Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Heute steht der Bericht zur Evaluation des sogenannten ESUG auf der Tagesordnung – nach fünf Jahren des Bestehens dieses Gesetzes. Dieses Gesetz ist eingeführt worden unter anderem nach den Erfahrungen der Finanzkrise, die ja vor zehn Jahren auf ihren Höhepunkt zusteuerte und dann auch begann, sich stärker auf die Realwirtschaft auszuwirken, auch mit einer hohen Zahl von Insolvenzen.
Wir haben vorher schon gesehen, dass nach der deutschen Mentalität Insolvenzen immer diesen Makel des Scheiterns an sich haften hatten, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, wo das immer auch als eine Chance für einen Neuanfang gesehen wurde. Deshalb wurde 2012 das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, dieses ESUG eben, in Kraft gesetzt. Das Ziel war es, dass man die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Sanierung notleidender Unternehmen verbessert und dafür sorgt, dass das Insolvenzverfahren stärker als vorher auch eine Chance zur Sanierung des Unternehmens ist. Dazu wurden in dem Gesetz verschiedene Maßnahmen ergriffen.
Beispielsweise wurden die Rechte der Gläubiger bei der Auswahl des Insolvenzverwalters gestärkt oder die Gestaltungsmöglichkeiten bei sogenannten Insolvenzplanverfahren erweitert, also Verfahren, bei denen der Schuldner eine Sanierung auf der Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich zu beschließenden Plans anstrebt.
Die Eigenverwaltung wurde gestärkt, also die Möglichkeit, ohne Bestellung eines Insolvenzverwalters dem Schuldner eine eigenverantwortliche Gestaltung des Sanierungsprozesses zu ermöglichen. Hintergedanke war unter anderem, auch einen Anreiz zu schaffen, dass Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten möglichst frühzeitig einen Insolvenzantrag stellen und nicht, wie es bis dahin oft der Fall war, versuchen, diesen möglichst lange hinauszuzögern.
Der Deutsche Bundestag hat damals mit Erlass des Gesetzes die Bundesregierung beauftragt, das Gesetz nach fünf Jahren zu evaluieren und dem Bundestag Bericht zu erstatten. Das machen wir. Beauftragt wurde mit diesem Gutachten eine Forschergruppe. Das Gutachten kommt im Kern zu einem positiven Ergebnis: Die durch das ESUG eingeführten Änderungen im Insolvenzrecht sind von der Praxis durchweg positiv aufgenommen worden, wobei das je nach Gruppe – in welcher Art und Weise man mit dem Gesetz befasst war – durchaus variiert. Das Gesetz wird mehrheitlich als ein wichtiger Meilenstein für eine positive Veränderung der Insolvenzkultur angesehen, also Abkehr von dem Credo des Scheiterns hin zu einem konstruktiven Neuanfang für ein Unternehmen.
Auch international sehen wir diese Auswirkungen. Die Weltbank hat ein Ranking erstellt, das sogenannte „Doing Business“-Ranking. Dort nahm Deutschland vor Inkrafttreten des ESUG den 36. Platz ein, und inzwischen kommt Deutschland dort in der Kategorie „Insolvenzrecht“ auf den 4. Platz.
Dementsprechend wird eine Rückkehr zum früheren Recht im Gutachten auch nicht befürwortet. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterbreiten eine Vielzahl von Verbesserungsvorschlägen für die Fortentwicklung des Rechtsrahmens; aber die grundsätzliche Ausrichtung des ESUG wird an keiner Stelle infrage gestellt.
Ich will da nur ein Beispiel nennen, nämlich das Insolvenzplanverfahren; das habe ich ja eben schon kurz erläutert. Als Ergebnis der Befragung von Expertinnen und Experten zeigt sich, dass das Insolvenzplanverfahren im Wesentlichen gut funktioniert, dass die praktische Bedeutung dieses Planverfahrens gewachsen ist und dass die neugeschaffenen Möglichkeiten, mittels eines Insolvenzplans in die Rechte der Gesellschafter einzugreifen, laut Gutachten nahezu allgemein begrüßt werden.
Gleichzeitig zeigt sich, dass diese neuen Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis bei einer Vielzahl von gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen genutzt werden, zum Beispiel bei Anteilsübertragungen, Kapitalschnitten und Umwandlungen. Daraus entstehen für uns bei der Evaluation natürlich auch Fragestellungen, denen wir weiter nachgehen werden.
Welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind und wo möglicherweise gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, werden wir jetzt naturgemäß genau prüfen. Dafür sind solche Evaluationen da.
Wir werden dabei auch auf die europäischen Vorgaben einzugehen haben. Schon morgen werden wir im JI-Rat in Luxemburg hoffentlich bzw. voraussichtlich eine Einigung über eine europäische Richtlinie zur Restrukturierung, Entschuldung und Insolvenz erzielen. Ratspräsidentschaft und Kommission beabsichtigen, das Gesetzgebungsverfahren noch vor dem Ende der europäischen Legislaturperiode im Mai 2019 zum Abschluss zu bringen.
Für uns hier ist von besonderer Bedeutung, dass der Richtlinienvorschlag in Titel II Vorgaben für die Einführung eines Sanierungsverfahrens enthält, das bereits im Vorfeld einer Insolvenz greifen soll. Damit soll es wirtschaftlich tragfähigen Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten ermöglicht werden, eine Insolvenz ganz abzuwenden und sich außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu sanieren. Wir werden bei der Umsetzung dieser Vorgaben natürlich darauf achten, dass sich dieses vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren mit den durch das ESUG geschaffenen Instrumenten zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügt. Wir haben in den Verhandlungen dafür gesorgt, dass wir die dafür notwendigen Gestaltungsspielräume haben, und wir werden bei den Trilogverhandlungen natürlich darauf achten, dass sie auch erhalten bleiben.
Die Erkenntnisse aus dem heute vorgestellten Evaluationsbericht werden bei der Ausfüllung dieser Spielräume einen wichtigen Beitrag leisten und in Überlegungen über mögliche Anpassungen unseres nationalen Insolvenzrechts natürlich einfließen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Die erste Frage stellt der Abgeordnete Seitz, AfD.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Ministerin, mit dem ESUG wurde durch die Stärkung der Verfahrensart Eigenverwaltung letztlich die Gestaltungsmacht zugunsten von Verwaltern und Gläubigern verschoben. Als Folge ist jedoch die Bedeutung der Kontrollfunktion des Insolvenzrichters gestiegen. In den mir persönlich zugegangenen Rückmeldungen aus der insolvenzrechtlichen Praxis wurde kritisch angemerkt, dass viele Insolvenzrichter ihrer Kontrollfunktion nicht gerecht werden und, salopp gesagt, manchmal einfach genauer hinschauen müssten. In der Stellungnahme des DAV zur durchgeführten Evaluation wurde dies näher ausgeführt und insbesondere betont, dass in manchen Bezirken die dem Gericht unterbreiteten Vorschläge fast reflexartig übernommen würden.
Deshalb meine Frage – ganz kurz –: Wird von Ihnen erstens die Feststellung eines richterlichen Kontrolldefizits geteilt? Und zweitens, ist aus Ihrer Sicht angedacht, die Empfehlung des DAV umzusetzen, oder gibt es bei Ihnen im Hause eventuell sogar darüber hinausgehende eigene Vorstellungen zu Korrekturen der InsO? – Danke.
Ich habe eben schon angedeutet, dass die Rückmeldungen aus den unterschiedlichen Berufsgruppen, die mit dem ESUG befasst sind, durchaus unterschiedlich waren. Wir sehen tatsächlich, dass es in der Gruppe derjenigen, die gerichtlich damit befasst sind – in der Gruppe der Insolvenzrichterinnen und -richter ebenso wie bei denjenigen, die da im nachgeordneten Bereich tätig sind –, mehr Vorbehalte als bei fast allen anderen gibt. Das ist sicherlich ein Punkt, dem wir nachgehen werden.
Ob die Kritik des DAV im Einzelnen berechtigt ist, lässt sich so kurz nach Erscheinen der Studie natürlich nicht sagen. Die Frage aber, wie das konkret durch die Richterinnen und Richter umgesetzt wird, ist natürlich eine Frage, der wir uns im Zuge dieser Evaluation noch mal widmen werden.
Danke sehr. – Jetzt hat das Wort der Kollege Heribert Hirte, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Frau Ministerin, ich glaube, man sollte zunächst mal festhalten, dass das ESUG insgesamt gesehen – das sagt ja wohl auch die Evaluation – ein Erfolg war und dass es mithilft, das zentrale Ziel zu verwirklichen, das dahintersteht, nämlich dass Sanierung vor Zerschlagung geht. Deshalb geht es in erster Linie – so auch die Evaluation – um Detailkritik; Sie haben das teilweise angesprochen.
Ein Punkt, der sich aus den ersten Stellungnahmen abzeichnet – die Evaluation ist ja schon länger im Gespräch –, ist, dass die Eigenverwaltung, eines der zentralen Ziele bzw. eine der zentralen Innovationen des Gesetzes, in erster Linie den großen Unternehmen nutzt und dass kleine und mittelständische Unternehmen aus verschiedenen Gründen dazu nicht den gleichen Zugang haben wie große Unternehmen. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet: Könnte das mit der Kosten- und Vergütungsstruktur zusammenhängen, zum einen aufseiten der Gerichte und zum anderen aufseiten der Verwalter?
Wir haben jetzt den objektiven Befund – das habe ich in meiner Antwort auf mehrere Fragestellungen bereits angedeutet –, wie sich das ESUG im Einzelnen ausgewirkt hat, wo es besser zur Anwendung gekommen ist und wo noch Schwächen sind. Der Frage, warum die Verteilung innerhalb der verschiedenen Unternehmensstrukturen so unterschiedlich ist, müssen wir uns nun im Einzelnen widmen. Sie haben den zeitlichen Ablauf angesprochen. Wir hatten das Gutachten vorliegen. Dann gab es aber innerhalb der Abnahmefrist noch eine Nachfrage wegen einer kleinen Unkorrektheit bzw. eines Zahlenverschiebers. Deswegen wurde es noch einmal zurückgegeben. So lange liegt uns das Gutachten also auch noch nicht vor. Insofern handelt es sich bei Ihrer Frage um eine Frage, die wir künftig klären werden.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Judith Skudelny, FDP.
Vielen Dank. – Meine Frage betrifft tatsächlich den letzten Punkt, den Sie angesprochen haben, und zwar die Parallelität bzw. das Nebeneinander von deutschem Recht und präventiven Restrukturierungsmaßnahmen der EU. Wir haben in Deutschland ein Insolvenzrecht und das ESUG. Parallel dazu haben wir die präventiven Restrukturierungsmaßnahmen der EU, die, wie ich gehört habe, in der vorliegenden Form von Ihnen befürwortet werden.
Im Gutachten lesen wir, dass die Gutachter nicht dazu raten, die präventiven Restrukturierungsmaßnahmen in Teil II mit dem ESUG und dem Insolvenzverfahren zu verschmelzen. Vielmehr soll es eine klare Abgrenzung zwischen präventiven Maßnahmen sowie ESUG und Insolvenzverfahren geben. Von daher frage ich Sie: Wie stellen Sie sich die Schnittstellen vor? In Teilen gibt es ja durchaus Überschneidungen; aber die Gutachter selber sagen, dass wir die Verfahren trennen sollten.
Wir haben uns in dem Verfahren auf europäischer Ebene einen größtmöglichen Spielraum im Hinblick darauf, wie wir das am Ende ausgestalten, erarbeitet; ich habe das bereits angesprochen. Die Vorstellungen liegen bisher ein bisschen auseinander, was das vorgeschaltete Sanierungsverfahren betrifft. Aber wir können nun größtmöglichen Interpretationsspielraum walten lassen, wie wir das in nationales Recht umsetzen. Das werden wir natürlich tun. Wir werden dabei die Empfehlungen der Gutachter auch berücksichtigen. Aber Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich jetzt noch nicht den fertigen Gesetzentwurf vorlege.
Nächste Frage stellt der Kollege Karl-Heinz Brunner, SPD.
Frau Ministerin, vielen Dank für die Einführung zum Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung deutscher Unternehmen. Die Erfolgsgeschichte des ESUG zeigt: Mit diesem Gesetz wurde erreicht, dass bei wirtschaftlichen Schieflagen das Prinzip der Sanierung in den Vordergrund gestellt wurde und dass wirtschaftliche Schieflagen vom Stigma des Bankrotts befreit wurden. Dies hat in mehrfacher Hinsicht gute Auswirkungen. Für mich stellt sich hier die Frage – vielleicht können Sie sie aufgrund des Berichts schon beantworten –, wie sich das ESUG auf den Standort Deutschland und seine Attraktivität und damit auf Unternehmensgründungen in diesem Land ausgewirkt hat.
Das war nicht Gegenstand der Studie. Aber wir standen, wie ich eingangs gesagt habe, international früher mit unserer Art, Insolvenzen sowohl gesellschaftlich als auch rechtlich zu fassen, eher alleine da. Heute wird es eher so gesehen, dass Insolvenzen dazugehören, also wie bei Start-ups, wo man Dinge auch einmal ausprobieren darf und dabei auf die Nase fallen kann, oder dass es Situationen wie die Finanzkrise geben kann, in denen man ohne eigenes Verschulden in Zahlungsschwierigkeiten kommt und möglicherweise sogar in die Insolvenz gehen muss. Mit den nun geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingungen haben wir uns – da ich Justizministerin und nicht Wirtschaftsministerin bin, lehne ich mich damit sicherlich weit aus dem Fenster – dem international investitionsfreundlichen und auch gründerfreundlichen Klima angenähert.
Ich möchte dabei auch den gesellschaftspolitischen Aspekt nicht zu kleinreden. Ich glaube tatsächlich, dass es nicht als Scheitern verurteilt werden darf, wenn man der Grundidee folgt: „Man hat was probiert, man hat sich engagiert, man hat das Beste getan“, und es trotzdem schiefgeht. Davon müssen wir wirklich wegkommen – auch im Interesse unserer Gründerszene und im Interesse unserer Start-up-Szene –, da brauchen wir eine andere gesellschaftspolitische Betrachtungsweise. Auch dafür ist das ESUG ein rechtlicher Ausdruck.
Danke sehr. – Der Kollege Heribert Hirte möchte noch mal eine Frage stellen.
Herr Präsident, vielen Dank. – Ich möchte an den Punkt anknüpfen, den Sie, Frau Ministerin, schon angesprochen haben: dass die Studie bei den verschiedenen Bezugsgruppen unterschiedlich aufgenommen wurde. Sie haben angedeutet – eine Frage hatte sich damit schon befasst –, dass die Justiz, die Richterinnen und Richter, die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, nicht ganz so zufrieden wie andere Bezugsgruppen mit dem Gesetz sind.
Die Frage ist: Haben Sie Erkenntnisse darüber, woran das liegen könnte und ob das vielleicht eine Frage der fehlenden Spezialisierung, der fehlenden Qualifikation in dem Grenzbereich zwischen Recht und, um es nochmals anzusprechen, Wirtschaft ist? Hat Ihr Haus schon eine Einschätzung dazu entwickelt, was man da machen kann, etwa durch Konzentration der Insolvenzgerichte, vielleicht auch durch die Zusammenfassung der entsprechenden Streitsachen in Insolvenzangelegenheiten? Hat es möglicherweise auch Auswirkungen auf die Überwachung der Insolvenzverfahren durch die Justiz, wenn deren Mitarbeiter schlecht ausgebildet sind oder wenn sie keine Ressourcen hat? Dann kann es ja nicht so gut gehen.
Das ist eine Frage, die ein übergeordnetes Thema anspricht: die Spezialisierung in unseren Gerichten. Sie wissen sicherlich, dass das im Rahmen des Paktes für den Rechtsstaat auch für mich ein großes Thema ist. Es betrifft die wirtschaftsrechtlichen Zusammenhänge, aber eben auch viele andere Zusammenhänge. Es gibt viele andere Bereiche, wo man eine Spezialisierung, eine Weiterbildung braucht.
Das Ganze ist bisher von vielen Faktoren in der Justiz abhängig. Ich war selbst auch mal Richterin; ich kann das aus eigenem Erleben sagen: Man hat gut gearbeitet, hat ein gewisses Zeitpensum frei, und dann bekommt man etwas Neues dazu. Zumindest zu meiner Zeit war es dann so, dass man sich im Wesentlichen erst mal selber darum kümmern musste, dass man sich dazu die entsprechende Spezialisierung aneignet. Das ist bei den wirtschaftsrechtlichen Zusammenhängen natürlich in einem besonderen Maße der Fall. Insofern sehe ich mich eigentlich dadurch bestätigt, dass wir die Möglichkeiten der Qualifizierung, der Weiterbildung, der Fortbildung in der Justiz noch weiter intensivieren sollten – aber durchaus über diesen Bereich hinaus.
Die nächste Frage stellt der Kollege Johannes Fechner, SPD.
Darf ich noch einen Satz ergänzen? Das ist vielleicht unüblich, aber ich wollte doch noch sagen, dass die Studie im Großen und Ganzen ergeben hat, dass unsere Richterinnen und Richter und auch die Rechtspflege mit dem Thema sehr kompetent umgegangen sind. – Nur dass da nicht ein falscher Eindruck entsteht.
Das musste gesagt werden, Frau Ministerin.
Danke schön.
Jetzt Kollege Fechner.
Vielen Dank. – Auch wenn es spannendere Themen für die Zuschauerinnen und Zuschauer geben mag, möchte ich Sie dennoch fragen, Frau Ministerin: Wie verhält sich aus Ihrer Sicht das ESUG einschließlich der jetzt vorgenommenen Evaluation zum derzeit verhandelten Vorschlag für eine EU-Restrukturierungs- und ‑Insolvenzrichtlinie? Das würde mich interessieren.
