Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen! Der Haushaltsentwurf 2019 war eine schwere Geburt: 16-stündige Wehen in der Bereinigungssitzung, in den allerletzten Stunden noch ein 300-seitiges Papier zum Beraterwildwuchs im Verteidigungsministerium sowie Anträge für über 1 000 zusätzliche Posten auf Regierungsebene.
Die plakative schwarze Null des Haushalts ist erneut nur durch Tricksereien, Auslassungen und Sondereffekte zustande gekommen.
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Wie schon 2018 ist der Haushalt unvollständig. Erneut sind keinerlei Rückstellungen für die Euro-Risiken eingepreist, obwohl in drei Wochen ein neues Euro-Rettungspaket beschlossen werden soll, zu dem selbst wir im Haushaltsausschuss trotz x Nachfragen noch keine belastbaren Details bekommen haben. Es ist völlig intransparent, welches Paket im Dezember beschlossen werden soll, mit welchen Instrumenten, mit welchen Obergrenzen, mit welchen parlamentarischen Beteiligungsrechten.
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Sicher ist hier nur die alte EU-ropäische Grundregel: L‘Allemagne paiera – Deutschland wird zahlen.
Wir erleben ganz aktuell wieder eine Staatsanleihen- und Bankenkrise in Südeuropa. Griechenland und Italien wären ohne EZB und ohne deutsche Bonität bereits in der Insolvenz. Der griechische Bankensektor hat allein in den letzten sechs Monaten die Hälfte seines Börsenwerts verloren, allein in der letzten Woche 13 Prozent. Aufschläge auf italienische Anleihen liegen derzeit bei 330 Basispunkten. Nach ifo-Institut ist das die sogenannte Todeszone.
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Für Griechenland werden derzeit neue Rettungsprogramme verhandelt, zumindest diskutiert, und das keine 15 Wochen, nachdem uns im Haushaltsausschuss in einer Sondersitzung explizit gesagt wurde: Das ist nun die dauerhafte Rettung Griechenlands. – Nein, die absehbare erneute Rettung sowohl von Griechenland als auch von Italien wird schon 2019 wieder stattfinden müssen, vermutlich in Form von extremen Refinanzierungsprogrammen der EZB. Über 300 Milliarden Euro stehen da an. Unseres Erachtens sind solche langfristigen Mega-Tender verfassungswidrig;
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denn sie stellen keine Geldpolitik dar, sondern sind verbotene Wirtschaftspolitik und Staatsfinanzierung durch die Zentralbank.
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Minister Scholz, Sie sagten neulich in den Medien, italienische Schulden seien das nationale Problem Italiens. Aber gleichzeitig tut die Bundesregierung alles dafür, diese südeuropäischen Schulden zu sozialisieren. Fast jeden Monat erfahren wir zurzeit von einer neuen Rettungsfazilität, einem neuen Rettungsinstrument. Das alles sind gewaltige unerklärte Risiken für den Bundeshaushalt und kommende Transferleistungen Deutschlands und des Steuerzahlers.
Die Regierung profitiert heute ohne ihr Zutun von der Nullzinspolitik der EZB, die wie ein riesiges Konjunkturprogramm auf Pump wirkt. Für den Bundeshaushalt ist es die beste aller Welten: sprudelnde Steuereinnahmen und minimale Zinskosten.
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Dennoch erreicht die Regierung die schwarze Null nur ganz knapp durch Anzapfen von Rücklagen. Man muss in dieser Situation Rücklagen anzapfen. Das ist schon Wahnsinn.
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Die finanziellen Spielräume in einem national-rational geplanten Haushalt wären in diesem Umfeld so groß, dass man gleich zwei große Würfe machen könnte – die AfD hat das beantragt und auch vollständig gegenfinanziert –: Erstens könnte der Solidaritätszuschlag ab 2019 vollständig abgeschafft werden.
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Das wären gut 19 Milliarden Euro Entlastung für den Bürger schon ab 2019.
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Die Regierung plant den Soliabbau erst ab 2021 und auch nur teilweise. Selbst ihrer eigenen Planung scheint sie nicht wirklich zu trauen; denn statt hier Beschlüsse herbeizuführen, wurde das Thema in den Ausschüssen dreimal nacheinander von der Tagesordnung genommen.
Zweitens. Die Regierung könnte 2019 auch sämtliche Schulden tilgen, die im Zuge der Finanzkrise vor zehn Jahren entstanden sind. Das sind wirklich viele große Zahlen. Selbst zehn Jahre nach 2009 werden diese Schulden aber immer noch nicht getilgt. Stattdessen führt die Regierung die Haushaltsüberschüsse auch 2019 wieder der sogenannten Asylrücklage zu, die mit den 18er- und 19er-Zuschüssen und ‑Abflüssen auf über 30 Milliarden Euro steigen wird. Das ist die Erwartung, die wir zum Jahresende 2018 haben. Die Rücklage ist seit nunmehr vier Jahren das Überlaufbecken für Haushaltsüberschüsse, die den Menschen zurückgegeben werden müssten.
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Selbst dann blieben noch reichlich Mittel für die Pflege, für die Rente sowie Investitionen in Schulen, in den Breitbandausbau, in die Straßen und Familien. Die AfD fordert die Regierung auf, endlich wieder Politik und Haushaltspolitik für das deutsche Volk zu machen.
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Die schwarze Null wurde vom Finanzministerium diesmal nachts um vier herbeigerechnet durch Änderungsanträge zu Zinskosten in Milliardenhöhe. Diese Position wird schon zum wiederholten Mal missbräuchlich zu dieser Nullrechnung benutzt. Solche Tricksereien sollte das BMF einfach mal lassen und stattdessen seine kreativen Kapazitäten nutzen, um die Bundesschuld sauber zu strukturieren. Wir könnten 30-jährige Bonds emittieren zu einem lächerlichen Minizins von 1 Prozent. Es wäre möglich, erheblich mehr zu machen. Nur ein Zehntel der Bundesschuld ist derzeit als Langläufer ausgestaltet. Doch es geschieht nichts. Stattdessen gibt es Kurzläuferanleihen. Der Grund ist natürlich: Es kostet nichts, sie kosten wirklich null. Aber das ist kurzfristige Legislativdenke. Nach uns die Sintflut; das ist die Denke bei dieser Verschuldungspolitik.
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Ebenfalls nachts um vier hat die GroKo dann, versteckt im Kleingedruckten, noch einen Aufwuchs des Kreditrahmens für internationale Finanzinstitutionen um 14 Milliarden Euro beschlossen – einfach verfügt, zugestimmt. Alle Parteien außer der AfD haben hier kritiklos zugestimmt.
Der Ökonom Roland Baader sagte zu solcher Politik schon vor zehn Jahren: „Wir werden nachhungern müssen, was wir“ – auf Kredit – „vorausgefressen haben!“ Er dachte noch an das langfristige Wohl der Nation, und er schämte sich nicht dafür, dass im Wort „Nationalökonomie“ das Wort „Nation“ vorkommt und im Wort „Volkswirt“ das böse Wort „Volk“,
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das schon damals von der GroKo so geschmäht wurde.
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Es gibt gewaltige unerklärte Risiken, speziell in der Mittelfristplanung, durch die TARGET-Forderung der Bundesbank: fast 1 Billion Euro. Die AfD hat auch hierzu risikominimierende Anträge gestellt. Wir machen das auch im Dezember noch mal.
Zum Brexit: Wir fordern die Regierung auf, endlich den ständigen Aufwuchs der EU-Beiträge zu stoppen. Die EU plant ernsthaft eine Erhöhung der deutschen Beiträge von 30 bis 31 Milliarden Euro im Jahr 2018 auf 45 Milliarden Euro pro Jahr in der neuen Siebenjahresplanung.
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Und ja, Herr Minister, ich weiß, dass heute Nacht die Verhandlungen gescheitert sind; aber wir ahnen, dass sie doch nicht dauerhaft gescheitert sind und Sie hier nachgeben werden.
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Deutschland würde auf dieser Basis den Brexit praktisch alleine finanzieren, zusätzlich noch das an dieser Stelle vor drei Tagen mit Herrn Macron ausgekungelte Euro-Zonen-Budget.
Zu den Migrationslasten im Haushalt. Die Zustimmung der Länder wird erkauft durch Milliardentransfers des Bundes in Form von negativen Einnahmen und damit auch hier ohne klaren Ausweis im Bundeshaushalt. Ja, sie sind drin, aber sie sind nicht klar drin.
Der offizielle Ausweis der Flüchtlings- und Integrationskosten von jährlich 21 Milliarden Euro unterzeichnet die Lage. Bei realistischer Einrechnung aller gesellschaftlichen Kosten wären sie noch viel höher und permanent ansteigend. Das ist ja ein Sockelbetrag; es steigt ja mit jedem Tag, an dem die Grenzen offen sind. Wir fordern, die Integrationskosten für Migranten ohne Bleiberecht gänzlich zu streichen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
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Viele Migrationskosten sind zudem immateriell, aber doch fatal für unsere Gesellschaft – dazu mehr nächste Woche an gleicher Stelle, bei der Debatte zum Global Compact for Migration.
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Auch er wird natürlich – wenn er denn wirklich kommt – haushaltsrelevant, wenn auch nicht heute.
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Die Haushaltsposten zur Fluchtursachenbekämpfung wären ja im Prinzip sogar zustimmungsfähig. Auch wir versuchen, Fluchtursachen zu minimieren. Doch auch diese Titel sind vielfach weltfremd. Einige Beispiele – ich kann Ihnen das nicht ersparen; es gäbe Hunderte davon –: Förderung erneuerbarer Energien in Moscheen in Nordafrika,
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Stärkung von LGBTI in Honduras, angewandtes Gender Diversity Management im Nahen Osten – das muss man sich vorstellen –,
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bezahlbarer und nachhaltiger Wohnraum in Asien und – das ist wirklich die Krönung – ein Resilienzprogramm im Jemen, also ausgerechnet in jenem Land, das gerade auch mit deutschen Waffen durch Saudi-Arabien zurück in die Steinzeit gebombt wird, wo ein Genozid an den dortigen Schiiten stattfindet. Man versucht hier, bestmenschlich zu helfen,
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während man die eigentlichen Ursachen des Wahnsinns nicht sehen will oder sie sogar selbst herbeiführt – ähnlich wie beim Global Compact, der auch nur an Symptomen herumdoktert und die Überbevölkerung in Afrika und in islamischen Staaten als Ur-Ursache des Migrationsdrucks partout nicht nennen will.
Ich komme zum Schluss. Das Motto hier ist: Mit deutschem Geld können wir alle Probleme lösen. – Das ist alles Hybris, Machbarkeitswahn, Weltbeglückung. Der vorliegende Haushalt ist voll davon. Wir werden ihn ablehnen.
Danke.
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Nächster Redner ist Johannes Kahrs, SPD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir jetzt viel Unsinn von Herrn Boehringer über Europa gehört haben, können wir uns – –
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– Ehrlicherweise ist es ja so. Herr Boehringer, wenn Sie diesem Haus etwas Sinnvolles hätten erzählen wollen, dann hätten Sie uns vielleicht erzählen können, woher die schwarzen Kassen in der AfD kommen,
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woher Frau Weidel ihr Geld bezieht, woher aus der Schweiz und anderen Ländern das ganze Schwarzgeld kommt, mit dem Sie sich hier finanzieren.
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Ehrlicherweise wäre das vielleicht sinnvoller als Ihr sonstiger sachgrundloser Unsinn. Im Kern ist es so, dass Sie sich mal mit Frau Weidel unterhalten sollten, und dann können wir über die Schwarzgeldaffäre, über die aus dem Ausland finanzierten Rechtsradikalen in diesem Land reden.
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Ich glaube, solange Sie das nicht geklärt haben, sind Sie weder satisfaktionsfähig noch in der Lage, uns hier irgendetwas zu erzählen.
Wenn Sie sich hierhinstellen und sagen, Sie wollen den Soli ganz abbauen, dann zeigt das, dass Sie nicht für das Volk, für 90 Prozent der Menschen in Deutschland Politik machen, sondern nur für die Reichen und Besserverdienenden.
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Das ist nun mal AfD. Sie kümmern sich nur um die wirklich Reichen, Sie kümmern sich nur um Ihr Schwarzgeld aus dem Ausland, aber Sie kümmern sich nicht um die Menschen in diesem Land, und das ist schäbig.
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Hingegen die Große Koalition hat einen Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der einen hervorragenden Haushalt vorgelegt hat: ausgewogen und vernünftig finanziert, solide, wie man es gewohnt ist,
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und seit die SPD mit der Union regiert, auch ohne neue Schulden.
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Das hat die CDU/CSU von uns erst mal lernen müssen. In den vier Jahren mit der FDP hat sie laufend jedes Jahr neue Schulden gemacht.
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– Sie können Herrn Schäuble fragen, der kann das bezeugen: Erst seitdem Sie mit der SPD regieren, gibt es in diesem Land Haushalte ohne neue Schulden. In dieser Tradition befindet sich Olaf Scholz. Er macht das ganz hervorragend. Der vor uns liegende Haushalt zeigt das auf.
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Wir investieren in die Zukunft dieses Landes, wir investieren in Familien, wir investieren in Bildung, wir investieren in die Infrastruktur, in alles das, was richtig, wichtig und gut ist. Wir haben auch – die AfD wird es nicht gerne hören – Geld für die Entwicklungshilfe gegeben.
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Wir haben die ODA-Quote gehalten. Wir haben das auch noch zusammen mit der Union erreicht. Ich meine: Das ist doch ein echter Erfolg.
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Das hat die FDP nie geschafft. Die FDP hat dafür gesorgt, dass die ODA-Quote abfiel, als sie regiert hat. Das heißt, da kann man doch den Unterschied zwischen einer Großen Koalition, die solide für die Menschen arbeitet, und einer schwarz-gelben Koalition, die Schulden macht, erkennen.
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Es gibt ein Familienentlastungsgesetz, Kindergeld, Freibetrag, Abbau der kalten Progression – der Bund zahlt 4,5 Milliarden Euro. Wir haben ein Gute-Kita-Gesetz. Wir helfen den Ländern. Nicht gegen die Länder, sondern gemeinsam mit den Ländern und Kommunen wird Franziska Giffey individuell verhandeln, wie man vor Ort helfen kann. Wir haben uns gegen die Wehrpflicht entschieden, nachdem die ursprüngliche Wehrpflicht leider abgeschafft worden ist, was ich hier noch mal bedauern möchte. Nicht jeder sieht das so, ich sehe das so.
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Aber, um den Präsidenten zu zitieren: When it’s over, then it’s over. Die Wehrpflicht wird nicht wiederkommen, die allgemeine Dienstpflicht für alle auch nicht, aber Freiwilligendienste. Wir haben deswegen die Freiwilligendienste gestärkt.
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Wir haben dafür gesorgt, dass sehr viel mehr Geld für Bundesfreiwilligendienste, für das Freiwillige Soziale Jahr und Ähnliches ausgegeben worden ist. Klimaschutz, Umweltschutz, saubere Luft, Barrierefreiheit an Bahnhöfen haben wir zusammen – Kollege Rehberg erinnert sich – auch durchgesetzt. All das ist gut. Der Bürger wird entlastet, der Soli wird abgeschafft werden für 90 Prozent der Menschen in diesem Land, und die anderen können sich ihren Teil leisten, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
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Deswegen ist das sozial, deswegen ist das gerecht. Und das Geld, das wir denen nicht wiedergeben, werden wir auch investieren: in Bildung, in soziale Sicherheit und vieles andere.
Wir haben unaufgeregt unsere Arbeit gemacht. Viele Journalisten sagen ja immer: Die in Berlin sollen mal zur Sacharbeit zurückkehren. – Ehrlicherweise: Wir haben immer Sacharbeit gemacht, sie haben es nur nicht bemerkt.
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Ich glaube, das ist der große Unterschied: Die Große Koalition hat, seitdem sie gewählt worden ist, auf der Arbeitsebene hervorragende Arbeit gemacht; den Rest da oben wollen wir heute mal nicht diskutieren. Auf der Faktenebene ist das der zweite Haushalt, der in diesem Jahr beschlossen wird. Er ist sozial, er ist gerecht, er macht keine neuen Schulden, er ist gut. Vielen Dank, Olaf Scholz.
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Nächster Redner ist Otto Fricke, FDP.
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Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Kahrs, ein weiser Haushälter hätte nach so einer Rede gesagt: Kehren wir mal wieder zurück zur Sachpolitik.
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Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man es sachlich betrachtet, könnte man wirklich sagen: Deutschland ist auf Rosen gebettet. Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit sinkt weiter, sie ist so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Reallöhne steigen, die Steuereinnahmen sprudeln,
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und der Finanzminister legt wieder einen Haushalt mit einer schwarzen Null vor. Als wir dem Kollegen Kahrs zugehört haben, wurde klar: Das ist Selbsthypnose; diese Große Koalition glaubt das. Die Realität jedoch ist leider anders, meine Damen und Herren.
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Das möchte ich der Großen Koalition doch sagen: Wer glaubt, sich auf einem Rosenbett ausruhen zu können, vergisst, dass darunter Dornen liegen.
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Diese Dornen hat meine Fraktion in 424 Anträgen genau aufgezeigt. Wir haben gezeigt, an welchen Stellen Sie einfach sagen: Wir geben mal mehr aus, wir geben mal mehr aus, wir geben mal mehr aus. – Meine Fraktion wird sich auch, Herr Minister, genau angucken, was in der Bereinigungssitzung passiert ist; denn das war für uns die „Aktion Abendsonne“: Hier noch was drauf, da noch ein bisschen was drauf, da mal was nach Hamburg, dort noch mal was nach Hamburg und Ähnliches mehr.
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Auch das werden wir uns genau angucken; denn die Aufgabe ist nicht die, die Sie beschreiben, Herr Kollege Kahrs. Man ist doch nicht für nur 90 Prozent der Bevölkerung zuständig; nicht nur 90 Prozent der Bevölkerung sind das Volk. Wir hier sind für alle, für das ganze Volk verantwortlich,
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und wir selektieren nicht, wie Sie, danach, ob jemand mehr oder weniger verdient. Jedem muss das gegeben werden, was ihm zusteht, und es darf ihm nicht mehr genommen werden, als der Staat braucht. Sie hingegen nehmen nur. Deswegen teilen Sie die Bevölkerung auf in 90 Prozent und 10 Prozent.
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Sie als Finanzminister, Herr Scholz – da bleibe ich bei meiner alten Leier; dabei werde ich wahrscheinlich bis zum Ende dieser Legislaturperiode bleiben –, sind kein Haushaltsminister. Was Sie machen, ist: Sie schlagen ständig neue Sachen vor; aber Nein sagen, mal sagen: „Sorry, das geht nicht, das können wir uns nicht leisten“, das machen Sie nicht. Was schlagen Sie stattdessen vor? 12 Euro Mindestlohn,
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europäische Arbeitslosenrückversicherung, unklares Euro-Zonen-Budget, Rentengarantie bis 2040. Diese Vorschläge sind eines Haushaltsministers nicht würdig. Das kann der Sozialminister vorschlagen. Ihre Aufgabe wäre es, das unter Kontrolle zu halten, und das tun Sie mit diesem Haushalt eben nicht.
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Es stimmt: Der Finanzminister legt wieder eine schwarze Null vor. Ich will Ihnen aber ganz klar sagen: Das ist – das haben wir in der Bereinigungssitzung gemerkt – nur noch eine gequetschte schwarze Null. Was haben Sie in der Bereinigungssitzung gemacht, zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland? Sie sagten: „Oh, jetzt haben wir so viel ausgegeben“, nach den Ausgaben für Hamburg unter anderem, „da müssen wir auf eine Rücklage zurückgreifen, da müssen wir der Asylrücklage eine halbe Milliarde entnehmen.“ Das muss man noch einmal erklären. Das heißt, man sagt den Bürgern: Ach, übrigens, wir haben eigentlich gar keine schwarze Null mehr; aber wir holen uns aus einer Kreditermächtigung, die wir haben, eine halbe Milliarde raus und verteilen das Geld munter. – Und das ist eine schwarze Null? Nein. Im Endeffekt sagt es Ihr Haus selber: Das Kassensaldo des Bundes ist zum ersten Mal in der Planung wieder im Minus. Es geht also nicht um die Frage, wo das Girokonto steht, sondern es geht um die Frage: Wo stehen alle Konten der Bundesregierung bei Einnahmen und Ausgaben? Das zeigt: Diese schwarze Null ist schon lange eine rote Null geworden. Das ist sogar weit mehr als eine rote Null.
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Meine Damen und Herren, ich will auch die Frage klären: Wenn man über Jahre stetig steigende Steuereinnahmen hat, was ist dann Sparen? Kindern versuche ich das immer über das Taschengeld zu erklären: Du sparst – Sie haben wahrscheinlich eine andere Definition –, wenn du vom Taschengeld weniger ausgibst, als du bekommst. Du sparst, wenn du zusätzliches Taschengeld bekommst und dieses zusätzliche Taschengeld komplett zurücklegst.
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Du sparst aber auch, wenn du nicht alles von dem, was du mehr bekommst, ausgibst. – Herr Minister, das ist doch das Interessante. Sie sind jemand, der sagt: Ich spare, wenn ich mehr bekomme, und alles, was ich mehr bekomme, gebe ich nicht aus für die Zukunft, sondern für Vergangenheit und Gegenwart,
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gebe ich nicht aus für Investitionen – das Investitionsvolumen fällt nämlich –, gebe ich nicht in übermäßigem Maße aus für Forschung und Bildung, gebe ich nicht aus für Kinder und Jugend. – Sie haben hier einen Haushalt mit einer roten Null, der sich mit Vergangenheit und Gegenwart beschäftigt, aber eben nicht mit der Zukunft.
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– Auch Rentner sind Zukunft. Deswegen haben auch Rentner einen Anspruch darauf, ihren Teil zu bekommen. Das passiert ja auch. Aber dass man das übermäßig macht, dass von dem, was wir in dieser Legislatur mehr einnehmen, 70 Prozent in den Bereich des Ministeriums für Arbeit und Soziales fließen, und für die ganzen anderen Bereiche, die unsere Zukunft ausmachen, nur der Rest bleibt, ist für viele nicht nachvollziehbar. Dieses Geld erwirtschaften übrigens die, die arbeiten, auch die anderen 10 Prozent.
Meine Damen und Herren, zum Schluss: Man muss zu diesem Haushalt sagen: Er scheint auf Rosen gebettet zu sein, aber die Koalition verkennt, dass, wenn Rosen verblühen, die Dornen übrig bleiben.
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Herzlichen Dank.
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Eckhardt Rehberg, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit hier erst gar keine Legenden aufkommen, lieber Kollege Kahrs: Die Erblast 2010 von Herrn Steinbrück war folgende: 86 Milliarden Euro Schulden, 300 Milliarden Euro Etat.
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Die Leistung der Legislaturperiode unter CDU/CSU und FDP, unter Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, war, dass wir die Ausgaben nicht gesteigert haben.
2014 sind wir mit der SPD im Ist zum ersten Mal ohne neue Schulden ausgekommen. Mit dazu beigetragen hat unter anderem die Agenda 2010 von Gerhard Schröder, die Deutschland stark gemacht hat. Und genau das wollt ihr jetzt revidieren. Das ist der falsche Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen, an der Stelle.
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Der Haushalt 2019 ist grundsolide. Wir minimieren die Ausgaben um 400 Millionen Euro und packen bei Investitionen noch mal 1 Milliarde Euro obendrauf. Und, Kollege Fricke, es war immer eine Entnahme aus der Asylrücklage für den Haushaltsausgleich vorgesehen. Das war in der Finanzplanung immer vorgesehen, für dieses Jahr 1,4 Milliarden Euro. Wir entnehmen gerade mal 400 Millionen Euro. Ob wir das in den Folgejahren so brauchen – wir werden dann 25 Milliarden Euro in der Rücklage haben –, das werden wir sehen. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen, auch ein gutes Zeichen für Europa.
Kollege Boehringer, mit wem wollen Sie sich denn ins Bett legen im Europawahlkampf? Mit Herrn Salvini, der gerade dafür mitverantwortlich ist,
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dass in der Euro-Zone so einiges durcheinandergeht, dass Griechenland in Schwierigkeiten kommt? Mit dem wollen Sie ins Bett gehen! Und uns werfen Sie vor, dass wir eine unsolide Europapolitik machen. Fassen Sie sich erst mal an die eigene Nase!
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Wir schaffen ein Zweites mit dem Haushalt 2019 – vielleicht schon im Ist 2018 –: Wir erfüllen das Maastricht-Kriterium, die Schuldenstandsquote unter 60 Prozent zu senken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das schon einmal an dieser Stelle gesagt: Ich habe zwei Söhne und mittlerweile vier Enkel. Ich bin froh, dass ich heute im Deutschen Bundestag sagen kann: Wir leben nicht mehr auf eure Kosten, wir machen keine neuen Schulden,
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wir halten die Maastricht-Kriterien ein. – Das ist das Beste an Sozialpolitik, gerade für die ältere Generation, was wir machen können: Chancengerechtigkeit für alle, keine Politik zulasten der nachfolgenden Generation.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ruf wird heute wieder kommen, noch mehr Geld für Länder und Kommunen bereitzustellen.
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Was sind die Realitäten? Die Realität ist folgende: dass die Gesamtheit der Länder im dritten Quartal einen Überschuss von 19,6 Milliarden Euro hat, kein Land – auch das Saarland nicht, auch Bremen nicht, auch Nordrhein-Westfalen nicht –
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ist ohne Überschuss. Ich verstehe dann nicht, wenn die Ministerpräsidentin meines Heimatlandes am Sonntag in der ARD Folgendes sagt: Die CDU stellt gerade infrage, ob wir das Bundesgeld, das wir hart verhandelt haben, komplett für die Kitagebührenfreiheit ausgeben können, sie stellt infrage, ob wir es dauerhaft haben können. – Erste Bemerkung: Im Koalitionsvertrag sind für das Gute-Kita-Gesetz bis 2021 3,5 Milliarden Euro vorgesehen. In der Finanzplanung, haben wir als Große Koalition schon entschieden, sind bis 2022 5,5 Milliarden Euro vorgesehen. Richtig, Frau Schwesig, ist Folgendes – und dazu stehen wir als Union –: Wir wollen in erster Linie eine Qualitätsverbesserung in unseren Kindergärten, wir wollen, dass die Erzieherinnen und Erzieher besser bezahlt werden, wir wollen einen besseren Betreuungsschlüssel, kleinere Gruppen; das ist unser vorrangiges Anliegen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Heimatland hat 2016, 2017, mit dem Überschuss 2018 Überschüsse von 1,7 Milliarden Euro. Wenn ich das Grundgesetz noch richtig im Kopf habe, liegt die Finanzverantwortung für die Kommunen bei den Ländern. Liebe Frau Schwesig, ich sage von dieser Stelle aus nur eines: Wenn Sie eine komplette Kitagebührenfreiheit haben wollen, dann können Sie, wenn Sie im letzten Jahr 676 Millionen Euro Überschuss hatten, die Beitragsfreiheit für die Kindergärten als Land ganz allein entscheiden; dem steht der Bund nicht im Wege, an keiner Stelle.
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Einen nächsten Punkt möchte ich gerne anmerken. Einige waren ja überrascht ob der Steuerschätzung im Oktober dieses Jahres: keine gravierenden Steuermehreinnahmen, auf allen drei Ebenen nicht, weder beim Bund noch bei den Ländern noch bei den Gemeinden. Im Mai sah es mit Steuermehreinnahmen für alle drei Ebenen von insgesamt 63 Milliarden Euro dagegen noch relativ rosig aus.
Gucken Sie sich mal die Entwicklung der Steuereinnahmen an. Dieses Jahr hat der Bund an Steuereinnahmen noch 12 Milliarden Euro mehr als die Gesamtheit der Länder. In 2023 wird sich das umkehren. Da wird die Gesamtheit der Länder 3 Milliarden Euro mehr als der Bund haben. Grund ist der Bund-Länder-Finanzausgleich und dass der Bund massiv Umsatzsteueranteile abgegeben hat.
Ich finde, es muss endlich Schluss damit sein, dass für Aufgaben, für die die Länder zuständig sind – Schulen, Hochschulen, Kindergärten –, ständig der Bund angefragt wird. Bei dieser guten Einnahmesituation der Länder kann ich nur sagen: Zuständigkeit und Finanzverantwortung gehören in eine Hand.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Otto Fricke, wir haben hier nicht die Politik „Hier was drauf, da was drauf“ gemacht.
Zunächst zur inneren Sicherheit. Wir stehen dazu und sorgen für einen massiven Personalaufwuchs bei der Bundespolizei und einen Aufwuchs beim Bundeskriminalamt und beim Zoll. 80 Prozent des Personalaufwuchses erfolgen in Behörden, die mehr oder weniger mit Sicherheit zu tun haben, einschließlich BSI und BAMF, und dazu stehen wir auch.
Wir haben zwei Programme aufgelegt. Für das eine Programm wären eigentlich die Länder zuständig, aber wir konnten es gleichwohl nicht mehr mit ansehen, dass einige Länder keine Sonderwagen für ihre Bereitschaftspolizeien haben.
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Das andere Programm, bei dem es um die Freiwilligen Feuerwehren im Rahmen des Katastrophenschutzes geht – dazu ist der Bund auch verpflichtet –, ist ein 100-Millionen-Euro-Programm.
Daneben haben wir einen Pakt für den Rechtsstaat installiert, und hier verstehe ich die Kritik nicht. Wir haben jetzt nach 26 Jahren dafür gesorgt, dass endlich ein zusätzlicher Strafsenat nach Leipzig kommt. Wir haben aber nicht, wie ursprünglich festgelegt, Karlsruhe etwas weggenommen, sondern wir haben, weil dort beim Zivilsenat die Notwendigkeit besteht, auch aufzubauen, einen zusätzlichen Senat geschaffen. Ich bin hier völlig bei der Justizministerin: Wenn jetzt die Länder noch anfangen, darüber zu diskutieren – wie bei den Kitas, den Schulen und den Hochschulen –,
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dass wir auch noch im Bereich der Justiz Aufgaben der Länder übernehmen sollen, das heißt, Richter und Staatsanwälte finanzieren sollen, dann kann ich den Ländern an dieser Stelle nur zurufen: Wir haben unseren Anteil am Pakt für den Rechtsstaat geleistet, und jetzt liegt die Verantwortung bei den Ländern, das Gleiche zu tun und dort 2 000 Stellen aufzubauen.
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Wir haben dafür gesorgt – und das hat nichts mit Aufrüstung zu tun –, dass vier wichtige, große Beschaffungsvorhaben bei der Bundeswehr realisiert werden können, und wir haben 1 000 neue Stellen mit Kompensation geschaffen, um den Beförderungsstau abzubauen. In gleicher Art und Weise haben wir einen Aufwuchs der ODA-Ausgaben von insgesamt 700 Millionen Euro beim BMZ und beim Auswärtigen Amt realisiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird im Augenblick in der Lausitz und in Nordrhein-Westfalen eine intensive Debatte zum Thema Braunkohle geführt. Wir als Große Koalition – Union und SPD gemeinsam – haben dafür gesorgt, dass Voraussetzungen für den Strukturwandel geschaffen werden, dass zum Beispiel Fraunhofer-Institute in der Lausitz und in Nordrhein-Westfalen und ein Institut des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in der Lausitz aufgebaut werden können. Daneben haben wir die Innovationsförderung für die neuen Länder um über 10 Millionen Euro erhöht.
Deswegen, Otto Fricke, haben wir nicht hier und da was draufgelegt, sondern dafür gesorgt, dass in strukturschwachen Regionen die Chance besteht, gleichwertige Lebensverhältnisse zu erreichen. Dieser Punkt ist mir an dieser Stelle besonders wichtig.
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Lassen Sie mich zum Schluss ein Wort zu Europa sagen. Herr Boehringer, Sie werfen uns Finanztricksereien vor. Ich habe einen schönen Drahtbesen zu Hause. Kehren Sie erst mal vor der eigenen Tür!
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Kehren Sie wirklich erst mal mit einem dicken, fetten Drahtbesen vor Ihrer eigenen Tür, wenn es um Ihre Finanztricksereien – Johannes Kahrs ist darauf eingegangen – geht!
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Ich kann Ihnen als jemand, der in Mecklenburg-Vorpommern groß geworden ist, nur sagen: Den neuen Bundesländern und den strukturschwachen Regionen in Deutschland haben Programme wie „Regionale Wirtschaftsförderung“ und „Europäischer Sozialfonds“ sowie Programme für die Entwicklung ländlicher Räume geholfen. Wir wollen, dass auch in Polen, im Baltikum, in Tschechien und in der Slowakei eine gute wirtschaftliche Entwicklung erfolgt; denn der größte Profiteur einer guten wirtschaftlichen Entwicklung mit dem Euro ist Deutschland und niemand anderes.
Herzlichen Dank.
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Jetzt hat das Wort Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage ist doch: Wird durch diesen Haushalt unser Land gerechter und friedlicher?
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Unsere Antwort ist: Nein.
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Union und SPD haben die Chance zum Umsteuern verspielt. Das ist fatal, meine Damen und Herren.
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Ganz im Gegenteil: Noch immer sind Union und SPD stolz auf ihre Kürzungspolitik der letzten Jahrzehnte. Die Agenda 2010, die Politik des schlanken Staates und der schwarzen Null haben den Staat in vielen Bereichen handlungsunfähig gemacht. Das können wir uns nicht leisten.
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Der Bundesrechnungshof hat uns ja zahlreiche Beispiele aufgelistet, die deutlich machen: Steuerhinterzieher haben in Deutschland kaum etwas zu befürchten, weil einfach das Personal fehlt, um die Steuern wirkungsvoll einzutreiben.
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Der Personalabbau der letzten Jahrzehnte wirkt also wie eine Steuersenkung für die Vermögenden. Das ist nicht in Ordnung.
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Ein Unternehmen muss im Durchschnitt nur alle 71 Jahre mit einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung rechnen. Ist das nicht absurd, meine Damen und Herren?
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Aus der Sicht der Vermögenden war diese Politik natürlich richtig. Sie sind noch reicher geworden, wie zum Beispiel ein gewisser Friedrich Merz, der in Zukunft die CDU führen will. Er meint, mit zwei Privatflugzeugen und einem Haus am Tegernsee zur oberen Mittelschicht zu gehören. Dieser Mensch kennt wirklich nicht die Arbeits- und Lebensverhältnisse in unserem Land. Er sollte sich damit erst einmal beschäftigen, bevor er Parteivorsitzender werden will.
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Die Mehrheit der Menschen in unserem Land fordert eine gerechte Verteilung des Reichtums. Doch das schließt die Koalition kategorisch aus. Im Gegenteil: Sie will die Besserverdienenden weiter entlasten. Darin ist sie sich übrigens mit FDP und AfD einig. Dem steht Die Linke fundamental entgegen. Wir wollen, dass Menschen, die weniger Geld haben, mehr bekommen.
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Das Wort „Solidaritätszuschlag“ ist hier schon mehrfach gefallen. Ich finde, diejenigen, die ihn abschaffen wollen, müssen auch sagen, wo sie die 20 Milliarden Euro hernehmen wollen, die dann im Haushalt fehlen.
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Man kann doch nicht so tun, als wäre das Geld dann automatisch wieder da; denn in den kommenden Monaten und Jahren wird das Wirtschaftswachstum eher stagnieren oder sinken, so alle Prognosen. Das hat doch auch Einfluss auf die Steuereinnahmen. Da muss doch Vorsorge getroffen werden.
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Wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie doch, dass Sie mit diesem Haushalt nur knapp an neuen Schulden vorbeigeschrammt sind. Einen ausgeglichenen Haushalt wird es in den kommenden Jahren nur geben, wenn die Vermögen endlich stärker besteuert werden.
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Auf keinen Fall darf bei den Armen weiter gekürzt werden.
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Schon jetzt ist die Kinderarmut in unserem Land eine Schande und verantwortungslos gegenüber der Zukunft. Armut kann nur bekämpft werden, wenn man Reichtum wirkungsvoll begrenzt, meine Damen und Herren.
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Es ist ja schon angesprochen worden: In der Schlussrunde ist auf den Rüstungshaushalt noch mal ordentlich was draufgelegt worden. Wenn Sie die Menschen auf der Straße fragen würden, was ihnen wichtiger ist, mehr Bildung oder mehr Geld für Rüstungskonzerne, dann können Sie davon ausgehen, dass bestimmt 95 Prozent der Menschen sagen: Bildung. – Aber die Bundesregierung und die Koalition sehen das anders. In der sogenannten Bereinigungssitzung sind noch einmal 323 Millionen Euro zusätzlich für militärische Beschaffung beschlossen und für die nächsten Jahre schon einmal 5,66 Milliarden Euro für Aufrüstung versprochen worden.
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Aber das geplante Geld für das Ganztagsschulprogramm, die 2 Milliarden Euro, die schon im Haushaltsplan eingestellt worden waren, ist gestrichen worden. Das ist verantwortungslos und zynisch. Da lassen wir auch keine Ausreden gelten, meine Damen und Herren.
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– Dann sage ich mal etwas zum Thema Schieben, um diesen Zwischenruf aufzugreifen. Die Einführung der Finanztransaktionsteuer wird uns seit zehn Jahren versprochen. Deren Einführung wird auch seit zehn Jahren geschoben. Ich bin mal gespannt, wie lange Sie dieses Programm schieben wollen.
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Meine Damen und Herren, Frau von der Leyen kann sich natürlich freuen. Sie kann jetzt ein Mehrzweckschiff für 147 Millionen Euro kaufen. Da sage ich mal, Herr Scholz: Kriegsschiffe statt Schulen – soll das Ihre Handschrift sein? Das kann ich mir nicht vorstellen.
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Im Koalitionsvertrag kommt das Wort „Sozialpolitik“ nur einmal vor. Das ist ehrlich. Das Wort „Kapitalpolitik“ kommt aber gar nicht vor. Das ist unehrlich. Dabei tut die Regierung wirklich alles, um den Kapitaleignern zu gefallen. Finanzminister Scholz findet, dass unsere Banken zu klein sind. Die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel kommentiert völlig zutreffend: „Da hat man das Gefühl, die Lehren der Finanzkrise wurden vergessen.“ Das sollte Ihnen doch zu denken geben.
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Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist weder solidarisch noch gerecht und schon gar nicht auf Frieden ausgerichtet. Die Linke sagt dazu Nein; denn wir wollen ein gerechtes und friedliches Land.
Vielen Dank.
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Nächste Rednerin ist Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in dieser Haushaltsdebatte drei Punkte ansprechen und beginne mit Europa. Ich mache mir Sorgen, Herr Finanzminister, wenn ich darüber nachdenke, welche Rolle die deutsche Regierung im Jahr 2018 dort eigentlich eingenommen hat. Geschrieben wird: Deutschland bremst. – Und wenn ich jetzt ganz konkret werde – ich nehme das Thema „Besteuerung digitaler Konzerne“ –, dann ist mein Urteil ganz klar: Deutschlands Blockadehaltung bei der Digitalsteuer passt nicht zu einem Aufbruch für Europa.
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Ich möchte das auch begründen. Der Kommissionsvorschlag ist schon ein ziemlich weitgehender Kompromiss gewesen. Er hat der Kritik Rechnung getragen, dass die innovativen Start-ups nicht gehemmt werden dürfen. Die europäische Digitalsteuer sollte auch nur ein erster Schritt sein, bis man zu einer weltweiten Mindestbesteuerung für Unternehmen kommt. Aber die werden wir nicht vor 2020 bekommen.
Sie haben sich in Meseberg – das ist noch kein halbes Jahr her – mit Frankreich darauf verständigt, bis zum Ende des Jahres eine Steuer für digitale Konzerne auf den Weg zu bringen. Und was haben Sie erreicht? Sie haben eine Blockadehaltung eingenommen, und das tut Europa nicht gut.
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Es geht hier um Vertrauen, Herr Scholz.
Kommen wir zu dem zweiten wichtigen Punkt der europäischen Frage, der mit Ihrer Verantwortung und der Finanzpolitik der Bundesregierung zu tun hat: der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion. Gestern hat man den kleinstmöglichen gemeinsamen Nenner für ein Euro-Zonen-Budget gefunden, und zwar 0,2 Prozent des europäischen BIP. Das sind zwar 20 Milliarden bis 25 Milliarden Euro, aber es geht auch um einen riesigen Währungsraum.
Das „Handelsblatt“ titelte dazu gestern: „Scholz zeigt Le Maire die Grenzen auf“. Soll das unsere Botschaft sein? Ist das die deutsche Rolle bei einer europäischen Politik, die wir nach vorne bringen müssen, und angesichts des Vertrauens, das die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in Europa haben? Ist das die Rolle des Bundesfinanzministers Olaf Scholz? Ich finde das beschämend.
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Aber ich gebe zu: Olaf Scholz hat es nicht leicht. Da macht er einen richtig guten Vorschlag – den unterstützen wir zutiefst; bleiben Sie dabei! –, im Rahmen der Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion auch eine europäische Arbeitslosenrückversicherung voranzutreiben. Das wäre der zweite Baustein, mit einer solidarischen und sozialen Absicherungsbotschaft an die europäischen Bürgerinnen und Bürger.
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Das ist ein Stabilisierungsfonds.
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– Hören Sie mal zu statt dieses reflexhaften, ideologischen Gerufes aus der Union! Hören Sie mal zu, was man daraus machen kann! Man kann nämlich umgekehrt mit diesem Stabilisierungsfonds besonders effektiv nationale Sozial- und Arbeitsmarktreformen konditionieren.
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Denn dieser Stabilisierungsfonds setzt – das gibt es noch gar nicht überall – eine funktionierende Arbeitslosenversicherung und kluge Arbeitsmarktreformen voraus. Dieser Vorschlag ist sehr klug
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und im Übrigen in den Vereinigten Staaten von Amerika, die ja nicht für übermäßige Transfers bekannt sind, Praxis.
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Deswegen kann man nur sagen: Das, was hier gerade wieder stattfindet, ist eine reflexhafte ideologische Bremse. Es ist schon grotesk, wenn die Union auch in Person des Wirtschaftsministers Altmaier sagt, diese Arbeitslosenrückversicherung überzeuge sie nicht, obwohl wir im eigenen Land bei jeder Krise selbstbewusst von diesen automatischen Stabilisatoren Gebrauch machen. Da sind wir nämlich froh, dass wir die soziale Marktwirtschaft mit diesen sozialen Sicherungssystemen haben. Darüber sollten Sie mal nachdenken.
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Ich komme noch zu einem weiteren Punkt, und zwar der Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Diese Bundesregierung schafft es immer wieder, bei den Themen „Wie gehen wir mit Familien um?“ und „Wie gehen wir mit Rentnerinnen und Rentnern um?“ das Geld ganz bewusst breit zu verteilen und nicht gezielt diejenigen zu entlasten, die es am meisten brauchen. Wir schlagen dagegen vor, gegen Kinderarmut 6,2 Milliarden Euro einzusetzen. Wir schlagen bei der Rente vor, arme Rentnerinnen und Rentner gezielt zu fördern. Dafür wäre das Geld auch da.
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Noch verrückter sind die ganze Diskussion und Streiterei beim Soli. Wenn man den Soli sofort ganz abschafft, dann würde das reichste Prozent derjenigen, die den Soli zahlen – die Betreffenden zahlen 28 Prozent des Soliaufkommens –, um 5,1 Milliarden Euro entlastet.
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Man könnte auch sagen: Die reichsten 10 Prozent, die zu 60 Prozent zum Soliaufkommen beitragen, würden entsprechend entlastet. Das ist doch nicht zielgenau. Die Entlastung entstünde doch genau da, wo sie nicht am nötigsten ist. Was wir brauchen, ist eine Einkommensteuerreform, die mutig ansetzt und Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen entlastet. Auch dafür hätten wir das Geld.
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Last, but not least. Wir brauchen eine engagierte Politik, die das Klima schützt und mit einer mutigen Verkehrs- und Energiewende dazu beiträgt, dass Deutschland endlich die CO 2 -Ziele besser erreicht. Wir brauchen einen Aufbruch für konsequenten Klimaschutz. Wir brauchen einen Aufbruch für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, Herr Scholz. Wir brauchen für unsere Zukunft endlich einen Aufbruch für Europa. Tun Sie endlich etwas! Werden Sie wach! Sonst dürfen Sie sich nicht wundern, dass die Menschen frustriert sind über die Volksparteien.
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Jetzt hat das Wort der Bundesfinanzminister Olaf Scholz.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine gute Finanzpolitik ist der Stabilitätsanker unseres Gemeinwesens und ist auch ein Markenzeichen dieser Koalition.
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Wir legen mit dem Haushalt 2019 wieder einen Entwurf vor, der zeigt, dass ganz viele Dinge gleichzeitig funktionieren, zum Beispiel Politik ohne neue Schulden zu machen. Ich habe sorgfältig zugehört und vernommen, was alles gesagt wurde. Aber irgendwie kam in den Reden immer vor: Es ist wieder ein Haushalt ohne neue Schulden.
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Dann wurde darüber geredet, warum das angeblich doch nicht so sei. Doch, so ist es! Das ist wirklich eine große Leistung. Es ist ebenfalls eine große Leistung, dass wir es jetzt schaffen, dass Deutschland die Maastricht-Kriterien vollständig erfüllt und dass der Schuldenstand unter 60 Prozent des Bruttosozialprodukts liegt. Ein guter Erfolg und ein Beitrag zur Sicherheit der künftigen Generationen.
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Das ist im Übrigen auch ein Beitrag dazu, dass wir in einer wirtschaftlichen Krise handeln können. Denn das merken wir jetzt jeden Tag: Länder, die 130 Prozent der Wirtschaftsleistung als Schulden haben wie Italien zum Beispiel, müssen viel vorsichtiger agieren bei ihren Möglichkeiten.
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Sie haben sogar Probleme, Dinge einzuführen, die wir in Deutschland längst für selbstverständlich halten. Zum Beispiel eine Absicherung gegen Langzeitarbeitslosigkeit, wie wir sie in Deutschland selbstverständlich kennen, gibt es in Italien heute nicht. Wenn das Land über die Einführung einer solchen Absicherung diskutiert und gleichzeitig merken muss, dass es wegen der Schuldenpolitik der letzten Jahre nur wenige Gestaltungsspielräume hat, dann zeigt uns das, wie gut es ist, auf das Geld aufzupassen und eine solide Haushaltspolitik zu machen.
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Wir erhöhen die öffentlichen Investitionen. Wir investieren in Infrastruktur, in Bildung und Forschung. Das ist ganz wichtig für die Zukunft unseres Landes. Wir treffen gleichzeitig Vorsorge dafür, dass wir auch in Zukunft in der Lage sind, unsere sozialen Sicherheitssysteme so zu organisieren und zu finanzieren, dass wir das Sicherungsversprechen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern auch in Zukunft einhalten können.
Wie Sie merken, bin ich ein bisschen erkältet.
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Das ist aber kein symbolischer Beitrag zur Debatte über die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren; denn unverändert ist, dass wir ein Wirtschaftswachstum sehen, dass wir ein Aufwachsen der Beschäftigung haben und dass wir vorhersehbar weiterhin gute Steuereinnahmen zu verzeichnen haben. Trotzdem bin ich all den Rednern und Rednerinnen dankbar, die gesagt haben, dass diese Entwicklung nicht mehr ganz so weiterläuft wie in den letzten Jahren und dass also Vorsicht in den nächsten Jahren angebracht ist. Alle, die diesen Blick ein bisschen schärfen wollen, haben den Bundesminister der Finanzen auf ihrer Seite. Wir müssen aktiv nach vorne planen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir die Zukunft unseres Landes entwickeln. Aber wir müssen auch vorsichtig sein, damit wir nicht wieder in Situationen wie früher kommen.
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Meine Damen und Herren, es gibt auch Risiken. Ein Risiko hat zum Beispiel mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu tun. Ich glaube, dass wir alles dazu beitragen sollten, dass es eine gute Vereinbarung gibt, und dass wir hoffen dürfen, dass das britische Parlament annimmt, was angeboten ist. Aber gleichzeitig sollten wir dafür Sorge tragen, dass diese Entwicklung nicht dazu führt, dass es wirtschaftliche Schwierigkeiten in Großbritannien oder in der übrigen Europäischen Union gibt. Aber wir müssen und wir werden dafür Sorge tragen, dass wir in Europa große Fortschritte erreichen. Das ist jetzt wirklich die Zeit, in der das ansteht.
Wir haben nach der letzten Finanzkrise viele, viele Dinge auf den Weg gebracht, die dazu beigetragen haben, dass Europa jetzt stabiler mit einer Krise umgehen kann, als das vor zehn Jahren der Fall war – mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, mit der Schaffung eines Bankenabsicherungsmechanismus. Aber wir haben all die Aufgaben, die da anstehen, noch nicht zu Ende gebracht.
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Deshalb ist es richtig, dass wir dieses Jahr, in diesem Dezember – der im Übrigen nur wenige Tage vor uns liegt –, die nächsten großen Schritte vereinbaren und richtigen Fortschritt für Europa voranbringen. Wir werden das auch tun, übrigens zusammen mit Frankreich.
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Deshalb wird es so sein, dass wir große Fortschritte dabei erzielen, den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem Währungsfonds weiterzuentwickeln. Deshalb wird es so sein, dass wir ihn zu einer Letztsicherung für den Bankenabwicklungsmechanismus machen, sodass wir die Stabilität der europäischen Struktur im Umgang mit Krisen verbessern und gleichzeitig sicherstellen, dass nicht wieder Staaten, sondern diese so geschaffenen Strukturen in der Lage sind, eine Bankenkrise abzuwettern – ein großer Fortschritt, übrigens auch ein Fortschritt aus der Perspektive aller Bürgerinnen und Bürger.
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Deshalb haben wir uns fest vorgenommen, dass wir auch weitere Schritte gehen müssen. Einer davon steht jetzt zur Debatte. Ich habe zusammen mit dem französischen Kollegen Bruno Le Maire vorgeschlagen, dass wir ein Euro-Zonenbudget im Rahmen des europäischen Haushaltes etablieren. Das ist ein Vorschlag, der aus dem letzten Jahr stammt. Wir haben ihn in der Rede des französischen Präsidenten gehört. Wir haben uns im Frühjahr zusammengesetzt und überlegt, wie das gehen kann. Wir beide haben Vorschläge gemacht, die bei den Regierungsgesprächen in Meseberg zu der Vereinbarung geführt haben, das zu tun – übrigens schon mit der wichtigen, richtigen Formulierung „im Rahmen der Europäischen Union“; denn es war für uns ganz zentral, dass das nicht ein gesondertes Gebilde außerhalb der Europäischen Union werden soll.
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Und wir haben es geschafft, einen Weg zu finden im Rahmen des Haushaltes, mit dem Ergebnis, dass die gestrige Debatte in Brüssel dazu geführt hat, dass kein Land gesagt hat, das könne man sich gar nicht vorstellen.
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Deshalb haben wir jetzt den Weg gezeigt, wie das im Rahmen des Haushaltes ab 2021 gehen kann.
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Ein Euro-Zonenbudget trägt zur Stabilisierung der Euro-Zone und Europas bei.
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Wenn wir über Europa diskutieren, Kollegin Hajduk, gibt es aber einen Aspekt, den man nie vergessen darf: Es sind demnächst 27 Länder, die sich darüber verständigen müssen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass alle Debatten immer innerhalb des nationalen Rahmens stattfinden und dass man gar nicht mitkriegt, dass man auch als großes Land wie Deutschland sich in Wahrheit mit vielen anderen Ländern verständigen muss. Das aber scheint jetzt hier zu gelingen, und deshalb ist das ein großer Fortschritt: weil es nicht nur eine Sache von einem Land oder zwei Ländern ist, sondern etwas, bei dem viele mitmachen wollen. Genau so muss man das in Europa machen; da ist keine belehrende Haltung richtig.
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Selbstverständlich unterstütze ich unverändert die Idee, die hier angesprochen worden ist, dass wir zur Stabilisierung der europäischen Entwicklung auch so etwas wie eine Rückversicherung für die Arbeitslosenversicherung brauchen. Das ist ein guter Vorschlag.
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Er hat im Übrigen auch deshalb ein bisschen was für sich, weil die USA seit Jahren gut damit leben. Ich merke, dass auch die Unterstützung in Deutschland größer wird. Es gibt sogar temporäre Fans – Fans, die das mal gut finden und dann wieder nicht.
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Aber das ist vielleicht das Vorzeichen einer guten Entwicklung.
Im Übrigen ist es so, dass wir auch bei anderen Themen, die wichtig sind, vorankommen. Das gilt zum Beispiel für die Besteuerung großer international agierender Unternehmen. Ein großer Missstand ist, dass viele dieser Unternehmen Wege gefunden haben, wegen ihrer Größe und internationaler Regelungen nicht überall dort Steuern zu zahlen, wo sie eigentlich wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entwickeln. Aber es gibt seit Jahren gute Fortschritte – übrigens auch von der deutschen Bundesregierung schon früher vorangetrieben –, die dazu beitragen, dass wir etwas gegen die Verlagerung von Gewinnen in Länder, wo wenig oder gar keine Steuern erhoben werden, tun.
Aber wir müssen da weitermachen, weil wir sehen, dass dies unverändert Probleme sind, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Deshalb bin ich dafür, dass wir jetzt endlich dazu beitragen, dass es internationale Vereinbarungen über die Mindestbesteuerung von Unternehmen gibt. Wir müssen dort einen entscheidenden Fortschritt erreichen, und es sieht so aus, dass wir ihn schon 2020 bekommen; denn so sind die Diskussionen in der OECD, und ich werbe dafür, dass wir es auch tatsächlich erreichen.
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Zu diesem Feld gehört auch die Besteuerung der digitalen Unternehmen – das sind auch solche großen Unternehmen –, bei denen wegen der Eigenart ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit – das, woran wir Steuerzahlung bisher anknüpfen, ist die physische Präsenz, und die ist bei denen nur sehr wenig vorhanden – die Möglichkeiten noch größer sind. Wir werden das machen müssen, aber auch dort empfiehlt sich Multilateralismus und nicht Unilateralismus, wenn ich das einmal sagen darf.
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Wir haben eine Situation, in der die Besteuerungsrechte in der Welt gegenwärtig so sind, dass dort besteuert wird, wo produziert wird, wo Dienstleistungen erbracht werden und wo Erfindungen gemacht werden. Das wird in den nächsten Jahren sicherlich ein bisschen anders werden. Das sind die veränderten Verhältnisse in der Welt. Deshalb ist es für uns ein guter Anlass, darüber zu diskutieren, dass zum Beispiel im Zusammenhang mit der digitalen Wirtschaft Veränderungen stattfinden, die es uns möglich machen, auch die digitalen Unternehmen in Europa zu besteuern. Wir werden das tun, und wir sind uns mit Frankreich einig, wie wir das in Meseberg vereinbart haben, dass wir noch im Dezember – bis dahin sind es nur noch wenige Tage – einen gemeinsamen Vorschlag dazu machen werden, wie wir vorgehen, falls das auf internationaler Ebene nicht funktioniert.
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Meine Damen und Herren, der Haushalt beschäftigt sich natürlich auch damit, wie wir den Zusammenhalt unserer Gesellschaft in Deutschland für die Zukunft sichern können. Dazu gehört die sehr hohe Investitionsquote, die ich genannt habe. Dazu gehört, dass wir alles dafür tun, dass mehr im Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger ist, zum Beispiel für Familien durch die Erhöhung des Kindergeldes und die Anhebung des Freibetrags sowie die steuerliche Entlastung bei der kalten Progression – alles zusammen 10 Milliarden Euro. Dazu gehört auch, dass wir dafür sorgen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Krankenversicherungsbeiträge jetzt wieder halbe-halbe bezahlen, dass die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sinken. Trotz der Veränderung bei der Pflegeversicherung bedeutet das für viele Bürgerinnen und Bürger eine große Entlastung.
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Dazu gehört, dass wir etwas tun, um Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. In dieser Zeit, wo wir einen so hohen Beschäftigungsstand haben – die höchste Zahl von Erwerbstätigen, die höchste Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter –, muss unsere ganze Kraft dahin gehen, auch diejenigen in den Arbeitsmarkt zu bringen, die jahrelang draußen waren. Das hat die Regierung vereinbart.
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Wir tun was zur Stabilisierung der Renten – ein ganz, ganz großer Schritt nach vorn! Dann kommt auch das, was wir eben schon als Forderung gehört haben: Bereits im nächsten Jahr wird es Vorschläge für eine Grundrente geben,
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die dafür sorgt, dass diejenigen, die wenig Geld haben, bei der Rente besser dastehen.
({23})
Auch das ist Teil des Programms und ein guter Weg.
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Und wir tun etwas dafür, dass wir in der großen Frage des Wohnungsbaus vorankommen: mit der Förderung der Eigentumsbildung, mit einem massiven Ausbau des sozialen Wohnungsbaus, für den wir auch die Verfassung mit Ihnen zusammen ändern wollen.
Alles zusammen Beiträge, um den Wohlstand unserer Bürgerinnen und Bürger und den sozialen Zusammenhalt zu verbessern! Das, glaube ich, ist mit diesem Haushaltsentwurf gelungen. Er ist durch die Beratung im Parlament noch besser geworden. Dafür möchte sich der Bundesminister sehr bedanken.
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Stephan Brandner, AfD, ist der nächste Redner.
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Meine Damen und Herren! Mit einem Rekordvolumen von rund 356 Milliarden Euro und damit etwa 13 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr gibt unser Staat so viel aus wie noch nie. An eine Entlastung der Bürger hat freilich keiner in der Regierung gedacht, am wenigsten mein Vorredner, der Finanzminister. So bleiben dem Bürger von jedem verdienten Euro gerade mal 46 Cent in der Tasche.
Die Gier unseres Staates führt dazu, meine Damen und Herren, dass Deutschland im internationalen Vergleich beim Nettoeinkommen nur auf Platz zwölf landet.
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Verschwendung zieht sich wie ein roter Faden durch alle Kapitel und alle Einzelpläne. Zur Verschwendung wollte ich eigentlich ein paar Ausführungen machen,
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doch dann kam Herr Kahrs mit seinem Rumgepöbel von hier vorn, sodass ich leider noch was dazu sagen muss, obwohl Herr Kahrs sich in letzter Zeit unbelehrbar gezeigt hat und immer wieder die gleichen Ausfälle von hier vorn produziert.
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Lieber Herr Kahrs, wortreich haben Sie sich in Ihrer Gott sei Dank knapp bemessenen Redezeit
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über einen mutmaßlichen Spendenskandal bei uns in der AfD aufgeregt,
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wobei Sie sich eigentlich zu wichtigen Sachen hätten äußern müssen. Kein Wort von Ihnen zur Nullzinspolitik, die den deutschen Sparer 20 Milliarden Euro im Jahr kostet!
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Kein Wort, Herr Kahrs, zu Hartz IV, das von Ihrer SPD installiert worden ist und durch das es Millionen Arbeitnehmern ans Vermögen geht! Dazu, Herr Kahrs, hätten Sie reden müssen.
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Kein Wort, Herr Kahrs, zu SPD-Aufsichtsräten wie Hohmann-Dennhardt zum Beispiel, die nach kurzer Zeit im Aufsichtsrat von VW Abfindungen in Millionenhöhe kassiert hat! SPD, Herr Kahrs.
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Kein Wort zu Ihrem Oberbürgermeister von Regensburg, der unter Korruptionsverdacht steht! Ich weiß nicht, ob er noch im Knast sitzt; jedenfalls saß er im Knast. Dazu, Herr Kahrs, hätten Sie reden müssen.
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Kein Wort, Herr Kahrs, zu einem Herrn Tauss und einem Herrn Edathy, mit dem Sie ja wohl gewissermaßen unter einer Decke steckten.
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Herr Kahrs, kümmern Sie sich um Ihre SPD, und lamentieren Sie nicht über unsere AfD. Ihre SPD, Ihre Spezialdemokraten, Herr Kahrs, haben es nötig, dass Sie sich darum kümmern; denn diese SPD braucht in Deutschland kein Mensch, und das ist es auch, was diese SPD mit Frau Merkel verbindet: Die braucht nämlich in Deutschland auch kein Mensch.
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Herr Rehberg, auch Sie – leider ist meine Redezeit gleich schon um, da komme ich gar nicht mehr zu den Verschwendungen – sprachen natürlich den mutmaßlichen Spendenskandal der AfD an. Nichts ist natürlich billiger, als auf so einen Zug aufzuspringen,
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den Herr Kahrs, wahrscheinlich unterstützt durch Herrn Schulz, aufs Gleis gesetzt hat.
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Herr Rehberg, gestern war dieser mutmaßliche Spendenskandal bei uns Thema in der Fraktion.
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Können Sie sich vorstellen, dass der eine oder andere Fraktionär tatsächlich Skrupel hätte, sich mit Spenden oder auch Schwarzgeld an einen Bundestagspräsidenten zu wenden, der ganz große Erfahrung mit Schwarzgeld und Spenden hat und damit in der Vergangenheit nicht gerade brillierte?
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Darauf, Herr Rehberg, hätten Sie vielleicht auch einmal eingehen sollen. Nicht immer auf die anderen zeigen. Sie wissen selber: Zeigen Sie mit einem Finger auf die anderen, zeigen drei Finger auf Sie zurück.
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Das geht Ihnen, Herr Rehberg, genauso wie Herrn Kahrs.
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Meine Damen und Herren, um auf die Verschwendungen des Herrn Steinmeier einzugehen, zu denen ich eigentlich Ausführungen machen wollte, fehlt mir jetzt leider die Zeit. Oder gestatten Sie einen Zuschlag, Herr Schäuble? – Nein, er gestattet mir keinen Zuschlag, sodass ich mit diesen Worten schließe.
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist Andreas Jung, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sollte ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass man nur das Geld ausgibt, das man auch tatsächlich hat. Wir wissen leider, dass es keine Selbstverständlichkeit war, dass es im internationalen Vergleich immer noch keine Selbstverständlichkeit ist und es erst im Jahr 2014 gelungen ist, zu ausgeglichenen Haushalten zurückzukehren. Den letzten ausgeglichenen Haushalt davor gab es im Jahr 1969 noch unter dem Finanzminister Franz Josef Strauß.
Jetzt können wir darüber diskutieren, an wem es am meisten liegt und wem es zu verdanken ist, dass es gelungen ist und seitdem immer wieder gelingt. Ich möchte allerdings mit Blick auf die heutige Debatte eines einfach noch einmal festhalten: Es war der Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, mit dem wir von roten Zahlen zur schwarzen Null gekommen sind. Dafür möchte ich Ihnen, Herr Dr. Schäuble, auch heute ein ganz herzliches Dankeschön dieses Hauses aussprechen.
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Das ist unsere Verpflichtung und der Auftrag auch für die neue Große Koalition mit jetzt sozialdemokratischem Finanzminister. Wir erreichen mit einem roten Minister trotzdem die schwarze Null. Das ist ein Erfolg für die Große Koalition, und es ist vor allem eine gute Nachricht für künftige Generationen. Denn die Frage ist doch: Was bedeutet diese Null? Null heißt null Belastungen für künftige Generationen.
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Deshalb möchte ich sagen: Das ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeit.
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Nachhaltigkeit heißt nicht nur, Politik für die Menschen heute machen, sondern Nachhaltigkeit heißt eben auch: Politik mit einem Blick auf die künftigen Generationen machen. Beides tun wir mit diesem Haushalt mit der schwarzen Null, mit den Investitionen; und deshalb ist es eine gute Nachricht für die Menschen in diesem Land.
