinder beschädigt werden oder in ihrer Entwicklung aufgehalten werden, dann ist das ein Punkt, den Sie hier richtigstellen müssen. Deswegen ist auch die Vorrede von Ihnen, Herr Frömming, so infam. Sie sollten sich vielleicht mal bei Ihrer Fraktionsvorsitzenden erkundigen. Das ist wirklich aufs Schärfste zurückzuweisen.
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Ich möchte zunächst auch meinen Mitberichterstattern und den Fachkollegen für die angenehmen Beratungen danken – wie immer ein sehr fruchtbarer Austausch im Bildungs- und Forschungsbereich. Insbesondere möchte ich Frau Radomski dafür danken, dass einige Ansätze der FDP aus den letzten Haushaltsberatungen übernommen wurden, zum Beispiel das ganze Thema Selbstbewirtschaftungsmittel. Wissenschaftsfreiheit ist für uns ein hohes Gut. Aber wenn sich Selbstbewirtschaftungsmittel in Höhe von über 1 Milliarde Euro angehäuft haben, dann muss man sagen: Mittel müssen auch abfließen, und es gibt auch ein Haushaltsrecht. – Dementsprechend fanden wir es gut, dass das in der Bereinigungssitzung zumindest zu einer Teilsperrung geführt hat.
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Gut finden wir auch, dass unser Ansatz der Gründung einer Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen endlich übernommen wurde: 14 Millionen Euro zunächst; 102 Millionen Euro in den dann kommenden Jahren. Das ist ein zentrales Instrument, um die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu sichern. Unsere Auffassung ist allerdings, dass Sie auch hier, wie so oft, zu kurz springen. Mit Trippelschritten kommt man nicht an die Weltspitze.
Genau das ist, glaube ich, das Grundproblem in diesem Haushalt, das wir zum Beispiel auch im Bereich Digitalisierung oder schnelle mobile Datenübertragung, 5G, sehen. Auch das haben Sie gestern formuliert: Wenn Sie immer nur versuchen, auf Klassenerhalt zu spielen in den modernen Medien, dann ist es kein Wunder, dass wir den Anschluss an die Weltspitze nicht schaffen. Sie müssen sich nach oben orientieren und dürfen sich nicht damit zufrieden geben, zu versuchen, den Standard von vorgestern flächendeckend auszubauen.
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Ähnlich ist es im Bereich KI. Ihre KI-Strategie kommt viel zu spät. Es sind nicht nachvollziehbare Benchmarks genannt, mit deren Hilfe wir uns vergleichen können mit China, USA und anderen Ländern der Welt, die uns den Rang ablaufen. Wir haben eine fehlende Haushaltssystematik. Es ist so, dass das Haus kurzfristig gar nicht erklären konnte, in welchen Titeln KI gefördert wird. Jeder macht ein bisschen was und schreibt „KI“ drauf, damit es vielleicht besser klingt. Auch so kommen wir nicht voran.
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BAföG-Reform: Wir hatten hohe Ausgabereste in den letzten Jahren. Wir haben hier Anträge gestellt, dass die Einkommensgrenzen angehoben werden. Sie haben jetzt angekündigt, dass Sie im nächsten Jahr was vorlegen. Wir hoffen, dass Sie hier eine steilere Lernkurve haben. Das wäre zumindest unser Ansatz. Wir werden das auf jeden Fall positiv begleiten.
Berufliche Bildung: Sie behaupten, das sei Ihr Herzensthema. Auch hier ist nicht allzu viel passiert. Auch hier haben wir Ihnen Anträge in der Bereinigungssitzung bzw. in der ersten Runde vorgelegt, dass Sie mehr Geld für berufliche Bildung, für Exzellenz in der beruflichen Bildung zur Verfügung stellen. Auch hier leider Fehlanzeige.
Schwerpunktsetzung ist grundsätzlich ein Problem in Ihrem Etat; das hat auch der Rechnungshof mehrfach erwähnt. Wir haben in allen Kapiteln ein bisschen mehr. Den kräftigsten Schluck aus der Pulle gönnt sich die Ministerialbürokratie selbst mit 20 Prozent Mittelaufwuchs.
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100 unbesetzte Stellen – das alles sind Themen, die man perspektivisch angehen muss. Wir werden sicherlich dazu auch mal ein Berichterstattergespräch führen, um zu gucken, was da im Argen liegt.
Ein Thema, das uns im nächsten Jahr sicherlich stärker beschäftigen wird, ist das Thema Großprojekte. Ein Beispiel ist FAIR. Wir werden im nächsten Jahr den Fortschrittsbericht bekommen. Auch hier droht ein Milliardengrab. Auch darüber werden wir diskutieren müssen. Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge.
Wir haben das ganze Thema Stilllegung, Rückbau kerntechnischer Versuchsanlagen. Dazu hatten wir gestern ein Berichterstattergespräch. Ich bin mir darüber im Klaren, dass das eher eine Aufgabe für das Umweltministerium ist. Auch hier – das wäre vielleicht ein Ansatz, wo wir ressortübergreifend stärker miteinander kommunizieren müssen – kann es nicht sein, dass in einer Art Schwarzer-Peter-Spiel jedes mitbefasste Ressort die Aufgabe von sich wegdrängt.
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Alles in allem ist es ein Etat der Mittelmäßigkeit, den Sie hier vorgelegt haben. Wir werden daher nicht zustimmen. Große Projekte fürs nächste Jahr sind schon vorgezeichnet. Deswegen bin ich gespannt auf den Haushalt 2020.
Ich danke Ihnen.
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Vielen Dank, Christoph Meyer. – Nächster Redner für die SPD-Fraktion: Swen Schulz.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ranken sich ja viele Mythen rund um den Haushaltsausschuss. Die Wahrheit ist: Wir erfüllen nach Kräften die Wünsche der Fachpolitik, und manchmal übererfüllen wir sogar diese Wünsche.
Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich einen Blick in den Bereich Bildung und Forschung. 1,4 Milliarden Euro haben wir für 2019 und die Folgejahre noch auf den Regierungsentwurf draufgepackt. Das war eine rekordverdächtige Parlamentsberatung, vor allem aber ein starkes Zeichen dieser Koalition: Wir handeln, und wir setzen einen klaren Schwerpunkt auf Bildung und Wissenschaft, Kolleginnen und Kollegen.
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Eine vollständige Aufzählung aller Verbesserungen würde den Rahmen meiner Redezeit sprengen. Darum beschränke ich mich jetzt auf einige wichtige Entscheidungen in den Bereichen, die auch in der ersten Lesung hier im Plenum und in den Ausschussberatungen eine Rolle gespielt haben.
Die berufliche Bildung ist eine wichtige Stütze unseres Bildungswesens und für Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft unverzichtbar. Darum stärken wir sie weiter und setzen mit dem Wettbewerb „Innovation für eine exzellente berufliche Bildung“ neue Akzente.
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– Ja, da kann es ruhig Beifall geben, gerade von der CDU/CSU.
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Schulen in sozialen Brennpunkten stehen besonderen Herausforderungen gegenüber. Für sie starten wir ein neues Programm, mit dem pädagogische Konzepte verbessert werden.
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Wir stärken die Alphabetisierung sowie die Sozial- und Geisteswissenschaften. Wir erhöhen die Mittel der Innovationsförderung in den neuen Ländern und den strukturschwachen Gebieten und unterstützen den Strukturwandel im Energiesektor; ein ganz wichtiger Punkt. Der Bereich der künstlichen Intelligenz wird sogar mit 500 Millionen Euro in den nächsten Jahren gefördert. Das hatte die Opposition in der ersten Lesung noch angemahnt.
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Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Industrie 4.0 – das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Beschäftigten. Darum stärken wir gleichzeitig die Arbeitsforschung, um auch der Humanisierung der Arbeitswelt weiterhin gerecht zu werden.
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Und wir haben die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen auf den Weg gebracht und legen dabei Wert darauf, dass der Deutsche Bundestag eingebunden und beteiligt wird.
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Besonders freue ich mich natürlich, dass wir starke Beschlüsse fassen konnten, sodass sich die Mittel für die Leibniz-Forschungsmuseen und insbesondere das Naturkundemuseum in Berlin erhöhen. Die Forschungsmuseen sind von herausragender Bedeutung; denn sie sind Publikumsmagneten, leisten unheimlich viel für die Wissenschaftskommunikation, also die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen an die Bürgerinnen und Bürger, sie sind aber auch exzellente Forschungseinrichtungen und sie bewahren bedeutendes kulturelles Erbe.
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Darum, glaube ich, investieren wir gerade an dieser Stelle genau richtig.
Zahlreiche weitere Maßnahmen haben wir beschlossen. Aber, wie gesagt, kann ich das hier gar nicht alles im Einzelnen aufzählen. Entscheidend ist der Grundsatz, meine sehr verehrten Damen und Herren: Diese Koalition tut so viel für Bildung und Forschung wie noch keine Koalition zuvor. Noch keine Koalition!
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Kolleginnen und Kollegen, so gut der Haushalt 2019 ist, so klar ist, dass es auch weitere Herausforderungen gibt. Uns von der SPD ist die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung in Bezug auf Ganztagsangebote und Hortbetreuung besonders wichtig. 2 Milliarden Euro wollen wir ab 2020 dafür einsetzen. Das ist ein neuer Meilenstein in der Bildungspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Das BAföG und das Meister-BAföG wollen wir massiv verbessern. Es hilft Schülern, Studierenden und beruflich Qualifizierten auf ihrem Weg. Die soziale Bildungsförderung ist seit jeher Kernanliegen der SPD, und das packen wir kräftig an.
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Und: Der DigitalPakt Schule muss kommen. 5 Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung. Ich appelliere an alle in diesem Haus, im Deutschen Bundestag, und im Bundesrat: Machen Sie den Weg zu einer Grundgesetzänderung frei!
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Es droht eine Art unheilige Blockadeallianz derjenigen, die auf der einen Seite viel mehr Bundesbeteiligung haben wollen, und der Föderalisten auf der anderen Seite. Wir kommen aber in den Schulen und für die Kinder keinen Zentimeter weiter, wenn alle in den Gräben bleiben. Bitte bedenken Sie das. Scheitern darf an dieser Stelle keine Option sein!
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch bei allen weiteren Fragen werden wir Haushälter die ersten Dienstleister der Fachpolitik bleiben.
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Dafür, dass das so gut klappt, sorgen in erster Linie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen, der Abgeordneten und in der Bundesregierung. Herzlichen Dank an alle, die an den anstrengenden Haushaltsberatungen mitgewirkt haben. Ich bedanke mich auch bei den anderen Berichterstattern, besonders natürlich bei meiner Kollegin Kerstin Radomski, aber auch bei Johannes Kahrs und Eckhardt Rehberg, ohne die das alles nicht so gut geklappt hätte.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Swen Schulz. – Jetzt kommt Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke.
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Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung lobt sich für ihre Strategie zur Digitalisierung und für ihre Strategie zur Entwicklung der künstlichen Intelligenz. Doch es fehlen grundlegende Voraussetzungen zur Umsetzung; da müssen wir anfangen.
Wo, frage ich Sie, ist die Strategie Ihres Ministeriums zur Beseitigung des Personalmangels in Kitas und Schulen? Ich habe dazu nichts gefunden, und das ist schlimm.
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Der Verweis auf die Länderverantwortung löst kein einziges Problem. Wenn hier jetzt gesagt wird: „2 Milliarden Euro sollen für das Ganztagsschulprogramm bereitgestellt werden“, dann muss man doch ehrlich sein und sagen: Diese 2 Milliarden Euro standen bereits im Haushaltsentwurf und sind über Nacht herausgenommen worden. Das ist eine Schande.
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Dafür bekommt nämlich die Verteidigungsministerin mehr Geld. Ich bringe es mal auf eine kurze Formel: Kriegsschiffe statt Bildung. Das ist eine ganz, ganz schlechte Strategie, und dafür können Sie sich überhaupt nicht loben.
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Genau das ist der Punkt.
Und wo, meine Damen und Herren, ist Ihr Plan gegen den Bildungsnotstand und für 10 000 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer? Auch dazu habe ich nichts gefunden. Und wir brauchen dringend eine Strategie für die Unterbringung von Studierenden. Warum tun Sie da nichts?
