Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Gelegenheit, diesen Gesetzentwurf für schnellere Termine und bessere Versorgung nach der Kabinettssitzung auch hier im Deutschen Bundestag vorstellen zu können; denn dabei geht es um ein Gesetz, das sich in eine ganze Reihe von Maßnahmen einreiht, die wir im Bundesministerium für Gesundheit in den ersten sechs Monaten mit der Zielrichtung angestoßen haben, den Alltag der Bürgerinnen und Bürger, der Patientinnen und Patienten und all derjenigen, die im Gesundheitswesen tätig sind, konkret zu verbessern.
Worum geht es in diesem Gesetzentwurf?
Im ersten Teil geht es um eine Frage, die viele sicherlich auch aus persönlichem Erleben kennen: Der privat versicherte Nachbar hat in der nächsten Woche einen Termin beim Facharzt bekommen, der gesetzlich Versicherte vielleicht erst in drei oder vier Monaten. Das regt zu Recht viele auf. Ich will ausdrücklich sagen: Viele Ärzte machen keinen Unterschied zwischen gesetzlich und privat Versicherten, aber zu oft wird er gemacht. Wie lösen wir das auf? Das tun wir nicht, indem jetzt alle drei Monate warten, sondern indem wir es finanziell attraktiver machen, gesetzlich versicherte Patienten schneller dranzunehmen. Es soll sich also finanziell lohnen. Wir sehen zum Beispiel für schnelle Termine und die Annahme von neuen Patienten ein zusätzliches Honorar vor. Wenn der Hausarzt mithilft, an den Facharzt zu vermitteln, wenn es zur weiteren Abklärung notwendig ist, gibt es auch eine finanzielle Unterstützung, da das natürlich Aufwand bedeutet. Die Erfahrung zeigt aber, dass es dann mit der schnelleren Terminvergabe tatsächlich auch gut klappt.
Darüber hinaus weiten wir das Sprechstundenangebot bei den Vertragsärzten in der Versorgung aus, wie auch im Koalitionsvertrag vorgesehen, und zwar von 20 auf 25 Stunden pro Woche. Ich weiß, dass das durchaus emotional bei einigen Ärzten diskutiert wird; ich will aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir sehr genau wissen, dass viele Ärztinnen und Ärzte mehr als 20 oder 25 Stunden in der Woche arbeiten. Hier geht es eher darum, diejenigen, die das noch nicht tun, zu ermuntern, das auch zu tun, wenn sie an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Außerdem werden offene Sprechstunden, insbesondere von grundversorgenden Fachärzten, ausgeweitet.
Wir werden die Terminservicestellen ausbauen und zusammenführen, mit der Nummer 116 117 für den ärztlichen Notdienst und einem 24-Stunden-7-Tage-die-Woche-Angebot. Es ist auch bereits ein digitales Angebot in der Entwicklung, sodass auch mit dem Smartphone bzw. dem Handy eine entsprechende Vermittlung, auch im Notfall, möglich ist.
Zweitens. Für die Bereiche und Regionen, in denen zu wenig Ärzte sind – die gibt es, und da hilft auch die beste Terminservicestelle nichts –, haben wir Maßnahmen vorgesehen, mit denen wir das schon vorhandene Instrumentarium erweitern, um es noch attraktiver zu machen, als Arzt zur ärztlichen Versorgung in den ländlichen Raum oder in strukturschwache Gebiete zu gehen. So gibt es regionale Zuschläge in entsprechend unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen, so stärken wir die hausärztliche Versorgung auch finanziell weiter, so verpflichten wir die Kassenärztlichen Vereinigungen, in Regionen, in denen sich kein Arzt zur Niederlassung bereitfindet, über Eigeneinrichtungen Angebote vorzusehen, möglicherweise in Kooperation mit Krankenhäusern. Die Mittel, die die Kassenärztlichen Vereinigungen haben, um über Umsatzgarantien, über Stipendienprogramme, über Investitionszuschüsse flexibel Anreize für die Niederlassung zu setzen, werden aufgestockt und erweitert.
Drittens enthält das Gesetz darüber hinaus wichtige Bestandteile für die Versorgung, von denen ich einige ansprechen will. Ein erster Punkt ist die elektronische Patientenakte. Die Debatte über die elektronische Gesundheitskarte und die Telematikinfrastruktur ist schon 14 Jahre alt. Wir wollen jetzt zügig dazu kommen, dass es einen spürbaren Mehrwert für Ärztinnen und Ärzte, Patienten und alle anderen Beteiligten gibt. Deswegen soll es spätestens – ich betone: spätestens – ab 2021 eine Verpflichtung der Kassen gegenüber ihren Patienten und ihren Versicherten geben, die Verfügbarkeit von und den Zugang zu elektronischen Patientenakten sicherzustellen, im Übrigen auch auf dem Smartphone.