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Das will ich an einigen Punkten ausführen: Es ist ein Programm für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gesellschaftlicher Zusammenhalt beginnt mit dem Vertrauen in die Gemeinschaft, in die Stärke der Gemeinschaft, auch mit dem Vertrauen in den Staat, auch in einen starken Staat. Das machen wir mit diesem Haushalt deutlich: mit unseren Maßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit, mit 3 000 zusätzlichen Stellen bei den Sicherheitsbehörden – bei der Bundespolizei, beim Bundeskriminalamt, beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik –, mit neuen Stellen beim Zoll, mit der Stärkung der Justizbehörden, die im Pakt für den Rechtsstaat vorgesehen ist, mit mehr Mitteln für Kriminalprävention.
Wir machen damit deutlich: Wir stehen zu der Aufgabe des Staates, für Sicherheit zu sorgen. Wir stehen zu der Aufgabe des Staates, Kriminalität zu bekämpfen. Dafür machen wir eben nicht nur Worte, sondern legen ein Programm mit ganz konkreten Vorhaben vor; das ist ein klares Bekenntnis zu unserem Rechtsstaat in diesem Haushalt.
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Den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken wir auch mit unseren Programmen im Bereich der Förderung der Familie, im Bereich der Förderung von Wohnungsbau und Wohnen, mit den Maßnahmen im Bereich der Pflege. Ich will die Maßnahmen in der Familienpolitik, die ja schon streitig diskutiert werden, besonders herausgreifen und ganz deutlich sagen: Ja, wir bekennen uns dazu, jede Familie zu fördern, weil nach unserer Überzeugung jedes Kind wertvoll ist und jede Familie unsere Unterstützung verdient hat.
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Genau das machen wir mit ganz konkreten Maßnahmen deutlich: mit der Stärkung der Familien durch den Freibetrag für die Eltern, durch einen höheren Kinderfreibetrag, durch Kindergeld und Elterngeld, mit der Förderung der Familien durch die Verbesserung der Betreuung, aber auch durch die Anerkennung der Leistungen der Familienarbeit in der Rente. Es ist ein umfassendes Programm für die Familien in unserem Land, ein Programm, das insbesondere die Handschrift unserer Fraktion trägt, das wir gemeinsam mit den Sozialdemokraten umsetzen können, das aus unserer Sicht ein besonders wichtiger Beitrag für die Zukunft dieser Gesellschaft ist.
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Es ist vorhin gesagt worden: Die schwarze Null ist nur deshalb möglich, weil die Steuereinnahmen so sprudeln. – Das ist richtig. Deshalb ist es unser besonderes Anliegen, mit diesem Haushalt die Weichen Richtung Zukunft so zu stellen, dass die Steuereinnahmen so bleiben, dass Deutschland wettbewerbsfähig bleibt. Wir müssen die Weichen dazu richtig stellen.
Das machen wir durch die Stärkung des Verkehrshaushaltes deutlich, der schon auf hohem Niveau war und der noch einmal erhöht werden kann. Das geschieht mit Maßnahmen für Schiene, für Straße, für Fahrradwege, aber auch für neue Antriebe, alternative Antriebe, für die Stärkung des Güterverkehrs, also mit einem umfassenden Programm zur Stärkung der Verkehrswege, zur Stärkung der digitalen Wege, der Breitbandinfrastruktur. Das sind wichtige Maßnahmen, damit unser Land stark bleibt, damit gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland – unser besonderes Ziel – verfolgt und umgesetzt werden können.
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Ich will in diesem Kontext ganz ausdrücklich die Fragen der Innovation, die Fragen der Forschungsförderung – und hier ganz speziell das Feld der künstlichen Intelligenz – ansprechen; denn wir werden auf diesem Gebiet herausgefordert durch die USA, durch China, durch viele, die Milliardenprogramme auflegen, um künstliche Intelligenz voranzubringen. Dabei geht es nicht nur um Wettbewerbsfähigkeit, nicht nur um Arbeitsplätze, sondern es geht auch um die Werte der Zukunft. Wem gelingt es, auf Basis des Verständnisses einer sozialen Marktwirtschaft Werte zu prägen, aber eben auch Wertschöpfung zu erhalten? Deshalb unterstützen wir ganz ausdrücklich die Anstrengungen der Bundesregierung und wollen sie verstärken, um die künstliche Intelligenz in unserem Land voranzubringen. Auch dadurch stellen wir Weichen für die Zukunft und schaffen Zukunftschancen für die junge Generation.
Ich will als letzte Bemerkung auf das Thema Europa eingehen. Ich möchte den Vertretern der AfD einfach zurufen: Sparen Sie sich Ihre Krokodilstränen über die Auswirkungen des Brexits. Ich kann mich gut erinnern: Als der Brexit beschlossen wurde, waren viele überrascht, manche entsetzt. Wir in der Union jedenfalls waren betrübt, weil wir dadurch einen wichtigen Partner in der Europäischen Union verlieren. Ich weiß aber, wie die Reaktion der Vertreter Ihrer Partei war: Da war Jubelstimmung, man hat sich über diese Abstimmung gefreut
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– das zeigt ja Ihr Applaus – und sie zur Nachahmung für andere, auch in Deutschland, empfohlen. Das ist nicht unser Weg. Wir sind überzeugt, dass die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen Europa ist.
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Deshalb wollen wir Europa stärken und stabil machen. Deshalb wollen wir eben nicht zurück, sondern nach vorne, und deshalb ist es richtig, mit unseren Partnern in Frankreich, aber auch mit allen anderen Partnern in Europa, darum zu ringen, welches der richtige Weg ist, um Europa stark zu machen und Stabilität für ganz Europa zu erreichen. Das ist unser Weg; das ist die ganz klare Haltung der CDU/CSU in diesem Haus. Sie wollen das Gegenteil.
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Ich komme zum Ende. Was wir vorlegen, ist ein Beitrag zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland; darauf wollen wir aufbauen und unsere Politik ausrichten, so wie wir es im Koalitionsvertrag festgelegt haben. Daran werden wir in den nächsten Monaten arbeiten.
Herzlichen Dank.
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Christian Dürr, FDP, ist der nächste Redner.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Bundesminister Scholz, Sie haben in Ihrer Rede gerade davon gesprochen, dass wir erreichen müssen, dass Unternehmen in Europa fair besteuert werden. Wir sind an diesem Punkt bei Ihnen: Natürlich ist es richtig, dass internationale Unternehmen, insbesondere da, wo sie Wertschöpfung erreichen, vernünftig besteuert werden – kein Zweifel. Das gilt auch für Digitalunternehmen.
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Aber – danke, Frau Lötzsch – wissen Sie, was noch viel besser wäre? Wenn sich ein Bundesfinanzminister nicht nur darüber Gedanken machen würde, wie amerikanische Unternehmen in Europa gut besteuert werden, sondern auch darüber, wie wir es in Europa endlich schaffen, dass bei uns Digitalunternehmen entstehen. Das muss doch die Frage sein.
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Internationaler Steuerwettbewerb: Herr Scholz, Sie haben erklärt, in dieser Legislaturperiode wird es keine Unternehmensteuerreform geben. Frankreich macht eine Unternehmensteuerreform, die Vereinigten Staaten machen eine Unternehmensteuerreform: Alle stellen sich darauf ein, dass sich digitale Unternehmen bei ihnen heimisch machen. Nur Deutschland verzichtet darauf. Das ist ein Riesenfehler, Herr Bundesminister Scholz.
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Sie haben davon gesprochen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, für die Zukunft vorzusorgen, wenn es konjunkturell vielleicht nicht mehr so gut läuft. Auch da sind wir bei Ihnen. Aber anstatt diesen Bundeshaushalt zu nutzen und Subventionen abzubauen, gibt es mit Olaf Scholz neue Subventionen in diesem Haushalt. Machen Sie sich die Kritik des Bundesrechnungshofes zu eigen, der zu Recht sagt: Diese schwarze Null ist doch nur möglich, weil Sie auf die Asylrücklage zurückgreifen. Es ist keine schwarze Null mehr; Kollege Fricke hat das vorhin gesagt. Sie erreichen sie eben nicht nachhaltig. Und sie erreichen vor allen Dingen eines nicht – und das wäre in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen doch richtig und notwendig –, nämlich Schuldenabbau.
Meine Fraktion hat zum ersten Mal einen klaren Vorschlag hier zur Abstimmung gebracht: Wir wollen im Bundeshaushalt einen Schuldenreduzierungs-, einen Schuldentilgungstitel. Das ist möglich. Es ist möglich, jetzt generationengerecht zu handeln und die Bundesschuld endlich zu reduzieren. Heute könnten wir damit anfangen, Herr Minister Scholz.
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Ich will Ihnen eines zurufen: Am Konjunkturhimmel sehen wir mittlerweile die ersten dunklen Wolken; auch das bereitet uns wie Ihnen Sorgen. Aber anstatt jetzt vorzusorgen, planen Sie eine weitere Gartenparty. Das ist schlichtweg die falsche Schwerpunktsetzung, Herr Bundesminister Scholz.
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Zum Bundeshaushalt grundsätzlich sage ich: Es ist ein Bundeshaushalt der gebrochenen Versprechen. Der Investitions- und Tilgungsfonds wurde von der Großen Koalition in Zeiten der Konjunkturkrise eingeführt, und es wurde versprochen, ihn dann zurückzuzahlen, wenn es dem Bundeshaushalt wieder besser geht, aber kein einziger Cent davon wird zurückgezahlt. Sie als SPD versprechen eine sogenannte doppelte Haltelinie bei der Rente. Die Realität heute ist: Mit diesem Bundeshaushalt fließen ein Drittel der Einkommensteuereinnahmen in Deutschland direkt in die gesetzliche Rentenversicherung.
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Die Beiträge liegen doch heute schon bei deutlich über 22 Prozent. Das ist die Realität bei der Rente. Mit Zukunftsfestigkeit hat das überhaupt gar nichts zu tun.
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Herr Scholz, Sie machen das Gegenteil dessen, was jetzt richtig wäre. Mit dem Bundeshaushalt 2019 sinken die Investitionen erneut. Sie lassen es zu, dass allein in den Bundesministerien – ich rede nicht von den nachgelagerten Behörden – 1 000 zusätzliche Stellen geschaffen werden, die meisten übrigens bei Ihren SPD-Kolleginnen Barley und Giffey. Da gibt es dann so schöne Begründungen, warum man diese Stellen braucht. Ich finde das fantastisch. Man braucht sie für Strategie oder für Planung. Und ganz konkret wird es mit dieser Begründung: für Diverses.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, keinem einzigen Kind in Deutschland – ich denke an die Bundesfamilienministerin – wird es durch zusätzliche Stellen im Bundesministerium besser gehen. Für die Kinder sollten wir etwas tun und nicht für Ihre Verwaltung und für Ihre PR, Herr Minister Scholz.
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Ich will auf einen letzten Punkt zu sprechen kommen, der in diesem Bundeshaushalt an keiner einzigen Stelle Thema ist, und das ist die Entlastung der Mitte unserer Gesellschaft, meine Damen und Herren. Ich wende mich dabei direkt an die Kollegen der CDU/CSU:
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In Ihren Reden ist die Abschaffung des Solidaritätszuschlages immer wieder Thema. Herr Dobrindt, Herr Altmaier und sogar die Bundeskanzlerin haben dazu etwas in Aussicht gestellt. Ich warte jetzt, ehrlich gesagt, auf den Zwischenruf, der der Klassiker wäre, darauf, dass Sie sagen: Das hättet ihr ja bei Jamaika alles haben können.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will einfach nur ganz kurz in Erinnerung rufen, was damals, im November 2017, gesagt worden ist. Ich will den sehr geschätzten Kollegen Eckhardt Rehberg zitieren, der während der Jamaika-Sondierungen gesagt hat: Der vollständige Abbau des Solidaritätszuschlages ist für den Bundeshaushalt nicht finanzierbar. – Das war die Antwort der CDU auf die Forderung der Freien Demokraten, um das an dieser Stelle klar festzuhalten.
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Im vergangenen Jahr, liebe Kollegen der Union, war die Abschaffung nicht verantwortbar.
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Heute ist die SPD schuld daran, dass der Soli nicht komplett abgeschafft werden kann. Und nächste Woche wird es wahrscheinlich das Wetter in Deutschland sein. In aller Klarheit: In vier Bundestagswahlkämpfen war die Entlastung der Mitte der Gesellschaft das Thema des CDU/CSU-Wahlkampfes. Viermal haben Sie genau dieses Versprechen gebrochen. An dieser Stelle ist Ihnen derzeit nicht zu trauen. Das möchte ich in aller Klarheit zum Schluss sagen.
Herzlichen Dank.
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Fabio De Masi, Fraktion Die Linke, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Macron hat kürzlich eine Liebeserklärung an Deutschland gerichtet. Die schönste Liebeserklärung an Europa wäre es ja, wenn diese Regierung endlich mehr in Krankenhäuser und in Schulen investieren würde.
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Bei der öffentlichen Investitionsquote sind wir Mittelmaß. Wir müssen aber doch den Anspruch haben, Spitze in Europa zu sein.
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Wenn wir die Binnenwirtschaft nicht stärken, werden wir immer mehr ins Ausland exportieren, also mehr verkaufen als wir dort einkaufen. Wenn ich immer mehr verkaufe, Herr Scholz, als ich bei anderen einkaufe, dann müssen die anderen bei mir Schulden machen. So hat der Euro keine Zukunft.
Wir verdanken die schwarze Null den niedrigen Zinsen. Wenn wir aber wie bei den Autobahnen öffentliches Eigentum privatisieren, ist das am Ende teurer für die Steuerzahler, weil sie dann bei den ÖPP-Projekten auch die Rendite der Konzerne finanzieren müssen. So wird die schwarze Null zum schwarzen Loch.
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Mehr Investitionen erfordern Steuergerechtigkeit. Internetkonzerne wie Google zahlen oft weniger als 1 Prozent Steuern auf ihre Gewinne in der EU. Sie machen Geld mit Werbung, mit Daten in Deutschland. Sie verdienen, wenn wir googeln, wie es so schön heißt. Google schickt die Gewinne aber nach Irland. Herr Scholz, Sie torpedieren die Digitalsteuer; Sie vertrösten auf das Jahr 2021
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und eine Einigung in der OECD.
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In der OECD, lieber Herr Kahrs, gibt es aber noch mehr Steueroasen als in der EU, und die USA blockieren.
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Ich biete Ihnen deshalb eine Saalwette an: Wetten, dass Sie 2021 gar nicht mehr regieren, Herr Scholz?
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Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Führen Sie eine virtuelle Betriebsstätte ein, um die Gewinne von Google und Co in Deutschland zu ermitteln! Erheben Sie eine Steuer auf die Werbeeinnahmen von Google, die mit deutschen Nutzerdaten erzielt werden! Das ist die einzige Sprache, die Herr Trump versteht.
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Ihr früherer Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans – guter Mann –,
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hat Sie kürzlich zu Recht dafür kritisiert, dass Sie blockieren, dass Konzerne in Europa Land für Land öffentlich machen müssen, wie viele Gewinne sie dort erzielen und wie viel Steuern sie dort bezahlen. Schützen Sie endlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und nicht die Steuerdiebe, Herr Scholz!
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Herr Scholz, Sie kennen sicher den Film „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“. Es geht mich wirklich nichts an, was Sie mit Ihrer Frau besprechen, aber Sie könnten ihr sagen: Liebling, ich habe die Finanztransaktionsteuer geschrumpft.
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Sie haben sich mit dem früheren Investmentbanker Macron darauf geeinigt, nur noch eine Börsenumsatzsteuer zu machen, die Finanzwetten wie Derivate ausnimmt. Damit haben Sie die Finanztransaktionsteuer zehn Jahre nach der Finanzkrise kalt beerdigt. Wir könnten damit in Europa 55 Milliarden Euro erzielen. So viel hat die Cum/Ex-Gaunerei in Europa gekostet.
Sie sagen hier, die Einigung mit Herrn Macron sei europäisch und die Forderung nach einer echten Finanztransaktionsteuer sei nationalistisch. Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert.
Erstens ist man nicht ein guter Europäer, wenn man die Interessen der Pariser Börse vertritt, sondern man ist es, wenn man die Interessen von 500 Millionen Europäern vertritt.
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Zweitens, Herr Scholz, möchte ich Ihnen ein Zitat vorlesen: Ich erwarte, dass die Finanztransaktionsteuer vom Bundesfinanzminister vorangetrieben wird. Sollten die Verhandlungen nicht erfolgreich abgeschlossen werden, werde ich mich für die Einführung einer nationalen Steuer einsetzen. – Das hat Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Carsten Schneider 2016 gesagt.
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Mein Eindruck ist: Die größte Hypothek für Europa sind nicht mehr spanische Immobilienkredite, sondern das Motto von Herrn Adenauer: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“
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Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen, ist der nächste Redner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Scholz, der Koalitionsvertrag Ihrer Regierung wird überschrieben mit „Ein neuer Aufbruch für Europa“. Aber was habe ich heute im Plenum gehört? Bei der Steuer für digitale Konzerne gibt es viel Bedenkenträgerei, viel Aufschieben, keine konkreten Vorschläge. Bei der Vorstellung des konkreten Vorschlags für einen Euro-Zonen-Haushalt, den Sie mit Frankreich entwickelt haben, haben Sie in Meseberg noch versprochen, dass das Volumen ausreichen muss, um auch eine makroökonomische Stabilisierung zu gewährleisten. Davon ist heute keine Rede mehr. Am Ende ist das, was Sie bei Europa machen, kein neuer Aufbruch, sondern leider der kleinste gemeinsame Nenner. Das ist viel zu wenig für unser Europa.
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Zum Bundeshaushalt 2019: Kollege Kahrs, Kollege Rehberg haben ausgeführt, dass in der Bereinigungssitzung bis 5 Uhr in der Nacht getagt und noch viel verändert wurde. Es wurde viel Geld verteilt, es wurden viele neue Stellen geschaffen. Die CDU hatte etwas bekommen, dann musste auch die CSU etwas bekommen und natürlich musste auch die SPD etwas bekommen, vorzugsweise in Hamburg. Jeder hat etwas bekommen, quasi vorgezogene Weihnachten. Aber im Kern war keine Strategie dabei, keine Leitlinie, kein Kompass. Das Geld wurde einfach mit der Gießkanne verteilt. Aber die großen Herausforderungen im Haushalt, die wir haben – die Klimakrise, die soziale Spaltung, Frieden, Europa –, werden nicht mit einer konkreten Schwerpunktbildung angegangen. Deswegen bleibt es leider ein schlechtes Weiter-so; es ist kein Haushalt für die Zukunft.
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Konkret, Herr Scholz: Wo sind Ihre Initiativen zum Abbau von Subventionen, gerade von klimaschädlichen Subventionen? Nichts, Fehlanzeige. Konkret: Was passiert eigentlich im Haushalt? Wo gehen Sie als Finanzminister an hartes Controlling heran, zum Beispiel bei Rüstungsdesastern, bei ÖPP-Projekten? Wo gehen Sie mit hartem Controlling bei privaten Beratern in der Bundesverwaltung vor? Auch da Fehlanzeige.
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Fehlanzeige auch bei der Austrocknung von Steuersümpfen, bei einer gerechten Steuerpolitik. Ich frage mich: Wo ist denn der Aufbruch für den Klimaschutz in diesem Haushalt? Wo ist denn ein großes Sozialstaatsprogramm gegen die soziale Spaltung in diesem Land? Wo ist denn der Aufbruch für Europa? Wo sind konkrete Initiativen für Abrüstung? Leider überall Fehlanzeige. Es sind die großen Märchen in diesem Haushalt, und das ist schlecht für unsere Gesellschaft.
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Besonders vermessen finde ich es aber, wenn man das auch noch als eine solide Haushaltspolitik darstellt. Seien wir einmal ehrlich: In der Bereinigungssitzung haben CDU, CSU und SPD für ihre Projekte alles Geld aus der letzten Ecke zusammengekratzt, was noch irgendwie zu finden war. Es wurden 2 Milliarden Euro für Ganztagsschulen einfach verschoben, weil kein Konzept vorlag.
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Es wurden aus der Rücklage für den Energie- und Klimafonds einfach 1,2 Milliarden Euro zweckentfremdet, weil man Projekte finanzieren musste. Man hat einfach die Entnahme aus der Rücklage bei den Flüchtlingskosten um eine halbe Milliarde Euro erhöht. Am Ende, weil es immer noch nicht gereicht hat, hat man noch eine globale Minderausgabe in Höhe von 350 Millionen Euro gemacht.
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Seien wir mal ehrlich: Das ist keine solide, nachhaltige Haushaltspolitik. Das ist eine Politik auf Kosten der Substanz.
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Es fällt in diesen Haushaltsberatungen noch etwas auf: Ich finde es erschreckend, in wie vielen Fällen inzwischen die Bundesregierung offensiv das Haushaltsrecht bricht
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und den Bundesrechnungshof übergeht. Das kann man bei geschönten Wirtschaftlichkeitsberechnungen bei ÖPP-Projekten sehen, sei es bei Toll Collect oder bei der A 49. Das kann man aber auch daran sehen, dass sich die Regierung ganz viele neue Stellen auf Leitungsebene schafft: Da waren die 209 Stellen im Frühjahr, die die Bundesregierung neu geschaffen hat. Da wurde ein erstes Vizekanzleramt mit 41 Stellen bei Herrn Scholz eingerichtet. Dann kam das zweite Vizekanzleramt bei Herrn Seehofer mit fast 100 Stellen.
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Jetzt, in der Nacht der Bereinigungssitzung um vier, wurde das dritte Vizekanzleramt eingerichtet: 30 neue Stellen für Planung und Strategie bei Frau Giffey. Sie konnte selber nicht erklären, wofür das eigentlich ist. – In allen drei Fällen gab es keine Begründung, keine Personalbedarfsermittlung, die nach Haushaltsrecht vorgeschrieben ist. Der Rechnungshof hat klar gesagt, das ist nicht etatreif. Ich finde das wirklich erschreckend, und ich erwarte von einem Finanzminister, dass er sich an das Haushaltsrecht hält und es nicht immer wieder übergeht.
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Man muss an diesem Haushalt wirklich arbeiten, um was zu verändern, wenn man nicht nur mit der Gießkanne verteilen will. Wir haben in Anträgen gezeigt, wie man das schaffen kann, wie man wirklich bei Gerechtigkeit, beim Frieden, beim Klima große Schwerpunkte setzen kann. Dafür muss man aber die Ärmel hochkrempeln und auch wirklich was machen.
Diese Gesellschaft braucht jetzt einen Aufbruch beim Klimaschutz. Wir brauchen jetzt mehr sozialen Zusammenhalt in diesem Land. Wir brauchen endlich einen Aufbruch für Europa. Tun Sie was, Herr Scholz!
Vielen Dank.
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Dr. Carsten Brodesser, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Der vorgelegte Haushalt ist zukunftsorientiert und verantwortungsvoll. Die Bundesregierung liefert damit eine schlüssige Antwort auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen. Aber: Trotz guter und verantwortungsvoller Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gibt es mehrere Risiken am Horizont. So stellen die aktuellen handelspolitischen Spannungen eine ernste Prüfung für die globale Ordnungsarchitektur dar. Gleichzeitig erfahren wir wiederkehrende Krisen auf den Banken- und Finanzmärkten.
Die 2015 und 2016 erlebte Flüchtlingskrise war nicht das Ende eines Prozesses, sondern vielmehr ein Weckruf, dass die Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam gelöst werden können und dass wir zukünftig noch mehr Verantwortung als bisher übernehmen müssen. Genau diesen Gedanken greift der vorgelegte Haushalt auf. Durch die substanzielle Stärkung der Sicherheitsbehörden im Bereich des Inneren sowie die Etaterhöhung des Verteidigungsministeriums schaffen wir die notwendigen Voraussetzungen, dass wir auf nationaler, europäischer und globaler Ebene den zunehmenden komplexen Herausforderungen gerecht werden können und unseren Beitrag zu einer stabilen europäischen und globalen Ordnung leisten.
Konkret werden wir über 15 700 neue Stellen schaffen, wovon über 11 300 auf den Bereich des Inneren entfallen. Mit dem geplanten Zuwachs von 3 200 Stellen beim Zoll bis zum Jahr 2026 berücksichtigen wir auch die besonderen Aufgaben, die sich in einem geeinten Europa mit offenen Grenzen ergeben.
Im Bereich des Ministeriums der Verteidigung trägt die Erhöhung des Wehretats auf 42,9 Milliarden Euro im Jahr 2019 den gestiegenen Einsatzanforderungen an Material und Organisation Rechnung. Wir bekräftigen damit zugleich unsere Entschlussentscheidung vom NATO-Gipfel in Wales 2014, das 2‑Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben zu erreichen. Damit werden wir nicht nur der aktuellen Notwendigkeit gerecht, sondern signalisieren auch unseren Partnern, dass Deutschland auch zukünftig ein verlässlicher Partner innerhalb der Allianz sein wird.
Gleichzeitig erhöhen wir aber auch die Mittel zur Krisenprävention und für die Entwicklungszusammenarbeit im Bereich des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Wir folgen damit dem wohlbewährten Ansatz einer vernetzten Sicherheitszusammenarbeit.
Die Frage der Krisenprävention und Vorsorge erstreckt sich aber auch auf Finanzthemen. Durch den entschlossenen Aufbau und die Weiterentwicklung der Letztsicherheitsmechanismen auf europäischer Ebene, wie dem ESM, schaffen wir die notwendigen Voraussetzungen, um die Integrität und den Zusammenhalt in der Euro-Zone zu gewährleisten. Der Entwicklung des ESM zu einem Europäischen Währungsfonds stehen wir offen gegenüber und betonen die besondere Bedeutung eines effizienten Einsatzes dieser Sicherungseinrichtung.
Neben klar zu verteilenden Verantwortlichkeiten und dem sukzessiven Abbau von bankspezifischen Risiken, wie beispielsweise der Reduzierung notleidender Kredite in den Bilanzen europäischer Banken und die Lösung der Frage der Entprivilegierung von Staatsanleihen, ist insbesondere eine ausreichende Kapitalausstattung von größter Wichtigkeit und das richtige Signal an die Märkte.
Mit über 700 Milliarden Euro Stammkapital schaffen wir mit dem ESM ein schlagkräftiges Letztsicherungsinstrument und damit die Voraussetzung für eine leistungsfähige Finanzdienstleistungsbranche, die für unsere Industrie wichtig ist. Wir schützen dadurch zukünftig unsere Bürgerinnen und Bürger vor den unberechenbaren Kosten einer weiteren Bank- und Finanzkrise. In diesem Zusammenhang unterstreichen wir noch einmal unsere Position, dass alle Rettungsmaßnahmen bei zukünftigen Krisen im Endergebnis fiskalisch neutral sein müssen. Ein schuldenfinanziertes Mandat lehnen wir daher grundsätzlich ab.
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Vor diesem Hintergrund lehnen wir auch neue Fonds für Reformanstrengungen ab. Vielmehr sollten Strukturreformen auf nationaler Ebene und die Einhaltung von Fiskalregeln im Mittelpunkt stehen, um den Konvergenzprozess voranzutreiben und die Stabilität der Mitgliedstaaten und seiner Banken zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren, der Haushalt leistet aber noch mehr für unsere Bürgerinnen und Bürger und gibt Antworten auf die Frage der Intergenerationengerechtigkeit, die eine ganz zentrale Frage für unser Land ist. Durch die Zuschüsse an die gesetzliche Rentenversicherung tragen wir Sorge für stabile Beitragssätze und die langfristige Tragfähigkeit der gesetzlichen Rente. Diejenigen, die Jahr für Jahr ihre Beiträge geleistet haben, können sich bei der Rente auf uns verlassen. Im gleichen Atemzug seien die Kinderförderung durch das Familienentlastungsgesetz sowie die Ausweitung der Mütterrente zu nennen, die die individuelle Leistung von erziehenden Frauen honoriert.
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Die Entscheidungsträger von morgen werden in einer anderen Zeit leben, die andere Herausforderungen bereithält und neue Technologien erfordert. Neue Formen der Vernetzung, künstliche Intelligenz und autonomes Fahren sind keine ferne Zukunft, sondern nur ein Steinwurf entfernt. Durch die klare Benennung von Handlungsfeldern im Rahmen der KI-Strategie der Bundesregierung und die notwendige finanzielle Förderung können und werden wir dieses wichtige Thema bei uns und in Europa vorantreiben und „KI made in Germany“ zu einer festen Marke etablieren.
Der Einsatz der künstlichen Intelligenz wird Auswirkungen auf Anforderungsprofile, Kompetenzen und Arbeitsorganisation haben. Es ist damit das zentrale Thema unserer Zeit, welches unseren Alltag und unsere Gesellschaft verändern wird. Daher wollen wir bis 2025 circa 3 Milliarden Euro für die Umsetzung der Strategie Künstliche Intelligenz bereitstellen und gehen davon aus, dass sich durch private Investitionen das Volumen verdoppeln wird.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung legt mit diesem Haushalt wieder einen Etat vor, der allen notwendigen Interessen Rechnung trägt und dabei ohne neue Schulden auskommt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung das Ziel einer Schuldenquote von unter 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts fest im Blick, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen.
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Wir legen einen schlüssigen und guten Haushalt für unser Land vor, und ich kann Sie nur auffordern, diesem Haushalt zuzustimmen.
Herzlichen Dank.
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Andreas Schwarz, SPD, ist der nächste Redner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Brandner, nach Ihrem parlamentarischen Tiefflug eben fällt mir folgendes Zitat ein: Als der liebe Gott den Menschen erschaffen hat, war er schon müde; das entschuldigt manches. – Ich ergänze: aber nicht alles.
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Zum Haushalt. Ich freue mich außerordentlich über diesen Haushalt, er hält nämlich ein zentrales Versprechen, das wir unseren Wählern gegeben haben: Wir fahren die Investitionen weiter hoch – Investitionen in Digitalisierung, in Straße, in Schiene, Investitionen in Pflege und Rente, Investitionen in Kindergärten und Hochschulen, Investitionen in den Umwelt- und in den Klimaschutz, Investitionen, die die Zukunft unseres Landes für alle Generationen sicher machen. All das schaffen wir ohne neue Schulden. Das ist ein Erfolg, auf den diese Koalition, auf den dieses Land stolz sein kann. Und: Nahezu die komplette Welt beneidet uns um dieses Zahlenwerk.
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Einer der großen Ausgabenposten im Einzelplan 08 – Finanzministerium – ist der Zoll. Wir stärken gemeinsam mit dem Finanzminister Olaf Scholz weiter den Zoll. Dafür nehmen wir 2019 256 Millionen Euro in die Hand. Wir investieren damit in eine bessere Ausstattung unserer Zöllnerinnen und Zöllner, in neue Ausbildungszentren und in mehr Personal.
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Denn zusätzlich zu den 2018 bereits gewährten 1 500 Stellen sind in den folgenden Jahren noch mal 4 700 Stellen vorgesehen. Und um den Zoll auch als Arbeitgeber attraktiv zu machen, haben wir einen Maßgabebeschluss in der Koalition durchgesetzt. Dieser Beschluss wird dafür Sorge tragen, dass das Eingangsamt im mittleren nichttechnischen Dienst künftig von A 6 auf A 7 gehoben wird.
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Sehr geehrte Damen und Herren, wir stärken den Zoll. Damit stärken wir den Staat im Kampf gegen Schwarzarbeit, gegen Schmuggel etc. Wir stärken den Staat auch im Kampf gegen Geldwäsche. Damit sorgen wir für Sicherheit, aber auch für Gerechtigkeit. Und das ist dringend nötig, weil Deutschland leider immer noch ein Ort ist, an dem Geldwäsche stattfindet. Hier müssen wir nicht nur personell, sondern auch strukturell weiter aufrüsten, um Geldwäschern das Handwerk zu legen.
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Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass weiter in solchem Umfang Geld aus dem Ausland bei uns gewaschen wird.
Weil wir gerade bei Geldern aus dem Ausland sind, gestatten Sie mir einen kleinen Exkurs, liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD. Wir haben die haushaltspolitischen Debattenbeiträge der AfD im letzten halben Jahr ausreichend mitbekommen. Ich möchte es mal so sagen: Wenn ein eigenes Gutachten der AfD Vettern- und Günstlingswirtschaft mit Steuergeldern vorwirft, ist das schon ein Problem. Wenn plötzlich 130 000 Euro auf einem Konto von Frau Weidels Kreisverband liegen, die über dunkle Kanäle aus der Schweiz kommen, dann ist das das zweite Problem.
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Wenn Sie behaupten, Sie wissen gar nichts von dem Geld, ist das das dritte Problem.
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Wenn man sich dann aber von dem Geld, von dem man angeblich nichts weiß, bei Facebook Freunde kauft und einen Anwalt bezahlt, um sich aufdringliche, unbequeme Journalisten vom Hals zu halten, dann muss man sich langsam Sorgen machen.
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Und jetzt kommen auch noch 150 000 Euro aus Holland obendrauf. Ich weiß nicht, woher überall sonst noch Geld Sie erreichen wird. Das Einzige, was mich in der Diskussion bisher überrascht hat, ist, dass die AfD nicht die Flüchtlinge für ihre Spendenaffäre verantwortlich macht.
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Ich kann Ihnen eines sagen: Der Titel „Flüchtling des Jahres 2018“, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Titel „Wirtschaftsflüchtling des Jahres 2018“ geht an die AfD.
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Sie flüchten nur nicht vor Krieg oder Hunger, Sie flüchten vor der deutschen Gesetzgebung und vor der deutschen Steuer.
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Damit spalten Sie nicht nur das Land, nein, Sie arbeiten auch unredlich, und Sie arbeiten vor allen Dingen mit Angst. Verantwortungsvolle Politik, die können Sie nicht. Deshalb machen wir das hier in der Koalition.
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Mit Mut, Zuversicht und Vertrauen arbeiten wir weiter an der Stärkung dieser Gesellschaft.
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Dieser Haushalt ist das richtige und auch das erfolgversprechende Werkzeug dafür.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Hans Michelbach, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt 2019 ist ein Signal für Stabilität und Zukunft. Es ist ein Haushalt, der vor allen Dingen die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen und der Familien im Blick hat. Es ist ein Haushalt, der neue Impulse durch erhöhte Investitionen setzt. Dieser Haushalt zeigt: Die Koalition arbeitet engagiert, und sie liefert.
Meine Damen und Herren, wir verabschieden – das ist schon angesprochen worden – den sechsten Haushalt in Folge ohne Neuverschuldung. Wir werden die im Maastricht-Vertrag vereinbarte 60-Prozent-Grenze bei der Schuldenquote einhalten.
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Dieser Erfolg schafft natürlich Stabilität und Vertrauen, und das ist wesentlich für die Zukunft. Das schafft Arbeitsplätze, das mehrt Wohlstand, und das lässt die Steuereinnahmen letzten Endes sprudeln.
Meine Damen und Herren, das ist ein Erfolg. Aber das alles ist für die Zukunft natürlich nicht selbstverständlich. Ich sage das insbesondere mit Blick auf die jüngsten Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute, die einen Rückgang der Wirtschaftsdynamik erwarten lassen. Diese Prognosen sollten uns eine Mahnung sein und eine Aufforderung zum Handeln. Ja, die Welt um uns herum ist nicht stehen geblieben. Wir müssen unsere Standortqualitäten nachschärfen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Deshalb unterstütze ich nachdrücklich die Überlegungen des Bundeswirtschaftsministers für eine Modernisierung der Unternehmensbesteuerung. Weil alle anderen Länder im Wettbewerb dies tun, müssen wir auch handeln, meine Damen und Herren.
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Ohne Reformen droht Deutschland im Standortwettbewerb eben ins Hintertreffen zu geraten.
Wer Hartz IV abschaffen und ein Garantiegeld für alle, für jeden ohne Arbeit einführen will, der überfordert unseren Sozialstaat, meine Damen und Herren. Unser Sozialstaat ist nur finanzierbar, wenn das Wirtschaftswachstum anhält; nur dann kann es Stabilität geben.
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Deshalb: Deutschland muss sich aufs Erwirtschaften immer wieder fokussieren – denn das Erwirtschaften kommt vor dem Ausgeben –; sonst geraten die Staatsfinanzen in Schieflage.
Wir wollen natürlich die Potenziale unserer Gesellschaft und Wirtschaft nutzen; das ist das Grundprinzip. Der vorliegende Haushalt ist deshalb – und das ist wichtig – natürlich auch ein Haushalt für Entlastung von Bürgern und Familien: Wir heben das Kindergeld an, wir heben das steuerfreie Existenzminimum an, wir haben die Gelder, die durch die kalte Progression erzielt wurden, letzten Endes wieder zurückgegeben. Die Menschen in unserem Land haben dadurch 10 Milliarden Euro im Jahr mehr im Geldbeutel; das lässt sich sehen.
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Die Gesamtentlastung in dieser Periode bei Steuern und Beiträgen beläuft sich auf 60 Milliarden Euro, die wir den Menschen zurückgeben.
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Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.
Wir werden natürlich bei der Abschaffung des Soli, die notwendig ist, einer gerechten Besteuerung der Digitalwirtschaft, einer aufkommensneutralen Reform der Grundsteuer auch in Zukunft, liefern. Das muss unser Ehrgeiz sein, um die Haushaltsgrundlagen mit Wirtschaftswachstum für die Zukunft zu erreichen. Mit dem Baukindergeld entlasten wir die Familien beim Erwerb von Wohneigentum – das sind Anreize für den Bau von preiswerten Wohnungen.
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Wir machen auch viele andere Investitionen in die Infrastruktur,
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in Straße, Schiene, Wasserwege und digitale Infrastruktur gleichermaßen. Wir verbessern die Bildungseinrichtungen. Wir erhöhen die Mittel für die Städtebauförderung und den Wohnungsbau. Wir geben mehr Geld für Forschung und Entwicklung. Meine Damen und Herren, das sind die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft.
Das alles müssen wir in einem Umfeld auch mit Risiken und Unwägbarkeiten realisieren, meine Damen und Herren. Neue Risiken sind aufgezogen: Ein weiter zunehmender Fachkräftemangel, die verantwortungslose Schuldenpolitik Italiens, ein ungeordneter Brexit stellen Erreichtes infrage. Die größten Risiken, meine Damen und Herren, sind jedoch Populismus, Nationalismus und Protektionismus.
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Das darf von Deutschland nicht ausgehen, das müssen wir verhindern.
Es gilt, Deutschland in der Europäischen Union klar und erfolgreich zu positionieren und die Gemeinschaft gemeinsam mit den Partnern an den richtigen Stellen voranzubringen. In der Europäischen Union stehen wichtige Finanzmarktentscheidungen an: Kapitalmarktunion, Bankenunion, Abbau der notleidenden Kredite, Einlagensicherung, Zukunft des ESM, Euro-Zonen-Haushalt, EU-Strukturförderung. Von einem Erfolg in diesen Fragen hängt vieles ab, nämlich ob Arbeitsplätze und Wohlstand in der Zukunft sicher sind. Meine Damen und Herren, wir brauchen ein Europa, das auf die Einhaltung der Verträge setzt, das auf Vertiefung der Gemeinschaft dort setzt, wo Vertiefung sinnvoll ist, und das den Mitgliedstaaten ausreichend Freiraum lässt. Das sind die Grundvoraussetzungen, die wir benötigen, um die Haushaltschancen, die wir jetzt haben, auch in Zukunft nutzen zu können.
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Deswegen, meine Damen und Herren: Lassen Sie uns unsere Prinzipien letzten Endes einhalten – in Europa, in Deutschland, in unserer Finanz- und Haushaltspolitik.
Vielen Dank.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über den Einzelplan 08 – das ist das Bundesministerium für Finanzen – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Einzelplan 08 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 20, Bundesrechnungshof. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Einzelplan 20 einstimmig angenommen.
Liebe Bürger! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt viel anzupacken, um unsere Infrastruktur fit für den Rest dieses Jahrhunderts zu machen, aber seit Monaten redet diese Regierung nur noch über Fahrverbote, Nachrüstung und Umtauschprämien für Dieselfahrer. Herr Minister, Sie taumeln von Dieselgipfel zu Dieselgipfel, und es kommt nichts Sinnvolles dabei heraus.
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Sie schlingern, sagt selbst Ihr neuer CDU-Messias Merz. Genau so ist es.
Nun soll es also eine Nachrüstung geben, aber nur von VW und Daimler, und sie kommt erst nach 2020. Bis dahin hat sich das Überschreiten der Grenzwerte aber ohnehin erledigt, weil sich die Dieselflotte bis dahin deutlich erneuert haben wird. Das ist wirklich großer Kokolores. Die Bundesregierung betreibt hier das Geschäft der grünen Ökolobby.
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Wenn wir uns ehrlich machen, dann ist klar: Die perfide Antidieselkampagne, die hier läuft und die Sie mitbetreiben, ist in Wahrheit der Versuch, dem toten Pferd E-Mobilität noch mal aufzuhelfen.
Vielleicht sollten Sie besser mal einen Gipfel mit Gesundheitsexperten abhalten. Die würden Ihnen nämlich erklären, dass der politisch gewollte NO 2 -Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter völlig unsinnig ist.
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Zum Vergleich: In wenigen Tagen werden wir zu Hause die erste Adventskerze anzünden, und dann bekommen wir schon eine höhere Dosis, nämlich von 100 bis 200 Mikrogramm. Und die Lungenspezialisten sagen uns: Das ist absolut unbedenklich.
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Es gibt kein NO x -Problem auf unseren Straßen. Es handelt sich allein um einen großen Popanz, der unseren Bürgern das Autofahren madig machen soll. Es ist höchste Zeit, dass wir aufräumen mit der Diesellüge.
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Wenn ich all die Angstmacher höre – vorzugsweise aus den Grünenkreisen –, die Luft in den Städten sei so schmutzig! Quark! Die Luft wird in unserem Land seit Jahren kontinuierlich besser. Das ist die Wahrheit.
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Die neuen Euro-6-Diesel blasen sogar nur noch einen Bruchteil der Stickoxide aus. Aber selbst denen soll es jetzt an den Kragen gehen. Die Deutsche Umwelthilfe, dieser Lobbyverein gegen die Autofahrer, hat das ja schon offen angedroht. Ab 2020 will man, wenn nötig, auch die Euro-6-Diesel von der Straße klagen. Was für ein Irrsinn!
Zwölf Fahrverbote hat diese sogenannte Umwelthilfe schon gerichtlich durchgesetzt. Zuletzt war sogar eine Autobahn betroffen, nämlich die A 40 in Essen, die Verkehrsader durch das Ruhrgebiet. Ich wünsche wirklich viel Spaß dabei, das den Essenern und den Durchfahrenden zu erklären. Und erklären Sie dann bitte auch gleich mit, dass Sie die Autobahn dann total überwachen müssen.
Übrigens: Wie das erste Fahrverbot in Hamburg funktioniert, können wir auch gerade lesen. Der Stickoxidwert in der Max-Brauer-Allee ist nicht gefallen, er ist gestiegen.
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Das alles ist eine große Lachnummer, die Sie hier veranstalten. Kein Wunder, dass Ihre Wahlergebnisse fröhlich dahinschmelzen, und das ist auch wirklich gut so.
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Immerhin regt sich zarter Widerstand gegen die Umwelthilfe in der CDU, aber dass das ernst zu nehmen ist, darf wirklich bezweifelt werden. Denn es ist schließlich diese Merkel-Regierung, die dieser Truppe jedes Jahr auch noch Steuerzahlergeld in Millionenhöhe zuschustert.
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Nein, die CDU und die CSU machen all diesen Zinnober wirklich mit. Sie wollen Jamaika. Sie regieren bereits auf Landesebene mit diesen grünen Panikmachern.
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Übrigens, es sind die grünen Landesverkehrsminister, die sich einer korrekten Aufstellung der NO x -Messstationen verweigern. Damit ist doch alles gesagt. Ihre ganze Politik ist eine große Katastrophe. Mit gesundem Menschenverstand hat das nichts mehr zu tun.
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Ausbaden müssen das wie immer die sogenannten kleinen Leute: die Pendler, die jetzt einen erheblichen Wertverlust ihrer Diesel erleben müssen, die Handwerker und Spediteure, die nicht mehr in die Städte fahren können – und das alles wegen eines unsinnigen Grenzwerts, den alle als von Gott gegeben akzeptieren. Warum eigentlich? Unsere Schweizer Nachbarn sind mit einem NO x -Grenzwert von 80 Mikrogramm auch ganz gesund.
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Dann gibt es wieder das große Achselzucken in dieser Regierung: Kommt ja alles von der EU, da können wir nichts machen. – Das beweist übrigens wieder einmal, dass es schlecht ist, seine Souveränität an eine nicht demokratisch legitimierte Superinstanz abzugeben.
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Sie mögen das Europa nennen; wir nennen das Ohnmacht. Damit wollen wir in dieser Form Schluss machen.
Die Dieseldebatte zeigt wieder einmal: Die Merkel-Regierung handelt kopflos.
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Ihnen entgleitet auch beim Diesel die Kontrolle, so wie vorher schon beim Euro und bei der unverantwortlichen Grenzöffnung. Sie doktern hilflos an Symptomen herum, statt endlich an die Wurzel zu gehen: an einen völlig absurden NO x -Grenzwert.
(Widerspruch des Abg. Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]
Dieser Grenzwert muss weg, und er kann auch weg.
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Dann, Herr Minister, haben Sie auch mehr Zeit, sich um die eigentlichen Herausforderungen im Bereich Verkehr und Infrastruktur zu kümmern.
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Rüdiger Kruse, CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Holm, als Abgeordneter sollten Sie schon merken, dass es außer Diesel noch andere Themen gibt, auch wenn das in den Medien vielleicht anders läuft.
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Damit Sie einen Eindruck davon haben, worüber wir in den Haushaltsverhandlungen zu diesem Kapitel eigentlich geredet haben, nehme ich Sie einfach mal auf einen kleinen Stadtspaziergang mit.
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Wenn man aus der Haustür tritt und sich den Verkehrsraum anguckt, dann kann es gut sein, dass vor der Haustür nicht nur in der ersten Reihe Fahrzeuge parken, sondern in der zweiten Reihe auch der Lieferverkehr steht. Das sehen wir jeden Tag. Etwa 30 Prozent des Verkehrs sind Lieferverkehre, gewerbliche Verkehre. Sie machen aber innerstädtisch immerhin 80 Prozent der Staus aus; das ist also ein Thema, bei dem man genauer hingucken sollte. Bei mir vor der Haustür ist es auch so: Wenn da ein Fahrzeug in der zweiten Reihe steht, dann ist die Fahrbahn blockiert, der restliche Verkehr muss drum herumfahren, übrigens auch die Fahrradfahrer.
Nun haben wir gesagt: Dieser Verkehr wird nicht weniger. – In den letzten Jahren ist die Anzahl der zugestellten Pakete auf das Doppelte gestiegen, etwa 3,2 Milliarden Sendungen; da ist quasi täglich Weihnachten. Dieser Tendenz kann man einfach zuschauen, oder man sagt: Wir kümmern uns darum. – Wir haben uns entschieden: Wir wollen intelligente Konzepte entwickeln und daran mitwirken, dass man dieses Problem durch den Einsatz auch von Digitalisierung natürlich – das ist ja immer unser Zauberwort – angeht. Wir sagen: Da muss es doch intelligentere Lösungen geben als die, dass jeder Paketdienst einzeln jede Straße anfährt, um in diese Straße ein Paket zu liefern, dann da steht, um anschließend in die nächste Straße zu fahren. – Das ist die eine Sache.
Danach gehen Sie zu Ihrer Bushaltestelle und können wahrscheinlich am Geruch noch feststellen, ob der Bus gerade eben weggefahren ist oder ob das schon länger her ist. Das heißt, viele der Belastungen, die Sie ja auch angesprochen haben, kommen von den großen Fahrzeugen. Wir stellen da Mittel zur Verfügung.
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– Wir kommen auch zu Ihren Hobbys, das machen wir gleich. Aber wir sind noch nicht am Hafen. – Für diese großen Fahrzeuge, die immer auf den gleichen Routen fahren – das ist natürlich auch die Müllabfuhr, aber sehr viel davon ist der kommunale Nahverkehr –, machen wir Programme, damit die Umrüstung schneller geht und diese Fahrzeuge schneller sauber werden.
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Dann haben Sie Ihren Bus erwischt und fahren zur Nahverkehrsbahn weiter. Natürlich tun Sie das in der Rushhour, wie viele andere Menschen auch, und es herrscht ein ziemliches Gedränge. Sie kommen wahrscheinlich noch in Ihren Zug rein, aber so viel Bürgerkontakt auf einmal wollten Sie vielleicht auch nicht und vor allen Dingen auch Ihre Bürger nicht. Es ist ziemlich eng. Sie würden sich wünschen, dass die Taktfrequenz kürzer ist.
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– Ich beklage mich doch gar nicht. Ich sage Ihnen, was wir in Zukunft machen.
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Ich danke Ihnen auch für das Lob. Weil wir die ganze Zeit regieren – das haben Sie doch eben ausgeführt –, sind die Messwerte immer besser geworden.
Jetzt sage ich Ihnen, was in der Zukunft ist. Denn der Haushalt ist die Planung für die Zukunft.
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Dass Sie sich wenig mit der Zukunft beschäftigen, wissen wir, aber das ist Ihr Problem.
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Wir alle wollen in der Zukunft leben; denn in die Vergangenheit zurück kann keiner.
Für diese Zukunft wünschen wir uns, dass die Züge in einer schnelleren Frequenz fahren können. Auch das muss man gestalten. Dafür haben wir Mittel zur Verfügung gestellt, damit wir den Kommunen helfen können, modernste Technik in das nächste rollende Material einzubauen. Das wird uns helfen, Zugfrequenzen hinzubekommen, die die großen Verkehrsströme aufnehmen.
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– Seien Sie doch nicht so ungeduldig! Sie sind doch noch jung. – Ich habe auch noch viel Hoffnung, dass ich das erlebe. Denn diese Entwicklung geht schnell. Wir sind wesentlich schneller, als wir manchmal glauben, und wir sind auch wesentlich besser, als wir es selber darstellen.
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– Es ist nicht „Wünsch dir was“. Übrigens rede ich auch durchaus über meine Heimatstadt, wo Sie mitregieren. Sie sollten nicht so kritisch sein. – Natürlich gibt es da vieles zu verbessern, und darum bemühen wir uns ja auch.
Nun mag es sein, dass Ihre Stadt so wie meine Stadt auch den Verkehrsweg Wasser hat, eine Binnenwasserstraße bzw. einen großen Fluss, und dann sind Sie am Hafen, und dort sind die Kreuzfahrtschiffe, von denen Sie gesprochen haben. Einerseits ist es schön, zu sehen, wie es dort pulsiert, aber andererseits ist natürlich auch das eine Schadstoffquelle. Und auch da tun wir etwas.
Wir gehen in Richtung LNG, flüssiges Erdgas: kein Feinstaub, wesentlich weniger Stickoxide und auch bei CO 2 weniger. Jetzt können Sie zwar sagen: Auch das ist aber noch fossil. – Ja, das ist richtig. Es ist noch fossil. Aber es ist die Brücke in die Zukunft, dass wir mit den Überschüssen aus den erneuerbaren Energien die Möglichkeit haben – Sie kennen das Thema „Power to Gas“ –, Energie in Gas umzuwandeln. Man kann es auch in synthetische flüssige Kraftstoffe umwandeln. Mit LNG schaffen wir genau diese Brücke: heute das Erdgas, morgen die synthetischen Gase, die wir aus den erneuerbaren Energien gewinnen.
Das ist schon heute ein großer Nutzen. Jedes Schiff, das wir umweltfreundlicher machen, ist ein großer Nutzen. Unter den Schiffen sind auch Binnenschiffe. Auch mit diesem Thema haben wir uns befasst, und wir haben die Befahrungsabgabe für Binnenwasserstraßen abgeschafft. Das ist nichts, wofür man an jeder Straßenecke gelobt wird, aber die Leute bzw. die Familien, die entsprechende Betriebe haben, freuen sich sehr über diese Entlastung.
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Das ist eine Entlastung, die im Prinzip dem entspricht, was wir auch bei der Schiene gemacht haben. Aber hier betrifft es sehr, sehr viele kleine Familienbetriebe, die sich wirklich darüber freuen, wenn sie diese Gebühr nicht mehr zahlen müssen.
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Das glaube ich auch, dass wir da etwas Richtiges getan haben.
Wenn Sie, je nach Ziel Ihrer Reise, in einen Zug der Deutschen Bahn einsteigen, sich freuen, dass er pünktlich ist,
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und Zeit haben, sich mit ein paar Dingen zu beschäftigen, und, nachdem Sie die Tagespresse durchgelesen haben, vielleicht ein Spiel spielen – vielleicht auch Herr Kindler; ich weiß nicht, ob er zum Spielen aufgelegt ist –, dann tun Sie etwas, was die Hälfte aller Deutschen tut. In Deutschland ist ein unwahrscheinlich großer Markt für Spiele entstanden. Unser Anteil an der Entwicklung dagegen liegt bei nur 6 Prozent. Wir haben also hier sehr wenig eigene Wertschöpfung.
Für diesen Sektor haben wir jetzt 50 Millionen Euro als Fonds bereitgestellt, um diese Branche zu fördern. Das ist Kreativindustrie, und es ist etwas, das uns in vielen Bereichen – nicht nur im direkten Bereich der Unterhaltungsindustrie – nach vorne bringt. Den Anfang dafür haben wir als CDU/CSU vorgegeben – wenn Sie sich an die Filmförderung erinnern, ein großes Lieblingsthema aller Bundeskulturminister seit Bernd Neumann und Monika Grütters –, und zwar erfolgreich.
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Eine Branche, in der wir früher nur Konsumenten waren, entwickelt sich dahin gehend, dass die Kreativen auch bei uns sitzen.
Die Gamesbranche hat natürlich auch eine Ausstrahlung auf andere Bereiche. Denn das, was dort erfunden wird, wird natürlich auch in der „harten“ Wirtschaft genutzt. Das sind Impulse für die Digitalisierung. Das ist eine wertvolle Entscheidung.
Wenn Sie auf der Reise sind, dann werden Sie schnell feststellen – jedenfalls wenn Sie nicht nur die Strecke Hamburg–Berlin fahren; man kann ja auch mal andere Strecken fahren –, dass Verkehre auch grenzüberschreitend sind. Das wollen wir ja auch: die Verbindungen und die Möglichkeiten verbessern. Und dann können Sie sich ja überlegen – wenn Sie keine Kreuzfahrten machen wollen wie die AfD, sondern wenn Sie mit dem Zug fahren –: Wo kann ich denn mal hinfahren, und wo finde ich für eine zukunftsgerichtete Politik Unterstützung? Natürlich da, wo Freunde leben. Deswegen empfehle ich Ihnen: Machen Sie eine Zugreise nach Paris. Denn spätestens seit der Rede von Präsident Macron letzten Sonntag wissen wir, dass dort die Freunde sind, mit denen wir Europa und auch unser Land gemeinsam gestalten können. Man sollte dahin fahren, wo die Menschen sagen, dass sie uns Deutsche lieben. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise.
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Der nächste Redner ist der Kollege Oliver Luksic, FDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mobilität ist zentral für unser Land. Es geht hier um die Lebensadern der Wirtschaft als zentrale Voraussetzung für den Wohlstand, den wir uns erarbeitet haben. Aber es stockt bei allen Verkehrsträgern. Deswegen gibt es einen Gipfel nach dem anderen. Die Ergebnisse sind meistens dünn. Deswegen nennt man es auch Spitzengespräch. Es geht los bei der Bahn, deren Verspätungen zunehmen und bei der zu wenig in die Digitalisierung investiert wird. Der Brandbrief von Herrn Lutz ist fast schon ein Hilfeschrei. Die Züge halten nicht mehr an allen ICE-Standorten. Es geht weiter bei der Infrastruktur; die Kollegen Reuther und Meyer gehen gleich noch ausführlicher darauf ein. Nur so viel: Das Geld wird gar nicht verausgabt für Straßen und insbesondere für Wasserstraßen. Der Glasfaserausbau geht viel zu langsam vonstatten. Beim Mobilfunkgipfel kommen wir nicht voran. Die Zahl der Funklöcher nimmt zu. Der Fluggipfel war so erfolgreich, dass Frau Barley gleich einen zweiten Gipfel anschiebt. Der absolute Gipfel war der Dieselgipfel. Die ausländischen Hersteller sind erst gar nicht gekommen. Die deutschen schicken quasi die B-Mannschaft – so würde man das im Fußball sagen – hin. Obwohl Herr Scheuer extra einen Werbebrief versenden lässt – das KBA ist eigentlich eine Aufsichtsbehörde –, sind die Ergebnisse äußerst dünn. Deshalb sagen wir ganz klar: Der Verkehrsminister ist dazu da, das Recht auf freie Mobilität und Eigentum zu sichern, und nicht, um Werbebriefe zu versenden.
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Ja, die Grenzwerte müssen wir hinterfragen. Aber die entsprechende EU-Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten Spielraum. Entscheidend ist, wie gemessen wird. Da haben die Anfragen der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten ergeben, dass in Deutschland falsch gemessen wird. Auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat in einer großen Recherche dargelegt: Wir messen zu nah am Auspuff. So gab es in Oldenburg erhöhte Grenzwerte, obwohl die entsprechende Straße gesperrt war. Das sagt auch der dortige SPD-Minister. In Hamburg gibt es erhöhte Emissionen trotz Fahrverboten. In Essen kommen wir sogar auf die Idee, auf einer Autobahn zu messen. Auf eine solche Idee kommt man nur in Deutschland. Deswegen sind wir wirklich die Messidioten Europas.
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Das Entscheidende ist: Die Städte, in denen Fahrverbote gelten wie in Mainz, Stuttgart, Berlin und Hamburg, haben grüne Verkehrsdezernenten. Es sind in der Tat die grünen Verkehrsminister – das kann man in den Protokollen der Verkehrsministerkonferenz nachlesen –, die eine Überprüfung der Messstellen verhindern. Hier muss sich Herr Scheuer gegen Frau Schulze durchsetzen. Des Weiteren brauchen wir genaue Vorgaben, damit wir europaweit vergleichbar messen. In der entsprechenden EU-Richtlinie steht: Es muss sich mischen mit der Umgebungsluft. – Es muss also nicht dort gemessen werden, wo die größte Schadstoffbelastung zu verzeichnen ist. Deswegen ist ganz klar: Falsch aufgestellte Messstationen fungieren wie ein trojanisches Pferd der Grünen. Da, wo bei Ihnen Verbraucherschutz draufsteht, sind Fahrverbote und Enteignungen drin.
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Herr Scheuer, hören Sie auf, nun auch noch eine riesige Überwachungsinfrastruktur zu installieren! Wir wollen nicht, dass unbescholtene Bürger in Deutschland massenhaft überwacht werden. George Orwell würde ja fast grün vor Neid werden. Wir wollen, dass Sie die Messstellen endlich überprüfen. Es gibt ein Recht nicht nur auf freie Mobilität, sondern auch auf überwachungsfreie Mobilität.
Vielen Dank.
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Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Thomas Jurk.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mobilität ist ein hohes, ja ein unverzichtbares Gut in unserer Gesellschaft. Ob nun Kinder und Jugendliche zur Schule oder ihre Eltern und Großeltern zur Arbeit gelangen können oder ob die ältere Generation im Ruhestand soziale Kontakte pflegen kann, Mobilität ist ein Grunderfordernis. Mobilität hat natürlich auch viel mit Lebensqualität zu tun. Dabei ist die Aufgabenstellung zur Erfüllung der Mobilitätserfordernisse immer komplexer geworden. Es geht nicht nur um Erhalt, Aus- und Neubau der Infrastruktur. Hier haben wir in den letzten Jahren auf hohem Niveau investieren können. Es geht auch um die Mittel zum Betrieb unseres Verkehrssystems. Ich erinnere gerne daran, dass wir in der letzten Legislaturperiode beispielsweise bei den Regionalisierungsmitteln, die der Bund den Ländern zahlt, einen Aufwuchs von über 1 Milliarde Euro zu verzeichnen hatten; das sind über 15 Prozent mehr. Ich erinnere daran, dass mit dem Verkehrssystem natürlich auch Maßnahmen zum Klima- und Gesundheitsschutz verbunden sein müssen. Klima- und Gesundheitsschutz ist ein aktuelles Thema. Ich hoffe, dass wir das sehr sachlich diskutieren und nicht mit zu viel Hysterie.
Wer bei uns im Land unterwegs ist, der sieht viele Baustellen, ärgert sich möglicherweise über Umleitungen und Fahrtzeitverlängerungen. Aber das ist doch wohl ein sichtbares Zeichen dafür, dass in unserem Land nach langer Zeit wieder in großartiger Weise investiert wird. Ich getraue mich ja schon gar nicht mehr, die Frage zu stellen, was unser Verkehrssystem an Bau- und Staustellen vertragen kann. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der richtige Weg, und diesen Weg wollen wir auch in der Koalition fortsetzen.
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Ich schaue zu den Kollegen der CDU/CSU: Ich hoffe, ihr wollt das auch fortsetzen; ich sah jetzt kein Klatschen. Aber ich dachte, das sollte einmal erwähnt werden.
Wir haben bei den Haushaltsberatungen zum Einzelplan 12 –, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur –, über 80 Änderungsanträge beschlossen. Wer bei den Haushaltsberatungen dabei war – wie mein geschätzter Kollege Kruse –, hat mit Interesse bemerkt, wie häufig bei der Opposition die Arme für Zustimmung hochgegangen sind. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen für einen guten Haushalt.
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Die Ausgaben im Etat des BMVI werden im Jahre 2019 auf über 29 Milliarden Euro anwachsen, und wir haben im Verlauf der Haushaltsplanberatungen 280 Millionen Euro mehr als ursprünglich geplant beschlossen.
Dabei geht es nicht nur um die Umsetzung prioritärer Maßnahmen – ich denke an die Entlastung bei den Trassenpreisen der Bahn um 350 Millionen Euro. Vielmehr machen die Verpflichtungsermächtigungen über weitere 350 Millionen Euro für 2020 deutlich, dass wir auch Vorsorge schaffen wollen, dass rechtzeitig zum Fahrplanwechsel 2019/20 ein Zuwendungsbescheid erteilt werden kann.
Kollege Kruse hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass uns der Koalitionsvertrag wichtig war. Und so gibt es neben den prioritären Maßnahmen viele Maßnahmen, die einfach noch nicht ausfinanziert waren. Völlig zu Recht wurde die Befahrensabgabe für die Binnenschifffahrt angesprochen. Nun sage ich als Haushälter auch mit Blick auf das Bundesfinanzministerium: Es fällt einem Finanzministerium nicht leicht, auf 45 Millionen Euro Einnahmen zu verzichten. Aber gerade nach diesem schweren Jahr für unsere Binnenschifffahrt ist das, glaube ich, ein gutes Signal für die Binnenschifffahrt in Deutschland.
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Beim Thema „Digitalisierung der Schiene“ fällt mir natürlich sofort ein, dass wir das Europäische Zugsicherungssystem, ERTMS, im nächsten Jahr mit 145 Millionen Euro unterstützen wollen. Das heißt, Zugsteuerung und Zugsicherung sind uns wichtig, und das nicht nur beim Fernverkehr, sondern auch beim Nahverkehr, bei der S-Bahn und beim Güterverkehr. Das haben wir im Haushaltsvermerk auch so deutlich festgeschrieben.