Ein paar Worte habe ich dazu ja schon gesagt. – Ich glaube, es ist gut und richtig, dass sich auf europäischer Ebene mit diesem Thema intensiv befasst wird. Aber es ist eben auch wichtig, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit bekommen, die zu erlassenden europäischen Rechtsakte bestmöglich mit dem nationalen Recht zu verzahnen. Weil wir gerade in diesem Prozess der Evaluierung sind, war es uns wichtig, dass wir uns die Möglichkeit erhalten, nach den Ergebnissen dieser Evaluierung die europäischen Impulse in das nationale Recht zu überführen. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass es gelungen ist, dafür zu sorgen, einen weiten Spielraum bei der Implementierung der Richtlinie zu haben. Ich finde sie wirklich auch gelungen. Ich glaube, dass es da viele gute Ansätze gibt und dass wir das gut zusammenführen können.
Die Kollegin Skudelny möchte noch mal eine Frage stellen. Bitte sehr.
Genau. – Meine weitere Frage bezieht sich auf die tatsächlichen Kosten des ESUG-Verfahrens. Ich bin da über den wunderschönen Satz gestolpert: Der „Wechsel der Verfahrensart“ – das heißt vom ESUG-Verfahren in das Insolvenzverfahren, wenn die Sanierung nicht klappt – „führt zu Disruptionen und wirkt zudem kostenerhöhend“. Im Vorfeld des ESUG-Verfahrens wurde immer wieder die Befürchtung geäußert, dass durch die notwendigen Beratungstätigkeiten, beispielsweise für das IDW S 6-Gutachten und andere Beratertätigkeiten, am Ende die Insolvenzmasse ausgeblutet wird und dass das Vorschalten eines ESUG-Verfahrens ohne Erfolgsaussicht dazu führt, dass die Gläubiger am Ende noch weniger haben, als sie eigentlich hätten haben können. Meine Frage lautet: Sehen Sie das genauso, und was beabsichtigen Sie dagegen zu tun, zugleich aber die Hemmnisse für den Eintritt in das ESUG-Verfahren niedrig zu halten?
Ich habe bereits dargestellt, dass der Tenor des Gutachtens lautet, dass das ESUG ein gutes Gesetz ist und dass es die richtige Grundlage dafür liefert, dass wir im Insolvenzverfahren zu dieser Kulturänderung und auch in stärkerem Maße zur Erhaltung der Unternehmen kommen. Das Gutachten hat einzelne Schwächen des Gesetzes aufgezeigt. Sie haben jetzt zwei Aspekte herausgegriffen. Natürlich werden wir sie uns ansehen. Es ist die Funktion einer solchen Evaluierung, dass wir schauen, ob wir da nachsteuern müssen.
Aber noch einmal: Ich muss um Verständnis dafür bitten – das Gutachten liegt uns erst ein paar Wochen vor –, dass ich Ihnen jetzt nicht sagen kann, wie das Gesetz aussehen wird, mit dem wir auf die einzelnen Kritikpunkte reagieren werden, weil wir natürlich auch die beteiligten Gruppen noch einmal sehr intensiv einbeziehen werden.
Die letzte Frage zu diesem Teil der Regierungsbefragung stellt die Kollegin Sarah Ryglewski, SPD.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich habe eine Frage zum Thema Gläubigereinfluss. Er ist ja durch das ESUG deutlich gestärkt worden. Meine Frage wäre, ob Sie Erkenntnisse dazu haben, ob dieser gestärkte Einfluss die Unabhängigkeit von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern beeinträchtigt und sich negativ auf das weitere Verfahren auswirkt.
Dazu haben wir keinerlei Erkenntnisse. Im Gegenteil: Auch die Gruppe der Insolvenzverwalter und Sachwalter war sehr zufrieden mit den Auswirkungen dieses Gesetzes. Insgesamt haben wir gesehen, dass bis auf die Justiz selbst sich eigentlich alle Berufsgruppen, sowohl die auf der Schuldnerseite als auch die auf der Gläubigerseite, also auch die Insolvenzverwalter, sehr positiv über dieses Gesetz und seine Auswirkungen geäußert haben.
Die Ankündigung, dass es die letzte Frage zu diesem Teil sein sollte, hat den Kollegen Meiser, Fraktion Die Linke, dazu bewegt, sich noch schnell zu melden. Bitte sehr.
Vielen Dank. – Frau Ministerin, auch für uns gilt selbstverständlich: Sanierung vor Zerschlagung. Aber schon damals, als das Gesetz verabschiedet wurde, gab es eine Reihe von Kritikpunkten, unter anderem von den Gewerkschaften. Einen konkreten Punkt würde ich gern aufgreifen und Sie fragen, wie Sie dazu stehen.
Damals wurde gefordert, im Insolvenzverfahren die Ansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vorrangig zu bedienen, zum Beispiel vorrangig gegenüber den Ansprüchen von Banken. Ich glaube, das ist eine Forderung, die sehr populär ist. Wie stehen Sie heute, ein paar Jahre später und nach der Evaluation, dazu?
Von der grundsätzlichen Ausrichtung her kann ich Ihnen da als Sozialdemokratin nicht widersprechen, aber in der rechtlichen Ausgestaltung gibt es eben dieses sehr komplexe Auseinanderdividieren von verschiedenen Interessenlagen und Ansprüchen, und es gibt eben auch Notwendigkeiten, die unumgänglich sind, um den Weiterbetrieb zu sichern. Ich kann Ihnen allerdings versichern, dass wir bei der Frage, wie wir das bei der Evaluierung Herausgekommene in konkrete Rechtsänderungen umsetzen werden, auch diesen Punkt natürlich wieder – wie sagt man? – „in consideration taken“ werden.
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Ins Blickfeld nehmen.
Ins Blickfeld nehmen. – Vielen Dank.
Bitte, gern, Frau Ministerin.
Mein britischer Hintergrund hat sich bei diesem internationalen Rechtsbereich – es ist ja so, Insolvenzen sind grenzüberschreitend – kurz Bahn gebrochen. Ich bitte um Entschuldigung.
Vielen Dank.
Jetzt kommen wir zum zweiten Teil der Regierungsbefragung. Dabei handelt es sich um Fragen zu weiteren Themen der Kabinettssitzung und sonstige Fragen. Die erste Frage stellt der Kollege Markus Frohnmaier, AfD.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe eine Frage an die Bundesregierung. Diverse Agenturen haben gestern gemeldet, dass die syrische Regierung eine Generalamnestie für Wehrpflichtverweigerer und Fahnenflüchtige erlassen hat. Mich würde interessieren, wie die Bundesregierung das bewertet und wie sich das vor allem auf die syrischen Staatsbürger hier in Deutschland und damit auf die Flüchtlingspolitik auswirkt.
Vielen Dank.
Ich möchte die Beantwortung dieser Frage gerne an meinen Kollegen vom AA abgeben.
Herr Staatsminister Roth.
Herr Präsident! Lieber Kollege! Es fehlt an jeglichem Grundvertrauen unsererseits gegenüber dem syrischen Diktator. Insofern bedarf es auch hier sorgfältiger Prüfungen, was das für Auswirkungen haben könnte auf Geflüchtete aus Syrien, die in Europa bzw. hier in Deutschland leben. Derzeit sehen wir aus sicherheitspolitischen und auch aus grundsätzlichen Erwägungen keine Möglichkeit, Geflüchteten anzuraten, wieder in ihr Heimatland, in ihr Ursprungsland zurückzukehren.
Nächste Frage stellt der Kollege Michael Theurer, FDP.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Der aktuelle Bericht des IPCC, also des Weltklimarates, zeigt, dass wir uns beim Klimaschutz in allen Sektoren anstrengen müssen. Nach Ansicht der Bundesregierung spielt dabei der europäische Emissionshandel eine ganz wesentliche Rolle. Inwieweit plant die Bundesregierung, dieses erfolgreiche Instrument auch auf die Sektoren Wärme und Mobilität auszudehnen, in denen ja die entsprechenden Einsparziele bisher nicht erreicht worden sind und in denen es jetzt auch starke Tendenzen gibt, regulatorisch, planwirtschaftlich einzugreifen? Wäre da die Ausdehnung des Emissionshandelssystems nicht die bessere Variante, weil dadurch die individuelle Freiheit erhalten bleibt und gleichzeitig die Klimaziele besser erreicht werden können?
Frau Parlamentarische Staatssekretärin.
Herr Kollege Theurer, die Bundesregierung hat den Klimaschutzplan 2050 beschlossen. Wir haben darin verabredet, dass bis Ende dieses Jahres jedes Ressort seine Maßnahmenvorschläge unterbreitet. Diese werden dann geprüft. In diesem Zusammenhang sind Maßnahmen wie CO 2 -Bepreisung und Einbeziehung in das Emissionshandelssystem für einzelne Ressorts natürlich eine Möglichkeit. Wir werden dann prüfen, welche Lenkungswirkung die vorgeschlagenen Maßnahmen haben und wie wir damit das 2030-Ziel erreichen werden.
Die nächste Frage stellt der Kollege Ottmar von Holtz, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich beziehe mich mit meiner Frage auf ein Interview des Afrikabeauftragten der Bundesregierung mit der „B.Z.“ vom 7. Oktober, in dem Herr Nooke den Vorschlag machte, dass afrikanische Regierungschefs gegen eine Pacht ein Stück territoriale Hoheit abgeben und für 50 Jahre eine freie Entwicklung zulassen könnten. Das erinnert mich ein bisschen an Adolf Lüderitz; das hatte der vor 135 Jahren in Südwestafrika auch getan. Ich frage die Bundesregierung, ob sie diese Vorschläge teilt und, wenn ja, ob das mit europäischen Partnern abgesprochen ist.
Ich gucke in die Runde. Wer mag antworten? – Frau Bundesministerin, wenn Sie keinen Parlamentarischen Staatssekretär für die Antwort finden, dann müssen Sie selber etwas sagen.
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Herr Parlamentarischer Staatssekretär Barthle, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, die Unsicherheit, wer antwortet, resultiert sicherlich daraus, dass Herr Nooke bei uns im BMZ zwar seinen Arbeitsplatz hat, er aber der Beauftragte der Bundeskanzlerin und nicht des BMZ ist. Ich kann trotzdem die Beantwortung übernehmen.
Herr Kollege, wir schätzen es so ein, dass sich Herr Nooke in diesem fraglichen Interview zunächst einmal auf Zitate eines Mobilfunkunternehmers aus dem November 2013 bezogen hat. Inwiefern diese Zitate relevant sind, kann die Bundesregierung nicht einschätzen. Jedenfalls ist aus Sicht der Bundesregierung ein Vergleich der Kolonialzeit in Afrika mit dem Kalten Krieg weder angemessen noch angesagt. Die Bundesregierung stellt solche Vergleiche nicht an.
Im Übrigen steht die Bundesregierung voll zu der Erklärung von Durban, Rassismus in jeder Form zu bekämpfen. Insofern treten wir, falls es bei diesen Teilaspekten zu Missverständnissen gekommen sein sollte, dem selbstverständlich entgegen.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Alexander Ulrich, Fraktion Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich stelle der Bundesregierung eine Frage, die von größerem öffentlichem Interesse ist. Herr Juncker hatte ja angekündigt, dass die Zeitumstellung abgeschafft wird. Kurz danach war er bei der Kanzlerin und hat mit ihr über das Thema geredet.
In den letzten Tagen haben uns aus Brüssel, auch über die Medien, differenzierte Mitteilungen erreicht, dass die Zeitumstellung vielleicht doch bleibt, weil es keine einheitliche Linie der Mitgliedstaaten gibt. Gibt es eine aktuelle Position der Bundesregierung, mit der man auf der europäischen Ebene in die Verhandlungen geht?
Zweite Frage: Ist es für die Bundesregierung vorstellbar, dass ab dem nächsten Jahr oder in zwei Jahren unterschiedliche Zeiten in der Europäischen Union gelten? Oder wird man sich daran nur beteiligen, wenn alle Mitgliedstaaten das einheitlich regeln?
Frau Bundesminister, ich fürchte fast, das ist eine Frage, die den Verbraucherschutz betrifft.
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Ich habe versucht, einen Vertreter des Gesundheitsministeriums dazu einzuladen, aber erfolglos. – Wir haben zu diesem Thema keine abgestimmte Haltung in der Bundesregierung.
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Meine persönliche Feldforschung führt zu dem Ergebnis, dass es in der Bundesregierung durchaus unterschiedliche Präferenzen gibt, sowohl was die Frage betrifft, ob man die Zeitumstellung abschaffen sollte, als auch, wenn ja, ob es dann eher die Sommer- oder die Winterzeit werden sollte.
Ohne das jetzt mit meinen Kolleginnen und Kollegen abgestimmt zu haben, würde ich mich aber zu der Aussage versteigen: Ich halte es für relativ unwahrscheinlich, dass wir das in einem Alleingang machen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Position der Bundesregierung am Ende dahin läuft, dass es nur Sinn macht, wenn man das in einem größeren Gebiet gleich handhabt.
Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt der Kollege Gottfried Curio, AfD.
Ich habe eine Frage zur eventuell regierungsseitig empfohlenen Zulassung gesetzwidriger Aufrufe im Rechtsstaat Deutschland. Kanzlerin Merkel hat ja gesagt: Der Islam gehört zu Deutschland. – Der Islam ist nun allerdings mehr und anderes als einige Millionen hier lebender Muslime, und er ist mehr und anderes als nur eine Religion. Er enthält unter anderem rechtswidrige, in Deutschland strafbare Inhalte, ja sogar Weisungen. Er lehrt zum Beispiel keine Toleranz, sondern volksverhetzende Intoleranz gegenüber anderen Religionen und ihren Anhängern, und er bestreitet die Gleichberechtigung der Frau – ja, propagiert eine Minderberechtigung beider Gruppen: Andersgläubigen und Frauen; das geht bis hin zu empfohlener Gewaltanwendung. Solche Anweisungen sind dabei als unmittelbares Gotteswort nach Selbstaussage des Koran nicht uminterpretierbar oder abtrennbar von der Lehre des Islam.
({0})
Deshalb meine Frage: Wollen Sie dennoch behaupten, der Islam gehört zum Rechtsstaat Deutschland? Oder würden Sie immerhin die Verbreitung und Bewerbung gesetzwidriger Aufrufe aus diesem ideologischen Bereich unterbinden wollen? – Vielen Dank.
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Frau Bundesminister.
Wir leben in einem Land mit Religionsfreiheit. Der Islam ist eine Religion. Sie werden in jeder monotheistischen religiösen Schrift Vorschriften finden, die mit dem modernen Rechtsverständnis nicht vereinbar sind.
Es gibt keine abgeschlossene islamwissenschaftliche Deutung des Koran; deswegen finde ich es interessant, dass Sie eine solche für sich in Anspruch nehmen. Das nehme ich zur Kenntnis. Aber für mich ist ganz klar: Unsere Gesetze schreiben klar vor, was verboten ist. Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Das ist ein allgemeiner rechtsstaatlicher Grundsatz. Den wenden wir gegenüber allem und jedem auch an.
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Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Stephan Thomae, FDP.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Bundesministerin Barley, in der Sitzung des Rechtsausschusses heute Vormittag wurde die Beratung mehrerer Gesetzentwürfe verschiedener Fraktionen zur Neuordnung des § 219a Strafgesetzbuch – Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche – mit den Stimmen der Union und der SPD von der Tagesordnung genommen. Nun ist der Fall Kristina Hänel wieder in die Tageszeitungen gelangt, weil die Entscheidung des Amtsgerichts Gießen schon etwa ein Jahr alt ist. Unsere Fraktion hat im Februar dieses Jahres einen Fachkongress zu dieser Thematik veranstaltet. Es gibt verschiedene Gesetzentwürfe dazu. Diesen Freitag wird das Landgericht Gießen in der Berufungsverhandlung entscheiden.
Es war angekündigt, dass Sie durch Ihr Haus in diesem Herbst einen Gesetzentwurf vorlegen würden. Der Sommer ist vorüber, der Herbst ist da. Wann dürfen wir denn mit einem Entwurf aus Ihrem Hause rechnen?
Es ist angekündigt, dass der Gesetzentwurf im Herbst vorgelegt wird, und so wird es auch sein.
Danke sehr. – Der Herbst dauert ja auch noch eine Weile; er hat gerade erst begonnen, Herr Thomae. – Die nächste Frage stellt der Kollege Uwe Kekeritz, Bündnis 90/Die Grünen.
Herzlichen Dank. – Ich frage auch bezüglich des Afrika-Beauftragten der Kanzlerin, und da er Beauftragter der Kanzlerin ist, könnte ja jemand vom Kanzleramt antworten. Es geht um ein Interview, das nichts mit 2013 zu tun hat, Herr Barthle, sondern das am 7. Oktober 2018 abgegeben worden ist. Ich habe es gelesen; darin ging es nicht um irgendwelche Verbindungen mit Telekommunikationsunternehmen. Es geht um ganz unsägliche Aussagen, die der Beauftragte gemacht hat. Unter anderem wurde er gefragt, ob die heutigen Missstände in den Entwicklungsländern auch etwas mit der Kolonialzeit zu tun haben. Diese Frage als solche ist ja berechtigt, aber die Antwort war doch mehr oder weniger schockierend. Er sagte, dass die Sklaventransporte nach Amerika ein großes Problem waren, aber ansonsten hätte die Kolonialzeit dazu beigetragen, den Kontinent aus archaischen Strukturen zu lösen und davon zu befreien. Ist das die Meinung der Regierung? Und wie schätzen Sie die Qualität dieser Aussage als solcher ein? Für mich ist ganz klar, dass so nicht mal mehr auf Stammtischniveau argumentiert wird.
Herr Kollege Barthle, Sie haben sich vorhin so tapfer in die Bresche geworfen. Sie haben das Wort.
Herr Kollege Kekeritz, ich wiederhole nochmals für die Bundesregierung, dass wir der Auffassung sind, dass die Aufarbeitung der Kolonialzeit auch in dieser Legislaturperiode vorgenommen wird; das haben wir im Koalitionsvertrag festgelegt. Zu den Äußerungen des Herrn Nooke liegt uns ja bereits eine schriftliche Anfrage von Ihnen vor. Wir werden diese Anfrage schriftlich beantworten und innerhalb der Bundesregierung abstimmen.