Wir werden den Festzuschuss für Zahnersatz ab dem 1. Januar 2021 von 50 auf 60 Prozent erhöhen. Das entlastet gesetzlich Versicherte um fast 700 Millionen Euro im Jahr.
Betreuungsdienste in der ambulanten Pflege werden erstmalig als solche zugelassen. Was heißt das? Es geht ja nicht immer nur um die pflegerische Versorgung, sondern auch um Hilfe beim Haushalt, Hilfe beim Einkauf, darum, dass eine Person Zeit für ein Gespräch und für eine Nachmittagsgestaltung hat. Wir erleben gerade in zu vielen Regionen in Deutschland, dass ambulante Pflegedienste aufgrund der hohen Nachfrage und der Personalsituation Pflegebedürftige und ihre Familien abweisen müssen, weil sie das Personal nicht haben, um ihre Dienste anzubieten. Diese Betreuungsdienste helfen zumindest dabei, diese zu entlasten.
Wir sichern nach Gerichtsurteilen, die zu einer rechtlichen Unsicherheit geführt haben, die Versorgungsverträge zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Hier hat sich regional in Deutschland in vielen Bereichen ein sehr gutes Angebot zur Palliativversorgung entwickelt. Das ist jetzt durch einige Urteile gefährdet. Hier nehmen wir entsprechende Klarstellungen vor.
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Diese und weitere Verbesserungen sind im Gesetz vorgesehen. Das schafft noch nicht überall das Paradies. Aber das macht im Zweifel eh jemand anderes. Aber dieses Gesetz wird den Alltag von vielen Versicherten und Patienten in Deutschland sehr konkret verbessern.
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Danke sehr, Herr Bundesminister. – Mitglieder der Bundesregierung haben keine Redezeitbegrenzung. Deswegen läuft auch keine Uhr.
Ach so, dann hätte ich ja Zeit gehabt.
Das Räuspern des Präsidenten vorhin hatte eine ähnliche hinweisende Funktion.
Jetzt kommen wir zu den Fragen. Zunächst bitte ich, Fragen zum Themenbereich des Berichts des Bundesministers zu stellen. Die erste Frage hat der Kollege Dr. Gehrke, AfD.
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Herr Minister, Sie wollen Patienten auch in der Fläche schneller Termine in der ambulanten ärztlichen Versorgung verschaffen. Berücksichtigen Sie in Ihrer Planung auch die Möglichkeit der Einrichtung von Portalpraxen, wie es sie schon in einigen Bundesländern gibt? Nach einem Gutachten der KBV zur Notfallversorgung in Deutschland würden derzeit 736 Portalpraxen in Deutschland ausreichen, um innerhalb von 30 Autominuten auch auf dem Lande einen Termin bei einem Arzt zu bekommen, selbstverständlich auch als GKV-Versicherter.
Die von Ihnen vorgesehenen offenen Sprechstunden werden doch nur dazu führen, dass der Arzt seine bisherige Sprechstunde unterbrechen muss, nur um dann in dieser Stunde genauso wie davor Patienten hintereinander aufzurufen und die Patienten, die er in dieser Zeit nicht schafft, entweder in die weitere Tagessprechstunde aufzunehmen oder in die offene Stunde des nächsten Tages einzubestellen. Richtig geholfen ist damit doch meines Erachtens niemandem.
Herr Präsident! Herr Kollege Gehrke, ich tippe, dass Sie mit den erwähnten Portalpraxen die Frage der ärztlichen Notdienstversorgung ansprechen wollen; das ist ja kein feststehender Begriff. Tatsächlich haben viele Kassenärztliche Vereinigungen, die regional die Verantwortung tragen, solche Portalpraxen eröffnet, zentralisiert, oft – nicht immer – in der Nähe der Krankenhausnotfallambulanzen.
Ein Thema, das in diesem Gesetz ausdrücklich noch nicht adressiert ist, das aber zeitnah zu adressieren ist, ist die Frage, wie wir ärztlichen Notdienst, Notfallambulanzen und 112 besser koordinieren und in eine einheitliche Organisationsstruktur bringen. Heute geht es zu häufig schief, wenn wir uns anschauen, wer mit welchem Versorgungsbedarf in der Notfallambulanz, im ärztlichen Notdienst oder gar bei 112 landet. Das ist, wie gesagt, noch nicht ausdrücklich adressiert, sondern ein weiterer Schritt.