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In der vorherigen Debatte ist ein Redner der Linken auf das Thema ÖPP eingegangen. Wer sich den Haushalt einmal richtig anschaut, wird feststellen, dass von den ursprünglich geplanten acht neuen Maßnahmen im Bereich ÖPP nur vier übrig geblieben sind. Ich bin wie Kollege Kruse kein Freund der ÖPP. Das hat sicherlich eine lange Vorgeschichte, und dafür ist der amtierende Minister nicht verantwortlich. Die Idee der ÖPP wurde in einer Zeit geboren, wo der Haushalt nicht so gut ausgesehen hat. Aber Fakt ist eben auch, dass man zur Kenntnis nehmen sollte, dass bei der ÖPP runtergefahren wird und dass wir das einlösen wollen, was wir hier im letzten Jahr im Hinblick auf die Grundgesetzänderung versprochen haben.
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Ein wichtiger Schritt für die Digitalisierung des Schienenverkehrs sind natürlich auch Forschungsaktivitäten. Mir ist besonders wichtig, dass wir uns nach dem Willen des Haushaltsausschusses entschlossen haben, ein Schienenverkehrsforschungszentrum in Dresden zu errichten, um hier die neuesten Innovationen auf den Weg zu bringen. Dafür haben wir 5 Millionen Euro bereitgestellt.
Ein wichtiger Schwerpunkt bei den Haushaltsberatungen war die Verbesserung der Luftqualität. Jetzt komme ich zu dem, was der Bundestag und die Regierungskoalition hier wirklich leisten und was die Bundesregierung umsetzt – das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte man sich immer wieder vor Augen führen –: Zusätzlich zu den Mitteln für das „Sofortprogramm Saubere Luft“ stellen wir für die Jahre 2019 und 2020 432 Millionen Euro für Hardwarenachrüstungen von schweren Kommunalfahrzeugen und gewerblichen Handwerker- und Lieferdieselfahrzeugen bereit.
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Das ist eine Tatsache. Das müssen Sie doch mal zur Kenntnis nehmen. Mit dem „Sofortprogramm Saubere Luft“ können im Umfang von sage und schreibe 686 Millionen Euro weitere Maßnahmen bewilligt werden. Das heißt, wir haben über Verpflichtungsermächtigungen möglich gemacht, dass zusätzliche Maßnahmen durchgeführt werden können.
Außerdem haben wir uns Themen wie dem Radverkehr gewidmet. Für neue Modellprojekte im Radverkehr stellen wir 20 Millionen Euro bereit. Auch Logistikprojekte in den Regionen können mit zusätzlich 10 Millionen Euro unterstützt werden. Dafür haben wir mit diesem Haushalt die Grundlage geschaffen.
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Ein besonders wichtiges Thema ist der Breitbandausbau. Ich weiß, dass das kritisch hinterfragt wird. Alles braucht seine Zeit, aber die Weichen sind gestellt. Ab 2019 werden wir zusätzlich 4,1 Milliarden Euro ausgeben können. Das sind zum einen 643 Millionen Euro zum Upgrade der bisherigen Projekte auf Glasfaser und zum anderen 3,4 Milliarden Euro im sogenannten Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“. Hier legen wir einen besonderen Schwerpunkt auf den Glasfaseranschluss für Schulen, Gewerbegebiete und Krankenhäuser.
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Ich könnte noch eine Vielzahl der 80 Änderungsanträge vorstellen, die wir beraten und beschlossen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren; aber eines ist mir besonders wichtig: Wir hatten in den letzten Jahren verstärkt schwere Unfälle bei Abbiegevorgängen an Kreuzungen. Sie wissen, dass dabei Menschen zu Schaden gekommen sind; auch Kinder wurden getötet. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt auch die Förderung von Abbiegeassistenzsystemen für leichte Lkw möglich machen. Das dient dem Schutz von Fußgängern und Radfahrern, und deshalb glaube ich: Auch das ist ein wichtiges Signal.
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Last, but not least mit Blick auf die Uhr und das Zeichen des Präsidenten möchte ich deutlich feststellen: Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung stellen wir die richtigen Weichen für die Mobilität in Deutschland.
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Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege Victor Perli.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir müssten hier und heute eigentlich über eine moderne und fortschrittliche Verkehrspolitik reden. Fast alle Bürgerinnen und Bürger, 91 Prozent, wollen weniger auf das Auto angewiesen sein. Wir müssten deshalb dringend darüber reden, wie wir es schaffen, dass Busse und Bahnen auch auf dem Land regelmäßig fahren,
({0})
und wie die Bahn wieder für alle bezahlbar wird. Es ist doch was schiefgestrickt, wenn es zum Beispiel von Köln nach Berlin mit dem Flieger günstiger ist als mit der Bahn. Das kann doch nicht sein.
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Wir müssten hier eigentlich über eine Verkehrspolitik reden, die den Menschen nützt und das Klima schont,
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aber leider müssen wir über den desaströsen Verkehrshaushalt von CDU/CSU und SPD reden.
Während wir bei den großen Konzernen die Euro-Zeichen in den Augen sehen, sind die Steuerzahler wieder einmal die Angeschmierten. Dazu drei Beispiele:
Erstes Beispiel. Millionen Menschen, die auf ihr Auto angewiesen sind, werden beim Abgasbetrug und bei den Fahrverboten im Stich gelassen. Zur Erinnerung: In den letzten fünf Jahren haben BMW, Daimler und VW auch durch den Dieselbetrug über 100 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Doch die Bundesregierung verpflichtet sie nicht einmal zur Hardwarenachrüstung, um schlechte Luft zu reduzieren und Fahrverbote zu verhindern. Dabei wäre das doch das Mindeste, um den entstandenen Schaden wiedergutzumachen.
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Zweites Beispiel: Lkw-Maut. Circa 10 Milliarden Euro sind dem Staatshaushalt seit 2005 schätzungsweise verloren gegangen, weil eine ganz große Koalition von SPD, Grünen, Union und FDP den Mautbetrieb einer Konzerntochter von Daimler und Telekom zugeschanzt hat. Toll Collect steht für grenzenloses Chaos. Mehr als eine halbe Milliarde Euro Anwaltskosten hat allein der Rechtsstreit der Konzerne mit dem Ministerium verschlungen. Jetzt ist der Betreibervertrag endlich ausgelaufen; Toll Collect gehört dem Bund. Aber was macht Verkehrsminister Andi Scheuer? Er will den milliardenschweren Mautbetrieb so schnell wie möglich wieder privatisieren.
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Was für eine Posse!
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10 Milliarden Euro sind den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern verloren gegangen, und ihm fällt nichts Besseres ein, als die Wiederholungstaste zu drücken!
Die Prüfer vom Bundesrechnungshof haben gerade schwerste Bedenken gegen die Privatisierung angemeldet. Die Kritik der Linken ist bestätigt worden. Für uns ist völlig klar: Ein bundeseigenes Unternehmen kann die Lkw-Maut kostengünstiger eintreiben
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und würde dem Staatshaushalt Milliarden an zusätzlichen Einnahmen bescheren, und das ist Geld, das dringend in eine soziale und ökologische Verkehrswende investiert werden muss.
({7})
Drittes Beispiel: die Abzocke an den Autobahnraststätten.
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Jeder Autobahnnutzer kennt es: überhöhte Preise an den Raststätten für Sprit, für Getränke und 70 Cent für den Toilettengang. Was viele nicht wissen: So gut wie alle Raststätten gehören dem ehemals staatlichen Unternehmen Tank & Rast, bei dem seit der Privatisierung verschiedenste Finanzinvestoren das Sagen haben. Die nutzen das Fast-Monopol schamlos aus, um ihre Profite auf Kosten der Reisenden, der Pächter und der Beschäftigten zu maximieren. Eine Anfrage der Linken beweist jetzt: Diese Abzocke wird von der Bundesregierung auch noch subventioniert.
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Aus Steuergeldern fließen jedes Jahr 110 Millionen Euro in die Zufahrten und in die Infrastruktur rund um die Raststätten.
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Von Tank & Rast und anderen fließen aber nur 16 Millionen Euro für die Konzessionen zurück,
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und den fetten Gewinn von 160 Millionen Euro pro Jahr kassieren die Finanzinvestoren. Unsäglich!
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Für Die Linke ist völlig klar: Die Autobahnraststätten müssen zurück in die öffentliche Hand.
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Nur so kann die Abzocke der Kunden, kann die Auslieferung dieser Betriebe und Beschäftigten an Finanzspekulanten beendet werden.
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Meine Damen und Herren, seit 2009 ist das Verkehrsministerium in CSU-Hand. Sie sehen, die Minister Ramsauer, Dobrindt und Scheuer
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haben dieses Haus zu einem Serviceministerium für lobbystarke Industrien gemacht.
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CDU und SPD tragen diese Politik mit. Das lassen wir ihnen nicht durchgehen. Die Linke wird diesen Haushalt klipp und klar ablehnen.
Vielen Dank.
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Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Kollege Sven-Christian Kindler.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Scheuer, vor einer Woche, am Dienstag, haben Sie beim Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt – ich zitiere –: Mobilität muss verrückter werden. – Da dachte ich mir: „Verrückter“ muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Dass aber insbesondere bei einem CSU-Verkehrsminister Verkehrspolitik verrückter werden sollte – da habe ich Angst bekommen. Bitte lassen Sie es sein, Herr Scheuer! Es muss nicht noch verrückter werden.
({0})
Es gibt schon genug Verrücktheiten in diesem Etat. Das kann man klar am Haushalt erkennen. Sie planen zum Beispiel weiter die verrückte Pkw-Maut, eine Maut, die am Ende mehr kosten wird, als durch sie eingenommen werden wird. 2019 wollen Sie für deren Vorbereitung 86 Millionen Euro aus dem Fenster schmeißen, wie auch für private Unternehmensberater. Und in der Bereinigungsnacht um 4 Uhr hat die Koalition noch 350 neue Personalstellen geschaffen. Ich sage Ihnen: Das ist wirklich verrückt. Hören Sie endlich auf damit!
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Auch die Privatisierung des Straßenbaus kann man als verrückt bezeichnen. ÖPP-Projekte – das zeigen alle Untersuchungen des Bundesrechnungshofes – sind für den Staat deutlich teurer. Am Ende ist das nur ein großes Geschäft für große Bauunternehmen und Banken. Bei der A 49 wollen Sie sich sogar über einen geltenden Parlamentsbeschluss, einen Beschluss des Haushaltsausschusses, hinwegsetzen und das durchdrücken. Erstmals in einem Etat wollen Sie jetzt sogar nicht nur Autobahnen über ÖPP teilprivatisieren, sondern sogar Bundesstraßen. Ich sage Ihnen: Diese verrückten Privatisierungen brauchen wir nicht mehr. Wir brauchen mehr Sinn und Verstand im Verkehrsministerium.
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Sie treiben auch weiter die Privatisierung der Lkw-Maut voran. Victor Perli ist darauf schon eingegangen. Der Bundesrechnungshof hat Ihnen eine hammerharte Kritik vorgelegt; er zerreißt Ihre geheime Wirtschaftlichkeitsrechnung in der Luft.
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– Der Bundesrechnungshof ist unabhängig. – Er hat dargelegt, dass zum Beispiel in Ihren Berechnungen einfach angenommen wird, dass private Unternehmer 10 Prozent effizienter seien als Unternehmen des Bundes. 10 Prozent – einfach ausgedacht, ohne belegbaren Grund! Gleichzeitig werden auch Zinsen, Steuerrückflüsse und Personalaufwand falsch angesetzt und schöngerechnet. Sie wollen sogar weiter private und geheime Schiedsgerichte planen,
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obwohl der Bund verrückte 14 Jahre mit Toll Collect hinter verschlossenen Türen gestritten und 270 Millionen Euro an Anwaltskosten ausgegeben hat. Dass Sie das fortsetzen wollen, nenne ich wirklich verrückt. Diese Privatisierung von Toll Collect muss endlich gestoppt werden.
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Auch den Umgang mit dem Dieselskandal und der schmutzigen Luft in unseren Städten kann man nur als verrückt bezeichnen. Ihre eigene Behörde, das Kraftfahrt-Bundesamt, hat einen Brief an Autofahrer verschickt, die von der Manipulation betroffen waren, und darin Werbung für Umtauschaktionen und Prämien der deutschen Automobilhersteller gemacht, mit Telefonnummern und Webseiten von VW, BMW und Daimler, bei BMW sogar mit Faxnummern. Ihre eigene Aufsichtsbehörde hat de facto Werbebriefe für die Automobilindustrie verschickt. Man fragt sich schon: Sind Sie eigentlich der Verkehrsminister, der für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Städten, aber auch der betrogenen Autofahrer eintritt, oder sind Sie der Verkehrsminister, der als Verkaufsagent für die Automobilindustrie agiert? Diese Rolle müssen Sie endlich einmal klären.
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Als Lobbyist der Automobilindustrie sind Sie auch häufig im Fernsehen zu sehen, zum Beispiel beim ZDF, im „heute journal“ mit Frau Slomka. Da haben Sie im Interview behauptet – ich zitiere –:
Die Fehler und Manipulationen haben mit der jetzigen Situation der Fahrverbote und den Problemen in den Innenstädten nichts zu tun.
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Ernsthaft? Der Einbau von illegalen Abschalteinrichtungen, die dafür sorgen, dass ein Auto im Straßenbetrieb deutlich mehr dreckige Stickoxide ausstößt als im Testlabor, hat nichts mit der schmutzigen Luft in Städten zu tun und den daraus resultierenden Fahrverboten? Ernsthaft, Herr Scheuer? Dann könnte man auch sagen: Sonnenbrand hat nichts mit der Sonne zu tun. Das ist doch wirklich absurd, was Sie da sagen.
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Ich finde es auch etwas peinlich, wenn Sie im Zweiten Deutschen Fernsehen Fake News verbreiten. Das ZDF hat Ihre Aussage ja unter die Lupe genommen und einen Faktencheck gemacht.
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Es kommt zu dem Schluss – ich zitiere –:
Die Aussage von Minister Scheuer ist in diesem Fall eindeutig falsch.
Das ist eine peinliche Verkehrspolitik, die Sie hier machen.
({10})
Statt der verrückten CSU-Politik der letzten Jahre im Verkehrsministerium, statt einer Politik, die immer mehr auf Straßenbau, auf Privatisierung und die auf die verrückte Pkw-Maut setzt, brauchen wir endlich eine Verkehrswende im Haushalt, eine Verkehrswende für Klimaschutz und für saubere Luft in unseren Städten. Wir als Grüne haben gesagt, was man machen kann, wenn man im Haushalt ordentlich umschichtet. Wir können ein Umschichtungsvolumen in Höhe von über 3 Milliarden Euro, wie wir es vorgeschlagen haben, für die ländliche Mobilität einsetzen, damit die Menschen auch im ländlichen Raum mobil sein können, für eine Verkehrswende in den Städten,
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gerade für Lastenräder, für E-Busse, für den Fahrrad- und Fußverkehr. Man könnte ein Zukunftsprogramm für den öffentlichen Nahverkehr schaffen. Alles das ist möglich. Klimaschutz ist möglich.
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Bitte hören Sie mit dieser verrückten CSU-Verkehrspolitik auf!
Danke.
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Als nächster Redner hat das Wort der Bundesminister Andreas Scheuer.
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute den Haushalt 2019. Mit diesem Haushalt kommen wir ein großes Stück voran auf dem Weg zu einer sauberen, digitalen, komfortablen und zugleich günstigen Mobilität. Ich möchte den Abgeordneten im Deutschen Bundestag herzlich danken für die intensiven Beratungen. Vor allem möchte ich mich bei den Koalitionsfraktionen bedanken, die einen Haushalt organisiert haben, der als Entwurf schon gut war und jetzt, nach diesen zahlreichen Änderungsanträgen, noch besser geworden ist. Vielen herzlichen Dank dafür!
({0})
Gestern fand eine Konferenz statt, „Mobilität in Deutschland – Zeit für neues Denken und Handeln“. Ja, das machen wir bereits seit vielen Jahren. Die Politik schafft Rahmenbedingungen. Ich sage Ihnen: 5,2 Milliarden Euro! Mit diesem Betrag hat die Bundesregierung seit 2009 die Elektromobilität und die alternativen Antriebstechniken gefördert und unterstützt.
({1})
Das ist das Einleiten nicht nur in neues Denken, sondern vor allem in konkretes Handeln. Auch für diese vorausschauende, visionäre Art, mit der wir als Politik dafür sorgen, dass in Deutschland kräftig gefördert wird, meinen herzlichen Dank!
Wir haben nicht nur die Batterietechnologie unterstützt, sondern auch die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie; wir fördern technologieoffen. Wir fördern den Kauf von Elektrofahrzeugen, den Aufbau von Elektroladesäulen sowie den Bau der Tankinfrastruktur für alternative Kraftstoffe wie Wasserstofftankstellen. Das heißt: Es wird über die verschiedenen Möglichkeiten von Mobilität hinweg gefördert, nicht nur beim Auto, sondern auch bei den anderen Verkehrsträgern – ob das die synthetischen Kraftstoffe für Flugzeuge am Flughafen in Leipzig sind oder die mit Wasserstoff betriebenen Züge, die wir mit zahlreichen Förderanträgen, die wir unterstützt haben, in Niedersachsen an den Start gebracht haben. Das ist konkretes Handeln für die Mobilität der Zukunft.
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Wenn ich höre, dass wir 300 Millionen Euro für saubere Mobilität umschichten können, dann sage ich: Diese Koalition hat bereits ganz konkrete Entscheidungen getroffen, auch in den Jahren zuvor. Ich wiederhole die Zahl: 5,2 Milliarden Euro für die Forschung und Entwicklung sauberer Antriebstechnologien!
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In den kommenden Jahren werden wir eine weitere Milliarde zur Verfügung stellen, um dies kräftig anzuschieben. Man sollte meinen, dass man mit diesem Geld einiges machen kann, beispielsweise tolle Autos, die die Verbraucher begeistern, oder Nutzfahrzeuge, die unsere Logistikbranche überzeugen, oder Busse, die man im öffentlichen Nahverkehr schnell einsetzen kann. Wir brauchen unbedingt solche Fahrzeuge; aber wenn ich mich draußen umschaue, sehe ich momentan leider zu wenig von deutschen Herstellern.
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Wir müssen uns also konsequent Gedanken machen, wie wir diese Modelle in den Verkehr bekommen, für eine Mobilität der Zukunft. Deswegen lautet mein dringender Appell: Es geht nicht darum, auf Autoshows immer wieder neue, auf Hochglanz politierte Modellwagen unter einem Tuch hervorzuzaubern, sondern darum, was Sie am Ende auf die Straße bringen! Sie müssen die Käufer nicht nur mit Ihrem Design, sondern auch durch Alltagstauglichkeit und Preis begeistern.
Es ist unsere Aufgabe, dafür die politischen Rahmenbedingungen zu setzen. Mit diesem Haushalt kommen wir hier ein ganzes Stück weiter. Wer die Politik auffordert, eine Agenda für die Zukunft des Automobils zu entwickeln, muss erst einmal selbst zeigen, was er drauf hat. Wer nur von den Herausforderungen der Zukunft redet, aber es nicht schafft, die Produkte der Zukunft schnell in die Läden zu bringen, läuft Gefahr, den Weltmeistertitel im Autobau zu verlieren. Wir stellen 5,2 Milliarden Euro für Förderung, Entwicklung und Forschung in diesem Bereich zur Verfügung.
Mein Haus – das kann ich Ihnen versichern – hat seine Hausaufgaben gemacht.
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Wir fördern seit Jahren jede Menge Produkte, die eine effiziente, moderne, intelligente, saubere und sichere Mobilität ermöglichen. Wir fördern nicht nur die Produkte an sich, sondern auch das Management, nämlich die digitalen Verkehrsmanagementsysteme vor Ort. Wir fördern auch im Bereich der Logistik, bei der Zulieferung und Paketzustellung. Wir fördern Streetscooter genauso wie Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen. In den kommenden Jahren werden mehr als 17 Milliarden Euro an Investitionen im größten Investitionshaushalt des Bundes zur Verfügung stehen für wichtige Projekte, nicht nur für die automobile Mobilität, sondern für die gesamte Straße, seien es Radverkehr, Fußgänger, Wasserwege, Luftverkehr und Schiene. Wir haben uns große Ziele für die Schiene gesetzt und ehrgeizige Ziele, was die Mittelausstattung betrifft.
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Klar ist auch: Wir haben momentan ein Problem, das wir lösen müssen. Mit dem „Sofortprogramm Saubere Luft“ setzen wir entsprechende Maßnahmen um und fördern zu 80 Prozent die Hardwarenachrüstung bei Dieselbussen. Wir lassen die Kommunen nicht im Regen stehen; wir fördern schwere Kommunalfahrzeuge. Wir unterstützen auch die Handwerker und die Lieferdienste mit Fördersätzen in Höhe von 80 Prozent bei der Hardwarenachrüstung. Ich kann Ihnen sagen: Wir werden die technischen Vorschriften für die Hardwarenachrüstung für Pkws nicht, wie angekündigt, Anfang 2019 an den Start bringen, sondern noch in diesem Jahr fertigstellen, sodass die Nachrüster und die Entwickler ihre Produkte vorlegen können.
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Wir werden auch schnellstmöglich genehmigen. Wer als Hardwarenachrüster intensiv Marketing betreibt und sagt, dass diese Hardwarenachrüstungsteile so leicht zu entwickeln sind, der muss dann auch liefern und uns Teile auf den Tisch legen, mit denen alle Grenzwerte und Vorschriften eingehalten werden und die wir genehmigen können.
Meine Damen und Herren, es ist ein Irrglaube, dass das Thema „Mobilität und Wirtschaftsstandort Deutschland“ allein Aufgabe des Bundes ist. Ich glaube, es ist ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem alle in der Verantwortung stehen. Wenn die deutsche Automobilindustrie zusichert, sich um jeden Kunden zu kümmern – Stichwort „Fahrverbote“ –, und garantiert, die Kunden und die Bürgerinnen und Bürger automobil zu halten, werden wir genau hinschauen.
Und meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wenn das Kraftfahrt-Bundesamt einen Informationsbrief schreibt,
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der von allen gefordert ist, damit wir die Dieselbesitzer über die Möglichkeiten informieren, mit dem keine Kaufberatung stattfindet,
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sondern in dem allein Hotlines genannt werden –
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inklusive der Hotline des Ministeriums; denn wir haben eine Hotline als Bürgerservice eingerichtet, um Aufklärung zu betreiben und Informationen zu geben –, dann wird man an dieser Stelle auch noch kritisiert. Wenn wir das nicht gemacht hätten, hätten Sie hier gesagt: Diese Bundesregierung informiert die Dieselbesitzer nicht. Das ist doch wirklich verrückt, Herr Kollege Kindler.
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Wir werden auch die Kommunen in die Pflicht nehmen. Wir werden dafür sorgen, dass die Zulassung von Messstellen, die unmittelbar an einer Kreuzung, an einem Busbahnhof, direkt an einem Müllcontainer, in den Bauschutt abgeladen wird, oder an einer Gebäudenische aufgebaut werden, überprüft wird.
Die Kommunen sind mit verantwortlich dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger automobil bleiben. Ich habe kein Verständnis dafür, dass Kommunen es zulassen, dass Sightseeing-Busse aus den 1970er- und 1980er-Jahren herumfahren, zum Beispiel hier in Berlin-Mitte, bei denen man die Rußpartikel wahrscheinlich einzeln zählen kann.
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Ich habe auch kein Verständnis dafür, dass wir mit alten Luftreinhalteplänen vor Gericht scheitern. Dort werden Fahrverbote ausgesprochen basierend auf Luftreinhalteplänen aus den Jahren 2011 und 2013. Es gibt aus diesem Ministerium künftig nur noch Förderungen für Kommunen, die aktuelle Luftreinhaltepläne vorlegen. Diese Verantwortung liegt bei den Kommunen.
({13})
Wir organisieren vieles: Wir fördern ein Netzwerk für Kommunen, Stichwort „NaKoMo“. Wir fördern ein Lotsensystem, um die Intensivstädte zu betreuen. Wir sorgen für neue Handlungsspielräume vor Ort. Wir sorgen zusätzlich für höhere Auflagen für die Versorgung mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G. Wir schaffen Richtlinien für autonomes Fahren. Wir bieten den politischen Rahmen neben dem vielen Geld, das wir anzubieten haben.
Deswegen wird es spannend bleiben, die Mobilität der Zukunft zu organisieren. Wir müssen viele Themen aus der Vergangenheit angehen und Probleme lösen. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen Planungssicherheit. Der Verärgerung, der Unzufriedenheit und der Enttäuschung müssen wir mit politischem Handeln begegnen. Dazu brauchen wir aber auch andere, die sich am Heimatmarkt vor allem um Imagebildung kümmern und Vertrauen zurückgewinnen. Gleichzeitig brauchen wir aber die Organisation der Mobilität der Zukunft und der Zukunft der Mobilität, um den Wohlstand in Deutschland auch für morgen zu erhalten.
Herzlichen Dank.
({14})
Für die Fraktion der AfD hat das Wort der Kollege Wolfgang Wiehle.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Staus, Verspätungen, Funklöcher – diese drei Worte stehen für Mängel und Versagen in der Infrastruktur an entscheidenden Stellen in Deutschland.
Die Steuereinnahmen sprudeln. Das vermittelt ja auch der Haushaltsentwurf für 2019. Trotzdem müssen unsere Bürger den Eindruck haben, dass es nicht besser, sondern an vielen Stellen sogar schlimmer wird.
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Für die Infrastruktur in Deutschland brauchen wir eine kluge, vorausschauende Politik mit gesundem Menschenverstand.
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Infrastruktur ist Daseinsvorsorge. Das betrifft Straßen, Bahnstrecken, Wasserstraßen und heute auch digitale Netze. Solche Netze bereitzustellen, ist eine der Kernaufgaben des Staates.
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Es handelt sich hierbei in der Sprache der Volkswirtschaft um natürliche Monopole. Hierbei hat es einfach keinen Sinn, Wettbewerb vorzugaukeln.
Durch gezielte Einsprüche wird der Bau notwendiger neuer Straßen und Bahnstrecken oft jahrelang verzögert. Dass wir klarere Schritte zu einer Planungsbeschleunigung brauchen, pfeifen die Spatzen von den Dächern.
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Als Sofortmaßnahme gegen den Stau verlangt die AfD rund 400 Millionen Euro mehr für schnelleres Bauen an Autobahnen und Bundesstraßen.
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Mehrschichtbetrieb, Arbeit 24 Stunden am Tag und auch an Wochenenden sind nicht zu teuer,
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wenn man die Kosten durch die Staus an den ewigen Baustellen ehrlicherweise mitrechnet.
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Mehr als drei Viertel der Verkehrsleistungen im Personenverkehr werden auf der Straße abgewickelt. Beim Güterverkehr sind es mehr als zwei Drittel. Deshalb muss der Straßenverkehr auch bei den Infrastrukturausgaben Nummer eins sein und bleiben.
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Staus und Baustellen zeigen den schlechten Zustand der Straßen.
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Bei der Bahn sind die Verspätungen der Maßstab. Derzeit kommt mehr als jeder vierte Fernzug nicht rechtzeitig an sein Ziel. Ein neuer Vorstand bei der DB Fernverkehr allein wird diese Verspätungsmisere nicht lösen können. Ich wünsche Herrn Nagl viel Glück. Er wird aber auch bessere Unterstützung vonseiten des Eigentümers der Bahn benötigen, also durch den Bund.
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Lange Jahre wurde hier Wettbewerb gespielt, die Bahn sollte fit werden für einen Börsengang. Dazu hat man an der Infrastruktur gespart, Überholgleise abgebaut, Wartung auf die lange Bank geschoben.
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Das Schienennetz ist aber Daseinsfürsorge, und das ist die Verantwortung des Staates. Es ist notwendig, hier ausreichend Mittel in die Hand zu nehmen.
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Zugleich brauchen wir echte Transparenz darüber, was mit diesem Geld passiert. Die AfD fordert daher mit besonderem Nachdruck einen eigenen Haushaltstitel für die Finanzierung des Projekts Stuttgart 21.
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Mehr Transparenz und Klarheit müssen aber auch ganz allgemein das Ziel sein bei den sogenannten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen zwischen der Deutschen Bahn und dem Bund. Insbesondere brauchen wir Klarheit über die dramatische Verschuldungssituation der Deutschen Bahn und die möglichen Konsequenzen daraus für künftige Bundeshaushalte.
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Meine Damen und Herren, hinter den Zugverspätungen stehen viel größere Probleme, als der erste Blick verrät. Es werden noch mehr Brandbriefe kommen als der eine vom Vorstandsvorsitzenden Dr. Lutz vom September. Wie oft wird Konzernvorstand Pofalla an seine frühere Wirkungsstätte ins Kanzleramt geschickt werden, um neue Milliarden lockerzumachen? Die AfD fordert: Die Karten müssen endlich auf den Tisch, und zwar alle.
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Wer im Stau steht oder in einem verspäteten Zug sitzt, wird gerne anrufen und Bescheid sagen, dass die Reise länger dauert – jedenfalls wenn er kann. Aber wehe dem, der gerade in einem dünn besiedelten Landstrich ist. Der weiß schnell, warum die „Süddeutsche Zeitung“ im vergangenen Juli eine Reportage überschrieben hat mit dem Titel „Deutschland, Land der Funklöcher“.
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Immer mehr Bürger sind mit dem Zustand der digitalen Infrastruktur in Deutschland schlichtweg unzufrieden, und das mit Recht. Wie kann es sein, dass unser Land im Jahre 2018 von immer mehr anderen Ländern digital abgehängt wird?
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Die nächste, fünfte Mobilfunkgeneration, auch 5G genannt, soll jetzt der große Wurf werden, aber schon heute droht der Start in einem Fiasko zu enden. Es ist ja richtig, dass der Staat darauf verzichtet, seine Einnahmen aus der Versteigerung der 5G-Funkfrequenzen auf die Spitze zu treiben, und dass er stattdessen erreichen will, dass ländliche Gegenden besser abgedeckt werden.
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Trotzdem drohen die großen Betreiberfirmen jetzt mit Klagen gegen diese sogenannten Versorgungsauflagen.
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Auch hier spielt man Wettbewerb und unterwirft die digitale Infrastruktur unseres Landes aus Prinzipienreiterei der Firmenkonkurrenz. Es hat doch gar keinen Sinn, in weiten Landstrichen zwei oder drei Netze nebeneinander aufzubauen, von denen dann keines richtig funktioniert. Es gibt schließlich auch nicht zwei Straßennetze oder zwei Stromnetze nebeneinander.
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Auf den Straßen funktioniert der Wettbewerb doch ganz anders. Speditionsfirmen zum Beispiel stehen selbstverständlich in Konkurrenz zueinander,
({20})
aber sie alle benutzen dieselben staatlichen Autobahnen und zahlen dafür Maut. Das grundlegende digitale Netz ist ein Teil der Daseinsvorsorge. Für dessen Aufbau muss der Staat, wenn nötig, selbst Geld in die Hand nehmen, und dagegen kann dann beim besten Willen niemand klagen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle stehen in der Verantwortung. Staus, Verspätungen und Funklöcher sind Zeichen für Fehler der Politik. Ich fordere die Koalition und die Bundesregierung auf: Hören Sie auf, Wettbewerb vorzugaukeln, wo es um Daseinsvorsorge geht. Sorgen Sie für zügige Planung. Setzen Sie die Prioritäten beim Ausbau nach dem Bedarf und nicht nach der Ideologie. Dann wird es in Deutschland wieder besser.
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Der nächste Redner ist der Kollege Gustav Herzog, SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, dass ich nichts zu Diesel und NO x sage,
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sondern zu einem Haushalt der Mobilität von Personen, Gütern und Daten spreche, einem Haushalt der Investitionen und Innovationen, einem Haushalt – um es vereinfacht zu sagen – von Beton und Bytes.
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Wir packen das in diesem Haushalt gut zusammen: die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, aber auch in die Dateninfrastruktur. Das wird nicht nur im großen Ganzen deutlich, sondern auch in einigen Detailfragen. Wir schauen: Was haben wir als Bund an Infrastruktur? Wir haben zum Beispiel Leerrohre an den Autobahnen, an den Wasserstraßen, und die DB meldet sich auch mit ihren Leerrohren entlang der Schiene. Die Leerrohre, die vorhanden sind, wollen wir zur Verfügung stellen, damit der Ausbau der Glasfasernetze schneller, besser und kostengünstiger vorangeht.
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Wir starten bei der Förderung des Breitbandausbaus durch – für die Glasfaser, für die Gigabitgesellschaft. Ich will an dieser Stelle noch mal darauf hinweisen: In unserem Förderungskatalog steht auch der Anschluss von Mobilfunkstandorten, von Antennen. Ich fordere die Kommunen auf, das zu berücksichtigen, wenn sie ihre Ausbaupläne vorlegen und Förderung von uns haben wollen.
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Lassen Sie mich auf ein Problem hinweisen, das durch viele Gespräche mit den Praktikern vor Ort deutlich geworden ist: Irgendwann beim Ausbau ist die Trasse oder auch der Standort für den Mast nicht frei. – Wir sollten gemeinsam überlegen, ob wir nicht eine Ergänzung der Bauleitplanung vornehmen sollten. Könnten wir nicht so, wie man den Flächennutzungsplan mit einem landschaftspflegerischen Begleitplan versieht, in der Zukunft auch einen Netzplan Telekommunikation vorsehen, der die Grundlage für vorsorgende Politik in den Gemeinden für die zukünftige Gigabitgesellschaft schafft?
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Seit Freitag kennen wir den Entwurf der Präsidentenkammerentscheidung für die Vergabe von 5G-Frequenzen. Es hat in den letzten Tagen ein richtig heftiger Kampf stattgefunden. Ich denke, vieles von dem, was von den Mobilfunkern, von den Diensteanbietern publiziert worden ist, ist Pflichtrhetorik. Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Bundesnetzagentur sehr nah an die Grenze dessen gegangen ist, was sie machen kann, und einen insgesamt ausgewogenen Vorschlag vorlegt. Wir sollten allerdings sehr genau verfolgen, wie kontrolliert und sanktioniert wird, und aufpassen, dass wir die Ausbaupläne nicht wieder erst auf den letzten Drücker bekommen, sondern sie vorher auf dem Tisch liegen, damit Politik darauf reagieren kann.
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Herr Kollege Wiehle, es ist erklärtes Ziel dieser Koalition, diese Vergabe versorgungsorientiert und nicht gewinnorientiert zu gestalten.
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Wir wollen die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger und haben die Solidarität des Bundesfinanzministeriums.
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Lassen Sie mich etwas zu den Funklöchern sagen. Häufig ist es auch einfach nur ein Wechsel der Technik: Wenn Sie von einem 3G- in ein 4G-Netz wechseln und haben nicht die modernste Technik in der Hand, dann haben Sie häufig keinen Empfang, und zwar nicht, weil Sie in einem Funkloch stecken, sondern, weil das Handover einfach nicht funktioniert. Das wird allerdings beim Wechsel zwischen 4G und 5G deutlich besser.
Ebenso wird es auf der Schiene besser, wo wir – Kollege Jurk hat darauf hingewiesen – Geld in die Hand nehmen, damit die Betreiber die Fahrzeuge umrüsten und die Pendler in den Zügen besseren Empfang haben; denn im Zug lässt es sich besser daddeln als als Autofahrer – das sollte man überhaupt nicht tun.
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Lassen Sie mich abschließend zwei Punkte ansprechen. Erstens: das klare Bekenntnis der SPD zur Industriegesellschaft. Deswegen wollen wir 5G für die Industrie reserviert haben. Zweitens, was das Konzept für die 5G-Modellregion angeht: Herr Bundesminister, ich weiß, in Ihrem Haus, wird kräftig daran gearbeitet, aber der nordische Gott für Ungeduld ist ein Pfälzer, und da sage ich nur: Hamm wer’s bald?
Danke schön.
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Der Kollege Christoph Meyer ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Scheuer, Sie haben eben in Ihrer Rede darauf hingewiesen, dass Sie viele Probleme aus der Vergangenheit bewältigen müssen. Da frage ich Sie: Wer hat die letzten zehn Jahre dieses Haus verantwortet? Das ist doch die CSU. Deswegen ist Ihre Aussage ein Offenbarungseid für die Verkehrspolitik Ihrer eigenen Partei.
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Sie haben Ihrem Ruf als Ankündigungsminister eben wieder alle Ehre gemacht, indem Sie den betroffenen Dieselfahrern, die im Frühjahr 2019 von Fahrverboten betroffen sein werden, keine konkrete Unterstützung angeboten haben. Sie haben viel von Zukunftsprogrammen gesprochen, aber was konkret getan wird, haben Sie wieder nicht gesagt.
Wir reden über den größten Investitionshaushalt des Bundes, aber dieser Haushalt ist ein Haushalt der vertanen Chancen. Dafür gibt es eine Reihe von Beispielen:
Deutsche Bahn. Nur 71 Prozent der Fernzüge kamen im Oktober pünktlich, also weniger als sechs Minuten verspätet. Das ist eine Entwicklung, die sich in den vergangenen Jahren bereits angekündigt hat und welche offensichtlich genauso weitergehen wird. Nun wird von schonungsloser Bestandsaufnahme gesprochen. Zahlen sind auch schon im Raum: mindestens 5 Milliarden Euro. An dem Zukunftsplan, der erarbeitet werden soll, arbeitet ein ganzer Strauß von Beratern. Ich habe ein bisschen das Déjà-vu, dass das genauso ist wie zu Beginn im Bundesverteidigungsministerium, wo ein ganzer Zug von Beratern eingekauft wurde. Als solches ist das erst mal eine gute Idee, aber Sie müssen aufpassen, dass nicht die Berater die Bahn führen, sondern umgekehrt: die Berater von Ihnen und von der Bahn geführt werden.
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Eine Position von Herrn Scheuer ist nicht erkennbar. Vermutlich lautet sie: Geldhahn aufdrehen, Augen zu. Statt eine Diskussion über die Zukunft der Deutschen Bahn, wie wir als Staat, als Eigentümer mit der Deutschen Bahn umgehen wollen, zu führen, vermeiden Sie eine solche.
Lieber Herr Kollege Jurk, Sie haben sich für Ihre 80 Anträge gerühmt, die in der Bereinigungssitzung gestellt wurden
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– wir haben einigen zugestimmt –, aber es ging dabei um einige Orchideenthemen. Mein Lieblingsprogramm, das Sie mit Ihrer Mehrheit durchgedrückt haben, ist das Programm „Station to Station“ mit über einer halben Million Euro für Bühnenaufbauten auf Bahnhöfen. Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es fast lustig. Bei Ihnen fährt noch nicht einmal ein Zug nach Nirgendwo, dafür aber mit musikalischer Untermalung.
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Wasserstraßen – ungeliebtes Kind im Verkehrsministerium. Die profitieren offensichtlich nicht vom Investitionshochlauf.
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Sie haben wenigstens – und das haben die Kollegen der Koalitionsfraktionen hier eben noch mal genannt – die Nutzungsgebühren abgeschafft. Da sind Sie unserem Ansatz gefolgt. Das ist einer der wenigen Lichtblicke, den Sie in diesem Etat zu verantworten haben.
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Verkehrsträger Straße. Hier habe ich bereits, ähnlich wie beim letzten Haushalt, darauf hingewiesen, dass der Investitionshochlauf in den nächsten Jahren die Frage sein wird, an der sich der Erfolg oder der Misserfolg Ihres Hauses und Ihrer Person messen lassen wird.
Eisenbahnvermögen. Hier gehen Sie nicht ran, trauen Sie sich nicht ran. Der Rechnungshof kritisiert dies ständig.
ÖPP. Grundsätzlich haben Sie hier den richtigen ordnungspolitischen Ansatz – da sind wir an Ihrer Seite –, aber durch die Schlampigkeit, mit der Sie und Ihr Haus die ÖPP-Modelle, Stichwort „Toll Collect“, offensichtlich aufgleisen, geben Sie der linken Seite des Hauses die Argumente an die Hand.
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Sie müssen aufpassen, dass diese Schlampigkeit nicht dazu führt, dass die letzten ordnungspolitischen Ansätze in Ihrem Etat über Bord geworfen werden.
Digitale Infrastruktur spare ich mir jetzt. Dazu gibt es in der Tat nicht viel zu sagen, außer dass Deutschland den internationalen Anschluss immer weiter verliert.
Wir haben Ihnen als Serviceopposition die Stichworte an die Hand gegeben mit unseren Anträgen zur Schadstoffmessung, zur Planungsbeschleunigung und zur Digitalisierung. Sie müssten nur abschreiben; wir haben keinen Autorenstolz. Das wäre für Deutschland sicherlich besser.
Letzter Satz: Ich hatte mich am Anfang der Haushaltsberatungen darüber geärgert, dass Sie für 2,5 Millionen Euro Betriebskosten einen Nachrichtenraum im Jahr einrichten wollten. Den haben Sie nun eingerichtet. Wenn man sich die Nachrichtenlage über Sie anguckt, wird klar, dass das vielleicht eine gute Entscheidung ist, damit wenigstens einer gut über Sie redet. Für uns ist das zu wenig. Deswegen werden wir diesen Etat ablehnen.
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Die Kollegin Ingrid Remmers hat das Wort für die Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ich möchte heute verdeutlichen, welche Auswirkungen die katastrophalen Versäumnisse der Bundesregierung auf die Haushalte der betrogenen Dieselfahrer im Revier und in der ganzen Republik haben.
Wir alle haben von den Gerichtsurteilen in meinem Wahlkreis Gelsenkirchen gehört. Im Ruhrgebiet droht das bislang großflächigste aller Dieselfahrverbote. 18 Stadtteile in Essen sowie Abschnitte der A 40 sind hiervon betroffen. Was bedeutet es für die Haushalte der Dieselfahrer, dass ihre Fahrzeuge inzwischen auch noch den letzten Rest ihres Wertes verloren haben? Für weniger einkommensstarke Familien wird dies schnell existenzbedrohend. Und was bedeutet das für die Mobilität der Dieselfahrer, die demnächst lange Umwege in Kauf nehmen müssen oder erst gar nicht in die Stadt reinkommen? Oder was bedeutet das für die Handwerker, die sich gerade alle fragen müssen, ob sie wohl in ihrer Kommune künftig eine Ausnahmegenehmigung für ihre Fahrzeuge erhalten oder nicht? Laut Handwerkskammer NRW sind rund 25 000 Handwerkerfahrzeuge allein in diesen beiden Städten betroffen, die zu Baustellen oder für Anlieferungen in die Innenstädte fahren müssen. Für Hunderttausende Menschen im Ruhrgebiet wird das Leben künftig in jedem Fall teurer – an Geld und an Zeit. Und das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Statt konkreter Hilfe bekamen die Besitzer von Dieselautos – wir haben es eben schon gehört – kürzlich ein Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes. Darin wird so getan, als ob die Käuferinnen und Käufer die hohen Abgaswerte selbst zu verantworten hätten. Als Lösung wird der Kauf eines neuen Autos der Hersteller BMW, Daimler und VW empfohlen.
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Alle anderen Hersteller bleiben außen vor. Herr Scheuer, Sie sollten sich dessen bewusst sein, dass Sie die Wut der Menschen schüren, wenn Sie auf so eine dreiste Art und Weise die Werbetrommel für die Hersteller rühren und damit auch noch Steuergelder verschwenden.
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Bei der Gelegenheit fiel mir eine Frage ein. Bei Dieselfahrzeugen von Handwerkern und Lieferdiensten will der Bund die Hardwarenachrüstung weitgehend finanzieren. Von dieser Förderung könnten laut Bundesregierung 945 000 Fahrzeuge profitieren. Wie soll das, habe ich mich gefragt, bei einer im Haushalt vorgesehen Fördersumme von 167 Millionen Euro möglich sein? Bei Kosten von 3 000 Euro pro Fahrzeug reichte das für circa 55 000 Fahrzeuge. Um alle restlichen 890 000 Fahrzeuge umzurüsten, bräuchten wir 3 Milliarden Euro. Das sind also wieder nur ein paar Tropfen auf den heißen Stein.
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Und wie war das noch mit der Überprüfung der Einhaltung von Fahrverboten? Von einer lückenlosen Videoüberwachung aller Fahrzeuge und aller Fahrzeughalter hat die CSU im Verkehrsministerium sicher schon immer geträumt.
Liebe Bundesregierung, lieber Minister Scheuer, nach acht Jahren geltender Grenzwerte und nach drei Jahren Dieselskandal chaotisieren Sie seit einem Jahr die deutsche Verkehrslandschaft. Und noch immer sind wir von einer Lösung für den Gesundheitsschutz so weit entfernt wie von einem Gesamtkonzept für eine soziale und ökologische Verkehrswende. Und das alles nur, um die Autoindustrie und ihre Milliardengewinne zu schützen.
Statt die Schuld an dieser Misere weiterhin den EU-Richtlinien, den Gerichten, den Kommunen, der Deutschen Umwelthilfe oder alternativ auch den Messstationen in die Schuhe zu schieben, sollten Sie sich an die eigene Nase packen. Kündigen Sie der Autoindustrie Ihre Freundschaft auf, und sorgen Sie endlich dafür, dass die wahren Verantwortlichen für ihren groß angelegten Betrug und für ihre Ignoranz gegenüber den geltenden Umweltgesetzen die Zeche aus ihren exorbitanten Gewinnen zahlen und die Hardware dieser Fahrzeuge endlich nachrüsten.
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Dann stimmen nicht nur die Haushalte und die Nerven der Betroffenen wieder, sondern auch der Bundeshaushalt spart erheblich an Umweltkosten.
Vielen Dank.
({4})
Nächster Redner: der Kollege Stefan Gelbhaar, Bündnis 90/Grüne.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Was genau macht einen guten Verkehrsminister aus? Das Grundwort „Minister“ bedeutet nichts anderes als „Diener“. So stellt sich die Frage: Wem dienen Sie, Herr Scheuer? Wem dienen Sie mit diesem Haushalt?
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Was Sie verkünden, ist das eine. Aber Haushalt ist Wahrheit. Dienen Sie den Menschen, die gute Luft zum Atmen brauchen? Abgase verursachen erhebliche Gesundheitsschäden. Ihre Reaktion: mehr Geld für die Straßen. Sie erzählen immer etwas anderes; aber de facto haben Sie die Mittel für den Straßenbau gegenüber 2013 vervierfacht – vervierfacht! Das ist purer Straßenbauwahnsinn, und das muss man auch so benennen.
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Dienen Sie den Menschen, die auf der Straße sicher sein wollen? Schon der Autoverkehr verursacht jährlich über 200 000 Unfälle. Ihre Reaktion: ganze 5 Millionen Euro für Abbiegeassistenten. Das reicht nicht mal für 3 000 Lkw. Wo ist Ihre Strategie für sichere Kreuzungen, für sichere Straßen? Wir fordern 150 Millionen Euro. Von Ihnen kommt da nichts. Da müssen Sie ran, Herr Scheuer!
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Herr Scheuer, Sie könnten als Verkehrsminister in die Geschichte eingehen – aber nicht mit Autos; denn das konnte bisher jeder Verkehrsminister. Legen Sie ein Bundesmobilitätsgesetz vor, mit einem Fahrradteil, mit einem Fußgängerteil, mit neuen Regelungen für Bus, Bahn und, ja, auch für Autos, mit Vorrang für die Verletzlichsten im Verkehr, mit Angeboten für alle! Halten Sie nicht nur Sonntagsreden für null Verkehrstote, sondern nehmen Sie das Ziel „Vision Zero“ ins Gesetz auf und handeln Sie sofort danach!
({3})
Herr Scheuer, dienen Sie den Menschen, die sich frei und leicht bewegen wollen! Wo sind die Angebote für sicheres Radeln? Wo sind die Regeln für E-Tretroller? Wo sind die Abkürzungen und Brücken für die Menschen, die zu Fuß unterwegs sind? Wo sind die Experimentierräume für die neuen Mobilitätsdienstleistungen? Konkret: Wo bleiben die seit einem Jahr versprochenen Millionen für den Radverkehr? Sie sagen: Da kommen jetzt 20 Millionen Euro mehr. Aber wo sind eigentlich die 25 Millionen Euro für die Radschnellwege aus dem Jahr 2017 hin? Die haben Sie einfach unterschlagen, sie sind weggekürzt.
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– Nein, für 2017 haben Sie die weggekürzt.
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Das bedeutet im Klartext: 5 Millionen Euro weniger für den Radverkehr im Jahr 2019. Das ist haushaltswahr, und das ist eine Kürzung.
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Kann sich jemand an frühere Verkehrsminister erinnern?
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Ich erinnere mich ab und zu an Günther Krause und Matthias Wissmann. Der eine besetzt inzwischen Einfamilienhäuser – völlig irre –, und der andere ist jetzt Ex-Cheflobbyist der Autoindustrie.
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Wussten Sie, dass der zusammen mit Ihrem Staatssekretär Bilger in einem CDU-Ortsverein beim Bierchen sitzt?
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– Ah, er lächelt; Herr Bilger, er weiß das, okay.
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Die wollen jetzt zusammen der Deutschen Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit entziehen. Das ist die Methode Orban. Da frage ich noch mal: Wem dienen Sie nun, Herr Scheuer, wem dienen Sie?
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Ich weiß, Herr Scheuer, Sie wären lieber Wirtschaftsminister, Buddy der Autobosse. Aber, Herr Scheuer, Sie sind nun mal Verkehrsminister. Und Sie haben meiner Auffassung nach das beste Amt in dieser Regierung: Sie können gestalten, und alle könnten das sehen.
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Sie könnten zeigen, wie der Verkehr der Zukunft aussieht: frei und sicher, gesund und schnell, digital und ökologisch. Herr Scheuer, beginnen Sie endlich, dienen Sie endlich, fangen Sie endlich an, Verkehrsminister zu sein! Verstehen Sie Ihre Rolle! Wir brauchen keine zwei Wirtschaftsminister. Aber ein Verkehrsminister, das wäre schon mal was.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Reinhold Sendker.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum „Wahnsinn“, der hier gerade angesprochen worden ist: Wer in unserer Verkehrsdebatte eine Verschiebung der Finanzmittel zulasten des Verkehrsträgers Straße fordert, der muss wissen, dass er dadurch dort dringende Investitionsvorhaben schlicht und einfach gefährdet. Zur Stärkung der Mobilität gehören eben auch die Beseitigung von Engpässen auf unseren Autobahnen, nicht aufschiebbare Straßenerhaltungs- und -ausbaumaßnahmen, sehr dringende Lückenschlüsse, Brückensanierungen nebst Ersatzbauten und schließlich im ländlichen Raum die schon seit Jahren von den Menschen geforderten Ortsumfahrungen von überregionaler Bedeutung.
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Werter Herr Kollege Gelbhaar, angesichts steigender Verkehre – ganz besonders Schwerlastverkehre – und der eben schon beklagten Stauverhältnisse werden wir auf diese dringenden Investitionen ganz sicher nicht verzichten und hier auch nicht irgendetwas umschichten.
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Die Finanzierung unserer Verkehrsinfrastruktur – ganz allgemein gesehen – hat sich im Übrigen sehr positiv entwickelt. Waren es vor zehn Jahren noch 9,5 Milliarden Euro, so stehen uns in 2019 15 Milliarden Euro für die Verkehrsträger zur Verfügung. Von der jahrelangen Unterfinanzierung hin zum mittlerweile größten Verkehrsinvestitionshaushalt in Europa: Das ist auch ein Erfolg unserer Arbeit in der Großen Koalition und von Alexander Dobrindt und Andi Scheuer.
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Damit kann man den Investitionshochlauf fortsetzen, nun auch mit der Unterstützung der Planungsbeschleunigung und nach Gründung der Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen ab 2021 mit Bau, Betrieb, Erhalt und Vermögensverwaltung beim Bund. Ich stelle fest: Das sind deutlich verbesserte Rahmenbedingungen. Sie sind absolut zielführend, und wir bedanken uns beim Ministerium für eine zügige und zeitnahe Umsetzung.
Zusätzliches Geld gibt es auch für den Glasfaserausbau – das ist hier schon betont worden –, konkret im Rahmen der neuen Förderrichtlinie mit Technik-Upgrade und weiteren Fördermitteln. Hierfür sind uns übrigens viele Kommunen ausgesprochen dankbar. Ich bin mir sehr sicher: Der bisher mäßige Mittelabfluss wird sich schon sehr bald erhöhen. Ich bezeichne die definierte Zielperspektive 2025 als absolut realistisch. Vielerorts wird sie unterschritten werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist beste Standortpolitik, die der Bund nachhaltig unterstützen muss.
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Auch bei der Schiene gibt es weiterhin große Investitions- und Finanzierungsbedarfe; darin sind wir uns völlig einig. Ich benenne abermals die Digitalisierung, Automatisierung und Elektrifizierung der Schienenstrecken als besondere Aufgaben der nächsten Jahre. Darüber hinaus dient die Absenkung der Trassenpreise der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs. Ich verweise auch hier darauf, dass weitere 29 Schienenprojekte in den Vordringlichen Bedarf aufgestiegen sind.
Das macht unseren Bundesverkehrswegeplan 2030 rund. Er ist im Sinne einer soliden Finanzpolitik voll ausfinanziert und – ich betone das – ein gutes Kursbuch für unsere Infrastrukturinvestitionen der nächsten Jahre.
Auch der Verkehrshaushalt 2019 ist mit einer Erhöhung des Ausgabevolumens um ganze 1,4 Milliarden Euro gegenüber 2018 solide finanziert, und alle Haushaltsanträge der Koalitionsfraktionen waren erfolgreich.
Erstens. Zur Förderung des Glasfaserausbaus – sprich: der weiteren Ausfinanzierung der Upgrade-Projekte – werden in den nächsten Jahren zusätzlich 643 Millionen Euro bereitgestellt. Das ist genau das richtige Signal, um den Glasfaserausbau in Deutschland konsequent und zügig voranzubringen.
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Zweitens. Der Radverkehr gewinnt im Sinne unserer Bemühungen um Klimaschutz und Luftreinhaltung an Bedeutung. Hier ist nun ganz neu ein Haushaltstitel für Modellvorhaben im urbanen Umfeld in Höhe von 22 Millionen Euro eingeplant.
Drittens. Für die Umsetzung der 5x5G-Strategie stehen insgesamt 85,5 Millionen Euro zur Verfügung, ferner 35 Millionen Euro für die GSM-R-Funkmodule. Hier erwarten wir aber sowohl ein Anschubprogramm als auch die baldige Vorlage entsprechender Konzepte durch das Bundesministerium.
Viertens. Für das Schienenforschungszentrum sind nun 5 Millionen Euro plus zehn Stellen vorgesehen. Ich betone: Es ist hocherfreulich, dass das Programm für die kleineren Bahnhöfe zur Herstellung der Barrierefreiheit mit 330 Millionen Euro für 118 Projekte ausfinanziert ist.
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Wir wollen ja gleichwertige Lebensverhältnisse auch im ländlichen Raum herstellen. Hier wird geliefert, und dies ist ein überzeugender Beitrag dafür.
Fünftens. Auch unserem Antrag zum Abbiegeassistenten – der Kollege Jurk hat eben davon gesprochen – auf dem Weg zur „Vision Zero“ wurde vollumfänglich zugestimmt. Darüber hinaus sind 1,5 Millionen Euro für die Aufklärungs- und Erziehungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Verkehrsunfälle vorgesehen.
Ich darf feststellen: Für unser Ziel, die Unfallzahlen weiter zurückzuführen, bleiben wir mit diesen Anträgen proaktiv unterwegs. Ich betone: Es ist doch ein Erfolg, dass die Zahl der Verkehrstoten mittlerweile den niedrigsten Wert seit Beginn statistischer Aufzeichnungen erreicht hat. Genau das wollen wir fortsetzen und die Zahlen weiter zurückführen.
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Sechstens. Auch die übrigen Initiativen der Koalitionsfraktionen zur Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie, zur Landstromversorgung, zur Strategie automatisierten Fahrens, zur Reduzierung der Befahrensabgabe sowie zur Beihilfe für Schiffsjugendheime haben allesamt Beschlusslage erhalten.
Aber es ist richtig: Ihre Verwirklichung sowie die Umsetzung bereits beschlossener Gesetzeswerke erfordern eindeutig zusätzliches Fachpersonal. Beispiel: die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, wo es einen Aufwuchs von insgesamt 191 Stellen geben wird. Es ist hier in der Verkehrsdebatte kein Geheimnis, dass wir für unsere Wasserstraßen dringend Erhaltungs- und Ausbauinvestitionen benötigen, teils sind sie überfällig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier ist richtig Handlungsbedarf. Dafür gibt es zusätzliches Fachpersonal.
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In toto ist diese Haushaltsrunde für die Koalitionsfraktionen eine sehr erfolgreiche, in der wir den Verkehrshaushalt 2019 in bemerkenswerter Weise mitgestalten.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ausführen: Unser Ziel, die grundlegende Modernisierung unserer Verkehrsanlagen sowie der digitalen Infrastruktur, stärkt vor allen Dingen die Prosperität unserer Volkswirtschaft und schafft Wohlstand für die Menschen. Wie hieß es auf dem Deutschen Verkehrsforum – ich zitiere, Herr Präsident –: „Deutschland auf Erfolgsspur halten!“ Genau das erreichen wir mit unserem Einzelplan 12. Dafür werden wir arbeiten.
Danke für die Aufmerksamkeit.
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Der nächste Redner ist der Kollege Bernd Reuther für die FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Minister Andi Scheuer, es steht nicht gut um die Mobilität in diesem Land. Wir haben schon einiges zu Messstationen und zu Dieselfahrverboten gehört, jetzt auch flächendeckend in Kommunen im Ruhrgebiet und auf Autobahnen. Die Menschen in diesem Land sind zu Recht sauer auf die Bundesregierung, die diesem Treiben hilflos gegenübersteht.
({0})
Es gibt natürlich auch welche, die das gut finden, zum Beispiel die Grünen mit ihrem Kreuzzug gegen den Verbrennungsmotor oder auch die Deutsche Umwelthilfe, die sich gar nicht mehr einkriegt. Da muss man eigentlich fragen, Kollege Gelbhaar: Ist dieser Verein überhaupt gemeinnützig?
({1})
Das kann ich mir nicht vorstellen. Da wird abkassiert, da wird abgezockt, da wird abgemahnt.
({2})
– Ja, ja. – Da wird das Land mit Klagen überrollt.
({3})
Das schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Ich bin froh, dass das jetzt auch die Kollegen der Union erkannt haben und hier die Förderung und die Gemeinnützigkeit dieses Vereins auf den Prüfstand stellen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin von Bündnis 90/Die Grünen?
Ja, selbstverständlich.
Herr Kollege, was sagen Sie denn zu folgender Äußerung:
Hätte die Politik nicht viele Jahre mit der Automobilindustrie gemeinsame Sache gemacht, wäre es zu dieser Situation gar nicht gekommen, dass nun die Justiz das letzte Wort hat.
Wer hat denn diese Äußerung getätigt?
Ja, das ist erst einmal die spannende Frage. Wissen Sie es?
Ah!
Also, wir machen hier kein Quiz. Haben Sie eine Frage?
Also gut, dann sage ich Ihnen, wer das gesagt hat. Es war kein Geringerer als Gerhart Baum. Jetzt würde ich gerne mal wissen, was Sie davon halten.
Ah ja. Der geschätzte Kollege Baum hat natürlich das Recht, sich so zu äußern. Aber es geht doch um den Verein Deutsche Umwelthilfe und wie er sich hier geriert.
({0})
Das hat mit Gemeinnützigkeit nichts zu tun. Dieser Verein kassiert öffentliche Gelder und überzieht dieses Land mit Fahrverboten, was dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet.
({1})
Liebe Kollegin, das müssen Sie mal zur Kenntnis nehmen. Das ist nichts anderes als ein Abmahnverein. – Vielen Dank.
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Die Bürgerinnen und Bürger ärgern sich noch mehr über den Diesel, nämlich über die hohen Spritpreise in diesem Land. Manchen sind sie zwar immer noch nicht hoch genug – das weiß ich –, aber sie rühren auch daher, dass der Rhein den ganzen Sommer lang Niedrigwasser geführt hat und die Große Koalition unseren Antrag zum Rheinausbau genau wie den zur Sanierung der Schleusen und Wehre abgelehnt hat.
({3})
– Das haben übrigens auch Ihre grünen Landesminister gefordert.
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Die Unternehmen von BASF bis Evonik sind an ihren Produktionsstandorten in großer Sorge.
Lieber Minister, jetzt schreiben sogar schon die CDU-Kollegen aus Bund und Land in meiner Region Sie an und verweisen auf die FDP. So weit ist es schon gekommen.
({5})
Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt ansprechen. Der Kollege Luksic hat den Fluggipfel erwähnt; da seien nur Absichtserklärungen herausgekommen. Das nächste Chaos – so spricht die ganze Branche – im nächsten Jahr ist schon wieder vorprogrammiert. Ein Punkt kommt darin gar nicht vor, nämlich der Infrastrukturausbau an den Flughäfen. Da ist jetzt ein unrühmliches Beispiel hinzugekommen. Durch jahrelanges Taktieren Ihrer Partei wird jetzt der Ausbau – die dritte Startbahn – des Flughafens München auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Wir haben jetzt also in Deutschland nicht nur einen Flughafen, der nie fertig wird, sondern auch einen Flughafen, der nie ausgebaut wird, meine Damen und Herren.
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Minister Scheuer, sorgen Sie dafür, dass die Infrastruktur in diesem Land funktioniert! Sorgen Sie für Mobilität in diesem Land! Dann haben Sie die Unterstützung der Freien Demokraten.
Herzlichen Dank.
({7})
Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Elvan Korkmaz.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nenne die Dinge gerne beim Namen, und der Dieselkompromiss ist und bleibt leider ein Kompromiss auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger.
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So wird Politik nicht authentisch und schafft es keinesfalls, Vertrauen zurückzugewinnen. Was sollen uns die vielen getäuschten Dieselfahrer denn noch glauben, wenn wir drei Jahre verhandeln, und dann kommt dabei heraus, dass die Mehrheit leer ausgeht? Und dann wird das auch noch als großer Wurf verkauft. Herr Scheuer, das frustriert die Menschen.
({1})
Wo stehen wir aktuell? Der Dieselskandal wird allein durch die Brille des Klimaschutzes betrachtet. Das ist zweifelsohne ganz wichtig, und es ist gut, dass sich für besonders schadstoffbelastete Städte nun erste Lösungsansätze abzeichnen. Aber Hand aufs Herz: Wo bleibt denn der Verbraucherschutz? Wo bleibt der Grundsatz „Wer vorsätzlich täuscht und betrügt, der bezahlt“?
({2})
Wo ist die Lösung für die vielen Hunderttausend Menschen, die gut überlegt viel Geld in einen Wagen investiert haben?
({3})
Wir brauchen Hardwarenachrüstung und Entschädigung, und das für alle.
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Unbezahlbar für die Industrie bei den horrenden Gewinnen? Das mag hier im Raum manch einer glauben, ich nicht. Das ist ein Gebot der Fairness und der Gerechtigkeit, und ich sage Ihnen auch, warum. Die ersten Fahrverbote liegen vor. Noch letzte Woche ist in NRW eine Dieselfahrverbotszone in Essen mit Teilen der A 40 ausgesprochen worden. Ich kann das Bild jetzt weiterzeichnen: Wir haben marode Brücken und kaputte Straßen. Wir stehen im Stau. Herr Laschet beißt lieber weiter ins Lenkrad. Auf einigen Teilen der Autobahn dürfen wir nicht mehr fahren, und im besten Fall dürfen wir per Maut auch noch dafür bezahlen.
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Ach ja, der deutsche Steuerzahler sollte ja nicht belastet werden. Aber verzeihen Sie mal, wie viele Millionen Euro haben wir eigentlich jetzt schon alleine für die Maut ausgegeben?
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Ja, das ist eine Verkehrswende: sehr bayerisch, aber ansonsten nicht zu gebrauchen.