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Zwar wird die Mietkostenpauschale im BAföG um 75 Euro auf 325 Euro erhöht; doch für 325 Euro bekommt man in den großen Städten unseres Landes kein Zimmer. Ich nenne das Beispiel München: In München beträgt die durchschnittliche Miete für ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft 547 Euro. Beim Studentenwerk München wartet man zwei bis vier Semester auf einen Wohnheimplatz. Das heißt also, wenn man sich zu Beginn des Studiums um einen Wohnheimplatz bemüht, dann bekommt man mit der Beendigung des Bachelors sein Zimmer. Das kann es doch wohl nicht sein.
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Die beste Digitalstrategie und die beste Strategie zur Förderung der künstlichen Intelligenz helfen doch nichts, wenn die Studierenden kein Dach über dem Kopf haben.
Meine Kollegin Anke Domscheit-Berg hat das Problem mit der Digitalstrategie schön auf den Punkt gebracht. Sie sagt:
Es kann nicht sein, dass unsere Kinder in einer Art „Museumslandschaft“ unterrichtet werden, während um sie herum die Gesellschaft immer digitaler wird.
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Das ist besonders für diejenigen Kinder ein Problem, die zu Hause keinen Zugang zu Computern und Smartphones haben. Ich frage Sie, Frau Karliczek: Wo ist Ihre Strategie, Kinder aus armen Familien mit in die digitale Welt zu nehmen? Ich habe dazu nichts gefunden.
36 Prozent der Kinder in unserem Land haben einen Migrationshintergrund; das sind mehr als 4,9 Millionen, um es in absoluten Zahlen zu sagen. Es ist doch alarmierend, dass das Armutsrisiko bei diesen Kindern dreimal höher ist als bei anderen. Um es für Neoliberale deutlich auf den Punkt zu bringen: Kinderarmut gefährdet den Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland. Das können wir nicht zulassen.
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Leider ist die Bundesregierung auf eine kleine Elite fokussiert, die sich immer häufiger aus sich selbst reproduziert. Ich sage Ihnen: Unser Bildungssystem muss endlich wieder durchlässiger werden. Sind denn alle Lehren aus dem Sputnik-Schock schon vergessen?
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– Der Sputnik-Schock: Stellen Sie dazu eine Zwischenfrage, dann erkläre ich es Ihnen, oder lesen Sie es nach, es gibt Literatur dazu.
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Ich habe auch keine Strategie gefunden, Frau Karliczek, wie Ihr Ministerium zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in unserem Land beitragen möchte;
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das ist immerhin ein Verfassungsauftrag.
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Von den 640 000 Menschen, die in Deutschland in Forschung und Entwicklung tätig sind, arbeiten nur 0,9 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern und 1,2 Prozent in Sachsen-Anhalt. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg sind es 23,6 Prozent. Das ist doch ein grobes Missverhältnis, und daran müssen wir etwas ändern.
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– Wie? Indem man Forschungseinrichtungen in Ostdeutschland ansiedelt und dafür sorgt, dass dort hochwertige Arbeitsplätze entstehen.
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Das ist doch eine ganz logische Antwort, die Sie sich auch selber hätten geben können.
Zum Schluss, Frau Karliczek, zu Ihren Bemerkungen zur Ehe für alle und zu den Kindern, die angeblich dort nicht gut aufwachsen können: Es gibt – darin hätten Sie sich belesen können – jede Menge Studien, die genau diese Aussage, die Sie in den Raum geworfen haben, widerlegen.
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Ich hätte gedacht, dass Sie nicht nur eine lebenserfahrene, sondern auch eine fortschrittliche Frau sind. Leider haben Sie uns mit dieser Bemerkung enttäuscht. Ich hoffe, Sie nehmen heute die Chance wahr, diese Position zu korrigieren.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Gesine Lötzsch. – Nächste Rednerin: Ekin Deligöz für Bündnis 90/Die Grünen.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich will mit einem Thema anfangen, mit dem wir uns in Deutschland dieses Jahr sehr intensiv befasst haben, nämlich mit der Klimakrise. Sie führt dazu, dass wir Überschwemmungen in Italien, Waldbrände in Kalifornien und Dürre in Deutschland haben. Ich habe erst in der letzten Woche im Bericht einer Tageszeitung gelesen, dass die Baggerseen bei uns im Illertal inzwischen kein Wasser mehr haben. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Klimakrise hier endgültig angekommen ist.
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Und Ihr Auftrag ist es, Antworten darauf zu finden.
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Die Antworten müssen lauten, dass wir eine Wende in der Forschung brauchen. Wir brauchen die Nachhaltigkeitsforschung und die Klimaforschung. Wir müssen wissen, wie wir mit dieser Plastikflut umgehen, was wir dagegen tun können und wie wir sie vermeiden können.
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Wir brauchen Antworten auf die neuen Anforderungen an die Mobilität. Wir brauchen Antworten auf die Entwicklungen unserer Zeit. Mit einer grünen Forschungswende würden Sie dieses Land voranbringen und Fortschritt entwickeln.
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Aber, Frau Ministerin, Fortschritt ist nicht, die Erziehungsleistungen von Eltern anzuzweifeln, und zwar nur aufgrund ihrer persönlichen Partnerwahl.
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Auch im Grundsatzprogramm Ihrer Partei steht: Familie ist dort, wo Menschen miteinander und füreinander Verantwortung übernehmen, und zwar unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Das sollte auch für Sie gelten. Sie sollten Menschen, die Verantwortung übernehmen, unterstützen und ihnen nicht in den Rücken fallen. Das wäre Fortschritt.
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Aber kommen wir wieder zu Ihrem eigentlichen Auftrag zurück, nämlich dem Wettbewerb um Innovation und Technologien, die Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit. Ich will mal auf einige Ihrer Projekte eingehen. Stichwort: Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen. Ja, wir brauchen die Agentur, weil wir neue Antworten und Innovationen brauchen, um unseren Wohlstand halten zu können, um die Arbeitsplätze der Zukunft bei uns zu schaffen und die Lebensqualität erhalten zu können.
Aber gerade weil das so ist, dürfen wir nicht national vorgehen, sondern müssen in eine europäische Strategie eingebunden sein; denn die besten Forscher der Zukunft entscheiden sich eben nicht für Paris oder Berlin, sondern für China, die USA oder Europa. Deshalb ist es wichtig, dass wir in diesem Bereich als Europäer auftreten und nicht mit nationalen Alleingängen vorpreschen.
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Es ist wichtig, dass für den Bundestag transparent und nachvollziehbar ist, was dafür ausgegeben wird, damit wir Akzeptanz für die Bereitstellung dieser Mittel herstellen können.
Auch bei der künstlichen Intelligenz gilt: Wir brauchen eine stärkere europäische Einbindung und dürfen nicht alleine handeln. Vor allem müssen wir garantieren, dass die zugesagten Mittel auch fließen. Ich glaube, da müssen Sie Ihre Hausaufgaben noch machen.
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Ganz besonders enttäuscht bin ich persönlich, Frau Ministerin, über die steuerliche Forschungsförderung.
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Ich habe mir von Ihnen da mehr erhofft, weil das eigentlich Ihr Thema ist. Sie haben sich ja dafür engagiert. Wo aber sind die Konzepte? Wo sind die Vorlagen? Wo sind die Mittel? Wir haben nichts, rein gar nichts auf dem Tisch. Gerade bei den kleinen und mittleren Unternehmen könnten wir da doch einen Innovationsschub auslösen. Wir könnten sie unterstützen, wir könnten in diesem Land etwas voranbringen. Sie sind aber irgendwie wieder abgetaucht, nachdem Sie das angekündigt hatten. Ich finde, das ist nicht gut, und ich erhoffe mir da von Ihnen bessere Lösungen.
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Der letzte wichtige Punkt: Sie haben, Frau Ministerin, in Ihrem Etat Kostenrisiken, die Sie näher betrachten müssen; denn diese Kosten können sich sehr explosiv entwickeln. Damit meine ich die Finanzierungen der Großprojekte. Da geht es zum Beispiel um FAIR oder die Stilllegung atomarer Forschungsanlagen. Der Bundesrechnungshof mahnt Sie und sagt, dass hier eine effizientere Steuerung nötig ist. Wir brauchen in diesem Bereich eine Fördermittelüberwachung und bessere Managementsysteme, weil wir sonst nämlich diese Risiken als Kosten in diesem Etat abbilden müssen.
Um das konkreter zu machen, empfehle ich, dass Sie sich genau anschauen, was eigentlich mit den Altlasten der atomaren Forschungsreaktoren passiert. Da reden wir inzwischen von Gesamtkosten in der Höhe von 8 Milliarden Euro. Das ist eine konservative Berechnung. Das ist erst der Anfang. Das wird sich womöglich verdoppeln oder verdreifachen. Im Moment sind es aber 8 Milliarden Euro, die in den Bereichen der beruflichen Bildung und der Chancengerechtigkeit auf Bildung in diesem Land nicht zur Verfügung stehen. Es sind 8 Milliarden Euro, die auch für Forschung und erneuerbare Energien nicht zur Verfügung stehen. Das ist viel Geld, das wir für die Fehler der Vergangenheit ausgeben.
Umso wichtiger ist es, Frau Ministerin, dass diese Fehler nicht wiederholt werden. Setzen Sie auf Fortschritt! Setzen Sie auf Zukunft und nicht auf Vergangenheit!
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Vielen Dank, Ekin Deligöz. – Jetzt hat das Wort für die Bundesregierung die Ministerin Anja Karliczek.
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Liebe Frau Bundestagspräsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben in einer Welt, die sich mit großer Geschwindigkeit verändert. Diese Welt müssen wir gestalten. Das ist unsere Aufgabe. Dazu brauchen wir Mut und Zuversicht. Um im Wettbewerb mitzuhalten, brauchen wir diese Zuversicht; denn das ist eine Frage des Wohlstands für unser Land. Um diese Herausforderung anzugehen, denke ich, sind gute Bildung und exzellente Forschung zwei wesentliche Säulen. Ich glaube, mit einem Zukunftshaushalt von über 18 Milliarden Euro sind wir da ordentlich aufgestellt. Im Gegensatz zu dem, was gerade alles behauptet wurde, setzen wir klare Schwerpunkte. Vier davon möchte ich hier nennen.
Erstens. Wir investieren in Zukunftstechnologien, zum Beispiel – es ist schon vielfach angesprochen worden – in die künstliche Intelligenz. Hier haben wir einen Meilenstein erreicht. Die Strategie steht. Bis 2025 werden wir insgesamt 3 Milliarden Euro investieren, Geld, das zum überwiegenden Teil in Forschung und Entwicklung fließt, Geld, das große Investitionen in der Wirtschaft in Gang setzen wird. Hinzu kommt – es ist in der vorherigen Debatte schon angesprochen worden –, dass die Länder in einem föderalen Staat auch einen großen Beitrag dazu leisten.
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Mit unserer Strategie machen wir Deutschland zu einem führenden Standort für die Entwicklung und Anwendung von KI-Technologien. Ich glaube, wir wissen es alle: Die künstliche Intelligenz ist in den nächsten Jahren entscheidend für unsere Zukunft. Wir haben jetzt die Weichen dafür gestellt, die Potenziale Deutschlands als Forschungs- und Hightech-Standort optimal zu nutzen. Wir wollen der Welt zeigen: Zukunft wird in Deutschland gemacht. In Deutschland entsteht KI made in Germany.
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Wir rufen die Agentur für Sprunginnovationen ins Leben. Diese Agentur der Denker und Macher ist definitiv eine echte Neuerung im deutschen Innovationssystem. Jetzt brauchen wir aber auch den Mut, ihr die Freiheit zu geben, die wir hier immer so schön in Reden einfordern.
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Zweitens. Wir investieren in Menschen, die lernen wollen. Talentierte Menschen wollen wir fördern; denn ein Studium darf nicht am Geld scheitern. Mit der Reform des BAföG drehen wir an mehreren Stellschrauben: Den Förderhöchstsatz steigern wir um 15 Prozent auf 850 Euro monatlich. Wir erhöhen die Einkommensfreibeträge um 9 Prozent . Wir erhöhen den Wohnzuschlag für nicht bei den Eltern wohnende BAföG-Geförderte von derzeit 250 Euro auf 325 Euro monatlich.
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Damit unterstützen wir wieder mehr Familien mit Kindern in Ausbildung und gehen eben auch auf gestiegene Wohnkosten ein. Denn natürlich stimmt es, dass gerade die Wohnkosten in den letzten Jahren gestiegen sind, auch in Hochschulstädten. Das alles sind Verbesserungen, die wirklich mehr sind als nur Peanuts.