({0})
Solange diese Abstimmung nicht erfolgt ist, will ich mich zu weiteren Details dieses Vorfalls nicht äußern.
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Herr Kollege, wer für die Bundesregierung welche Frage beantwortet, ist eine Entscheidung, die die Bundesregierung trifft. – Jetzt hat die nächste Frage der Kollege Lars Herrmann, AfD.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Im Jahr 2003 wurde hier in Berlin ein Polizeibeamter erschossen. Ein Libanese hat dem Kollegen ins Gesicht geschossen. Der Polizist hinterließ seine Frau und eine ein Jahr alte Tochter. Anfang dieses Jahres wurde sein Mörder – ein Libanese – aus der Haft entlassen; er bekam also die volle Härte des Rechtsstaats zu spüren. Es wurde offensichtlich versäumt, diesem Mann ein Wiedereinreiseverbot zu erteilen. Meine Frage an die Bundesregierung ist: Was beabsichtigen Sie zu tun, dass diesem Stück Abschaum die Wiedereinreise nach Deutschland verwehrt bleibt?
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Wer antwortet für die Bundesregierung? – Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.
Mir ist der konkrete Fall unbekannt, und deswegen kann ich Ihnen an dieser Stelle nur eine schriftliche Beantwortung zusichern.
Die nächste Frage stellt der Kollege Jens Brandenburg, FDP.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Bundesbildungsministerin hat laut einem Bericht im „Handelsblatt“ an diesem Montag einen Brandbrief von den Spitzenverbänden aus Wirtschaft und Gewerkschaften erhalten, in dem diese ihr vorwerfen, dass sie aufgrund der Pläne der Ministerin beim Nationalen Bildungsrat nicht mit am Tisch sitzen werden. Gleichzeitig betont die Ministerin immer wieder, dass insbesondere die berufliche Bildung da eine große Rolle spielen soll und dass sie auf Praktiker an diesem Tisch setzt. Wie möchte sie denn, wenn sie die Stimme aus der Wirtschaft, aus der betrieblichen Praxis völlig ausschließt, gewährleisten, dass genau diese Praxiserfahrungen gehört werden und am Ende die Ergebnisse dieses Nationalen Bildungsrats auch innerhalb der Sozialpartner Akzeptanz finden?
Herr Staatssekretär Meister.
Herr Präsident! Herr Kollege Brandenburg! Wir sind dabei, gemeinsam mit den Ländern den Nationalen Bildungsrat zu definieren. Dem sollen nicht nur Mitglieder der Bundes-, Landes- und kommunalen Ebene angehören, sondern es sollen ihm auch unabhängige Sachverständige angehören. An der Stelle legen wir Wert darauf, dass diese Sachverständigen Expertenwissen und Erfahrung einbringen. Unsere Einschätzung ist, dass wir hier analog zum Wissenschaftsrat überlegen sollten, dieses Experten- und Erfahrungswissen zu sammeln. Deshalb ist für uns der Ausgangspunkt nicht die Zugehörigkeit zu einer Organisation, sondern die Frage, welches Wissen und welche ausgewiesene Erfahrung der entsprechende Experte mitbringen kann.
Bevor ich das Wort zur nächsten Frage erteile, muss ich, Herr Kollege Herrmann, noch mal auf Ihre Frage zurückkommen. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie einen Menschen, der eine Straftat begangen hat – ich kenne den Fall nicht –, als „Abschaum“ bezeichnet.
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Die Verwendung des Wortes „Abschaum“ widerspricht den Regeln dieses Hauses, und ich muss Sie dafür zur Ordnung rufen.
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Die nächste Frage stellt der Kollege Oliver Krischer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich hätte folgende Frage: Wie konnte es dazu kommen, dass Ihre Kabinettskollegin Frau Umweltministerin Svenja Schulze gestern beim EU-Umweltrat zusammen mit einigen osteuropäischen Staaten – unter anderem Polen und Ungarn, wenn ich richtig informiert bin – gegen die große Mehrheit der EU-Staaten, nämlich 20 weitere Staaten, einen wenig ambitionierten CO 2 -Grenzwert für Pkws vertreten hat? Wie ist das vereinbar mit dem jüngsten Bericht des Weltklimarates IPCC, den wir zur Kenntnis genommen haben? Und wie gedenkt die Bundesregierung, ihre durch dieses unambitionierte Auftreten in Brüssel noch größer werdende Lücke zur Erfüllung des Klimaschutzziels 2030 zu erfüllen?
Frau Schwarzelühr-Sutter, mögen Sie antworten? – Dann haben Sie das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Krischer, Sie wissen, dass die Umweltministerin ambitionierter vorgehen wollte. Wir hatten dann eine Regierungsposition, die eine Senkung des CO 2 -Ausstoßes von 30 Prozent vorgesehen hat. Die haben wir so getragen, weil wir uns vor dem Hintergrund, dass es gestern zu einer Entscheidung kommen sollte, nicht enthalten wollten.
Es ist gestern Nacht zu einer Entscheidung gekommen, die eine Senkung des CO 2 -Ausstoßes von 35 Prozent vorsieht. Das ist wichtig, weil jetzt der Trialog begonnen werden kann. Insgesamt, mit Blick auf den IPCC-Bericht – das hatte ich vorhin schon erwähnt – sage ich: Die Ziele bis 2030 sind zu verwirklichen und sind zu erreichen. Die Ressorts werden ihre Pläne für entsprechende Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen, bis zum Ende dieses Jahres vorlegen müssen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Stephan Protschka, AfD.
Danke schön, Herr Präsident. – Aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom Mai auf Drucksache 19/2214 zur völkerrechtlichen Frage der Sudetendeutschen geht hervor, dass Sie sich nicht mit der völkerrechtlichen Aufarbeitung der deutsch-tschechischen Geschichte auseinandersetzen wollen. Bezogen auf die Beneš-Dekrete schreiben Sie wörtlich:
Beide Seiten
– also die deutsche und die tschechische Seite –
stimmen darin überein, dass das begangene Unrecht der Vergangenheit angehört, und werden daher ihre Beziehungen auf die Zukunft ausrichten.
In anderen Worten: Das Unrecht der Vergangenheit interessiert uns nicht.
Nun hat aber der Herr Innenminister, Herr Seehofer, am Tag der Heimat in Berlin die Beneš-Dekrete als „Unrechtsdekrete“ bezeichnet und bekräftigt, dass diese nicht zur Wertegemeinschaft der Europäischen Union gehören. Jetzt ist meine Frage: Ist das nur eine populistische Einzelmeinung von Herrn Seehofer, weil er die Bayern-Wahl im Blick hat, oder ist das eine 180‑Grad-Wende der Ausrichtung der Regierung?
Danke schön.
Wer antwortet? – Bitte sehr, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Sehr geehrter Herr Kollege, ich kann mir das gerne noch einmal ausführlich und in Ruhe anschauen. Ich sehe allerdings zwischen dem, was Sie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage zitiert haben, und den zitierten Aussagen von Minister Seehofer keinen Widerspruch.
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Dann stellt die nächste Frage der Kollege Dr. Christian Jung, FDP.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich war vor kurzem bei einer Kontrolle des Bundesamts für Güterverkehr in Südbaden und habe da sehr schlimme Sachen gesehen in Bezug auf die Ladungssicherheit und auch in Bezug auf die Fahrer, die da unterwegs waren. Vor diesem Hintergrund habe ich folgende Frage an die Bundesregierung: Kann die Bundesregierung die Schätzung des Bundesamtes für Güterverkehr, BAG, bestätigen, dass von den in Deutschland verkehrenden Lkws mindestens 25 Prozent mit manuell ein- und ausschaltbarer Schummelsoftware zur Täuschung bei den Lenkzeiten ausgestattet ist?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Bilger.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Lieber Kollege Jung, es steht bereits im Koalitionsvertrag, dass es uns wichtig ist, dass die Regeln, die bei uns im Verkehr gelten, eingehalten werden. Deswegen haben wir ja jetzt auch zusätzliche Kontrollkapazitäten geschaffen. Auf Ihre konkrete Frage bezogen: Ich kann natürlich jetzt die Schätzung, die Sie genannt haben, nicht bestätigen. Aber Sie können versichert sein, dass wir selbstverständlich sehr großen Wert darauf legen, dass wir streng kontrollieren. Ich glaube, da setzen wir in Deutschland auch europaweit Maßstäbe.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt die Kollegin Katharina Dröge, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich muss noch einmal auf Herrn Nooke zurückkommen, weil Sie die diesbezüglichen Fragen nicht zu unserer Zufriedenheit beantwortet haben. Mir stellt sich die Frage, welches Ziel die Bundesregierung eigentlich mit einem Afrikabeauftragten verfolgt, wenn dieser Aussagen tätigt, die geeignet sind, die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent zu brüskieren, vor den Kopf zu stoßen, die Geschichte sowie Gewalt und Unrecht zu verharmlosen. Ich habe Entwicklungsminister Müller in der Vergangenheit so verstanden, dass er mit Afrika eine Partnerschaft auf Augenhöhe anstrebt. Deswegen frage ich Sie noch einmal ganz konkret: Halten Sie einen Mann, der in seiner Funktion als Afrikabeauftragter der Bundesregierung die Kolonialzeit, die verantwortlich ist für die Versklavung, für gewalttätige Konflikte, für die wirtschaftliche Ausbeutung, für die religiöse Unterdrückung eines ganzen Kontinentes, als zivilisatorischen Aufbruch bezeichnet, für geeignet, dieses Amt auszuüben?
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Herr Parlamentarischer Staatssekretär Barthle, ich fürchte, Sie müssen wieder antworten.
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Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegen! Ich habe bei meiner letzten Beantwortung der Frage schon zum Ausdruck gebracht, dass es eine schriftliche Anfrage der Fraktion der Grünen zu diesem Interview gibt.
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Diese Anfrage wird selbstverständlich schriftlich beantwortet in Abstimmung mit der gesamten Bundesregierung. Solange diese Abstimmung innerhalb der Bundesregierung nicht stattgefunden hat, möchte ich mich zu einzelnen Aspekten dieses Interviews nicht äußern. Dass es da durchaus Anlass zu Missverständnissen gibt, bestreitet niemand. Aber der Kollege Nooke ist ja nicht erst seit gestern Beauftragter für Afrika, sondern war das bereits in der letzten Legislaturperiode, und hat bisher für Afrika gute Arbeit geleistet.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt die Kollegin Nicole Höchst, AfD.
Vielen Dank für das Wort. – Anfang Dezember soll in Marokko von der Bundesrepublik und den anderen Mitgliedern der UNO der Global Compact for Migration unterschrieben werden, der vorsieht, dass mehrere Millionen Menschen nach Europa und Deutschland umgesiedelt werden. Deutschland wird danach offensichtlich nicht mehr das Land sein, wie wir es im Moment kennen und bewohnen. Ich möchte die Bundesregierung fragen, ob sie diesen Pakt unterschreiben wird – wir werden zur Minderheit im eigenen Land werden – und, wenn ja, warum sie ihn unterschreiben wird. – Danke.
Wer antwortet für die Bundesregierung? – Herr Staatsminister Roth.
Herr Präsident, ich gebe zu, dass ich die Frage nicht ganz verstanden habe.
Die Frage war, ob die Bundesregierung beabsichtigt, dieses Abkommen zu unterzeichnen.
Dieses Abkommen dient vor allem auch dem Ziel, Migrationspolitik als globale Bewährungsprobe zu sehen und allen Staaten das abzuverlangen, wozu wir gemeinsam verpflichtet sind: die Einhaltung von humanitären Prinzipien, eine solidarische Leistung, um den Staaten, die viele Geflüchtete aufgenommen haben, zu helfen, und vor allem die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage in den Herkunftsländern der Geflüchteten. Zu den Details dieses Vertrages möchte ich weiter nichts sagen. Aber selbstverständlich ist es auch eine Option, in einem sehr, sehr kleinen Umfang Geflüchtete aufzunehmen, wie es im Übrigen auch andere Staaten tun. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir hier über Zahlen sprechen, die bei weitem nicht dem entsprechen, was die Bundesrepublik Deutschland derzeit an Einwohnerinnen und Einwohnern hat.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Die nächste Frage stellt der Kollege Oliver Luksic, FDP.
Vielen Dank. – Ich habe eine Frage an die Bundesregierung zum Dieselkonzept. Wir haben jetzt ja gerichtlich angeordnete Fahrverbote auch in Berlin. Das zeigt eigentlich, dass das Konzept schon jetzt gescheitert ist. In Berlin gibt es sogar ein Fahrverbot direkt am Flughafen. Ich glaube, es ist ähnlich sinnvoll, dort zu messen, wie am Hamburger Hafen. Der rot-rot-grüne Senat will jetzt in vorauseilendem Gehorsam diese Fahrverbote auch auf Euro-6-Fahrzeuge ausdehnen. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Sie haben in Ihrem Konzept zwei Aspekte. Der eine ist die Hardwarenachrüstung. Dazu steht nichts drin, weder zur Finanzierung noch zum Rechtsrahmen. Es wird immer auf die Verkaufsprämien verwiesen. Deswegen dazu meine Frage: Was ist der Unterschied der neuen Umtauschprämien zu den bisher vorhandenen Rabatten und Prämien, die es ja schon in großer Anzahl gibt? Und ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der hohe Wertverlust, der durch die Fahrverbote entstanden ist, dadurch ansatzweise kompensiert wird?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Bilger.
Danke, Herr Präsident. – Lieber Kollege Luksic, das Konzept ist gerade erst verabschiedet worden. Es beginnt jetzt zusätzlich zu dem zu wirken, was wir bereits gemacht haben. Seit drei Jahren hilft der Bund sowohl den betroffenen Städten als auch den betroffenen Autofahrern mit ganz verschiedenen Maßnahmen. Jetzt gibt es zusätzlich dieses Konzept mit verstärkten Maßnahmen bezüglich der Umtauschprogramme und der Möglichkeit, Hardwarenachrüstungen zu machen. Für Berlin gilt: Auch Berlin lassen wir nicht im Stich, selbst wenn es unter den 14 besonders belasteten Städten nicht aufgeführt ist. In dem Konzept des Koalitionsausschusses steht, dass die Hilfen auch für alle Städte gelten, die von Fahrverboten nicht nur bedroht sind, sondern in denen Fahrverbote kommen und in denen aktuelle Luftreinhaltepläne vorliegen. In Berlin ging es um einen alten Luftreinhalteplan. Die Städte sind also aktuell auch in der Verantwortung, alles zu tun, um Fahrverbote zu vermeiden. Dann bekommen die Autofahrer in diesen Städten auch alle Unterstützung, die wir bieten können, damit wir dort die Luftreinhalteziele erreichen können.
Die Umtauschprogramme, die es bisher schon gab, haben gewirkt. Wir haben vorhin im Verkehrsausschuss Zahlen vom Minister gehört; es sind schon jetzt mehrere Hunderttausend Fahrzeuge. Nun gibt es zusätzlich verstärkte Umtauschprogramme mit noch höheren Prämien. Wir werden uns alle in den nächsten Wochen und Monaten davon überzeugen können, dass sie einen großen Beitrag zur Einhaltung der Luftreinhalteziele leisten können.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Pascal Meiser, Fraktion Die Linke.
Die Billigfluglinie Ryanair ist in den letzten Wochen negativ aufgefallen. Herr Minister Heil hat an diesem Ort angekündigt, dass die Praxis von Ryanair auf den entschiedenen Widerstand der Bundesregierung treffen wird. Inzwischen hat Ryanair mit der Schließung der Base in Bremen die Situation weiter eskaliert; dies ist ein Angriff auf das Streikrecht. Meine Frage an die Bundesregierung: Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung seit der Ankündigung von Herrn Heil ergriffen, damit die Flugbegleiter, die Piloten, die Beschäftigten bei Ryanair ihr grundgesetzlich garantiertes Streikrecht wirklich wahrnehmen können? Was hat die Bundesregierung getan, damit Ryanair mit dieser Praxis, mit der sie bisher agiert, nicht durchkommt?
Wer antwortet für die Bundesregierung?
Ich war in dieser Angelegenheit nicht persönlich involviert. Wir reichen Ihnen die Antwort schriftlich nach.
Es kommt vor, dass man Fragen nicht unmittelbar beantworten kann. – Deswegen stellt die nächste Frage die Kollegin Filiz Polat, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich frage die Bundesregierung zum Komplex des Moor- und Heidebrands in Meppen. Vielleicht vorab – der Staatssekretär wird es wissen –: Laut Information der Bundeswehr ist der Moorbrand, der seit über vier Wochen bestand, jetzt gelöscht; das ist die aktuelle Meldung von vor einer halben Stunde. Nichtsdestotrotz haben wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und übrigens auch alle Helferinnen und Helfer, die über Wochen dort tätig waren, weiterhin ein großes Aufklärungsinteresse, was die Gesundheitsbelastung betrifft. Dazu habe ich später auch eine mündliche Frage.
Mich interessiert jetzt vor allem das Stichwort „Maulkorb“. In den Medien wurde berichtet – ich möchte hier einen Bericht der „Münsterländischen Tageszeitung“ vom 6. Oktober 2018 erwähnen –, dass die Helferinnen und Helfer beim Löschen des Moorbrandes ein mulmiges Gefühl gehabt hätten, weil sie Verschwiegenheitserklärungen abgeben mussten. Vor diesem Hintergrund frage ich die Bundesregierung: Ist es richtig – die Einsatzleitung hat ja die Bundeswehr gehabt und hat sie nach wie vor –, dass von den Einsatzkräften und den Helferinnen und Helfern, die beim Löschen des Moorbrands tätig waren, verlangt wurde, Verschwiegenheitserklärungen zu unterzeichnen, oder wurden sie in irgendeiner anderen Form gebeten, sich nicht öffentlich zu äußern? – Vielen Dank.