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Aber wie so oft im Leben: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir haben einen neuen Verkehrsminister. Herr Scheuer, ich wünsche Ihnen wirklich aus tiefstem Herzen, dass Sie es schaffen, sich von Herrn Dobrindt zu emanzipieren und die Maut zu begraben; denn Deutschland braucht keine Maut, sondern Mut.
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Zum Glück regiert die SPD mit, und ich bin froh, dass wir die Verkehrswende eingeläutet haben. Wir nehmen rund 29,3 Milliarden Euro in die Hand und investieren in die Infrastruktur und besonders in die Schiene. Wir stärken damit die Mobilität für jedermann, und das ist gut so. Denn Millionen Menschen in Deutschland sind tagtäglich auf eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur angewiesen, ob beruflich oder privat, ob in der Stadt oder auf dem Land. Nebenbei: Investitionen in die Infrastruktur bedeuten auch Investitionen in den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Sie sehen, meine Damen und Herren: Die SPD setzt sich im Sinne aller für eine umweltfreundliche, moderne und effiziente Mobilität ein; denn wir denken nachhaltig und zukunftsorientiert. Weil wir an die Zukunft denken, liegt ein Investitionsschwerpunkt in der digitalen Infrastruktur. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen des gesellschaftlichen Fortschritts. Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung das Thema ist, das entscheidet, ob wir es schaffen, alle Menschen mitzunehmen. Es liegt an uns, zu verhindern, dass die Digitalisierung unsere Gesellschaft in Gewinner und Verlierer spaltet. Wir sind in der Verantwortung, und auch hier müssen wir endlich Taten folgen lassen.
Das heißt für mich ganz konkret: Erstens. Wir brauchen den Netzausbau – sofort! Da sind wir dran; mein Kollege Gustav Herzog hat das eben auf den Punkt gebracht.
Zweitens. Wir brauchen ihn überall: an den Verkehrstrassen entlang, in der Stadt, auf dem Land, im kleinsten Dorf und natürlich auch auf dem hintersten Bauernhof.
Drittens. Digitale Infrastruktur ist Daseinsvorsorge und Recht eines jeden Bürgers. Internet ist kein Luxus mehr. Internet gehört zur Grundversorgung wie Gas, Wasser und Strom. Aber genauso wie überall ist es auch hier: Veränderung beginnt im Kopf. Da müssen wir rein. Es gibt viel zu tun. Aber keine Sorge: Die SPD macht’s!
Vielen Dank.
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Die Kollegin Daniela Ludwig hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt haben Sie, Frau Kollegin von der SPD, am Schluss gerade noch die Kurve bekommen. Die Rede begann wie eine Oppositionsrede. Am Schluss hat man dann doch den Eindruck gehabt, dass Sie an der Regierung sind. Glückwunsch! Diese Botschaft scheint bei Ihnen angekommen zu sein.
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Lieber Herr Gelbhaar, Sie haben heute in Ihrer Rede kein Klischee ausgelassen. Ehrlich gesagt, habe ich Sie im Ausschuss deutlich niveauvoller erlebt. Da Sie hier Vergleiche mit irgendwelchen Staatslenkern bemüht haben: Ihre Rede hätte Herrn Trump sicherlich zur Freude gereicht. Dieser Satz sei mir an dieser Stelle erlaubt.
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Zurück zum Haushalt. Das Thema Diesel werden wir sicherlich in den nächsten Wochen in einer der zahlreichen aktuellen Stunden näher beleuchten. Deswegen sei es mir erlaubt, etwas originär zum Haushalt zu sagen. Wer schon länger Verkehrspolitik macht, ist eigentlich eher Mangelverwaltung gewohnt. Jetzt sind wir in der glücklichen Lage, endlich so viel Geld zu haben, wie es die deutsche Infrastruktur zu Lande, zu Wasser und in der Luft braucht. Jetzt stehen wir vor der großen Herausforderung, dieses Geld unter die Leute oder auf die Straße bzw. auf die Schiene zu bringen. Das ist ein riesiges Thema, dessen sich der Bundesverkehrsminister, aber auch die beiden Regierungsfraktionen in den letzten Wochen und Monaten angenommen haben. Ich nenne als Beispiele zum einen die Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen zur besseren und beschleunigten Ausrüstung der Autobahnen bundesweit – nicht nur in einzelnen Bundesländern, die es draufhaben – und zum anderen das Planungsbeschleunigungsgesetz, das das Gleiche auf der Schiene erreichen soll, nämlich eine schnellere Umsetzung von Schienenprojekten, die uns in diesem Hohen Haus, glaube ich, ganz besonders wichtig sind, ohne Vernachlässigung der Bürgerbeteiligung.
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Wenn wir von der Planung und dem schnelleren Bau von Projekten reden, dann müssen wir auch sehen, dass wir eine deutliche Zunahme insbesondere des motorisierten Personenverkehrs zu verzeichnen haben; das Thema wurde schon angesprochen. Ich bin dem Minister sehr dankbar, dass er sich die Aus- und Nachrüstung von Lkws mit Abbiegeassistenten offenkundig zum Herzensanliegen gemacht hat. Ich selber habe in diesem Frühjahr in meinem Wahlkreis wieder einen tragischen Fall erlebt. Eine junge Mutter wurde von einem Lkw erfasst und getötet, weil sie im toten Winkel war. Ich weiß von einigen Kollegen, dass es auch bei ihnen solche Betroffenheiten gab. Es ist richtig, dass wir hier mit entsprechenden Haushaltsmitteln reagieren. Ich bin ausgesprochen dankbar, dass wir uns dazu committet haben. Nun muss aber auch die europäische Ebene folgen. Eine alleinige Aus- und Nachrüstung deutscher Lkws reicht nicht. Alle Lkws, die bei uns fahren, brauchen diese notwendige Technologie, um der „Vision Zero“, der wir uns verpflichtet fühlen, näherzukommen. Daran gilt es weiterzuarbeiten. Der Verkehrsminister hat hier auf europäischer Ebene unsere volle Unterstützung.
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Dazu gehört, dass wir den Haushaltstitel „Aufklärung über Risiken im Verkehr und Informationsmaßnahmen für die Verkehrsteilnehmer“ – fast hätte ich von „Erziehungsmaßnahmen“ gesprochen – noch einmal um 3 Millionen Euro aufstocken. Auch das ist ein wichtiger Hinweis auf den Stellenwert der Verkehrssicherheit. Dieses Thema kam ja in der heutigen Debatte, ehrlich gesagt, ein bisschen zu kurz. Da müssen wir wieder deutlich stärker werden. Trotzdem ist es richtig, dass wir in diesem Haushalt diesen Akzent setzen. Da wünsche ich mir aber auch noch etwas mehr Mut in den nächsten Haushalten. Als Parlament und als Regierungsfraktionen werden wir gern daran mitarbeiten, dass unsere Straßen noch sicherer und noch besser befahrbar werden.
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Ja, auch das Thema „digitale Infrastruktur“ hat uns in den letzten Monaten sehr beschäftigt, und das wird es auch in Zukunft tun. Wir haben beim Breitbandausbau gemerkt: Da gibt es einige Ruckeleien. Viele Dinge laufen vor Ort nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben. Deswegen bin ich dem Haus sehr dankbar, dass hier insbesondere dem Drängen meiner Fraktion nachgegeben und die Breitbandförderrichtlinie überarbeitet wurde. Das war dringend notwendig. Hier schaffen wir es auch, wahrscheinlich schneller, als von uns selber gedacht, den Koalitionsvertrag umzusetzen und nicht darauf zu warten, dass irgendwann von selber Glasfaser kommt; vielmehr ermöglichen wir den Kommunen, die noch auf Kupfer gesetzt haben, jetzt den Umstieg auf Glasfaser. Hier müssen wir in der Fläche deutlich besser und schneller werden. Das haben wir in den letzten Monaten erreicht. Dank an meine Kolleginnen und Kollegen, die sich in das Thema so hineingehängt haben, und Dank ans Ministerium, dass wir hier die notwendige Unterstützung bekommen haben. Glasfaser ist die Zukunft, und nichts anderes!
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Selbstverständlich wollen wir Leitmarkt 5G werden. Deswegen war es doch richtig, dass wir in den letzten Wochen den Druck auf die Bundesnetzagentur für die nächste Frequenzvergabe deutlich erhöht haben. Da geht es halt nicht, dass man alte Wege weitergeht, sondern da ist es notwendig, neue Wege zu gehen und gegebenenfalls auf den einen oder anderen höheren Gewinn zugunsten einer besseren Versorgung in der Fläche zu verzichten. Das ist insbesondere meiner Fraktion wichtig. Auch hier sage ich all den Kollegen Dank, die hier den Druck erhöht haben. Das, was jetzt im zuständigen Beirat hoffentlich beschlossen wird, sind genau die Auflagen für die Frequenzvergabe, die wir als Parlament wünschen; denn wir wollen Leitmarkt 5G werden, und da gilt es, nicht zu zaudern, zu zögern und auf die nächste Vergabe zu warten, sondern die besten Möglichkeiten jetzt auszuschöpfen. Nur dann haben wir die Zukunft in diesem Lande zu Hause.
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Deswegen bin ich durchaus zuversichtlich, dass wir mit noch weiteren Dingen, die wir beschlossen haben, erfolgreich sind: Reduzierung der Befahrensabgabe, Halbierung der Trassenpreise, die wir jetzt voll durchziehen. Sie war lange ein Projekt von uns; jetzt kommt es endlich. Es soll dazu dienen, Güter nicht nur auf der Straße zu befördern; vielmehr will es auch dafür sensibilisieren, dass Güter auf die Schiene gehören, dass Güter auch auf Wasserwegen gut transportiert werden können. Für all das setzt diese Koalition sehr, sehr gute Akzente mit dem notwendigen Geld, das uns zur Verfügung steht. Ich danke allen, die in den letzten Monaten daran mitgewirkt haben, dass es so gut läuft. Lassen Sie uns diesen Weg weiter gut beschreiten.
Vielen herzlichen Dank.
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Der letzte Redner zu Einzelplan 12 ist der Kollege Uwe Schmidt für die SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Scheuer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor kurzem bin ich von einer Dienstreise aus Singapur zurückgekommen.
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– Ja. Sie machen ja auch Dienstreisen. Das ist auch richtig so. Da lernen Sie etwas. – Ich habe da am 44. Kongress der Internationalen Transportarbeiter-Föderation, kurz: ITF, teilgenommen. Die ITF unterstützt 670 Verkehrsgewerkschaften in 140 Ländern und vertritt fast 20 Millionen Beschäftigte im Verkehrsbereich. Im Rahmen des Kongresses habe ich unter anderem den Hafen von Singapur besucht.
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Keine Frage, es handelt sich hier um einen der größten und modernsten Häfen der Welt. Knapp 34 Millionen Standardcontainer werden hier jährlich umgeschlagen. Zum Vergleich: In Hamburg und den bremischen Häfen werden insgesamt gut 14 Millionen Container bewegt.
Die Digitalisierung hat in Singapur zwei klare Treiber: Arbeitskräftemangel und Flächenknappheit. Hier muss automatisiert werden, weil es nicht genügend Arbeitskräfte gibt. Die Beweggründe für die Digitalisierung in den verschiedenen Ländern sind völlig unterschiedlich. Doch die Auswirkungen für die Belegschaften sind immer gleich: Die Einführung neuer Technologien bedeutet zwangsläufig, dass Arbeitsplätze sich verändern, verlagert werden oder sogar ganz verschwinden.
Aber durch den Wandel der Arbeitswelt entstehen auch neue Jobs. Dieser technologische Wandel muss auch immer mit Blick auf die Beschäftigten erfolgen. Wir müssen daher Antworten auf die Fragen finden, welche Arbeiten wir zukünftig von Maschinen verrichten lassen wollen und welche auch weiterhin von Menschen erledigt werden sollen.
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Das bedeutet vor allem: Wir müssen Arbeit wertschätzen und den Wert unserer neuen Arbeitswelt selbst und sozial definieren. Das gelingt jedoch nur im Schulterschluss von Wirtschaft, Sozialpartnern und Politik. Wir brauchen ein Konzept mit dem Dreiklang „Ausbildung, Weiterbildung, Qualifizierung“.
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Dazu gehört die Stärkung der Mitbestimmung der Beschäftigten in den Betrieben.
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Keine Branche ist so globalisiert wie der internationale Seeverkehr. Natürlich müssen wir in Deutschland im globalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben. Natürlich müssen wir in der maritimen Branche faire und tarifgebundene Beschäftigung in Deutschland sichern. Und natürlich muss der Verkehrssektor seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele und zum Küstenschutz leisten. Doch ich frage: Kann es uns egal sein, ob das Containerschiff in den bremischen Häfen, im Hamburger Hafen anlegt oder in Rotterdam? Ich sage: Nein. Die deutschen Seehäfen sind die zentralen Umschlagplätze für die deutsche Wirtschaft.
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Die öffentliche Hand muss hier jedoch den entscheidenden Einfluss behalten und nicht private Investoren.
Mit dem Haushalt 2019 stellen wir entscheidende Weichen. Mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von 27 Millionen Euro ist das Förderprogramm für Innovative Hafentechnologien finanziell abgesichert. IHATEC II wird über 2021 hinaus fortgesetzt. Gut so! Denn das schafft Planungssicherheit für die Häfen und damit für die deutsche Wirtschaft.
Künftig müssen wir verstärkt Logistikprozesse fördern, die Arbeitsplätze der Menschen in den See- und Binnenhäfen gezielt verbessern. Ich unterstütze aktiv die bundesweite Verdi-Kampagne „Digital Muss Sozial“, damit der technologische Wandel auch arbeitnehmerfreundlich gestaltet wird.
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Mit einer Förderung von 7,6 Millionen Euro für die digitalen Testfelder steigern wir weiterhin die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Häfen.
Ein weiterer Aspekt, der nicht zu kurz kommen darf, ist die Frage der Umweltverschmutzung. Im Hafen von Singapur habe ich die enorme Schadstoffbelastung auf dem Hafengelände festgestellt. Stinkende Kohlekraftwerke versorgen den Hafen mit Energie, und die unzähligen vor Anker liegenden Schiffe verschmutzen die Luft zusätzlich mit Abgasen.
Aus meiner Sicht ist die Etablierung alternativer Antriebe und Kraftstoffe in der Schifffahrt im Haushalt 2019 entscheidend.
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Seit Jahren fördern wir hier unter anderem LNG durch die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie. Insgesamt sind hier wieder mehr als 81 Millionen Euro Fördermittel eingestellt. Seit diesem Jahr investieren wir auch in umweltfreundlichen Bordstrom und die mobile Landstromversorgung für See- und Binnenschiffe. Das haben wir für die nächsten Jahre mit jeweils 5 Millionen Euro verstetigt.
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Letztendlich haben alle etwas davon, wenn die Luft in unseren Hafenstädten nicht so stark durch Emissionen belastet ist.
Was müssen wir noch tun? Wir sollten bessere Voraussetzungen schaffen, um die Sektorenkopplung voranzutreiben und den Verkehrsbereich enger mit dem Energiebereich zu verzahnen. Mit überschüssiger Windenergie können wir beispielsweise LNG und Wasserstoff erzeugen.
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Mit den aktuellen Gesetzesinitiativen sind wir auf einem guten Weg. Durch eine intelligente Sektorenkopplung können wir die Emissionen im Verkehr erfolgreich senken. Der Haushalt 2019 trägt die sozialdemokratische Handschrift in dieser Richtung.
Recht schönen Dank.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12 – Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 12 ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Umweltministeriums, der 2,3 Milliarden Euro schwere Einzelplan 16, wirft aus unserer Sicht viele Fragen auf. Die wichtigste davon betrifft die Finanzierung der Klimapolitik. Warum verschwenden wir letztlich Hunderte von Milliarden Euro, die gar nicht alle im Haushalt etatisiert sind? Warum verschwenden wir Hunderte Milliarden Euro an Steuern und Abgaben für eine Fantasie, ja eine Zwangsvorstellung von einem grünen Klimaparadies in einem Industriestaat? Eine trügerische Verheißung, die niemand je erleben wird.
Es gibt außer ein paar vagen theoretischen Klimamodellen immer noch keinen wissenschaftlichen Beweis für die menschengemachte Klimaerwärmung.
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Die Bundesregierung ist nicht einmal in der Lage, anzugeben, wie hoch die vorindustrielle globale Durchschnittstemperatur sein soll, auf die sich unsere Klimaziele beziehen. Es wäre ehrlich, den finanzierenden Steuerzahlern, den finanzierenden Bürgern eine klare Antwort zu geben. Die Bundesregierung versäumt es immer wieder, zu sagen, in welchem Umfang Deutschland das Weltklima überhaupt beeinflussen kann, selbst wenn die vorgegebenen Klimaziele übererfüllt werden, deren Erreichung ja schon mit horrenden Kosten verbunden ist. Ich frage daher die Bundesregierung: Welchen Einfluss hätte es auf das Weltklima, wenn Deutschland seine industriellen CO 2 -Emissionen komplett stoppen würde? Die Bundesregierung möge hier eine Antwort geben in Grad Celsius.
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Aber nehmen wir nur für einen Moment an, es gäbe einen menschengemachten bedeutsamen Klimawandel, eine Klimaerwärmung.
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Dann ist Deutschlands Anteil an dieser globalen Klimaerwärmung – sogar nach den offiziellen Daten des Weltklimarates – fast gleich null.
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In Deutschland gibt es circa 100 Kohlekraftwerke; in China, dem weltweit größten CO 2 -Produzenten, gibt es derzeit über 2 200 Kohlekraftwerke, über 1 100 sind in Bau oder in Planung. Für jedes stillgelegte Kohlekraftwerk hier bei uns in Deutschland kommen alleine in China zehn neue hinzu.
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Indien und andere Schwellenländer sind hier noch nicht einmal berücksichtigt.
Die Bundesregierung entzieht sich immer wieder einer Erfolgskontrolle, da sich Deutschlands rechnerischer Anteil am globalen Temperaturanstieg nicht einmal messen lässt; und das entspricht sogar den Modellen auf der Datenbasis des Weltklimarates. Sehr real sind hingegen die Kosten in Höhe von möglicherweise Hunderten von Milliarden, wenn nicht sogar in Billionenhöhe, die die deutschen Bürger letztlich aufbringen müssen. Wie vor Jahrhunderten die Kirche haben die Bundesregierung und eine ganze Klasse von Klimapriestern einen Weg gefunden, die Bürger abzukassieren, ohne jemals einen Beleg für die Wirksamkeit ihrer Behauptungen erbringen zu müssen.
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Allein der Glaube zählt.
Es gibt jedoch einen realen Umweltschutz, es gibt einen realen Naturschutz, es gibt jede Menge Maßnahmen, deren Wirksamkeit sich wohl innerhalb von Monaten oder Jahren prüfen ließe. Dieses wird allerdings in diesem Haushalt kaum berücksichtigt, da er sehr von der Klimaschutzpolitik dominiert ist.
Wenn wir unseren Kindern, meine Damen und Herren, eine lebenswerte Umwelt hinterlassen wollen,
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brauchen wir einen solide finanzierten, wirksamen Umwelt- und Klimaschutz, aber wir brauchen keine Klimaideologie.
Vielen Dank.
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Ich erteile das Wort der Bundesministerin Svenja Schulze.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Haushalt 2019 gibt der Umwelt-, der Klima-, der Naturschutzpolitik in Deutschland viel Rückenwind. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich ausdrücklich bei allen zu bedanken, die geholfen haben, das hier möglich zu machen.
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– Genau, Applaus für Sie selber. – Ein Punkt liegt mir besonders am Herzen. Ich will das deshalb direkt zu Anfang betonen: Wir müssen weg von der Wegwerfgesellschaft, die wir heute haben. Wir haben so viel überflüssiges Plastik in Verpackungen, in Einwegartikeln, im Versandhandel. Die Weltmeere ersticken inzwischen an Plastikmüll. Wir müssen etwas dagegen tun.
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Deswegen freue ich mich sehr über die Initiative hier aus dem Deutschen Bundestag, für Aktivitäten gegen die Meeresvermüllung in meinem Haushalt 50 Millionen Euro mehr zu geben. Diese klare Linie passt zu dem, was wir derzeit mit dem neuen Verpackungsgesetz sozusagen an Land machen, nämlich besseres Recycling, mehr Mehrweg, weniger überflüssige Plastikprodukte. Wir brauchen mehr Qualität in der Kreislaufwirtschaft. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das Qualitätsmerkmal nachhaltig am Markt durchsetzen wird. Viele Unternehmen haben das bereits erkannt. Deswegen herzlichen Dank für diese zusätzlichen Mittel.
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Umwelt- und Klimaschutzpolitik – das sind heute die ganz entscheidenden Innovationstreiber. Die Umweltgesetzgebung ist bereits heute ausschlaggebend für viele Investitionen, und zwar weltweit. Das ist ein Hebel, den wir noch konsequenter nutzen müssen. Was uns nicht weiterbringt, sind Sonntagsreden über den Klimaschutz oder etwa darüber zu lamentieren, dass es das alles gar nicht gebe.
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Wir müssen handeln, und zwar zum Beispiel mit dem Klimaschutzgesetz, das jetzt, wo wir sie haben, die Klimaschutzziele auch wirklich verbindlich macht und die Wege beschreibt, die wir zur Erreichung dieser Ziele gehen wollen. Die Entscheidungen sind mit dem Übereinkommen von Paris gefallen: Wir müssen und wir wollen dem Klimawandel Einhalt gebieten. Es ist deshalb an der Zeit, dass wir uns parteiübergreifend auf die Chancen konzentrieren, die mit dieser Entwicklung verbunden sind und die in einer nachhaltigen Industrie in Deutschland liegen.
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Ich will als Beispiel den Verkehrssektor nehmen. Klimaschutz ist für diesen Bereich eine riesige Chance. Er macht unsere Unternehmen fit für den Markt der Zukunft, und er kann die Lebensqualität in den Städten deutlich erhöhen. In den Städten ist es nämlich so, dass die Menschen unter den Folgen der fossilen Mobilität leiden.
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Ja, ich setze mich seit Monaten dafür ein, dass Dieselautos auf Kosten der Hersteller nachgerüstet werden.
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Ich freue mich sehr darüber, dass das Bundeskabinett dieser Auffassung gefolgt ist. Nun müssen diese Nachrüstungen auch kommen.
Gleichzeitig erhöhen wir die Mittel für Förderprogramme, etwa für Elektromobilität im öffentlichen Nahverkehr. Wir meinen es ernst mit der sauberen Luft in unseren Städten. Die Modernisierung der Antriebsarten liegt in unser aller ureigenem Interesse. Ich sage das, weil es immer noch den ein oder anderen gibt, der sich da nicht so ganz sicher ist. Wir dürfen uns aber von solchen abwegigen Debatten nicht ablenken lassen,
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etwa von Debatten über Stickoxidausstöße von Kerzen auf Adventskränzen. Das sind politische Nebelkerzen, die nicht aufklären, sondern verunklaren sollen.
Es geht hier ganz klar um jenen Stickoxidwert, der draußen, unter freiem Himmel, im Jahresmittel entsteht.
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Basis für diesen Grenzwert ist eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, die übrigens inzwischen darüber diskutiert, den Wert eher noch abzusenken. Es geht um gesunde Luft für unsere Bürgerinnen und Bürger. Dafür sollten wir uns nun wirklich alle starkmachen. Ich jedenfalls tue das.
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Meine Damen und Herren, es ist ein internationaler Erfolg, dass wir das Pariser Klimaschutzabkommen haben. Es ist wirklich eine Errungenschaft, die meine Vorgängerin mit auf den Weg gebracht hat. In zwei Wochen findet die 24. Weltklimakonferenz in Kattowitz statt. Aus deutscher Sicht stehen dort drei Dinge an: Wir brauchen effektive Umsetzungsrichtlinien für das Pariser Abkommen. Die Entwicklungsländer sollen sich auf die zugesagte finanzielle Unterstützung durch die Industrieländer auch wirklich verlassen können. Und wir wollen ein Verfahren verabreden, wie wir alle auf der Welt beim Klimaschutz innovativer und noch besser werden können. Die Konferenz wird sich auch mit dem Thema „just transition“ beschäftigen, also mit der sozial gerechten Transformation, mit dem sozial gerechten Wandel. Wir haben in Deutschland mit der Strukturwandelkommission ein Beispiel dafür, wie man so etwas organisieren kann, wie man einen Wandel, wie man den Ausstieg aus der Kohle verantwortlich gestalten kann.
Ein gerechter Wandel darf aber kein Schlagwort bleiben, unter dem sich jeder etwas Passendes vorstellen kann. Wir brauchen ganz konkrete Lösungen für den Strukturwandel.
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Dazu dienen auch die 50 Millionen Euro, die wir im Haushalt 2019 als Investitionsprogramm für nachhaltige Entwicklungen in den betroffenen Kommunen bereitstellen. Die Strukturwandelkommission ist, finde ich, übrigens auch eine gesellschaftliche Innovation. Der eine oder andere hat gefragt: Funktioniert das überhaupt? Geht das?
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Man sieht, man kann gesellschaftliche Konflikte in so einem Gremium bearbeiten und zu einem Konsens führen. Ich bin sehr davon überzeugt, dass international darauf geschaut wird, wie wir das machen und wie wir diesen Ausstieg organisieren.
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Allein in Europa gibt es 40 weitere Kohlereviere. Wenn wir den Ausstieg zeigen können, wenn wir das schaffen, dann wird das ein Beispiel sein für viele weitere Nationen und Länder; deswegen ist das, was wir hier tun, so wichtig.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Energieversorgung und auch im Verkehr haben wir bereits saubere Technologien. Es geht jetzt darum, diese Technologien flächendeckend anzuwenden, sie einzusetzen. Es ist nicht in allen Bereichen so. Wir haben zum Beispiel in der Stahl- und Zementproduktion oder für Teile der chemischen Industrie noch nicht alle Lösungen gefunden, die wir brauchen. Wir werden diese Industrien jetzt unterstützen, den Weg in klimafreundliche, treibhausgasneutrale Prozesse zu finden. Wir bauen ein Kompetenzzentrum für Klimaschutz in energieintensiven Industrien auf.
Mit dem Haushalt 2019 können wir entsprechende Modellprojekte erstmals fördern; dafür stehen 45 Millionen Euro im Energie- und Klimafonds bereit. Das ist ein großer Fortschritt. Nicht neu, aber bewährt ist die Nationale Klimaschutzinitiative; sie feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Wir haben bundesweit mehr als 25 000 Projekte unterstützen können, die unser Land moderner, fortschrittlicher und umweltgerechter gemacht haben. Klimaschutz ist heute fest in unseren Kommunen verankert, und es ist sehr gut, dass das schon vor zehn Jahren gestaltet wurde.
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Es gibt in diesem Haushalt jetzt mehr Geld für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt genauso wie für „Blaues Band Deutschland“, ein ganz tolles Programm, das Deutschlands Wasserstraßen wieder in eine natürliche Ordnung bringt. Wir stehen an der Seite all derer, die mit Innovationen im Klima- und Umweltschutz zur Modernisierung unserer Gesellschaft beitragen.
Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, allen Mitgliedern des Haushaltsausschusses, den Obleuten, den Berichterstatterinnen und Berichterstattern für die gute Zusammenarbeit zu danken. Das Ergebnis, finde ich, spricht für sich. Ich danke Ihnen nun allen und bitte um die Zustimmung zu diesem Einzelplan.
Herzlichen Dank.
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Für die FDP-Fraktion hat das Wort die Kollegin Ulla Ihnen.
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Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über einen Haushalt von knapp 2,3 Milliarden Euro. Ich weise darauf hin: Nicht zu vergessen sind die Mittel aus dem Energie- und Klimafonds von über 350 Millionen Euro, die zusätzlich vom Umweltministerium bewirtschaftet werden. Ein solch großer Haushalt muss jedoch solide, effizient und im Sinne des Steuerzahlers verwaltet werden. Das ist in diesem Haushalt leider nicht immer so, und wir Freie Demokraten als Serviceopposition legen den Finger gerne in die Wunde.
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Ein Beispiel: Die Mittel zur Vermeidung von Umweltbelastungen im Ausland in Höhe von 2,6 Millionen Euro jährlich flossen jahrelang nur an den Projektträger ab, aber nicht in Projekte. Ich bin dankbar, dass die Kollegen von Union und SPD mit uns erkannt haben, dass das so nicht weitergehen kann, und unseren Vorstoß, die Mittel zu streichen, zwar nicht komplett aufgegriffen haben, aber die Mittel zunächst eingefroren haben, bis klar ist, wie es mit diesem Programm weitergehen kann.
Oder ein anderer Fall: Erneut wird im BMU ein Kompetenzzentrum geschaffen, diesmal für Dekarbonisierung. Das klingt gut. Ein millionenschweres Förderprogramm soll zusätzlich folgen. Man fragt sich aber, welchen Zweck die anderen zahlreichen Förderprogramme denn haben und hatten. Tragen diese nicht zur Dekarbonisierung bei?
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Darüber hinaus ist der Mittelabfluss in vielen Titeln beim Bundesministerium für Umwelt leider ein großes Manko. Das kritisieren wir scharf.
Ein weiteres Beispiel: Geld allein, Frau Ministerin, ist leider kein Garant für eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik. Ein Aushängeschild des Hauses, die Nationale Klimaschutzinitiative, besteht in diesem Jahr zehn Jahre. Seit Bestehen wurden durch die Maßnahmen etwa 1,15 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalente eingespart. Das macht gerade einmal knapp über 1 Prozent der gesamten Treibhausgasreduktion in Deutschland in diesem Zeitraum aus. Gemessen an den Projektförderungen in Höhe von 800 Millionen Euro ist das doch ein mehr als mangelhafter Ertrag.
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Bei dem Moorbrand in Meppen im September wurden geschätzt 800 000 bis 1,4 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalente freigesetzt. Das zeigt doch, in welchen Dimensionen wir uns hier bewegen und auch denken müssen. Wenige Tage im September machen zehn Jahre Arbeit des Bundesumweltministeriums quasi zunichte. So kommt man – das glauben wir zumindest – beim Klimaschutz nicht vom Fleck.
Wir bräuchten frischen Wind in Ihrem Haus und im BMU selbst ein Klima für die Zukunft. Efficiency first – das ist derzeit ein wirklich wichtiges Motto in der Energiepolitik, und für Ihre Klimaschutzmaßnahmen sollte dies ebenso gelten. Bauen Sie zum Beispiel endlich den Emissionshandel zum wirklich marktwirtschaftlichen Instrument aus! Das könnte helfen.
Es ist wenig hilfreich, wenn das Bundesumweltministerium einer Neubewertung der Standorte der Stickoxidmessstationen in den Städten im Weg steht. Auf Nachfrage der Presse musste das BMU kürzlich eingestehen, dass ihm seit längerem bekannt war, dass einige Standorte dieser Messstationen den europäischen Kriterien nicht entsprechen. Die Konsequenzen sind real und fatal; denn die falschen Messwerte sind möglicherweise in Urteile zu Fahrverboten eingeflossen. Die Folge: weniger Diesel, mehr Benziner und damit mehr CO 2 -Ausstoß. So sieht Umweltpolitik für uns jedenfalls nicht aus.
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Auch wenn Sie, Frau Ministerin, noch weitere 1 000 Solarradwege eröffnen, wird das einfach nicht reichen, um die Pariser Einsparziele zu erfüllen. In Ihrem Haushalt finden sich dazu kaum eigene neue Akzente. Der Haushalt wirkt ambitionslos. Es gibt das schöne Sprichwort: Wer stillsteht, tritt niemandem auf die Füße. – Naturschutzverbände und die Wirtschaft sind so vielleicht mit Ihnen zufrieden – wir nicht.
Wie für den gesamten Haushaltsentwurf der Großen Koalition gilt auch für Ihr Haus, dass Subventionen weitgehend weder reflektiert noch angetastet werden.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Kollege Hilse?
Nein, heute nicht. Danke schön. – Statt verstärkt über die Digitalisierung im Umwelt- und Klimabereich nachzudenken, werden zahlreiche Chancen, eine effiziente und zukunftsgerichtete Politik bei Umwelt und Naturschutz einzuleiten, auf diese Weise leichtfertig verpasst.
Wir Freie Demokraten haben zum Beispiel mehr Mittel gefordert, um die Potenziale der Digitalisierung im Naturschutz zu heben. Wir haben vor allen Dingen mehr Mittel für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel gefordert. Wir haben dort Einsparungen gefordert, wo Gelder nicht oder kaum abfließen und dies aus Sicht der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen angebracht ist.
Eine vorausschauende, vor allem aber effiziente Umwelt- und Klimaschutzpolitik – dafür stehen wir. Der Haushalt des BMU lässt an vielen Stellen vor allem Effizienz vermissen. Wir werden ihm daher nicht zustimmen können.
Vielen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Ingo Gädechens das Wort.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Ihnen, Stillstand kann ich in diesem Fachbereich des Einzelplans wahrlich nicht erkennen.
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277 Millionen Euro – diese Summe steht im kommenden Jahr und darüber hinaus für den Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums zusätzlich zum Regierungsentwurf zur Verfügung. Die Fraktionen der Großen Koalition zeigen mit dieser Entscheidung einmal mehr, dass die vielfältigen Aufgaben des Umweltministeriums bei uns hohe Priorität besitzen und wir die Arbeit des Hauses mit vereinten Kräften unterstützen.
Meine Damen und Herren, mit dem Beschluss des Haushaltes am Ende dieser Woche umfasst der Einzelplan 16 fast 2,3 Milliarden Euro. Auch im Vergleich zum vergangenen Jahr zeigt der Aufwuchs erneut die Wertschätzung, die die Koalitionsparteien diesem Einzelplan widmen.
Es bleibt bei zwei großen Bereichen: der Abwicklung der Kernenergietechnik auf der einen Seite und dem Umwelt-, Natur- und Klimaschutz auf der anderen Seite. Gerade für diesen zweiten Bereich konnten wir in den Haushaltsberatungen gegenüber dem Regierungsentwurf nennenswerte Verbesserungen erzielen. Zu drei Aspekten möchte ich auf die Ergebnisse unserer Beratungen eingehen.
Erstens: Klimaschutz. Der Schutz unseres Klimas ist eine der größten Aufgaben nicht nur der Politik, sondern der gesamten Gesellschaft. In der politischen Debatte gibt es mit einer Ausnahme einen großen Konsens über das Ob des Klimaschutzes, nur beim Wie werden wir weiter um die richtigen Schritte streiten. Die Große Koalition hat sich vorgenommen, im kommenden Jahr ein Klimaschutzgesetz vorzulegen. Dieses Gesetz muss ein echter Meilenstein werden. Mit diesem Projekt wird einmal mehr deutlich, dass Klimaschutz nicht nur ein Thema des Umweltministeriums ist. Klimaschutz ist eine Aufgabe, die alle Lebensbereiche berührt und die wir daher auch nur in einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs angehen können.
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Die Ministerin ist darauf eingegangen: Im Bundeshaushalt geschieht jetzt schon einiges, um den Klimawandel zu stoppen bzw. wenigstens zu verlangsamen. Im vergangenen Jahr 2017 sagte die Bundesregierung über 3,6 Milliarden Euro, insbesondere aus dem Haushalt des Umwelt- und Entwicklungshilfeministeriums, für die Internationale Klimaschutzinitiative zu. Mit der Nationalen Klimaschutzinitiative gehen wir auch in unserem Land viele kleine Schritte auf einem langen Weg, aber, meine Damen und Herren, in die richtige Richtung. Dabei möchte ich an dieser Stelle ganz explizit die Frau Bundesministerin in ihren Bemühungen unterstützen, die bestehenden Schwierigkeiten – das erwähnte auch die Kollegin Ihnen – beim Mittelabfluss der Nationalen Klimaschutzinitiative anzugehen.
Kurz möchte ich auch ansprechen, dass mit dem Haushalt 2019 an verschiedenen Stellen Mittel für Programme bereitgestellt werden, die beispielhaft Wege zur Dekarbonisierung der Industrie aufzeigen. Dieser Weg ist letztendlich unerlässlich für den Kampf gegen den Klimawandel, und daher begrüße ich diese Maßnahmen.
Zweitens: Wasserschutz. Nichts im Leben ist wichtiger als Wasser.
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Gerade in einem Jahr, in dem wir mit Auswirkungen einer Dürre zu kämpfen hatten und immer noch zu kämpfen haben, wird uns die lebenswichtige Bedeutung des Wassers umso bewusster. In den Haushaltsberatungen haben wir uns daher insbesondere auch mit dem Schutz des Wassers und unserer Flüsse beschäftigt. Es freut mich sehr, dass die finanzielle Absicherung des Bundesprogramms „Blaues Band“ auch für die kommenden Jahre gelungen ist. Mit den zusätzlich bereitgestellten Mitteln in Höhe von 16 Millionen Euro kann das Programm in vollem Umfang und auf Jahre hinweg geplant und umgesetzt werden. Mit der Renaturierung von Flüssen und Auen schaffen wir Lebensräume für die Tiere und Pflanzenwelt unserer Gewässerlandschaft und setzen zugleich neue Akzente für Freizeit und Erholung. Aber ich sage, weil ich auch die Tourismuspolitiker, nicht nur die Fachpolitiker aus dem Umweltbereich im Blick habe: Natur muss auch erlebbar sein. Deshalb müssen wir diese Räume dort, wo es geht, für den Tourismus erlebbar machen.
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Auch in Bezug auf die Qualität unseres Trinkwassers konnten wir eine wichtige Maßnahme verankern: Die Verschmutzung des Wassers durch Medikamente, die unsachgemäß entsorgt werden, nimmt immer größere Ausmaße an. Daher haben wir eine Aufklärungskampagne zur richtigen und umweltfreundlichen Entsorgung von Medikamenten beschlossen,
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um unsere hohe Trinkwasserqualität auch in Zukunft zu bewahren.
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Nicht nur unsere heimischen Gewässer müssen geschützt und gepflegt werden; auch international müssen wir zunehmend mit Problemen kämpfen, insbesondere mit der Vermüllung von Flüssen und Meeren durch Plastik. Auch dies hat die Bundesumweltministerin explizit angesprochen. Die Koalition setzt daher mit dem neuen Programm im Rahmen des Energie- und Klimafonds zur weltweiten Bekämpfung dieses Problems ein richtiges und wichtiges Zeichen.
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Die Ministerin nannte hier die Summe von 50 Millionen Euro. Genau diese 50 Millionen Euro stehen in den kommenden Jahren bereit, um den Export moderner Abfalltechnologien aus Deutschland zu ermöglichen und damit den Eintrag von Plastikmüll zu verringern.
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Dieses Programm zeigt beispielhaft, dass sich Umweltschutz und wirtschaftlicher Nutzen nicht gegenseitig ausschließen, sondern sich so ergänzen, dass für mehrere Seiten eine Win-win-Situation entsteht.
Ein Thema, das immer wieder in diesem Hause diskutiert wird, ist die Biodiversität. Über alle Parteigrenzen hinweg wird anerkannt, wie wichtig der Erhalt unserer Biodiversität ist. Der zunehmende Artenrückgang auch in unserem Lande, gerade bei den Insekten, macht deutlich, dass wir keine Zeit verlieren dürfen. Daher erhöhen wir die Mittel für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt um 27 Millionen Euro und richten einen Wildnisfonds mit Mitteln in gleicher Höhe ein.
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Diese kurzen Anmerkungen zeigen nur einen Teil der Entscheidungen auf, mit denen der ohnehin schon relativ gute Regierungsentwurf durch die Haushälter noch ein gutes Stück verbessert werden konnte. Dafür, dass wir heute über ein so gutes Ergebnis beraten können, möchte ich mich insbesondere bei den Politikern aus dem Fachausschuss bedanken, die uns mit ihrem Rat zur Seite standen,
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aber auch bei den Mitberichterstattern aller Fraktionen und insbesondere bei meinem Kollegen Andreas Schwarz. Wenn es noch eines Beweises bedarf, wie gut die Große Koalition zusammenarbeiten kann, dann sind wir beide das, lieber Andreas.
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Wir machen das.
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– Ja, ja, an dieser Stelle müssen wir nicht bescheiden sein, liebe Kollegin.
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Wir verfahren nach dem Motto der CDU-geführten Landesregierung in meinem Heimatland Schleswig-Holstein: nicht rumschnacken, sondern anpacken. Genau das tun wir im Bereich Umweltschutz.
Herzlichen Dank.
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Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin Heidrun Bluhm.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In meiner Rede zum Auftakt des Haushaltsjahres 2019 im September habe ich bereits darauf aufmerksam gemacht, dass wir uns gegenwärtig in einer Situation befinden, in der das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung offenbar deutlich besser entwickelt ist als in maßgeblichen Teilen der Wirtschaft und der Politik.
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Dieses Bild hat sich aus meiner Sicht in den letzten zwei Monaten weiter verfestigt. Denn die brennenden Fragen des Klimaschutzes, der Ressourcenschonung, der nachhaltigen Entwicklung und des Naturschutzes werden zwar weithin öffentlich breit debattiert; bei politisch wirksamen Taten jedoch hapert es nach wie vor. – Ich habe das, glaube ich, freundlich ausgedrückt.
Das liegt meines Erachtens daran, dass die Umweltpolitik und vor allem das Umweltministerium immer noch nicht den Stellenwert haben, den sie haben müssten, um eine ökologische Strategie wirksam umsetzen zu können.
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Die Umweltministerin wagt selbst in dieser Richtung durchaus Eigenes – sie hat es eben vorgetragen –, und deshalb soll sie selbst nicht der erste Adressat meiner Grundsatzkritik sein. Hier stehen eher das Kanzleramt und auch die Ressorts Wirtschaft oder Verkehr im Fokus. Ich nenne nur die Stichworte Abgasskandal und sozialverträglicher Kohleausstieg.
Wie lange, frage ich Sie, meine Damen und Herren in der Koalition, reden wir über Konsequenzen aus dem Dieselabgasskandal, ohne dass wirklich Konsequenzen gezogen werden? Meine Fraktion hat es satt, dass immer noch versucht wird, die Autofahrerinnen und Autofahrer für die Tricksereien der Autoindustrie aufkommen zu lassen. Frau Ministerin, an dieser Stelle möchte ich Sie weiter bestärken, hier hart zu bleiben, stählern zu werden und sich dem anderen Ministerium gegenüber durchzusetzen.
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Wir brauchen eine flächendeckende Nachrüstung mit der entsprechenden Hardware, die kostenneutral für die Kunden ist, um die Ausweitung von Fahrverboten für den Mittelstand und für private Dieselfahrer zukünftig weiter abzuwenden. Die gleiche Dringlichkeit besteht beim Kohleausstieg, der als zentraler, gesamtstaatlicher Ansatz im Rahmen eines Klimaschutz-Sofortmaßnahmen-Programms allein sicherstellen kann, dass auch die deutschen Klimaschutzziele bis 2020 annähernd erreicht werden. „Kohleausstieg sofort“ ist richtig und wichtig, allerdings nur sozial abgesichert und als Teil des sozialökologischen Umbaus unserer Gesellschaft.
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Die Linke legt großen Wert auf diese Feststellung. Ein isoliertes, einseitiges Vorgehen hilft weder der Umwelt, noch sichert es den Beschäftigten in der Kohlebranche eine lebenswerte und sichere Zukunft.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in den Beratungen zum Haushaltsentwurf 2019 hat meine Fraktion ebenfalls, wie Herr Gädechens das eben für sich und Herrn Schwarz gesagt hat, in bewährter Weise Sacharbeit geleistet, hat entsprechende Änderungsanträge gestellt
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und freut sich darüber, dass das eine oder andere durch die Koalition aufgenommen worden ist und Eingang in diesen Haushalt gefunden hat. Das soll an dieser Stelle erwähnt werden.
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Als Hauptberichterstatterin für den Einzelplan 16 kann ich festhalten: Das Ministerium und auch das Parlament haben kooperativ und lösungsorientiert miteinander gearbeitet. Nur so ist zu erklären, dass wir eine Etaterhöhung auf 2,287 Milliarden Euro hinbekommen haben. Trotzdem muss ich an dieser Stelle sagen, dass wir weit entfernt sind von einer soliden, verlässlichen und ausfinanzierten Umweltpolitik, um die selbstgesteckten Ziele auch nur annähernd erreichen zu können.
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Das gilt zum Beispiel für die unzureichende Beteiligung an der internationalen Klimazusammenarbeit und für die Finanzierung zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele. Frau Ministerin Schulze hat eben gesagt, das sind die entscheidenden Innovationstreiber. Das Gefühl haben wir im Moment aber noch nicht, dass wir das so umsetzen, und deshalb brauchen wir hier mehr Kraft. Das gilt aber auch für die ausbleibende Wende in der Agrarpolitik und beim Strukturwandel der ländlichen Räume. Ohne eine klimagerechte und nachhaltige Landwirtschaftspolitik bleibt auch der Umweltschutz nur Lippenbekenntnis, und ohne Perspektiven für die Verbesserung der Lebensbedingungen im ländlichen Raum wird auch Naturschutz lediglich Behauptung bleiben.
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Wie stark verschmolzen Umwelt, Wirtschaft und Landwirtschaft tatsächlich sind, haben wir alle in diesem Sommer erlebt. Das müsste eigentlich für uns alle ein Weckruf gewesen sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss hat die Bundesregierung kurz vor Toresschluss noch einige Posten aufgestockt und neu eingestellt, zum Beispiel die Klimaschutzkampagne zur Information und Motivation der Bürgerinnen und Bürger, mehr für die Reduzierung der Treibhausgase zu tun. Das begrüßen wir ausdrücklich, aber ich sage Ihnen: Das wird nicht reichen. Erfolgreiche Umweltpolitik ist nicht in erster Linie eine Frage des Geldes, sondern ein abgestimmtes Miteinander von Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft.
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Schauen wir auf die Regierungsbank: Die Partner fehlen in dieser Debatte. Das muss sich in der Zukunft ändern.
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Ansonsten – wenn das nicht helfen sollte – verweisen wir auf unseren umfangreichen Entschließungsantrag zum Gesamthaushalt zum sozialökologischen Umbau, der korrekt durchgerechnet ist. Ich denke, es sind einige Initiativen dabei, die die Regierung aufnehmen könnte. Es würde sich lohnen.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Lisa Badum für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, nachhaltige Klimapolitik heißt, intelligente Impulse und Initiativen zu fördern. Leider nicht so intelligent war, Frau Ministerin, eine Abteilungsleiterstelle für Klimaschutz zu schaffen und dort Ihren Bekannten aus NRW hinzusetzen, der jetzt leider alles andere als Klimaschutz macht. So was fällt unangenehm auf, muss ich sagen.
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Aber kommen wir zu den positiven Dingen. Es gibt zum Beispiel die Europäische Klimaschutzinitiative. Dabei geht es wirklich um Zukunftstransfer, um Wissenstransfer. Da gibt es Projekte wie „Young Energy Europe“, bei dem junge Menschen lernen: Welche Energieeinsparpotenziale gibt es in meinem Unternehmen? Das sind Projekte, bei denen sich jeder ausgegebene Euro für den Klimaschutz viermal auszahlt. Leider wurde unserem grünen Antrag, die Mittel hierfür aufzustocken, nicht stattgegeben. Was mich ein bisschen wahnsinnig macht, ist, dass so entschieden wird, obwohl die Selbsterkenntnis da ist. Sie schreiben ja selbst: Mit den 10 Millionen Euro, die wir für 2019 eingestellt haben, können nur in sehr geringem Umfang neue Vorhaben und neue Projekte angestoßen werden. – Wenn Sie diese Erkenntnis doch haben, dann lassen Sie die Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft doch Klimaschutz machen!
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Wir brauchen diese Menschen.
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Da wir gerade darüber reden, wie wichtig es ist, Impulse zu geben und Initiativen zu unterstützen, möchte ich eine Sache ansprechen, die mir große Sorgen macht. Ich finde es besorgniserregend, wie in den Ausschüssen und im Plenum, auch gerade wieder in der Debatte über den Etat des Verkehrshaushalts, die Deutsche Umwelthilfe als Gefahr für den Wirtschaftsstandort und als kriminell bezeichnet wird.
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Die deutsche Autoindustrie betrügt systematisch, und die gemeinnützige Umwelthilfe, die völlig korrekt auf dem Gerichtsweg für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger streitet, die wird kriminalisiert.
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Sie machen mit dieser Stimmungsmache einen ganz großen Fehler. Es geht nicht darum, dass Sie diesen Verband gut finden müssen. Ich finde auch nicht alles gut, was die Bergbaugewerkschaft will. Das muss ich auch nicht. Das müssen Sie allerdings auch nicht. Das ist Teil der Demokratie. Das ist Teil der lebendigen Zivil- und Verbändelandschaft,
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die wir haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
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Das müssen Sie ertragen. Damit müssen Sie leben. Ich sage Ihnen, warum: Weil jede andere Lösung viel weniger gut wäre. Die andere Lösung wäre, mit zweierlei Maß zu messen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass niemand von Ihnen Verhältnisse wie in Polen will, wo die Regierung schon jetzt, im Vorfeld der Klimakonferenz, versucht, unliebsame NGOs mit einer Einschränkung der Versammlungsfreiheit einzuschüchtern. Pfui! So was wollen wir nicht haben!
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Ich erwarte von der Regierung, dass sie dafür sorgt, dass unsere gesellschaftlichen und unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Ich erwarte, dass Sie die hegen und pflegen. Ich erwarte von der Regierung, dass sie sich hinter die demokratischen Akteure dieser Gesellschaft stellt. Wo ist das Umweltministerium in dieser Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren? Ich vermisse Sie hier.
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Was machen Sie stattdessen? Das Bundeskabinett beschließt, die Grenzwerte für Stickstoffdioxid einfach so im Alleingang zu erhöhen und gegen europäisches Recht zu verstoßen.
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Ich kann Ihnen nur raten: Machen Sie nicht den Fehler, die Spielregeln zu verändern, statt sich am demokratischen Diskurs, am demokratischen Ringen um die beste Lösung zu beteiligen. Ändern Sie nicht die Regeln, sondern beteiligen Sie sich lieber an der demokratischen Gesellschaft, die wir haben.
Vielen Dank.
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Für die SPD-Fraktion hat nun Andreas Schwarz das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Ministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Dieser Bundeshaushalt ist ein guter für alle, die sich in unserem Land für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen. Ich verrate Ihnen auch gerne, warum.
Der Etat des Umweltministeriums war bereits im Entwurf mit circa 2,3 Milliarden Euro gut ausfinanziert. Nachdem wir schon im Vorjahr, im Haushalt 2018, eine deutliche Steigerung bei den Ausgaben verzeichnen konnten, sah auch der Regierungsentwurf für den Haushalt 2019 einen Anstieg um circa 288 Millionen Euro vor, immerhin ein Plus von 14,6 Prozent.
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Ohne aus dem Nähkästchen zu plaudern, kann ich sagen, dass diese Steigerung vor allem im Bereich End- und Zwischenlager zu verzeichnen war, und damit waren wir in der Koalition nicht ganz zufrieden. Deshalb haben wir uns in der Koalition dafür eingesetzt, insbesondere im Bereich Umwelt- und Klimaschutz nachzulegen. Das ist uns – überaus erfolgreich – gelungen.
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Was sind die großen Erfolge dieses Haushalts? Ein großer Erfolg – es wurde ja schon angesprochen – ist, dass wir die Ausfinanzierung des Blauen Bandes sichergestellt haben; das bedeutet 16 Millionen Euro mehr für die Renaturierung von Flüssen und Auen, auch über das Jahr 2019 hinaus.
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Was bietet dieser Haushalt noch? Ebenfalls massiv steigern konnten wir die Ausgaben für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt;
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die Mittel wachsen 2019 noch mal um 2,1 Millionen Euro und in den kommenden Jahren um sage und schreibe 21 Millionen Euro an. Wenn ich hier einmal zusammenfassen darf: Die Aufstockung im Bundesprogramm Biologische Vielfalt und die Ausfinanzierung des Blauen Bandes sind ganz starke Zeichen, die wir setzen für den Umwelt- und Naturschutz, aber auch für die Artenvielfalt und den Insektenschutz in unserem Land.
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Auch das Problem der Verunreinigung unseres Wassers durch unsachgemäß entsorgte Medikamente gehen wir im Haushalt 2019 nochmals an.
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Mit einer Aufklärungskampagne durch das Bundesumweltministerium möchten wir die Menschen für dieses wichtige Thema sensibilisieren, weil das auch Auswirkungen im kommunalen Bereich hat, nämlich auf Kläranlagen, und stellen dafür noch mal 1 Million Euro zusätzlich bereit.
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Wichtige Themen der Zukunft sind aber natürlich auch der Strukturwandel insgesamt in Deutschland sowie die Dekarbonisierung unserer Industrie, insbesondere der Stahl-, Kupfer- und Aluminiumindustrie. Auch hierfür stellen wir im Bundeshalt jetzt zusätzlich 4 Millionen Euro zur Verfügung.
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Wenn Sie mich nach weiteren Erfolgen fragen: Ein riesiger Erfolg ist die Stärkung umweltpolitischer Aspekte im Energie- und Klimafonds; da ein besonderer Dank an Andreas Mattfeldt, meinen Kollegen, der mit mir diesen Wust einmal durchgeforstet hat. Auch hier gehen wir die Frage der Dekarbonisierung an und stellen im Jahr 2019 nochmals 15 Millionen Euro für Investitionen in Pilotprojekte zur Dekarbonisierung der Industrie bereit. Weitere 30 Millionen Euro werden in den nächsten Jahren folgen.
Der nächste Punkt, liebe Svenja Schulze, ist uns richtig gut gelungen, weil das auch ein Thema ist, das die Menschen in diesem Land berührt. Wir können stolz sein auf das Programm zur Bekämpfung des Plastikmülls in den Weltmeeren.
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Hauptverantwortlich sind hierfür zehn Flüsse in eher ärmeren Ländern. Wie hilft Deutschland bei der Lösung dieses Problems? Wir investieren in den kommenden Jahren immerhin 50 Millionen Euro durch den Export deutscher Technologien, um die Zuführung von Plastikmüll durch die Flüsse in die Weltmeere zu minimieren.
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Dieses Jahrhundertproblem wird nun endlich bekämpft; das ist ein toller Erfolg.
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Zum Schluss noch eine positive und schöne Botschaft an die Kommunen in unserem Land – das mache ich natürlich als ehemaliger Bürgermeister ganz besonders gerne –: Im Energie- und Klimafonds wurde ein Modellprojekt zur Klimaanpassung und zur Modernisierung in Landschaftsgärten sowie Park- und Grünanlagen installiert. Mit einem Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro investieren wir damit in den nächsten Jahren in Projekte in ganz Deutschland und machen die grünen Lungen in unseren Städten und Gemeinden damit auch fit für den Klimawandel.
Abschließend möchte ich natürlich noch meinen Dank aussprechen an die Kolleginnen und Kollegen Berichterstatter, an die Ministerin und ihr Haus, die uns immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben. Ich danke auch dem Koalitionspartner. Das Lob, Ingo, kann ich nur zurückgeben an dich, aber auch an Andreas Mattfeldt. Unsere Verhandlungen haben gezeigt, dass man sich in einer Koalition sicherlich zusammenraufen muss, aber unterm Strich etwas Tolles erreichen kann.
Dieser Haushalt ist solide, er ist mutig, er ist zukunftsorientiert und vor allen Dingen auch ordentlich finanziert. Ich komme aus Franken, wie man vielleicht hört. Das höchste Lob des Franken ist: Passt schon! – Dieses Siegel, ein Passt-schon, kann dieser Haushalt bekommen.
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Deswegen kann man diesem Haushaltsentwurf nur zustimmen. Gratulation an unser Ministerium!
Danke schön.
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Das Wort hat der Abgeordnete Martin Hohmann für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Verehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zentrale Bedeutung der Umweltgesetzgebung wird uns in diesen Tagen wieder durch drohende Dieselfahrverbote vor Augen geführt. Wir, die AfD als größte Oppositionsfraktion, können auch bei dieser Haushaltsdebatte Regierung und Regierungskoalition wieder nur bitten: Kommen Sie zurück zur Vernunft, lassen Sie den gesunden Menschenverstand walten!
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Ich erlaube mir, aus dem Leitartikel unserer Regionalzeitung vom 17. November 2018 zu zitieren. Die Überschrift lautet: „Fern der Lebenswirklichkeit“. Dann folgender Text:
Die Hysterie – geschürt von selbsternannten Rettern der Gesellschaft – nimmt in Deutschland absurde Formen an: Immer radikaler und unverhältnismäßiger werden die Fahrverbote für Dieselmodelle, die nicht auf dem letzten Stand der Schadstoffverhinderung sind. Unverzichtbare Verkehrswege werden mit Verboten belegt, weil die Justiz
– ich persönlich füge hier hinzu: die Politik auch –
alle wissenschaftlichen Erkenntnisse ausklammert und den Bezug zur Realität ganz offensichtlich verloren hat.
({1})
Auch die Qualitätsmedien trauen sich, auf die Linie der AfD einzuschwenken,
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natürlich ohne von dieser Gemeinsamkeit auch nur ein einziges Wörtchen zu sagen. So schreibt die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ vom 18. November 2018 gleich in der Überschrift auf Seite 21: „… irres Fahrverbot“. Derart massive Vorwürfe aus den Medien gegenüber der Politik – „Bezug zur Realität … ganz verloren, „… irres Fahrverbot“ – müssten doch ein Weckruf für Berlin sein.
Was steht auf dem Spiel? Für eine gegriffene Zahl, nämlich 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Quadratmeter, während in den USA 100 Mikrogramm gelten, setzen die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen nicht weniger als den Wirtschaftsstandort Deutschland aufs Spiel.
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Die Grünen und die Linken hier im Hause mögen der Meinung sein, es träfe in erster Linie Firmenchefs und Aufsichtsräte. Nein, es trifft in erster Linie abhängig Beschäftigte, Arbeiter und Angestellte, deren Anwalt in der Vergangenheit die SPD war. Wenn diese sogenannten kleinen Leute ihren Arbeitsplatz nicht mehr mit ihrem legal erworbenen Diesel-Pkw erreichen können, dann sind sie die wirklichen Opfer der völlig verfehlten Grenzwerte.
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Was hilft? Ad hoc muss ein Moratorium her. Da bin ich ganz dicht bei Christian Lindner. In dieser Moratoriumsphase muss eine breitangelegte, seriöse wissenschaftliche Arbeit geleistet werden. Erst wenn wirklich belastbare Ergebnisse vorliegen, kommt das Thema wieder auf den Tisch.
Bis dahin: Keine Fahrverbote, kein wirtschaftlicher Selbstmord unseres Landes! Frau Ministerin, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Danke schön.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dr. Georg Nüßlein das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Offenkundig gibt es in dieser Debatte wieder den nun schon eine Weile bekannten Streit über die Frage, wie groß der menschliche Anteil am unbestreitbaren Klimawandel ist. Auf der einen Seite gibt es die herrschende Meinung und auf der anderen Seite eine Mindermeinung. Es wird Sie vielleicht überraschen, dass ich glaube, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nie erfahren werden, wer recht hat.
({0})
Ich sage Ihnen aber auch: Darauf kommt es gar nicht an. Es kommt nämlich nicht auf die Motivation an, warum wir Ressourcen schonen und unsere Schöpfung bewahren, sondern entscheidend ist, dass wir es endlich tun, und dazu sind wir als Große Koalition entschlossen.
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Ich weiß, dass dieses Thema im nächsten Jahr ein zentrales Thema sein wird. Umso mehr freut es mich, dass wir in dieser Debatte auch andere Aspekte akzentuieren, zum Beispiel das Thema Plastikstrategie, mit dem die Ministerin ihre Rede dankenswerterweise begonnen hat. Das ist für uns ein wichtiges Thema – Stichwort „Kreislaufwirtschaft“. Ich bitte auch, hier nicht nur die Schwellen- und Entwicklungsländer im Blick zu haben. Schauen Sie nach Osteuropa, beispielsweise nach Rumänien. Dort sind noch riesige Defizite zu verzeichnen. Auch darüber sollte man aus meiner Sicht reden.
Der Kollege Gädechens hat daneben das Thema Gewässerschutz adressiert. Das halte ich für ganz entscheidend. Wir übersehen, was da momentan passiert. Durch den Eintrag von Oberflächenwasser haben wir in unseren Flüssen ein Riesenproblem. Es gibt einen massiven Rückgang von Lebewesen, von Fischen. Da sind wir an einem Punkt, an dem wir, jedenfalls aus meiner Sicht, einen hohen Handlungsdruck haben. Ich freue mich auch, dass wir das Thema Artenschutz bzw. Insektensterben im Haushalt entsprechend adressiert haben.
Nun treibt mich trotzdem das Thema Klimaschutz in einer besonderen Art und Weise um, weil ich weiß, wie schwierig das wird. Ich habe bei dem, was wir gesetzgeberisch tun müssen, die Hoffnung, dass sich die SPD als unser Koalitionspartner von dem leiten lässt, was die SPD ausmacht, nämlich eine soziale Partei und eine industriefreundliche Partei zu sein. Wenn das die Leitlinien sind, meine Damen und Herren, dann bin ich fest davon überzeugt, dass wir schnell zusammenkommen.
Allerdings – das will ich unterstreichen – muss man, wenn man über das Soziale spricht, Themen wie die Benzinkosten im Blick haben. Ich habe mich gewundert, Frau Ministerin, über den Vorstoß, wir sollten auf der einen Seite Treibstoffe verteuern und auf der anderen Seite Strom verbilligen. Da kann man abstrakt schon sagen: Das ist aus Sicht des Staates aufkommensneutral. Aber diejenigen, die das trifft, werden das anders sehen. Derjenige, der sich kein neues Auto leisten kann, soll in Zukunft mehr für Benzin zahlen und hat nichts davon, dass der Strom für den billiger wird, der sich einen Tesla kaufen kann.
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Darüber denke ich schon nach.
Die Leute – mit Verlaub – sind bei uns „linke Tasche, rechte Tasche“ ja gewohnt, also dass wir ihnen auf der einen Seite etwas reinstecken und das auf der anderen Seite wieder rausziehen. Aber es ist für sie natürlich schon befremdlich, zu erleben, dass wir Klimaschutzpolitik so betreiben wollen, dass wir den einen auf der linken Seite etwas rausziehen, um es dann den anderen auf der rechten Seite reinzustecken. Deshalb kann ich vor solchen Vorschlägen nur warnen. Das Thema Aufkommensneutralität hat mit sozialer Politik nichts zu tun.
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Deshalb lehnen wir als CDU/CSU-Fraktion nationale Alleingänge bei der Thematik CO 2 -Bepreisung strikt ab.
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Wir haben die Möglichkeit, die Bepreisung entsprechend über den Emissionshandel zu machen. Ich rate uns, das europäisch auch zu tun.
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Es spricht nichts dagegen, auch andere Sektoren einzubeziehen.
Wir wollen Klimaschutz auf Basis von Anreizen machen. Da werden auch die Themen CO 2 -Gebäudesanierung und steuerliche Förderung wieder auf den Tisch kommen, weil wir sehen, dass das der einzige Weg ist, im Wärmebereich voranzukommen. Da rate ich den Grünen, an dieser Stelle ganz genau hinzuhören.
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Da erlebe ich ganz seltsame Dinge. Da gibt es zum Beispiel in Berlin-Pankow einen grünen stellvertretenden Bezirksbürgermeister, der eine Broschüre herausgibt und sagt: Milieuschutz geht nur, wenn man die CO 2 -Gebäudesanierung auf ein Minimum reduziert. – Eigentümlich!
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– Das ist so. Sie haben gesagt, Sie wollen das nicht.