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Aber uns geht es ganz klar nicht nur um Studierende. Es geht genauso um Auszubildende; denn Auszubildende haben die gleichen Probleme, und an die denken wir auch genauso. Deshalb reformieren wir das Berufsbildungsgesetz. Unser Ziel ist eindeutig: Mehr Anerkennung für die berufliche Bildung, und zwar nicht nur in Worten, sondern auch so, dass es im Geldbeutel spürbar ist. Darum möchte ich eine Mindestausbildungsvergütung auf den Weg bringen, die an das Schüler-BAföG angelehnt ist. 504 Euro im ersten Lehrjahr sind, glaube ich, ein guter Betrag.
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Wichtig ist mir, dass wir Auszubildende und Studierende in Deutschland gleich wertschätzen. Wir haben alle in der Vergangenheit immer mit der hohen Qualität der dualen Ausbildung geworben. Wenn aber immer noch viele Eltern, auch Facharbeiter, Sorge haben, dass ihr Kind mit einer Berufsausbildung weniger Perspektiven haben könnte als mit einem Studium, dann müssen wir da definitiv noch mehr tun. Wir brauchen zum Beispiel auch Berufsbezeichnungen, die auf den ersten Blick zeigen, welche hohe Qualifikation dahintersteht. Deshalb sollen die Abschlüsse in der beruflichen Fortbildung zukünftig Berufsspezialist, Berufsbachelor und Berufsmaster heißen. Damit machen wir deutlich, dass zwei hochwertige Ausbildungswege in den Beruf in Deutschland möglich sind. Vergleichbarkeit und Sichtbarkeit sind das Ziel.
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Drittens. Wir wollen gerne in Schulen investieren. Für den DigitalPakt Schule stehen im kommenden Jahr schon 720 Millionen Euro in einem Sondervermögen bereit. Aber wir können noch nicht starten. Sowohl die Bund-Länder-Vereinbarung als auch die Mehrheit im Bundesrat stehen für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Grundgesetzänderung.
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Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der FDP, uns stets vorwerfen, dass die Digitalisierung der Schulen Ihnen zu lange dauert, dann haben Sie jetzt die Chance, den Prozess zu beschleunigen. Stimmen Sie einfach der Grundgesetzänderung zu!
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Jetzt aber eine Grundsatzdiskussion zum Föderalismus aufzumachen und damit den Fortschritt in unseren Schulen zu behindern, wäre aus meiner Sicht eine Versündigung an den Kindern;
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denn Eltern, Lehrer, Kinder warten darauf, dass es weitergeht.
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Jetzt können Sie zeigen, dass es nicht um Eitelkeiten und Parteiinteressen geht, sondern um unser Land.
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Viertens. Der Bund nimmt seine Verantwortung wahr. Wir sind flexibel. Ich glaube, das haben wir zuletzt am Freitag in der letzten GWK-Sitzung gezeigt.
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Dort haben wir beschlossen, über einen Zeitraum von acht Jahren rund 430 Millionen Euro zusätzlich an die Fachhochschulen zu geben: für Forschung und für mehr Professoren an Fachhochschulen. Gemeinsam entwickeln wir, Bund und Länder zusammen, die deutsche Forschungs- und Hochschullandschaft weiter. Damit haben wir gezeigt, dass wir zusammen gut arbeiten können; denn wir haben in der letzten Woche vier Bund-Länder-Vereinbarungen auf den Weg gebracht. Aber wir dürfen die Länder nicht aus der Verantwortung entlassen. Auch ihre Kassen sind angesichts unserer guten Wirtschaftslage ordentlich gefüllt. Auch sie müssen die Verantwortung, die das Grundgesetz für sie vorsieht, jetzt wahrnehmen.
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Im Frühjahr stehen weitere wichtige Verhandlungen an: für den Hochschulpakt, für den Pakt für Forschung und Innovation und für den Qualitätspakt Lehre. Das sind wieder wichtige Weichenstellungen. Wir gehen sie an mit Mut und Zuversicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur mit einer großen Innovationskraft gibt es die Lebensqualität hier in Deutschland, die wir uns alle wünschen, gibt es die Wettbewerbsfähigkeit und die guten Ideen, die wir in dieser Welt brauchen.
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Frau Kollegin – –
Nein, ich rede erst zu Ende. – Um das zu erreichen, brauchen wir starke Partner in Europa und in der Welt. Nur wenn es Europa gut geht, geht es auch Deutschland gut, und nur dann wird es auch den Menschen in unserem Land gut gehen. Wir haben immer die Menschen im Blick. Ich möchte, dass die Menschen in unserem Land spüren, dass wissenschaftliche Erkenntnisse ihren Alltag beeinflussen, dass Krankheiten besser und schneller geheilt werden können, dass Mobilität einfacher und nachhaltiger wird, dass Kommunikation sicherer und schneller wird. Nur so gelingt der gesellschaftliche Zusammenhalt. Ich glaube, wir können sagen: Der Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung leistet dazu einen entscheidenden Beitrag.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Anja Karliczek. – Das Wort zu einer Kurz intervention hat der Kollege Kai Gehring.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, Sie haben meine Zwischenfrage leider nicht zugelassen. Deshalb möchte ich Sie auf diesem Wege noch etwas fragen, wozu Sie bereits andere Kolleginnen und Kollegen in der Debatte aufgefordert haben.
Sie haben ein öffentliches n-tv-Interview gegeben, das sehr bemerkenswert war. Sie haben die Chance, hier im Deutschen Bundestag, dazu Stellung zu beziehen.
Frau Karliczek, Ihre Unkenntnis über die internationalen Forschungsergebnisse zur Lebenswirklichkeit von Kindern in Regenbogenfamilien ist für eine Bundesforschungsministerin hochnotpeinlich.
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Sie haben mit der Art und Weise, wie Sie sich auf n-tv geäußert haben, diese Familien und diese Lebensentwürfe diskreditiert.
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Sie haben in den sozialen Medien und auf vielen anderen Kanälen in den letzten Tagen noch einmal Literaturhinweise bekommen, damit Sie die internationalen Studien wahrnehmen. Deshalb meine Frage an Sie: Haben Sie sich in diese Thematik jetzt endlich eingearbeitet, in die renommierten Studien, die es zahllos gibt, die zeigen, dass es ein sehr hohes Kinderwohl in Regenbogenfamilien gibt? Welche faktenbasierten und nicht vorurteilsgeladenen Schlüsse ziehen Sie daraus?
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Zur zweiten Frage. Sie haben wiederholt die Ehe für alle als überstürzt eingeführt
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und deshalb als falsch bezeichnet und gesagt, es gäbe keine Langzeitstudien über die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Ich sage Ihnen sehr klar: Für gleiche Menschenrechte und für Gleichberechtigung braucht man keine Langzeitstudien, sondern man muss schlicht und einfach, wie es in unserem Grundgesetz steht, gleiche Menschenrechte für alle einführen.
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Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht eingeführt.
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Herr Kollege.
Ich möchte Sie hier fragen – um es einmal zu übertragen –: Hätten Sie beim Frauenwahlrecht auch erst einmal Langzeitstudien eingefordert, um die Auswirkungen auf die Gesellschaft einschätzen zu können?
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Es ist alles in Ordnung. Alles in Ruhe! Es waren zwei Minuten, keine Angst. Wir haben hier drei Leute, die auf die Uhr gucken. – Frau Ministerin, bitte.
Lieber Kai Gehring, ich bin in dem Interview nach einer Meinung gefragt worden, die Grundlage einer Entscheidung war, die wir im Juli 2017 getroffen haben. Meinungsvielfalt und Toleranz sind ja normalerweise immer Ihr Anliegen. Aber ich finde, jetzt gerade nicht, oder?
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Vielen Dank, Frau Karliczek. – So, jetzt einmal Ruhe! Frau Karliczek antwortet, wie sie will – Punkt.
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Der nächste Redner ist Dr. Marc Jongen für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Frau Ministerin Karliczek! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Wissenschaftsgemeinde, die vielleicht zu Hause an den Monitoren diese Debatte verfolgt! Mit einem Bundeshaushalt wird Politik gemacht, und zwar nicht nur durch die Höhe der Haushaltstitel, sondern ganz wesentlich auch dadurch, dass man die Zuwendungen an Bedingungen knüpft und damit dem Haushalt wie auch den betroffenen Institutionen eine politische Linie aufdrückt – im vorliegenden Fall eine fatale Linie, meine Damen und Herren.
Ich will wegen der Kürze der Zeit nur ein Beispiel aus dem Bildungshaushalt schlaglichtartig beleuchten. Die Zuwendungen an die Hochschulen werden an den Hochschulpakt 2020 gekoppelt, der eine Umstellung der Lehre auf die sogenannte Kompetenzorientierung zwingend vorsieht. Damit sei – ich zitiere aus einer Handreichung der wissenschaftlichen Begleitung des Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ – „eine so weitreichende Veränderung“ verbunden, „dass man von einem Kulturwandel sprechen kann“. Derselbe Text spricht dann noch davon, dass ein „gemeinsames Verständnis“ dieses Wandels an den Hochschulen „aktiv herzustellen“ sei.
Klar ist auch, dass keine Universität ihre Studiengänge noch akkreditiert bekommt, die es wagt, sich diesem politisch verordneten Wandel zu widersetzen. Wessen Verstand noch nicht durch Bologna, Modularisierung und ähnliche pädagogische Mühlen kleingemahlen wurde, der wird sofort erkennen, dass wir es hier nicht mit einem Kulturwandel, sondern mit einer planmäßigen Zerstörung von Lehr- und Lernkultur zu tun haben, meine Damen und Herren.
Zunächst klingt „Kompetenzorientierung“ ja ganz großartig – wer will sich denn schon für Inkompetenz einsetzen? Es ist auch völlig unstrittig, dass in einem Hochschulstudium nicht nur Wissen angeeignet wird, sondern auch unterschiedliche Kompetenzen erworben werden, wie die Fähigkeit zur wissenschaftlichen Artikulation, soziale Kompetenzen, kritisches Denken, Kompetenzen im Umgang mit Kommilitonen und Kommilitoninnen und vieles mehr. Es ist aber ein fataler Denkfehler, der nur am Schreibtisch völlig praxisferner Theoretiker und Bürokraten und vielleicht auch Geschäftemacher ausgebrütet werden konnte, zu glauben, man könne das Erlernen dieser Kompetenzen fördern, indem man sie explizit zum Prüfungsgegenstand macht, und zwar auch noch auf Kosten der Abfrage und Prüfung von erlernten Inhalten. Diese Inhalte, neudeutsch Content, spielen in der neuen Kompetenz-Unkultur nur noch eine marginale Rolle – übrigens ganz ähnlich der Entwicklung im Journalismus, wo die „Content-Produzenten“ mittlerweile auch am untersten Ende der Nahrungskette stehen, hinter Marketingleuten, Online-Tool-Entwicklern und Ähnlichen.
Professor Stefan Kühl, Soziologe an der Universität Bielefeld, spricht von einer „Trivialisierung der Studierenden“ durch Kompetenzorientierung. Die Studenten würden zu „Kompetenzaneignungsmaschinen“ herabgewürdigt, die sich – alle im Gleichschritt Marsch – durch ein enges, standardisiertes „Kompetenzraster“ quälen müssten. Für individuelle Bildungswege ist in diesem System kein Platz mehr; die akademische Freiheit wird dem Wahnbild einer totalen Vergleichbarkeit der Studiengänge geopfert.
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Was die Studenten in diesem völlig weltfremden System am gründlichsten lernen, um nämlich mit möglichst wenig Aufwand durch das gerasterte Studium zu kommen, ist Kompetenzvortäuschungskompetenz. Auch die Hochschulleitungen müssen, wenn sie nicht ganz von Sinnen sind, in ihren Rechenschaftsberichten lediglich vortäuschen, auf die Kompetenzorientierung umgestellt zu haben, um weiterhin akkreditiert zu werden und sich kleine Freiräume zu erhalten.
Diese Bildungspolitik, die ihren Namen nicht verdient, züchtet systematisch eine Kultur des Sekundären heran, in der die Erinnerung an das, was Bildung einmal war, bald gänzlich verloren sein wird.
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Wenn wir dann noch lesen, dass auch „emotional-motivationale Anteile sowie Haltungen“ zum Prüfungsgegenstand werden sollen, dann erkennen wir, worauf das Ganze hinausläuft. Bald bekommen die Studierenden ECTS-Punkte für ihr besonders „mutiges“ Eintreten im „Kampf gegen rechts“, für ihr Einstehen für eine „weltoffene Hochschule“ und ähnliche ideologische Initiativen.