Herr Staatssekretär Silberhorn.
Zu der Frage liegen mir keine Erkenntnisse vor. Ich gehe den Hinweisen gerne nach, wie wir allen Hinweisen mit äußerster Sorgfalt nachgehen. Wir unternehmen alle Untersuchungen, die erforderlich sind und von uns angefordert werden, und wir informieren in voller Transparenz; das hat auch die Bundesministerin öffentlich zugesagt.
Danke sehr. – Ich habe noch drei Fragen vorliegen. Die nächste Frage stellt der Kollege Michael Theurer, FDP.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Nach der nebulösen Antwort der Bundesregierung stellt sich die Frage, ob die Bundesregierung in der Lage ist, Fragen präzise zu beantworten, wenn sie präzise gestellt werden. Deshalb präzise: Plant die Bundesregierung, den Emissionshandel auf die Bereiche Wärme und Mobilität auszudehnen, und, wenn nicht, warum?
Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter.
Sehr geehrter Herr Kollege Theurer, ich werde meinen Kollegen aus den anderen Ressorts nicht dahin gehend vorgreifen, welche Vorschläge sie hinsichtlich ihres Maßnahmenprogramms machen wollen und was wir dann gemeinsam beraten. Wichtig ist, dass wir das 2030-Ziel, nämlich die Emission von Treibhausgasen um 55 Prozent zu senken, erreichen. Die Reform im Emissionshandel hat bewirkt, dass der Zertifikatspreis in der Zwischenzeit angezogen hat. Die Reform wirkt also. Wie es andere Ressorts, zum Beispiel der Verkehrssektor, handhaben wollen, werden wir in den nächsten Wochen sehen.
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Dann stellt die vorletzte Frage die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Ich möchte noch mal nach dem Ereignis gestern Nacht in Luxemburg fragen. Wie kann es sein, dass die Umweltministerin dort auftritt und sagt, dass sie etwas vertreten muss, was sie innerlich gar nicht vertritt, und dass sie etwas verhandeln muss, was sie gar nicht erreichen möchte, und dann hinterher eine Minderung des CO 2 -Ausstoßes von 35 Prozent im Verkehrsbereich herauskommt, obwohl sie selbst 40 Prozent wollte und obwohl die eigenen Gutachter, der Sachverständigenrat für Umweltfragen, von mindestens 50 Prozent sprechen und andere Gutachter sagen, selbst das sei noch zu wenig? Das alles geschah vor dem Hintergrund des aufrüttelnden IPCC-Berichts, den wir gerade zur Kenntnis genommen haben. Ich möchte gerne wissen, warum sich an dieser Stelle der Verkehrsminister durchgesetzt hat und nicht die für den CO 2 -Ausstoß und den Klimaschutz zuständige Ministerin Schulze und wer dafür verantwortlich war, dass sich hier der Verkehrsminister durchgesetzt hat und nicht die Umweltministerin.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie wissen ja selber, wie Koalitionen manchmal funktionieren – wir sehen das auch in Baden-Württemberg, und es gab ja auch schon mal eine rot-grüne Bundesregierung –: Man stimmt sich zwischen den Ressorts ab. Wir hatten im Umweltministerium ein ambitionierteres Ziel. Wir haben aber dann gestern Abend gemeinsam – und da sehe ich unsere Umweltministerin durchaus als Brückenbauerin – den 35 Prozent zugestimmt.
Insofern ist es ein ganz natürlicher Vorgang in einer Regierung, dass man sich mit den Partnern abstimmt und bei einem Kompromiss landet. Der EU-Vorschlag sah 30 Prozent vor, der vom Parlament 40 Prozent. Wir haben jetzt 35 Prozent. Es ist wichtig, dass wir jetzt in die Trilogverhandlungen gehen. Sie wissen: Nächstes Jahr sind die EU-Parlamentswahlen. Deswegen ist es wichtig, dass wir jetzt eine Entscheidung haben und dass es auch Klarheit und Planungssicherheit gibt.
Danke sehr. – Die letzte Frage stellt der Kollege Dr. Jürgen Martens, FDP. – Ist er nicht da?
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– Dann hat sich die letzte Frage erledigt, und wir sind am Ende der Regierungsbefragung.
Ich übergebe das Präsidium an die Frau Kollegin Pau.
Guten Tag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch alle Zuhörenden!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Weltklimabericht des IPCC hat eine klare Botschaft: Die globale Klimaerhitzung kann noch begrenzt werden, aber dafür braucht es rasche und beispiellose Veränderungen in der Gesellschaft. Ich finde, es muss Auftrag an jede verantwortungsvolle Regierung sein, das ins Zentrum ihres Handelns zu setzen, meine Damen und Herren.
({0})
Der Bericht hat aber auch eine andere Botschaft, nämlich dass es einen Unterschied macht, ob die Weltklimaerhitzung 1,5, 2 oder am Ende sogar 3 oder 4 Grad betragen wird. Das ist nicht nur eine Frage, die irgendwelche fernen Gletscher oder Korallenriffe betrifft. Nein, das ist eine existenzielle Frage auch für uns – der Dürresommer hat das gezeigt –, und sie wird am Ende über das Schicksal so mancher Küstenstadt in Deutschland entscheiden. Deshalb müssen wir schon aus Eigeninteresse handeln, nicht nur, um andere auf der Welt zu schützen.
({1})
Ich finde, jede Bundesregierung sollte eigentlich den Klimaschutz ins Zentrum ihrer Politik rücken und konsequent handeln, zumal dies – auch das muss man einmal klar dazusagen – auch große wirtschaftliche Chancen mit sich bringt; dazu gibt es viele Studien. Aber was wir in diesem Land erleben, ist, dass seit zehn Jahren praktisch keine Klimaschutzpolitik mehr betrieben wird. Wir haben Ziele, Bekenntnisse, Sonntagsreden
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– die haben wir massenhaft –, aber gehandelt wird nicht. Das hat sich inzwischen in der Bevölkerung, bei den Menschen herumgesprochen. Auch deshalb waren am Wochenende 50 000 Menschen im rheinischen Braunkohlerevier am Hambacher Wald, haben demonstriert und gesagt: Wir wollen, dass endlich gehandelt wird.
({3})
Diese Menschen verstehen nicht, dass der größte Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen mit Kosten im hohen zweistelligen Millionenbereich in Gang gesetzt wird, um am Ende zu verhindern, dass Leute genau das durchsetzen wollen, was der IPCC fordert. Denn wir haben eine Realität in Deutschland – das belegen viele, viele Umfragen –: Mehr als drei Viertel aller Menschen und die Mehrheit der Wähler aller demokratischen Parteien wollen einen schnellen Kohleausstieg, und sie befinden sich damit in völliger Übereinstimmung mit den Forderungen des IPCC. Demgegenüber steht in den Parlamenten – man muss leider sagen: auch hier und im Landtag in Nordrhein-Westfalen – ein fossiles Einheitskartell aus Union, SPD und FDP. Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Machen Sie eigentlich Politik für Ihre Wählerinnen und Wähler oder für die Interessen von Konzernen wie RWE? Das muss hier einmal gesagt werden!
({4})
Der Hambacher Wald ist zum Symbol für eine Klimabewegung in Deutschland geworden, die deutlich machen möchte, dass es nicht weiter sein kann – das werden wir ja gleich wieder hören –, dass die Politik alles aussitzt und es am Ende die Gerichte sind, die Entscheidungen treffen.
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Es kann doch nicht sein, dass sich eine Bundesregierung und erst recht eine Landesregierung mit ihrem Ministerpräsidenten Laschet
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zu diesem energiepolitischen Konflikt nicht verhalten und es am Ende einem Gericht überlassen, dass die Argumente von RWE auseinandergenommen werden. Das ist eine Bankrotterklärung der Politik, die da stattfindet.
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Ich sage ganz deutlich: Ich bedanke mich bei Tausenden, bei Zehntausenden Menschen,
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die friedlich und gewaltfrei für eine andere Politik demonstriert haben.
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Ich bedanke mich aber auch bei Tausenden von Polizisten, die in einen Einsatz geschickt worden sind, an dem sie selbst gezweifelt haben.
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Ich hätte es gut gefunden, wenn sich irgendjemand von Union, SPD oder FDP – erst recht ein Mitglied der Bundes- oder der Landesregierung – dorthin bewegt hätte. Das habe ich über die ganzen Wochen nicht gesehen. Das wäre eine Wertschätzung für die Polizisten gewesen.
({11})
Meine Damen und Herren, es ist ja nicht nur der Kohleausstieg, bei dem diese Bundesregierung und das fossile Kartell versagen.
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Es gibt ja noch eine ganze Latte weiterer Themen; darüber könnte man hier eine halbe Stunde reden.
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Ich erwähne nur eines: Es ist doch ein absolutes Unding, dass sich Wirtschaftsminister Altmaier, als der IPCC-Bericht veröffentlicht wurde, in der „Tagesschau“ zitieren ließ mit den Worten: „Das ist ein Weckruf“ und diese Bundesregierung zeitgleich in Brüssel zusammen mit der Kaczynski-Regierung aus Polen und der Orban-Regierung aus Ungarn gegen 20 andere europäische Staaten verhindert, dass es ambitionierte CO 2 -Grenzwerte gibt.
({14})
Das geht nicht. Die Menschen merken, dass Ihr Reden und Ihr Handeln nicht zusammenpassen.
({15})
Kollege Krischer, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Damit muss Schluss sein. Wir brauchen jetzt ein ambitioniertes Handeln, wenn wir diesen IPCC-Bericht ernst nehmen.
Ja, es ist richtig, was Herr Altmaier sagt; es ist ein Weckruf.
Kollege Krischer!
Hören Sie mit dem auf, was wir gleich wieder hören werden: Man könnte mal, man möchte mal! – Handeln Sie endlich! Das ist die Ansage.
({0})
Das Wort hat die Kollegin Marie-Luise Dött für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht des IPCC zeigt einmal mehr den Handlungsbedarf beim globalen Klimaschutz auf. Was er nicht tut, ist die Verabschiedung eines neuen 1,5‑Grad-Ziels. Wie ich dem Titel der Aktuellen Stunde entnehme, Herr Krischer, ist das nicht mehr bei allen präsent; bei Ihnen scheinbar auch nicht. Deswegen zur Erinnerung: In Paris haben sich die Vertragsstaaten darauf verständigt, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, um eine Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius zu erzielen. Aber das nur am Rande.
Fest steht: Wir brauchen eine weltweite Handlungsgemeinschaft, die deutlich entschlossener als bisher den globalen Klimaschutz angeht. Es ist richtig, dass man hier immer zuerst vor der eigenen Tür kehren muss. Aber, meine Damen und Herren von den Grünen,
({0})
hören Sie auf, so zu tun, als würde der globale Klimaschutz allein von Deutschland abhängen,
({1})
hören Sie auf mit den falschen Behauptungen, Deutschland würde beim Klimaschutz versagen. Ich verstehe durchaus, dass es einer Klimaschutzpartei egal ist, was mit dem Wirtschaftsstandort passiert, dass es Ihnen egal ist, ob die Menschen im rheinischen Gebiet oder in der Lausitz eine Zukunft haben,
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dass Stromkosten und eine sichere Energieversorgung für Sie zweitrangig sind.
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Uns sind die Menschen nicht egal. Das ist der Unterschied zwischen einer Öko- und einer Volkspartei.
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Unsere Aufgabe ist natürlich deutlich schwerer; denn der klimapolitische Tunnelblick, mit dem Sie Politik machen wollen, reicht bei uns nicht aus. Unsere Aufgabe ist es, unsere anspruchsvollen Klimaziele zu erfüllen und gleichzeitig Deutschland als Industrienation wettbewerbsfähig und zukunftsfähig zu halten.
({5})
Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass unsere Klimapolitik sozial gerecht bleibt und die Menschen nicht überfordert. Richtig ist aber auch, dass der Klimaschutz enorme Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort darstellt.
Meine Damen und Herren, diesen klima-, wirtschafts- und sozialpolitischen Interessensausgleich herzustellen, ist nicht einfach. Die Probleme, die wir beim Erreichen der Klimaziele 2020 haben, zeigen das. Aufgeben werden wir dieses Ziel trotzdem nicht, sondern wir werden weitere Maßnahmen vorschlagen, um das Ziel so schnell wie möglich zu erreichen, und ich hoffe, dass der SPD-Finanzminister da mitmacht. Aber auch hier gilt: klimapolitisch anspruchsvoll, wirtschaftlich vernünftig und sozial ausgewogen.
Für eine solche Klimapolitik brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Konsense fallen nicht vom Himmel, sondern müssen erarbeitet werden. Es war deshalb wichtig, dass die Bundesregierung die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ eingerichtet hat, die Sie immer nur „Kohlekommission“ nennen. Das ist sie aber nicht. Die Kommission heißt „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“.
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Warten wir also die Vorschläge der Kommission ab, und setzen wir uns dann mit den Vorschlägen in einer sachlichen und fairen Diskussion auseinander!
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Damit komme ich zum Thema „Hambacher Wald“. Von einer fairen und sachlichen Diskussion haben Sie sich, die Grünen, dort weit entfernt. Was Sie dort unterstützen, ist nicht akzeptabel, zum Beispiel Aktionen, bei denen – für uns alle schockierend – ein Toter und Verletzte zu beklagen sind. Es ist mit nichts zu rechtfertigen, dass Polizisten und Mitarbeiter von RWE angegriffen werden, mit nichts!
({8})
Das ist völlig unabhängig von der OVG-Entscheidung. Es ist inakzeptabel, dass dazu aufgerufen wurde, bestehendes Recht zu brechen.
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Am unehrlichsten ist, dass Sie von den Grünen, die Sie 2016 die rechtlichen Grundlagen für die Rodungen bestätigt haben,
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nun kommentarlos das Gegenteil vertreten. Sie reden von Politikverdrossenheit. Genau ein solches Verhalten führt dazu. Kehren Sie lieber zurück zu einer konstruktiven Klimapolitik.
({11})
Das wäre übrigens auch ein gutes Signal für die Klimakonferenz in Kattowitz.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Karsten Hilse für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Vor allen Dingen liebe Kohlekumpel! Die Grünen wollen nun also notwendige Klimaschutzmaßnahmen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels ergreifen. Der Grund dafür ist ein Sonderbericht des IPCC. Hier wird vor den apokalyptischen Zuständen einer 2 Grad wärmeren Welt gewarnt. Im Pariser Klimaübereinkommen ist man noch davon ausgegangen, dass eine 2 Grad wärmere Welt irgendwie in Ordnung sei.
({0})
Jetzt soll es also ein halbes Grad weniger sein. Aber von welchem konkreten Wert aus gerechnet? Wer im Übereinkommen von Paris nach einer konkreten Zahl sucht, von der aus man die globale Mitteltemperatur nicht über 2 Grad steigen lassen will, bleibt enttäuscht zurück. Diese Zahl wird schlichtweg nicht genannt. Dort steht nur bedeutungsvoll: vorindustrielle Werte. – Festlegen will oder kann man sich nicht.
Bei der Vorstellung des Berichts am Montag im Umweltministerium fragte ich die drei dort anwesenden Mitautoren nach dem konkreten Temperaturwert, von welchem man ausgehend 1,5 Grad nicht überschreiten will. Außer bösen Blicken der Anwesenden, die bei der Vorstellung des Berichts noch eifrig genickt hatten, bekam ich nichts, auch keine Aussage zum Temperaturwert. Ich kam mir eher vor wie jemand, der in einer Kirche die Existenz Gottes infrage stellt.
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Aber diese nicht vorhandene Zahl ist nur ein gewollter Schwachpunkt im Pariser Übereinkommen.
Nachdem mehrere Industriestaaten das im Jahre 1997 geschlossene Kioto-Protokoll verlassen hatten und in der Zwischenzeit ihre CO 2 -Emissionen nicht reduzierten, trat 2015 an dessen Stelle das Pariser Übereinkommen. An der Haltung der meisten Industrieländer zu CO 2 -Emissionen hat sich durch diesen neuen Rahmen und Titel nicht das Geringste verändert, auch und vor allem nicht in China, dem größten Emittenten von CO 2 ; denn im Gegensatz zum Kioto-Protokoll, das noch so etwas wie eine mengenmäßige Begrenzung der CO 2 -Emissionen vorsah, deren Verfehlung allerdings in keiner Weise unter Strafe gestellt wurde, ist im Pariser Abkommen von vornherein keine mengenmäßige Beschränkung vorgesehen. Sonst wären auch nicht so viele Länder beigetreten. Jedes Mitglied muss lediglich einige gutklingende Erklärungen abgeben, aber sich keinerlei ernsthaften Beschränkungen unterwerfen. Genauso wie im Kioto-Protokoll brauchen die Mitglieder keinerlei Risiken aus der Verfehlung gegebenenfalls selbst gesetzter Ziele zu befürchten. Jedes Mitglied kann jederzeit aussteigen. Jeder kann eigentlich machen, was er will.
Deutschland dagegen betreibt den CO 2 -Ausstieg mit besonderem Eifer, um nicht zu sagen: mit Selbstergriffenheit und Sendungsbewusstsein. Das führt dazu, dass die Vertreter abweichender Meinungen auch einmal als Klimaleugner diffamiert werden; das Thema lässt sich fast täglich in den Medien finden. Es vergeht kein Tag, an dem man die Menschen nicht daran erinnert, dass sie verantwortlich für den Untergang der Welt sind und dass sie brav ihren Ablass in Form der EEG-Umlage zu zahlen haben und natürlich dem Verlust ihres Arbeitsplatzes durch diesen Irrsinn freudig entgegensehen müssen.
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Das Thema beherrscht die Politik. Es beeinträchtigt massiv die Automobilindustrie, die Energiewirtschaft, die mittelständische Wirtschaft und die Verbraucher. Es zerstört unsere Natur und Kulturlandschaften. Ein solcher blinder Eifer ist aus den meisten anderen Ländern nicht bekannt. Im Rest der Welt stößt die Art und Weise, wie Deutschland seine Industrie, die Interessen seiner Bevölkerung, seiner Natur und seiner Landschaften mit musterschülerhaftem Eifer der CO 2 -Keule erschlägt, auf – um es milde auszudrücken – Verwunderung; aber natürlich spielt auch Eigeninteresse eine Rolle.