Ich habe das auch seinerzeit in den Sondierungsgesprächen erlebt. Ich habe mit den Grünen über das Thema verhandelt. Da kam von Ihrer Seite die Reaktion: Die Gebäudesanierung wollen wir nur für das selbstgenutzte Eigenheim.
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Meine Replik: Aha, ein Programm für die Villen Ihrer Klientel!
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Diese Replik wurde am nächsten Tag damit beantwortet, dass ein Papier auf den Tisch kam, in dem stand: Wir brauchen 20 Milliarden Euro Steuermittel für das Thema soziale Wärme. – Ich habe erst gemeint, das sei irgendein Sozialprogramm. Nein, die Idee war gewesen: Wir wollen das staatlich finanzieren. – Jeder muss natürlich wissen, dass die CO 2 -Gebäudesanierung am Schluss eine Auswirkung auf die Mieten haben wird. Deshalb, meine Damen und Herren, predige ich: Wir müssen uns sehr genau überlegen, was wir an dieser Stelle beim Klimaschutz tun; denn die Leute werden diese Maßnahmen in Zukunft bezahlen müssen.
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– Hören Sie gut zu. Sie können an dieser Stelle etwas lernen. – Deshalb ist das Thema Kosteneffizienz und Grenzkostenbetrachtung etwas ganz Entscheidendes.
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Unsere Aufgabe als Politiker wird es sein, uns bei allen Maßnahmen sehr genau zu überlegen: Was bringt der zusätzlich eingesetzte Euro – in Klammern: der Steuerzahler – tatsächlich an CO 2 -Reduktion? Darauf kommt es an. Das ist die Leitlinie für die CDU/CSU.
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Dann gibt es daneben noch eine andere Leitlinie. Sie heißt Technologieoffenheit. Wir, meine Damen und Herren, werden nicht entscheiden, wie die Mobilität der Zukunft aussieht. Ich wünsche mir übrigens, dass die Leitlinie im Bereich der Mobilität heißt: Wir wollen sie für alle in Stadt und Land umweltfreundlich und bezahlbar gewährleisten. Das muss doch die Maßgabe sein: Mobilität für alle in der gewohnten Form zu erhalten.
Dann kann man die Frage stellen, welche Leitplanken wir an der Stelle einziehen und wie das technologisch, ökonomisch, aber auch im Interesse der Betroffenen entsprechend auszufüllen ist. Wir können doch nicht festsetzen, wie es hier schon gefordert wurde, dass der Verbrennungsmotor im Jahr 2030 erledigt ist. Das werden wir nicht tun können. Das müssen schon die geschätzten Bürgerinnen und Bürger entscheiden, wo und mit was sie sich in Zukunft fortbewegen wollen.
({13})
– Ja, genau das ist Ihr Ansatz: zulassen. „Zulassen“ heißt im Duktus der Grünen: „was wir verhindern wollen“.
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– Hören Sie zu! –
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Der Maßstab ist, dass sich gerade im ländlichen Raum die Mobilität erhält, die wir hier gewohnt sind und die dort auch notwendig ist. Dann werden sich die Menschen schon selber entscheiden, wenn das Elektromobil geeignet ist, diese Mobilität zu gewährleisten, und dies vielleicht auch noch kostengünstiger und umweltschonender als andere Alternativen. Dann entscheiden sich die Menschen doch selber. Es ist unsere Verantwortung, das entsprechend zu organisieren.
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Ich will noch etwas zum Thema Kohle sagen; dazu wollen Sie wahrscheinlich nichts hören. Auch da sage ich Ihnen: Wir wollen in der Kohlekommission, die die Große Koalition mit Bedacht eingesetzt hat, sinnvolle Lösungen auch unter sozialen Abwägungen finden. Wir wollen uns nicht wegen einer Klimakonferenz in Kattowitz zeitlich unter Druck setzen lassen. Meine Damen und Herren, wenn man in Kattowitz über Kohle diskutieren will, dann sollte man sinnvollerweise nicht über den deutschen, sondern über den polnischen Anteil der Kohle an der Verstromung diskutieren: 80 Prozent, meine Damen und Herren, sind es in Polen.
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Deshalb dürfen wir uns an der Stelle nicht unter Druck setzen lassen.
Ich bin der Überzeugung, dass wir im Bereich der Energiepolitik ein ganzes Stück vorankommen werden und dass wir erneuerbare Energien voranbringen können. Auch da würde ich mir wünschen, dass wir bei dem Thema zusammenfinden: mehr regenerativer Strom, aber so, dass er am Ende auch eingespeist und tatsächlich genutzt werden kann. Nur theoretisch hilft das nämlich niemandem.
Ich wünsche mir eine Klimapolitik, die nicht nur auf die nationale Bilanz ausgerichtet ist, sondern die letztlich auch wirkt. Das ist eine internationale Klimapolitik, und deshalb hat das für uns erste Priorität.
Vielen herzlichen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Judith Skudelny für die FDP-Fraktion.
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Mensch, Herr Nüßlein, wären Sie gesellschaftspolitisch mit Ihren umweltpolitischen Ideen nicht so rückwärtsgewandt, könnten wir richtig was anfangen.
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Schulze, Anfang November haben Sie an der Humboldt-Universität gesagt, Sie machen keine grüne Umweltpolitik, Sie machen rote Umweltpolitik. Was wir aber in den letzten neun Monaten gesehen haben, ist, dass Sie gar keine Umweltpolitik machen. Sie streiten lieber mit anderen Ministerien darüber, was eigentlich die richtigen Wege wären, statt die Umweltpolitik in Deutschland tatsächlich voranzubringen.
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Beim Insektenschutz streiten Sie mit dem Landwirtschaftsministerium, bei der Luftreinhaltung mit dem Verkehrsministerium und beim Klimaschutz mit beiden Ministerien gemeinsam. Da möchte ich nur an Ihre letzte Initiative erinnern, dass Benzin und Diesel, also Kraftstoffe, in Deutschland teurer werden sollen. Ich weiß nicht, wann Sie Ihre letzte Tankrechnung bezahlt haben, aber die Menschen in Deutschland – die Bürgerinnen und Bürger, die Handwerker, der Mittelstand – sind schon jetzt durch die extrem gestiegenen Benzin- und Dieselpreise stark belastet. Da ist die Idee, das jetzt noch teurer zu machen, nicht so wirklich toffitoll.
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Wenn Sie mit diesen Ideen die SPD retten wollen, dann möchte ich Ihnen einen Tipp von einer Partei geben, die tatsächlich schon einmal auf Bildungsurlaub war: Mit den abgehalfterten Ideen eines Toni Hofreiters zu versuchen, die SPD zu retten, wird weder den Bürgerinnen und Bürgern noch der Umwelt noch der SPD in Deutschland helfen.
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Die Umwelt schützt man nicht mit unabgestimmten Papiervorlagen in der Presse. Man hilft der Umwelt mit abgestimmten und mehrheitsfähigen Initiativen hier im Parlament. Davon würden wir uns einfach mehr wünschen.
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Falls Sie noch ein paar Ideen brauchen: Wir hätten tatsächlich ein paar gute Ideen in diesem Bereich. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Insekten- und Naturschutz, und schauen wir über die Grenze, was die Niederlande machen. Die Niederlande machen einen integrierten Naturschutz gemeinsam mit der Landwirtschaft. In kleineren Projekten kann man das übrigens auch in Süddeutschland sehen, wo private Initiativen versuchen, Biotope zu Arterhaltung und Lebensraumerhaltung in unserer Natur zu vernetzen. Da steht im Moment die deutsche Bürokratie im Weg. Wie wäre es, wenn wir mit integriertem Naturschutz gemeinsam mit der Landwirtschaft anfangen würden? Das wäre ein richtiger Schritt in diesem Bereich.
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Beim Klimaschutz haben wir schon eine Idee eingebracht: die kostenneutrale Implementierung des Verkehrssektors in den ETS-Handel. Lukas Köhler hat das hier im Haus mehr als einmal gesagt. Das wird funktionieren. Das wäre Klimaschutz, der nicht teuer ist, und ein wirksamer, innovativer Ansatz im Bereich des Klimaschutzes.
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Bei der Luftreinhaltung sollten wir endlich aufhören, zu denken, dass Fahrverbote in Deutschland die Luft wirklich reiner machen. Mittlerweile verlagern wir den Verkehr nicht von den Hauptstraßen in die Wohngebiete, sondern von den Autobahnen in die Wohngebiete. Hier sollte das Umweltministerium umdenken und sagen: Okay, wir müssen den Verkehr zum Fließen bringen; denn dann reduzieren wir die Abgase und schützen Bürgerinnen und Bürger.
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Hören Sie bitte auf mit der Vendetta in der Großen Koalition, und hören Sie auf, zwischen den Ministerien zu streiten! Es gibt tatsächlich Wichtigeres in der Umweltpolitik, als große Ideen unabgestimmt hinauszuposaunen. Wir brauchen konsolidierte, gemeinsame Ideen hier im Plenum. Wenn Sie noch neue und innovative Ideen brauchen: Wir als Serviceopposition haben viele davon. Wir werden sie einbringen. Wir können nicht nur Bildung, Digitalisierung, Verkehr und Landwirtschaft. Wir können auch richtig gute Umweltpolitik. Diese wollen wir gemeinsam mit Ihnen umsetzen.
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Das Wort hat Ralph Lenkert für die Fraktion Die Linke.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Schulze, in Südeuropa toben Unwetter. Waldbrände wüteten in Deutschland, in Schweden und in Kalifornien. Der Rheinpegel ist so niedrig wie noch nie wegen einer Jahrtausenddürre in Deutschland.
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Frau Skudelny, auch weil der Klimawandel den Rheinpegel so stark sinken lässt, steigen Benzin- und Baustoffpreise und haben die Kraftwerke nicht genügend Kühlwasser, um Strom zu erzeugen. Deshalb brauchen wir die Energiewende und nicht Ihre Schwarzmalerei.
({1})
Und was ändert sich im Haushalt? Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, fast nichts ändert sich. Im Haushaltsentwurf sind zwar für den Umweltetat rund 260 Millionen Euro mehr vorgesehen. Das wären insgesamt 2,3 Milliarden Euro. Aber allein 250 Millionen Euro des Aufwuchses werden für die Beseitigung der Altlasten der Atomindustrie, für die Entsorgung des Atommülls benötigt. Nur 1,2 Milliarden Euro stehen dem Umweltministerium für Umwelt-, Natur-, Klimaschutz und nukleare Sicherheit bereit. Das sind 0,3 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes. Nichts ist in diesem Haushalt gelernt worden aus den Katastrophen dieses Jahres.
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Aber im Gesamthaushalt ist massig Geld für Ressourcenverschwendung und Umweltzerstörung eingestellt. Oder können Sie mir erklären, wie 43 Milliarden Euro für Rüstung den Klimaschutz voranbringen, wie diese die Umwelt schützen und wie diese unsere Natur erhalten? Nur zur Erinnerung: Der gesamte Umweltetat umfasst 2,3 Milliarden Euro. Allein um das Doppelte steigt der Rüstungsetat, nämlich um 4,7 Milliarden Euro. Das ist eine Schande.
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Kriege im Irak, im Jemen und in Libyen zerstören ganze Länder, Gesellschaften und Infrastruktur. Schwermetalle belasten später ganze Landstriche. Der Wiederaufbau verbraucht erneut Ressourcen und beschleunigt den Klimawandel. Kriege sind eine menschengemachte Umwelt- und Klimakatastrophe. Die Linke sagt Nein zu Kriegen.
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Auch Militäreinsätze der Bundeswehr, der NATO und anderer Großmächte wie in Afghanistan sorgen für tote Menschen und verstärken den Klimawandel. Auch deswegen lehnt Die Linke jeden Kriegseinsatz ab.
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Jede Aufrüstung, jede Waffenproduktion verschwendet Ressourcen und bindet Mittel, die wir besser in den Aufbau von Sozialstrukturen und in Klimaschutz stecken sollten. Deswegen: Abrüstung jetzt, Stopp der Waffenexporte.
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Lieber Solarpanele liefern als Panzer. Lieber Umweltbildung durchführen als Soldatenschulungen. Die Linke bietet Alternativen für eine soziale und ökologische Zukunft.
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Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, selbst bei konkreten kleinen Maßnahmen, die nicht viel kosten, aber viel bewirken, ist es schwer mit der Koalition. Laubmischwälder binden 40 Prozent mehr Wasser als Fichtenwälder. Das hilft bei Starkregen. Laubmischwälder geben dieses Wasser viel langsamer ab als Fichtenwälder. Das erhöht die Wasserstände der Flüsse bei Trockenheiten. Thüringen, mein Heimatland, gibt jährlich 6 Millionen Euro für den Waldumbau aus, um die Folgen des Klimawandels zu mildern. Der Rhein wird gespeist durch Zuläufe aus Alpen und Schwarzwald. 70 Prozent des Schwarzwaldes sind Fichtenwälder. Der Wasserstand wäre deutlich höher, wenn die Koalition unserem Antrag zustimmen würde, dass vom Bund 30 Millionen Euro für einen Umbau in Laubmischwälder zur Verfügung gestellt werden.
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Die Sulfatbelastung in der Spree steigt immer weiter. Grund ist, dass die Verdünnung der Bergbauabwässer aus dem Braunkohletagebau nicht mehr möglich ist, weil Frischwasser fehlt. Die Braunkohlenförderung gefährdet die Versorgung mit Trinkwasser für die ganze Berliner Region. Deswegen fordert Die Linke im Haushalt 500 Millionen Euro für den Infrastrukturaufbau in den Braunkohleregionen, für sichere staatliche Arbeitsplätze der Kumpel, damit wir aus der Braunkohlenförderung schnellstmöglich aussteigen können.
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Wir wollen den Kohleausstieg für mehr Klimaschutz, für sauberes Trinkwasser, für soziale Sicherheit der Kumpel und der Region.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle erinnern uns an die Löschprobleme beim großen Waldbrand an der A 9 wegen der Munition in den Waldgebieten. Stimmen Sie wenigstens unserem Antrag zu, 50 Millionen Euro für die Beseitigung von Altmunition bereitzustellen, damit so etwas zukünftig nicht mehr passiert.
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Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.
Linke Umweltpolitik schlägt konkrete Maßnahmen vor statt schöne Sonntagsreden.
Vielen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Steffi Lemke für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Stunde tagt in Scharm al‑Scheich in Ägypten die CBD. Das ist quasi der Weltklimarat für Naturschutz, für biologische Vielfalt. Auf der Tagesordnung steht dort heute die biologische Vielfalt in Meeres- und Küstengebieten.
Die deutsche Bundesregierung ist parallel zu dieser international und national so enorm wichtigen Tagung beim deutschen Meeresschutz in die Knie gegangen, und zwar vor den Forderungen der dänischen Regierung, auch zukünftig in den Meeresschutzgebieten in deutscher nationaler Verantwortung die Schleppnetz- und Stellnetzfischerei zu erlauben, also in Meeresschutzgebieten diese nachgewiesenermaßen naturschutzfeindliche Fischereitechnik weiterhin zuzulassen. Ich vermute, dass die Umweltministerin deshalb diese wirklich wichtige Tagung in ihrer Rede – wie auch das ganze Thema Artenschutz, Insektensterben, Artensterben – komplett ausgeblendet hat, weil gerade an diesem Tag eine solche Niederlage für den Naturschutz in Deutschland eingesetzt hat.
Frau Ministerin, ich zucke jedes Mal zusammen, wenn Sie hier an diesem Redepult sagen: „Wir müssen“ oder „Wir müssten mal“, statt zu sagen: „Ich habe entschieden“, „Wir haben gemacht“, „Die Koalition hat umgesetzt“. „Wir müssen“ erinnert mich immer an meinen Sportverein zu Hause. Der hat eine Zeit lang eine „Mamüma“-Liste geführt: eine „Man müsste mal“-Liste, wo all die Dinge draufgeschrieben wurden, zu denen man immer nicht kommt, weil Ressourcen fehlen, weil man keine Zeit hat, weil einem die Willenskraft fehlt, es umzusetzen. Ich möchte Sie wirklich warnen und bitten, aufzupassen, dass Sie dieses Umweltministerium nicht zu einem „Mamüma“-Ministerium machen.
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Ich will Ihnen das mit den Zahlen des Haushaltes unterlegen. Es ist richtig, dass der Etat gegenüber dem Vorjahr um 288 Millionen Euro ansteigt. Davon sind aber 90 Prozent für nachsorgenden Umweltschutz, für die Entsorgung und Lagerung von Atommüll vorgesehen. Da ist kein Aufbruch; da ist nichts Zukunftsweisendes. Das ist reine Altlastenbeseitigung. Wenn wir uns dann anschauen, dass in der Bereinigungssitzung, das heißt der Parlamentsbefassung des Haushaltsausschusses, insgesamt 3 Milliarden Euro auf diesen Haushalt draufgepackt worden sind – 3 Milliarden Euro! –, wovon 38 Millionen Euro Barmittel für das Umweltministerium sind, dann frage ich mich, wo die Verhältnismäßigkeit angesichts der globalen Umweltprobleme, der großen Herausforderungen im Zusammenhang mit Klimaschutz, Artensterben und Plastikvermüllung bei uns und weltweit ist.
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Ich kann das fortführen: 2 000 neue Stellen schafft die Koalition mit diesem Haushalt – 2 000 neue Stellen! –, allein 350 für die Pkw-Maut – und 17 für das Umweltministerium. Das ist absolut aus dem Ruder gelaufen und nicht verhältnismäßig.
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Demgegenüber betteln die Naturschutzbehörden – auch unter Ihrer Verantwortung – um jede einzelne Stelle, beispielsweise beim Bundesamt für Naturschutz, und der Meeresschutz in nationaler Verantwortung ist bis heute nicht ausreichend unterlegt.
Ich will aufgreifen, was Sie hier dargestellt haben: dass 50 Millionen Euro für die Bekämpfung des Plastikmülls im Ausland eingesetzt werden. Finde ich gut; dafür will ich die Koalition loben. Aber – aber! – im Haushalt finden sich auch 780 Millionen Euro Subventionen für die Plastikvermüllung, weil Sie die stoffliche Besteuerung für Rohöl nicht vornehmen, sondern nach wie vor die Steuerbefreiung fortsetzen. 780 Millionen weitere Subventionen für die Plastikvermüllung!
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Außerdem ist in Deutschland nach wie vor das Beimischen von Plastik in Kosmetikprodukten – so überflüssig wie ein Kropf – erlaubt.
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Seit Jahren kündigen Sie hier irgendwas mit Dialog an und dass die Industrie mal irgendwas tun würde. Nix ist an dieser Baustelle passiert, und angesichts dessen sind diese 50 Millionen Euro für das Ausland wohlfeil.
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Frau Ministerin, ich muss Ihnen das sagen: Sie haben keinerlei Durchsetzungskraft gegenüber Ihren eigenen Kollegen und Kolleginnen im Kabinett.
Beispiel CO 2 -Steuer. Sie machen da einen interessanten Vorschlag – kann man diskutieren –, aber es vergehen keine 24 Stunden, da hat Finanzminister Scholz – Klammer auf: Ihre eigene Partei; Klammer zu – diesen Vorschlag wieder einkassiert.
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Beispiel „Klimagrenzwerte für Autos“. Sie wollten einigermaßen ehrgeizige Ziele durchsetzen, aber die Kanzlerin hat Ihre Pläne mit einer einzigen Rede vor Industrievertretern durchkreuzt. Auch hier: Fehlanzeige!
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– Zu Ihren Zwischenrufen, Herr Nüßlein: Sie müssten aufpassen, dass Sie nicht ein „Mamüma“-Nüßlein werden, weil Sie hier auch immer stehen und sagen: „Man müsste mal dieses und jenes tun“, aber nicht vorweisen können, was die Koalition beim Artenschutz gemacht hat.
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Da will ich bei der Kritik die Ministerin nicht allein lassen.
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Beispiel Artenschutz. Sie machen einen Vorschlag für ein Glyphosatverbot. Frau Klöckner stellt Sie am nächsten Tag bloß und sagt: Nein, das wird nicht passieren.
Deshalb mein Appell: Sorgen Sie endlich dafür, dass Butter bei die Fische kommt! Handeln Sie bei den großen Themen in Ihrem eigenen Ressort, statt nur international Verpflichtungsermächtigungen einzugehen! Sorgen Sie dafür, dass wir hier bei den Themen, die auf dem Tisch liegen, vorankommen, statt einen einjährigen Diskussionsprozess zum Thema „Insektenschutz und Artensterben“ anzuzetteln, obwohl die Fakten auf dem Tisch liegen und Sie in diesen Monaten handeln müssen, weil die Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik jetzt stattfinden.
Frau Kollegin.
Letzte Anmerkung, Frau Präsidentin. – Wenn Sie dort in Brüssel bei den Agrarverhandlungen nichts erreichen, dann werden Ihre Programme gegen das Artensterben zum Scheitern verurteilt sein.
Danke.
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Das Wort hat Carsten Träger für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank beginnen: Danke für einen wirklich guten Haushalt „Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit“. Die SPD will, dass Politik Umwelt, Natur, Wasser, Menschen und Tiere wirksam schützt und wirtschaftliche Interessen und soziale Belange in Ausgleich bringt. Es geht nicht gegeneinander. Es geht nur miteinander. Es geht nur nachhaltig.
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Und das schafft dieser Haushalt. Er schafft Möglichkeiten, nachhaltig die Probleme anzupacken, er schafft Rahmenbedingungen für eine aktive Umweltpolitik, die vorausschauend das Entstehen von Missständen verhindert, und er schafft Freiheit und Möglichkeiten, international mit unseren Partnern an den globalen Problemen zu arbeiten. Klimawandel, Plastikmüll in den Meeren, Artensterben, das alles sind weltweite Probleme, die wir nur gemeinsam in der Staatengemeinschaft werden lösen können.
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Für all das schafft dieser Haushalt eine gute Grundlage. Dafür meinen herzlichen Dank an alle, die daran mitgewirkt haben: die Haushälter Andreas Schwarz und Johannes Kahrs und die Kollegen von der Union, unseren Berichterstatter Michael Thews und nicht zuletzt die Fachleute in den Ministerien, allen voran die Minister Schulze und Scholz. Vielen Dank!
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Kollege Schwarz hat die Zahlen ja schon genannt: Der Etat des BMU sah im ersten Entwurf eine Steigerung um rund 15 Prozent vor – sehr gut, sehr beachtlich –; aber diese Steigerung war vor allem im Bereich „nukleare Sicherheit“ vorgesehen. Deshalb freue ich mich ganz besonders über zwei Dinge. Erstens ist es gelungen, im Bundeshaushalt mehr als 37 Millionen zusätzlich für den Umweltschutz einzustellen, und zweitens kommen diese zusätzlichen Gelder vor allem der Bekämpfung von Plastikmüll in den Meeren und dem Schutz von Biodiversität und Klima zugute. Das ist ein wichtiger und guter Schritt.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD sagt Ja zum Fortschritt. Dem trägt der Bundeshaushalt mit seinen Ausgabensteigerungen in Forschung und Investitionen deutlich Rechnung. Wir setzen auf den Fortschritt beim Umstieg auf saubere Mobilität und saubere Energie. Wir sagen aber auch: Wir dürfen dabei nicht die Menschen aus dem Blick verlieren. Was heißt das für Arbeitsplätze? Was heißt das für die Regionen? – Und selbstverständlich sagen wir: Natürlich müssen wir auch die planetaren Grenzen im Blick behalten. Gesundheit und Umweltschutz dürfen dem Fortschritt nicht untertan sein.
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Deshalb ist es uns wichtig, dass wir beim Kohleausstieg die Regionen und die Beschäftigten mitnehmen. Die Strukturwandelkommission sucht hier einen fairen Ausgleich, und sie wird ihn finden.
Natürlich ist es einfacher, sofort den Kohleausstieg zu fordern, aber fair den Beschäftigten gegenüber ist es nicht, und fair den Regionen gegenüber, dem Rheinischen Revier und denen in Ostdeutschland, ist es auch nicht.
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Wir als SPD setzen auf die Ergebnisse der Kommission. Wir warten auf diese Ergebnisse; denn sie sind für uns die Grundlage für das Klimaschutzgesetz, das wir nach jahrelangem Kampf durchgesetzt haben.
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Da müssen wir uns mal ehrlich machen. Da geht es nicht um ein bisschen Umweltschutz und ein bisschen Blümchenprojekte; es geht um nicht weniger als die entscheidende Weichenstellung für eine klimafreundliche, nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise.
Wir Sozialdemokraten meinen es ernst mit dem Klimaschutzgesetz. Alle Bereiche müssen liefern: Wirtschaft, Landwirtschaft, Gebäude- und nicht zuletzt der Verkehrssektor. Sie müssen per Gesetz konkrete Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase erreichen.
Dem Verkehr kommt hier in den nächsten Jahren sicherlich herausragende Bedeutung zu, aber auch der Landwirtschaft, die für mehr als 7 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Wir haben gerade jetzt auf der europäischen Ebene Gelegenheit, das Fördersystem ganz neu zu regeln. Wir sagen hier eindeutig: Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen, Förderung gibt’s für nachhaltige Landwirtschaft, für Umweltschutz, für Tierschutz. – Da müssen wir ran, Frau Ministerin Klöckner. Packen wir’s an!
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Und an die Herren von der AfD: Natürlich sind Sie gegen das Klimaschutzgesetz. Dass Sie mit Umwelt, Natur und Gesundheit so überhaupt nichts am Hut haben,
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das beweisen Sie uns regelmäßig im Ausschuss und auch heute in den Reden hier:
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Stickoxide in der Atemluft – alles nur eine Verschwörung gegen den Diesel. Naturschutz kostet doch nur Geld, ist eine Verschwörung. Klimaschutz brauchen wir nicht, ist eine globale Verschwörung. Da sind wir ja so einiges gewohnt von Ihnen mittlerweile, aber die Reden heute waren dann doch eher wenig anspruchsvoll.
Herr Kollege Träger, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?
Nein, vielen Dank. – Ich bin gespannt, wie lange Ihre Leute das noch mitmachen: aus der Schweiz und aus Holland fette Schecks einstreichen von Konzernen und zweifelhaften Stiftungen und hier in Berlin Schnittchen für Tausende Euro verdrücken,
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Da werden wir mal sehen, wie weit Sie da noch kommen.
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Schließen möchte ich aber nicht mit Ihnen, sondern mit etwas Positivem: Die Ministerin hat als eine ihrer ersten Amtshandlungen das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ aufgelegt. Das ist auch dank vieler Umweltverbände ein Thema endlich im Zentrum der Gesellschaft – ein tolles Aktionsprogramm.
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Ich habe leider keine Zeit mehr, aber das wird nächstes Jahr richtig durchstarten.
Herzlichen Dank dafür und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Ich erteile Ihnen das Wort zu einer Kurzintervention.
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Herr Träger, erstens möchte ich natürlich von mir weisen, dass wir mit Umwelt- und Naturschutz nichts am Hut haben.
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Ich empfehle Ihnen, die Augsburger Erklärung, die wir als Umweltabgeordnete abgegeben haben, zu lesen.
Aber Klimaschutz hat sehr wenig mit Umweltschutz und auch wenig mit Naturschutz zu tun. Vielleicht schauen Sie sich mal die Zahlen an, wie viele Greifvögel jedes Jahr von den Windkraftanlagen, die Sie präferieren, umgebracht werden.
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– Ach, lassen Sie mich doch ausreden, Frau Lemke.
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– Ja, alles klar. Sie waren doch gerade am Mikro.
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Ich weise auf einen Artikel hin – ich glaube, es war in der „Welt“ –, dass in Indien
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ein Windkraftpark zu einer ökologischen Katastrophe geführt hat, weil 90 Prozent aller Greifvögel getötet wurden.
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Jetzt noch mal ganz kurz zu der Verschwörung in Bezug auf die Stickstoffoxide, die Sie mir vorgeworfen haben. Vielleicht schauen Sie sich mal die Ausführungen von Herrn Dr. Köhler an, einem berühmten Pneumologen, der ganz klar gesagt hat,
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dass bei der jetzigen Stickoxidkonzentration keinerlei gesundheitliche Bedenken zu erwarten sind. Frühestens bei circa 1 000 Mikrogramm pro Kubikmeter würde es dazu führen,
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dass Sie ein Reizen in der Kehle haben.
Also, ich weise es noch mal von mir, dass wir als AfD nichts mit Naturschutz und Umweltschutz am Hut haben.
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Sie haben das Wort zur Erwiderung auf Herrn Hilse.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Hilse, es ist klar: Sie wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Sie wollen, dass sich nichts ändert. Sie wollen hier Ihre Schnittchen essen und dabei die Gelder aus der Schweiz und aus Holland ausgeben.
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Das ist natürlich Ihr gutes Recht.
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Das Problem, das Sie ansprechen, ist, dass wir tatsächlich einen Vogelschlag durch Windräder haben. Aber dazu gibt es wahrlich schon genug Studien; damit beschäftigt sich das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende. Die Lösung dieses Problems ist in der Mache.
Das darf aber nicht dazu führen, dass wir das Ziel der Energiewende aus dem Blick verlieren. Wir brauchen den Umstieg auf saubere Energie, wir brauchen den Umstieg auf saubere Mobilität. Wir müssen uns die Probleme anschauen, wir müssen an den Problemen arbeiten, aber die Ziele dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren.
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Das Wort hat nun der Abgeordnete Andreas Bleck für die AfD-Fraktion.
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Werte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Kollege Träger, dass Sie jetzt so bissig sind, kann ich gut nachvollziehen; denn die SPD hat ihr soziales Gewissen verloren.
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Das liegt unter anderem an ihrer Klimaschutzpolitik;
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dazu werde ich gleich kommen.
Zum Haushalt. Das Umweltministerium setzt einen der größten Ausgabeschwerpunkte seines Haushalts auf den Klimaschutz. Das finanzielle Engagement für den Umwelt- und Naturschutz fällt dementsprechend gering aus. Zum Vergleich: 30 Prozent des Haushalts ist der Umweltministerin der Klimaschutz wert, jedoch nur 8 Prozent der Umweltschutz und nur 5 Prozent der Naturschutz. Die Haushaltsmittel für den internationalen Klimaschutz wurden von 2018 auf 2019 um 20 Millionen Euro erhöht. Kurzum: Falsche Schwerpunktsetzung.
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Der Bundesrechnungshof prüft regelmäßig, welchen Effekt der Klimaschutz auf die Reduzierung der Treibhausgase in Deutschland hat. Das Ergebnis ist, dass noch nicht einmal 1 Prozent weniger CO 2 im Vergleichszeitraum von 2008 bis 2017 ausgestoßen wurde. Mit anderen Worten: Hier wird viel Geld verbrannt und kein Effekt erzielt.
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Das hängt auch damit zusammen, dass Deutschland seit 2011 aus der Kernenergie aussteigt; das haben Sie alle vergessen zu erwähnen. Vor allem die Kohleenergie, aber auch die Sonnen- und Windenergie müssen dies auffangen – mit allen finanziellen Konsequenzen für den Verbraucher. Denn Deutschland ist eben nicht Fußballweltmeister, sondern Strompreisweltmeister: 30 Cent die Kilowattstunde dank Steuern, Entgelten und Umlagen. Damit hat sich der Strompreis seit 2000 mehr als verdoppelt. 2017 wurde 340 000 Haushalten der Strom abgestellt. 2019 soll der Strompreis noch einmal um 4 bis 5 Prozent steigen.
Vor diesem Hintergrund setzt Ihr Vorhaben, Frau Umweltministerin, eine CO 2 -Abgabe für Benzin und Heizöl einzuführen, dem Ganzen noch die Krone auf. Der aktuelle Benzinpreis von bis zu 1,70 Euro pro Liter reicht Ihnen wohl noch nicht aus; da geht noch mehr, meinen Sie.
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Doch das trifft vor allem die ehemalige Wählerklientel der SPD, nämlich die Arbeiter. Dem Arbeiter hat die SPD bereits die Rente genommen; jetzt ist das Auto dran. Sozial ist das nicht.
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Zurück zum Haushalt: Umwelt- und Naturschutz stehen hintenan, vor allem für Forschung im Umweltschutzbereich stehen zu geringe Mittel zur Verfügung. Ein aktuell drängendes Problem ist Mikroplastik und die Frage nach den Auswirkungen auf die Umwelt und lebende Organismen. Erst kürzlich stellte die Medizinische Universität Wien in Zusammenarbeit mit dem österreichischem Umweltbundesamt fest, dass Mikroplastik den menschlichen Körper durchläuft. Die Forschung zu diesem Thema steckt noch in den Kinderschuhen. Hier muss mehr getan werden.
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Im Bereich Naturschutz sieht die AfD-Fraktion unter anderem die Notwendigkeit zur stärkeren Erforschung invasiver und gebietsfremder Arten, die heimische Pflanzen und Tierbestände bedrohen, verdrängen oder sogar vernichten. Auf meine Kleine Anfrage zum Kalikokrebs antwortete die Bundesregierung, dass sie weder hinreichende Erkenntnisse über die Erfüllung der notwendigen Kriterien für die Aufnahme des Kalikokrebses in die EU-Liste invasiver und gebietsfremder Arten hat noch weiteren Forschungsbedarf sieht. Das, Frau Umweltministerin, zeugt von mangelndem Problembewusstsein Ihres Hauses.
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Ich fasse zusammen: Hören Sie auf, den Verbraucher abzukassieren, verabschieden Sie sich vom Klimaschamanismus, der uns Milliarden kostet und nichts bringt. Schützen Sie die Umwelt und Natur; denn, Herr Träger, auch die Verspargelung durch Windkraftanlagen und die Überbauung durch Photovoltaikanlagen ist ein Problem. Und schließlich: Verstärken Sie Ihr Engagement beim Artenschutz, vor allem beim Schutz heimischer Arten vor invasiven, gebietsfremden Arten.
Es wird Sie nicht überraschen, dass wir dem Einzelplan 16 so nicht zustimmen werden, genauso wenig wie den anderen Anträgen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat Dr. Klaus-Peter Schulze für die CDU/CSU-Fraktion.
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Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesministerin Schulze! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Vergleich zu dem im September eingebrachten Haushaltsplan, der uns von der Regierung vorgelegt wurde, konnten wir im parlamentarischen Verfahren – das haben schon einige hier angesprochen – die eine oder andere Veränderung reinbringen, was aus meiner Sicht sehr positiv ist. Zu dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt und dem Haushaltsaufwuchs in den nächsten Jahren ist schon viel gesagt worden; das will ich im Einzelnen nicht mehr ausführen. Ich will nur darauf hinweisen, dass, obwohl das Aktionsprogramm Insektenschutz noch nicht vollständig vorliegt, bereits 5 Millionen Euro dafür reserviert worden sind. Ich finde, das ist ein guter Weg.
Zu Ihrer Bemerkung, Frau Skudelny, dass wir im integrativen Naturschutz zu wenig tun, sage ich: Sicherlich kann man viel mehr tun; aber das alles in Abrede zu stellen, ist aus meiner Sicht nicht richtig. Wenn ich mir die Blühstreifenprogramme der Bundesländer anschaue, dann stelle ich fest, dass die Resultate an der einen oder anderen Stelle schon ganz gut sind. Das Einzige, das ich an der Stelle bedaure, ist, dass mein Heimatbundesland Brandenburg als einziges Flächenland ein derartiges Programm nicht aufgelegt hat.
Zu dem vom Kollegen Gädechens und der Kollegin Ihnen angesprochenen Mittelabfluss möchte ich an dieser Stelle kritisch bemerken: Ich denke, dass im Bundesamt für Naturschutz, aber auch im Bundesministerium die Verwaltungsarbeit gestrafft werden muss; denn es ist für einen Fachpolitiker immer schwierig, mehr Geld zu verlangen, wenn die Haushälter beispielsweise darauf hinweisen, dass die Mittel für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt im Jahr 2017 um 25 Prozent erhöht wurden.
Ich möchte auf einen weiteren Punkt eingehen, über den wir uns sehr freuen. Wir haben in der ersten Lesung im September darauf hingewiesen, dass die guten Erfahrungen mit der internationalen Zusammenarbeit, die wir in Deutschland an verschiedenen Stellen gesammelt haben, auch auf andere Länder übertragen werden sollen und dass die entsprechenden Haushaltsmittel zu verstärken sind. Das ist uns mit einer halben Million Euro gelungen, sodass jetzt insgesamt 6 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Unter anderem unterstützen wir damit die Maßnahmen und Projekte gegen den illegalen Handel mit Elefanten- und Nashornprodukten. Da die Wilderei nach wie vor eine große Rolle spielt, ist es aus meiner Sicht auch wichtig, dass wir das, was wir in der letzten Legislatur auf den Weg gebracht haben, in den nächsten Jahren fortsetzen.
Einige deutsche Biosphärenreservate unterstützen international den Aufbau ebensolcher Einrichtungen in anderen Ländern, zum Beispiel in Myanmar. Das Biosphärenreservat Spreewald ist da ganz besonders aktiv. Im Jahr 2017 ist das Biosphärenreservat in Myanmar von der UNESCO anerkannt worden, sodass dort jetzt entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden können.
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Zum Energie- und Klimafonds: Ich möchte darauf hinweisen, dass wir mit diesem Haushalt Landschaftsgärten in Deutschland mit etwa 100 Millionen Euro zusätzlich unterstützen. Das ist aus meiner Sicht nicht nur für die betroffenen Kommunen eine sehr gute Sache. Vielmehr ist das auch im Interesse der heute schon vielfach angesprochenen biologischen Vielfalt ein guter Weg. Wir müssen die Landschaftsgärten, die ja ein Teil des kulturellen Erbes in Deutschland sind, weiter erhalten, weiterentwickeln. Wir müssen sie auch auf die Probleme, die die Klimaveränderung mit sich bringt, vorbereiten.
Ein Punkt, der im Bereich des Naturschutzes aus meiner Sicht nicht so sehr positiv ist, ist, dass wir den Wildnisfonds auf der einen Seite aufgebaut haben, auf der anderen Seite aber den Mittelansatz für die Klimaschutzinitiative in Kommunen um 9 Millionen Euro gekappt haben. Das betrachte ich etwas kritisch. Hier wurde gesagt: Die Mittel fließen nicht ab. – Man sollte vielleicht einmal prüfen, ob die Fördermittelrichtlinien die richtigen sind und ob man dort nicht Bürokratie abbauen kann. An fehlenden Eigenmitteln der Kommunen kann es eigentlich nicht liegen; denn sie haben im vergangenen Jahr einen Überschuss von 11 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Abschließend möchte ich noch auf das Thema „Strukturentwicklung in den Kohleregionen“ eingehen. Es ist sehr positiv, dass ein Titel für kommunale Modellvorhaben zur Umsetzung der ökologischen Nachhaltigkeitsziele in den Strukturwandelregionen zunächst mit 2,5 Millionen Euro im nächsten Jahr aufgelegt wurde. Er wird auf 15 Millionen Euro im Jahr 2021 aufwachsen. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die in den drei betroffenen Regionen sicherlich entsprechend aufgenommen wird. Gefördert werden sollen Landkreise, Kommunen, Kommunalverbände. Ich wünsche mir an dieser Stelle, dass es gelingt, eine Förderrichtlinie auf den Weg zu bringen, die praktikabel ist und die es ermöglicht, den Kommunen und den Landkreisen einen schnelleren Zugang zu diesem Geld zu eröffnen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist das Thema, das die Braunkohleregionen betrifft, noch lange nicht abgeschlossen. Ich denke, die 1,5 Milliarden Euro, die in dieser Legislaturperiode vorgesehen sind, können nur der Anfang einer langfristigen Finanzierung des Strukturwandels sein. Es geht nicht nur darum, dass Arbeitsplätze, die eine hohe Kaufkraft beinhalten, langfristig erhalten werden, sondern es geht auch darum, dass wir die anderen Dinge, die uns finanzielle Lasten bringen werden, in zukünftigen Haushalten im Auge behalten. Ich sage nur: Sicherung der Rekultivierung der Tagebauflächen, wenn man eher aus dem Tagebau aussteigt. Ich frage mich, wer den Rückbau der Kraftwerke finanziert. Ich weiß, dass der größte Teil der Baugenehmigungen der Kraftwerke keine Rückbauverpflichtung enthält und somit also auch die entsprechenden Rückstellungen nicht gebildet wurden. Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass das Thema „Entschädigung der Eigentümer“ sicherlich auch eine Rolle spielen wird.
Für mich als Lausitzer ist es wichtig, auf einen ganz besonderen Punkt hinzuweisen: Wir werden ein ökologisches Problem mit dem Wasserhaushalt bekommen. Ingo Gädechens hat das Wasser ja angesprochen. In den nächsten vier, fünf Jahrzehnten wird es notwendig sein, dass der Bund entsprechende Vorsorge trifft, um die Lösung der Probleme, die dann auf uns zukommen, entsprechend zu finanzieren.
Abschließend möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit mit unseren Haushältern Ingo Gädechens und Rüdiger Kruse bedanken. Herzlichen Dank an meinen Kollegen Carsten Träger. Wir haben die Dinge, die wir auf den Weg bringen wollten, einigermaßen hinbekommen.
Schönen Dank.
({1})
Letzter Redner in dieser Debatte ist Rüdiger Kruse für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war bisher eine recht erwartbare Debatte. Den einen war es zu viel, was in diesem Etat gemacht wird, den anderen war es zu wenig. Das eröffnet der Koalition die Möglichkeit, sich für das zu loben, was sie in kleinen Schritten erreicht hat. So weit, so gut.
Man kann die Debatten der Vergangenheit natürlich immer wieder aufwärmen. Das geschieht allerdings schon seit der Zeit, als ich angefangen habe, mir Debatten anzuhören. Das finde ich auf die Dauer auch nicht zielführend. Ich glaube, dass man ganz klar wissen muss: Wir können den Umweltetat vervierfachen,
({0})
dennoch retten wir damit nicht die Umwelt.
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Das wäre in etwa so, als wenn man der Meinung wäre, dass man die Situation für Kinder dadurch verbessern kann, dass man ein bisschen mehr Geld an den Kinderschutzbund überweist. Das ist zu klein gedacht. Wir müssen natürlich sehen, dass meine Partei speziell in den 70er-, 80er-Jahren, aber auch immer dann, wenn es um die Absolutsetzung des Umweltthemas ging, damit gefremdelt hat, so wie sie auch schon in den 50er-Jahren damit gefremdelt hat, das Thema Wirtschaft absolut zu setzen. Es ist nicht so, sondern es steht immer nebeneinander. Was nützt es denn, wenn ich eine brummende Wirtschaft habe, aber es den Menschen schlecht geht? Das war die Initialzündung für die Union. Wir sagen: Wir wollen beides zusammen denken, wir wollen die soziale Marktwirtschaft – Vielleicht hätte man schon damals die Umwelt dazu nehmen können. Das ist dann später gekommen.
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Ich bin froh, dass die unionsgeführten Bundesregierungen daran international Step by Step gearbeitet haben, dass Nachhaltigkeitsziele entwickelt worden sind.
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– Ja, ich weiß, wir sind noch nicht am Ziel, aber wir sind auch noch nicht tot.
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– Ich darf jetzt einmal etwas sagen, weil ich selber Protestant bin. Protestantismus ist furchtbar anstrengend.
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Aber Grüne sind Protestanten ohne Gott, und das ist noch anstrengender.
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Es nützt doch nichts, immer damit zu kommen, dass es immer noch nicht reicht. Man muss auch einmal anerkennen, was geschafft worden ist. Es ist allerdings interessant, dass die Grünen in der Verkehrsdebatte preußische Tugenden aufgreifen und die Gralsfrage stellen: Wem dient der Minister? Es wird gar nicht infrage gestellt, dass man dienen muss. Das ist preußisch. Toll. Interessante Entwicklung. Die AfD geht in Richtung Anarchoszene und sagt: Wir schaffen die Vorbildfunktion ab. – In der Sekunde, in der Deutschland etwas tut, was im Weltmaßstab nicht mit mindestens 50 Prozent ins Gewicht fällt, tun wir eben gar nichts. Es gibt aber nichts, was Deutschland tun kann, was die Welt komplett verändert,
({7})
weil 80 Millionen Menschen – das müssen Sie einmal begreifen – nicht die Welt sind.
({8})
Es lohnt sich aber natürlich, Vorbildfunktion zu übernehmen, und zwar im doppelten Sinne. Erstens muss einer den ersten Schritt machen, und zweitens werden die Leute, die die Notwendigkeiten der Zukunft als Erste erkennen, die Zukunft gestalten und das zu ihrem eigenen Vorteil.
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Glaubt irgendjemand, dass wir Weltmarktführer in so vielen Bereichen wären, wenn wir immer nur auf die Vergangenheit setzen würden? Mit der Industrietechnik des 19. Jahrhunderts wäre nichts zu gewinnen.
({10})
Es ist doch völlig normal, dass man sich immer wieder erneuert, dass man sich immer weiterentwickelt.
Wir sind ein gutes Stück weitergekommen, aber wir sind sicherlich an einem Punkt, wo man sagen muss: Es reicht noch nicht. Wie können wir das beschleunigen? Innovationen haben normalerweise einen schnellen Hochlauf. Das müssen wir auch da erreichen, wo es um die Nachhaltigkeitsziele geht. Wie kann man das tun? Entweder indem man versucht, über den Umwelthaushalt alles zu korrigieren, was an anderen Stellen vielleicht nicht richtig läuft, oder indem wir sagen, dass wir die Entwicklungsziele, die Nachhaltigkeitsziele, die wir haben, in jedem einzelnen Haushalt durchdeklinieren, weil die Ziele einvernehmlich sind. Ich glaube, dass die Nachhaltigkeitsziele, für die sich die Union starkmacht, Ziele sind, die das ganze Parlament oder fast das ganze Parlament mittragen kann. Es sind auch Ziele, die die Europäische Union mittragen kann. Wenn Sie sie lesen, dann stellen Sie fest, dass sie in jedem Bereich ihre Entsprechung finden. Dazu gehören die Sicherheit – ohne Sicherheit gibt es kein freies Leben –, die Bekämpfung von Armut, der Umweltschutz, die nachhaltige Wirtschaft und die guten Arbeitsplätze in der Industrie.
Sie haben ja durchaus recht, wenn Sie ansprechen, dass es Bereiche gibt, in denen wir 20 Millionen Euro ausgeben, um was zu erreichen, und es andere Bereiche gibt, in denen es eine Förderung, eine Subventionierung gibt, weil wir sie schon immer hatten. Da müssen wir ran; aber dafür brauchen wir einen Maßstab. Deswegen ist das Plädoyer, dass wir unsere Haushaltsverhandlungen ein Stück weit umstellen und wir uns Ziele setzen, wo wir mit unserer Gesellschaft insgesamt hinwollen. Das wäre ein Riesenvorteil in den Haushaltsberatungen.
({11})
– Mein Gott, 2013 haben Sie die Chance vertan.
({12})
– Entschuldigung, wir reden über den jetzigen Haushalt.
Der jetzige Haushalt ist ein Schritt in die richtige Richtung.
({13})
Ihnen geht es nicht schnell genug, uns bei vielen Dingen auch nicht. Das heißt, wir wollen etwas machen. Aber mit der Verbotskiste, die Sie immer hervorholen, werden wir nichts erreichen; das bringt uns überhaupt nichts.
Wir müssen erkennen, dass es um ein Zusammenwirken geht. Ich glaube, es ist schon ein großer Vorteil, dass Konservative nicht immer aufspringen und sagen: „Jawohl, das machen wir jetzt“, sondern ein Stück länger überlegen und sich dann fragen: Wie kann man den Kern der Sache wirklich erreichen, wie kann man das für alle Menschen nutzbar machen?
({14})
Das ist doch vollkommen richtig. Zum Beispiel muss die Verkehrspolitik so ausgestaltet werden, dass jeder normale Mensch am öffentlichen Leben teilhaben kann. Es nützt nichts, wenn es das Vorreitermodell von Tesla für ein paar Leute gibt oder sich vielleicht ein Bundestagsabgeordneter entscheidet, ein solches Auto zu kaufen;
({15})
denn es ist keine Lösung für die Gesamtgesellschaft. Eine solche Lösung für die Gesamtgesellschaft müssen wir anbieten.
({16})
– Fehler der Vergangenheit müssen diskutiert werden,
({17})
aber sie dürfen die Diskussion nicht überlagern. Wir diskutieren noch genug über den Diesel.
({18})
Aber es darf doch nicht dazu führen, dass man sich der Diskussion über die Zukunft verweigert.
Die ständige negative Kritik von beiden Seiten, die nicht dazu dient, etwas besser zu machen, ist nicht gut für unser Land. Wir müssen die Zukunft nachhaltig gestalten. Das wird immer am besten funktionieren, wenn die Union die Regierung führt. Es tut mir leid, dass es so ist. Ich wünschte, auch wir hätten mal eine Pause; aber es wird auch die nächsten 20 Jahre so bleiben.
({19})
Danke.
({20})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 16 – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 16 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Finanzplanung der Bundesregierung zum Einzelplan 06 belegt eindeutig: Sie korrigieren noch immer nicht den Kardinalfehler Ihrer Sicherheitspolitik, nämlich die offenen Grenzen. Sie kommen damit nicht der originären Aufgabe des Staates nach, das Leben und die Gesundheit der Bürger unseres Landes bestmöglich zu schützen.
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Sie lassen auch die Polizeibeamten im Stich, die jeden Tag die Folgen Ihrer desaströsen Sicherheitspolitik ausbaden müssen.
Ihre grenzenlose Willkommenskultur hat zu einer erheblichen Verschlechterung der inneren Sicherheitslage geführt. Über 853 000 Straftaten von Zuwanderern wären zwischen 2015 und 2017 in Deutschland nie begangen worden, wenn Sie unsere Grenzen effektiv geschützt hätten.
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Die islamistische Terrorgefahr steigt immer weiter an. Die Zahl der Salafisten und der islamistischen Gefährder nimmt ständig zu.
Der islamistische Terrorismus hat sich aber nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa festgebissen. Das belegen folgende Zahlen: Laut Europol gab es zwischen 2007 und 2014 16 religiös motivierte terroristische Anschläge in der Europäischen Union, zwischen 2015 und 2017 waren es 63, also viermal so viele. Zwischen 2007 und 2014 haben solche Angriffe 8 Todesopfer gefordert, in den drei Jahren danach 351 Todesopfer, also 43-mal so viele Tote. Diese Regierung hat mit ihrer völlig verfehlten Migrations- und Sicherheitspolitik diese Entwicklung befördert und beschleunigt, und das Schlimme ist: Sie tut es immer noch, und das ist und bleibt ein Skandal.
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Sie reagieren mit völlig unzureichenden Maßnahmen auf den islamistischen Terrorismus. Ihre Antiterrorpakete verpuffen nahezu wirkungslos, weil sie nicht die Ursachen dieses massiven terroristischen Angriffs bekämpfen, sondern lediglich dessen Symptome.
Dass es nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz nicht zu weiteren größeren Terroranschlägen gekommen ist, ist – und das sage ich in aller Deutlichkeit – nicht Ihr Verdienst, es ist das Verdienst der Sicherheitsbehörden dieses Landes. Die Männer und Frauen beim Bundesamt für Verfassungsschutz, beim Bundeskriminalamt, bei der Bundespolizei und selbstverständlich auch die Kolleginnen und Kollegen der Landessicherheitsbehörden und Länderpolizeien kompensieren Ihr politisches Versagen durch herausragenden Mut, überdurchschnittliches Engagement und eine außergewöhnliche Einsatzbereitschaft. Deshalb von dieser Stelle an alle Kolleginnen und Kollegen ein herzliches Dankeschön der AfD-Fraktion.
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Aber trotz der herausragenden Leistungen dieser Männer und Frauen kann sich die Sicherheitslage nicht verbessern, solange nicht die Grenzen effektiv kontrolliert und Personen ohne Identitätspapiere und Einreiselegitimation konsequent zurückgewiesen werden.
Statt die Grenzen zu schließen, wollen Sie jetzt genau das Gegenteil machen: Sie wollen dem UN-Migrationspakt beitreten, der zu nichts anderem als einem weiteren Anstieg der Armutsmigration nach Deutschland führen wird, islamistische Terroristen und Gewalttäter inklusive. Das dürfen wir nicht zulassen.
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Der Pakt gibt zwar vor, von sicherer, geordneter und regulärer Migration zu handeln, aber nur deshalb, weil nach der Annahme des Paktes alle Migration per se regulär und legal sein soll. Das ist nach unserer festen Überzeugung der falsche Weg. Illegale Migration muss illegal bleiben und vor allem muss sie unterbunden werden.
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Dieser Ansicht ist nicht nur die AfD-Fraktion, sondern sind auch immer mehr Regierungen in Europa und darüber hinaus.
Herr Innenminister, Sie haben einen Eid geschworen. Ihre Pflicht ist es, Schaden von unserem Land und unserem Volk, von unseren Kindern und von unseren Enkeln abzuwenden. Korrigieren Sie deshalb bitte Ihren sicherheitspolitischen Kurs. Schützen Sie endlich unsere Grenzen, schieben Sie straffällige Flüchtlinge konsequent ab und vor allem: Setzen Sie sich aktiv dafür ein, dass der UN-Migrationspakt nicht unterzeichnet wird.
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Das Wort hat der Kollege Klaus-Dieter Gröhler für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mich dann mal mit dem Haushalt beschäftigen;
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denn das ist ja das Thema dieser Aussprache. – Lieber Herr Bundesinnenminister, Sie haben vor einigen Wochen einen, wie ich finde, sehr guten Regierungsentwurf vorgelegt, zusammen mit dem ganzen Kabinett. Ich glaube, wir haben diesen Entwurf in den letzten Wochen noch einmal um einiges verbessert. Nunmehr liegt ein Haushalt vor, der für mehr Sicherheit und eine leistungsfähige Gefahrenabwehr sorgt, der den Wohnungsbau ankurbelt und die Infrastruktur in Städten und Gemeinden fördert, der die Digitalisierung der Behörden vorantreibt und deren Erreichbarkeit für die Bürger erhöht und der schließlich auch dafür sorgt, dass deutsche Sportler Erfolge erringen und internationale Sportveranstaltungen bei uns stattfinden können.
Diese umfangreichen Verbesserungen – das will ich an der Stelle auch ganz offen sagen – haben wir als Ergebnis eines konstruktiven Zusammenwirkens mit dem Koalitionspartner erreicht. An der Stelle will ich meinem sozialdemokratischen Gegenüber, lieber Martin Gerster, einmal herzlich danken.
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Es gab sogar von einigen Oppositionsfraktionen Vorschläge, die nicht völlig falsch waren
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und die uns in den Haushaltsberatungen auch vorangebracht haben; nicht von allen Fraktionen, aber von einigen. Auch das will ich erwähnen, um zu zeigen: So funktioniert Parlamentarismus, und auch deshalb ist er uns wichtig.
Schauen wir uns an einigen Beispielen an, worauf es bei den Änderungen ankam und wo die rote Linie in der parlamentarischen Arbeit verlief:
Stichwort Sicherheit. 5,5 Milliarden Euro sind in diesem Haushalt für innere Sicherheit vorgesehen, so viel wie noch nie und noch einmal mehr als im Rekordhaushalt 2018. Das halte ich für richtig; denn wir beanspruchen als Staat das Gewaltmonopol, und wenn die Bürgerinnen und Bürger diesem Gewaltmonopol vertrauen sollen, dann müssen wir den Behörden, die dieses Gewaltmonopol täglich ausüben müssen und sollen, die Möglichkeit geben, dies effektiv und verantwortungsvoll zu tun.
Deshalb haben wir zum Beispiel 64 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt, um gepanzerte Polizeifahrzeuge für die Bereitschaftspolizeien in den Ländern zu besorgen, und zwar in allen Bundesländern, damit sie bei Terrorfällen, bei Amokläufen oder bei Geiselnahmen konsequent handeln können und die Polizeibeamten nicht selbst in Gefahr geraten.
Wir haben 2,5 Millionen Euro für 1 000 zusätzliche Schutzwesten für die Bereitschaftspolizisten eingestellt.
Wir haben 3 Millionen Euro für Kraftfahrzeuge und Schutzausrüstung bei der Bundespolizei in den Haushalt reingeschrieben.
Wir haben 100 Millionen Euro für die Modernisierung des Fuhrparks im Bereich des Bevölkerungsschutzes eingestellt. Dabei geht es um Fahrzeuge, die in Zukunft bei den freiwilligen Feuerwehren in ganz Deutschland eingesetzt werden können. Der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Herr Ziebs, hat ja vor einiger Zeit gesagt, dass man mit musealer Technik auf die Gefahren von heute und morgen reagieren müsse. Ich rufe den Feuerwehrfrauen und ‑männern im Land zu: Der Bund hat verstanden. Soweit wir in der Frage Verantwortung tragen, haben wir gehandelt. Ich glaube, diese 100 Millionen Euro können sich sehen lassen. An dieser Stelle möchte ich auch die Bundesländer ganz herzlich bitten, ihren Anteil dazu beizutragen.
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Wir haben die Mittel für das Programm „Kriminalitätsprävention durch Einbruchsicherung“ auf 65 Millionen Euro erhöht, weil wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzt werden, ihre Wohnung oder ihr Einfamilienhaus gegen Einbruchdiebstahl effektiv zu sichern. Sie sollen nicht auf den Kosten dafür sitzen bleiben, sondern der Staat unterstützt durch entsprechende Gelder diese Maßnahme.
Wir haben 500 000 Euro für eine neue App bereitgestellt – die Polizei warnt –, damit die Bevölkerung frühzeitig vor Kriminellen und neuen Betrugsmaschen gewarnt und entsprechend informiert werden kann.
Stichwort Gefahrenabwehr. Wir sehen, meine Damen und Herren, an den Beispielen Mallorca, USA, Italien und Schweden: Es gibt immer wieder Situationen, in denen die Bevölkerung vor Großschadensereignissen geschützt werden muss. Deshalb wollen wir auch in diesem Bereich mehr machen und auch mehr Geld zur Verfügung stellen: 10 Millionen Euro für den weiteren Betrieb und die Ausdehnung der Warn-App NINA, die jeder auf sein Handy herunterladen kann, um als Bürger entsprechend gewarnt zu werden. Wir geben mehr Geld für die Aus- und Fortbildung im Bereich Bevölkerungsschutz.
Wir schaffen die ersten 100 Notstromaggregate für das THW an, für 5 Millionen Euro – das wird nur ein erster Schritt sein –, um gewappnet zu sein für die Situation, wenn mal in Teilen des Landes der Strom ausfällt.
Wir setzen als Bundesregierung 100 000 Euro ein für ein gemeinsames Konzept zusammen mit den Hilfsorganisationen, zum Beispiel dem DRK und dem THW, mit dem man in Zukunft ein nationales Krisenmanagement für Großschadensereignisse im Rahmen des Bevölkerungsschutzes tatsächlich darstellen kann.
Stichwort Ehrenamtliche. Ehrenamtliche, meine Damen und Herren, sind eine wesentliche Säule dieser Gesellschaft. Wir wollen mit diesem Haushalt unterstreichen, dass uns dieses Engagement sehr wichtig ist. Wir stellen zum ersten Mal eine halbe Million Euro für einen Fonds Rechtsberatung ein, weil immer mehr Ehrenamtliche während ihres Einsatzes in Situationen kommen, die dazu führen, dass sie angezeigt oder verklagt werden und ein Gerichtsverfahren geführt wird. Wir wollen, dass diese Ehrenamtlichen, die in der Freizeit für uns alle den Kopf hinhalten, vor Gericht dann nicht ohne Rechtsschutz dastehen. Deshalb werden wir mit dem Fonds Rechtsberatung, für den wir die ersten 500 000 Euro geben, etwas ganz Neues auf den Weg bringen.
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– Danke, sehe ich auch so.
Wir haben 300 000 Euro mehr für die Jugend beim Technischen Hilfswerk eingestellt, 38 Millionen Euro für die Sanierung von THW-Liegenschaften und -unterkünften.
Auch personell investieren wir in die Sicherheit: 2 369 neue Stellen bei der Bundespolizei; 249 befristete Stellen in dauerhafte umgewandelt; 476 neue Stellen beim Bundeskriminalamt; 350 Stellen beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, um Angriffe aufs Internet und die Infrastruktur abzuwehren; 1 000 Stellenhebungen bei der Bundespolizei, bei den Tarifbeschäftigten.
Wir als Bund, meine Damen und Herren, haben damit die nächste Stufe im Bereich „Pakt für den Rechtsstaat“ erreicht. Herzliche Grüße an die Bundesländer! Wir haben geleistet; bitte diesem Vorbild jetzt entsprechend folgen.
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Stichwort Bau: erneut 1,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau, für den Neubau und die Bestandssicherung; 100 Millionen Euro zusätzlich für die Sanierung kommunaler Einrichtungen im Bereich Sport, Jugend und Kultur – obwohl das keine originäre Bundesaufgabe ist. Ich finde, auch das kann sich sehen lassen.
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Stichwort Sport. Durch die Beratungen sind 40 Millionen Euro zusätzlich eingestellt worden; die kommen natürlich sowohl dem DOSB zugute als auch der Interessensvertretung der Athleten: mehr Geld für den nichtolympischen Sport, der aber olympisch werden kann; 1 Million Euro für das Turn- und Sportfest in Leipzig; 17 Millionen Euro für die Ski-WM in Oberstdorf und – das freut mich als Berliner natürlich besonders, weil wir den Zuschlag bekommen haben – Geld für die Special Olympics Games 2023, die hier im Olympiastadion stattfinden werden. Ich glaube, das kann sich sehen lassen.
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Lassen Sie mich ein letztes Wort unter dem Stichwort „Zusammenleben der Menschen“, an Sie richten. Wir haben 7 Millionen Euro zusätzlich für den Neubau der Jüdischen Akademie in Frankfurt am Main eingestellt. Wir haben 700 000 Euro für den Neubau einer Synagoge in Dessau im Haushalt eingeplant und 10 Millionen Euro für das Projekt „House of One“ hier in Berlin, wo eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee unter einem Dach entstehen sollen. Ich glaube, das sind sehr wichtige Ausgaben, meine Damen und Herren, die das Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher religiöser Herkunft in Deutschland voranbringen können. Das ist ein gutes Zeichen aus diesem Parlament.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat Dr. Stefan Ruppert für die FDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich las neulich die Analyse eines Politikwissenschaftlers, der empirisch ermittelt hat, dass kein deutscher Minister im letzten Jahr die Debatte so dominiert hat wie Horst Seehofer.
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Als man dann analysierte, um was es dabei ging, war der Befund klar: Es ging nie um Innenpolitik, sondern es ging immer oder fast immer nur um den Streit der Großen Koalition – insofern ein verlorenes Jahr für wichtige Debatten in der deutschen Innenpolitik.
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Solche Rekorde zeigen, dass die politische Diskussion in Deutschland verstopft ist, weil die deutsche Innenpolitik es nicht vermag, die drängenden Fragen in diesem Land zu ordnen. Weder liegt uns heute ein Einwanderungsgesetz vor, noch haben wir eine klare Linie bei der Frage, wie wir abschieben, noch können wir gewährleisten, dass Menschen, die in den Arbeitsmarkt integriert sind, bei uns bleiben können. Insofern ist der soziale Frieden nach wie vor nicht wiederhergestellt, weil CDU, CSU, SPD und Grüne es mit ihrer Verweigerung im Bundesrat nicht geschafft haben, dieses wichtige Thema in Deutschland zu ordnen.
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Als ich neu in diesen Bundestag kam, dachte ich: Wenn man mal was richtig Schlechtes über einen Christsozialen hören will, dann muss man einen Linken fragen. – Ich wurde belehrt: Im letzten Jahr musste man meist einen Christdemokraten fragen.