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Neben dem Akademisierungswahn – ich komme zum Schluss –, der die Absenkung des Niveaus und die Verschulung des Studiums folgerichtig nach sich zieht, ist diese Möglichkeit des ideologischen Zugriffs auf die Hochschulen vielleicht die tiefste Motivation hinter der „Kompetenzorientierung“. Mit pädagogischen Einsichten hat sie nichts zu tun.
Kommen Sie wirklich zum Schluss, bitte?
Deshalb, neben vielen anderen Gründen, lehnt die AfD-Fraktion diesen Bildungshaushalt ab.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner: Oliver Kaczmarek für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir über den viertgrößten Einzelplan des Bundeshaushaltes und seine Zahlen reden, dann reden wir auch darüber, welche Bedeutung wir Bildung und Forschung in unserer Gesellschaft beimessen. Investitionen in Forschung und Bildung – da sind wir uns sicherlich alle einig – sichern die Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft und damit auch unseren Wohlstand. Aber Wissenschaft soll mehr leisten. Wissenschaft soll Anregung geben. Wissenschaft soll Impulse setzen für den Fortschritt, der bei den Menschen ankommt: ökonomischer und ökologischer Fortschritt – das gehört zusammen –, aber auch sozialer Fortschritt. Wissenschaft soll Impulse liefern für eine Gesellschaft, die optimistisch und tolerant in die Zukunft schaut.
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Bei fortschrittlicher Wissenschaftspolitik – die sich zumindest so versteht – darf nie ein rückwärtsgewandter Eindruck entstehen. Frau Ministerin, ich weiß nicht, ob Sie es so gemeint haben, ich habe Sie so eigentlich nicht kennengelernt, aber für die SPD-Fraktion sage ich ganz klar, dass es beschämend ist, dass wir überhaupt darüber reden müssen, ob es Studien gibt, die den positiven Effekt von gleichgeschlechtlichen Ehen belegen. Jeder soll das Leben leben können, das er leben will. Die gleichgeschlechtliche Ehe war richtig, und sie bleibt richtig. Wir brauchen keine wissenschaftlichen Studien darüber.
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Die Regierung ist ein Dreivierteljahr im Amt. Es ist Zeit, sich auf die Schlüsselentscheidungen zu konzentrieren, die uns im nächsten halben Jahr beschäftigen werden. Ich will drei Beispiele nennen.
Erstes Beispiel. Berufliche Bildung braucht mehr als warme Worte. Wir brauchen Fachkräfte. Wir müssen Ausbildungsstellen besetzen. Wir müssen etwas gegen unausgeglichene Ausbildungsmärkte tun. Deswegen sage ich bewusst: Die Novelle des Berufsbildungsgesetzes besteht nicht nur aus der Mindestausbildungsvergütung. Aber ich sage für meine Fraktion: Wir wollen eine ausreichende Mindestausbildungsvergütung, und zwar eine, die sich an Tarifverträgen orientiert; denn alles andere wäre systemfremd. Über das Ergebnis müssen wir noch verhandeln.
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Zweites Beispiel. Ja, die Investitionen in die digitale Ausstattung unserer Schulen dürfen nicht länger aufgeschoben werden. Nach den tatenlosen Ankündigungen, die wir in der vergangenen Wahlperiode in diesem Themenbereich erlebt haben, müssen wir bis zum Jahresende Klarheit über den DigitalPakt Schule schaffen. Das Gute ist: Das Geld steht bereit. Die Koalition hat die Steuerüberschüsse für Zukunftsinvestitionen bereitgestellt. Der Finanzminister hat das organisiert.
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– Danke schön, Ernst Dieter.
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Es ist eine gute Nachricht, dass wir kurz vor der Unterzeichnung der Bund-Länder-Vereinbarung stehen. Aber es ist wichtig, dass wir über die Grundgesetzänderung sprechen, weil sie eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung ist. Ich muss sagen: Ich verstehe, dass man verhandeln muss. Meine Fraktionsvorsitzende, Andrea Nahles, hat sich gestern schon dafür bedankt, dass es Gespräche mit FDP und Grünen gibt, um die Mehrheit, die wir für die Grundgesetzänderung brauchen, zu organisieren. Da wir in diesen Tagen konkret darüber verhandeln müssen, richte ich diesen Appell an alle: Alle Seiten müssen sich bewegen, sonst kann man nicht verhandeln. Alle müssen sich auf das Ziel zubewegen. – Für die SPD ist klar: Die bestehende Verfassungslage reicht für den DigitalPakt nicht aus. Das haben uns auch die Sachverständigen bestätigt. Deswegen ist unsere Bitte, jetzt den Durchbruch zu ermöglichen. Wir brauchen die Grundgesetzänderung. Die Schulen und die Schulträger warten auf das Geld. Wir sind jetzt am Zug und müssen handeln.
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Drittes Beispiel. Beim BAföG – Frau Ministerin, Sie haben es angesprochen – müssen wir die Trendwende schaffen. Das BAföG ist tatsächlich unter Druck geraten. Mit sinkenden Gefördertenzahlen dürfen wir uns nicht abfinden. Wir wollen, dass mit dem BAföG wieder mehr Menschen erreicht werden. Dafür brauchen wir das, was Sie angesprochen haben: eine kräftige Steigerung der Freibeträge und Bedarfssätze sowie eine deutliche Stärkung beim Thema Wohnen, im Übrigen nicht nur bei der Wohnpauschale, sondern auch im Zuständigkeitsbereich des Bauministers, was den Bau von Studentenwohnheimen angeht, wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Es wäre gut, wenn der Bauminister sich auf diese Aufgabe konzentrieren würde, statt ständig Nebenschauplätze zu eröffnen.
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Die Vorlage für das BAföG ist gut, die Gespräche, die wir darüber geführt haben, waren auch gut. Wir werden sehen, was sich im Gesetzgebungsverfahren jetzt noch entwickelt.
Ich will noch Folgendes sagen: Ich hätte von der AfD erwartet, dass sie heute ihre Vorstellungen etwas klarer zum Ausdruck bringt. Sie sind der Auffassung, wir haben zu viele Studierende. Sie haben uns ja auch im Ausschuss wissen lassen, wen Sie eigentlich nicht so gerne an den Hochschulen haben wollen. Sie haben vorgeschlagen, 450 Millionen Euro weniger beim BAföG zu veranschlagen. Das heißt, Sie wollen, dass die Unis wieder ein exklusiver Klub werden. Sie wollen den Arbeiterkindern den Stuhl vor die Tür stellen; das ist nicht in Ordnung. Das zeigt, dass Sie für Ihre Wählerinnen und Wähler nicht viel tun wollen.
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Deshalb: Wir setzen die Investitionen auf hohem Niveau fort. Wir setzen neue Akzente. Jetzt müssen wir die passenden Gesetze dazu machen.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Oliver Kaczmarek. – Nächste Rednerin für die FDP-Fraktion: Nicola Beer.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wir stärken in der EU die strategische Forschungspolitik, die Innovationsfähigkeit und vollenden den digitalen Binnenmarkt.
Das, meine Damen und Herren, steht im Koalitionsvertrag vom März. Ja, man staunt nicht schlecht, wenn man sich das heute noch einmal anschaut. Wir haben bereits November, sind zwei Haushaltsberatungen weiter, die Zeit rennt, aber Sie haben keinen Meter auf dem Weg der Stärkung der Forschungspolitik und Innovationsfähigkeit gemacht, gerade mit Blick auf den europäischen Forschungsraum.
Gut, unsere Vorschläge haben Sie zumindest dazu geführt, eine deutsche Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen mit 116 Millionen Euro bis 2022 zu dotieren. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist zweimal zu kurz gesprungen, nämlich beim Betrag und beim Konzept.
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Die DARPA in den USA verfügt über 3 Milliarden jährlich. In Frankreich werden gerade 1,5 Milliarden Euro für Innovationen eingesammelt. Vor allem sollten wir gleich in der europäischen Dimension denken, Strukturen schaffen, die es ermöglichen, Kräfte zu bündeln, zum Beispiel unter Einbeziehung Frankreichs oder der skandinavischen Länder, um dann sukzessive europäisch zu werden. Eine solche europäische Agentur könnte später auch innovativen Nicht-EU-Ländern, Israel, Schweiz, Norwegen oder auch später Großbritannien, offenstehen. Ein solch großer Wurf, meine Damen und Herren, würde das Gewicht dieser Agentur erhöhen, auch im internationalen Wettbewerb, würde Kosten für doppelte Strukturen vermeiden und vor allem die Unabhängigkeit – Frau Ministerin hat ja angesprochen, dass ihr das wichtig ist – von zu engen nationalen Einflüssen stärken.
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Ähnlich konzeptlos ist die Lage bei der künstlichen Intelligenz, auch wenn Sie – lieber Herr Kollege Schulz, da haben Sie ja recht – endlich den Etatansatz nachgebessert haben. Aber da zeigen Krimis im deutschen Fernsehen – wenn Sie nur einmal den Münchener „Tatort“ von vor ein paar Wochen zur künstlichen Intelligenz nehmen – mehr technologisches Vorstellungsvermögen und Visionskraft als die Pläne der Bundesregierung. Sorry!
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Ich finde es bitter, wenn die Ambitionen des Bundesforschungsministeriums selbst hinter der Fernsehwirklichkeit zurückbleiben.
Digitaler Binnenmarkt: Sie reden völlig zu Recht von der Vollendung des digitalen Binnenmarktes in Europa, agieren aber nur im nationalen Karo. Während wir an ganz dringend benötigen transnationalen Netzen mitarbeiten müssten, sieht die Realität in Deutschland trübe aus. Im ländlichen Bereich fahren Unternehmer mit USB-Sticks ihre Daten von Niederlassung zu Niederlassung, weil Download- und Uploadgeschwindigkeit zum Heulen sind, die Datenautobahn eher eine Schotterpiste ist. Wir brauchen jetzt Gigabit und 5G in der Fläche, Frau Ministerin, und zwar bis zu jeder Milchkanne.
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Das nennt man „Internet of Things“.
Selbst unsere Schulen sind so gut wie nicht an schnelle Netze angeschlossen. Moderne Ausstattung, aber vor allem digitale Lern- und Lehrmethoden: fast überall Fehlanzeige! Mal unabhängig davon, dass die bislang vorgesehenen 2,4 Milliarden Euro nicht ausreichen werden: Wir müssen jetzt endlich den DigitalPakt Schule voranbringen. Seit der ersten Lesung des Haushalts ist zwar endlich Bewegung in die Debatte gekommen. Wenn hier eben oft von Tempo die Rede war: Die Vorschläge von FDP und Grünen liegen ja lange genug vor. Es ist wenigstens Bewegung in die Debatte gekommen, auch wenn man sich wundert, dass die Bundesbildungsministerin gar nicht mit am Verhandlungstisch sitzt.
Was für uns zählt – das möchte ich hier noch mal betonen –, das ist das Ergebnis. Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir müssen jetzt an dieser entscheidenden Stelle sicherstellen, dass nicht nur in Kabel und Beton, sondern vor allem in Qualität und in bundesweit durchgesetzte einheitliche Standards investiert wird.
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Denn, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das schafft Bildungschancen überall, völlig egal in welchem Bundesland und völlig unabhängig davon, aus welchem Elternhaus jemand kommt. Hier, Herr Kollege Schulz, könnten Sie sich in der Koalition insgesamt schneller bewegen. Frau Karliczek, Sie haben die Möglichkeit, aufs Tempo zu drücken; dann legen Sie an dieser Stelle eben auch einen Gang zu!
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Exzellenz und Internationalität, das sollten die Benchmarks auch für die berufliche Bildung sein. „Exzellenzinitiative Berufliche Bildung“ im Haushalt? Fehlanzeige! Internationalisierung in der beruflichen Bildung, zum Beispiel durch einen Austauschdienst auch für Auszubildende und Berufstätige, so wie wir das mit dem DAAD für die Studierenden kennen? Fehlanzeige! Hier könnten Sie agieren, meine Damen und Herren. Denn wir wissen doch, dass wir einen Fachkräftemangel haben, er ist schon spürbar im realen Leben, jedenfalls wenn man nicht nur in der Berliner Blase unterwegs ist.
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Deswegen: Wenn wir den Wohlstand erhalten wollen, wenn wir auch künftig wettbewerbsfähig sein wollen im internationalen Wettbewerb, dann müssen wir uns bei Bildung, Forschung und Innovation ambitioniert und vor allem auch europäisch gemeinsam strategisch aufstellen. Da ist aber bei Ihnen leider Fehlanzeige, „Wieder ein verlorenes Jahr“– bitterschade.