Es grenzt schon an Selbstzerstörung, wie Deutschland seine leistungsfähige Energiewirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen zu Grabe trägt, insbesondere im Hinblick darauf, dass es Sonnenkollektoren und Batteriezellen für Elektroautos genau aus den Ländern importiert, die sich nachvollziehbar nicht um CO 2 -Emissionen scheren. Ein aktuelles Beispiel: Es befinden sich derzeit mehr als 1 600 Kohlekraftwerke in 64 Ländern im Bau; aber Deutschland will mit der Kohleausstiegskommission den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Kohle beschließen. Sie hier wollen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, durch Ihre Kohlepolitik den Mitarbeitern unserer modernen Kohlekraftwerke und ihren Familien ihre Tradition und ihre Existenzgrundlage rauben. Das ist Verrat an den Menschen, die für konstante Stromversorgung in Deutschland sorgen.
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Ich hoffe, dass die Betriebsräte genau zuhören; denn die Gewerkschaften sind hier schon lange auf Tauchstation gegangen. Sie konzentrieren sich lieber auf den Kampf gegen rechts. Es nützt nichts, unter dem Motto „Es ist Zeit, aufzustehen!“ eine Kundgebung zu organisieren, wenn man sich danach mit den Vernichtern der Arbeitsplätze wieder ins Bett legt.
Ein freundliches Glückauf hier in den Saal und in meine Heimat! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat die Bundesministerin Svenja Schulze.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Sonderbericht des Weltklimarats Anfang der Woche war ein Weckruf. Ich sage aber ganz deutlich: Es war ein erneuter Weckruf. Es gab nämlich schon einige davon. Das zeigt einmal mehr, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben.
Dieser Bericht ist ein besonderer, weil er zwei ganz zentrale Botschaften hat. Die erste ist: Bereits bei einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad bestehen sehr große Risiken, größere als wir bisher gedacht haben. Das betrifft beispielsweise Umweltschäden und das Risiko, dass Hunderte Millionen Menschen von Armut bedroht sind. Die besondere Qualität dieses neuen Berichtes ist es, dass er die großen Unterschiede zwischen einer Welt mit einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad im Vergleich zu einer Erwärmung um 2 Grad deutlich macht. Das Zweite, was an diesem Bericht ganz besonders ist: Er besagt, dass wir eine Begrenzung auf 1,5 Grad Erderwärmung noch schaffen können, was zweifellos mit enormen zusätzlichen Anstrengungen verbunden ist. Der Bericht macht also Mut. Der Weltklimarat ist überzeugt, dass wir über die Technologien, dass wir über das Wissen verfügen, ganz besonders im Energiebereich.
Dass es genug Technologien gibt, dass wir eigentlich wissen, was man tun muss, um den Klimawandel zu begrenzen, das verdanken wir natürlich einer innovativen Umweltpolitik, wie sie gerade in Deutschland vorhanden ist. Viele der Technologien, die es heute weltweit gibt, sind made in Germany. Hier wurde erkannt, dass ökologische Industriepolitik unglaubliche Chancen bietet und dass es da um etwas geht, was für die Zukunft unserer Gesellschaft ganz entscheidend ist.
({0})
Die neuen Forschungsergebnisse zeigen aber auch, dass Extremereignisse in allen Ausformungen bei einer globalen Erwärmung zwischen 1,5 Grad und 2 Grad noch deutlich zunehmen werden.
({1})
Das heißt, es käme weltweit noch häufiger zu Hitzewellen, zu Starkregen und zu extremerer Dürre. Sensible Ökosysteme wie beispielsweise die tropischen Korallenriffe oder die Arktis wären wirklich existenziell bedroht. Hinzu kommt, dass bei einer Erwärmung um 1,5 Grad im Vergleich zu einer Erwärmung um 2 Grad 50 Prozent weniger Menschen von Wassermangel betroffen wären.
({2})
Das bedeutet für uns alle: Eine Erderwärmung unterhalb von 1,5 Grad würde den Klimawandel noch deutlich besser beherrschbar machen.
Dem Bericht zufolge liegen wir jetzt bei etwa 1 Grad. Es ist unsere Verantwortung, die Verantwortung unserer Generation, es nicht so weit kommen zu lassen, dass die Erwärmung zunimmt.
({3})
Ich kann Ihnen versprechen: Ich werde alles tun, um den Klimawandel zu begrenzen.
({4})
Es ist vollkommen klar: Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wir müssen den Abschied von Kohle, Öl und Gas hinbekommen. Ich sage das immer wieder – deswegen sage ich es hier jetzt noch einmal –: Jede vermiedene Tonne Kohlendioxid, jedes vermiedene Zehntelgrad Erderwärmung zählt.
Dieser Umbau bringt Veränderungen mit sich. Er bringt große Chancen mit sich, die Welt gerechter, moderner, fairer, lebenswerter zu machen.
Klimaschutzpolitik schafft Arbeitsplätze. Das können Sie immer wieder im GreenTech-Atlas nachlesen.
({5})
Die grünen Technologien sind diejenigen, die Wachstumsraten haben, die wirklich beeindruckend sind. Das sind die Märkte der Zukunft.
({6})
Als diejenige, die in der Bundesregierung für den Klimaschutz zuständig ist, kann ich Ihnen sagen, was ich jetzt für richtig halte: Wir müssen in der Klimapolitik verbindlicher werden. Wir müssen alle Bereiche in die Pflicht nehmen, und dafür bereiten wir das Klimaschutzgesetz vor.
({7})
Man muss die Umweltpolitik, den Klimaschutz und soziale Anliegen in einen wirklich fairen Ausgleich bringen; das heißt international „Just Transition“. Das ist das, was wir auch mit der Strukturwandelkommission nach vorne bringen.
Ich will aber auch etwas zum Thema „Hambacher Forst“ sagen. Lassen Sie mich grundsätzlich vorweg sagen: Die Eskalation am Hambacher Forst hätte meines Erachtens vermieden werden können. Das waren und das sind größtenteils friedliche Proteste in Hambach.
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Es sind ermutigende Signale, dass so viele Menschen aus der Kohle aussteigen wollen.
({9})
Sie stehen damit, wie Sie alle wissen, stellvertretend für einen Großteil der Bevölkerung.
Ich habe von Anfang an dafür geworben, dass die Rodung gestoppt wird, solange wir in der Kommission noch nach einem Konsens in der Kohlefrage suchen.
({10})
Die schwarz-gelbe Landesregierung hat stattdessen Obrigkeit statt Diskurs praktiziert. Sie hat gespalten, statt zu versöhnen. Was wir brauchen, ist genau das Gegenteil: Wir brauchen das Gespräch und den positiven Willen, für die betroffene Region den Weg so zu bereiten, dass auch Kinder, dass auch Enkel in dieser Region Heimat und Arbeit finden.
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Ich bin froh, dass durch das Oberverwaltungsgericht Münster jetzt diese gesellschaftliche Eskalation beendet wurde, dass die Strukturwandelkommission jetzt in Ruhe arbeiten kann.
({12})
Diese Kommission, die Arbeit dort, hat die historische Chance, den gesellschaftlichen Konflikt um die Kohle zu befrieden, einen Ausstiegspfad festzulegen und einen sozial gerechten Übergang für die Region zu gestalten.
Ich will auch etwas zu den Verhandlungen gestern bzw. heute Nacht in Luxemburg sagen. Es ist gestern eine Einigung zu den Pkw-CO 2 -Grenzwerten gelungen, die jetzt eine Erhöhung des Flottengrenzwerts 2030 auf 35 Prozent vorsieht.
({13})
Wie Sie wissen, habe ich von Anfang an gesagt, dass ich mehr als 30 Prozent, also mehr als das, was die Kommission vorgeschlagen hat, für möglich, für geboten halte. Unser Koalitionspartner hat dagegen auf dem reichlich unambitionierten Ziel der Kommission beharrt. Ich habe das für falsch gehalten; übrigens auch die SPD-Bundestagsfraktion. Aber ich heiße Schulze und nicht Schmidt, ich bin von der SPD und nicht von der CSU, und deswegen habe ich die deutsche Position, die in der Regierung abgestimmte Position, vertreten.
({14})
Das gehört für mich zu anständigem Regierungshandeln dazu.
({15})
Es ist uns aber im Laufe des gestrigen Tages, in den 14‑stündigen Verhandlungen, gelungen, die deutsche Regierungsposition etwas zu verändern. Wir konnten so einen Kompromiss schaffen, der jetzt zu schärferen Grenzwerten führt. Ich denke, dass wir damit Brücken gebaut haben zwischen den höchst unterschiedlichen Positionen der Mitgliedstaaten.
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Wir konnten am Ende eine mehrheitsfähige Position zwischen den Ländern aufbauen, die weniger wollten, und denen, die mehr wollten. Das ist ein echter Fortschritt, den wir jetzt haben. Das ist etwas, was wir als Bundesregierung in Europa jetzt mit auf den Weg gebracht haben.
Jeder, der hier behauptet, 40 Prozent seien möglich gewesen, liegt vollkommen falsch. Das war zu keinem Zeitpunkt in den Verhandlungen möglich.
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Es war möglich, dass es komplett scheitert, und es war möglich, dass wir uns auf einen Wert um 30 Prozent herum einigen. Mehr war nicht drin.
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Ich glaube, dass es wichtig war, dass wir gestern zu einem Ergebnis gekommen sind. Das ist ein gutes Stück Europapolitik. Wir haben es geschafft, die unterschiedlichen Positionen zusammenzubringen. Wir haben es geschafft, dass es nicht zu einer Ost-West-Aufspaltung kam, und wir haben es geschafft, eine mehrheitsfähige Position auf den Weg zu bringen, sodass es auch in Zukunft noch Grenzwerte geben wird. Das war die Alternative: Hätten wir uns nicht geeinigt, hätte es zukünftig keine Grenzwerte mehr für Pkws gegeben. Jetzt haben wir es geschafft, dass der Trilog beginnen kann. Mich bestärkt das sehr in meiner Haltung, dass es richtig ist, sich europaweit für solche ambitionierten Dinge einzusetzen. Sie wissen: Ich hätte mir mehr gewünscht, die deutsche Sozialdemokratie hätte sich mehr gewünscht. Aber das ist das, was heute möglich ist.
Wir haben noch acht Wochen bis zur Konferenz in Kattowitz. Ich will darauf aufmerksam machen, dass es gestern Thema war, ein klares Signal zu geben, dass Europa die Klimaschutzziele vor 2020 noch einmal überprüft. Es ist gut, dass wir dieses Signal gestern geben konnten und dass es gelungen ist, eine gemeinsame Position im Umweltrat voranzubringen.
Lassen Sie uns den IPCC-Bericht und den Konflikt um den Hambacher Forst als Ansporn nehmen, dass Deutschland auf diesen Konferenzen wieder vorangeht, dass wir diejenigen sind, die die ambitionierten Ziele setzen. Ich möchte, dass wir das hier im Bundestag tun. Ich möchte ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen
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und setze dabei auf die Unterstützung aus dem Bundestag.
Herzlichen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Lukas Köhler für die FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Krischer, Sie haben leider nur einen Satz zur internationalen Ebene dieses Berichts gesagt. Das ist wirklich traurig. Frau Ministerin, was Sie hier gerade abgelassen haben, zeigt genau das Problem. Sie haben nur von sich selber gesprochen. Sie haben davon gesprochen, welche Position Sie einnehmen. Sie haben aber nicht über eine gemeinsame Position, über ein gemeinsames strategisches Vorgehen gesprochen.
({0})
Das ist die große Herausforderung, vor der wir stehen.
Man kann den IPCC-Bericht so auslegen, dass eine schwarzmalerische Weltuntergangsstimmung erzeugt wird, die uns dazu verleiten soll, hektisch und aktionistisch und ohne jeglichen Plan und Strategie vorzugehen. Man kann diesen Bericht aber auch so lesen, dass wir die Probleme an der Wurzel packen und aus der Not des Klimawandels eine Tugend machen, eine Tugend, die dazu führt, dass wir ein gemeinsames Handeln der internationalen Völkergemeinschaft hinbekommen.
({1})
Die Herausforderungen durch den Klimawandel bringen uns in eine historisch einmalige Situation. Denn das erste Mal haben wir eine menschengemachte Krise, die wir nur durch menschengemachtes Handeln wieder lösen können. Die Diskussion hier in Deutschland zeigt auch nach dem IPCC-Bericht, in welche fatale Richtung es geht.
Ja, Herr Krischer, der Hambacher Forst ist ein Symbol. Er ist aber auch ein Symbol für eine überhitzte Debatte über den Kohleausstieg, die nicht mehr in Sachlichkeit, sondern nur noch in Symbolik geführt wird.
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Das ist tatsächlich die große Frage unserer Klimapolitik.
Wir führen diese Debatte, wie wir gerade gehört haben – jetzt gibt es auch eine Debatte über Gas; ich bin gespannt, wie wir das machen wollen –, ohne Rücksicht auf Verluste,
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ohne Rücksicht auf die Versorgungssicherheit, auf den Strompreis, auf die Zukunft der Menschen, die in den Regionen leben. Der Erfolg der Energiewende hängt doch nicht davon ab, wie viel Windkrafträder wir gebaut haben.
({4})
Der Erfolg der Energiewende hängt davon ab, ob wir es hinkriegen, unser Wirtschaftswachstum und unsere gute Beschäftigungssituation zu verbinden mit einer Reduktion des CO 2 -Ausstoßes. Darin liegt der Erfolg der Energiewende, und nicht darin, wie groß der Anteil der erneuerbaren Energien ist.
({5})
Meine Damen und Herren, Sie hatten als Beispiel das Geschacher um die CO 2 -Grenzwerte angesprochen. Bisher zeigen die aktuellen Grenzwerte nicht, dass sich die Situation mit Blick auf den Klimawandel verbessert hat. Wir haben keinen Klimaschutz erreicht. Aber was machen wir jetzt? Wir wollen noch mehr von dem, was nicht funktioniert. Das ist doch völlig absurd.
({6})
Niemand, keiner hier, hat mir bisher erklären können, warum wir den Rebound-Effekt nicht erneut haben werden, warum wir 2027 nicht wieder hier stehen und exakt die gleiche Diskussion führen. Es ist Wahnsinn, immer das Gleiche zu tun und zu hoffen, dass etwas Neues dabei herauskommt.
({7})
Totaler Nonsens! Es tut mir leid.
Zurück zur Rationalität. Wir wissen, dass wir ein gewisses CO 2 -Budget haben. Das gibt der IPCC-Bericht deutlich vor. Wir kennen das Problem. Wir müssen dieses Problem aber, glaube ich, als Chance begreifen. Wir müssen das Ziel erreichen, dass wir als Weltgemeinschaft dieses Budget einhalten. Das Gute ist, dass wir dafür keine neuen Ideen brauchen. Wir haben bereits ein solches System, wir kennen es und nutzen es erfolgreich in der EU. Wir nutzen es aber auch in vielen anderen Regionen weltweit. Ich rede vom Emissionshandel, der genau das macht, was wir brauchen: Er gibt eine Menge von Treibhausgasen vor, die jährlich ausgestoßen werden dürfen. Wenn wir es auf der globalen Ebene hinbekommen, dieses System einzuführen, dann können wir die Ziele auch erreichen.
({8})
Immerhin ein Drittel der Weltbevölkerung lebt heute schon in Regionen, in denen dieser Emissionshandel betrieben wird. Das ist genau die Grundlage, auf der wir aufbauen können.
Diesen Vorschlag hat gestern übrigens der Co-Präsident des Club of Rome, von Weizsäcker, gemacht, und der steht sicherlich nicht in Verdacht, ein böser Raubtierkapitalist zu sein. Er hat gesagt, dass wir so unser Ziel umsetzen und unsere Klimaziele erreichen können. Er hat auch gesagt – ich zitiere –: Dann „hat es … nur noch symbolische Bedeutung, ob Deutschland das 40-Prozent-Minderungsziel einhält“; denn dann geht es darum, dass wir weltweit gemeinsam unsere Ziele erreichen.
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass viele von Ihnen einen globalen Emissionshandel für völlig unrealistisch halten. Aber können Sie mir mal erklären, warum die radikalen Verhaltensänderungen der Menschen realistischer sein sollen?
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Glauben Sie im Ernst, dass die Menschen Deindustrialisierung und Verlust von Arbeitsplätzen, Verlust von Wohlstand genauso einfach hinnehmen würden? Das ist doch eine absolute Traumwelt, in der Sie da leben.
({10})
Das ist genauso unrealistisch. Es tut mir leid, dass hier so klar sagen zu müssen.
({11})
– Die CDU und meine Fraktion sind ebenso dabei wie alle Vernünftigen in diesem Land.
({12})
Es ist der Punkt erreicht, an dem wir endlich eine gemeinsame Strategie brauchen, um diesen Emissionshandel sinnvoll einzuführen, um die Ziele gemeinsam zu erreichen. Mit Technologie und technologischem Fortschritt – übrigens auch mit der Speicherung, über die Sie leider nichts gesagt haben, Frau Schulze –, die wir brauchen, können wir das Klima rational, vernünftig und gemeinsam weltweit schützen und unsere Ziele erreichen.
Vielen herzlichen Dank.
({13})
Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege Lorenz Gösta Beutin.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bin betroffen;
({0})
denn ich komme aus Schleswig-Holstein, genauer gesagt, aus Kiel. Wer sich mit dem Bericht des Weltklimarates auseinandergesetzt hat, weiß, dass der Klimawandel zu einem Anstieg der Meeresspiegel führen wird. Die Erderwärmung wird zu Überschwemmungen und zu Sturmfluten führen, wie wir sie uns heute noch nicht vorstellen können. Aus diesem Bericht geht hervor, dass die Klimaerwärmung die Lebensgrundlagen von 3 Millionen Menschen an Nord- und Ostsee bedroht. Vielleicht wird es uns nicht alle hier betreffen, aber ganz sicher wird es unsere Kinder und unsere Kindeskinder betreffen.