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Mit der Diskussion über Herrn Maaßen haben Sie den Kreis dann um Sozialdemokraten erweitert. Leider ist das Hickhack der Großen Koalition keine Grundlage für eine gelungene deutsche Innenpolitik.
Wir hätten so viele Fragen, über die wir reden müssten: Wie leben Migranten hier? Wie werden sie integriert? Welche Aufstiegschancen haben türkische Unternehmer in diesem Land? Welche Chancen bieten sich für eine Islamkonferenz, die seit einem Jahr stillgelegt ist und an der das Parlament nicht beteiligt ist? – Auch hier gibt es für die Menschen, die zu uns gekommen sind und bei uns leben, keine Perspektive, und das ist schlicht zu wenig.
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Ich hätte mich sehr gefreut, wenn wir gerade über die Fragen von Heimat – vielleicht nicht so, wie Sie sie verstehen – im Sinne eines gesellschaftlichen Zusammenhalts und darüber reden könnten, wie unsere Gesellschaft politische Diskurse wieder modellhaft ausführen kann, um Gemeinsamkeiten zu ermitteln, auch Streitpunkte zu identifizieren, um einen Aufbruch zu markieren. Aber leider gibt es auch dazu bisher keine einzige Initiative aus diesem großen Bereich, und auch das ist natürlich zu wenig; denn es wäre dringend nötig, mehr über den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu reden.
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Ein wenig war ich in den Haushaltsberatungen auch von den Linken enttäuscht.
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Früher waren Sie unbestreitbar die Nummer eins, wenn es darum ging, mehr Geld in diesem Land auszugeben.
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Sie konnten immer noch eins draufsetzen, Sie hatten immer noch einen Euro mehr, der ausgegeben werden musste.
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In manchen Jahren haben Sie es geschafft, Haushalte gleichsam zu verdoppeln.
Auch in diesem wichtigen Punkt haben Sie sich mittlerweile von den Grünen auf den zweiten Platz verweisen lassen. Die Grünen geben mit Habecks 30 Milliarden Euro und den 20 Milliarden Euro, die sie mit diesem Haushalt mehr ausgeben wollen, mittlerweile mehr Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler als Sie aus. Insofern scheint mir haushaltspolitisch die Partei der Grünen die neue Linke zu sein. Darüber sollten Sie genauso wie die Grünen vielleicht einmal nachdenken.
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Am Ende muss man sagen: ein Rekordhaushalt. Noch nie wurde so viel Geld ausgegeben. Und noch immer setzen die Parteien auf der linken Seite dieses Hauses kräftig etwas drauf! Man fragt sich manchmal, wo das alles herkommen soll, wenn weniger Geld zur Verfügung steht.
Zum Schluss aber auch einige versöhnliche Punkte. Wir teilen die Punkte zum Pakt für den Rechtsstaat. Wir sind zufrieden damit, dass Sie mehr in den Sport investieren. Wir glauben vor allem, dass es unglaublich wichtig ist, den Antisemitismus in diesem Land zu bekämpfen. Hier hatten wir Sie in vielen Gesprächen – auch guten Gesprächen – an unserer Seite.
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Überhaupt habe ich zwei Horst Seehofers kennengelernt. Da ist zum einen derjenige, der in der Öffentlichkeit poltert, sich an der Kanzlerin abarbeitet und innenpolitische Debatten nicht inhaltlich, sondern personell führt. Zum anderen ist da der Horst Seehofer, der in sachlichen, klugen und auch nachdenkenswerten Gesprächen viele wichtige Punkte der deutschen Innenpolitik behandelt und sich Zeit für Haushaltsberatungen und ernsthafte Gespräche nimmt. Deshalb wünsche ich Ihnen für Ihre persönliche Zukunft alles Gute.
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Das Wort hat Martin Gerster für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch gar nicht so lange her, dass Schwarz-Gelb bei den Sicherheitsbehörden schmerzliche Kürzungen vorgenommen hat: 1 000 Stellen weniger in der vorletzten Legislaturperiode.
Wir von der SPD-Fraktion wollen einen handlungsfähigen, starken Staat. Das gilt insbesondere auch für den Sicherheitsbereich; denn Reiche können sich Sicherheit kaufen, Ärmere nicht. Deswegen haben wir als SPD Druck ausgeübt und zusammen mit der Union das größte Paket für innere Sicherheit in der Geschichte der Bundesrepublik aufgelegt: Seit 2016 insgesamt fast 12 000 zusätzliche Stellen im Rahmen der von uns beschlossenen Sicherheitspakete.
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Das, werte Kolleginnen und Kollegen, sind Beschlüsse, die dazu geführt haben, dass wir in der Kriminalitätsstatistik den niedrigsten Stand an Straftaten seit 25 Jahren messen können.
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Die SPD, die Große Koalition haben Deutschland sicherer gemacht.
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Werte Kolleginnen und Kollegen, wir sorgen auch dafür, dass die Sicherheitsbehörden gut ausgestattet sind. Wir Haushälter haben in den Haushaltsverhandlungen einiges zusätzlich auf den Weg gebracht. Dazu gehören unter anderem 600 000 Euro für die Vollausstattung aller Polizistinnen und Polizisten bei der Bundespolizei mit einem zweiten Magazin,
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1 000 zusätzliche Schutzwesten für die Bereitschaftspolizeien, 3 Millionen Euro für zivile Fahnder bei der Bundespolizei, 2 Millionen Euro für die Sanierung der Schießanlage des BKA in Wiesbaden und 64 Millionen Euro für die Modernisierung der Schutzwagen bei den Bereitschaftspolizeien. Außerdem: über 1 000 zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten allein bei der Bundespolizei. Ja, gute Arbeit muss auch wertgeschätzt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Mit dem KfW-Programm „Kriminalprävention durch Einbruchsicherung“ haben wir mittlerweile 200 000 Wohnungen in Deutschland gefördert. Mit dem Haushalt 2019 stellen wir erneut 80 Millionen Euro Programmmittel zur Verfügung, weil wir wollen, dass noch mehr Wohnungen einbruchsicher gemacht werden.
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Werte Kolleginnen und Kollegen, das Ergebnis unserer Beratungen kann sich, wie ich finde, wirklich sehen lassen: 69 Änderungsanträge der Koalition für den Etat Innen, Bau und Heimat, 786 Millionen Euro und 1 066 Stellen zusätzlich im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens.
Herzlich danken möchte ich dabei den Berichterstattern für den Einzelplan 06 für die guten Beratungen. Aber vor allem möchte ich mich bei Klaus-Dieter Gröhler bedanken, mit dem es immer eine Freude war, über die Themen zu diskutieren. Ich finde, das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen.
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Ich möchte mich auch bei Ihnen, Herr Seehofer, bedanken und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesinnenministerium, denen wir immer Fragen stellen und von denen wir wesentliche Informationen für unsere Beschlüsse bekommen konnten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, etwas, das uns als SPD-Fraktion besonders am Herzen liegt, ist das Thema „sachgrundlose Befristungen“. Mit den beiden Haushalten 2018 und 2019 haben wir fast 7 500 Stellen im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums entfristet.
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Das ist eine sehr gute Nachricht für viele Beschäftigte und ein Erfolg, auf den wir gemeinsam stolz sein können, wir als SPD-Fraktion, aber ich denke, auch wir insgesamt in der Großen Koalition; ein Erfolg, der mit der Unterstützung des SPD-geführten Finanzministeriums möglich war, mit unserem Olaf Scholz, und – sie sitzt hier in Stellvertretung – der Parlamentarischen Staatssekretärin Bettina Hagedorn und der ganzen Mannschaft im Bundesfinanzministerium. Herzlichen Dank für die Unterstützung.
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Werte Kolleginnen und Kollegen, schwere Stürme, Hochwasser, Starkregen, Waldbrände oder auch ein Moorbrand wie zuletzt in Meppen: All das zeigt, wie wichtig ein gut aufgestellter Katastrophenschutz ist,
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ganz oft mit vielen haupt- und ehrenamtlich engagierten Helferinnen und Helfern in Feuerwehr, THW und anderen Hilfsorganisationen. Für diese Hilfe ein herzliches Dankeschön an alle Einsatzkräfte, ob haupt- oder ehrenamtlich.
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Wir Abgeordnete der Großen Koalition sagen Danke schön, nicht nur mit Worten, sondern wir tun auch etwas. Wir haben zum Beispiel – der Kollege Gröhler hat es auch schon erwähnt – ein 100-Millionen-Euro-Fahrzeugprogramm für den ergänzenden Katastrophenschutz aufgelegt. Davon profitieren vor allem die Feuerwehren vor Ort. Wir haben ein weiteres Sanierungsprogramm in Höhe von 38 Millionen Euro für die THW-Unterkünfte auf den Weg gebracht. Für 100 Notstromaggregate beim THW haben wir die Mittel bereitgestellt. Dazu bekommt das THW 2 000 Plätze im Bundesfreiwilligendienst mit entsprechender hauptamtlicher Betreuung.
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Ich glaube, das kann sich sehen lassen. Auch die Geokompetenz unserer Katastrophenschutzbehörden wird mit zusätzlich 3,5 Millionen Euro gestärkt.
Damit diese Maßnahmen auch möglichst schnell in der Realität ankommen, haben wir beim Beschaffungsamt 58 zusätzliche Stellen und 8 Entfristungen beschlossen. Ich glaube, das ist eine gute Maßnahme, damit die Mittel entsprechend ankommen können.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wir als SPD, als Große Koalition wollen, dass Integration gelingt. Beim BAMF gibt es 313 neue Stellen. Wir haben die Mittel für Integrationskurse aufgestockt, und für die Migrationsberatung gibt es 18,5 Millionen Euro zusätzlich.
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Damit haben wir das Budget der Migrationsberatung in den letzten fünf Jahren beinahe verdreifacht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Spitzensport ist ein Anliegen der Haushälter. In den beiden Haushalten 2018 und 2019 haben wir die Förderung um fast 70 Millionen Euro und damit um über 40 Prozent erhöht.
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Uns ist eine unabhängige Athletenvertretung, eine bessere direkte Athletenförderung und die schrittweise Anpassung der Förderung des paralympischen Sports an den olympischen Sport wichtig.
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Besonders freut mich, dass Deutschland bzw. Berlin den Zuschlag zur Ausrichtung der Special Olympics bekommen hat. Wir als Bund unterstützen mit einer Summe von 35 Millionen Euro die Austragung dieser Spiele. Ich finde, das ist ein hervorragendes Zeichen für Sport und Inklusion in unserer Gesellschaft.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD, die Große Koalition tut auch enorm viel beim sozialen Wohnungsbau. Seit der Föderalismusreform 2006 sind dafür eigentlich die Bundesländer zuständig. Wir haben die Mittel trotzdem erhöht, jetzt nochmals um 500 Millionen Euro. Wichtig wäre jetzt vor allem, dass FDP, Grüne und Linke die von uns vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes mittragen würden,
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damit wir vom Bund auch ab 2020 noch in den sozialen Wohnungsbau investieren können.
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Ich kann nicht verstehen, dass eine Landesregierung wie die in Baden-Württemberg – grün-schwarz – diese Grundgesetzänderung ablehnt und sich damit zusätzlichem Geld verweigert.
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Neben dem sozialen Wohnungsbau investieren die SPD, die Große Koalition auch in andere Bereiche, die wir beim Wohnungsgipfel beschlossen haben. Zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung stellen wir zweimal 100 Millionen Euro für sechs Modellvorhaben zur Verfügung, und für die Förderung von Smart-City-Modellprojekten stellen wir 167,5 Millionen Euro bereit.
Nicht zu vergessen das Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“. Hier gibt es die vierte Fördertranche mit erneut 100 Millionen Euro. Ein gutes Programm, wie ich zuletzt auch im eigenen Wahlkreis – beim Richtfest in Laupheim – sehen konnte.
Jedenfalls glaube ich, dass wir einen guten Haushalt noch viel, viel besser gemacht haben. Herr Seehofer, jetzt geht es an die Umsetzung, und da sind Sie gefordert.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat Victor Perli für die Fraktion Die Linke.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Horst Seehofer steht wie keine andere Person für das Versagen der Großen Koalition.
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Sie sind mit großen Versprechen angetreten: mehr gesellschaftlicher Zusammenhalt, Stärkung des Sicherheitsgefühls, mehr bezahlbarer Wohnraum. Wenn wir nun Bilanz ziehen und in den Haushaltsplan schauen, dann fällt das Urteil eindeutig aus: Sie und die Koalition haben nicht geliefert.
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Horst Seehofer hat viel darüber spekuliert, welche Menschen und welche Religionsgruppen zu diesem Land gehören und welche nicht. Wer aber den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken möchte, der muss als Innenminister Ausgrenzung und Armut bekämpfen;
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der muss sich für ein solidarisches Miteinander aller hier lebenden Menschen einsetzen, egal, wie viel Geld sie haben, und ganz egal, wo die Mutter und der Vater geboren sind. Nicht Integrationspolitik ist ein Problem, sondern eine Politik, die sich nicht ernsthaft um Integration kümmert.
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Auch die Affäre Maaßen war kein Beitrag zur Sicherheit in diesem Land.
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Im Gegenteil: Da legt der Chef des Inlandsgeheimdienstes einen Fehltritt nach dem nächsten hin, verbreitet abstruse Theorien, verharmlost gewalttätige Neonazis und nennt Teile der SPD linksradikal – bis auch sein Schutzengel Seehofer ihn nicht mehr befördern, sondern nur noch in den Ruhestand schicken konnte. Dieses Trauerspiel um einen der höchsten Beamten dieses Landes hat das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden beschädigt und das Ansehen des Geheimdienstes weiter ramponiert.
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Union und SPD stehen – auch mit den Polizeigesetzen, die sie überall verschärfen – für eine Sicherheitspolitik, die vielen Leuten Angst macht. Für uns Linke ist klar: Wir brauchen stattdessen eine Politik, die die Leute vor Angst schützt.
Damit sind wir beim Thema „bezahlbarer Wohnraum für alle“, bei einer der großen sozialen Fragen dieser Zeit. Doch was sagt der Haushalt? Fast überall wird ein bisschen mehr Geld verteilt, für Panzer und Raketen sogar viel mehr. Aber für die Unterstützung der Mieterinnen und Mieter haben Sie keinen einzigen Cent mehr übrig. Keinen einzigen Cent!
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Dabei ist die Lage dramatisch. Bundesweit fehlen 4 Millionen bezahlbare Wohnungen. Weite Teile der Bevölkerung sind betroffen, auch junge Familien, Normalverdiener, Teile der Mittelschicht. Vor 30 Jahren investierten Bund und Länder noch 12 Milliarden Euro in den öffentlichen und sozialen Wohnungsbau, heute sind es nur noch 3 Milliarden. Kein Wunder, dass der Bestand an Sozialwohnungen schrumpft, statt steigt! Die Linke dagegen will bezahlbaren Wohnraum für alle.
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Mit einem 10-Milliarden-Euro-Programm wollen wir einen leistungsfähigen öffentlichen Wohnungssektor etablieren, in dem Kommunen eine zentrale Rolle spielen. Es gibt ein gutes Beispiel: Wien. Das muss auch hier möglich sein.
Herr Seehofer, mit Blick auf diese Bilanz – tun Sie uns einen Gefallen und sich etwas Gutes: Treten Sie endlich zurück!
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Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dr. Tobias Lindner das Wort.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schaut man sich diesen Haushalt an, stellt man fest: Es gibt Licht und Schatten, leider wenig Licht und viel Schatten. Ich will mit dem wenigen Licht anfangen. Das sind die beiden lichten Kollegen Gröhler und Gerster von der Großen Koalition, die zum einen der Meinung waren, dass unsere Anträge nicht komplett sinnlos sind – vielen Dank für dieses Lob –, und zum anderen im Haushaltsverfahren richtige Änderungsanträge an der einen oder anderen Stelle gestellt haben. Das hat sich in unserem Abstimmungsverhalten beispielsweise bei den Themen THW oder Katastrophenschutz auch ausgedrückt.
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Es war auch kollegial – das will ich auch erwähnen –, dass man auf uns zugekommen ist und gesagt hat: Danke, dass ihr an den Antrag für die Bauakademie gedacht habt; das ist uns durchgerutscht. – Daraufhin haben wir einen gemeinsamen Antrag gemacht. Das nenne ich sachbezogenes Arbeiten, zumindest an dieser Stelle.
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Kommen wir nun zum Schatten. Herr Seehofer, ich muss Ihnen ein Kompliment machen: Mit Ihnen wird es einem wahrlich nicht langweilig, nur leider im schlechten Sinn. Die Dramatik und die Wendungen, die wir in Ihrer Amtsführung in den letzten Monaten haben erleben können, haben mich eher an die Fernsehsendung „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ erinnert, wobei ich sagen muss, dass die schlechten Zeiten bei Ihnen deutlich überhandgenommen haben. Wir haben fast täglich neue Dramen in Ihrer Amtsführung erlebt. Sie haben sich ein Superministerium gebaut. Das Innenministerium ist an sich schon groß. Dann schaffen Sie sich zwei weitere Bereiche: Bau und Heimat.
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Bei „Heimat“ weiß allerdings niemand so richtig, was die Mitarbeiter da eigentlich tun.
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Dann holen Sie sich – diesen Eindruck habe ich, wenn ich mir die Bilder anschaue – eine komplette Fußballmannschaft aus Staatssekretären. Was ist das Ergebnis des Ganzen? Stillstand auf weiter Flur und Verwirrung!
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Dann sind Sie Heimatminister, ohne irgendeine Idee von Heimat vorzuleben.
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– Lieber Herr Dobrindt, Heimat ist vielleicht mehr als Bayern und „Mia san mia“. Wenn man in den Duden schaut, dann ist dort zu lesen: Heimat ist ein Ort, an dem man geboren ist oder an dem man sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt. – Nur, Herr Seehofer, ich habe bei allem, was Sie in den letzten Monaten getan haben, nicht den Eindruck, dass Sie es mit dem zweiten Teil dieser Definition ernst meinen.
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Statt zusammenzuführen, spalten Sie doch. Statt ein vernünftiges Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen, pragmatisch vorzugehen und einen Spurwechsel zu ermöglichen, erklären Sie erst einmal, was alles nicht geht. Sie sind der Neinsager dieser Bundesregierung. Das Ganze toppen Sie noch als Heimatminister, der zusammenführen müsste, indem Sie über Migration als die „Mutter aller Probleme“ sprechen und sich an Ihrem 69. Geburtstag über die Abschiebung von 69 Afghanen noch halbwegs diebisch freuen und einen dummen Witz machen. Das ist einem Heimatminister, ehrlich gesagt, völlig unangemessen.
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Ich hätte mir, ehrlich gesagt, gewünscht, dass Sie wenigstens einen Bruchteil Ihrer Energie, die Sie darauf verwenden, darzustellen, was alles nicht geht, wo Abschiebungen besser werden müssen, und auf sonst was, vielleicht einmal darauf verwendet hätten, wie Integration in diesem Land gelingen kann,
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wie man es richtig macht und wie man dafür Mittel bereitstellt. Das Gegenteil ist bei Ihnen der Fall, Herr Seehofer.
Getoppt wird das Ganze durch Ihr Führungsversagen in der Causa Maaßen. Sie haben sich entschieden, an Herrn Maaßen festzuhalten, quasi als Letzter hier in diesem Haus, während alle anderen schon zu dem Ergebnis gekommen sind: Dieser Mann ist in seinem Amt untragbar. – Dann führen Sie eine völlig absurde Pirouette auf: Erst soll ein Staatssekretär gehen, damit eine Stelle frei wird. Dann wird im Haushalt plötzlich die Stelle eines Sonderbeauftragten geschaffen – unabdingbar; es muss noch Mitte November sein. Dann merken Sie quasi als Letzter, dass dieser Mann untragbar ist, und dann braucht man auch die Stelle nicht mehr. Das hat mit verantwortungsbewusster Personalpolitik und mit verantwortungsbewusster Führung dieses Hauses nichts zu tun, Herr Seehofer.
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Vielleicht enttäusche ich Sie jetzt. Ich weiß, Sie freut es, wenn Sie reihenweise Rücktrittsforderungen bekommen. Ich bin es, ehrlich gesagt, leid, ständig Ihren Rücktritt fordern zu müssen. Ich habe es erwähnt: Ihr Haus ist verdammt groß. Es kann sich einen Minister, der da auf Abruf sitzt und bei dem man sich fragen muss: „Wie viele Tage ist er noch im Amt?“, „Bleibt er noch, oder geht er jetzt?“, nicht leisten.
Sie sind 1980 zum ersten Mal Mitglied des Deutschen Bundestages geworden. Ich bin 1982 geboren. Sie haben eine lange politische Laufbahn hinter sich. Wenn ich Ihnen eins wünschen kann, dann wäre es: Machen Sie keinen Abschied auf Raten, und halten Sie nicht bis zuletzt an irgendeinem Amt klammernd fest. Tun Sie sich selbst, tun Sie diesem Ministerium und tun Sie diesem Land den Gefallen, in Würde und selbstbestimmt zu gehen.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt noch ausgesprochen schöne Termine in der Politik, und die Beratung dieses Einzelplanes 06 ist ein solcher schöner Augenblick.
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Es ist nämlich zuallererst einmal ein sehr runder, wunderbarer,
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in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einmaliger Haushalt für den Bundesinnenminister: 15,8 Milliarden Euro. Das sind 1,7 Milliarden Euro oder 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Außerdem beinhaltet er 5 000 neue Stellen für das Bundesinnenministerium und die 17 wichtigen nachgeordneten Behörden. Das heißt, für die Menschen aus den Zahlen übersetzt: Mehr Sicherheit für unser Land, mehr soziale Unterstützung für die Menschen und mehr Ordnung in der Zuwanderungsfrage.
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Dass zu diesen Zahlen noch hinzukommt, dass Herr Perli heute erwartungsgemäß wieder einen Rücktritt gefordert hat, dass auch Herr Lindner einen Rücktritt gefordert hat, das ehrt mich. Allmählich erreichen wir die Zahl 50. Es ist jeder Tag schön, wo Sie das wiederholen. Schauen Sie darauf – mir haben schon viele das Ende prophezeit, schon seit 38 Jahren –, dass Sie nicht nur nach mir geboren sind, sondern möglicherweise nicht auch vor mir aus der Politik wieder gehen.
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Seien Sie da mal ganz vorsichtig.
Herr Ruppert, ich stimme Ihnen ja zu, dass wir ganz gute Gespräche führen, wenn Fernsehkameras nicht dabei sind. Das gilt übrigens für alle, die im Haushaltsausschuss sitzen. Ich sage ausdrücklich: Das gilt auch für alle Fraktionen. Man kann gar nicht glauben, wie sachlich es wird, wie problemorientiert, wie lösungsorientiert die Dinge laufen, wenn man unter sich ist. Dass Sie mich aber heute vor aller Öffentlichkeit als klug und ernsthaft einstufen, dass Sie, vorsichtiger ausgedrückt, sagen, es bestehe die Möglichkeit, dass ich klug und ernsthaft sein könnte, das habe ich in 40 Jahren noch von keinem FDP-Politiker gehört, und dafür bedanke ich mich ausdrücklich.
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Sie können mir glauben, dass ich sofort nach München gekabelt habe, was Sie über mich gesagt haben.
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Nun zum Haushalt. Ein paar Dinge muss man einfach an dem messen, was in den letzten Monaten geschehen ist.
Erstens: Sicherheit. Herr Hess, ich verstecke mich jetzt nicht hinter Zahlen, aber ich möchte doch ganz klar festhalten: Die allgemeine Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland – das zeigt die Kontinuität der Politik auch vor meiner Zeit – ist so gut wie noch nie seit 30 Jahren.
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Herr Minister?
Nein. – Wir bauen die Sicherheitsbehörden weiter auf, in allen Bereichen, nicht nur mit zusätzlichen Planstellen, sondern auch in der Ausrüstung, in der Qualität der Ausrüstung; das alles ist hier schon gesagt worden. Wir rüsten die Polizei, auch unsere Sicherheitsbehörden insgesamt, für das Zeitalter der Digitalisierung. Wir helfen sogar den Ländern bei der technischen Ausstattung der Bereitschaftspolizeien. Meine Damen und Herren, was das Allerwichtigste ist – ich habe es hier vor dem Parlament oft gesagt –, ist, dass wir null Toleranz gegenüber Rechtsbruch in der Bundesrepublik Deutschland dulden – das ist unsere Linie –, dass sich alle Sicherheitsbehörden, insbesondere die Polizei, darauf verlassen können, dass wir uneingeschränkt hinter ihrem Tun stehen, und dass wir dankbar sind für das, was die Sicherheitsbehörden und die Polizei im Besonderen für unsere Sicherheit tun.
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Das ist mehr Sicherheit. Die Sicherheitslage ist gut. Trotzdem bleiben wir aufmerksam und versuchen, das, was gut ist, noch ein Stückchen besser zu machen.
Zweitens: Wohnen. Das ist die soziale Unterstützung für die Menschen. Der beste Mieterschutz ist immer noch ausreichender Wohnraum, bezahlbarer Wohnraum. Hier haben wir das größte Wohnungsbauprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland; das ist ohne Zweifel. Das geht vom sozialen Wohnungsbau bis hin zur steuerlichen Abschreibung beim freifinanzierten Wohnungsbau, von der Städtebauförderung bis hin zu Smart City – viele Dinge, die den Kommunen helfen. Es ist, wie gesagt, das größte Wohnungsbauprogramm. Allein 5 Milliarden Euro in dieser Legislatur für den sozialen Wohnungsbau! Das gab es auch noch nie in der Geschichte. Das nur als Antwort auf die Bemerkung, das Ministerium sei so groß, dass ein Minister nicht mehr dazu komme, sich um die wichtigen Aufgaben zu kümmern. Auch die Erledigung dieser zweiten Aufgabe ist total im Zeitplan des Koalitionsvertrags. Das ist eine gute Botschaft für die Menschen. Das Wichtigste ist: nach vielen, vielen Jahren wieder die Ermöglichung der Eigentumsbildung. Es gibt das Baukindergeld gerade mal zwei Monate,
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und wir haben nach zwei Monaten 35 000 Anträge mit einer Mittelbindung von über 700 Millionen Euro. Das ist ein großer Erfolg.
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Der dritte Punkt, der mich freut, weil ich mich dafür besonders eingesetzt habe, ist die Sportförderung, eine Sportförderung, wie wir sie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auch noch nie hatten.
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Es tut mir leid, wenn ich immer im Superlativ reden muss. – Wir haben hier deutlich erhöht, und zwar nicht nur für den Spitzensport, sondern auch für die Athletinnen und Athleten; das ist sehr wichtig. Was mich besonders freut – man darf sich ja auch mal über sich selbst freuen –, ist, dass wir alle Bundesstützpunkte in der Bundesrepublik Deutschland weiter erhalten und fördern. Auch das ist wichtig.
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Dazu haben übrigens die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD ganz wesentlich beigetragen.
Ich kann nur darauf hinweisen, dass auch der gesellschaftliche Zusammenhalt stark unterstützt wird: allein für die Integrationskurse 720 Millionen Euro.
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Ich möchte jetzt doch noch zu zwei wichtigen Dingen Stellung nehmen:
Wir haben uns für die Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung viele Punkte vorgenommen, und ich muss Ihnen sagen: Wir haben noch nicht alles ganz perfekt,
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aber wir haben die Ziele weitgehend erreicht. Wir haben jetzt – Stand Ende Oktober – eine Zahl von 140 000 Asylerstanträgen. Wir sind also weit entfernt von dieser von mir gesetzten 200 000er-Obergrenze.
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Ich habe jetzt nicht die 20 000 bis 40 000 gegengerechnet, die in der gleichen Zeit freiwillig zurückgekehrt sind bzw. abgeschoben wurden. Aber ich stelle fest, dass unsere Zuwanderungspolitik auf drei Säulen fußt: erstens Humanität bei der Behandlung der Menschen – deshalb keine Hassparolen, keinen Antisemitismus und keine Ausländerhetze –,
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zweitens eine menschliche Behandlung gerade für jene, die hier schutzberechtigt sind. Wir werden aber die Integration der Zuwanderung nur gut leisten können, wenn wir drittens die Zahl der Zuwanderer begrenzen und steuern.
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Und das ist uns in den letzten Monaten ganz hervorragend gelungen. 140 000 bis Ende Oktober!
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Weil uns all das in sieben Monaten gelungen ist, sind wir jetzt in der Lage, ein neues Kapitel in der bundesdeutschen Geschichte aufzuschlagen,
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nämlich ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte zu erlassen. Es war jahrelang umstritten. Ich kann Ihnen sagen: In diesen Stunden haben wir die Ressortanhörung innerhalb der Bundesregierung eingeleitet. Wir sind uns einig in der Koalition; dafür bedanke ich mich.
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Wir werden noch vor Weihnachten den Entwurf des Fachkräftezuwanderungsgesetzes im Kabinett beschließen können. Auch das ist ein großer Erfolg;
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denn, meine Damen und Herren, wir bekommen damit nicht nur die Menschen, die wir hier für die Wirtschaft brauchen – es ist ja alles gekoppelt an die Qualifikation, an die Sicherung des Lebensunterhalts –, sondern durch die Eröffnung einer legalen Zuwanderungsmöglichkeit in den Arbeitsmarkt wird natürlich auch die Zahl der illegalen Migranten gesenkt. Auch das ist ein guter Beitrag für unsere Politik von Humanität, Steuerung und Begrenzung.
Ich möchte einen Satz zum Migrationspakt sagen. Ich gehöre ja zu den wenigen, die in den letzten Jahren für Begrenzung und Steuerung eingetreten sind. Ich werde auch immer weiter dafür eintreten, weil ich glaube, dass die Begrenzung Voraussetzung für das Gelingen der Integration ist. Davon bin ich einfach überzeugt, auch aufgrund meiner früheren Tätigkeit im Freistaat Bayern. Der UN-Migrationspakt hat einige Punkte. Ich möchte nur drei nennen, die so wichtig sind, dass ich uns empfehlen würde, diese wichtigen Punkte anzunehmen und nicht abzulehnen.
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Darin ist zunächst von der internationalen Staatengemeinschaft der ganz wichtige Punkt verankert, die Schleuserbanden international zu bekämpfen und es nicht nur einzelnen Staaten zu überlassen.
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Der zweite wichtige Punkt ist, dass die Herkunftsstaaten und die Transitstaaten in die Pflicht genommen werden.
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Meine Damen und Herren, durch diesen Pakt werden sie mehr von der Bundesrepublik Deutschland in die Pflicht genommen werden können, als das immer behauptet wird.
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Das Dritte ist die Rückkehrverpflichtung – sie ist ausdrücklich dort genannt –, also dass die Staaten, aus denen die Zuwanderer, die Migranten kommen, eine Verpflichtung haben, diese Migranten wieder zurückzunehmen. Nachdem ich täglich erfahre, wie schwer es ist, Menschen wieder in ihre Heimat zurückzuführen, wenn sie sich mal auf den Weg gemacht haben, können Sie mir glauben: Diese Festlegung, die politische Verständigung im Migrationspakt, dass die Herkunftsstaaten ihrer Verantwortung gerecht werden müssen, die Leute, die aus ihren Ländern kommen, auch wieder zurückzunehmen bzw. durch eine richtige Politik zu behalten, ist für mich so wertvoll, dass ich heute schon an dieses Haus appellieren möchte, diese Dinge für uns nicht zu gefährden und Ja zum Migrationspakt zu sagen. Das ist meine Überzeugung.
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Ich bin heute ein zufriedener Innenminister, weil es ein wunderschöner Haushalt ist. Wir haben im Bereich Cybersicherheit etwas getan. Wir haben ein Bürgerportal eröffnet. Wir haben Ende des Monats die Islamkonferenz, Herr Ruppert, eine andere Islamkonferenz als in der Vergangenheit. Wir beschäftigen uns in dieser Islamkonferenz nicht mit abstrakten religiösen Diskussionen, sondern ganz konkret mit dem Lebensalltag im Verein, im Dorf, am Arbeitsplatz im Dialog zwischen den Religionen.
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Ich glaube, es bringt uns allen, den Beteiligten, mehr, wenn wir uns an der Praxis, an der Lebensrealität orientieren, als wenn wir abstrakt theoretisch diskutieren.
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– Herr Ruppert, ich warte immer noch darauf – damit wir nicht zu harmonisch in das Weihnachtsfest gehen; aber da habe ich bei Ihnen sowieso keine Sorge –, dass Sie hier über den Stand Ihres Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum BAMF berichten.
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Der ist irgendwo ganz leise versickert. Wissen Sie, es ist immer das Gleiche in der FDP: Sie stehen hier, machen starke Aussagen, und wenn man nach einigen Monaten die Frage stellt: „Was ist eigentlich daraus geworden?“,
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dann muss man feststellen, so vermute ich hier mal, dass Sie den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einem fröhlichen Staatsbegräbnis anheimgegeben haben.
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– Nein, Sie haben es einfach nicht gemacht.
Herr Seehofer?
Ich bin gleich fertig.
Ich wollte nur sagen: Ihre Fraktion wird langsam nervös.
Ich möchte nur noch den Obleuten der Koalition Dank aussprechen, Herrn Rehberg und Herrn Kahrs. Ich bin ja lange in verschiedenen Ministerien tätig gewesen.
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Mittlerweile gehört der Haushaltsausschuss zu meinen Lieblingsaufenthaltsorten.
Ich habe mich auch zu bedanken bei den beiden Kapitänen der Koalition, Martin Gerster und Klaus-Dieter Gröhler, die das wirklich gut machen.
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Das heißt jetzt nicht, dass sie uns nicht auf die Finger schauen würden, aber sie haben einfach das Format, zu erkennen: Was ist wichtig? Was muss mit Prioritäten ausgestattet werden? – Das können die beiden ganz hervorragend.
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Ich stehe auch nicht an, sowohl dem Bundesfinanzminister als auch den Staatssekretären zu danken, weil sie auf das Innenministerium immer ein barmherziges, fürsorgliches und großzügiges Auge geworfen haben.
Also, ich bin zufrieden. Ich sage Danke für diesen Haushalt, den Einzelplan 06.
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Vielen Dank, Herr Seehofer. – Wir gehen jetzt in die Verhandlungen über die restlichen Redezeiten.
Vorher hat aber Kollegin Akbulut das Wort zu einer Kurzintervention.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, für die Möglichkeit der Kurzintervention. – In Ihrem Haushaltsplan, Herr Innenminister, werden die Kosten der Durchführung von Integrationskursen nicht aufgestockt, obwohl ein Mehrbedarf in diesem Bereich vorhanden ist. Laut der Unterrichtung der Haushaltsführung der Bundesregierung vom 19. September 2018 ist ein Mehrbedarf von 110 Millionen Euro gemeldet worden.
Ich brauche Ihnen, glaube ich, nicht zu erklären, wie wichtig die Förderung der Menschen ist, die hierherkommen. Wie soll die sogenannte Integration im Bildungsbereich bei dieser chronischen Unterfinanzierung funktionieren? Gerade die Beschäftigungssituation der Lehrkräfte, der Honorarkräfte in diesem Bereich ist sehr prekär. Deswegen sind die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die Entfristung der Verträge, vor allem aber auch die Erhöhung der Honorare der Lehrkräfte sehr wichtig. Dazu hat ja auch die GEW eine Kampagne gestartet. Wie soll das Ganze bei dieser chronischen Unterfinanzierung funktionieren?
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Herr Seehofer, Sie können antworten. Ich würde aber vorschlagen, dass Sie den Zweiten, der eine Kurzintervention machen will, noch anhören. Das ist der Kollege Hess.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, für die Möglichkeit dieser Kurzintervention. – Herr Minister, Sie haben die Aussage getätigt, Deutschland sei so sicher wie seit 30 Jahren nicht mehr. Sie werden nachvollziehen, dass ich über diese Aussage etwas irritiert bin; denn ich darf darauf hinweisen, dass der islamistische Terrorismus in diesem Land vor 30 Jahren offensichtlich noch nicht so ausgeprägt war. Wir haben derzeit 774 islamistische Gefährder; 2014 hatten wir nur 167. Wir haben aktuell 2 200 Personen mit islamistisch-terroristischem Potenzial in unserem Land. Die Zahl der Salafisten liegt derzeit bei 11 200; das ist eine Steigerung von 78 Prozent im Vergleich zu 2014. Der Rizinanschlag ist nur verhindert worden, weil wir einen Hinweis eines befreundeten Geheimdienstes bekommen haben. Unsere Sicherheitsbehörden sind selbstständig also immer noch nicht in der Lage, solche Personen zu detektieren.
Zuletzt hätte ich noch eine Bitte an Sie. Sagen Sie mir doch bitte, in welcher deutschen Stadt vor 30 Jahren Betonpoller und schwerbewaffnete Polizisten erforderlich waren, um vor islamistischen Terroranschlägen zu schützen, und sagen Sie mir bitte auch, in welcher deutschen Stadt es vor 30 Jahren Frauenschutzzonen gab, um unsere Frauen vor Übergriffen zu schützen.
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Herr Minister Seehofer, Sie können von Ihrem Platz aus antworten. Ich will vorab sagen: Es gibt vorgegebene Redezeiten, auch für die Antworten auf Kurzinterventionen. Das war eine kleine, aber freundliche Warnung. Wir sind ja beide aus Bayern.
Sehr freundlich. Sie sind allerdings aus Schwaben.
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Herr Minister, Herr Nüßlein wird Sie daran erinnern, dass Schwaben auch zu Bayern gehört.
Das habe ich in keiner Weise bestritten. – Ging das jetzt schon von meiner Redezeit ab?
Nein.
Herr Hess, die allgemeine Kriminalität – das ist belegt; das habe ich in der Bundespressekonferenz vor einigen Wochen anhand harter Zahlen vorgetragen – ist so niedrig wie seit 30 Jahren nicht mehr; auch die Aufklärungsquote war noch nie so gut. Wir wollen, dass das so bleibt.
Ich habe immer hinzugefügt, dass eine akute Gefährdungsstufe von Terrorismus besteht, und zwar die höchste Gefährdungsstufe. Aber Sie müssen auch sehen, dass es neue Einrichtungen gibt – Sie haben einige genannt – wie das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum, in denen Vertreter von Bund, Ländern und Sicherheitsbehörden jeden Tag zusammensitzen, um die Beobachtungen und Erkenntnisse zu ungefähr 750 Personen auszuwerten. Das ist verantwortliche Sicherheitspolitik. Wir versprechen keine absolute Sicherheit; die kann kein Politiker versprechen. Aber ich denke, dass wir in Deutschland das Menschenmögliche für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger tun. Das will ich ausdrücklich sagen.
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Dass Sicherheitsbehörden international zusammenarbeiten, ist heute Standard. Amerikaner, Israelis, Briten und Franzosen sind unverzichtbare Teilnehmer dieser Zusammenarbeit, weshalb ich beim Brexit auch nachdrücklich dafür eintrete, dass wir bei der Sicherheitszusammenarbeit mit den Briten keine Abstriche machen. Wir können nicht sagen: Weil sie aus der EU ausgetreten sind, reduzieren wir die Sicherheitszusammenarbeit mit Großbritannien. Vielmehr müssen der Datenaustausch, die europäischen Haftbefehle und all dies erhalten bleiben, damit wir den hohen Standard halten.
Man soll, darf und muss darüber diskutieren, wie wir die Sicherheitsstandards noch verbessern können. Aber wir sollten der Bevölkerung sagen, dass wir die Dinge im Griff haben,
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nicht mit der Aussage, dass nichts mehr passieren kann; aber das, was wir als Politiker und was die Sicherheitsbehörden leisten können, wird getan. Das ist meine tiefe Überzeugung; da habe ich ein ganz ruhiges Gewissen.
Ich danke dem Parlament für die finanzielle Unterstützung, ohne die es nicht geht, beim Personal und bei der sachlichen Ausrüstung.
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Die Koalition hat zusätzliche 7 500 Stellen für die Sicherheitsbehörden des Bundes beschlossen. Wir können gar nicht mehr beschließen, da die Ausbildungskapazitäten nicht vorhanden sind.
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Deshalb möchte ich erwähnen, dass die Koalition und damit die Regierung das Menschenmögliche für die Sicherheit getan hat.
Herr Seehofer?
Den Rest lass ich nicht weg. Ich komme noch zur Migration.
Zur Kurzintervention von Frau Akbulut. – Jetzt haben Sie aber nur noch eine knappe Minute.
Hier stehen 1 Million Zuwanderer 140 000 gegenüber. Natürlich mussten wir die Integrationsaufwendungen aufgrund der veränderten Zahlen absenken. Aber ich versichere Ihnen: Wir tun auch hier das Mögliche für eine gute Integration, weil das für den sozialen Frieden und den sozialen Zusammenhalt in Deutschland das Wichtigste ist.
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Vielen Dank, Minister Seehofer. – Nächster Redner: Marcus Bühl für die AfD-Fraktion.
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Vielen Dank. – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer auf den Tribünen und vor den Bildschirmen! Die Haushaltsberatungen sind vorüber, und nun heißt es, über das Ergebnis abzustimmen. Aus Sicht der Alternative für Deutschland ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend.
Herr Minister Seehofer, mit der Einrichtung der Abteilung Heimat und den dafür vorgesehenen 98 Planstellen wollten Sie am Anfang Ihrer Regierungszeit über Begriffe wie „Zusammenhalt“, „Zusammengehörigkeit“ und „Heimat“ neu nachdenken. Das Bild, welches die Regierung in den ersten Monaten abgab, hatte jedoch ganz und gar nichts mit Zusammengehörigkeit und Zusammenhalt zu tun. Andauernder Streit über AnKER-Zentren, Zurückweisungen an den Grenzen, „Beförderung oder Ruhestand“ waren in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch Sie, Herr Minister, haben einen erheblichen Anteil daran gehabt und mit Ihrem Verhalten dem Ansehen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Teil geschadet. Ob nach den Wahlergebnissen in Hessen und Bayern ein Weiter-so sinnvoll ist, muss jeder Verantwortliche selbst entscheiden.
In den Haushaltsberatungen haben Sie, Herr Minister, die Ausstattung der Bundespolizei als auskömmlich bezeichnet. Das sehen wir ein wenig anders. Die Ausgaben für 2019 steigen gegenüber dem ersten Regierungsentwurf um weitere 800 Millionen Euro auf fast 16 Milliarden Euro an. Das ist schon ein sehr hoher Aufwuchs. Aber die Prioritäten bei den Ausgaben müssen im Haushalt richtig gesetzt werden. Das heißt für uns, unsere Sicherheitskräfte im Polizeibereich schon heute und nicht erst mittelfristig zu entlasten.
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Die derzeitige Personalsituation bei unserer Bundespolizei bleibt weiterhin nicht auskömmlich, und ihre Überstundenbelastung bleibt hoch. Ging die Kriminalstatistik 2017 noch von einer sinkenden Zahl an Straftaten aus, zeigt sich heute für 2018 ein anderes Bild. Die Einführung der neuen modularen Schutzweste geht uns zu langsam voran. Es besteht Mehrbedarf bei der Anschaffung von Einsatzschutzhelmen, Atemschutzmasken, leichtem Körperschutz sowie Einsatzmitteln für die BFE+-Kräfte. Dabei geht es um Kosten in Höhe von insgesamt 26 Millionen Euro. An dieser Stelle ist mir unverständlich, wie es sein kann, in einem fast 16 Milliarden Euro umfassenden Einzelplan den körperlichen Schutz unserer Beamten und ihre technische Ausstattung nicht stärker zu gewichten.
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Sie selbst, Herr Minister, haben mehrfach auf die anhaltend hohe Gefährdungslage hingewiesen. Ich kann mir an vielen Stellen im Einzelplan vorstellen, die notwendigen Mittel für unsere Bundespolizei umzuschichten, um Ihr Ziel einer auskömmlichen Polizeiausstattung in der Realität zu erreichen. Außerdem ist es nicht auskömmlich zu nennen, wenn der neu eingeführte Digitalfunk innerhalb von Gebäuden ausfällt oder gar nicht funktioniert. Auch das gefährdet die Sicherheit unserer Polizisten.
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Auf der anderen Seite freut es mich jedoch, dass die Koalition in der Haushaltsbereinigungssitzung zumindest in die gleiche Richtung wie wir mit unserem Antrag gegangen ist, indem sie die Mittel für die Fahrzeugbeschaffung bei den Bereitschaftspolizeien der Länder um 16 Millionen Euro aufgestockt hat. Damit bleibt die Koalition zwar um 4 Millionen Euro unter der Forderung der AfD; aber wir erkennen Ihren guten Willen ausdrücklich an, Vorschläge und Alternativen der AfD aufzugreifen. Ebenso ist es richtig, unserem Antrag zu folgen und die Schießanlage des BKA in Wiesbaden endlich reparieren zu lassen.
Abschließend noch ein Wort zur auskömmlichen Ausstattung bei den politischen Stiftungen. Es wundert mich schon, dass das Bundesfinanzministerium in seiner Bereinigungsvorlage die politische Initiative ergreift und die Globalzuschüsse der Stiftungen um 16 Millionen Euro erhöhen will. Begründung in der Vorlage: null. Begründung im Haushaltausschuss, wie der Mittelbedarf zustande kommt: null. Die auskömmliche Mittelausstattung der Stiftungen bleibt ein intransparenter Prozess, an dem nur die mitwirken, die von ihren eigenen Entscheidungen profitieren.
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Meine Damen und Herren, dieser Vorgang tut unserer Demokratie keinen Gefallen und beschädigt Ihr parlamentarisches Ansehen.
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Insgesamt lehnt die AfD den vorgelegten Haushaltsentwurf ab.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Nächster Redner: Sören Bartol für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In seinem monomentalen Stummfilm „Metropolis“ zeichnete Fritz Lang 1927 ein dunkles Bild. Metropolis ist eine gigantische Stadt, in der zwei klar voneinander getrennte Gesellschaften leben. Eine Oberschicht lebt in absolutem Luxus, die Jugend der Elite genießt in ihren Türmen und in den ewigen Gärten paradiesische Verhältnisse, während die Arbeiterklasse tief unterhalb der Stadt haust und an riesigen Maschinen für den Gewinn der Reichen schuftet. Maschinen sind hier das Sinnbild für den technologischen Fortschritt. Aber anstatt die Lebensbedingungen aller zu verbessern, nutzt dieser Fortschritt nur der Elite. Die Arbeiterschaft indessen bleibt in sklavengleichen Verhältnissen gefangen, ihr Leben von dem Rhythmus der Maschinen bestimmt.
Der Film thematisiert so zwei zentrale Fragestellungen, die uns auch heute beschäftigen. Welche Gefahren, aber auch Möglichkeiten bietet der technologische Strukturwandel? Wie wollen wir unsere Gesellschaft räumlich organisieren? Klar getrennt, wo Mobilität und Zugang zu Kultur ein Privileg der Wohlhabenden in Stadtzentren oder in den Türmen der Zukunft sind? Oder wollen wir gleichwertige Lebensverhältnisse für alle, egal ob Stadt oder Land, Zentrum oder Peripherie, oben oder unten?
Auch wenn der Bundeshaushalt nur bei wenigen Menschen begeisterndes Interesse hervorruft, bietet er eine ganz einzigartige Möglichkeit, diese Fragen zu beantworten, ja die Vision, die wir für unser Land haben, zu überprüfen. Denn genau genommen ist der Haushalt doch ein Stück Zukunftsmusik. Anders gesagt: Mit unseren Entscheidungen, für welche Maßnahmen wir Geld bereitstellen und für welche nicht, stellen wir die Weichen für eine bestimmte Version der Zukunft. Wenn wir in kostenfreie frühkindliche Bildung investieren, dann bereiten wir den Boden dafür, dass weder Herkunft noch Geschlecht über den Zugang zu Informationen und berufliche Chancen entscheiden. Gerade in den Bereichen Bau, Wohnen und Stadtentwicklung stehen wir hier an einem Scheideweg. Möchten wir eine Zukunft des Weiter-so, in der wir soziale Polarisierung in Städten und Abwanderung aus den ländlichen Gebieten als notwendige Realität akzeptieren? Oder wollen wir mit kraftvollen Schritten für mehr Gerechtigkeit auf dem Mietermarkt sorgen, das Potenzial der Digitalisierung auch im Bau- und Wohnbereich aktiv nutzen und für lebenswerte Verhältnisse sowohl in Metropolen als auch in ländlichen Gebieten sorgen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin der tiefen Überzeugung, dass es eine der Herausforderungen unserer Zeit ist, die Breite der Bevölkerung an dem wirtschaftlichen Wohlstand und dem technologischen Fortschritt, den wir zweifellos haben, teilhaben zu lassen, das heißt, gute und gleichwertige Lebensverhältnisse für alle zu schaffen. Dass wir hier eine Riesenaufgabe vor uns haben, muss ich Ihnen nicht erklären, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir alle kennen junge Eltern in wachsenden Städten, die berichten, dass neben der Suche nach einem Kitaplatz und einer bezahlbaren Wohnung kaum noch Energie, geschweige denn Geld für ein gutes Familienleben bleibt. Ältere Menschen in ländlichen Gebieten stecken oft sprichwörtlich in ihren Häusern fest, die zu groß und nicht altersgerecht sind, für die sie aber keine Käufer finden. Denn wenn Schwimmbäder und Kulturzentren – Orte des sozialen Miteinanders, die für viele das Gefühl von Heimat definieren – schließen, dann wird auch für Familien das Leben in kleinen Städten und Kommunen zusehends unattraktiv. Es geht also darum, sicherzustellen, dass das Leben in der Stadt bezahlbar und lebenswert bleibt. Gleichzeitig dürfen ländliche Gebiete und schrumpfende Städte und Gemeinden nicht abgehängt werden.
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Diese Herausforderungen anzugehen, ist nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sondern die Basis für den Zusammenhalt und den ökonomischen Erfolg unseres Landes. Ich finde, mit dem Einzelplan 06 für den Bundeshaushalt 2019, also dem Etat des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, bewegen wir uns in die richtige Richtung: gegen ein lakonisches Weiter-so und für einen wohnungspolitischen Aufbruch, gegen die Polarisierung der Gesellschaft und für ein gutes Leben für alle Menschen in diesem Land.
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Insgesamt sieht der Entwurf gut 4,5 Milliarden Euro für den Bereich Bau und Wohnen sowie Stadtentwicklung vor. Das ist ungefähr eine halbe Milliarde Euro mehr als beim letzten Haushalt. Wenn die Leitvision dieses Einzelplans die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist, dann realisieren wir diese besonders durch Maßnahmen in den Bereichen Kultur, Innovation und Mobilität; denn nur so können wir die gleichwertigen Lebensverhältnisse in den Metropolen, Kleinstädten und ländlichen Gebieten schaffen und erhalten. Deshalb haben wir zum Beispiel für das erfolgreiche Förderprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ eine vierte Fördertranche aufgelegt. 2018 war das Förderprogramm schon wieder massiv überzeichnet. Dies zeigt doch, wie groß der Bedarf in diesem Bereich ist. Mit den neu bewilligten Mitteln können nun voraussichtlich 100 statt 50 Förderanträge bewilligt werden. Dass dies bei weitem nicht alle Förderanträge umfasst, die hier eingegangen sind, ist natürlich klar. Trotzdem ist das Programm doch ein Schritt in die richtige Richtung.
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Zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung sollen im Zeitraum 2019 bis 2026 weitere Modellvorhaben mit den Kommunen realisiert werden, die beispielhaft Modernisierungs- und Anpassungsstrategien für den klimagerechten Umbau, für neue Mobilitätsformen und für den sozialen Zusammenhalt entwickeln. Nach Einführung des Programms mit dem Haushalt 2018 werden wir nun erneut 100 Millionen Euro für Maßnahmen zum Beispiel in Duisburg, Erfurt, Plauen und Rostock zur Verfügung stellen.
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Um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, fördern wir Smart-City-Modellprojekte. Auch für diesen Bereich stehen Millionen Euro zur Verfügung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Regierung präsentiert konkrete Maßnahmen, mit denen wir die Herausforderungen der Digitalisierung, des demografischen Wandels und des Klimawandels angehen. Wir tun dies geleitet von den Werten der Solidarität und Toleranz, mit dem Ziel, eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder zu schaffen, damit „Metropolis“ Science-Fiction bleibt und keine Zukunft wird.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Sören Bartol. – Nächster Redner: Dr. Marco Buschmann für die FDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Seehofer, ich war sehr gespannt auf Ihren Beitrag; denn Sie haben sich ein Mammutministerium des Innern, für Bau und Heimat bauen lassen, und in Anbetracht der Größe der Aufgabe wäre vielleicht etwas mehr Demut angemessen, erst recht in Anbetracht Ihrer bescheidenen Amtsbilanz, die Sie bis heute aufzuweisen haben.
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Die Selbstgefälligkeit, mit der Sie sich heute präsentiert haben, zwingt mich, Sie an die Versprechen zu erinnern, die Sie diesem Haus im März dieses Jahres gegeben haben. Sie haben diesem Haus – ich zitiere aus dem Stenografischen Bericht der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 23. März 2018 – für den Bereich Heimat versprochen:
Wir werden über die Heimatabteilung zum einen den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland stärken und zum anderen dafür kämpfen, dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Deutschland bekommen.
Das haben Sie uns versprochen. Und wir haben Ihnen als Parlament für Ihre neugeschaffene Heimatabteilung bereits 318 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Sie wollen jetzt noch 51 Millionen Euro mehr haben. Wir haben daraufhin die Bundesregierung gefragt: Was ist eigentlich die Leistungsbilanz dieser Abteilung Heimat? Gibt es dort irgendeinen Leistungsnachweis in Form einer Gesetzesinitiative oder eines Förderprogramms, irgendetwas Reales, mit dem man messen kann, was dort getan worden ist? Die amtliche Antwort der Bundesregierung war: null.
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Nichts ist dort passiert. Sie haben dem Parlament über diesen Bereich den Kampf für gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse versprochen. Geliefert haben Sie nichts. Warum sollte Ihnen dieses Parlament eigentlich für nichts 51 Millionen Euro mehr zur Verfügung stellen?
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Sie haben, Herr Minister, zum Thema Bauen diesem Parlament in Ihrer Antrittsrede versprochen – auch hier zitiere ich wieder aus dem Stenografischen Bericht –:
Dieses Thema wird bei uns im Ministerium kein Anhängsel sein, sondern ein Schwerpunkt.
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Das haben Sie diesem Haus versprochen. Doch in den Augen der Bevölkerung gab es nur ein einziges Mal eine besondere Schwerpunktsetzung, nämlich, als Sie den zuständigen Baustaatssekretär feuern wollten. Und Sie wollten den zuständigen Baustaatssekretär nicht feuern, weil Sie einen besseren Baufachmann haben; Sie wollten ihn feuern, um Platz zu schaffen, damit Hans-Georg Maaßen bei Ihnen im Ministerium überwintern kann. Das ist eigentlich viel schlimmer, als das Thema Bauen zum Anhängsel zu machen. Sie haben dem Parlament versprochen, das Thema nicht klein zu machen. Sie haben aus dem Thema Bauen nicht nur ein Anhängsel gemacht; Sie haben den Bereich als Steinbruch genutzt, um Versorgungsposten zu schaffen. Das steht im krassen Widerspruch zu dem, was Sie hier versprochen haben.
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Herr Minister Seehofer, Sie haben in Ihrer Antrittserklärung diesem Parlament versprochen – auch hier zitiere ich aus dem Stenografischen Bericht –:
Wir müssen … neue Wege gehen, und wir müssen vor allem Tempo machen.
Sie haben sich hier vorhin gelobt und so getan, als ob wir in eine neue Dimension des Einwanderungsrechts eintreten würden, obwohl wir Ländern wie Kanada oder Australien selbst dann noch 20 Jahre hinterherhinken würden, wenn wir all das umsetzten, was Sie jetzt ins Schaufenster gestellt haben. Wie kann man sich angesichts dessen so jovial hierhinstellen und behaupten, wir würden ein neues Kapitel aufschlagen? Wir hängen den anderen 20 Jahre hinterher.
Sie haben uns neue Ideen versprochen. Wo sind die neuen Ideen denn? Wo bleibt der Migrationsgipfel, der alle Beteiligten, von der Kommune bis zum Bund, an einen Tisch holt, die vielen kleinen gordischen Knoten erkennt und dann auch Stück für Stück durchschlägt? Das würde für mehr Tempo sorgen.
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Wo bleibt die deutsch-französische Initiative? Das Thema „Passersatzpapiere und Nordafrika“ ist in Frankreich doch mindestens ein genauso drängendes Problem wie in Deutschland. Warum tun wir uns nicht mit unserem Nachbarn zusammen, um mit vereinter Stärke den Druck auszuüben, den wir brauchen, um voranzukommen, Herr Minister? All das passiert nicht.
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In Wahrheit liegt das daran, dass es Sie vermutlich gar nicht interessiert. Das kann man übrigens auch mit Zahlen belegen. Wenn man bei Google Ihren Namen in Verbindung mit dem Begriff „Innen“ eingibt, dann kommt man auf 500 000 Treffer. Wenn man Ihren Namen in Verbindung mit dem Begriff „Bau“ eingibt, kommt man auf 1 Million Treffer. Wenn man Ihren Namen mit dem Begriff „Heimat“ eingibt, kommt man auf 1,5 Millionen Treffer – immerhin. Die meisten Treffer gibt es jedoch für etwas ganz anderes: 2 Millionen Treffer gibt es, wenn man Ihren Namen in Verbindung mit dem Begriff „Rücktritt“ eingibt. Herr Minister, das zeigt: Ihre persönliche Zukunft überlagert alles, wofür Sie fachlich zuständig sind.
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Das ist nicht gut für das Thema, das ist nicht gut für die Regierung, der Sie angehören, und es ist vor allen Dingen nicht gut für unser Land. Deshalb: Tun Sie sich, Ihrer Regierung und dem Land einen Gefallen und machen Sie den Weg frei. Vielleicht übt dann jemand das Amt aus, der sich um die wichtigen Themen der Zeit kümmert, als dass die Zeit, die ihm noch im Amt bleibt, sein wichtigstes Thema ist.
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Zeit ist ein gutes Thema, Herr Buschmann. – Vielen herzlichen Dank, Marco Buschmann. – Nächste Rednerin: Caren Lay für die Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Seehofer hat in den letzten Wochen und Monaten in der Tat mit ungeschickten Äußerungen und manchem Skandal von sich reden gemacht, aber eine engagierte Baupolitik gehört leider nicht dazu.
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Ich wette, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger nicht einmal wissen, dass Horst Seehofer auch Bauminister ist, und das sollte Ihnen wirklich zu denken geben.
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Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit gesagt, dass die Wohnungsfrage die soziale Frage unserer Zeit ist. Aber was folgt daraus? Das einzig wirklich Neue, das aus Ihrem Ministerium gekommen ist, ist das Baukindergeld, aber das ist der falsche Ansatz.
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Denn mit dem Baukindergeld bezahlt – verkürzt gesagt – die Krankenschwester in München dem Zahnarzt auf dem Land sein Eigenheim mit ihren Steuergeldern mit. Das, meine Damen und Herren, hat mit sozialer Wohnungspolitik wirklich nichts zu tun.
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Es fehlen 4 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Jahr für Jahr werden es weniger, und da sollen die Gelder für den sozialen Wohnungsbau ab dem Jahr 2020 wieder gekürzt werden? Das ist doch das völlig falsche Signal.
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Oder nehmen wir die Ausgaben für das Wohngeld. Sie sollen nächstes Jahr sinken. Das darf doch angesichts der Mietenexplosion nicht wahr sein!
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Die Sonder-AfA, also die steuerliche Abschreibung im Mietwohnungsbau – eine Idee von Ihrem Kollegen, dem Finanzminister –, ist in der „Zeit“ gestern als „Steuererleichterungen für Luxuswohnungen“ bezeichnet worden, und da hat die „Zeit“ völlig recht.
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Das ist kein überzeugendes Konzept, um die grassierende Wohnungsnot zu bekämpfen.
Dass es auch anders geht, beweist die Stadt Wien. Wir waren dort mit dem Bauausschuss auf Vorschlag der Linken – das war ein guter Vorschlag – zu Gast. Was haben wir dort gelernt? In München betragen die Wohnkosten im Mittel 36 Prozent des Nettoeinkommens und in Berlin 31 Prozent. In Wien sind es nur 21 Prozent des Nettoeinkommens; daran sollten wir uns orientieren, meine Damen und Herren.
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Und woran liegt das? Diese vorbildliche Bilanz ist der Tatsache geschuldet, dass es einen ausgeprägten Gemeindewohnungsbau in Wien gibt und dass Genossenschaften privilegiert werden. Die Stadt Wien baut selbst. Das sollten wir uns als Vorbild nehmen. Auch in Deutschland muss endlich wieder mehr in öffentlich geförderte Wohnungen investiert werden.
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Deswegen legt Die Linke heute ein öffentliches Wohnungsbauprogramm nach Berliner Vorbild vor. Sozialen, gemeinnützigen, kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau wollen wir mit jährlich 10 Milliarden Euro fördern. Damit könnten 250 000 neue Sozialwohnungen im Jahr entstehen. Und wir wollen Gemeinden und Genossenschaften stärken, damit sie selbst in Gemeindewohnungen und in genossenschaftliche Wohnungen investieren können. So könnten 1,5 Millionen neue Sozialwohnungen in vier Jahren entstehen, und zwar Wohnungen im bezahlbaren Bereich, anders als im Regierungsprogramm vorgesehen. So geht soziale Wohnungspolitik, meine Damen und Herren.
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Mit diesem öffentlichen Wohnungsbauprogramm könnte eine Trendwende auf dem Wohnungsmarkt eingeleitet werden. Herr Minister Seehofer, helfen Sie endlich mit, den Mietenwahnsinn zu stoppen und die Wohnungsnot zu beenden – oder beenden Sie endlich Ihr Amt.
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Vielen Dank, Frau Lay. – Nächste Rednerin: Filiz Polat für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Seehofer, keine Angst, ich habe den Satz, dass Sie zurücktreten sollen, schon gestrichen.
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Herr Minister Seehofer, der Kollege Dr. Lindner hat ja schon einen kleinen biografischen Abriss vorgetragen. Ganz so weit möchte ich nicht zurückgehen; aber vielleicht blicken wir noch einmal in den März dieses Jahres. Als Sie Ihr Amt übernommen haben, resümierten Sie, ich würde schon sagen, fast philosophisch – ich darf Sie zitieren –:
In Bayern nicht mehr gefragt, aber im Bund unbedingt gebraucht – das ist eigenartig.
Das sagten Sie selbst.
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Und ja, wir mussten seit Ihrem Amtsantritt feststellen: Ihre Politik ist eigenartig. Eigenartig ist aber noch mehr: Sie haben gerade festgestellt – ich muss mich wundern –, dass Ihr Lieblingsort der Innenausschuss, der Ausschuss für Inneres und Heimat, ist.
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– Nichtsdestotrotz, der Innenausschuss war einmal Lieblingsaufenthaltsort. Sie haben ihn zumindest regelmäßig besucht – wegen der Causa Maaßen. Zuletzt haben wir Sie vergeblich erwartet. Sie haben Ihre Teilnahme nicht zugesagt, obwohl wir darum gebeten haben.
Dass dieser Innenminister an unserer Gesellschaft vorbeiregiert und jegliches Fingerspitzengefühl verloren hat, zeigt aber nicht nur die Causa Maaßen. Im September 2018 kam das Integrationsbarometer des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration zu dem Ergebnis, dass die Menschen in Deutschland das Zusammenleben in unserer Einwanderungsgesellschaft insgesamt positiv bewerten. Aber, Herr Minister Seehofer, was haben Sie seit Ihrem Amtsantritt für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und für die Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft getan?