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Vielen Dank, Nicola Beer.
Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich ganz herzlich auf der Tribüne eine Delegation der California State University begrüßen: Warm welcome here in our parliament!
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Nächste Rednerin: Birke Bull-Bischoff für die Fraktion Die Linke.
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Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Es ist selten, zugegebenermaßen, aber manche Vorhaben der Koalition nötigen uns als Opposition – als demokratische Opposition im Übrigen – durchaus auch heimlich Respekt ab.
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Dazu gehört zum einen die Absicht, das Kooperationsverbot im Bereich der Bildung mindestens zu lockern. Besser wäre natürlich gewesen, eine Gemeinschaftsaufgabe Bildung zu installieren, eben kein Kann, sondern ein Muss zu ermöglichen. Der Bund könnte sich auf diese Art und Weise endlich in ernstzunehmender Weise an der Finanzierung von guter Bildung beteiligen, beispielsweise Rahmenbedingungen schaffen für inklusive Bildung; denn das ist eben nicht für kleines Geld zu haben, sondern nur zu ruinieren.
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Zum Zweiten gehört dazu die Ankündigung, 2 Milliarden Euro in die Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern zu stecken. Eigentlich ist auch das ein Tropfen auf den heißen Stein; denn wenn man die Ganztagsangebote in allen Schulformen auf 60 Prozent anheben würde, bräuchte man 4,7 Milliarden Euro, also mehr als das Doppelte. Aber trotzdem: Es wäre durchaus ein Schritt in die richtige Richtung,
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statt Ankündigung und Symbolik nun endlich Politik zu machen – da kam Freude auf, ich betone: kam.
Meine Damen und Herren, von einem Bildungsland Deutschland kann selbstverständlich nicht die Rede sein; denn im August 2018 teilte uns die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit, allein der Investitionsstau im Bereich Schulen betrage mittlerweile 47,7 Milliarden Euro.
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Vor einem Jahr lag er noch bei 34 Milliarden Euro.
Die Bertelsmann-Stiftung spricht von 2,4 Milliarden Euro pro Jahr, die notwendig wären, um angemessen digitale Lernumgebungen in den Schulen zu ermöglichen.
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Die 720 Millionen Euro im Sondervermögen sind auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist eben nicht so, dass es eine einmalige Ausgabe wäre, so nach dem Motto: Mit dem Internet hört das schon irgendwann wieder auf. – Nein, es ist eine Daueraufgabe, die gemeinsam bewältigt werden muss;
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Die Leute sind empört, dass wir als reichstes Land in Europa es nicht schaffen, den extremen Lehrermangel zu beseitigen, genügend Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter zu beschäftigen. Wir haben an vielen, vielen Schulen immer noch kein leistungsfähiges Breitband. Es fehlen Ganztagsgrundschulen. Vor allem sind viele darüber empört, dass es sich immer nur um Tröpfchen auf heiße Steine handelt. 2 Milliarden Euro waren für die Ganztagsschulbetreuung eingestellt, und sie wurden klammheimlich wieder herausgenommen. Da nützt es auch nichts, dauernd zu sagen, dass dieses Geld natürlich 2020 den Schulen und all denjenigen, die es brauchen, zur Verfügung steht. Man kann es glauben; man kann es aber auch lassen.
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2019 passiert nichts. Es ist ein verlorenes Jahr.
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Sehr geehrte Damen und Herren, Bildung ist ein Schlüssel für gutes Leben. Es sind nicht wirklich die Militärausgaben, die ein Land stark und einflussreich machen, sondern es sind kluge, innovative und auch kritische Köpfe.
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Bildung ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben. Das ist der Kernpunkt. Genau dieser Kernpunkt fehlt dem Haushalt, und deswegen werden wir ihm leider nicht zustimmen.
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Vielen Dank, Birke Bull-Bischoff. – Nächste Rednerin: für Bündnis 90/Die Grünen Margit Stumpp.
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Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! „Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“ Dieses Zitat von John F. Kennedy drängt sich geradezu auf, wenn man sich den vorliegenden Bildungshaushalt ansieht. Versteht man den Nationalen Bildungsbericht als Pflichtenheft für Bildungspolitik, sieht man: Es wird nicht eine Aufgabe strukturiert angegangen. Das wird in Zukunft richtig teuer.
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Der Bildungsbericht formuliert als größte Herausforderung Bildungsgerechtigkeit – immer noch, seit Jahren. Immer noch ist in kaum einem industrialisierten Land Bildungserfolg so stark an die soziale Herkunft gebunden wie in Deutschland. Das ist ein Armutszeugnis für eine Bildungsnation.
Welche Konsequenz zieht diese Regierung daraus? Keine. Im Gegenteil: 2 Milliarden Euro für den Ganztagsbereich wurden in der Bereinigungssitzung aus dem Haushalt gekippt. Warum? Das Bildungsministerium hat für den Ganztag kein schlüssiges Konzept. Wie peinlich ist das denn!
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Frau Minister Karliczek, das ist ein Offenbarungseid Ihres Ministeriums. Ein guter, strukturierter und rhythmisierter Ganztag verbessert die Bedingungen für Inklusion, Integration und Bildungsgerechtigkeit.
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Dazu gibt es genügend valide Untersuchungen. Aber aus Ihrem Haus: keine Lösungen, kein Konzept.
Schulen in benachteiligten Quartieren kommen in diesem Haushalt nur am Rande vor. Gerade da, wo die Not am größten ist, bleibt diese Regierung jede konkrete Unterstützung schuldig.
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Vom alleinigen Betrachten wird die Situation nicht besser. Werden Sie hier endlich aktiv! Nicht zugucken, machen!
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Nächste Herausforderung: Qualität in der Bildung, auch in der beruflichen Bildung, einhergehend mit Digitalisierung. Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft und muss von den Schulen gestemmt werden – neben individueller Förderung, neben Integration und neben Inklusion, und das von viel zu wenig Lehrkräften.
Wie schlägt sich dies im Bundeshaushalt nieder? Zusätzliche Qualifizierung – gar nicht. Digitalisierung – zögerlich. Der Digitalpakt hat inzwischen den Status des Berliner Flughafens: Irgendwann wird er schon kommen.
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Eine Ministerin, die den Besuch einer Schule in Richtung eines Verfassungsbruchs hochstilisiert, hat eine schräge Haltung zum Bildungsföderalismus und sollte erst gar nicht versuchen, das eigene Unvermögen der Opposition in die Schuhe zu schieben.
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Digitalisierung und Schule: Das ist eine gefundene Lücke für die forsche Staatsministerin Bär, die sich quasi per Flugtaxi auf das Thema stürzt. Sie fordert einheitliche Leitlinien von der Grundschule bis hin zum Abitur. Schön, dass sich Frau Bär unsere Forderung zu eigen macht.
Zudem stellt sie per Interview – Interviews haben es derzeit gerade in sich – das Kooperationsverbot infrage. Glückwunsch! Spät kommt die Erkenntnis, doch sie kommt. Nur: Wer hat in Sachen Bildung eigentlich das Sagen? Frau Karliczek, nutzen Sie Staatsministerin Bär als verkapptes Sprachrohr, oder ziehen Sie einfach nur langsamer als Ihr Schatten?
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Bitter ist: Trotz üppiger Steuereinnahmen bleibt Deutschland bei der eigenen Zielvorgabe, mindestens 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung auszugeben, weit hinter den selbstgesteckten Zielen zurück. Schlimmer noch: Mit 4,3 Prozent liegen wir als Bildungsnation sogar noch weit unter dem Durchschnitt der OECD von 5,1 Prozent.
Auch an den Hochschulen zeigt sich die Unterfinanzierung. Die BAföG-Novelle ist nicht ausreichend. Die Fördersätze und Freibeträge müssen sofort – und nicht erst zum Wintersemester im nächsten Jahr – um 10 Prozent steigen und zudem automatisch erhöht werden. Studieren darf keine Armutsfalle bleiben.
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Zum Schluss: Die Probleme im Bereich Bildung sind groß. Große Probleme brauchen mindestens ebenso große Lösungen. Angesicht des Klein-Kleins in diesem Haushalt fällt mir allerdings nur Westernhagen ein: „Keine Ahnung, keine Meinung, kein Konzept ...“
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Vielen Dank, Margit Stumpp. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion: Albert Rupprecht.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Haushalt 2019 setzt die richtigen Schwerpunkte. Für die berufliche Bildung stellen wir 55 Millionen Euro, für den Digitalpakt 720 Millionen Euro und für das BAföG 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung – um nur einige wenige Positionen zu nennen. Dieser Etat hat einen Rekordwert von 18,3 Milliarden Euro das heißt eine Steigerung um 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wir setzten mit diesem Haushalt die Linie seit 2005 fort.
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Dieser Haushalt ist geprägt durch zwei wesentliche Elemente, nämlich durch mehr Geld – Priorität für Forschung und Bildung; der Haushalt wächst und wächst und wächst – und – ein Pendant ist notwendig – durch Strukturreformen. Nur dann, wenn die Strukturen und die Architektur stehen, wird das Geld auch gut wirken.
2005 waren wir noch bei 7,6 Milliarden Euro, und 2019 sind wir bei 18,3 Milliarden Euro.
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Das ist eine Steigerung um 141 Prozent. Diese 141 Prozent sind eine spannende Zahl. – Ich begrüße ganz besonders die Vertreter auf der Bundesratsbank. Auch die bayerische Vertreterin ist hier; ich freue mich.
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Nur für den Bereich Bildung, Frau Suding, haben wir vonseiten des Bundes die Ausgaben seit 2005 um 160 Prozent gesteigert. Was glauben Sie, was zur selbigen Zeit die Länder gemacht haben? Der Bund hat seine Ausgaben nur für Bildung um 160 Prozent gesteigert. Die Länder, die nach der Verfassung hauptverantwortlich für die Schulpolitik zuständig sind, haben zur selbigen Zeit ihre Ausgaben um 47 Prozent gesteigert.
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Das ist ein dramatischer Unterschied.
Liebe Frau Dörner von den Grünen, liebe Frau Suding von der FDP, Sie haben ja einen gemeinsamen Artikel geschrieben. Ich habe ihn extra farbig ausgedruckt, damit es sympathisch wirkt
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und die Diskrepanz zum Unsinn im Text noch größer wird.
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Sie suggerieren in diesem Text, der Bund würde seine Verantwortung für Bildung nicht leben.
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Wenn Sie sich diese Zahlen anschauen, dann sehen Sie: Das ist schlichtweg grotesk.
Die Länder haben Milliarden Steuermehreinnahmen.
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Wir entlasten die Länder vonseiten des Bundes um einen zweistelligen Milliardenbetrag.
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Darüber hinaus sind wir bereit, mit Milliarden für das BAföG und anderem noch mehr zu entlasten, und wir übernehmen weitere Aufgaben der Länder, indem wir beispielsweise 5 Milliarden Euro für den Digitalpakt und andere Sachen übernehmen,
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und das in einer Situation, in der wir die Mittel für den Bereich Bildung um 160 Prozent gesteigert haben, seit wir an der Regierung sind.
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Wissen Sie, was passieren würde, wenn alle Länder, so wie zum Glück meine Bayerische Staatsregierung, sich so anstrengen würden, wie wir es im Bund machen? Dann hätten wir all diese Probleme, die Sie hier formulieren, überhaupt nicht.
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Liebe Frau Suding, Sie sollten mit den Ländern Tacheles reden. Es geht einfach nicht, dass man, wenn die Verfassung die Zuständigkeiten festlegt, sagt: Das steht zwar in der Verfassung, aber das stört uns überhaupt nicht. – Weil die Länder das nicht machen wollen, ist das unsere Aufgabe und müssen wir das Problem lösen. Es gibt Verantwortlichkeiten. Eine Verfassung ist ernst zu nehmen, sehr geehrte Damen und Herren.
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– Was will ich? – Ich habe gesagt: Wir finanzieren wesentlich mehr, wir strecken uns weiterhin; das machen wir. Wir wollen die Verfassungsänderung. Nur, was Sie an Listen in dem Artikel aufgeschrieben haben, laut dem wir letztendlich bis hin zur Schultoilette alles an Kosten übernehmen sollen und für alles Verantwortung tragen, ist doch absurd. Sie müssen im kooperativen Föderalismus ein Stück weit auch sagen, was die Länder für Aufgaben haben.
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Herr Rupprecht, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Kai Gehring?
Ja, natürlich, gerne. Wer will fragen?
Eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Kai Gehring – aber kurz bitte.
Vielen Dank. – Ich verstehe jetzt Ihre Aufregung gerade nicht: Endlich hat die Bundesregierung das grün-gelbe Angebot für Verhandlungen angenommen, und deshalb wird gerade darüber verhandelt, wie eine Ermöglichungsverfassung für bessere Bildung aussehen kann.
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Ich hoffe sehr, dass wir da zu einem vernünftigen Ergebnis kommen.
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Dieser Gastbeitrag ist ein Diskussionsbeitrag, der sehr deutlich macht, worum es geht. Es geht eben um eine Ermöglichungsverfassung für bessere Bildung, damit der Bund auch in Schulen investieren kann, aber nicht nur in Beton, sondern auch in Köpfe, unter Wahrung der Kulturhoheit der Länder.
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Genauso machen wir es im Wissenschaftsbereich. Sie haben die Verfassung bereits schon einmal geändert, damit es eben eine gemeinsame Wissenschaftsfinanzierung geben kann. Das machen wir beim Hochschulpakt, das machen wir bei vielen anderen Pakten. Das ist vernünftig. Und das braucht es für den Schulbereich gleichermaßen.
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Ich hätte deshalb an Sie eine Frage.
Schön, dass Sie zur Frage kommen.
Ich kann eine Bemerkung machen, ich kann eine Frage stellen. Ich wollte von Ihnen wissen: Die CSU redet ja immer viel von der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Dazu soll es jetzt eine Kommission geben.
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Ist es aus Ihrer Sicht auch Gegenstand der Kommission „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“, dass die Bildungschancen in diesem Land nicht von der Postleitzahl abhängen, sondern tatsächlich vom Talent?
Jetzt kommen wir endlich zur Frage. – Also, lieber Kai Gehring, ich lade dich herzlich in meinen Wahlkreis ein, der äußerst ländlich strukturiert ist.
Das ist ein schöner Wahlkreis, das stimmt.
Du erlebst dort ein genauso hohes Schulniveau und genauso tolle Schulen, wie du sie in München und in Regensburg erlebst. Überhaupt kein Thema! Deshalb: Bayern löst das erstklassig.
Um das noch mal klarzustellen: Wir strecken uns, wir wollen das tun, wir beschließen diesen Haushalt. Aber es muss doch endlich einmal gesagt werden, dass es nicht so ist: Der Bund macht nichts, und die Länder strecken sich und können nichts tun. – Die Länder könnten, sie haben das Geld, und der Bund unterstützt. Wir müssen das gemeinsam machen.
({0})
Nächstes Thema. Es wird in vielen dieser Debatten heute der Eindruck erweckt, als würden wir vonseiten des Bundes zu wenig machen. – Das stimmt schlichtweg nicht. Schauen Sie sich einmal die internationale Wertschätzung an, die Deutschland genießt. Ob Sie in den USA sind, ob Sie in Japan sind, ob Sie in Europa unterwegs sind oder wo auch immer: Die Wertschätzung für das, was wir in den letzten Jahren auf Bundesebene in Forschung und Bildung erreicht haben, ist außerordentlich hoch.
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Wenn das Weltwirtschaftsforum bei seinen Untersuchungen feststellt, dass kein Land so innovativ ist wie Deutschland, dass Deutschland im Jahr 2018 Innovationsmeister ist, dann kann uns das doch ein ganzes Stück stolz machen. Dann hängt das auch damit zusammen, dass wir eben etwas machen und anschippern und kärrnern.
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Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, Strukturreformen sind notwendig. Geld ist notwendig. Aber das wird in Zukunft nicht reichen, weil der Schlüsselbegriff in den nächsten Jahren nach meiner festen Überzeugung – wir reden da in unserer Arbeitsgruppe sehr intensiv über einzelne Projekte – das Thema Qualität sein wird. Ich sage ein Beispiel: lebenslanges Lernen.
Früher hätte man gesagt: Programm auflegen, mehr Geld zur Verfügung stellen. Dann gibt es die allgemeinen, traditionellen, konventionellen Bildungsträger, und die werden das unter die Leute bringen. – Wenn wir aber die Situation haben, dass sich die Gesellschaft verändert hat, dass die Gesellschaft ausdifferenziert ist, dass sie hochspezialisiert ist und die Digitalisierung voranschreitet, dann stellen wir letztendlich fest, dass sowohl bei den Arbeitnehmern als auch bei den Unternehmen der Schulungsbedarf immer individualisierter wird und diese Standardpakete diese Probleme einfach nicht lösen werden. Standardpakete zu formulieren, wird teilweise schlichtweg ins Leere gehen. Deswegen ist es notwendig, diese individuellen Bedürfnisse zusammenzuführen.
Wenn wir lebenslanges Lernen und Weiterbildung auf ein neues Niveau bringen wollen, dann müssen wir technologische Möglichkeiten wie eine Plattform generieren und sie weiter nutzen. Genau darum geht es: Statt die bestehenden Strukturen einfach mit mehr Geld auszustatten, müssen wir im Jahr 2018 die Themen durchdenken und fragen: Wo braucht es eine neue Qualität? Wo ist es möglich, durch Technologie zu unterstützen? Beispielsweise beim Thema „lebenslanges Lernen“ ist das zwingend notwendig.
Deswegen bin ich zum Beispiel froh, dass der Kollege Heilmann mit seinem Vorschlag zur Plattform Milla erste Gedankenimpulse gegeben hat. Auch im Ministerium wird darüber nachgedacht. Genau in diese Richtung müssen wir denken, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Qualität ist ein Schlüsselbegriff. Ich nenne noch andere Themen.
Die Verlängerung des Hochschulpakts: In der Vergangenheit ging es primär um die quantitative Erweiterung und darum, neue Studienplätze zu schaffen. Wir haben uns im Koalitionsvertrag ganz klar committet: In dieser Legislatur geht es nicht um Expansion, sondern um Qualitätssteigerung in der Lehre und an den Universitäten und Fachhochschulen allgemein.
Thema „künstliche Intelligenz“ – die Ministerin hat es angesprochen –: Wenn wir 100 neue Professuren schaffen und wenn wir nicht nur Geld ausgeben wollen, dann ist es zwingend notwendig, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, dass auch die Besten der Besten bereit sind, nach Deutschland zu gehen oder in Deutschland zu bleiben. Da reicht es nicht, zu sagen: Wir geben ein bisschen Geld und schreiben eine neue Professur aus; dann wird sich schon alles finden.
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Wir müssen auch für das Klima drumherum sorgen. Die Hochschulen müssen mit der Industrie zusammenarbeiten können, und sie brauchen ein entsprechendes Klima, das wir konzipieren müssen. Das ist ein qualitativ hochanspruchsvoller Prozess, damit das auch gelingt.
Ein weiteres Thema ist die Agentur für Sprunginnovationen, ein zentraler Baustein, um die Ideen insbesondere aus der Grundlagenforschung in die Anwendung zu bekommen. Da gibt es keine Blaupause. Jeder, der sich mit diesem Thema beschäftigt, weiß: Es ist hochanspruchsvoll, es ist risikoreich, und es erfordert vom Parlament bzw. vom Haushaltsausschuss, dass wir im Zweifelsfall akzeptieren, dass es auch mal zwei, drei, vier oder auch fünf Jahre eine Durststrecke gibt. Denn man kann den Erfolg nicht erzwingen; das dauert seine Zeit. Aber dieser Schritt ist notwendig. Das heißt für uns im Parlament, die Art und Weise, wie wir unsere Regierung kontrollieren, ein Stück weit zu ändern.
Es gibt mehrere weitere Themen, die ich aber überspringen will, weil meine Redezeit schon weit vorangeschritten ist. Ich möchte nur noch ein Thema ansprechen, und zwar die Qualität.
Wir diskutieren meistens in Richtung „mehr Geld und schneller“. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir uns wirklich die Mühe machen, in diese Themen einzusteigen, dann brauchen wir bei einigen Themen auch Zeit; dann ist das notwendig.
Frau Ministerin, dass Sie ins Ministerium gekommen sind und gesagt haben: „Ich nehme mir die Zeit, um die Themen zu verstehen“, finde ich absolut richtig. Sie haben unseren Respekt und unsere Rückendeckung.
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Herr Kollege, eigentlich ist es schon über die Zeit, aber erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung – das geht nämlich auch, Herr Hilse – von Frau Beer?
Gerne, wenn ich meine Rede nachher noch beenden darf.
Nein, Sie sind schon 20 Sekunden über die Zeit.
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Dann machen wir es danach.
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Sie wollen es bilateral machen. Dann kommen Sie bitte zum Schluss. Sonst muss ich Ihrem Kollegen eine Minute abziehen.
Sie macht es nachher, okay. – Das war noch mein Anliegen. Wenn es um Qualität geht, ist es nicht kriegsentscheidend, ob es einen oder zwei Monate länger dauert. Entscheidend ist, dass das am Schluss steht.
Und wenn es bei einem Thema noch Diskussionsbedarf gibt, ob mit den Ländern oder den Kommunen – wir haben zurzeit zwei Projekte, wo wir jetzt feststellen, dass wir noch einmal feinsteuern müssen –, dann bitte ich um Verständnis. Ich glaube, es gehört auch zur Qualität der Arbeit des Parlaments, dass man einem Ministerium diese Zeit lässt. Entscheidend ist am Schluss, dass Qualität herauskommt.
Danke schön.
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Vielen Dank, Herr Kollege. Ich bin jetzt mal großzügig und belasse es dabei. Eigentlich müsste ich Ihnen jetzt die Zeit abziehen, aber ich lasse es jetzt, weil Sie der vorletzte Redner sind.
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– Ich dachte, Sie machen das bilateral. – Dann hat Frau Beer das Wort zu einer Kurzintervention.
Ganz herzlichen Dank. – Lieber Herr Kollege Rupprecht, ich bin jetzt leicht verwirrt. Sie haben über die Agentur für Sprunginnovationen geredet, als würden Sie sie für eine Transfergesellschaft halten, weil Sie davon gesprochen haben, dass die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in die Praxis kommen sollten. Das könnte mit ein Grund dafür sein, warum das Konzept, das Sie vorgelegt haben, so flau ist.
Aber die Agentur für Sprunginnovationen steht vorne in der Entwicklungskette. Sie ist der Ort, an dem wir auf die Suche nach Ideen gehen, die so spleenig sind, dass sie sich kaum einer vorstellen kann, und die so risikobehaftet sind, dass weder die private Wirtschaft noch Forschungseinrichtungen sich da herantrauen. Vielleicht können Sie noch einmal klarstellen, ob Sie das quasi für ein Äquivalent der neuen Deutschen Transfergemeinschaft halten oder ob Sie genauso wie wir davon ausgehen, dass es sich hier um Innovationsscouts der ersten Sekunde handelt und dass die Lücke vor der Grundlagenforschung geschlossen gehört.
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Herr Rupprecht, Sie haben das Wort, wenn Sie mögen.
Eine spannende Frage. Die Lücke vor der Grundlagenforschung, was ist das bei Ihnen? – Noch einmal: Es geht um die Themen, die Sprunginnovationen darstellen und von denen man sich etwas in der Anwendung erwartet. In welcher Phase sich diese jeweils befinden, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass eine Idee Potenzial bietet, letztendlich eine Innovation darzustellen. Deswegen geht es auch um Freiräume und Spielräume. Die Agentur wird letztendlich bewerten müssen, was man aus den jeweiligen Ideen machen kann. Verstanden?
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– Nicht verstanden? Wir machen es bilateral.
Ich glaube, es kommt doch noch zu einem gemeinsamen Bier.
Nächste Rednerin: Yasmin Fahimi für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrtes Haus! Liebe Gäste auf den Tribünen! Es ist schon fast ein wenig irritierend, wenn man sieht, welche Einmütigkeit es in diesem Haus zu geben scheint, was den Stellenwert von Bildung, beruflicher Bildung und Weiterbildung angeht, jedenfalls wenn man den Lippenbekenntnissen glauben mag. Ich empfehle dem interessierten Beobachter, etwas genauer hinzusehen, insbesondere sich einmal anzuschauen, welche Haushaltsanträge die AfD im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung gestellt hat. Wenn man diese Anträge zusammenfasst, stellt man fest, dass es eine faktische Abschaffung des BAföG geben soll und dass Sie, meine Damen und Herren von der AfD, für die berufliche Bildung gerade einmal eine Imagekampagne vorsehen. Dann wird das Hohelied der Eliten gesungen. Das haben Sie übrigens gemeinsam mit der FDP. Das heißt, Ihre Botschaft an die Kinder der Arbeiterfamilien lautet in Wahrheit: Schuster bleib bei deinen Leisten. – Sie wollen doch überhaupt keinen Aufstieg ermöglichen.