„Die kommenden Jahre sind vermutlich die wichtigsten in der Menschheitsgeschichte.“
({1})
Diese Worte stammen nicht von mir; diese Worte stammen von der Wissenschaftlerin Debra Roberts. Sie ist Mitglied im Weltklimarat. Wir sind gut beraten, wenn wir ihre Worte sehr ernst nehmen.
({2})
Wir als Fraktion Die Linke danken den Aktivistinnen und Aktivisten im Hambacher Forst für ihren jahrelangen Widerstand gegen RWE und gegen eine Landesregierung, die sich zum Ausführungsorgan der Kohlelobby gemacht hat. Wir sagen: Diese Menschen haben eine Pflicht getan, die jetzt unser aller Pflicht ist: für Klimagerechtigkeit auf die Straße zu gehen, für unsere Zukunft einzustehen und für die gemeinsame Verteidigung unserer Lebensgrundlagen.
({3})
Doch der Bericht des Weltklimarates macht auch deutlich: Die Maßnahmen, die heutzutage auf dem Tisch liegen, reichen bei weitem nicht aus, um die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Im Gegenteil: Wir steuern gerade auf eine Erderwärmung von 3 bis 4 Grad zu. Wenn wir das nicht stoppen, steuern wir gemeinsam auf eine unkontrollierbare Katastrophe zu.
({4})
Das ist alarmierend.
Ich will etwas Grundsätzlicher werden. Ich habe Ihnen allen zu Beginn dieses Jahres von dem Bauern aus Peru berichtet, der gegen RWE klagt, weil sein Bergdorf in den Anden vom Klimawandel bedroht ist. Wie es jetzt aussieht, hat seine Klage sogar relativ gute Aussichten auf Erfolg. Das macht das Dilemma des Klimawandels aus: Wir haben eine Situation, wo Menschen im globalen Süden – die Menschen, die keine Macht haben – am meisten unter dem Klimawandel leiden. Auf der anderen Seite haben diejenigen die Macht, die am Klimawandel, an der Vernutzung der Rohstoffe, an der Abholzung der Regenwälder verdienen, für billige Rohstoffe, für billiges Fleisch hier in Europa. Deshalb sind wir diejenigen, die die Chance ergreifen müssen, diese Klimabewegung gemeinsam zu unterstützen, die Proteste auf die Straße zu tragen und das, was im Hambacher Forst begonnen hat, entschieden weiterzuführen.
({5})
An die Kolleginnen und Kollegen von der Partei, die das C für Christlich im Namen trägt: Selbst wenn Sie mir nicht zuhören, hören Sie vielleicht dem Papst zu. Der Papst hat klargemacht: Diese Wirtschaftsordnung tötet.
({6})
Das bedeutet, wir müssen anfangen, diese Klimakatastrophe wirksam zu bekämpfen. Wir müssen gemeinsam solidarische und gerechte Formen des Wirtschaftens, des Produzierens und des Konsumierens finden. Und wir müssen den Mut haben, uns mit denjenigen anzulegen, die am Klimawandel verdienen. Nur so kann es etwas werden.
({7})
Ich war im November letzten Jahres und auch jetzt wieder im Hambacher Forst, ich war auch auf einigen Baumhäusern.
({8})
Dort gab es den Spruch: „System Change, not Climate Change“.
({9})
Das ist der Spruch der internationalen Klimabewegung. Er macht deutlich: Wenn wir nicht anfangen, unsere Wirtschaftsordnung gerecht zu gestalten, wenn wir nicht anfangen, unser System zu verändern, wird es uns nicht gelingen, den Klimawandel zu bekämpfen. Wir müssen den Klimawandel bekämpfen, und das gelingt uns nur mit einer solidarischen und gerechten Wirtschaftsordnung.
Vielen Dank.
({10})
Die nächste Rednerin: die Kollegin Dr. Anja Weisgerber, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, der Sonderbericht des Weltklimarats der Vereinten Nationen zeigt uns, dass schon bei einer Erwärmung von 1,5 Grad Celsius enorme Risiken für Mensch, Tier und Natur bestehen. Er besagt aber auch, dass wir die Begrenzung der Erderwärmung noch schaffen können. Deshalb sagen auch wir, dass wir den Weg der Treibhausgasreduktion konsequent weitergehen müssen. Das tun wir mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 mit über 100 Maßnahmen, mit dem Klimaschutzplan 2050, für den wir ja international gefeiert wurden in Marrakesch, und mit all den anderen Maßnahmen, die wir auf den Weg bringen, mit Ambition, aber auch mit Augenmaß und mit Rücksicht auf die Menschen und auf die Arbeitsplätze. Wir bringen diese Maßnahmen auf internationaler, auf europäischer und auf nationaler Ebene voran.
Deswegen, werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Hören Sie doch mal mit dem Märchen auf, der Bevölkerung zu erzählen, dass wir nichts machen. Es stimmt einfach nicht.
({0})
Ich habe die Aktionsprogramme und den Klimaschutzplan aufgezählt. Zu Ihrer Frage, Herr Krischer „Was tun Sie denn?“: Wir gehen mit gutem Beispiel voran. Wir arbeiten gerade in allen Sektoren: Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Ja, in allen Sektoren müssen wir Beiträge leisten, und da werden die Maßnahmen gerade erarbeitet. Anstatt sich in den Reden immer zu ereifern, könnten Sie sich an diesem Prozess, der gerade läuft, einfach sachlich beteiligen.
({1})
Wenn ich Ihnen, Frau Badum, die einzelnen Maßnahmen im Detail aufzähle – wie zum Beispiel die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung, ein Anreizprogramm –, dann kommt von Ihnen: Ja, Frau Weisgerber, verlieren Sie sich doch nicht in dem Klein-Klein der Maßnahmen. – Wir machen diese Hausaufgaben.
({2})
Wir erarbeiten gerade mit den zuständigen Ministerien die Maßnahmenpläne.
({3})
Wir werden dann auf der Basis der Maßnahmenpläne auch ein Gesetz zur Erreichung der Klimaziele erarbeiten und im Laufe des nächsten Jahres verabschieden.
({4})
Das ist gut so, und auf diesem Weg sind wir. Dabei setzen wir in erster Linie – ich habe es gesagt – auf Anreizsysteme und nicht auf Verbote; denn Klimaschutz gelingt nur mit den Menschen und nicht gegen sie. Für die Herausforderung Klimaschutz brauchen wir eine gesellschaftliche Akzeptanz. Nur im Schulterschluss zwischen Staat, Wirtschaft, Umweltverbänden und Zivilgesellschaft sorgen wir für das Gelingen des nationalen Klimaschutzes.
Das gilt auch für die Frage der Kohle. Die von der Bundesregierung eingesetzte Strukturwandelkommission beschäftigt sich doch gerade genau mit der Frage, wie wir die Kohleverstromung schrittweise reduzieren können, und mit der Frage eines Abschlussdatums, aber eben ohne Strukturbrüche, ohne Gefährdung der Energieversorgungssicherheit, zu bezahlbaren Energiepreisen, im Zieldreieck zwischen Ökologie, Ökonomie und der sozialen Verträglichkeit. Das ist unser Weg, meine Damen und Herren.
({5})
Genauso ist es beim Thema Verkehr. Auch da haben wir eine andere Herangehensweise als die Grünen; denn wir schauen auf die Auswirkungen unserer Entscheidungen, auch die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Dazu möchte ich einfach mal die Fakten darlegen: Der CO 2 -Grenzwert in der EU liegt momentan bei einem Ausstoß von 130 Gramm CO 2 pro Kilometer. Das gilt bis 2019. Ab 2020 gelten 95 Gramm CO 2 -Ausstoß pro Kilometer. Jetzt geht es darum, dass dieser Wert noch einmal verschärft wird.
({6})
Dazu hat die EU-Kommission einen Vorschlag gemacht, diesen Wert noch um 30 Prozent abzusenken, also zu verschärfen. Sie erzählen ja den Menschen, wir würden bestehende Grenzwerte aufweichen, und die Menschen glauben das auch noch. Damit müssen wir mal aufhören und die Wahrheit erzählen.
({7})
Es geht um eine Verschärfung, letztendlich eine Absenkung. Der Umweltministerrat hat gestern sogar eine Senkung von 35 Prozent verabschiedet –
({8})
mit der Stimme der Umweltministerin.
({9})
Das Europäische Parlament fordert 50 Prozent. Da kommt es jetzt zu einem Trilog.
({10})
Wenn nun behauptet wird, wir würden die Grenzwerte letztendlich aufweichen, obwohl das, was auf dem Tisch liegt, sogar noch strenger ist als das, was die EU-Kommission vorgeschlagen hat, die sich intensiv in Impact Assessments mit der Frage, was erreichbar und was nicht erreichbar ist, auseinandergesetzt hat, dann sage ich: Wir sind für strenge und ambitionierte Grenzwerte, aber es muss auch realisierbar sein;
({11})
denn wir wollen nicht, dass die Gelder letztendlich in Strafzahlungen fließen.
Wir wollen, dass die Grenzwerte scharf sind, dass sich die Automobilindustrie endlich noch intensiver auf den Weg in die Mobilität der Zukunft macht, und wir wollen, dass die Gelder in Innovationen fließen und nicht in Strafzahlungen.
Vielen Dank.
({12})
Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Rainer Kraft.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Ministerin! Auf 1,5 Grad Celsius wollen Sie uns nun also einschwören mit dem vorliegenden IPCC-Bericht und dem vorläufigen vom BUND initiierten Rodungsstopp im Hambacher Forst. Dieser Wald, um den sich gerade die gesamte rot-grüne Welt zu drehen scheint, wurde 2016 zur Abholzung freigegeben – von einer rot-grünen Landesregierung. Herzlichen Glückwunsch!
({0})
An die Damen und Herren vom BUND habe ich einige Fragen. Sie berichten von mehreren Kisten an Unterlagen, die belegen, dass die Bechsteinfledermaus oder das Große Mausohr im Hambacher Forst ihr Zuhause haben. Wurden diese Unterlagen eigentlich erst nach dem Regierungswechsel in NRW 2017 erstellt? Und wo wohnten diese Fledermäuse, als in Düsseldorf noch eine rot-grüne Regierung am Schalten und Walten und Roden war? Sind diese Fledermäuse vielleicht erst unter Schwarz-Gelb dahin gezogen? Fragen über Fragen. Oder ist es vielleicht so, dass es weder den Melonenparteien noch dem BUND tatsächlich um Wald und Fledermäuse geht, sondern einzig darum, mit solchen ideologisierten Kampagnen ihre eigene Existenz zu rechtfertigen?
({1})
Blicken wir einen Wald weiter nach Aachen. Dort kreischen die Kettensägen und holzen fleißig ab, damit Windkraftanlagen errichtet werden können. Diese liefern zwar viel weniger Strom als ein Braunkraftkohlewerk, töten dafür aber viel mehr Tiere, vor allem Vögel und – Fledermäuse!
({2})
Wir werden sehen, ob die Damen und Herren des BUND auch dort vor Gericht ziehen und einen Rodungsstopp erwirken. Ich denke, nicht.
({3})
Dabei sind in NRW durch bereits errichtete bzw. in Bau und Planung befindliche Windkraftanlagen circa 160 Hektar Wald betroffen, und niemand hat dort nach der Bechsteinfledermaus oder dem Großen Mausohr gesucht.
Wir halten also fest: Es gibt nicht nur guten Wald und schlechten Wald; es gibt auch gute und schlechte Fledermäuse.
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Beachtet man dann noch, dass alle Windkraftanlagen, die in allen Wäldern Deutschlands je errichtet wurden oder derzeit geplant sind, auch zusammen nicht annähernd an die Stromproduktion des Braunkohlekraftwerks Niederaußem heranreichen können, in dem die Verstromung der Hambacher Kohle stattfindet, erkennt man erst den gesamten Grad an Heuchelei hierbei.
({5})
– Ich erwarte Ihre Gegendarstellung.
({6})
Hier 100 Hektar, an denen scheinbar die gesamte Artenvielfalt Deutschlands hängt, für Strom, der 24 Stunden, sieben Tage die Woche verfügbar ist,
({7})
dort bis zu 2 000 Hektar für circa 2 000 Windkraftanlagen, bei denen keiner nach Fledermäusen, Vögeln, Bäumen oder anderen Dingen fragt, für lächerlich niedrige Beiträge unzuverlässigen Schrottstroms. Das ist weder effizient noch ökologisch, das ist ganz einfach verantwortungslose Politik im Namen der Windkraftlobby.
({8})
Und wozu? Schauen wir einmal kurz in den neuesten IPCC-Bericht, der vorgestern die Medien dominiert hat, ein Bericht, der voll ist mit den wichtigsten Antworten auf die dringendsten Klimafragen für den Fortbestand der gesamten Menschheit. Richtig? Falsch: Die Handreichungen der zu behandelnden Punkte der letzten Tagung umfassen unter anderem „Gender-Mainstreaming“. Ein Rat, der vorgibt, die entscheidende Frage der Menschheit nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten, bemüht sich nicht, die besten und brillantesten Experten in Sachen Klima zu Wort kommen zu lassen, sondern fragt danach, ob der Weltklimarat geschlechterparitätisch besetzt ist. Er fragt danach, wie man mehr Frauen dazu bringt, sich als Autorin einzubringen, unter anderem durch die Möglichkeit, die Arbeitslast zu reduzieren. So wurde ein Arbeitskreis gebildet, der darauf hinwirkt, innerhalb des IPCC Geschlechtergleichheit herzustellen und geschlechtsspezifische Themen anzusprechen.
({9})
Sie sehen, meine Damen und Herren: Sie haben es mit seriöser Wissenschaft zu tun. Tag und Nacht arbeitet der IPCC an den elementaren Fragen der Zukunft der Menschheit wie zum Beispiel Gender.
({10})
Aber immerhin, in einem haben die Damen und Herren des IPCC noch ihren Verstand beisammen: Die kennen nämlich nur zwei Geschlechter.
({11})
Zu guter Letzt noch ein Blick auf ein neues sogenanntes Treibhausgas, das NO x . Diesem wird im neuesten Bericht eine Schlüsselrolle – global und national – beim Klimawandel zugeschrieben. Da folgt natürlich gleich eine Frage: Die NO x -Emissionen in Deutschland sind von 1990 bis 2016 um 60 – 60! – Prozent gesunken. Selbst der ADAC hat das geschrieben. Wo finde ich diesen Effekt der massiven NO x -Einsparung in Deutschland in den Klimaaufzeichnungen, wenn NO x angeblich die Bedeutung hat, die ihm zugeschrieben wird? Nirgends. Generell stellt sich angesichts von Hunderten Milliarden Euro, die für ökopopulistisches Klimavoodoo zwangsumverteilt wurden, die Frage: Wo ist ein einziger beobachtbarer Effekt, dass die Aktionen Wirkung zeigen? Es gibt ihn nicht. Nach über 20 Jahren Forschung, dem Vergeuden von zig Milliarden D-Mark und Euro haben Sie kein Ergebnis vorzuweisen, kein noch so kleines Jota an Daten, die einen mikroskopisch kleinen Rückgang an CO 2 oder der Temperatur als Lohn der Mühen und der Belastungen der Bevölkerung aufzeigen – nichts.
({12})
Der Klimakaiser ist nackt und arm, und Fledermäuse, Vögel und Bäume werden zu Tausenden auf seinem Altar des Klimavoodoo geopfert. Hören Sie auf damit, unsere Natur und unseren Wirtschaftsstandort Deutschland zu gefährden, und begeben Sie sich auf den Boden seriöser Wissenschaft! Unser Land braucht endlich wieder sachorientierte Politik und keine rot-grünen Heilsversprechungen und Erlösersekten.
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Klaus Mindrup für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt seit Montag der Sonderbericht des Weltklimarates IPCC vor. Zwei Kernbotschaften sind besonders wichtig: Erstens. Ein blindes Weiter-so wird verheerende Folgen haben. Bleibt ein Umsteuern aus, wird sich die Erderwärmung weiter fortsetzen, mit verheerenden Auswirkungen für unsere Ökosysteme und für die Lebensgrundlagen vieler Menschen, besonders in den Ländern des globalen Südens, aber auch an den Küsten, und das auch bei uns. Zweitens. Ein Einhalten des 1,5‑Grad-Zieles ist physikalisch, technisch und wirtschaftlich möglich, setzt aber massive Anstrengungen voraus. Bis 2050 brauchen wir einen ausgeglichenen Kohlendioxidhaushalt auf der Erde, und es muss Schluss damit sein, dass die Atmosphäre als Deponie missbraucht wird.
({0})
All denen, die jetzt sagen: „Das ist Unsinn“, sage ich das, was ich hier schon einmal gesagt habe: Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber niemand hat das Recht auf eigene Fakten.
({1})
Wir müssen auch nicht darum herumreden: Deutschland kann und muss beim Klimaschutz besser werden. Jetzt ist die gesamte Bundesregierung gefordert, inklusive der Bundeskanzlerin, uns hier im Ergebnis der eingesetzten Kommissionen zum Strukturwandel, aber auch zum Verkehr und auf der Basis von eigenen Überlegungen Vorschläge zu machen, wie wir unsere Klimaschutzziele einhalten. Und dazu gehört auch der Entwurf des Klimaschutzgesetzes. Natürlich drängt die Zeit, ohne dass wir jetzt hektisch werden müssen. Wir haben nur ein bestimmtes CO 2 -Budget zur Verfügung. Je später wir handeln, umso schwieriger wird es. Deswegen müssen wir jetzt energisch werden. Deswegen gehe ich jetzt auf einige konkrete Punkte ein.