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– Nichts? Doch, er hat einiges getan. – Sie haben mit dem sogenannten Masterplan Migration einen Regierungsstreit heraufbeschworen. Er stammte aber zunächst nicht aus dem Hause des Innenministeriums, sondern aus der Feder des CSU-Chefs, des Bundesvorsitzenden der Christlich-Sozialen Union. Eigenartig.
Jetzt haben Sie einen Referentenentwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgelegt. Nach dem ersten Durchlesen kann man nur feststellen: Uns erwartet ein Einwanderungsgesetz, wie Sie es zu Beginn des Bundestagswahlkampfes angekündigt haben: ein Einwanderungsgesetz ohne Einwanderung. Eigenartig, meine Damen und Herren. Und die SPD hat, damit ein Einwanderungsgesetz kommt – das ist ja ein Kernanliegen der SPD –, rechtswidrigen innereuropäischen Grenzkontrollen zugestimmt, die die Grundpfeiler der Europäischen Union infrage stellen. Sie haben Schlagbäume an den Grenzen zwischen Bayern und Österreich aufgebaut. Das ist ein Armutszeugnis für die Europäische Union und für die Freizügigkeit innerhalb Europas, meine Damen und Herren.
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Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben es bereits gesagt: Der Einzelplan 06 ist leider genauso ernüchternd wie die bisherige Amtszeit von Innenminister Horst Seehofer. Drei konkrete Beispiele möchte ich nennen:
Sprache wird oft, auch von Ihnen, als Schlüssel für gelingende Integration genannt. Aber bei diesem wichtigen Thema setzen Sie vollkommen falsche Akzente; das wurde bereits erwähnt. Sie stocken die Mittel nicht auf. Wir wollen mit unserem Änderungsantrag die Mittel auf 1 Milliarde Euro aufstocken. Das ist wichtig und auch für die Zukunft ein Beitrag zur gelingenden Integration und zur Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft, meine Damen und Herren.
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Aber die Integrationsoffensive an anderer Stelle bleibt aus, und auch von Ordnung der Migrationspolitik ist ebenso wenig zu sehen wie von Rechtsstaatlichkeit. Ein Beispiel möchte ich nennen, weil die SPD sich hierfür eigentlich im Koalitionsvertrag starkgemacht hat: die unabhängige Asylverfahrensberatung. Liebe Frau Dr. Högl, da haben Sie sich wirklich über den Tisch ziehen lassen. Im Haushalt ist dazu nichts zu finden, nur Pfennigbeträge. Wir wollen mit unserem Änderungsantrag 30 Millionen Euro für die unabhängige Asylverfahrensberatung einstellen. Ich hoffe, dass Sie da mitgehen werden, meine Damen und Herren.
Aber auch beim Thema Bauen fehlt jeglicher Wille, das Problem an der Wurzel anzupacken. Die Mieten explodieren munter weiter, und der Bauminister schaut zu. Wohnen ist die neue soziale Frage und für viele Familien Kostentreiber Nummer eins. Doch statt das Geld in eine Investitionsoffensive für den sozialen Wohnungsbau und die Gemeinnützigkeit zu geben, fördert die Bundesregierung mit 10 Milliarden Euro lieber die Besserverdienenden mit dem Baukindergeld.
Herr Seehofer, nicht nur als Integrationsminister irren Sie, auch als Bauminister sind Sie ein Totalausfall.
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Denken Sie bitte an Ihre Redezeit, und zwar nachdrücklich.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Ja, bitte.
Die CDU hat die Lehren, gerade aus der Bayern-Wahl, nicht gezogen. Die CSU hat ganz Deutschland für ihren Wahlkampf in Beschlag genommen, für ihren Feldversuch, die AfD in Bayern zu schwächen. Mit dieser Strategie, rechte Rhetorik zu kopieren, ist die CSU bekanntlich grandios gescheitert. Versuchen Sie als CDU nicht, diese Strategie nachzueifern in Ihrem Machtkampf um den CDU-Vorsitz!
Frau Kollegin!
Es ist unredlich, auf Kosten –
Frau Kollegin!
– von Geflüchteten und Migranten Wahlkampf zu machen oder um den CDU-Vorsitz zu konkurrieren.
Frau Kollegin!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Bitte halten Sie sich an die Redezeit. Alle! – Der Nächste ist Dr. Mathias Middelberg.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Hier sind die Stichworte gefallen, das abgelaufene Jahr sei ein verlorenes Jahr gewesen. Herr Buschmann hat angemerkt, man müsste sich die Amtsbilanz dieses Innenministers mal genau ansehen. Es gab auch ein paar widersprüchliche Bemerkungen. Herr Ruppert hat den Minister sehr gelobt, insbesondere für seine persönliche Gesprächsfähigkeit.
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Gucken wir uns die Bilanz nach der Zeit mal an.
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Auf die Baupolitik will ich nicht im Einzelnen eingehen; das machen die Kollegen noch. Der Minister hat die vielen verschiedenen Projekte, die da angestoßen werden – sozialer Wohnungsbau, Baukindergeld, Sofortabschreibung und anderes – schon erwähnt. Warten wir seine Amtszeit mal ab!
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Ich bin zuversichtlich, dass die zuständige Spielzeugfirma die Spielzeugfigur Bob der Baumeister dann umbenennen wird in Horst der Baumeister.
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Beim Thema „innere Sicherheit“ sind hier unterschiedliche Dinge angemerkt worden. Zu den Fakten: Die Zahl der Straftaten ist so gering wie seit 30 Jahren nicht. Die Aufklärungsquote ist so hoch wie seit, glaube ich, über 25 Jahren nicht.
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Diesem Minister jetzt vorzuwerfen, er hätte von innerer Sicherheit keine Ahnung, bei ihm wären Polizei und innere Sicherheit falsch aufgehoben, ist natürlich totaler Kappes. Denn wenn man sich die Bilanz des Bundeslandes Bayern, für das Horst Seehofer lange Zeit zuständig war, einmal ansieht, dann muss man feststellen, dass Bayern, was die Kriminalitätsstatistik angeht, aber auch was das Verhältnis von Polizeibeamten zu Bürgern, also die personelle Ausstattung, die personelle Präsenz der Polizei angeht, mustergültig ist für alle Länderpolizeien in Deutschland und am Ende auch für die Bundespolizei. Deswegen bin ich sehr gewiss, dass die Polizei und die innere Sicherheit in diesem Land mit diesem Minister bestens vertreten sind.
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Zum Thema Migration. „Illegale Migration“ – ich will das mal ganz deutlich sagen –, „verlorenes Jahr“, das ist nun wirklich lachhaft. Den Familiennachzug haben wir eingeschränkt, und zwar ganz deutlich.
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Horst Seehofer hat schon darauf hingewiesen: In diesem Jahr gab es bisher nur noch 140 000 Asylanträge. Die Zahl ist also ganz deutlich zurückgegangen. Wir sind wieder auf dem Niveau von 2014.
Die Asylverfahren laufen auch sehr viel schneller. Das BAMF ist ohne Ende kritisiert worden. Wenn jemand neu in dieses Land kommt und ein Asylverfahren durchläuft, dann hat er jetzt nach durchschnittlich weniger als drei Monaten seinen Bescheid. Ich finde, das ist eine tolle Leistung dieses Bundesamtes. Es kann noch ein bisschen besser werden, aber ich sage an dieser Stelle auch mal herzlichen Dank an die Mitarbeiter des BAMF, die in den letzten Monaten und Jahren viel gescholten worden sind – zum großen Teil zu Unrecht.
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Dieses BAMF ist jetzt hervorragend aufgestellt – im Übrigen auch mit einem ausgesprochen sachkundigen und engagierten Präsidenten Dr. Sommer an der Spitze.
Wir haben hier in der letzten Sitzungswoche ein Gesetz beschlossen, mit dem wir die Mitwirkung der Asylbewerber auch im Widerrufs- und Rücknahmeverfahren einfordern. Es ist keine Schikane gegenüber den Beteiligten, sondern – ich sage es mal ganz schlicht – eine Selbstverständlichkeit, dass man bei einem Verwaltungsverfahren mitwirkt.
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Die Zahl der Dublin-Rückführungen ist erheblich gestiegen. Wir haben uns bei diesem Streit, der so hochgepuscht wurde,
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nicht nur über die Zurückweisung an den Grenzen, sondern gerade auch darüber unterhalten, wie wir mit den Dublin-Rückführungen verfahren. Die Zahl der Dublin-Rückführungen hat sich verdoppelt. 2015 haben wir 12 Prozent der Bewerber zurückgeführt, jetzt sind es 24 Prozent,
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und ich würde mich freuen, wenn wir diesen Kurs in Sachen Migrationspolitik weitergehen könnten.
Der konkrete Entwurf des Fachkräftezuwanderungsgesetzes liegt jetzt auf dem Tisch. Auch hier wurde gesagt, da sei nichts geleistet worden.
Beim Thema „illegale Migration“ bitte ich um Ihre Mitwirkung bei dem Gesetzentwurf, der jetzt den Bundesrat erreichen wird und in dem es um die sicheren Herkunftsstaaten in Nordafrika und um Georgien geht.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Dr. Middelberg. – Nächster Redner: Marc Bernhard für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Deutschland ist die stärkste Volkswirtschaft Europas und der größte EU-Nettozahler – und das, obwohl die Deutschen nach Angabe der Europäischen Zentralbank die Ärmsten im Euro-Raum sind und das Nettovermögen der deutschen Haushalte niedriger als in jedem anderen Euro-Land ist. Das durchschnittliche Haushaltsvermögen der Griechen ist zum Beispiel doppelt so groß wie das deutscher Familien – und das der Italiener sogar mehr als dreimal so groß. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist die extrem niedrige Wohneigentumsquote.
Der Deutsche zahlt also für alles und jeden, aber für ihn selbst reicht es oft nicht fürs Eigenheim.
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Jeder sechste Haushalt zahlt mehr als 40 Prozent seines Einkommens nur für die Kaltmiete. 40 Prozent! Für viele dieser Menschen bedeutet das, dass ihnen nicht genug Geld für den Alltag bleibt.
Der Bau neuer Wohnungen braucht Zeit und vor allem Flächen, die es in vielen Ballungszentren gar nicht mehr gibt.
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Plötzliche planlose politische Entscheidungen wirken da umso gravierender. Zu Deutsch: Wer praktisch von heute auf morgen 2 Millionen illegale Migranten ins Land lässt, braucht sich nicht zu wundern, wenn der Wohnungsmarkt Kopf steht und viele Menschen in unserem Land keine bezahlbare Wohnung mehr finden.
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Hier in Berlin passiert Folgendes: Wenn einer, der schon länger hier lebt, und ein sogenannter Flüchtling sich für eine Wohnung bewerben und beide Hilfe vom Staat erhalten, dann bezahlt der rot-rot-grüne Senat dem Vermieter für ein und dieselbe Wohnung 20 Prozent mehr, wenn der Flüchtling sie bekommt.
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Sie hier auf der linken Seite machen damit Inländerdiskriminierung zum Prinzip des Staates, und das schlägt dem Fass den Boden aus.
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– Die Wahrheit tut weh; ich weiß. Schreien Sie nur!
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Solange die Regierung unsere Grenzen nicht wirksam schützt, wird sich die Wohnungsnot weiter verschärfen.
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Die Wohnungsnot entsteht nämlich fast ausschließlich durch direkte Zuwanderung aus dem Ausland.
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Beispielhaft Zahlen aus meinem Wahlkreis Karlsruhe: Hier hat eine Anfrage der AfD ergeben, dass von 2012 bis 2015 die Bevölkerung um knapp 15 000 Menschen gestiegen ist, davon kamen 14 000 direkt aus dem Ausland. In Stuttgart ist die Bevölkerung im gleichen Zeitraum durch Zuwanderung um rund 20 000 Menschen gestiegen, während sie ohne Zuwanderung um 20 000 gesunken wäre. Ohne die praktisch unkontrollierte Zuwanderung wäre der Wohnungsmarkt also ausgeglichen.
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Wir wollen das Wohneigentum in Deutschland endlich auf europäisches Niveau bringen. Dazu muss die Grunderwerbsteuer gesenkt und so umgestaltet werden, dass eine vierköpfige Familie beim Kauf einer Wohnung oder eines Hauses in Zukunft überhaupt keine Steuern mehr zahlen muss.
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Außerdem fordern wir die völlige Abschaffung der Grundsteuer. Dadurch würde das Wohnen in Deutschland von heute auf morgen sofort und für jeden um 13 Milliarden Euro billiger. Erzählen Sie mir jetzt nicht, dass dafür kein Geld da ist.
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Welch eine Schande für ein Land, das dieses Jahr mit einem Federstrich 54 Milliarden Euro für Griechenland bereitstellt und 50 Milliarden Euro für Flüchtlinge, aber gleichzeitig nicht in der Lage ist, für die eigenen Bürger für ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu sorgen.
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Ein letzter Satz zu den Kollegen der CDU/CSU-Fraktion. Beenden Sie endlich die illegale Migration. Besinnen Sie sich auf die Menschen, die Sie gewählt haben. Machen Sie nicht alles noch schlimmer, und stoppen Sie gemeinsam mit uns den UN-Migrationspakt.
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Zu diesem Thema will ich Ihnen etwas sagen. Sie tragen einen Sticker.
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– Stopp, jetzt bin ich dran. – Wir haben eine gemeinsame Vereinbarung – der Ihre Fraktion immer zugestimmt hat –, dass hier an diesem Rednerpult das Wort gilt und nicht irgendwelche Äußerlichkeiten. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie sich dem durch das Tragen dieses Aufklebers oder dieses Stickers widersetzt haben. Ich möchte bitten, dass das in Zukunft unterlassen wird.
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– Auf diese Vereinbarung legt Ihre Fraktion im Ältestenrat immer außerordentlichen Wert. Deswegen sollten Sie sich als Allererstes daran halten.
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Nächste Rede: Uli Grötsch für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich dachte mir eben: Es konnte einem fast schon schwindlig werden, als Martin Gerster, unser Haushälter für den Bereich des Bundesinnenministeriums, vorgelesen hat, was im Haushalt 2019 im Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenministeriums alles vorgesehen ist. Das, was hier auf die Beine gestellt wurde, kann sich in allen Bereichen mehr als sehen lassen.
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Das kommt aber zur absolut rechten Zeit, weil die gestiegenen Herausforderungen im Sicherheitsbereich auch mehr Personal und bessere Ausstattung bei den Sicherheitsbehörden erfordern. Hier muss das Motto „Klotzen statt Kleckern“ sein; denn wir, diese Koalition, wir als SPD-Bundestagsfraktion, stehen für einen starken, handlungsfähigen und leistungsfähigen Staat. Das machen wir mit dem Haushaltsentwurf aufs Neue deutlich. Schon seit 2016 schaffen wir zum Beispiel knapp 8 500 Stellen nur bei der Bundespolizei, davon 2 100 Stellen allein in 2019.
Aber mit Stellen schaffen allein ist es natürlich nicht getan. Gerade wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen um die Verantwortung für die Arbeitsplatzzufriedenheit unserer Beschäftigten in allen Bundesbehörden. Deshalb ist es in diesem Haushalt gelungen, so etwas wie einen sozialdemokratischen Dreiklang aus neuen Stellen, besserer Bezahlung und Entfristungen zu schaffen. Ich halte das für wichtig und für absolut richtig, weil gerade wir als Bund im Bereich der Entfristungen und im ganzen Bereich der Arbeitsplatzzufriedenheit mit gutem Beispiel vorangehen müssen.
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Ich darf sagen: Ich persönlich freue mich über die fast 250 Entfristungen der grenz- und bundespolizeilichen Unterstützungskräfte in der Zentralen Bearbeitungsstelle für Fahrgelddelikte und auch über 250 entfristete Stellen beim Bundesverwaltungsamt, einer Behörde, die nicht so wie andere immer im Licht der Öffentlichkeit steht, in der aber auch enorm wichtige Arbeit für unser Land geleistet wird. Deshalb ist auch das ein sehr gutes Signal.
Ich freue mich über die Stellenhebungen, die wir beschlossen haben. Denn Aufstiegschancen sind auch bei Vater Staat sehr wichtig für die Arbeitsplatzzufriedenheit.
Was uns aber in den nächsten Jahren auch nicht ruhen lassen darf, ist die Situation beim Abbau der Überstunden in unseren Sicherheitsbehörden. Diese Überstunden wurden vor allem in den letzten Jahren und nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Migrationslage aufgebaut und müssen nun dringend abgebaut werden. Sie würden schließlich nicht Überstunden heißen, wenn es nicht geboten wäre, sie entsprechend auszugleichen. Deshalb darf uns die Stagnation, die wir auch in diesem Jahr erleben, was den Abbau der Überstunden speziell bei der Bundespolizei angeht, auch in Zukunft nicht ruhen lassen.
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Was auch ein Thema sein muss, und, wie ich finde, mit diesem Entwurf schon sehr gut gelungen ist, ist die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei den Bundesbehörden, die uns auch ein großes Anliegen ist. Ich habe mir bei der Lektüre des Haushaltsentwurfs gedacht: Was dir gelungen ist, lieber Kollege Martin Gerster, ist so etwas wie ein sozialdemokratischer Schliff bei allen Projekten im Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenministeriums.
Ich freue mich, dass auch beim Thema Prävention wieder viel gemacht wurde. Das ist ein Thema, bei dem der Erfolg schwer oder bisweilen gar nicht messbar ist, aber es zählt jeder einzelne Mensch. Gerade bei der Prävention geht es nicht um einen Sprint, sondern sozusagen um einen Marathon, um eine Daueraufgabe, weil wir jeden Tag für die Demokratie und die freiheitlich-demokratische Grundordnung kämpfen müssen. Gerade in diesen Zeiten möchte ich unsere Forderung nach einem Demokratiefördergesetz aufrechterhalten, damit wir endlich eine langfristige Förderung hinbekommen und uns nicht von Modellprojekt zu Modellprojekt hangeln,
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was es auch bei den Präventionsprojekten im Zuständigkeitsbereich des BMI dringend braucht.
Auch wenn das BMI nicht originär für die Präventionsarbeit zuständig ist, fällt – das möchte ich als letzten Punkt meiner Rede nennen – die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung in den Zuständigkeitsbereich des BMI. Wir alle wissen, dass auch dort großartige Arbeit geleistet wird. Apropos Bundeszentrale für politische Bildung – damit komme ich zum Schluss, Frau Präsidentin –: In der letzten Woche wurde – das haben Sie bestimmt alle gelesen – eine Uraufführung des Films „Wildes Herz“ in einem Kino in Bad Schwartau in Schleswig-Holstein aufgrund einer anonymen Mord- und Bombendrohung abgesagt. Dieser Film handelt von dem Sänger der Band „Feine Sahne Fischfilet“ und wird im Rahmen der SchulKinoWochen in Kooperation mit der bpb angeboten. Ich frage mich – und damit schließe ich –: Wo soll das hinführen, wenn die Bundeszentrale aufgrund anonymer Drohungen ihren Auftrag nicht mehr erfüllen kann? Unsere Sicherheitsbehörden müssen diesen feigen Einschüchterungsversuchen durch Extremisten eine starke Reaktion des Rechtsstaates entgegensetzen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die bpb ihre Arbeit nicht mehr machen kann.
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Lassen Sie uns bei diesem Sachverhalt gemeinsam handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen, und haushalterisch im Einzelplan 06 in den nächsten Jahren so weitermachen, wie es in den letzten Jahren der Fall war.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Kollege Grötsch. – Nächster Redner: Dr. André Hahn für die Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Innenministeriums ist genauso wie die Politik von Horst Seehofer: ganz viel Schatten und extrem wenig Licht.
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Die Haushaltsmittel für die Geheimdienste werden erneut enorm aufgestockt. Mit mehr Personal und mehr Überwachungstechnik wird ein Mehr an Sicherheit vorgegaukelt.
Die Aufblähung des Personalbestandes beim BND führt sogar dazu, dass die zusätzlichen Mitarbeiter selbst im riesigen Neubau in Berlin nicht mehr komplett untergebracht werden können. Mehr als 1 000 Beschäftigte sollen dauerhaft im bayerischen Pullach verbleiben, und selbst der ursprüngliche Übergangsstandort im Areal am Gardeschützenweg in Berlin soll nun zum Dauerdienstsitz ausgebaut werden.
Neubau und Ertüchtigung der Altstandorte inklusive der Umzüge werden am Ende fast 2 Milliarden Euro verschlingen. Was für eine gigantische Geldverschwendung!
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Das trifft leider auch auf das Bundesamt für Verfassungsschutz zu. Gegenüber dem Haushalt von 2013 bedeutet der vorliegende Etatentwurf gar eine Verdoppelung der Mittel. Dieser Geldregen ist nicht nur unnötig; er ist auch vollkommen unverdient. Keine andere Behörde macht mit so vielen Skandalen von sich reden, und ich meine damit nicht nur die Causa Maaßen. Jede andere Behörde müsste sich bei derartigen Verfehlungen ernsthafte Sorgen um ihren Fortbestand machen. Der Verfassungsschutz erhält stattdessen wieder mehr Mittel und Personalstellen, die er gar nicht so schnell besetzen kann, wie sie ihm bewilligt werden. Wir als Linke bleiben dabei: Es ist falsch, diesen Geheimdienstapparat immer weiter aufzublähen.
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Herr Minister, da, wo tatsächlich mehr Geld erforderlich wäre, nämlich beim Katastrophenschutz, wird deutlich zu wenig bereitgestellt.
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Im Bereich des ergänzenden Katastrophenschutzes hinkt der Bund seinen Verpflichtungen zur Unterstützung der Länder weit hinterher. Über 1000 Fahrzeuge, also rund 20 Prozent des Sollwertes, fehlen dort derzeit. Extreme Lücken bestehen vor allem bei den ohnehin oft überalterten Löschfahrzeugen. Fast die Hälfte des Bedarfs an Löschfahrzeugen ist nicht abgedeckt. Mich beunruhigt dieser Umstand sehr. In diesem Bereich müsste der Bund investieren, anstatt 400 Millionen Euro in unsinnigen Satellitenprogrammen des BND zu versenken.
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Ein kleiner Lichtblick sind die Erhöhungen im Bereich der Sportförderung und beim Sportstättenbau. Gerade im letzten Bereich übersteigt der Sanierungsbedarf die eingestellten Mittel aber um ein Vielfaches. Leider hat es der Sportausschuss wieder einmal versäumt, in den Haushaltsberatungen eigene Akzente zu setzen. Wir als Linke haben dort beantragt, die Mittel für den Leistungssport, für Trainer und den paralympischen Bereich aufzustocken. Wir wollten die Athletenförderung verbessern, mehr Geld für den Sportstättenbau bereitstellen und die Arbeit der unabhängigen Athletenvertretung finanziell absichern.
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Alle unsere Anträge, Kollege Gienger, haben Union und SPD im Sportausschuss abgelehnt. Im Haushaltsausschuss wurden sie dann plötzlich von der Koalition doch umgesetzt. Ich sage Ihnen: Es ist kein guter parlamentarischer Stil, wenn sich der Sportausschuss permanent selbst entwertet. Ich sage Ihnen auch: Ob wir eine unabhängige Athletenvertretung brauchen, ob wir sie wollen, müssen wir doch fachlich im Sportausschuss entscheiden und dürfen das nicht an die Haushälter abschieben. So können wir nicht arbeiten.
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Letzter Satz. Bei der Umsetzung der Leistungssportreform bleibt noch sehr viel zu tun. Es wäre wünschenswert, dass dafür dann ein anderer, ein neuer Minister zuständig wäre.
Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Dr. Hahn. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion: Ulrich Lange.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Polat, obwohl Sie den Minister Seehofer so kritisiert haben, haben Sie schnell gelernt, wie man mit der Redezeit flexibel umgeht. Mir ist dadurch eine etwas kürzere verblieben. Lieber Kollege Buschmann, wir haben gerade nachgeschaut: Für „Buschmann FDP“ gibt es gerade einmal 180 000 Treffer. Insofern bleibt noch viel Luft nach oben.
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Ich bin mir sicher: Bei „Minister bleibt“ kommen mindestens 1 Million Treffer zustande.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Jahr war ein gewonnenes Jahr für die Bau- und Städtebaupolitik unter Bundesminister Horst Seehofer. Bauen und Wohnen sind zentral für unsere Gesellschaft und tragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt auf besondere Weise bei. Wir setzen das fort, was wir mit dem ersten Haushalt dieser Koalition begonnen haben. Wir haben die Baulandkommission eingesetzt; das wurde heute noch nicht erwähnt. Wir wollen den sozialen Wohnraum fördern. Wir brauchen dafür eine Grundgesetzänderung. Hier kann ich von dieser Stelle aus nur an alle appellieren: Jeder spricht über den sozialen Wohnungsbau. Aber dann müsste auch so gut wie jeder hier mitmachen. Also: Dann bitte ran! Nicht nur reden, sondern bei dieser Grundgesetzänderung aktiv dabei sein!
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Wir haben die Städtebauförderung auf hohem Niveau verstetigt. Die Mittel für das Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ haben wir verdoppelt. Auch das ist ein Zeichen von gesellschaftlichem Zusammenhalt. Es ist gelebte Heimat, wenn Kultur, Jugend und Sport vor Ort ihre Möglichkeiten haben.
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Wir haben ein erstes echtes Erfolgsmodell dieser Koalition, nämlich das Baukindergeld mit über 30 000 Anträgen. Familie ist der Kern gesellschaftlichen Zusammenhalts. Baukindergeld erhöht die Chance für junge Familien, Eigentum zu erwerben. Bau-, Wohnungs- und Familienpolitik aus einem Guss, das zeichnet insbesondere uns als Union aus.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, Städte und Gemeinden, Städtebauförderung, Wohnbauförderung, sozialer Wohnungsbau, all das geht nur – damit komme ich zum Ende meiner Redezeit, Frau Präsidentin – mit unserem Markenkern: Bauen, bauen, bauen.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Ulrich Lange. Explizit danke dafür, dass Sie sich an die Redezeit, die sich bei Ihnen durch die Äußerungen des Herrn Ministers ja deutlich reduziert hat, gehalten haben.
Letzter Redner in dieser Debatte – er steht schon am Rednerpult –: Eberhard Gienger für die CDU/CSU-Fraktion. Herr Gienger, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir natürlich eine besondere Freude, heute über den Sporthaushalt 2019 und damit über die Spitzensportförderung der Bundesregierung und des Parlaments zu sprechen. Die Freude bezieht sich aber nicht nur auf den, ich möchte fast sagen: historischen Mittelaufwuchs von annähernd 40 Millionen Euro; nein, wir wollen hiermit auch eine Würdigung für die Kraftanstrengungen der Athletinnen und Athleten zum Ausdruck bringen, für die Trainer und natürlich auch für die Verantwortlichen in den Verbänden.
Mit dem Sporthaushalt 2019 wollen wir die Rahmenbedingungen schaffen, die der Sport verdient und die die Athletinnen und Athleten im internationalen Wettbewerb auch brauchen. 235 Millionen Euro werden in den Spitzensport gesteckt. Zusammen mit den Mitteln des Haushaltes von 2018 werden es um die 68 Millionen Euro sein, die wir dem Spitzensport zur Verfügung stellen können. Damit lösen wir auch ein Versprechen ein, nämlich die Bedingungen für die deutschen Athletinnen und Athleten sowie deren Trainer zu verbessern.
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So werden zum Beispiel die Mittel für die Athletenvertretung der Stiftung Deutsche Sporthilfe auf 7 Millionen Euro verdoppelt. Wenn ich einmal zitieren darf, was die Sportler alles so bekommen: Ein Sportler, der 35 bis 40 Stunden in der Woche tätig ist, bekommt im Durchschnitt gerade mal 550 Euro. Das können wir jetzt verdoppeln auf 1 000 bis 1 200 Euro – immer noch nicht genug für einen solche Athleten, der sich so engagiert, aber immerhin schon etwas mehr, als es vorher war. Wenn man sieht, was die Mitglieder der Sportfördergruppen von Zoll und Bundespolizei bekommen, sollte man sich insbesondere darüber freuen, dass diese Lücke geschlossen werden konnte.
Wir haben aber auch – das klang vorher schon bei Martin Gerster an – eine Athletenförderung von 450 000 Euro pro Jahr beschlossen. Dieses Geld soll an eine wirklich unabhängige Interessensvertretung der Athleten fließen, die dann durchaus auch einen Modellcharakter für andere Nationen haben kann. Ich glaube, dass sich die Athletinnen und Athleten in Deutschland größte Mühe geben werden, dies zu einem Erfolgsmodell werden zu lassen.
Auch die Mittel für Behindertensportler kommen mit 10,5 Millionen Euro in unseren Plänen vor. Und – etwas, was mir ganz wichtig ist –: Der nichtolympische Sport ist insofern sehr wichtig, als die Athleten zum einen sehr wohl die gleichen Aufwände haben, die gleiche Kraft investieren müssen; zum anderen kann ein nichtolympischer Verband sehr schnell zum olympischen Verband werden.
Die Skiweltmeisterschaften 2021 finden in Oberstdorf statt, also in Deutschland. Nicht zuletzt – auch das haben wir schon gehört – wurden die Special Olympics 2023 vor wenigen Tagen nach Berlin vergeben.
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Ich glaube, Berlin wird diesbezüglich ein großartiger Gastgeber sein.
Einen kleinen Betrag stellen wir für die Entsendung von Athletinnen und Athleten nach Minsk zu den European Games bereit. Nun kann man darüber streiten, ob die Europaspiele, die European Games, das richtige Format sind. Aber eines ist sicher: Mit den 300 000 Euro, die wir hier zur Verfügung stellen, geben wir den Athleten die Möglichkeit, sich dort für die Olympischen Spiele in Tokio zu qualifizieren.
In diesem Sinne möchte ich zu meiner Freude vom Anfang zurückkommen und mich für die vielen Verbesserungen für die Athletinnen und Athleten bedanken. Der Dank gilt natürlich unseren Haushältern, den Berichterstattern Martin Gerster und Klaus-Dieter Gröhler, dem Bundesinnenministerium, den Kolleginnen und Kollegen aus dem Sportausschuss und last, but not least dem Deutschen Olympischen Sportbund. Lassen Sie uns gemeinsam an einem erfolgreichen, fairen und nicht zuletzt auch sauberen Sport weiterarbeiten!
Ich bedanke mich bei der Präsidentin für das wohlwollende Betrachten meiner Redezeit.
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Vielen Dank, Herr Gienger. – Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06 – Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat – in der Ausschussfassung. Hierzu liegen drei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.
Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/5864. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Zugestimmt haben die FDP-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen, dagegen waren die Fraktion Die Linke, die Fraktionen der SPD und CDU/CSU, und enthalten hat sich die Fraktion der AfD.
Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/5841. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Zugestimmt hat Die Linke, dagegengestimmt haben die Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP und AfD. Enthalten hat sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/5856. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Zugestimmt hat die Fraktion Die Linke, dagegengestimmt haben die Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP und AfD, und enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grünen.
Wer stimmt für den Einzelplan 06 – Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat – in der Ausschussfassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 06 ist mit Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Gegenstimmen von den Fraktionen der Linken, Bündnis 90/Die Grünen, der FDP und der AfD angenommen.
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– Wir sind noch in der Abstimmung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Uli, wir stimmen noch ab!
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Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 21 – Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 21 ist einstimmig angenommen. – So, jetzt: Tschüs, Uli!
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Der Einzelplan Ernährung und Landwirtschaft zeichnet sich wieder durch massive Steuergeldverschwendung in der Öffentlichkeitsarbeit aus – hierfür werden 56 Millionen Euro ausgegeben.
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Insgesamt ist sogar ein Etat von circa 250 Millionen Euro über § 63 BHO möglich, sodass dieses Ministerium einer der Spitzenreiter im Bereich Öffentlichkeitsarbeit ist.
Darüber hinaus ist das BMEL auf dem besten Weg, sein für die Gesundheit der Bevölkerung lebenswichtiges Ziel zu verfehlen, bis zum Jahr 2030 wenigstens einen Anteil von 20 Prozent an ökologischer Landwirtschaft zu erreichen.
Das liegt auch daran, dass die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, die circa 40 Prozent des Gesamtbudgets der EU ausmacht, bestimmt, welche Landwirtschaft sich lohnt. Von 60 Milliarden Euro Subventionen gehen 70 Prozent als Direktzahlungen in die reine Größe des Landbesitzes – und zwar unabhängig davon, wie oder was produziert wird.
Gefördert wird dadurch vor allem die industrielle Landwirtschaft mit ihren immer größeren landwirtschaftlichen Betrieben.
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Die Folgen sind fatal: Statt die Bürger mit gesunden Nahrungsmitteln zu versorgen, führt der Verdrängungswettbewerb um EU-Gelder dazu, dass die industrielle Landwirtschaft auf Monokulturen setzt. Und um die Produktion von Monokulturen zu sichern, werden Pestizide eingesetzt und massiv: Glyphosat!
Was ist Glyphosat? Glyphosat ist das weltweit am meisten eingesetzte Herbizid. Es vernichtet Unkräuter, indem es einen lebenswichtigen Stoffwechselprozess in Pflanzen hemmt.
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Dies beruht unter anderem darauf, dass Glyphosat das Wachstum ausgewählter Mykorrhizapilze beeinträchtigt. Pflanzen, die auf Mykorrhizapilze angewiesen sind, um ihre Nährstoffaufnahme zu gewährleisten, sind gegen Glyphosat besonders empfindlich. Und da rund 80 Prozent aller Pflanzen in untrennbarer Symbiose mit Mykorrhizapilzen leben, sind durch Glyphosat indirekte Wirkungen auf den Nährstoffhaushalt dieser Pflanzen zu erwarten. Mit anderen Worten: Der weit überwiegende Teil aller natürlichen Pflanzen stirbt beim Einsatz von Glyphosat.
Auch deshalb hatte der Einsatz von Glyphosat die Entwicklung der Gensoja und weiterer genmanipulierter Pflanzen wegen der notwendigen Herbizidtoleranz zur Folge.
Monsanto ist übrigens der führende Hersteller von Glyphosat und gleichzeitig von Gensaatgut.
Mittlerweile sind über 95 Prozent der Gensoja und knapp 80 Prozent der sonstigen Genpflanzen herbizidresistent, vor allem Mais, Raps und Zuckerrüben, überwiegend gegen Glyphosat.
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Seit 1996 wird glyphosatresistente Gensoja in Europa als Futtermittel eingesetzt. Allein Deutschland importiert etwa drei Viertel der Eiweißfuttermittel, überwiegend Gensoja. Über Eier, Milch und Fleisch gelangt das Glyphosat zum Menschen. Deshalb sind Glyphosatspuren hierzulande im Urin fast jedes Menschen zu finden.
Ob Glyphosat krebserregend ist, ist bis heute ungeklärt. Die IARC, eine Einrichtung der WHO, hat 2015 in einer Studie Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Nach europäischen Behörden, darunter das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung, soll die Bevölkerung hierzulande mit derart geringen Mengen Glyphosat in Kontakt kommen, dass eine krebsfördernde Wirkung unwahrscheinlich sei.
Wer garantiert die richtige Dosierung?
Selbst wenn Glyphosat nicht unmittelbar krebserregend sein sollte, heißt es ausweislich einer neuen amerikanischen Studie, dass der Kontakt mit Glyphosat die Mikroflora im Verdauungstrakt von Honigbienen stört.
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Wichtige Bakterienarten im Darm der Tiere werden vernichtet, was zu einem geschwächten Immunsystem und einer geringeren Gewichtszunahme führt.
Vergleichbar mit Aids und ähnlich wie bei Chemotherapiepatienten, deren Immunsystem durch Viren bzw. Zellgifte gestört ist, wachsen anstelle der nützlichen Darmbakterienstämme ganz andere, sogenannte opportunistische und oft schädliche Mikroben im Bienendarm.
Schon 2015 wurden Experimente veröffentlicht, wonach die Bienenarbeiterinnen in der Nähe der mit Glyphosat bewirtschafteten Felder orientierungslos in der Landschaft herumfliegen.
Ihr Navigationsgedächtnis ist gestört, sie können sich nicht mehr merken, wo wichtige Nahrungsquellen sind – und dies auch nicht mehr an ihre Artgenossen im Bienenstock weitergeben.
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Viele Bienen finden gar nicht mehr zu ihrem Stock und verenden kläglich. Das alles kann zum Tod ganzer Bienenvölker führen.
Und das trifft jeden von uns: Insekten bringen Deutschland jedes Jahr dank ihrer Bestäubungsleistung einen volkswirtschaftlichen Nutzen von 2 Milliarden Euro. Ohne sie müssten wir auf wesentliche Nahrungsgrundlagen wie Obst, Gemüse, Nüsse, Honig und/oder Kräuter verzichten!
Die AfD fordert als Voraussetzung für die Zulassung von Herbiziden industrieunabhängige Studien auf nationaler Ebene, die auch Langzeitfolgen und Wechselwirkungen berücksichtigen.
Frau Klöckner, verschwenden Sie die Millionen des Ministeriums nicht in zynischer Ernährungsberatung,
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denn das ist Steuergeldverschwendung pur, packen Sie endlich das Übel bei der Wurzel!
Sorgen Sie dafür, dass gesunde Nahrungsmittel vom Acker kommen, und der größte Teil Ihrer Public Relations erübrigt sich. Denn wozu braucht es Ihre Art der Ernährungsberatung, wenn das Essen wieder gesund ist?
85 Prozent der Bürger wollen einen sofortigen Ausstieg aus Glyphosat. Jeder Tag, an dem Glyphosat noch verwendet wird, ist ein Tag zu viel! Erfüllen Sie wenigstens hier Ihre Koalitionszusage gegenüber der SPD, und ignorieren Sie ausnahmsweise einmal nicht den Mehrheitswillen!
Wir alle wollen gesunde Nahrungsmittel und gesundes Essen, Frau Klöckner!
Danke schön.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Malsack-Winkemann. – Es ist ja toll, dass Sie sich hier so gut unterhalten, aber jetzt kommt der nächste Redner dran. Der heißt Christian Haase, und er spricht für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beschlussvorlage für den Haushalt des BMEL kann sich sehen lassen: Noch nie war der Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft so groß wie dieser. Wir nehmen wichtige Weichenstellungen vor und betreiben damit Vorsorge für die Zukunft.
Unsere Aufgabe im Haushaltsausschuss war es, den finanziellen Rahmen für eine gute Politik zu liefern. Ich denke, das haben wir getan.
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Dieser Haushalt steht für starke ländliche Räume, für gesunde Ernährung in jeder Phase des Lebens und für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Ich danke meinen Berichterstatterkolleginnen und -kollegen sowie unserer Ministerin und dem Expertenteam aus dem Ministerium für die konstruktive Zusammenarbeit.
Viele Themen haben unsere Beratungen bestimmt. Da war zunächst der Dürresommer mit den Folgen für die Ställe, für die Äcker und für den Wald, die Ackerbaustrategie, das Thema Ferkelkastration, die landwirtschaftliche Sozialversicherung und nicht zuletzt die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen.
Der Wald steht vor enormen Herausforderungen. Klimawandel, Sturm, Dürre und Schädlinge wie der Borkenkäfer setzen unserem Forst zu. Der Bund Deutscher Forstleute schätzt die Schäden im Augenblick auf 30 Millionen Kubikmeter Holz. Die Überkapazitäten an Holz führen gleichzeitig zu sinkenden Preisen. Die Sägewerke arbeiten am Rande ihrer Kapazitäten. Es fehlen Holzlagerplätze und Transportkapazitäten. Beim Besuch eines Sägewerkes in meinem Wahlkreis konnte ich mich davon überzeugen. Hinzu kommen die Kosten für die Wiederaufforstung der Kalamitätsflächen sowie der Kulturen, die der Dürre zum Opfer gefallen sind.
Ich glaube, mit diesen Herausforderungen können wir den Wald nicht alleine lassen. Deshalb kümmern wir uns darum im Rahmen der GAK mit 25 Millionen Euro, verteilt auf die nächsten fünf Jahre. Zusammen mit den Anteilen der Länder kommen wir auf eine Summe von über 40 Millionen Euro, um die wichtigsten und ärgsten Schäden in unserem Wald finanziell zu kompensieren.
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Der Wald steht auch im Übrigen im Mittelpunkt unserer Politik. So statten wir zum Beispiel das Kompetenzzentrum Wald und Holz mit acht zusätzlichen Stellen aus. Wir wissen auch: Der Wald der Zukunft muss klimaresistent und auf den Wetterstress vorbereitet sein. Der Klimawandel – das ist mir wichtig – macht nicht an Ländergrenzen halt; deswegen haben wir die Mittel für den Waldklimafonds um 5 Millionen Euro aufgestockt und im Haushalt des BMZ 10 Millionen Euro für die internationale Waldpolitik verankert.
Wenn man nach all diesen Leistungen für den Wald liest, dass der forstpolitische Sprecher der FDP sagt, das sei zu wenig, da müsste noch etwas kommen, dann macht man sich natürlich seine Gedanken. Gerne hätte ich über einen Antrag der FDP diskutiert mit dem Inhalt: „Wir wollen mehr Geld für den Forst geben“, den gab es aber nicht. Es gab lediglich Anträge auf Kürzungen beim FNR und bei der internationalen Waldpolitik. Das ist nicht die feine englische Art, wie ich sie mir vorstelle.
Meine Damen und Herren, in der Politik sollte man sich mit Realitäten beschäftigen; deshalb haben wir uns die landwirtschaftliche Sozialversicherung noch einmal genau angeschaut, wir haben ein zusätzliches Berichterstattergespräch zu diesem Thema geführt. Sie alle wissen: Der Bundeszuschuss für die landwirtschaftliche Unfallversicherung wurde im Rahmen der Milchkrise als strukturelle Einkommenshilfe von 100 Millionen auf 178 Millionen Euro aufgestockt; das war wichtig und richtig. Wir mussten jetzt bewerten, ob das überhaupt die richtigen Betriebe getroffen hat und das, was wir wollten, nämlich die Unterstützung der Familienbetriebe, auch tatsächlich eingetreten ist. Ich kann Ihnen sagen: Ja, genau das ist passiert – wir haben uns das angeschaut –, die Hilfe ist dort angekommen, wo wir sie wollten. Diese Hilfe ist auch in Zukunft notwendig; ich glaube, dieser Sommer hat das eindeutig gezeigt.
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Aber es kann nicht sein, dass wir mit diesem Rabatt auch Betriebe unterstützen, die Millionenumsätze machen. Wir wollten ja die strukturellen Familienbetriebe, die kleinbäuerlichen, in den Mittelpunkt stellen. Das haben wir nun korrigiert und einen Höchstrabatt von 20 000 Euro eingeführt. Ich glaube, damit ist der Beitragszuschuss für die landwirtschaftliche Unfallversicherung sowohl gerecht als auch zukunftssicher.
Eines möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen, weil immer wieder andere Stimmen aufkommen: Die landwirtschaftliche Sozialversicherung stellen wir nicht infrage, sie ist für uns unverzichtbar und muss eigenständig bleiben.
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Ich freue mich, dass die Bundesregierung da an unserer Seite steht.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns mit der Realität beschäftigen, dann müssen wir uns auch ein realistisches Bild vom Beruf des Bauern und unseren landwirtschaftlichen Betrieben machen. Viele romantische Vorstellungen von der Bäuerin, die pfeifend mit der Milchkanne in der Hand über den Hof rennt, entsprechen nicht der Lebensrealität auf unseren Höfen. Meine Tochter beendet gerade ihre Ausbildung zur Erzieherin und berichtet mir immer wieder, dass gerade in den Bereichen Lebensmittelkunde und Ernährung noch viel Aufklärung notwendig ist, nicht nur bei den Kindern, sondern vor allen Dingen auch bei den Eltern. Wir haben das erkannt. Wir wollen, dass mehr Menschen auf die Höfe kommen. Wir wollen, dass sich die Leute die Lebensrealitäten auf unseren Bauernhöfen anschauen und wissen, wie moderne Landwirtschaft funktioniert, damit nicht solche Einschätzungen wie die meiner Kollegin von der AfD Raum greifen.
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Wir hoffen gleichzeitig, dass wir damit einen Beitrag leisten für ein besseres Bewusstsein und eine höhere Wertschätzung unserer Lebensmittel. Dabei haben wir bewusst Wert darauf gelegt, dass wir nicht nur Ökobetriebe, sondern auch konventionelle Betriebe besuchen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir endlich aufhören, einen Keil in die Bauernschaft zu treiben,
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und nicht sagen: Nur die einen sind gut, die anderen sind nur schlecht, nur Bio ist gut, konventionell ist schlecht. – Das ist vollkommen falsch.
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Meine Damen und Herren, wenn wir realistisch bleiben wollen, müssen wir Programme immer wieder überprüfen. Wir haben das mit der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ in diesem Jahr gemacht. Wir haben genau angeschaut, was wir tun können, damit die Mittel von den Ländern besser ausgenutzt werden können. Der erste Wunsch der Länder war eine höhere Flexibilisierung; dafür haben wir nun gesorgt. Gleichzeitig haben wir für eine klare Trennung zwischen den klassischen strukturellen Hilfen für die Landwirtschaft auf der einen Seite und der Förderung ländlicher Räume auf der anderen Seite gesorgt. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, damit der Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“ von den Ländern nicht so zögerlich angenommen wird, wie das bisher der Fall war. Wir haben den Sonderrahmenplan auf 150 Millionen Euro aufgestockt. Ich glaube, das ist ein deutliches Zeichen für die Menschen im ländlichen Raum. Hier kann endlich etwas nachgeholt werden, was in der Vergangenheit versäumt wurde. Jetzt sind die Länder gefordert, das auch tatsächlich umzusetzen.
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Zum Schluss möchte ich noch zu zwei kurzen Punkten kommen, auf die sicherlich auch noch andere Redner eingehen werden: Beim Thema Ackerbaustrategie haben wir die Mittel aufgestockt. Da geht es uns jetzt vor allen Dingen erst einmal um eine Forschungsförderung, um Innovationen im Bereich der Gülleaufbereitung auf den Weg zu bringen.
Der zweite Punkt ist das Thema Ferkelkastration. Darüber wird von den Fachleuten demnächst auch noch einmal hier im Bundestag diskutiert. Unsere Aufgabe war es, das notwendige Geld dafür bereitzustellen. Wir nehmen 38 Millionen Euro in den nächsten Jahren in die Hand, um für die entsprechende Schulung der Landwirte und für die Narkosegeräte zu sorgen. Ich glaube, das ist ein vernünftiger und wichtiger Schritt.
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Meine Damen und Herren, dass wir gut gearbeitet haben, sieht man an den vielen einstimmigen Beschlüssen, die wir in der Bereinigungssitzung miteinander gefasst haben. Dass es aber noch viel zu tun gibt, habe ich, glaube ich, während meiner Rede gesagt. Lassen Sie uns das alles in den nächsten Jahren gemeinsam miteinander anpacken.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Haase. – Nächste Rednerin: Ulla Ihnen für die FDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es zeigt sich, dass auch zwei Haushaltsberatungen in einem Jahr nicht ausreichen, um einige Streitpunkte zwischen den verschiedenen Parteikollegen für die Land- und Forstwirtschaft gemeinsam zufriedenstellend zu lösen. Dabei liegen uns die Forst- und Landwirtschaft in solch einem Dürrejahr wie diesem natürlich besonders am Herzen.
Der Kollege Haase hat eben von der GAK gesprochen. Ich glaube, da haben unsere gemeinsamen Gespräche zunächst einmal zu einer guten Lösung beitragen können. Sie, Herr Kollege Haase, haben unseren forstwirtschaftlichen Sprecher angesprochen. Ich kann nur versichern, die Liberalen haben ein großes Herz für den Forst. Wir sind, glaube ich, die einzige Fraktion, die einen gelernten bzw. studierten Förster in ihren Reihen hat.
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Ansonsten kann ich nur sagen: Wir haben 424 Anträge im Haushaltsverfahren gestellt. Alle sind abgelehnt worden. Ich hätte Antrag Nummer 425, lieber Herr Kollege Haase, gerne gestellt, wenn ich gewusst hätte, dass Sie dem zustimmen.
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Ein Punkt, über den wir lange diskutiert haben und bei dem ich als Freie Demokratin mit der Lösung noch nicht zufrieden bin, ist der Zuschuss für die landwirtschaftliche Unfallversicherung. Dieser ist 2005 um 78 Millionen Euro angehoben worden, und um diese zusätzlichen 78 Millionen Euro geht es immer wieder. Sie waren in der Milchkrise zur Hilfe für die Betriebe gedacht. Durch unser beharrliches Nachfragen in diesem gesamten Jahr und die Arbeit des Bundesrechnungshofes hat sich herausgestellt, dass das Geld eben nicht dezidiert bei den Betrieben, die damals gemeint waren, angekommen ist.
Man kann nun darüber reden, ob man den Zuschuss weiter zahlt. Das ist der Großen Koalition auch unbenommen. Man hat aber diese 78 Millionen Euro jetzt verstetigt und in die Maßnahme für den ländlichen Raum und die dafür vorgesehenen 1,5 Milliarden Euro für die komplette Legislatur eingeordnet. Das heißt, über vier Jahre fehlen bei den 1,5 Milliarden Euro für den ländlichen Raum schon mal 312 Millionen Euro. Das ist ein Fünftel. Ich denke, die Probleme der Milchbauern sind lange nicht gelöst. Und mit 312 Millionen Euro kann man den Land- und Forstwirten im ländlichen Raum anders und besser helfen.
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Eine Sache würde ich aber gerne positiv herausstellen, über die ich mich gefreut habe. Dem Antrag zur finanziellen Unterstützung der sogenannten Weideschäfer haben wir gerne zugestimmt. Sie müssen ihre Tiere, ohne über einen Stall zu verfügen, unter anderem gegen den Wolf schützen. Die Weideschäfer tragen essenziell zum Naturschutz und in Norddeutschland natürlich auch essenziell zum Küstenschutz bei. Daher haben wir das gerne unterstützt.
Ein anderer Streitpunkt zwischen uns ist aber natürlich immer noch das geplante freiwillige staatliche Tierwohllabel, das als Konkurrenz zu bestehenden Labels auf den Markt kommen soll. Erst heute hat die „FAZ“ wieder vor der drohenden Etikettenflut gewarnt und das Thema aufgegriffen. Was bitte soll das staatliche Tierwohllabel können, das bereits bestehende Label nicht können? Es sind allein für 2019 dafür 33 Millionen Euro veranschlagt. Wäre ein staatlicher Tierwohl-TÜV oder Label-TÜV nicht vielleicht eine viel einfachere, billigere und bessere Idee? Darüber könnte man zumindest einmal nachdenken.
Wir begrüßen, Herr Staatssekretär, ausdrücklich das Engagement der Ministerin und schätzen die Chancen der Digitalisierung für die ländlichen Räume. Nur, was nutzen die Erkenntnis und das Engagement, wenn so viele ländliche Gegenden in Deutschland immer noch eine digitale Wüste sind? In der Landwirtschaft und Forstwirtschaft hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten. Ich glaube, hier ist Ministerin Klöckner wirklich als Schutzpatronin des ländlichen Raumes gefordert, um das durchzusetzen.
Leider ist der Haushaltsentwurf in vielen Bereichen nur ein einfaches Weiter-so. Schleppend laufende Programme, wie beispielsweise die Förderung des Ökolandbaus, werden nicht kritisch hinterfragt, sondern im Gegenteil, der Haushalt wird mit immer mehr Aufgaben überfrachtet, mit kleinteiligen Förderprogrammen, mittlerweile in einem Volumen in Höhe von 6,3 Milliarden Euro. Bei so vielen Förderrichtlinien sieht man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.
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Wir Freien Demokraten haben zwei Ziele: kluge Investitionen in eine zukunftsfähige Land- und Forstwirtschaft und einen nachhaltigen Umgang mit Steuergeld für die zukünftigen Generationen. Da das für uns noch nicht ausreichend erkennbar ist, werden wir den Haushalt ablehnen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Ihnen.
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– Nein, wir haben verabredet, dass es von Ihrer Fraktion heute keine weiteren Kurzinterventionen mehr gibt, weil Sie so zahlreiche Kurzinterventionen hatten.
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– Gut, dann sagen Sie bitte, nach welchem Artikel.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Es geht um einen Antrag zu § 42 der Geschäftsordnung. Die AfD-Fraktion ist der Meinung, dass bei der Debatte zu diesem wichtigen Haushaltstitel die Anwesenheit der zuständigen Ministerin verlangt werden sollte. Das beantragen wir gemäß § 42 der Geschäftsordnung in Verbindung mit Artikel 43 Grundgesetz. Es ist für eine Ministerin gegenüber dem Parlament nicht angemessen, bei der Debatte nicht anwesend zu sein.
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Vielen Dank, Herr Kollege Braun. – Über diesen Geschäftsordnungsantrag werden wir jetzt abstimmen. Wer dem Antrag von Herrn Braun zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen?
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– Oh, oh, oh.
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– Frau von Storch, das war wenig parlamentarisch.
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– Mit Verlaub, Sie sind jetzt nicht dran. Das war nicht parlamentarisch.
Der Antrag, Herr Braun, ist, wie Sie gesehen haben, abgelehnt.
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– Dann lesen Sie einmal die Geschäftsordnung, und dann wissen Sie, wie es zu einem Hammelsprung kommt.
Ich glaube, die Mehrheit war ziemlich eindeutig. Sie müsste auch für Sie eindeutig gewesen sein. Der Geschäftsordnungsantrag ist abgelehnt. Es gibt auch Gründe, warum Frau Klöckner nicht da ist. Das ist uns gesagt worden.
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Deswegen ist der Parlamentarische Staatssekretär anwesend. Aber Sie haben das Recht, den Antrag zu stellen. Das haben Sie gemacht. Darüber ist abgestimmt worden.
Nächster Redner: Rainer Spiering für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorab, Herr Haase: Mir hat Ihre Rede sehr gut gefallen. Sie war differenziert und ausgewogen, eine abgewogene Darstellung des Haushaltes. Den Hinweis darauf, dass wir Ökolandbau und konventionellen Landbau gemeinsam und nicht gegeneinander betrachten, fand ich sehr wohltuend.
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Da Herr Haase den Haushalt in seinen Zahlen sehr gut dargestellt hat, lassen Sie mich einen etwas anderen Blick auf die Landwirtschaft werfen. Es gab letzte Woche den Bericht von „top agrar“ zur Gewinnausstattung der Landwirtschaft 2017. Wir haben eine Gewinnsteigerung von 12,4 Prozent. „top agrar“ hat dazu geschrieben, dass es überproportional zu anderen Gewerken und anderen Sektoren gewesen ist. Ich finde, darüber darf und sollte man nachdenken. Die Landwirtschaft als Sektor, der erheblich subventioniert ist, exportorientiert ist, starke Auswirkungen auf Natur und Landschaft, vor allen Dingen auf die Qualität von Luft, Wasser und Boden hat, muss meiner Ansicht nach in Bewegung kommen. Ich glaube, das geschieht auch. Die Zahlen zeigen: Die landwirtschaftlichen Unternehmen – landwirtschaftliche Betriebe will ich auf jeden Fall sehr wohl als Unternehmen betrachten – sind kapitalstark, leistungsfähig, robust und belastbar.
Wir haben Problemstellungen. Wir werden vermutlich von der EU eine Rüge bekommen, und zwar im Zusammenhang mit der Nitratrichtlinie. Sie wird uns darauf hinweisen, dass wir die Grenzwerte für Nitrat nicht einhalten. Wir werden daraufhin die Düngeverordnung vermutlich neu überdenken müssen. Die Belastung von Boden, Luft und Wasser ist – zumindest in der Wahrnehmung von außen – zu hoch. Wir müssen auch feststellen, dass die Landwirtschaft zu den Hauptemittenten von Ammoniak und Methan gehört. Ich glaube, daraus ergeben sich Aufgaben, die aber sehr wohl lösbar sind.
Der Haushalt zeigt da Wege auf, die wir gehen können. Ich möchte mit der Forschung anfangen. Wir haben sehr starke, forschungsintensive, eigene Institute. Sehr stark in diesem Bereich sind etwa die Leibniz-Institute. Aber wenn man mal schaut, was die Ergebnisse dieser Forschungen sind, und versucht, Handlungsorientierungen zu bekommen, dann wird es schwierig. Das heißt, wir haben beim BMEL bzw. bei der BLE einen Bottleneck, durch den zu wenig Informationen gelangen, die uns helfen könnten, Handreichungen zu bekommen und entsprechend zu agieren.
Ich habe gesehen, wie viele Mittel aus dem Haushalt zur Leibniz-Gemeinschaft fließen. Wir haben uns mit der Leibniz-Gemeinschaft auseinandergesetzt und erstaunliche Informationen bekommen. Auch da ist die Zahl der Handlungsempfehlungen relativ niedrig. Deswegen ist meine Forderung, im Personalbereich, Herr Staatssekretär, die Befristung der Verträge aufzuheben – das Problem ist aber bekannt –, damit wir Personalsicherheit haben, als Entscheidungsträger bessere Informationen bekommen und vor allen Dingen wissenschaftliche Ergebnisse – so, wie wir es uns immer vornehmen – als Entscheidungsgrundlage nutzen können.
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Landwirtschaft kann und muss Innovationstreiber nachhaltiger, moderner, zukunftsorientierter ländlicher Regionen sein. Nur die Landwirtschaft mit ihren Betrieben kann das leisten.
Ich finde es immer wieder faszinierend: Es gibt kaum einen Wirtschaftssektor in Deutschland, in dem Sozietät, Wirtschaft, Umweltbedingungen und die Frage des Umgangs mit Boden, Luft und Wasser so eng miteinander verknüpft sind wie in der Landwirtschaft; ich kenne eigentlich keinen. Die Einflussfaktoren sind sehr variabel und die damit verbundenen Herausforderungen groß. Sie kennen diese Faktoren: Sonne, Wind, Regen, Hochs und Tiefs, Boden, Klimaveränderungen.
Parallel dazu gibt es abgehängte Gemeinden, eine Unterversorgung mit IT – das ist hier angesprochen worden –, einen Abbau der Krankenversorgung und – leider – Boden als Spekulationsobjekt seelenloser Kapitalgesellschaften und Hedgefonds. Da müssen wir dringend rangehen. Ich weiß nicht, ob ich allen Glauben schenken soll, die einer kleinteiligen und familiengeführten Landwirtschaft das Wort reden. Wir müssen den Worten auch Taten folgen lassen.
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Gleichzeitig ist die ländliche Region Erzeugerin von Wind-, Bio- und Solarenergie. Es kommt zum Einsatz von Drohnen und Selbstfahrern. Autonomes Fahren und Big Data sind hier wesentlich stärker verankert als in vielen anderen Wirtschaftsbereichen.
Ich komme zu den Antworten. Angesprochen von Herrn Haase wurde die Ackerbaustrategie. Wir müssen sie jetzt umsetzen und mit Leben füllen. Wir brauchen auch eine Nutztierstrategie – weg von der Masse, hin zu bezahlbarer Klasse. Dazu brauchen wir natürlich ein staatliches Tierwohllabel.
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Wir müssen raus aus der Abhängigkeit von Lebensmitteleinzelhandel, Molkereien, Großschlachtereien. Wir brauchen Vielfalt und Regionalität statt Monopole.
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– Ganz ruhig bleiben.
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Organisationen wie Solawi können hilfreich sein. Warum fördern wir nicht IT-Start-ups, die sich um regionale Vermarktung kümmern? Warum geben wir ihnen keine Haushaltsmittel, um Regionalität von Staatsseite zu fördern? Warum gehen wir nicht raus aus der eindimensionalen Vermarktungsstrategie, die unser Land so prägt? Nicht Ernährungssicherheit ist das Gebot der Stunde, sondern Ernährungssouveränität.
Ich sehe eine große Gefahr für die deutsche Landwirtschaft.
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Ein Land, das Atomkraftwerke von der Bildfläche hat verschwinden lassen, ein Land, das seine eigene Automobilindustrie sehr kritisch hinterfragt, hinterfragt auch seine Landwirtschaft sehr kritisch, und dem werden wir uns stellen müssen. Umweltschützer, Tierschützer, junge Menschen haben große Bedenken gegenüber der Form von Landwirtschaft, die wir derzeit betreiben. Ich denke, denen schulden wir eine Antwort. Wir können über Mittel des Bundeshaushalts entsprechend finanzieren; aber nur wenig. Wir können vor allem über die Mittel der GAP finanzieren. Das werde ich jetzt allerdings außen vor lassen, weil ich noch etwas zur IT-Plattform sagen muss.
Nee, nee!
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Im Haushalt stehen dafür 15 Millionen Euro zur Verfügung. Wir müssen sicherstellen, dass die IT-Plattform nicht Monopolisten wie SAP, Google, Microsoft oder John Deere überlassen wird, sondern dass sie der Souveränität unseres Staates, unserer Zivilgesellschaft anheimgeführt wird. Wir müssen Datensicherheit für die Bauern schaffen. Wir müssen die Zugänge zur IT-Plattform klar regeln. Das müssen wir dieses Jahr auf den Weg bringen. Und das ist mein Plädoyer: Die IT-Plattform kann und muss Antworten geben auf die großen Fragen der Nachhaltigkeit und der Zukunftsorientierung und auf die Frage: Wie schützen wir Boden, Luft und Wasser? Ich glaube, das kann sie.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Rainer Spiering. – Nächste Rednerin: Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 10 wächst, und ich freue mich, dass insbesondere im Bereich ländliche Entwicklung endlich zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Sowohl das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung als auch die Gemeinschaftsaufgabe Ländliche Entwicklung haben einen Aufwuchs erfahren, und zwar merklich. Das fordern wir seit langem und mit uns zusammen Verbände und Bundesländer. Die Bundesregierung liefert, könnte man sagen. Das ist eine gute Nachricht.
Doch wir müssen bei dem Bild auch die andere Seite betrachten. Wir kritisieren, dass die Bundesregierung die wichtigste Hausaufgabe in diesem Bereich bisher nicht erledigt hat, und das sechs Jahren nach ihrer Ankündigung. Im vorletzten Koalitionsvertrag hat die damalige Regierung versprochen, die GAK so zu reformieren, dass die Mittel auch tatsächlich komplett eingesetzt und abgerufen werden können und zügig dort ankommen, wo sie ankommen sollen, dort, wo sie gebraucht werden: bei den Praktikern, bei den Engagierten, bei den Ehrenamtlern, in den Kommunen. Diese Reform ist überfällig;
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denn sonst droht auch das Geld, das wir neu eingestellt haben, zumindest teilweise zu verpuffen.
Die Linke will eine Förderung, die den Akteuren vor Ort mehr Spielraum gibt; denn vor Ort weiß man am besten, was die Region braucht.
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Deshalb brauchen wir Regionalbudgets statt unzähliger Verwaltungs- und Förderrichtlinien unterschiedlichster politischer Ebenen, Beratungskapazitäten statt Kontrollkapazitäten, Verschlankung der Förderanträge statt Aufbau von Bürokratisierung.
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Politik für den ländlichen Raum darf nicht über die Köpfe der Menschen hinweg gemacht werden und aus Berlin oder den Landeshauptstädten diktiert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte an dieser Stelle auf eine grundsätzliche Frage zu sprechen kommen, die den Einzelplan 10 betrifft und die Politik, die wir damit in den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz machen. Die Bundesregierung erklärt ihr zurückhaltendes Engagement für eine nachhaltige Agrar- und Lebensmittelwirtschaft etwa beim Thema Tierschutz damit, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher niedrige Preise wollen oder wir die Märkte an das EU-Ausland verlieren würden. Das stimmt so nicht. Viele Bürgerinnen und Bürger haben ein starkes Bewusstsein für eine nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein starkes Bewusstsein für das Wohl oder das Leid der Tiere. Das belegen auch Umfragen deutlich. Zwei Drittel der Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit, mehr für Fleisch zu bezahlen, wenn dafür mehr Tierwohl umgesetzt wird.