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An Qualitätsstandards, der Durchlässigkeit und der Stärkung der beruflichen Bildung wollen Sie gar nichts ändern.
Nun kommen Sie mit einem Entschließungsantrag um die Ecke, um in der Öffentlichkeit zu inszenieren, dass Ihnen das Thema berufliche Bildung besonders am Herzen liegt.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung von Dr. Frömming?
Nein, ich werde der AfD mit Sicherheit nicht zusätzliche Redezeit für Ihre Propaganda hier verschaffen.
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– Demokratie ist, dass ich darüber entscheiden darf, welche Zwischenfragen ich zulasse oder nicht. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!
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Wen wollen Sie eigentlich mit diesem Entschließungsantrag hinter das Licht führen: uns oder die kleinen Leute, denen Sie weismachen wollen, dass Sie deren Interessen vertreten?
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Hören Sie auf mit dieser Scheinheiligkeit! Ihr Ziel bleiben die Spaltung der Gesellschaft in jeder Hinsicht, die Verfestigung sozialer Milieus. Aber das werden wir nicht zulassen.
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Um uns noch etwas aus der gestrigen Debatte vor Augen zu führen: In der gestrigen Debatte hat auch die FDP darauf hingewiesen, dass es nicht genügend Investitionen im Haushalt für die Bildung gebe,
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und insbesondere als Beweis die hohen Sozialausgaben angeführt, die sie natürlich gegen ihre profanen Eliteförderwünsche stellt. Ich will Ihnen an einem Beispiel deutlich machen, was das genau bedeutet. Auch das Qualifizierungschancengesetz beinhaltet letztendlich eine Investition, eine Investition in Menschen, eine Investition in deren Zukunft, die schon viel zu lange nur alimentiert – anstatt stärker aktiv unterstützt – wurde. Die Sozialausgaben, wie Sie sie nennen, sind gegebenenfalls erst die Voraussetzung dafür, dass Bildung überhaupt ankommt bzw. angenommen werden kann. Solange Sie nicht verstanden haben, worum es bei Sozialausgaben wirklich geht: Hören Sie auf mit Ihren Eliteförderanträgen, über die Sie hier fabulieren! Ihre Vorstellung von Bildung als rein elitäres Projekt sabotiert den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
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Wenn man sich den Haushalt anschaut, dann stellt man fest, dass es in Wahrheit noch nie so viele Investitionen in Bildung gab wie in diesem Bundeshaushalt. Wir, die SPD, haben durchgesetzt – und zwar mit der Überzeugung, dass jeder und jedem das Recht auf die Entwicklung ihrer und seiner Talente zusteht –, dass es über die Bildungskette hinweg tatsächlich Investitionen gibt.
Ich will das am Beispiel des Wettbewerbs für exzellente berufliche Bildung deutlich machen. Wir meinen nämlich mit „exzellenter Förderung“ tatsächlich leistungsstarke Projekte. „Exzellenz“ heißt dann: Initiativen, die besonders leistungsstarke Azubis hervorbringen. Es heißt aber auch: hervorragende Kooperationen, also exzellente Zusammenarbeit. Es heißt auch: erfolgreiche Integration aller Jugendlichen auf dem Ausbildungsmarkt, also eine exzellente Zielerfüllung der beruflichen Bildung.
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Wir sorgen in diesem Haushalt für den Ausbau der Alphabetisierung, für eine Erhöhung der Innovationsförderung in ostdeutschen Bundesländern und vor allem für die Mindestausbildungsvergütung, die jetzt endlich als untere Haltelinie für Auszubildende eingeführt wird. Uns geht es um die Qualität und Transparenz in der gesamten Bildungskette. Uns geht es um faire Chancen und Zugänge. Uns geht es um erfolgreiche Berufsperspektiven und ein selbstbestimmtes Leben. Das unterscheidet sozialdemokratische Bildungspolitik von dem, was hier am äußersten Rand passiert. Jeder, der hier zustimmen kann, sollte auch dem Einzelplan 30 zustimmen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Fahimi. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Dr. Frömming für die AfD-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Schade, Frau Fahimi. Sie haben mich direkt angesprochen, mir nicht die Gelegenheit gegeben, zu antworten. Folgendes deshalb jetzt im Nachgang:
Erstens. Ihre Aussage, dass die AfD eine Komplettabschaffung des BAföGs beantragt habe, ist falsch. Das weise ich zurück. Das kann jeder auch gern überprüfen. Zum Glück sind alle Dokumente online abrufbar.
Wichtiger ist aber der zweite Aspekt, den Sie angesprochen haben. Sie insinuieren, dass wir irgendwie etwas dagegen hätten, dass Arbeiterkinder studieren.
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Das Gegenteil ist der Fall. Ihre Aussage wäre allein dann richtig, wenn Sie davon ausgehen würden, dass Arbeiterkinder nicht in der Lage sind, die entsprechende Leistung zu erbringen.
Wir sind eine klar leistungsorientierte Partei. Hier bei uns und neben uns sitzen mehrere – vielleicht auch bei Ihnen –, die nicht aus Akademikerelternhäusern stammen und die es trotzdem geschafft haben.
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Was Sie hier unterstellen, ist hanebüchener Unsinn, und das weisen wir scharf zurück. Jeder kann es bei uns schaffen, der sich entsprechend anstrengt, egal aus welchem Elternhaus er kommt.
Es geht sogar noch weiter. Die von Ihnen propagierten Gesamt- und Ganztagsschulen erschweren es den Schülern aus bildungsfernen Haushalten eher, als dass sie ihnen helfen würden.
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Vielen Dank.
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Danke, Herr Dr. Frömming. – Wenn Sie mögen, Frau Fahimi, können Sie antworten.
Ihre Antwort legt genau das nahe, was ich Ihnen gerade schon einmal mitgeteilt habe. Ein Drittel Kürzung des BAföG und Erhöhung der Hürden, das heißt nichts anderes als das Gegenteil von dem, was Sie gerade behauptet haben, nämlich dass Sie verhindern wollen, dass Kinder aus Arbeiterfamilien studieren gehen können;
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denn es ist eine Voraussetzung dafür, gleiche Chancen zu schaffen. Die fallen nämlich nicht vom Himmel, weil sie irgendwo auf dem Papier stehen, sondern dafür muss man Infrastruktur und auch finanzielle Förderung sicherstellen. Genau an dieser Stelle wollen Sie die Axt anlegen. Sie haben mit Ihrer Intervention gerade dokumentiert, was ich in meiner Rede bereits erzählt habe.
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Vielen Dank. – Jetzt Tankred Schipanski für die CDU/CSU-Fraktion.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir liefern. Wir setzen den Koalitionsvertrag ganz, Stück für Stück, richtig um. Ich glaube, man muss das eine oder andere aus dieser Debatte jetzt am Ende auch mal richtigstellen dürfen.
Es ist hier kein Etat des Mittelmaßes, wie es von der FDP gesagt wird. Ich denke, 18 Milliarden Euro, das kann sich sehen lassen. Das ist ein Zukunftshaushalt.
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Jede Ausgabe, die wir hier bei Bildung und Forschung tätigen, ist eine Investition. Das sind eigentlich gar keine Ausgaben; das sind Investitionen in die Zukunft. Das BMBF ist das Zukunftsministerium dieser Bundesregierung.
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Wir haben seit 2005, liebe Frau Deligöz, die Ausgaben für Nachhaltigkeit, Klima und Energie um 150 Prozent gesteigert, also deutlich überdurchschnittlich.
Liebe Frau Beer, wir haben eine Exzellenzinitiative zur beruflichen Bildung im Haushalt: mit 2 Millionen Euro zum Start plus Verpflichtungsermächtigungen.
Lieber Kollege Gehring von den Grünen, Ermöglichungsverfassung, Artikel 104c Grundgesetz. Wir haben das vorgelegt, abgestimmt mit dem Bundesrat. Es liegt jetzt an zwei Fraktionen hier im Haus, dieser Sache zuzustimmen.
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Zum Thema KI, das ja ebenfalls von der FDP angesprochen wurde und bei dem wir als konzeptlos und zu langsam kritisiert wurden:
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade beim Thema „künstliche Intelligenz“ haben wir in diesem Haushalt schon 50 Millionen Euro vorgesehen, weitere 450 Millionen Euro an Verpflichtungsermächtigungen und geben die Zusage, bis 2025 3 Milliarden Euro zu investieren. Das steht konkret drin. Geplant sind vier Grundlagenzentren zusammen mit Frankreich, acht Transferzentren, KI-Professuren, Innovationszentren. Das ist ein klarer Fahrplan, das sind klare Maßnahmen, das ist eine klare Ausfinanzierung.
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Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung?
Auf geht’s, na klar.
Ja, Sie erlauben.
Mit der Zeit wird es schwierig.
Ja, ich weiß schon, aber jetzt machen wir mal noch eine, und dann ist gut. – Frau Christmann.
Kurz vor Schluss soll ja auch noch ein bisschen Spannung bestehen. – Zum Thema „künstliche Intelligenz“ würde ich Sie gerne doch noch fragen, da dabei ja immer diese großen Zahlen im Raum stehen. Sie sprechen von Aufbruch und 3 Milliarden Euro. Tatsächlich sind aber für 2019 nur 50 Millionen Euro überhaupt neu eingestellt worden. Das hinkt ja hinter den dann irgendwann mal kommenden größeren Summen deutlich hinterher.
Außerdem sagen Sie, Sie wollen auf Bundesebene Anschub leisten für weitere Investitionen, zum Beispiel auf Landesebene. Deswegen möchte ich Sie fragen, wie Sie das sehen, dass man in den Ländern zum Teil schon viel weiter ist. In Baden-Württemberg zum Beispiel wurden bereits 100 Millionen Euro für die Kofinanzierung der Bundesstrategie vorgesehen. Jetzt frage ich mich: Wie sollen die die eigentlich ausgeben, wenn der Bund nächstes Jahr bundesweit überhaupt nur 50 Millionen Euro vorsieht? Da kommen ja dann in Baden-Württemberg vielleicht nur ein paar Milliönchen an; dann können die ja nicht mal ihre Kofinanzierung ausgeben.
Ich frage Sie deshalb: Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass auf Landesebene bereits viel größere Anstrengungen unternommen werden, und meinen Sie, dass die 50 Millionen Euro, mit denen Sie da starten, jetzt tatsächlich der große Wurf sind?
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Also, liebe Frau Kollegin, ich habe ja gesagt: Wir starten 2019 mit 50 Millionen Euro; das ist richtig. An Verpflichtungsermächtigungen sind 450 Millionen Euro vorgesehen. Und wenn Sie Kofinanzierung haben: Immer her damit! Wir als Bund haben genug Projekte, an denen sich Baden-Württemberg gern beteiligen kann. Ich habe die vier Zentren, die wir gemeinsam mit Frankreich errichten, angesprochen. Wir müssen das Stück für Stück angehen. Die Transferzentren kommen natürlich in die Bundesländer, also müssen die Bundesländer mitfinanzieren, ebenso wie die Wirtschaft. Wir haben das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Wir haben also eine ganze Menge, woran sich die Länder beteiligen können, und wir freuen uns darauf. Ich denke, 50 Millionen Euro sind ein guter Start für das nächste Jahr, um die Zentren, insbesondere mit Blick auf Frankreich, auf den Weg zu bringen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte jetzt ein wenig darauf eingehen, wo der Haushaltsausschuss noch einmal Veränderungen vorgenommen hat – Kollege Rupprecht hat schon einen Punkt angesprochen –: Agentur für Sprunginnovationen, Wissenschaftsfreiheit, Selbstbewirtschaftungsmittel, Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Den Punkt Bund-Länder-Finanzbeziehungen möchte ich gern noch mal herausgreifen. Ich möchte die jetzige Situation – Albert Rupprecht hat das sehr treffend gesagt – mit einem Sprachbild beschreiben, das Klaus Hekking, der Präsident des Verbandes der Privaten Hochschulen, im „CIVIS“-Heft vom Dezember 2018 sehr treffend verwendet hat. Er sagt nämlich:
Einerseits verteidigen die Länder die Heilige Kuh des Bildungsföderalismus hartnäckig, andererseits wollen sie diese Heilige Kuh immer mehr auf den grünen Auen des Bundes weiden.