Am Sonntagabend gab es eine Talkshow in der ARD zum Thema Klimaschutz. Dort hat Herr Lindner von der FDP behauptet, dass das Abschalten von Kohlekraftwerken bei uns nichts bringen würde, weil die Emissionen anschließend in Polen anfielen. Das sei das Ergebnis des europäischen Emissionshandels. Da musste ich schon schwer durchatmen. Da hat die FDP wohl ein ganzes Jahr geschlafen.
({2})
Im letzten Jahr ist der europäische Emissionshandel verändert worden. Unsere damals amtierende Umweltministerin, Barbara Hendricks, hat in Vorbereitung einer Jamaika-Koalition, die damals noch im Raum stand, verhandelt, dass man die Emissionsmengen herausnehmen kann, wenn wir in Deutschland Kohlekraftwerke selber stilllegen.
({3})
– Nein, es stimmt eben nicht.
({4})
– Natürlich wird etwas passieren. Ansonsten macht es keinen Sinn. Warum hätten wir das denn verhandelt? Warum sagt Herr Lindner so etwas? Entweder weiß er es nicht besser,
({5})
oder er belügt die Bevölkerung. Was ist denn schlimmer? Da müssen Sie sich doch einmal entscheiden.
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Ich frage die Grünen: Ist euch denn gar nicht bei den Verhandlungen aufgefallen, dass sie gar nicht wissen, worüber sie reden?
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– Das erklärt, warum die Flotte, die nach Jamaika segeln wollte, so schnell gesunken ist.
({8})
– Offensichtlich ist es so, dass Sie, wenn man die Wahrheit sagt, schwer damit umgehen können.
Wir, die SPD, haben im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass wir mehr erneuerbare Energien ausbauen und dass wir deswegen Sonderausschreibungen brauchen. Ich freue mich, dass der Koalitionsausschuss dies auch bestätigt hat; denn das ist eine wichtige Sofortmaßnahme für den Klimaschutz.
({9})
Wir müssen aber auch die Energiewende besser managen. Trotz des gesetzlichen Vorrangs für die erneuerbaren Energien wurden 2017 5 518 Gigawattstunden CO 2 -freien Stroms abgeregelt. Dabei kann man das vermeiden. Es gibt interessante Forschungsvorhaben, unter anderem das Projekt SINTEG des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Hochinteressant ist dort das Modellprojekt enera in Nordwestniedersachsen. Dort wird untersucht, wie man auf der Verteilnetzebene die Nutzung erneuerbarer Energien besser steuern kann. Es ist wichtig, dass wir eine Begleitforschung machen und auch prüfen, wie die SINTEG-Projekte dazu führen, dass wir Klimaschutz durchsetzen können. Das ist im Augenblick noch gar nicht vorgesehen.
({10})
Eines ist heute schon klar: Es ist besser, den CO 2 -freien Strom zu speichern und dann zu nutzen, als ihn abzuregeln. Daher brauchen wir jetzt neben dem Netzausbau und neben Power to Heat sofort den Ausbau von Batteriespeichern als Kurzfristspeicher und Wasserstoff als Langfristspeicher. Es müssen die entsprechenden Abgaben anders geregelt werden, damit das möglich ist.
({11})
Dann müssen wir in den Sektoren Wärme und Verkehr weiter vorankommen. Dafür ist es entscheidend, dass wir die Ausbaumengen nach vorne bringen, die dezentrale Energieerzeugung voranbringen, Photovoltaik und Kraft-Wärme-Kopplung weiter voranbringen und die bürokratischen Hemmnisse in diesem Bereich reduzieren. Wir müssen unser Regelwerk überprüfen, und zwar so, dass CO 2 -Einsparung sinnvoll wird. Da ist der Grundsatz „Efficiency first“ sinnvoll.
({12})
Dann müssen wir zusehen, dass wir absurde Regeln beenden. Unternehmen, die im Augenblick von der EEG-Umlage befreit sind, müssen nur eine Zertifizierung vorlegen, ohne dass sie Maßnahmen umsetzen. Das kann doch nicht wahr sein. Zukünftig müssen sie wirtschaftliche Maßnahmen umsetzen. Das muss auch im Klimaschutzgesetz geregelt werden.
({13})
Wir sind lernend, anders als andere. Wir wissen, dass es notwendig ist, zu handeln. Wenn wir nicht handeln – wir sind hier der Haushaltssouverän im Deutschen Bundestag –, dann kommen auf Deutschland Strafzahlungen allein aus den Bereichen Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft in einer Dimension von 30 bis 60 Milliarden Euro in den nächsten zwölf Jahren zu. Europarechtlich ist das ganz klar und verbindlich geregelt. Wir als SPD wollen lieber in gute Arbeit, in gute Zukunftschancen und in den Klimaschutz investieren als unsinnige Abgaben zahlen.
Herzlichen Dank.
({14})
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Lisa Badum.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss Ihnen wirklich sagen, ich bin gerührt und bewegt, was sich in den letzten Wochen in unserem Land abspielt und wie die Menschen sich die Straßen zurückerobern.
({0})
Da rede ich nicht von den ewig Gestrigen, sondern ich rede von Bürgerinnen und Bürgern, einer jungen Frau, die ich neulich in der Nähe von Coburg bei einer Demonstration getroffen habe, die ein Schild mit der Aufschrift „Hambi bleibt, AfD abholzen“ bei sich trug.
Das zeigt ganz gut, welche zwei großen Herausforderungen wir zurzeit meistern müssen: Das ist der Kampf gegen die Klimakrise, und das ist der Kampf gegen Rechtspopulismus. Das treibt die Bürgerinnen und Bürger um.
({1})
Und warum treibt sie das um? Weil aktiver Klimaschutz und eine aktive Zivilgesellschaft zusammengehören, weil es um eine gerechtere Zukunft geht, in der wir unsere Lebensgrundlagen eben nicht vernichten, sondern verantwortlich denken und handeln.
({2})
Ich begegne in Franken täglich Menschen wie dieser jungen Frau. Aber Sie nehmen die Sorgen und Nöte nicht auf und setzen sie nicht in stimmiges Regierungshandeln um. Vielmehr erzeugen Sie zusätzlich Chaos und verspielen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.
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Der Ministerpräsident in Bayern kündigt an, den Klimaschutz in die Verfassung aufnehmen zu wollen. Am exakt gleichen Tag stellen wir hier den Antrag, den Klimaschutz in das Grundgesetz aufzunehmen. Aber hier in Berlin ist die Union dagegen, den Klimaschutz in die Verfassung mit aufzunehmen.
Zum Hambacher Wald. Sie alle kennen das Thema: Die Landesregierung hat irgendeinen Vorwand suchen müssen, um die Baumhäuser zu räumen, weil sie laut Gerichtsurteil eben nicht illegal waren. Jedes Baumhaus hatte einen Feuerlöscher. Man hat die Polizei hingeschickt, um diese Feuerlöscher aus Sicherheitsgründen mitzunehmen, um dann den Hambacher Wald aus Brandschutzgründen zu räumen. Andernorts greifen die Landesregierungen nicht ganz so deutlich durch.
Wenn in Dortmund Rechtsextreme aufmarschieren, sind nur 80 Polizistinnen und Polizisten da. Die anderen sind nämlich im Hambacher Wald gebunden gewesen, wo wir einen Einsatz von 50 Millionen Euro auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hatten. Sie setzen dieses Geld für einen Konzern und nicht für die Verteidigung der Demokratie ein.
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So verspielen Sie Vertrauen wie das der jungen Frau aus Franken. Aber die Menschen reagieren, wie Sie sehen. Sie bleiben nicht auf dem Sofa sitzen, sondern sie gehen auf die Straße. Allein 50 000 waren es am Wochenende, die im Hambacher Wald für eine Energiewende und für den Kohleausstieg demonstriert haben. 18 000 haben in München für eine Agrar- und Verkehrswende demonstriert.
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Diese Woche kam außerdem der Bericht des Weltklimarats. Auf diesen Sonderbericht haben vor allem die Inselstaaten gedrängt, denen buchstäblich das Wasser bis zum Halse steht. Wie wir gehört haben, kann das durchaus auch Küstenregionen in Deutschland betreffen. Auch hier hat man wieder gemerkt, wie eng Klimaschutz und Gerechtigkeit miteinander verflochten sind.
Die Weltgemeinschaft hatte sich damals in Paris das Ziel gegeben, die globale Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu beschränken. Die Inselstaaten wollten wissen: Was passiert mit uns, mit der Welt, mit uns allen bei einer Erwärmung von 1,5 auf 2 Grad? An diesem Bericht wurde zwei Jahre lang konzentriert gearbeitet. Herausgekommen ist ein dramatischer Appell: Allein schon bei 1,5 Grad werden Extremwetterereignisse zunehmen, werden Pflanzen- und Tierarten unwiederbringlich aussterben und werden viele Menschen ihre Heimat verlieren.
Oberhalb der 2 Grad gerät das ganze Klimasystem aus den Fugen; denn die Natur würde zusätzlich zum Menschen noch eigene, momentan noch gespeicherte Treibhausgase freisetzen, beispielsweise aus der dauergefrorenen Erde in Sibirien oder aus dann zusammenbrechenden Kohlenstoffspeichern wie dem Amazonas-Regenwald. Dann drohen diese unumkehrbaren Kipppunkte. Dann können unumkehrbare Rückkopplungseffekte entstehen, die die Erderwärmung auf über 4 Grad treiben können.
Und jetzt stellt sich für uns alle die Frage: Wie reagieren Sie als Bundesregierung denn auf diesen dramatischen Appell? Wir haben es gehört: Sie blockieren auf Biegen und Brechen ambitioniertere CO 2 -Grenzwerte in Europa. Es ist wirklich armselig, was Sie da mit heimgebracht haben, Frau Schulze; tut mir leid.
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Sie haben Zeit, um wochenlang um die Causa Maaßen zu ringen und zu fighten. Aber was den Klimaschutz betrifft, ist Ihnen der völlig egal, wie man daran sieht.
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Angesichts der kräftezehrenden Auseinandersetzungen um den Hambacher Wald muss ich wirklich ungläubig den Kopf schütteln, wenn ich in diesem Bericht lese – Sie alle haben ihn ja auch gelesen –, dass man die wirksamste Sofortmaßnahme im Klimaschutz beim Thema Kohleausstieg sieht. Deutschland ist der größte Braunkohleverstromer der Welt. Wie groß muss der Zaunpfahl denn noch sein, den man Ihnen vor das Gesicht halten muss, damit Sie erkennen, dass Ihre Politik absolut verfehlt ist?
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Auch hier zeigt sich wieder: Es gibt nicht nur klimatechnische Kipppunkte; es gibt auch gesellschaftliche Kipppunkte. Diese haben wir jetzt erreicht. Der Hambacher Wald ist das Wackersdorf unserer Zeit.
Während die SPD-Vorsitzende noch hin und her überlegt, ob sie Klimaleugnerin oder Klimaschützerin sein will, haben sich Millionen von Menschen in diesem Land bereits entschieden.
Frau Dött, Sie reden von Volksparteien. Haben Sie sich einmal Ihre Umfragen angeschaut, egal ob in Bayern, in NRW? Die Zahlen fallen ins Bodenlose – außer dort, wo Sie mit Grün regieren. Und warum? Sie können nicht ohne Verantwortung für den Klimaschutz, ohne Verantwortung für nachfolgende Generationen regieren. Deshalb gehen die Menschen auf die Straße, und deshalb werden die Menschen am Sonntag in Bayern für eine andere Politik stimmen.
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Carsten Müller, CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der IPCC-Bericht hat uns eines gezeigt: Das 1,5‑Grad-Ziel kann erreicht werden. Ein Grund dafür ist eben auch, dass wir in den vergangenen Jahren eine ambitionierte Klimapolitik betrieben haben,
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dass wir Deutschland und Europa zum Vorreiter hinsichtlich der klimapolitischen Verantwortung entwickelt haben. Meine Damen und Herren, ich halte es für richtig, dass sich die EU-Fachminister gestern darauf verständigt haben, insofern die Klimaziele bis 2020 auf den Prüfstand zu stellen.
Europa hat eine Vorreiterrolle – das ist richtig so. Mir persönlich ist besonders wichtig, dass das, was wir in Deutschland und Europa an Lösungen überlegen, an Industrien entwickeln, an klugen Ideen hervorbringen, skalierbar ist. Wir retten das Weltklima nicht in Deutschland allein, wir retten das Weltklima nicht in Europa allein. Deswegen kommt es uns, der Union, in der Klimapolitik darauf an, dass das, was wir vorlegen und was wir entwickeln, in anderen Ländern, in anderen Teilen der Welt, auch in den Schwellenstaaten und Entwicklungsstaaten, nachgelebt werden kann. Nur so kann uns die Klimawende gelingen.
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Meine Damen und Herren, drei Stichworte will ich Ihnen kurz zurufen:
Erstes Stichwort: Klimaschutzplan 2050. Er ist seit 2016 Leitfaden für eine weitgehend treibhausgasneutrale Wirtschaft und Gesellschaft bis zum Jahr 2050. Wir halten daran fest. Wir halten diesen Klimaschutzplan für essenziell.
Zweites Stichwort: erneuerbare Energien. Ich finde es richtig und gleichzeitig außergewöhnlich ambitioniert, dass wir im Koalitionsvertrag das 65‑Prozent-Ziel für die Erneuerbaren bis zum Jahr 2030 festgeschrieben haben. Das ist nicht ganz einfach zu erreichen. Wenn man es richtig angeht, ist es allerdings auch vernünftige Wirtschaftspolitik. Wichtig ist dabei allerdings eine entsprechende Aufnahmefähigkeit der Netze – dafür müssen wir alle werben –, und da haben wir noch eine Menge zu tun. Ich glaube, dass wir tatsächlich im Jahr 2025 genauer wissen, ob wir die 2030er-Ziele erreichen können. Bis dahin müssen wir uns alle dafür einsetzen.
Drittes Stichwort: Mobilitätspolitik. Mit den neuen und, wie ich finde, ambitionierten Zielen für den CO 2 -Flottenausstoß in Europa – ich vertrete da durchaus eine ganz andere Position als Frau Ministerin, die offensichtlich schon davongegangen ist –
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erreichen wir es, den CO 2 -Ausstoß auch im Mobilitätssektor weiterhin und deutlich zu reduzieren.
Meine Damen und Herren, eines ist mir dabei sehr wichtig: Wir haben langfristig einen deutlich absinkenden Trend der CO 2 -Emissionen im Mobilitätssektor. Dieser ist in den letzten zwei bis zweieinhalb Jahren gebrochen worden. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir neuen, sauberen Dieselfahrzeugen eine Chance geben – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Anders wird der Klimawechsel nicht gelingen.
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Kurzum: Wer das Klima retten will, darf den Diesel nicht verteufeln.
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Viertes Stichwort: Kohle. Die Bundesregierung hat eine Kommission eingesetzt. Sie wird bis zum Ende des Jahres gute Ergebnisse liefern.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Zeit nutzen, um mich dem Thema „Hambacher Forst“ zuzuwenden. Ich greife die Worte und das Petitum meiner Vorrednerin von den Grünen auf: Wollen wir gemeinsam dem Populismus den Kampf ansagen! Ich habe meistens für Herrn Krischer – er weiß das schon – etwas dabei, damit sich seine Aufregung, nachdem ich es gesagt habe, jedenfalls allmählich legt. Ich habe die Leitentscheidung der nordrhein-westfälischen Landesregierung mitgebracht – ich werde daraus zitieren –, die diese am 5. Juli 2016 veröffentlicht hat. Seinerzeit in der Landesregierung: SPD und Grüne. Auch unsere Bundesumweltministerin war damals Mitglied dieser Landesregierung, aber die Grünen waren es eben auch, und sie stellten den Umweltminister. Diese Leitentscheidung beinhaltet einige ganz bemerkenswerte Sätze, die seinerzeit der grüne Umweltminister, Herr Remmel, der Öffentlichkeit vorgestellt hat:
Entscheidungssatz 1:
Braunkohlenabbau ist im rheinischen Revier weiterhin erforderlich, dabei bleiben die Abbaugrenzen der Tagebaue Inden und Hambach unverändert und der Tagebau Garzweiler II wird so verkleinert,
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dass die Ortschaft Holzweiler, die Siedlung Dackweiler und der Hauerhof nicht umgesiedelt werden.
Aha, schon mal interessant.
Der nächste Satz, den ich Ihnen zitiere, ist noch interessanter – Frau Kollegin Badum, er wird wahrscheinlich auch die junge Frau aus Franken besonders interessieren, die Sie getroffen haben; wahrscheinlich wird sie Sie das nächste Mal darauf ansprechen –:
Die Leitentscheidungen von 1987 und 1991
– im Übrigen immer einer nicht unionsgeführten Landesregierung, zum Teil unter Beteiligung der Grünen –
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haben die Braunkohle als sicheren, heimisch verfügbaren und preiswerten Rohstoff bewertet. Diese Bewertung gilt weiterhin. Damit bleibt Braunkohlenabbau in den Tagebauen Garzweiler II, Hambach und Inden in Nordrhein-Westfalen zur langfristigen Energieversorgung weiter erforderlich.
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Meine Damen und Herren, Herr Krischer, das sind Ihre Worte, die Sie der Öffentlichkeit verschweigen. Das dürfen wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Klimaschutz geht anders.
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Klimaschutz geht mit dieser Regierung, Klimaschutz geht mit der Union.
Vielen Dank.
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Für die Fraktion der SPD hat das Wort die Kollegin Dr. Nina Scheer.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon verschiedentlich angeklungen: Der IPCC-Bericht ist erneut ein Aufruf zum Handeln. Ich sage „erneut“, aber man darf damit nicht unterstellen – wie das hier teilweise angeklungen ist –, dass bisher überhaupt nichts erreicht wurde.
Wenn mir noch Zeit bleibt, möchte ich später auf ein paar Äußerungen von Herrn Köhler zu sprechen kommen, die mich doch sehr irritiert haben. Sie sitzen inzwischen sehr nah an der AfD, auch von Ihren Haltungen her. Das ist irritierend.