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Wenn die Mehrheit der Deutschen sich nicht nur für mehr Tierwohl und eine nachhaltige Agrarwirtschaft ausspricht, sondern eine deutliche Mehrheit sogar bereit ist, dafür zu bezahlen, eine Mehrheit des Deutschen Bundestages aber permanent dagegenstimmt, dann läuft hier etwas gewaltig schief.
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Ich möchte diese grundsätzliche Frage aufwerfen, weil es aus meiner Sicht müßig ist, ständig über aktuelle Skandale in der Landwirtschaft zu reden. Tiertransporte, Glyphosat, Bienensterben, Ferkelkastration, Nitrate im Grundwasser – ich könnte vieles Weitere aufzählen –; der Fetisch der neoliberalen Exportpolitik und die Orientierung auf Rendite und internationale Märkte scheinen über allem zu stehen. Das kritisiert die Linke; ich denke, zu Recht.
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Das vermeintliche Totschlagsargument, dass Produzenten aus anderen EU-Staaten in einem Binnenmarkt immer die Lücken auf dem Markt nutzen werden, um die billigsten Agrarprodukte zu liefern, sodass schon deshalb ein Fortschritt in den Bereichen Tierschutz und Umweltschutz oder auch eine faire Bezahlung in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelindustrie nicht gewährleistet und verwirklicht werden können, schreit doch zum Himmel.
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So darf die EU nicht wahrgenommen werden. Das muss gerade vor dem Hintergrund der Rede von Macron gesagt werden, der noch vor zwei Tagen an diesem Pult stand. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU darf kein Instrument bleiben, um soziale und ökologische Standards ins Bodenlose zu senken. Das ist ein Wettbewerb um das billigste Fleisch, das ist ein Wettbewerb um den billigsten Liter Milch, das ist ein Wettbewerb um die schlechtesten Arbeitsbedingungen, das ist ein Wettbewerb um die größte Ignoranz gegenüber Natur- und Tierwohl. Das muss sich dringend ändern.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir endlich eine Agrarpolitik in Europa, die das Tierwohl und eine nachhaltige Landwirtschaft fördert, statt sie zu unterbinden. Entwickeln wir sie hin zu einer Gemeinschaftsaufgabe, die sozial-ökologische Leistungen honoriert, statt den reinen Besitz von Land und damit letztlich die Spekulation zu fördern. Das wäre ein erster Schritt.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Heidrun Bluhm. – Nächster Redner: Harald Ebner für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Haase, Herr Staatssekretär, es ist wunderbar, dass Sie jetzt Geld für die schmerzfreie Ferkelkastration ausgeben. Gut gemacht! Aber ich frage Sie: Warum eigentlich erst 2019, wenn die fünfjährige Frist, die Sie sich selbst gesetzt haben, schon längst abgelaufen sein wird? Kann mir irgendjemand in diesem Haus sagen, warum das nicht in einem der letzten fünf Haushalte aufgetaucht ist? Da hätte es doch geholfen.
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Damit hätten Sie den Bauern helfen können, und damit hätten Sie millionenfaches Leid der Ferkel verhindern können. Vor allem aber hätten Sie diese unsägliche schmerzhafte Kastrationspraxis, ohne jegliche Betäubung, jetzt nicht noch einmal verlängern müssen. Das ist etwas, was wir von einer Haushaltsplanung verlangen. Wir verlangen, dass sie nicht in die Vergangenheit gerichtet ist, sondern in die Zukunft, sodass man nicht, wie Sie es jetzt machen müssen, im Nachhinein Fehler beheben und Löcher notdürftig flicken muss.
Große Zukunftsaufgaben im Bereich der Agrarpolitik sind zum Beispiel der Kampf gegen das Insektensterben und die Senkung des Einsatzes von Pestiziden. Sie wollen jetzt damit beginnen, eine Ackerbaustrategie zu entwickeln. Sie wollen „beginnen, eine Ackerbaustrategie zu entwickeln“, mit sage und schreibe 5 Millionen Euro. Das ist eine sehr kleine Antwort auf ein sehr großes Problem. Hier sollten Sie klotzen und nicht kleckern.
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Stattdessen liefern Sie sich ein Schauspiel gegenseitiger Blockaden mit der Umweltministerin.
Eine echte, ernstgemeinte Strategie zum Ausstieg aus der Nutzung von Glyphosat und anderen Pestiziden muss doch beinhalten, dass man heute massiv in die Erforschung alternativer Methoden investiert, damit wir den Bäuerinnen und Bauern morgen Methoden anbieten können. Aber Ministerin Klöckner schimpft erstens jeden, der andrer Meinung ist, einen Ideologen, und zweitens haut sie lieber flotte Sprüche raus und rudert anschließend zurück. Von „Glyphosateinsatz so schnell wie möglich beenden“ bleibt bei Ihnen am Ende lediglich: Einsatz zurückdrängen, und das in frühestens fünf Jahren. – Mit Fünfjahresfristen haben Sie ja so Ihre Erfahrungen gemacht.
Die Forschung an Alternativen, mit denen die Landwirtinnen und Landwirte unterstützt werden können, was passiert da? Ziemliche Fehlanzeige! Über 4 Prozent des Agrarforschungsanteils kommen Sie da nicht hinaus. Aber genau da müssen wir investieren, um den Herausforderungen, auch der Klimakrise, zu begegnen. Wo sind denn die großen Aufbruchsignale aus diesem Haushalt für eine klimastabile Land- und Waldwirtschaft? Ministerin Klöckner hat stattdessen mal wieder die Gentechnik entdeckt, die alles richten soll, diesmal die neue Gentechnik – mit den alten Versprechen im Übrigen.
Zum Glück hat der Europäische Gerichtshof im Juli klar geurteilt und festgestellt: Auch neue Gentechnik ist Gentechnik und muss genauso gekennzeichnet und geprüft werden. Das ist ehrlich, auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber, die keine Gentechnik wollen.
Aber die Konsequenz, die die Frau Ministerin zieht, weil ihr der Richterspruch nicht passt, ist, das Gesetz zu ändern. Das reißt hier ein bei der Union, erst beim Diesel, dann bei der Gentechnik: Wenn Ihnen Urteile nicht passen, ändern Sie die Gesetze, die so lästig sind, und wenn jemand aufmuckt, erkennt man ihm die Gemeinnützigkeit ab.
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– Finden Sie gut? Ich finde, damit legen Sie die Axt an die Grundfesten der pluralistischen und freiheitlichen Demokratie.
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– Das finde ich schon.
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Statt da den Biotech-Konzernen hinterherzurennen, sollten Sie sich lieber um die Systemfragen für eine klimastabile Land- und Forstwirtschaft kümmern. Stellen Sie endlich Mittel ein für Forschung an Alternativen! Stellen Sie Mittel ein für den Waldumbau; der ist dringend notwendig.
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Wir können nicht auf Dauer – ich bin gleich fertig, Frau Präsidentin – die Klimaschäden, die entstehen, ausgleichen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Wald klimastabil ist.
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Also lassen Sie uns diese hochproblematischen Fichten- und Kiefern-Monokulturen endlich mal umbauen! Dafür sollten wir Geld in die Hand nehmen, im Übrigen auch für Löschflugzeuge, damit man Brände schnell löschen kann.
Jetzt nehme ich Sie aber beim Wort.
Genauso sollte man endlich dafür sorgen, dass auch die europäische Agrarpolitik hier ein Zeichen setzt und ökologische Leistung statt Fläche honoriert.
Danke schön.
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Vielen Dank, Harald Ebner. – Nächster Redner ist der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel.
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bedanke ich mich für das Verständnis für die begründete Abwesenheit meiner Bundesministerin
({0})
und halte zu Beginn fest: Dieser hier bereits beschriebene Rekordhaushalt ist eine klare Wertschätzung für alle, die im ländlichen Raum produzieren und wirtschaften.
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Von einigen Vorrednern wurden verschiedene agrarpolitische Baustellen aufgezeigt. Ja, es gibt markante Zielkonflikte; sie müssen so gelöst werden, dass Land- und Ernährungswirtschaft weiterhin in Deutschland eine auskömmliche Zukunft haben und dass umweltbewusst und nachhaltig gehandelt wird; denn wir alle wollen mit unserer Politik gesellschaftlichen Konsens zurückerobern.
Ein Beispiel ist das seit vielen Jahren stattfindende Töten von männlichen Küken. Nicht wenige haben hier nur auf Verbote gesetzt. Wir haben in Forschung investiert, 5 Millionen Euro. Jetzt sind die neuen Technologien da, Geschlechtserkennung ist bereits im Ei möglich. Die Suche nach innovativen Lösungen ist eben doch besser als pauschale Verbotspolitik.
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Wir haben damit nicht nur Zielkonflikte aufgelöst, sondern wir stehen jetzt auch weltweit an der Spitze der Innovation. Verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist exemplarisch unser Verständnis von Tierschutz am Wirtschaftsstandort Deutschland
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und es wird weiterhin unsere agrarpolitische Handschrift sein.
Wir wissen alle um die vielfältigen Herausforderungen der Pflanzenerzeugung. Wir steigen deshalb in eine neue Ackerbaustrategie ein – was man wahrscheinlich schon viel früher hätte machen können –, um unter anderem Alternativen zu Instrumenten der Unkrautvernichtung zu entwickeln. Und wieder: Mit Verboten allein ist der Landwirtschaft nicht geholfen.
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Auch beim Schadstoff im Boden gilt: Ziel ist, Innovationen zur Aufbereitung von Gülle zu fördern, um Regionen mit intensiver Tierhaltung zu entlasten. Oder bei der Nutztierhaltung: Wir schaffen die wissenschaftliche Basis für eine Nutztierstrategie, in der Tierwohl, Umweltschutz und Klimaschutz zusammenlaufen – für die Forschung, aber auch ganz konkret, um neue Verfahren auszuprobieren und schnell in die Praxis zu bringen.
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Als weiteren Punkt nenne ich die 56,8 Millionen Euro zur Förderung von Innovationen in der Land- und Ernährungswirtschaft.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das Thema Digitalisierung ist schon mehrmals angesprochen worden, insbesondere vom Kollegen Spiering, der besondere Verdienste damit erworben hat, sich bei diesen Fragestellungen aktiv einzubringen. Digitalisierung ist in aller Munde. Von allen Sektoren der Wirtschaft wird die Landwirtschaft der Bereich sein, in dem die Digitalisierung das größte Potenzial haben wird, und deswegen hat sich die Koalition ernsthaft auf den Weg gemacht, hier gemeinsam etwas voranzubringen.
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Allein für die Entwicklung digitaler Techniken auf dem Acker und im Stall stellen wir 15 Millionen Euro zur Verfügung. Wir schaffen echte Experimentierfelder in landwirtschaftlichen Betrieben und in den ländlichen Regionen. Das heißt: Mitwirkung der Landwirtschaft direkt von Anfang an und vor Ort. Wir probieren daneben aus, wie die Digitalisierung zum Schutz der Umwelt, des Tierwohls und der Biodiversität eingesetzt werden kann sowie nicht zuletzt dafür, Arbeitserleichterungen zu erreichen, vor allem mit Blick auf die derzeitige Arbeitskräftelage in diesem Bereich.
Mir ist es ganz besonders wichtig, dass wir die im Blick haben, die unsere Landwirtschaft tragen: die Bäuerinnen und Bauern. Deshalb freuen wir uns, dass die finanzielle Unterstützung der agrarsozialen Sicherung auf dem hohen Niveau von 4 Milliarden Euro gehalten wird. Wo notwendig haben wir Anpassungen vorgenommen oder werden diese vornehmen, wie bei der Hofabgabeverpflichtung in der Alterssicherung der Landwirte. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung finden werden.
Darüber hinaus wurde die Krankenversicherung der Landwirte zur Leistungsverbesserung mit 26 Millionen Euro mehr ausgestattet.
Dies unterstreicht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Der Haushalt 2019 ist ein klares Bekenntnis der Koalition zu einer eigenständigen agrarsozialen Sicherung.
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Zu den ländlichen Räumen. Für unsere Wahrnehmung der ländlichen Räume ist diese Legislatur so etwas wie der Gang zum Optiker. Wir haben die Stadtbrille abgelegt, um mit der ganzen Stärke, die diese Koalition hat, Land und Stadt künftig in gleicher Weise in den Blick zu nehmen – die Menschen in der Stadt, die unter dem wachsenden Verkehr leiden, genauso wie die Menschen auf dem Lande, wo es darum geht, ob dort überhaupt noch ein Bus verkehrt, oder die Familie, die in der Stadt keine Vierzimmerwohnung mehr findet, genauso wie den Bürgermeister auf dem Dorf, der leerstehende Ortskerne wieder mit Leben füllen muss und will.
Ich bin dankbar, dass anerkannt wird, Frau Bluhm, dass hier Bewegung entstanden ist. Die haushalterische Antwort heißt: 900 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe. Wer das in Prozent angegeben haben möchte: Es sind 17,8 Prozent mehr. Das ist schon ein ganz schönes Wort. Über die GAK stellen wir übrigens auch zusätzliche Mittel für unsere Wälder zur Verfügung, wie das vorher vom Kollegen Haase bereits gesagt wurde, um den Waldeigentümern in der prekären Situation, in der sie zurzeit sind, zu helfen.
Für politische Feinschmecker: 150 Millionen Euro aus der GAK sind für den Sonderrahmenplan Ländliche Entwicklung vorgesehen. Frau Bluhm, hier gibt es erstmals regionale Budgets. Sie sind noch nicht so groß, aber das ist zum Erproben, wie sich das entwickelt, und ich denke, das ist ein ganz wichtiger struktureller Schritt.
Um noch mal auf das Beispiel mit der Brille zurückzukommen: Das ist das Ende der Landblindheit. Dazu gehört übrigens auch eine Stärkung des Ehrenamts; denn wir wissen, wie wichtig das für die ländlichen Räume ist.
Stichwort „gute Ernährung“. Wir sind nicht zuletzt Ernährungsministerium mit immerhin 80 Millionen Experten. Uns geht es darum, die Menschen da abzuholen, wo sie stehen, und zwar in der jeweiligen Lebensphase. Deshalb gibt es einen besonderen Schwerpunkt: Ernährung von Seniorinnen und Senioren. Das ist nicht Öffentlichkeitsarbeit, wie eine Rednerin vorher gesagt hat,
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sondern das ist Gestaltung von Ernährungspolitik in neuer Qualität und mündet konsequent in einen neuen Haushaltstitel: „Maßnahmen zur Förderung ausgewogener Ernährung“.
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Heute, um zum Schluss was Aktuelles zu sagen, um 14.25 Uhr, haben wir die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salze in Fertigprodukten ins Netz gestellt. Das mag mancher kritisieren,
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skandalisieren und schlechtreden. Aber hier zeigt sich schlichtweg: Die Ministerin Julia Klöckner handelt.
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Zum Schluss darf ich für die gute und konsequente Zusammenarbeit mit Ihnen allen bei diesem Rekordhaushalt danken, insbesondere den Berichterstattern der Koalition, Christian Haase und Ulrich Freese. Ich bitte Sie um Zustimmung.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist Wilhelm von Gottberg für die AfD.
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Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Verehrte Damen! Meine Herren! Ausweislich der vorgelegten Unterlagen will das Ministerium eine nachhaltige Landwirtschaft und eine leistungsfähige Ernährungswirtschaft fördern und dabei die Erwartungen der Verbraucher ebenso berücksichtigen wie die Belange des Umwelt- und Naturschutzes. Dabei sollen dann auch noch die Haltungsbedingungen der Nutztiere verbessert und ein Konzept für eine Ackerbaustrategie vorgelegt werden. Das klingt wie die Quadratur des Kreises und wird so nicht gelingen.
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Entscheidender aber ist: Nach den Erfahrungen der Vergangenheit wird die Realisierung dieser Zielvorgabe im Gewand einer obrigkeitsstaatlichen Verordnungsbürokratie daherkommen. Noch mehr Bürokratie ist aber das Letzte, was die Betriebsleiter gebrauchen können.
Nicht ein einziger Vorschlag der AfD zur Akzentuierung der haushaltspolitischen Grundsätze im vorgelegten Entwurf wurde im Haushaltsausschuss akzeptiert. Mit Verlaub: Das war borniert. Derartiges habe ich in mehr als drei Jahrzehnten in der Kommunalpolitik nicht erlebt.
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Die haushaltspolitischen Grundsätze Wahrheit und Klarheit sowie Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit lassen im vorgelegten Entwurf an zahlreichen Stellen zu wünschen übrig. Angesichts der Tatsache, dass das reale Tierwohl Hunderttausender Weidetiere durch Futtermangel derzeit nachhaltig beeinträchtigt wird, ist die Bereitstellung von 33 Millionen Euro für ein bürokratisches Tierwohllabel eine skandalöse Festlegung.
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Ich wiederhole die Forderung der AfD vom September dieses Jahres: Das Ministerium sollte die in Rede stehenden 33 Millionen Euro der Dürrehilfe hinzufügen.
Bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ finden wir Sonderrahmenpläne: erstens für Maßnahmen des Küstenschutzes aufgrund des Klimawandels, zweitens für Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes, drittens für Maßnahmen zur Förderung der ländlichen Entwicklung. Beim Vollzug des Haushalts im nächsten Jahr ist die Einhaltung dieser Sonderrahmenpläne kaum zu überprüfen.
Für das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung sind 70 Millionen Euro eingestellt. Das ist nicht gerade wenig, berücksichtigt man, dass der Bund auf diesem Feld nur eine eingeschränkte Zuständigkeit hat. Folgerichtig werden überproportional viele Mittel für Modellprojekte und Werbemaßnahmen aufgewendet. Außerdem können Projekte anderer Ministerien damit finanziert werden. Wer wird das prüfen? Aus diesem Titel dürfen auch Personal- und Sachkosten bezahlt werden. Damit wird der Gefahr des Missbrauchs der Mittel die Tür geöffnet.
Den Haushältern des Ministeriums sei dringend angeraten, die lange Liste der Projektförderung für das übernächste Haushaltsjahr 2020 kritisch zu überprüfen. Erstaunlich, wer da alles Geld bekommt: vom Deutschen Pflügerrat über die Gesellschaft für Züchtungskunde und den Verein Futtermitteltest sowie die Gartenbauwissenschaftliche Gesellschaft bis hin zur Agrarsozialen Gesellschaft.
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Wo aber finden wir die Förderung der Landfrauenorganisation? Sie leistet einen wichtigen Beitrag für gleichwertige Lebensverhältnisse auf dem Land. Habe ich da etwas übersehen, Herr Staatssekretär?
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So manches ist fragwürdig in diesem Entwurf. Warum müssen Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft und das Deutsche BiomasseForschungsZentrum institutionell gefördert werden?
Völlig fragwürdig, ja obskur wird der Haushaltsplan auf der Seite 108. Da geht es um Ausgaben für die Mitglieder von Fachbeiräten und Kommissionen, die beim Ministerium angesiedelt sind. Insgesamt sind zwölf Fachbeiräte aufgeführt. Da gibt es zum Beispiel die Gutachterkommission für Waldinventur, ferner den Wissenschaftlichen Beirat für Waldpolitik, und nun hat die Regierung auch noch eine Zweigstelle des Brüsseler Europäischen Forstinstituts in Deutschland eingerichtet. Die wissenschaftlichen Institute an den Forstfakultäten gibt es ja auch noch.
Ministerin Klöckner hat das Dürreproblem frühzeitig erkannt und eine Lösung auf den Weg gebracht. Die AfD hat dieses Bemühen tatkräftig unterstützt. Die betroffenen Betriebe erhalten noch in diesem Jahr eine finanzielle Kompensation. Ob die Entschädigung ausreichend ist, muss offenbleiben.
Frau Klöckner, lösen Sie bitte ebenso engagiert die Problematik Wolf! Es muss für Deutschland eine analoge Lösung geben, wie das in Frankreich und Schweden möglich ist: maximal 500 Wölfe in Frankreich, 350 in Schweden. Der Wolf, ein Vieh- und Wilddieb erster Güte, gehört in das Ressort Landwirtschaft und Forst. Die Wolf-/Wildtierromantik muss ein Ende haben.
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Zurück zum Anfang: Unsere Änderungswünsche für den Haushalt wurden schnöde verworfen. Welch ein Kontrast zur Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses in der Nacht zum 9. November. Offensichtlich gab es noch etwas zu verteilen. Bald nach Mitternacht wurden neue Planstellen bewilligt, hier ein Museum eingerichtet, dort eine Sportförderung beschlossen, da ein Kriegsschiff bewilligt – alles ohne große Öffentlichkeit. Ob wohl jemand in diesen nächtlichen Stunden auf die Kriterien Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit geachtet hat?
Ich weiß, das ist ein weites Feld. Leider ist meine Redezeit abgelaufen. Dem Haushaltsentwurf werden wir nicht zustimmen.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Mittag für die Fraktion der SPD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! 80 Millionen Euro legen wir gegenüber dem Regierungsentwurf im Haushalt für Ernährung und Landwirtschaft noch obendrauf. Das ist schon mal schön, und für den Tierschutz freut es mich natürlich besonders. Denn fast die Hälfte davon fließt in Tierschutzmaßnahmen, zumindest im weitesten Sinne.
Allein 38 Millionen Euro werden in den nächsten beiden Jahren 2019 und 2020 im Bereich Ferkelwirtschaft in die Unterstützung bei der Anschaffung von Narkosegeräten – das ist schon erwähnt worden –, die Schulung von Landwirten und eine öffentliche Aufklärungskampagne investiert. Das ist gut investiertes Geld. Denn diese Kampagne soll noch einmal klarstellen, dass es auch ohne Schneiden geht. Damit sorgen wir als Parlament für das, was das Ministerium eigentlich schon in den letzten fünf Jahren hätte erledigen müssen; aber da müssen wir jetzt eben nacharbeiten. Deswegen ist das gut investiertes Geld.
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Im Nutztierbereich ist der Haushalt auch an anderer Stelle gut aufgestellt. Die Entwicklung und Einführung des staatlichen Tierwohllabels wird mit 33 Millionen Euro unterstützt. Es ist ein Label für das ganze Tier, und zwar solange es lebt, von Anfang bis Ende. Das Geld fließt zum großen Teil in eine Öffentlichkeitskampagne, um das Label bei Verbraucherinnen und Verbrauchern bekannt zu machen, aber auch in die Umsetzung. Das ist sinnvoll, damit das Label am Markt bestehen kann und es endlich eine Übersicht über die vorhandenen Labels gibt. Jede Verbraucherin und jeder Verbraucher kann sich dann leicht entscheiden, ob sie bzw. er an der Kasse mehr Tierwohl fördert. Allerdings sollte sich das Ministerium auch darum kümmern, dass die Tierhalterinnen und Tierhalter bei der Verbesserung ihrer Tierställe unterstützt werden, finanziell, baurechtlich und emissionstechnisch. Da sind noch jede Menge Fragen offen, die geklärt werden müssen.
Aus dem Bundesprogramm „Nutztierhaltung“ kommen 12 Millionen Euro den Tieren zugute. Das ist Geld für Verbesserungen, die schon praxiserprobt sind. Mit 5,5 Millionen Euro werden Modell- und Demonstrationsbetriebe in der Landwirtschaft gefördert, Betriebe, die den Weg in die Zukunft ebnen und Vorbildcharakter für andere Betriebe haben. Ich habe schon mehrere solcher Betriebe besucht – Sie sicherlich auch – und mit sehr innovativen Landwirten gesprochen, die auf diesem Weg gerne mitgehen. Sie sorgen dafür, dass aus reiner Theorie endlich Praxis in den Ställen wird und dass der ewigen Dramaturgie und den Bedenken weiter Teile in der Branche hinsichtlich der Machbarkeit und der Wirtschaftlichkeit der Boden entzogen wird. Es ist machbar, gute Zukunft in die Ställe hineinzubringen.
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Das Geld ist also gut investiert. Es ist in die Zukunft investiert.
Zuletzt will ich kurz – weil die Redezeit begrenzt ist – auf die Unterstützung für Wanderschäferinnen und Wanderschäfer hinweisen; nicht für alle Schäfer, das hat leider nicht geklappt. Mein Kollege aus dem Haushaltsausschuss hat ordentlich verhandelt. Immerhin ist es 1 Million Euro. Der eine oder andere mag sagen: Das reicht nicht. – Aber das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Ursprünglich war vom Ministerium bzw. von der Ministerin gar kein Geld dafür vorgesehen. Insofern ist das eine erhebliche Verbesserung. Im Rahmen des Bundesprogramms „Wolf“ erhalten Wanderschäfer nun endlich die dringend benötigte Unterstützung. Wir alle haben in der letzten Anhörung zur Kenntnis genommen, dass das sehr wichtig ist. Ansonsten ist deren Existenz stark gefährdet. Wir wollen nicht, dass sich, wie es öffentlich schon mehrfach dargelegt wurde, noch mehr Schäfer und Schäferinnen von diesem Beruf verabschieden und dass diese Art der Tierhaltung, die für die Biodiversität sehr wichtig ist, aus Deutschland endgültig verschwindet. Deswegen ist auch dieser Haushaltsansatz ein sehr wichtiger Schritt.
Ich bedanke mich dafür.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Gero Clemens Hocker für die FDP.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man wirft Landwirten manchmal vor, dass sie in guten Zeiten gerne von Subventionen leben und in schlechten Zeiten, wenn es zu trocken oder zu nass ist, die Hand nach zusätzlichen staatlichen Subventionen aufhalten. Herr Staatssekretär, wissen Sie, was die einhellige Meinung der Betriebe gewesen ist, die ich in den letzten Wochen besucht habe und mit denen ich über die Dürrehilfe gesprochen habe? Erstens. Diejenigen Betriebe, die in der Vergangenheit kluge, weitreichende unternehmerische Entscheidungen getroffen haben, fühlen sich durch das komplexe Verfahren, das Sie auf den Weg gebracht haben, benachteiligt gegenüber denjenigen, die nicht so weitgehende und richtige unternehmerische Entscheidungen getroffen haben, die zum Beispiel nicht in Beregnungsanlagen investiert haben. Ich sage Ihnen: Sie sind auf dem Holzweg, wenn Sie glauben, hier Probleme mit Geld zukleistern zu können.
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Zweitens. Die Landwirte in Deutschland sind es schlichtweg leid, permanent nur als Subventionsempfänger dazustehen und sozusagen – wie das Kaninchen auf die Schlange – auf die Politik starren zu müssen, ob sie den Daumen für irgendwelche Subventionen hebt oder ob sie ihn senkt. Unsere Landwirte in Deutschland möchten gerne unternehmerisch handeln. Das heißt, dass sie sowohl für das Positive als auch für die Risiken gerne selber geradestehen möchten. Richtig und wichtig für unternehmerische Landwirtschaft in Deutschland wäre es, dass von Ihrer Seite endlich die Zustimmung zu einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage kommt, wie wir sie fordern, damit Landwirte nicht immer vom Wohlwollen der Politik abhängig sind.
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In den letzten Wochen hat sich wieder einmal ein Konflikt zwischen Umweltministerium und Landwirtschaftsministerium bei der Frage nach der Zulassung und der künftigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zugespitzt. Ich behaupte, dass nirgendwo auf der Welt Pflanzenschutzmittel zur Anwendung kommen, die besser erprobt, besser getestet, umweltverträglicher und wirkungsvoller sind. Wenn man sich von solchen Technologien tatsächlich trennen möchte, dann muss man den Landwirten auch sagen, wie Unkrautbekämpfung in Zukunft erfolgen soll. Da reicht es eben nicht aus, zu sagen: Pflügt doch einfach den Acker um. – Denn das befördert schlichtweg die Erosion, und es ist ökologisch höchst problematisch, allein auf diesem Wege Unkrautbekämpfung zu betreiben. Gleichzeitig sind bei den Genehmigungsbehörden über 500 Anträge für innovative und neue Pflanzenschutzmittel anhängig, und die werden nicht abgearbeitet.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie die Landwirtschaft in Deutschland tatsächlich innovativ machen wollen, dann sorgen Sie dafür, dass den Landwirten auch die Technologien an die Hand gegeben werden, die sie brauchen, um die Herausforderungen tatsächlich bewältigen zu können, die ihnen von Gesellschaft und Politik übergestülpt werden, und sorgen Sie dafür, dass die Genehmigungsbehörden endlich so ausgestattet werden, dass sie den Antragsstau abarbeiten können.
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Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Verstöße gegen fast sämtliche Tierschutzgesetzgebungen in den Betrieben und in den Schlachthöfen, wie wir sie in den letzten Wochen gesehen haben, in Bad Iburg, in Oldenburg und anderswo, sind unerträglich gewesen – ich sage es ganz ausdrücklich –, übrigens auch für die Nutztierhalter in Deutschland. Denn niemand, der selber Tiere hält, will akzeptieren, dass Tiere so geschlachtet werden, wie das auf diesen Aufnahmen zu sehen war, und niemand, gerade aus der Landwirtschaft, will hinnehmen, dass Nutztiere überhaupt so gehalten werden. Ich behaupte, dass die überwiegende Mehrzahl der Betriebe sämtliche Auflagen akribisch einhält. Kein verantwortungsvoller Fleischerzeuger möchte das hinnehmen.
Aber daraus sozusagen die Rechtfertigung abzuleiten, dass es legitim ist, dass privatwirtschaftliche Organisationen in Ställe eindringen, vielleicht Landfriedensbruch oder Sachbeschädigung begehen, das ist der falsche Weg. Ich sage Ihnen: Recht darf nicht privatisiert werden, auch nicht in diesem Bereich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ich behaupte, dass niemand in diesem Hause es rechtfertigen würde, wenn sogenannte Bürgerwehren behaupten würden, dass die Polizei nicht in der Lage sei, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, um sich dann entsprechend aufzumachen. Niemand in diesem Hause fände es richtig, wenn dann privatwirtschaftliche Organisationen, in diesem Fall private Bürgerwehren, glaubten, Recht sprechen oder Kriminalität verhindern zu können. Das ist allein Aufgabe des Staates; das muss Aufgabe des Staates sein. Das gilt übrigens auch für die Einhaltung von Tierwohlstandards und Tierschutzkriterien.
Wir brauchen keine privatwirtschaftlichen Organisationen, sondern wir müssen endlich die Veterinärbehörden in die Lage versetzen, möglichst viele dieser Missstände – 100 Prozent wird man nie schaffen – aufdecken zu können. Dafür müssen sie effizienter werden. Dafür muss man auch Geld in die Hand nehmen. Das wird Geld kosten. Uns ist es das wert. Deswegen werden wir einen entsprechenden Antrag zu diesem Thema einbringen.
Vielen Dank.
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Danke. – Nächste Rednerin ist Dr. Kirsten Tackmann für die Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Trotz Erhöhung auf 6 Milliarden Euro bleibt der Etat für Ernährung und Landwirtschaft weiter eher eine kleine Kasse im Bundeshaushalt. Allein das Verteidigungsministerium bekommt 4 Milliarden Euro zusätzlich. Das finde ich echt absurd.
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Ja, der Bereich Agrar bekommt auch noch aus Brüssel und aus den Bundesländern Geld. Trotzdem geht es vielen Agrar- und Gartenbauunternehmen nicht gut und auch vielen Menschen in den Dörfern und kleinen Städten nicht. Ich wohne selbst in einem kleinen Dorf in Nordwestbrandenburg mit etwa 50 Mitmenschen. Ich erlebe, wie schwierig der Alltag in meiner Nachbarschaft oft ist, weil Arbeitsplätze weit weg sind und schlecht bezahlt werden, weil Arzt, Apotheke, Kita oder Schule schwer erreichbar sind, weil kein Dorfladen, nicht mal eine Kneipe existiert. Aber dort wohnen nicht nur Leute, die nicht schnell genug weggekommen sind, weil sie alt, doof oder krank sind. Dort wohnen Leute wie ich, und wir wollen dort wohnen bleiben.
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Unterdessen flüchten sogar Menschen aus den Speckgürteln und den Metropolen wieder aufs Land, zum Beispiel auf der Flucht vor explodierenden Mieten. Hier gibt es dann auch wieder die Angst vor der Verdrängung; denn nicht überall in den ländlichen Räumen sind Wohnungsleerstand und Abrissnotwendigkeit vorhanden.
Ich erlebe eben auch, dass sich Natur und Landwirtschaft verändern. Frühere Allerweltsarten verschwinden, von Schmetterlingen und Insekten ganz zu schweigen. Dafür machen sich Investoren in Agrarbetrieben breit, die mit uns vor Ort nichts zu tun haben.
Nein, es reicht nicht, nur über diese Probleme zu reden; es muss endlich gehandelt werden.
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Es ändert sich viel zu wenig und zu langsam, und auch der Bund muss noch mehr tun. Dabei geht es nicht nur um mehr Geld; das Geld muss auch leichter zugänglich sein – meine Kollegin Heidrun Bluhm hat dazu schon etwas gesagt –, und wir wollen in den Dörfern auch selber entscheiden, wo es gebraucht wird. Das Regionalbudget ist ein Angebot; aber wir werden sehr genau gucken, was daraus wird.
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Lebendige Dörfer sind kein Selbstzweck; hier wird die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Aber die Fachkräftesuche wird für Agrarbetriebe noch schwieriger, wenn es kein gutes Leben vor Ort gibt. Ohne Einkommen, Wohnung, Bus, Bahn, Ärztinnen und Ärzte, Kita und Schule in der Nähe wird man im Dorf nicht leben können. Aber ohne intakte Natur wird man dort nicht leben wollen – und das zu Recht.
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Nein, das alles sind nicht nur Aufgaben der Agrarministerin; das ist klar. Und ja, sie hat ein schweres Erbe übernommen. Trotzdem: Guter Wille allein reicht nicht,
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erst recht nicht, wenn der Etat der Ministerin deutlich höher ist als der ihrer Vorgängerinnen.
Ja, mehr Geld für Tierwohl zum Beispiel und Beratung in den Betrieben ist richtig und gut. Aber wenn weiter die sinnvollsten Tierschutzlösungen durch Handels- und Schlachthofkonzerne blockiert werden, dann ist das für mich als Tierärztin unerträglich.
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Ferkel müssen nicht chirurgisch kastriert werden; auch männliche Küken müssen nicht getötet werden, weder vor noch nach dem Schlupf.
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Dass Schäfereien notwendige Hilfe bis auf ein paar Krümel weiter verweigert wird, ist eine Schande. Ihre schwierige Einkommenssituation ist seit Jahren bekannt, und sie ist unverschuldet; denn sie sind die großen Verlierer der EU-Agrarförderung. Sie bekommen zu wenig Geld für ihre schwere, aber für uns sehr wichtige Arbeit, für die Pflege der Kulturlandschaft, der Deiche und der vielfältigen Natur. Weder für Wolle noch für Fleisch noch für den Herdenschutz werden sie angemessen bezahlt. Die Folgen dieser falschen Politik sind Existenzverlust, Altersarmut und eine wachsende Fachkräftelücke – trotz großem Interesse an diesem Beruf. Ich finde, das ist unverantwortlich.
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Der Antrag der Linken für ein Bundesprogramm Weidetierhaltung mit 50 Millionen Euro ist leider wieder abgelehnt worden,
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ebenso das seit Jahren geforderte Herdenschutzkompetenzzentrum. Das Milliönchen der Koalition für ihr sogenanntes Bundesprogramm „Wolf“ ist nicht mal ein Tropfen auf den überhitzten Stein; es ist möglicherweise aber der Tropfen, der in den Schäfereien das Fass zum Überlaufen bringen kann. Deswegen und nicht nur deswegen werden wir den Haushalt ablehnen.
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Vielen Dank. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Markus Tressel von Bündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Geld für unsere ländlichen Räume, und es gibt es doch nicht. Das ist die Botschaft, die dieser Haushalt aussendet. Neben den Mitteln für BULE sind im Haushalt 150 Millionen Euro im Sonderrahmenplan eingestellt worden. Das ist ein klitzekleiner Anfang, Herr Haase; das ist aber kein großer Wurf. Wenn man sich anschaut, wofür Sie in diesem Haushalt viel größere Summen ausgeben: Hier hätte man für die Menschen in den ländlichen Räumen ein Zeichen setzen können, und zwar am besten ein Ausrufezeichen. Das haben Sie mit diesem Haushalt verpasst.
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Noch dazu ist unklar, Herr Staatssekretär, wofür genau Sie das Geld ausgeben. Das hat uns die Ministerin auch auf hartnäckiges Nachfragen immer noch nicht so richtig verraten können. Die Frage ist vor allem: Wird das Geld sein Ziel, also die ländlichen Räume, überhaupt erreichen – ohne Grundgesetzänderung und ohne Öffnung der GAK? Die hat die Koalition schon 2013 versprochen. 2018 haben Sie es wieder in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Wie es jetzt aussieht, werden Sie es in diesem Jahr wieder nicht klären können. Ich habe den Eindruck: Sie wissen aktuell scheinbar überhaupt nicht, wie Sie sinnvoll fördern sollen und können. Wichtig wäre es jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich bei Problemen, mit denen die Menschen vor Ort tagtäglich konfrontiert sind, zeitnah etwas verbessert.
Nehmen Sie beispielsweise das regionale Lebensmittelhandwerk. Was ist denn mit den Bäckereien und Fleischereien, die dort, wo es sie überhaupt noch gibt, oft die letzte Nahversorgungsquelle im Dorf sind? Die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. Diese Entwicklung ist dramatisch, nicht nur für die Nahversorgung. Wenn sich an den unverhältnismäßig hohen bürokratischen Belastungen nichts ändert, dann wird es dieses Lebensmittelhandwerk bald nicht mehr geben, und das wäre fatal; denn die Innovationskraft und das Know-how der handwerklich tätigen Betriebe im Lebensmittelbereich sind wichtig für einen Wandel in der Land- und Ernährungswirtschaft, und sie sind auch wichtig für den Erhalt der Lebensqualität vor Ort. Da erkenne ich Ihr Bemühen beim besten Willen nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Herr Staatssekretär, zu Ihrer Land-Milliarde – Sie haben sich ja nur sehr knapp geäußert zum Thema „ländlicher Raum“ –: Wenn man genau hinguckt, sieht man: Das ist ja gar keine ganze Milliarde über die komplette Wahlperiode. Das ist vielleicht ein Anfang, aber es ist auch nicht mehr. Und das alleine wird uns nicht wirklich weiterbringen, zumal das Geld ja in der Form, wie es heute da ist, oft auch nicht abgerufen wird. Was wir da brauchen, ist ein Umbau – Stichwort: GAK-Öffnung – und vor allem eine Vereinfachung der Förderlandschaft. Kollegin Tackmann hat es ja angesprochen: Das Geld muss dort ankommen, wo es wirklich gebraucht wird. Davon sind wir heute noch ein ganzes Stück weit entfernt.
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Die ländlichen Räume sind divers und haben unterschiedliche Problemlagen. Sie haben jetzt eine Kommission eingerichtet, was wir ausdrücklich begrüßen. Da gibt es, in die Zukunft gerichtet, viel zu diskutieren. Trotzdem sind aber die Probleme doch lange bekannt, und konkrete Lösungsansätze wären auch ohne Kommission, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon längst greifbar gewesen. Deswegen darf man jetzt an dieser Stelle nicht auf die Kommission warten. Wir verlieren weiter wertvolle Zeit.
Um Lebensqualität auf einem gleichwertigen Niveau sicherzustellen, brauchen wir zeitgemäße Konzepte auch für Arbeit im ländlichen Raum. Wir brauchen gute Pflege und die Möglichkeit, sich auch wohnortnah mit dem Nötigsten zu versorgen. Wir brauchen Angebote für Familien mit Kindern und Mobilitätskonzepte für die ländlichen Räume, kurz: Wir brauchen einen Dreiklang aus einer „Willkommen zurück!“-Kultur, aus Familienfreundlichkeit und Lebensqualität. Das wuppen Sie nicht in diesem Tempo, mit dem Sie unterwegs sind, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
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Wenn wir sehen, dass die Menschen oft ehrenamtlich vorangehen, wenn es darum geht, den ländlichen Raum zu erhalten, dann müssen wir auch diesen Menschen helfen. Wir dürfen sie nicht alleinlassen. Die fühlen sich aber mit dem hochkomplexen Fördersystem, das wir heute haben, oft alleingelassen. Wenn wir tragfähige Strukturen gerade auch im Bereich der Grundversorgung aufbauen wollen, dann muss es eine entsprechende Unterstützung geben, die gut zugänglich ist. Wir brauchen mehr als Projektförderung in diesem Bereich. Wir müssen Schluss machen mit der Projektitis, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Deshalb wollen wir auch einen Teil der im Sonderrahmenplan neu eingestellten Mittel für den Aufbau einer dritten Gemeinschaftsaufgabe zur regionalen Daseinsvorsorge nutzen, also für ein gezieltes Unterstützungsangebot an die Länder und Kommunen, die Grundversorgung in strukturschwachen ländlichen Räumen langfristig zu sichern. Das wäre ein Fortschritt, aber – das muss man deutlich sagen – Sie reden bisher nur. Das ist außerordentlich bedauerlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich sage auch das ganz deutlich – die Ministerin ist heute nicht da –: Die Hoffnung war ja groß bei dem einen oder anderen, die Enttäuschung wird es am Ende auch sein. Wenn Ihnen die ländlichen Räume wirklich so wichtig sind, wie Sie immer sagen, dann lassen Sie Ihren Worten jetzt Taten folgen, und zwar nachvollziehbar, auch ordentlich ausgestattet; denn sonst bleibt auch in diesem Haushalt wieder einmal nur die Botschaft, dass Sie den Menschen etwas versprechen, das Sie nachher nicht zu liefern bereit sind. Und das kann kein Mensch in dieser Situation gebrauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Albert Stegemann für die Fraktion CDU/CSU.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundeshaushalt 2019 gibt Rückenwind für unsere Bauernfamilien, für Waldeigentümer, für Verbraucher und für mehr als die Hälfte unserer Bürgerinnen und Bürger, also für die, die in den ländlichen Regionen leben.
Wir sind hier mitten in Berlin, und da müssen wir feststellen, dass viele Menschen in der Großstadt heute keinen persönlichen Bezug mehr zur Landwirtschaft haben. Viele haben romantische Bilder vor Augen, wie es sie vielleicht noch in Kinderbüchern geben mag; aber mit der Realität von moderner Technik auf dem Acker und im Stall hat das nichts zu tun. Darunter leidet leider die Akzeptanz für die heutige Landwirtschaft.
Auf der anderen Seite verzweifeln viele landwirtschaftliche Familien daran, wie sie den wechselnden gesellschaftlichen Erwartungen gerecht werden können. Wenn wir die Akzeptanz für die Arbeit und das Engagement der vielen Familien in der Landwirtschaft stärken wollen, dann müssen wir die Menschen wieder zusammenbringen. An dieser Stelle danke ich ausdrücklich unserer Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Ihre Fähigkeit, die unterschiedlichsten Belange der Branche und der Gesellschaft zusammenzuführen und zu versöhnen, ist einzigartig und wirklich eine große Chance für uns alle.
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Dennoch gibt es auch viele Herausforderungen. So müssen zum Beispiel Landwirte beim Umgang mit den begrenzten Ressourcen und mit ihren Tieren noch besser werden. Mit einer Präzisionslandwirtschaft 4.0 ist es möglich, Lebensmittel noch effizienter und ressourcenschonender herzustellen. Zum Beispiel ist eine präzise Anwendung von Pflanzenschutzmitteln möglich, die unter dem Leitbild „So wenig wie irgend möglich, so viel wie unbedingt nötig“ steht. Deshalb haben wir die Mittel im Bereich der Digitalisierung aufgestockt. Das sind Zukunftsinvestitionen, die sich auszahlen werden.
Meine Damen und Herren, laut BMEL-Ernährungsreport 2018 erwartet fast jeder zweite Deutsche umweltschonende landwirtschaftliche Produktionsmethoden. Bei einer Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen im Jahr 2050 geht das nur mit weiteren Innovationen. Hier ist in erster Linie die Wirtschaft selbst gefragt. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer und auch nicht die bessere Forschungsabteilung. Er kann aber Anschubhilfe leisten. Deshalb hat das BMEL bei der Erarbeitung einer Ackerbaustrategie die volle Unterstützung unserer Fraktion.
Eines muss ich an dieser Stelle aber ganz deutlich sagen: Der Umweltschutz darf nicht dazu führen, dass sich am Ende die deutschen Landwirte auf der Liste der ausgestorbenen Arten wiederfinden.
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Es kann nicht sein, dass das Umweltbundesamt bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zurzeit in etwa 70 Fällen die gesetzlichen Fristen überschreitet. Schlimmer noch: Seit 2009 sind über 1 100 Anträge gestellt worden. In keinem einzigen Fall ist die Zulassung in den gesetzlichen Fristen erteilt worden. Das ist ein Skandal und nicht unser Anspruch hinsichtlich ordentlicher Arbeit.
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Ich erwarte, dass alle Zulassungsbehörden, insbesondere das Umweltbundesamt, ihre Arbeit in den gesetzlichen Fristen erledigen. Behörden sollen den Bürgern dienen und eben nicht Politik durch die Hintertür machen.
Ich möchte einen weiteren wichtigen Punkt der Ackerbaustrategie ansprechen. Auch Pflanzen müssen gut versorgt werden. Dafür ist eine effiziente und nachhaltige Düngung notwendig. Nährstoffe müssen aber bei den Pflanzen ankommen und nicht im Grundwasser. Genau deshalb haben wir erstmals Mittel für ein Programm zur Verbesserung der Gewässergüte vorgesehen. Damit unterstützen wir die Innovationsförderung zur Gülleaufbereitung. Dies dient der Umsetzung der Nitratrichtlinie und dem Ersatz von Mineraldünger. Das ist tatsächlich wirkungsvoller gelebter Grundwasserschutz.
Aber nicht nur für den Acker, sondern auch für unsere Nutztiere setzt der Bundeshaushalt Prioritäten. Erstmals stellen wir 15 Millionen Euro für ein Bundesprogramm Nachhaltige Nutztierhaltung zur Verfügung. Aber auch digitale Systeme werden dazu beitragen, die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere weiter zu verbessern. So ist es heute mit Sensoren bei jedem einzelnen Tier möglich – insbesondere bei Rindern, aber die Techniken werden ausgeweitet –, Krankheiten frühzeitig festzustellen.
Tierwohl und Tierschutz können aber nur mit den Landwirten gelingen und nicht gegen sie. Dies gilt im Übrigen auch für den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration. Ich danke unserem Koalitionspartner ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit in diesem Punkt.
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In den kommenden zwei Jahren darf sich jedoch niemand zurücklehnen. Alle Akteure, von der Forschung bis zum Handel, sind nun gefordert. Wir stellen 38 Millionen Euro für die Umstellung zur Verfügung; denn die Landwirte brauchen schnellstmöglich praxistaugliche und vom Kunden akzeptierte Verfahren. Das wäre dann ein echter Beitrag für mehr Akzeptanz der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Deutschland.
Meine Damen, meine Herren, wir wollen gemeinsam mit der Branche, mit der Landtechnik und den Verbrauchern daran arbeiten, dass junge Menschen auch in Zukunft frohen Mutes den Beruf des Landwirts ergreifen. Dabei müssen sie effizient arbeiten und zugleich den gesellschaftlichen Anforderungen besser gerecht werden können. Als Union unterstützen wir dazu die notwendigen Veränderungsprozesse. Der Bundeshaushalt 2019 ist dafür ein strategischer Fahrplan.
An dieser Stelle danke ich ausdrücklich unserem Haushaltsberichterstatter Christian Haase und unserem haushaltspolitischen Sprecher Eckhardt Rehberg.
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Sie haben sich wirklich unermüdlich für die Menschen auf dem Land eingesetzt. Mein Dank geht zugleich an unsere stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann, die gemeinsam mit unseren Haushältern für zusätzliche Mittel gekämpft hat, um die Akzeptanz moderner, nachhaltiger Landwirtschaft in der Gesellschaft zu stärken.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Ursula Schulte für die Fraktion der SPD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zu Ihnen, Herr Stegemann, und zum Thema Ferkelkastration. Das war ein bisschen vergiftetes Lob in unsere Richtung, das muss ich ganz ehrlich sagen. Wir haben gelitten unter dieser Entscheidung, das kann ich Ihnen versichern. So was machen wir wahrscheinlich nicht noch einmal. Aber das Lob war nett gemeint, nehme ich an.
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Im Einzelplan 10 gibt es einige Haushaltsstellen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und zur gesunden Ernährung, über die ich mich sehr freue. Auf einige Punkte möchte ich etwas näher eingehen und mich dabei auf das Thema Ernährung konzentrieren; das spielt hier ein bisschen eine stiefmütterliche Rolle – Herr Fuchtel hat es noch mal am Rande erwähnt –, aber es heißt ja Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Der Datenreport 2018 macht noch einmal deutlich, dass sich Kinder aus überforderten Familien häufig ungesund ernähren und mit Übergewicht zu kämpfen haben. Die SPD-Fraktion will und kann das nicht länger hinnehmen. Frau Klöckner bezeichnet ihr Ministerium ja gerne als Lebensministerium – ein schöner Name. Daraus folgt aber auch die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass sich alle Menschen unabhängig vom Einkommen gesund ernähren können. Da ist noch eine ganze Menge zu tun, und daran können wir gerne gemeinsam arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Reduktionsstrategie, die CDU/CSU und SPD miteinander vereinbart haben, hat mittlerweile zu einer Grundsatzvereinbarung mit der Lebensmittelwirtschaft geführt. Das ist ein erster richtiger Schritt hin zu weniger Zucker, Salz und Fett in Fertigprodukten. Diese Grundsatzvereinbarung sollten wir auch nicht geringschätzen; denn immerhin ist sie das Eingeständnis der Lebensmittelwirtschaft, mitverantwortlich für das Übergewicht in unserem Land zu sein. Wir als SPD-Fraktion halten allerdings daran fest, dass verbindliche Reduktionsziele auf wissenschaftlicher Basis besser sind als jede freiwillige Vereinbarung.
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43 Prozent der Frauen, 62 Prozent der Männer und 15 Prozent der Kinder in Deutschland gelten als übergewichtig. Gerade die Kinder sollten wir besonders in den Blick nehmen. Daher finde ich das geplante Verbot von Zucker in Säuglings- und Kindertees folgerichtig. Die EU will zudem eine Regelung für Kinderkekse und Kinderzwieback auf den Weg bringen. Darüber bin ich froh; dennoch, finde ich, greift das alles viel zu kurz. Es gibt doch keinen einzigen vernünftigen Grund dafür, Kinderlebensmittel mit dermaßen hohem Zuckeranteil auf den Markt zu bringen. Wir sollten – ich werbe ausdrücklich dafür – Zucker in allen Kindernahrungsmitteln verbieten oder wenigstens auf ein Minimum beschränken. Auch die Werbung für Kinderprodukte gehört reguliert. Mein Vorschlag wäre: Wir erlauben Werbung für gesunde Kindernahrungsmittel und verbieten Werbung für die Zuckerbomben. Andere Länder gehen bereits diesen Weg.
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Ich verstehe nicht, warum wir hier so zögerlich sind.
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Die Deutschen trinken gerne zuckergesüßte Getränke; beim Konsum liegen wir europaweit an dritter Stelle. Hier könnten wir ganz schnell den Zuckeranteil reduzieren; denn die Rezeptoren sind einfacher zu verändern als bei anderen Produkten. Aber bitte nicht den Zucker durch Süßstoff ersetzen. Zuckergesüßte Getränke gehören genauso verboten wie Zucker in Säuglings- und Kindernahrung. So würden wir Übergewicht, Diabetes und Karies wirklich den Kampf ansagen.
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Wir wollen aber – das ist mir wichtig zu betonen – keine Zuckerpolizei und kein Verbotsstaat werden. Aber wir wollen Kinder vor ungesunden Lebensmitteln schützen und den Erwachsenen helfen, sich gesünder zu ernähren. Das nenne ich dann gute Politik für die Menschen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich noch kurz auf die landwirtschaftliche Sozialpolitik eingehen, die ja den Großteil unserer Haushaltsmittel, nämlich über 4 Milliarden Euro, im Einzelplan 10 bindet. Wenn dieser Aufgabenbereich wegfallen würde, hätte das wahrscheinlich auch Folgen für das Ministerium. Die Hofabgabeklausel wird bald Geschichte sein, da bin ich mir total sicher. Das wird natürlich auch Folgen für die sozialen Sicherungssysteme der Landwirtschaft haben.
Die sozialen Sicherungssysteme der Landwirtschaft beruhen genau wie alle anderen sozialen Sicherungssysteme auch auf der Solidarität der Versicherten. Wenn sich immer mehr Menschen dieser Solidarität entziehen, kippt das System. Das gilt natürlich auch für die SVLFG. Entweder gelingt es uns, die SVLFG an die veränderten Bedingungen anzupassen und zukunftsfest zu machen, oder wir müssen über dieses Sondersystem ganz neu nachdenken. Nur zu fordern, dass sie eigenständig bleibt, reicht da nicht aus. Ich sehe bei der SVLFG Ansatzpunkte genug, zum Beispiel als Player im ländlichen Raum. Darüber sollten wir gemeinsam nachdenken.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Artur Auernhammer für die Fraktion CDU/CSU.
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Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ein allerherzliches Vergelts Gott an unsere Haushälter, die uns in diesem Jahr bereits den zweiten Bundeshaushalt vorgelegt haben. Herzlichen Dank dafür.
Ein Bundeshaushalt im Agrarbereich von über 6,2 Milliarden Euro ist nur möglich, weil wir so viele Steuergelder einnehmen. Das sollte man an dieser Stelle auch mal erwähnen. Wir haben so hohe Steuereinnahmen, weil unsere heimische Wirtschaft so gut unterwegs ist, weil Deutschland wirtschaftlich so leistungsfähig ist. Zu dieser Leistungsfähigkeit tragen auch die deutsche Landwirtschaft, die deutsche Forstwirtschaft und die deutsche Ernährungswirtschaft bei, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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Wir haben aber gerade in diesem Jahr erlebt, dass Rekordernten keine Selbstverständlichkeit sind. Vielleicht sind auch irgendwann volle Lebensmittelregale keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Trockenheit in diesem Jahr hat uns gezeigt: Der Klimawandel ist komplett bei uns angekommen; der Klimawandel beschäftigt uns sehr. Da ist es richtig und wichtig, dass wir Entschädigungsmaßnahmen im Haushalt vorsehen. Dabei müssen wir aber langfristig denken und über andere Risikoabsicherungsmodelle in der Landwirtschaft nachdenken,
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und wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir unsere Land- und Forstwirtschaft klimatoleranter machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, beim Ackerbau nehme ich den Pflug, säe neu an, und dann wächst wieder etwas oder auch nicht. Im Forstbereich aber wachsen Bäume über Jahrzehnte. Sie vergessen dieses Trockenjahr so schnell nicht. Deshalb müssen wir wirklich intensiver über einen klimatoleranten Waldumbau nachdenken. Dazu gehören viele Punkte, unter anderem: unterschiedliche Baumarten und die Nutzung unserer Wälder. Da müssen wir noch mehr liefern.
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In der Klimapolitik wird oft darüber diskutiert, dass auch die Landwirtschaft am Klimawandel schuld ist. Das will ich gar nicht so sehr in Abrede stellen. Aber die Landwirtschaft ist auch Teil der Lösung in der Klimapolitik.
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Die Landwirtschaft ist der einzige Wirtschaftsfaktor in Deutschland, der aus CO 2 Sauerstoff produzieren kann – durch die Bewirtschaftung der Wiesen, der Felder und Wälder. Das kann nur die Landwirtschaft. Das müssen wir in Zukunft stärker in den Fokus nehmen. Deshalb sag ich herzlichen Dank dafür, dass für die Ackerbaustrategie 5 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt werden. Das müssen wir auch in Bezug auf den Klimawandel sehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich selbst bin überzeugt, dass die Digitalisierung der Landwirtschaft einen stärkeren Wandel in der Landwirtschaft bringen wird als die Umstellung vom Pferd zum Schlepper. Die Digitalisierung wird unsere Landwirtschaft massiv verändern. Wir sehen schon sehr viele Ansatzpunkte und sehr viele Lösungsansätze.
Wir haben gerade letzte Woche auf der EuroTier gesehen, dass sich selbst in der Tierproduktion hochinnovative Entwicklungen vollziehen. Ich bin mir mit dem Kollegen Spiering einig: Da müssen wir auch als Koalition noch bessere, zielführendere Antworten liefern. Gerade mit Blick auf die Umwelt und den Klimawandel sind wir gefordert. Ich denke, da sind wir auf einem guten Weg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Kollegin Schulte hat das landwirtschaftliche Sozialsystem angesprochen. Ja, da liegt eine große Verantwortung bei uns. Wir haben als Haushälter, als Gesetzgeber die Verantwortung, den Strukturwandel mit Finanzmitteln zu begleiten. Ich bin gern gesprächsbereit in Sachen „Hofabgabeklausel“. Da sind wir, glaube ich, zielorientiert unterwegs. Ich denke, da werden wir auch in nächster Zeit liefern.
Sie haben außerdem den Themenkomplex „Ernährung“ angesprochen. Es ist richtig, dass wir über die Zusammensetzung von Lebensmitteln diskutieren. Es ist richtig, dass wir darüber diskutieren, wie viel Zucker in den Lebensmitteln enthalten ist, aber wir sollten auch über Ernährungskompetenz diskutieren.
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Es darf nicht sein, dass wir jeder einzelnen Kilokalorie einen Namen geben, dabei aber nicht darüber nachdenken, dass wir uns angesichts der Nahrungsmittel, die wir aufnehmen, eigentlich viel zu wenig bewegen. Wir merken, dass viele Kleinkinder nicht mehr in der Lage sind, einen Purzelbaum zu schlagen. Ich will jetzt keinen vorführen.
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Sportliche Aktivität – Frau Künast, Sie sind ja auch sehr sportlich unterwegs – ist die Grundlage für eine gesunde Ernährung. Wenn wir uns Überernährung und dergleichen anschauen, dann kann ich nur appellieren: Wir müssen uns mehr bewegen, die Kinder mehr zum Sport bringen, raus auf die Spielplätze, raus auf die Sportplätze, rein in den Wintersport, rein in den Vereinssport. Das ist wichtig und entscheidend, auch für unsere Gesundheit in der Zukunft.
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Also, meine sehr verehrten Damen und Herren: Auf geht’s, mehr bewegen!
Vielen Dank.
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Nach dem Motto: Wer sich mehr bewegt, kann auch mehr essen.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dirk Wiese für die Fraktion der SPD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zum Abschluss der Debatte zum Einzelplan 10 noch einmal drei Punkte hervorheben. Ich glaube, es war ein wichtiges Signal in den Haushaltsberatungen, dass wir innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ 25 Millionen Euro und zusätzliche Ländermittel, verteilt über fünf Jahre, für die Forstwirtschaft bewilligt haben. Ich glaube – auch die Forstwirtschaft hat die Dürreperiode erlebt –, damit haben wir hier ein wichtiges Signal gesetzt, und es hilft den Leuten vor Ort.
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Gleichzeitig ist es auch wichtig, dass wir die Maßnahmen zur Prävention und Anpassung an Extremwetterlagen weiter fördern und ausbauen. Aber hier ist eins wichtig: Wir dürfen nicht nur den Umbau von Wäldern hin zu Laubholz fördern, es muss genauso gut eine Nadelholzförderung möglich sein, weil auch die Douglasie, die nordamerikanische Küstentanne, eine klimaresistente Baumart ist. Diese müssen wir genauso gut mit unseren Haushaltsmitteln fördern wie die anderen Arten.
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Lassen Sie uns aber auch ehrlich sein: Wenn wir einen trockenen Winter erleben, wie er sich momentan abzeichnet, dann werden wir im Frühjahr vor einer großen Herausforderung stehen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen die größte Borkenkäferkalamität seit 1947. Wenn sich dieser trockene Winter einstellt, dann werden wir dieses Thema im Frühjahr wieder auf der Tagesordnung haben; denn dann brauchen wir weitere Mittel für die Forstwirtschaft.
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Lassen Sie mich einen zweiten Punkt ansprechen. Das ist das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung. Vergessen wir nicht, dass es auf sozialdemokratische Initiative hin entstanden ist. Die Aufstockung auf 70 Millionen Euro, die wir im Haushalt beschlossen haben, ist absolut richtig. 13 Regionen profitieren schon jetzt von diesem Programm. Über 190 Projekte des Programmes Ländliche Entwicklung werden gefördert. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Land(auf)Schwung ein Erfolgsmodell ist. Das kommt an in den Regionen.
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Bei mir in Höxter im Hochsauerlandkreis, in Mittelsachsen, auf Vorpommern-Rügen, aber auch im Werra-Meißner-Kreis – um nur einige wenige Regionen zu nennen – wird etwas getan für die Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen im ländlichen Raum und für die Antwort auf die Herausforderung einer alternden Gesellschaft. Es wird aber auch etwas getan für Nachwuchskräfte der Wirtschaft und für das Handwerk im ländlichen Raum sowie für die medizinische Versorgung. Das Thema „weite Anfahrtswege und Mobilität“ spielt ebenfalls eine Rolle.
Darum bin ich erstaunt, dass die AfD, wenn es um die Stärkung des ländlichen Raumes und dieses wichtige Bundesprogramm für die Regionen geht, immer wieder durch ihre Haushaltspolitikerin, die vorhin auch gesprochen hat, die Abschaffung dieses Programms fordert. Das, meine Damen und Herren, ist Politik gegen den ländlichen Raum. Das ist Ihre Politik, die Sie hier im Deutschen Bundestag fordern.
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Lassen Sie mich zum Abschluss als Drittes auf den Sonderrahmenplan Förderung der ländlichen Entwicklung eingehen. Die Mittelaufstockung von 10 auf 150 Millionen Euro ist richtig, aber wir müssen auch ehrlich sein: Es ist lediglich eine Aufstockung bereits existierender Maßnahmen innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Für uns als sozialdemokratische Fraktion ist es hier wichtig, dass wir diese Gelder nicht mit der Gießkanne verteilen, sondern dass wir wirklich eine gezielte Förderung machen. Darum ist der Ansatz der Regionalbudgets, wie der Staatssekretär ausgeführt hat, richtig, und hier muss man auch vorangehen.
Entscheidend ist für uns auch, dass die Mittel der GAK letztendlich auch vor Ort ankommen. Wenn ich mir die grün-schwarze Kontinuität im Landwirtschaftsministerium meines Heimatbundeslandes Nordrhein-Westfalen anschaue, dann sind dort seit 2014 unter grüner und schwarzer Verantwortung knapp 50 Millionen Euro Bundesmittel nicht in Anspruch genommen worden
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und damit Chancen für den ländlichen Raum verbaut worden. Diese Politik in grüner und CDU-Verantwortung ist fahrlässig. Hier müssen wir vonseiten des Bundes gemeinsam Druck machen, damit diese Mittel auch abgerufen werden. Ich glaube, hier liegt noch einiges brach.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10 – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft – in der Ausschussfassung. Wer stimmt für diesen Einzelplan? – Das sind die Fraktionen von SPD und CDU/CSU. Wer stimmt gegen diesen Einzelplan? – Das sind die Fraktionen von AfD, FDP, Grünen und Linken. Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Einzelplan 10 angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 21. November 2018, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Schönen Feierabend.
(Schluss: 18.55 Uhr)