Genau das ist es. Diese Realität, liebe Kolleginnen und Kollegen, beschreibt uns auch der Bundesrechnungshof in seinem Bericht nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung, den er im August 2018 vorgelegt hat – ich zitiere wörtlich –:
Der Bundesrechnungshof hat in der Vergangenheit wiederholt auf die kritischen Wirkungen hingewiesen, die diese zunehmenden Verflechtungen und die weiter voranschreitende Verschiebung der Finanzierungsverantwortung im Bereich Bildung und Forschung in Richtung des Bundes bewirkt.
Er hat dabei ganz konkrete Risiken hervorgehoben: Der Bundesrechnungshof mahnt verschiedentlich Transparenz an, es wird einen Monitoringbericht geben mit dem Titel „Länderentlastung“, der dem Haushaltsausschuss vorgelegt wird; ich hoffe sehr, dass wir diesen auch im Fachausschuss bekommen. Und der Bundesrechnungshof sagt ausdrücklich, es sollen „keine neuen Leistungen“ gewährt werden,
sofern deren Notwendigkeit und das Bundesinteresse an ihren Wirkungen nicht eindeutig geklärt sind. Dies spricht gegen eine automatische Steigerung der Bundesmittel, wie sie nunmehr auch für die Hochschulförderung vorgeschlagen wurde.
So der Bundesrechnungshof. Ich denke, mit klareren Worten kann man die Problematik nicht beschreiben.
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Ich möchte auch auf die Finanzlage der Länder hinweisen; die Ministerin hat das auch schon getan. Schauen Sie auf die Webseite des BMF. Da haben wir den Bericht des BMF „Entwicklung der Länderhaushalte bis einschließlich September 2018“. Ich zitiere wieder:
Die Ländergesamtheit erzielte bis Ende September einen Haushaltsüberschuss von 19,6 Mrd. € und verbesserte damit die Haushaltssituation um 6,9 Mrd. € gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Sie sehen: Das sind Mehreinnahmen in Höhe von 4,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bei einer Ausgabensteigerung um nur 2,3 Prozent. Die Länder können, wenn sie wollen.
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Meine Damen und Herren, zur Agentur für Sprunginnovationen. Die Kanzlerin hat sie gestern richtig als Agentur für Disruptive Innovationen bezeichnet; und wir wissen: Disruptiv ist genau das Gegenteil zu erhaltenden Innovationen, bei denen wir – Albert Rupprecht hat es gesagt – Innovationsweltmeister sind. Diese erhaltenden Innovationen schaffen Neuerungen, ohne bestehende Strukturen und Teilnehmer aus dem Markt zu drängen. Genau das ist der Unterschied zu den disruptiven Innovationen. Disruptiv heißt ja Veränderung, Neuerfindung, Neuanfang. Daher muss diese Agentur auch anders gestrickt sein als das, was wir bisher kennen. Bisher kennen wir die Modelle von Fraunhofer, Helmholtz und Max Planck.
Diese neue Agentur muss aber experimentieren können, diese Agentur braucht Freiräume. Diese Einsicht wollen wir in dieser Debatte als Fachpolitiker den Haushältern vermitteln. Wir wollen wie beim Wissenschaftsfreiheitsgesetz von 2012 ein Stück weit für sie werben. Diese Agentur braucht allerdings mehr Freiheiten, als das Wissenschaftsfreiheitsgesetz vorsieht. Nur dann können wir so mitspielen, wie wir das wollen. Dazu müssen wir, glaube ich, noch in einen intensiven Austausch zwischen dem Haushaltsausschuss und dem Fachausschuss eintreten.
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Das Gleiche, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt für die Selbstbewirtschaftungsmittel. Auch hier hat der Bundesrechnungshof in seinem Bericht gemäß § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung vieles Richtige gesagt; er macht auch konkrete Vorschläge. Das BMBF ist mit der GWK und den Forschungseinrichtungen in einem intensiven Austausch. An der Stelle möchte ich aber ausdrücklich sagen: Wir dürfen die Grundidee des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes nicht gefährden.
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Wir wollen zu unserem Wort aus dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz stehen. Das beinhaltet natürlich einen Vertrauensvorschuss an die Forschungseinrichtungen; zugleich müssen wir ihnen die notwendige Flexibilität geben. Es ging ja gerade darum, die Unwägbarkeiten in einem Forschungsprozess haushaltstechnisch abzubilden. Von daher bitte ich herzlich darum, den Gedanken des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes zu halten und sich mit unserem Fachausschuss bei der Freigabe von Mitteln und beim Abbau dieser sogenannten Bugwellen abzustimmen.
Letzter Punkt: die angesprochenen Forschungsmuseen. Hier möchte ich den Kollegen des Haushaltsausschusses einfach mal ein ganz herzliches Dankeschön sagen. Kerstin Radomski hat vorhin vom Aktionsplan für die Forschungsmuseen erzählt, der mit 5 Millionen Euro ausgestattet ist. Das ist ein wirklich wichtiger Aktionsplan; da geht es um Sichtbarmachen, da geht es um Wissenschaftskommunikation. Einen herzlichen Dank dafür!
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Herzlichen Dank auch im Namen der Museen, die davon profitieren, und natürlich viel Erfolg dem Naturkundemuseum hier in Berlin, das mit einem dreistelligen Millionenbetrag richtig abgesahnt hat. Auch hierfür möchte ich dem Haushaltsausschuss vonseiten der Union ganz herzlich danken.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Tankred Schipanski. – Wir kommen jetzt zum letzten Redner in dieser Debatte. Damit sind wir allerdings noch nicht am Sitzungsende angelangt; das will ich den Kolleginnen und Kollegen noch mal sagen. Ich bitte Sie also, anschließend noch anwesend zu bleiben.
Letzter Redner in dieser lebendigen Debatte: René Röspel für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss den Haushältern Kompliment und Lob aussprechen: Sie haben wirklich noch mal ein paar richtig gute Dinge finanziert. Dass wir jetzt 114 Millionen Euro für den Start der Agentur für Sprunginnovationen bekommen haben, ist, finde ich, ein richtiger Ansatz. Ich will noch mal in Erinnerung rufen: Unser Koalitionsvertrag ist gerade mal ein halbes Jahr alt. Die Agentur für Sprunginnovationen innerhalb eines halben Jahres von der Idee bis hin zur Finanzierung auf den Weg gebracht zu haben, ist so schlecht nicht, wie der Westfale sagt. Von daher ist das schon ganz gut gelaufen.
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Frau Beer, nach Ihrem Beitrag habe ich feststellen müssen, wie gut die SPD eigentlich in ihrer Oppositionszeit war. Denn wir haben es so gehandhabt: Wenn wir Anträge gestellt haben, haben wir uns mit anderen Arbeitsgruppen immer darüber abgestimmt, was wir wirklich fordern und tatsächlich finanzieren können.
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– Von der FDP höre ich gerade: 114 Millionen Euro sind offenbar nicht genug.
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Es müssen 3 Milliarden Euro sein, wie in den USA. Gleichzeitig will die FDP aber die Steuern senken und die Schulden abbauen.
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Das, finde ich, ist keine seriöse Oppositionspolitik. Es ist gut, dass wir regieren; denn wir machen eine solide und seriöse Finanzpolitik.
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Sehr freue ich mich darüber, dass wir 10 Millionen Euro mehr im Bereich Arbeitsforschung für „Arbeit an und mit Menschen“ bekommen haben. Es ist total wichtig, in diesen Bereich mehr zu investieren, um zu schauen: Wie werden wir eigentlich in einigen Jahren und Jahrzehnten arbeiten? Und wie setzen wir das mit Menschen um, damit nicht Maschinen über uns bestimmen, sondern immer noch wir die Hoheit über Maschinen haben?
Eine letzte Zahl will ich noch nennen: Dass wir jetzt 500 Millionen Euro für die Strategie Künstliche Intelligenz zur Verfügung haben, ist auch ein großer Schritt. Aber ich will auch mal deutlich sagen: Es ist ja nicht so, als würden wir in Deutschland erst jetzt mit Forschung im Bereich künstliche Intelligenz anfangen.
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Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern ist 30 Jahre alt.
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Es gibt viele Wissenschaftsorganisationen und Institute, die im Bereich künstliche Intelligenz bereits forschen, und zwar auf einem international sehr hohen Niveau. Wenn man in die Industriebetriebe geht, wird man feststellen, dass Industrie 4.0 in vielen Bereichen schon selbstverständlich ist und Deutschland sich da nicht verstecken muss. Trotzdem ist es natürlich gut, dass die 500 Millionen Euro an dieser Stelle bereitgestellt werden.
Nach dem vielen Lob für die Haushälter will ich aber auch Kritik äußern. Ich muss ausdrücklich sagen, dass ich das Sperren von 25 Prozent der Helmholtz-Betriebsmittel, bis die Selbstbewirtschaftungsmittel aufgebraucht sind, nicht nachvollziehen kann und auch für einen Fehler halte.
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Ich kann über den einstimmigen Beschluss, der im Haushaltsausschuss getroffen worden ist, nur den Kopf schütteln. Den Schweizer Wissenschaftler, der sagt, dass er das für ein desaströses Signal an die Wissenschaftsgemeinschaft hält, will ich jetzt nicht zitieren. Ich kann an dieser Stelle nur die Möglichkeit nutzen, die Haushälter aufzufordern, jetzt ganz schnell Gespräche mit den Betroffenen zu suchen; denn sie sind im Moment wirklich desorientiert und wissen nicht, was sie falsch gemacht haben.
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Nachdem wir ganz viel über Zahlen gesprochen haben, sollte vielleicht auch noch einmal herausgestellt werden: Von den 500 Millionen Euro für künstliche Intelligenz kaufen wir nicht nur Maschinen oder bauen nur neue Gebäude, sondern dabei handelt es sich um Investitionen in Köpfe. Wir motivieren und unterstützen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den unterschiedlichen Forschungsbereichen, sodass sie jetzt verlässlich arbeiten können.
Ich bin jetzt an dem entscheidenden Punkt: Gute Forschung in Deutschland, erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist nur möglich, wenn wir gute Bildung hinkriegen.
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Ich sage ausdrücklich: Ich bin davon überzeugt, dass die Nobelpreisträger aus Deutschland von morgen gerade geboren werden, im Kindergarten, in der Schule oder schon auf der Universität sind. Wir kennen sie aber noch nicht. Es geht darum, keinen von denen zu verlieren. Deswegen ist die SPD seit Beginn ihrer Existenz immer darauf aus gewesen, zu sagen: Bildung ohne Herkunft! Es darf nicht sein, dass zum Beispiel jemand von den Jugendlichen, die oben auf der Tribüne sitzen, nicht studieren kann, nicht das Beste aus sich machen kann, weil das Geld nicht da ist. Deswegen haben wir Ganztagsschulen ausgebaut; deswegen haben wir vor 40 Jahren das BAföG eingeführt, damit eben auch Arbeiterkinder studieren können.
Zum Vergleich: Das Modell, das die AfD im Ausschuss geliefert hat, beinhaltet, BAföG um ein Drittel zu kürzen, mit der Begründung, man wolle die Studierendenquote wieder auf einen angemessenen Wert reduzieren. – Was heißt das denn, wenn das BAföG gesenkt wird? Dass die Kinder von reichen Eltern, dass meine Kinder getroffen werden? Nein! Es heißt, dass die Menschen, die auf BAföG angewiesen sind, künftig nicht mehr studieren sollen. Das ist ein Modell, das in die Vergangenheit führt. Das wollen wir nicht. Wir wollen ein Deutschland, das modern in die Zukunft geht.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, René Röspel. – Dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30 – Bundesministerium für Bildung und Forschung – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann enthält sich niemand. Der Einzelplan 30 ist angenommen. Zugestimmt haben die Fraktionen von SPD und CDU/CSU, dagegengestimmt haben die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD.
Ich bitte um Aufmerksamkeit: Die heutige Tagesordnung soll um die Beratung einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf Drucksache 19/5958 zu einem Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens erweitert und diese jetzt gleich als Zusatzpunkt 4 aufgerufen werden. Dieses Verfahren entspricht einer langjährigen Praxis hier im Deutschen Bundestag. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Ich sehe das nicht. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 4 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss)
Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens
Drucksache 19/5958
Eine Aussprache ist dazu nicht vorgesehen.
Der Ausschuss empfiehlt, die Genehmigung zu erteilen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.
Jetzt sind wir tatsächlich am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 23. November 2018, um 9 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, wie und mit wem Sie ihn verbringen. Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 18.45 Uhr)