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Wir befassen uns heute mit dem IPCC-Bericht zum Klimaschutz. Aber es geht in dieser Diskussion nicht nur um den Klimaschutz, sondern es geht auch um Gerechtigkeit. Der Bericht zeigt ganz deutlich auf: Wenn man nicht schnellstens dafür Sorge trägt, so wenig CO 2 wie möglich in die Atmosphäre auszustoßen, dann wird der Klimawandel unbeherrschbar. Immer mehr Menschen werden in die Armutsfalle gestoßen, immer mehr Klimaflüchtlinge werden unterwegs sein. Heute gibt es schon 25 Millionen Klimaflüchtlinge, und es wird damit gerechnet, dass es bis 2050 bis zu 140 Millionen Flüchtlinge sein können. Wir mögen uns gar nicht ausmalen, was das an sozialen Verwerfungen bedeutet, was das an Herausforderungen bedeutet. Wahrscheinlich bedeutet das auch Kriege. Wenn wir heute schon Schwierigkeiten haben, die Verhältnisse auf dem Erdball im Lot zu halten, wenn wir schon heute vor friedenspolitischen Herausforderungen stehen, die wieder einen neuen Höhepunkt genommen haben, dann möchte ich mir nicht ausmalen, wie das wird, wenn tatsächlich die 2‑Grad-Erwärmung erreicht wird. Insofern sollten wir den Bericht ernst nehmen und nicht darauf spekulieren, dass es vielleicht doch nicht so schlimm wird.
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Deshalb sollten wir dafür sorgen, dass so wenig CO 2 wie möglich ausgestoßen wird. Es ist wichtig, zu überlegen: Was kann man in der Realität umsetzen? Man kann nicht einfach sagen: Die bisherigen Maßnahmen haben nichts bewirkt.
Nun komme ich zu Ihrem massiven Denkfehler, Herr Köhler.
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Sie behaupten, es habe alles nichts gebracht. Aber Sie orientieren sich nur daran, dass bestimmte Klimaschutzlücken bei den selbst gesteckten Zielen vorhanden sind. Sie unterstellen, dass überhaupt keine Maßnahmen ergriffen wurden. Sie berücksichtigen aber nicht, wie hoch der CO 2 -Ausstoß wäre, wenn es keinerlei Ausbau der erneuerbaren Energien gegeben hätte.
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Diesen Denkfehler begehen Sie hier, und das ist natürlich sträflich, weil Sie damit verkennen, dass bei den ungefähr 800 Millionen Tonnen CO 2 , die jährlich allein in Deutschland ausgestoßen werden, die 14,8 Prozent erneuerbare Energien, die wir heute schon durch den Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt in Deutschland einsparen,
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abziehen müssten. Das entspricht 178,6 Millionen Tonnen CO 2 . Die müssten wir obendrauf rechnen, wenn wir die erneuerbaren Energien nicht ausgebaut hätten.
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– Sie haben doch vorhin gesagt, die Maßnahmen seien alle verfehlt.
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– Sie haben sich auf die Klimaschutzmaßnahmen bezogen.
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– Verdrehen Sie jetzt nicht im Nachhinein, was Sie in Ihrer Rede gesagt haben.
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– Könnte ich einmal ausreden?
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Um noch einmal die Zahlen zu verdeutlichen: Die 14,8 Prozent, also die 178,6 Millionen Tonnen CO 2 -Einsparung, die ich eben schon genannt habe – um es plastisch zu machen –, entsprechen 7,5‑mal Jänschwalde, 5,7‑mal Neurath oder 7,2‑mal Niederaußem. Das sind die Zahlen, über die wir schon jetzt reden, wenn wir über die erneuerbaren Energien und das Potenzial, das in ihnen steckt, sprechen.
Um beim Thema „Potenzial“ zu bleiben: Es ist von Deindustrialisierung gesprochen worden. Jetzt arbeite ich mich tatsächlich an Ihrer Rede ab, Herr Köhler; aber das muss einfach mal gesagt werden.
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Sie haben das Wort „Deindustrialisierung“ benutzt. Auch das ist absolut verfehlt. Wir haben inzwischen 320 000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien. Man könnte mehr haben, das stimmt. Wir haben, was den Ausbau des Bereichs der erneuerbaren Energien in Deutschland angeht, bestimmt zu stark auf die Bremse gedrückt; hier aber von Deindustrialisierung zu sprechen, wenn es um Klimaschutzmaßnahmen geht, das ist einfach falsch.
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Im Bereich Braunkohle arbeiten heute noch 20 000 Beschäftigte, vielleicht weitere 10 000 im Bereich der Anschlusstätigkeiten. Das sind die Verhältnisse.
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– Doch, das sind die Zahlen.
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Wenn Sie von Deindustrialisierung im Kontext von Klimaschutz sprechen, dann vernebeln Sie. Sie machen der Bevölkerung etwas vor. Damit negieren Sie die Möglichkeiten, die wir in Deutschland haben. Es ist einfach blamabel, dass Sie so etwas hier vorbringen.
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Jetzt ist meine Redezeit leider um. Es gäbe noch ein paar andere Sachen zu sagen, nächstes Mal.
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Der Kollege Karsten Möring hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich in meinen Ausführungen zunächst auf den Bereich Wohnen und Bauen beziehen, auf einen für das Erreichen der Klimaziele wesentlichen Sektor.
Bezahlbares Wohnen, Bauen, Energieeffizienz und Klimaschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das hat der Wohnungsgipfel noch einmal deutlich gemacht. Der Bund will trotzdem – er wird das auch tun – die Anforderungen des EU-Rechts zu Anfang 2019 und Anfang 2021 für die öffentlichen Gebäude und die Wohngebäude umsetzen. Wir werden dabei weiterhin die Punkte Wirtschaftlichkeit, Technologieoffenheit, vereinfachte Verfahren und Freiwilligkeit im Blick behalten.
Die energetischen Anforderungen, die wir definiert haben, werden für alte und neue Gebäude fortgelten. Da machen wir keine Abstriche. Die erfolgreiche Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen, die wir schon auf den Weg gebracht haben – zur Nutzung erneuerbarer Energien im Gebäudesektor zum Beispiel durch das CO 2 -Gebäudesanierungsprogramm und das Marktanreizprogramm –, werden aus diesem Grund weiterzuführen sein und werden auch weitergeführt.
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Diese Programme bieten Potenzial für einen weiteren Ausbau, wenn das, was bisher veranlasst wurde, nicht ausreicht, und darüber, dass das nicht reicht, besteht, glaube ich, Konsens.
Der Bund wird parallel zur Strukturwandelkommission, die heute schon mehrfach angesprochen worden ist, Vorschläge erarbeiten, wie wir die sektoralen Ziele im Gebäudebereich bis 2030 erreichen können. Die Gleichwertigkeit der Zielsetzungen – bezahlbares Bauen und Wohnen – ist schon im Koalitionsvertrag berücksichtigt worden. Das soll angemessen beachtet werden. Der Bund wird darüber hinaus eine Langfriststrategie zur Effizienzsteigerung erarbeiten und den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz weiterentwickeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit ungefähr einem Jahrzehnt reden wir über die Frage der steuerlichen Förderung der energetischen Sanierung, und seit ungefähr einem Jahrzehnt haben wir das Problem, dass die Länder bei dieser Frage mauern, weil sie sich an den Steuermindereinnahmen nicht beteiligen wollen. Nun haben wir die Absichtserklärung prominent im Koalitionsvertrag stehen, den auch zahlreiche Vertreter der Länder als Vertreter ihrer Parteien unterschrieben haben. Die müssen ihn damit auch umsetzen. Das ist nicht nur eine Sache von uns auf der Bundesebene. Ich frage mich allerdings, warum ich vom Finanzminister nicht höre, dass er sich mit seinen Länderkollegen über diese Frage austauscht und dass er sie in die Pflicht nimmt.
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Es kann nicht sein, dass man nur Absichtserklärungen formuliert, von uns Maßnahmen einfordert, sich ansonsten aber einen schlanken Fuß macht und geht. Allen sollte klar sein, dass wir mit der Sanierungsquote, die wir zurzeit haben – unter 1 Prozent –, nicht zum Ziel kommen, sondern eine deutliche Erhöhung dieser Quote brauchen. Und das geht nur mit einem Bündel von Maßnahmen, und dafür müssen alle staatlichen Ebenen zusammenwirken, auch die Länder. Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung gehört dazu. Das müssen wir erreichen.
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Aber ich will auf die Länder nicht nur schimpfen. Wenn ich in mein eigenes Bundesland, nach Nordrhein-Westfalen, schaue, dann kann ich nur feststellen, dass die Umweltministerin Heinen-Esser und die Bauministerin Scharrenbach in diesen Fragen engagiert unterwegs sind. Die Energieagentur in Nordrhein-Westfalen macht seit langem eine gute Arbeit – auch schon unter der vorigen Regierung – und setzt sie unter der jetzigen Regierung fort.
Vielleicht noch ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Köln. In der Stadt Köln haben wir 80 000 Bäume, und wir haben in Köln etwas, was es bundesweit kein zweites Mal gibt, nämlich ein Waldlabor, ein Waldlabor, das dazu dient, zu erproben, welche Bäume in der aktuellen Situation und bei einem weiteren Temperaturanstieg in der Stadt optimal geeignet sind.
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Jetzt könnte man sagen: Das ist nur ein Herumkurieren an Symptomen. – Aber wir wissen, dass die Bäume
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eine temperaturdämpfende Wirkung haben, einen Beitrag zur Luftreinhaltung leisten und, wenn auch nur in geringem Umfang, auch eine CO 2 -Senke sind. Das sind also Maßnahmen, die wir brauchen. Damit können wir das aber nicht erschöpfen.
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– Der Wald auch.
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Ich möchte die Argumente, die hier schon genannt worden sind, nicht wiederholen, Stichwort „guter Wald“ und „schlechter Wald“. Wir müssen uns fragen, wofür wir Wald abholzen und wofür nicht, und da gibt es keinen fundamentalen Unterschied zwischen Windkraftanlagen im Wald und Waldabbau zur Energiegewinnung über Braunkohle.
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Wir werden uns, wenn es um die Strukturkommission und den Pfad des Ausstiegs aus der Kohle geht, sehr genau ansehen, was wir bis wann erreichen können und was zur Sicherung der Energieversorgung noch notwendig ist.
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Ich will nicht kommentieren, was im Urteil des Verwaltungsgerichts in dieser Sache steht. Den Gerichten folgen wir. Aber im Hauptsacheverfahren wird zu klären sein, ob das dort Genannte notwendig ist oder nicht. Bis dahin enthalte ich mich eines Urteils. Nur: Wir sollten mit der Heuchelei aufhören, zu sagen, dass wir da einen Unterschied machen.
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Und: Ja, der IPCC-Bericht ist ein Weckruf. Er sagt uns: Wir können dieses Ziel erreichen. Aber, liebe Grüne – Sie haben diese Aktuelle Stunde ja beantragt –, Sie bleiben in Ihren Aussagen bei einer sehr stark symbolgeprägten Politik. Wenn Sie sich einmal im Einzelnen anschauen, was wir machen müssen, um das Ziel, das im IPCC-Bericht genannt wird, zu erreichen, dann stellen Sie fest: Da gibt es Punkte, bei denen Sie auf die Bäume gehen. Da geht es nämlich um die Frage: Müssen wir durch den Einsatz von Gentechnik verbesserte landwirtschaftliche Erträge erzielen?
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Herr Kollege, die Redezeit ist abgelaufen.
Ja, ich komme sogleich zum Ende. – Da geht es um die Frage, wie wir beispielsweise mit der riesigen weltweiten Aufforstung umgehen. Da geht es um die Frage, wie wir mit Energiepflanzen umgehen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.
Ich komme zum Ergebnis.
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Ich meine, liebe Grüne: Lassen Sie Ihre Symbolpolitik bleiben! Machen Sie sich mit uns auf den mühsamen Weg in der Ebene, also bei den zahlreichen Maßnahmen, über die wir jetzt reden!
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Beschließen Sie sie mit uns, und jagen Sie die Leute nicht auf die Bäume!
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Mit Symbolpolitik kommen wir nicht weiter, nur mit konkreten Maßnahmen. Daran arbeiten wir.
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Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kollege Dr. Matthias Miersch für die SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst mein Dank an die Grünen. Ich finde, es ist richtig, dass wir uns, wenn wir einen solchen internationalen Bericht vorgelegt bekommen, auch hier im Parlament im Rahmen einer Aktuellen Stunde damit auseinandersetzen.
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Wir haben da etwas vor uns – das zeigt diese Aktuelle Stunde –, was weit über Legislaturperioden hinausreicht. Deswegen, finde ich, muss eine Aktuelle Stunde wie diese dazu dienen, die Frage zu stellen: Fühlen wir uns in unserer Demokratie und als Parlament eigentlich in der Lage, eine solche Menschheitsaufgabe gemeinsam zu lösen? Nach dem, was ich hier gehört habe, sage ich:
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Eine Gruppe scheint nicht einmal bereit zu sein, das zu akzeptieren, was uns Tausende von Wissenschaftlern weltweit derzeit sagen. Dann ist man, glaube ich, draußen.
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Dann kann man nichts mehr machen. Aber Sie werden sich vielleicht irgendwann einmal gegenüber Ihren Kindern oder Ihren Enkeln verantworten und erklären müssen, warum Sie hier solche Haltungen eingenommen haben. Ich hoffe, wir machen das wett.
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Was die anderen betrifft, glaube ich, ist die Grundsatzfrage, die wir stellen müssen, Herr Köhler: Sind wir bereit, zu akzeptieren, dass wir uns als Bundesrepublik Deutschland und als Europäische Union völkerrechtlich verpflichtet haben – beispielsweise im Rahmen der völkerrechtlichen Verpflichtung im Hinblick auf das Klimaschutzziel 2030 –, zu liefern? Denn eins ist klar: Wenn wir mit unseren CO 2 -Fußabdrücken nicht liefern, werden wir viele Menschen und viele Länder dieser Welt niemals dazu bewegen können, ebenfalls eine Wende mitzutragen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Wie schaffen wir es gegebenenfalls, miteinander um den besten Weg zu ringen? Damit diese Aktuelle Stunde einen Sinn hat – und ich finde, sie soll einen Sinn haben –, möchte ich festhalten, Olli Krischer: So schlecht ist das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, gar nicht.
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Aber: Es steht da nur drin,
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und jetzt müssen wir als Parlamentarier tatsächlich liefern. Dazu ein paar Anmerkungen.
Erstens. Ich glaube, das, was wir mit der Kommission vereinbart haben, ist der Ansatz, den wir brauchen. Beim Atomausstieg haben wir erlebt, was für eine Planungsunsicherheit wir für die Wirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher fabriziert haben. Das darf nie wieder passieren. Deswegen müssen wir versuchen, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden – möglicherweise sogar den größten –, damit dieser über Legislaturperioden hinweg trägt. Von daher sage ich: Der Ansatz, den diese Bundesregierung und diese Koalition gewählt haben, nämlich eine Kommission zu bilden, die alle gesellschaftspolitischen Gruppen zusammenbringt, ist für mich der einzig richtige; denn in dem Moment, in dem wir das verlassen, droht, dass wir in vier Jahren hier wieder genau das Gegenteil machen. Ob das gelingt, wird diese Kommission zeigen müssen. Ich hoffe nur, dass dieser Ansatz tatsächlich verfolgt und die Verantwortung von allen gespürt wird.
Das Zweite, was wir neben dieser Kommission in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben – sie gilt im Übrigen auch im Verkehrsbereich, wo leider erst spät angefangen wurde, zu arbeiten; ich hoffe aber, da passiert jetzt was –, ist das Thema Klimaschutzgesetz. Ich bin mir sicher, dass viele in diesem Haus überhaupt noch nicht wissen, welche Herkulesaufgabe damit verbunden ist; denn wir reden an vielen Stellen nur über Energie. Wir müssen aber auch über Verkehr und über – da haben Sie recht, Herr Möring – Gebäude reden. Hier werden wir um den besten Weg ringen müssen. Und da, Herr Köhler, geht es nicht darum, dass man einfach über irgendeinen Emissionshandel philosophiert, der jedenfalls augenblicklich nicht in greifbarer Nähe ist.
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Und der Verweis darauf wird meines Erachtens von vielen dazu verwendet, jetzt nicht zu liefern.
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Was wir jetzt machen müssen, ist, dass wir jenseits von Anreizsystemen und ordnungsrechtlichen Maßnahmen tatsächlich Nachhaltigkeit leben.
Ich sage Ihnen: Wenn wir nicht begreifen, dass der CO 2 -Ausstoß bei einem Pkw möglicherweise eine Wettbewerbsfrage der Zukunft ist, dann werden wir hier als Industrienation ein Problem bekommen. Deswegen müssen wir jetzt umsteigen.
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Sie, Herr Köhler, müssen, glaube ich, auch attestieren, dass die FDP mit ihrem marktwirtschaftlichen Denken auf dem Holzweg gewesen ist, als Sie beispielsweise die Laufzeitverlängerung mitbeschlossen und nie an die Folgekosten gedacht haben.
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Wenn jetzt beispielsweise der Bundesrechnungshof uns ins Stammbuch schreibt, wir sollten über die CO 2 -Bepreisung nachdenken,
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dann sollte das ein Grund sein, dass wir uns über solche Mechanismen hier in den nächsten Monaten besprechen und auch committen können
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt gilt: umsetzen. Ich weiß nicht, ob uns das gelingt. Aber, Herr Krischer, mit dem Klimaschutzgesetz und mit dem Ansatz, die gesellschaftlichen Gruppen zusammenzubringen, haben wir, glaube ich, zumindest die Grundlagen dafür gelegt, und jetzt müssen wir alle gemeinsam liefern, wenn wir der Verantwortung gerecht werden wollen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Herr Kollege Miersch. – Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 11. Oktober 2018, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 17.04 Uhr)