Zu den offenen Sprechstunden kurz nur eines: Ich höre immer, was alles nicht geht. Aber wir müssen irgendwann mal darüber reden, mit welchen Maßnahmen wir denn Versorgung verbessern. Offene Sprechstunden bei grundversorgenden Fachärzten sind zumindest eine Möglichkeit, innerhalb einer Woche eine Art Überlaufventil zu haben, sodass Patienten, die dringend eine Abklärung brauchen, dann auch die Chance auf einen Termin haben. Wenn Sie bessere Vorschläge haben, dann nehme ich diese gerne entgegen. Bisher höre ich immer nur, was nicht geht, und nur wenig Konstruktives.
Die nächste Frage stellt der Kollege Johann Saathoff, SPD.
Vielen Dank, Herr Minister. – Ich greife Ihre Aufforderung gleich auf. Ein Problem mit den Ärzten im ländlichen Raum ist ja nicht, dass wir keine App oder kein Handy zum Bedienen haben. Das Problem ist, dass wir in vielen Bereichen keine ausreichende Breitbandversorgung haben. Dafür können Sie nicht unmittelbar etwas. Aber die Bundesregierung insgesamt könnte sich diesem Thema noch ein bisschen mehr widmen.
Ein weiteres Problem ist, dass die Zahl der Menschen, die im ländlichen Raum tatsächlich als Arzt tätig sein wollen, nicht ausreichend ist. Dem kann man aus meiner Sicht eigentlich nur dadurch begegnen, dass man Anreize schafft. Wir müssen also Menschen gewinnen, die Medizin studieren und anschließend im ländlichen Raum arbeiten wollen. Anreize kann man wie folgt schaffen: Wir suchen die Menschen, die einen Studienplatz in Medizin bekommen, nicht nur nach dem Numerus clausus aus, sondern auch danach, wo sie eigentlich verwurzelt sind und wo sie untergebracht werden wollen. Ich glaube, dass das die richtige Art wäre. Ich würde mich freuen, Ihre Bestätigung dazu zu hören.
Herr Bundesminister.
Vielen Dank. – Herr Kollege Saathoff, zum ersten Punkt. Ja, das ist natürlich wahr – das habe ich schon gesagt –: Die beste Terminservicestelle kann keinen Termin vermitteln, wo kein Arzt ist. Deswegen bauen wir das Instrumentarium aus. Ich muss da schon festhalten: Wir machen seit 10, 15 Jahren viel, um Instrumente zu schaffen, die für eine Tätigkeit im ländlichen Raum Anreize setzen. Man kann mittlerweile in unterversorgten Gebieten im ländlichen Raum ziemlich gut verdienen. Es geht aber nicht nur um Geld, sondern auch um die Arbeitsbedingungen: „Wie oft habe ich Notdienst?“, „Wie viele Kollegen sind in der Nähe?“, und anderes mehr. An all diesen Themen arbeiten wir.
Ich stimme Ihnen aber ausdrücklich zu, dass die Frage „Wer studiert eigentlich mit welchem Ziel Medizin?“ eine der entscheidenden Schlüsselfragen für die Zukunft in diesem Bereich ist. Ich sage immer etwas salopp: Wer einen Schnitt von 0,9 im Abitur hat, aber nicht gern mit anderen Menschen in einem Raum ist, sollte nicht Arzt werden. Deswegen sollten wir neben der Abiturnote auch andere Kriterien haben. Die Landarztquote ist aus meiner Sicht ein gutes Kriterium. Nordrhein-Westfalen und Bayern führen sie nun für einen Teil der Studienplätze ein. Bayern und Nordrhein-Westfalen schaffen neue medizinische Fakultäten in Bielefeld und Augsburg. Ich würde mich freuen, wenn andere Bundesländer nachziehen.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt die Kollegin Aschenberg-Dugnus, FDP.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Lieber Jens Spahn, das TSVG verpflichtet ja die Ärzte, 25 Sprechstunden in der Woche für gesetzlich Krankenversicherte anzubieten und auch offene Sprechstunden. Wie müssen denn die Ärzte die Einhaltung dieser Vorgabe gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nachweisen, und welcher bürokratische Aufwand entsteht dadurch sowohl in den Praxen als auch bei den Kassenärztlichen Vereinigungen? Denn ich glaube, wir sind ja angetreten, um die Ärzte eher von Bürokratie zu entlasten und die so gewonnene Zeit der Patientenversorgung zuzuführen.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Herr Präsident! Ja, natürlich wollen wir da, wo es geht, Bürokratie reduzieren und vermeiden. Gerade das Digitale wird da übrigens an vielen Stellen helfen, auch bei den Sprechstunden.
Aber wahr ist auch, Frau Kollegin: Wer sich entscheidet, Vertragsarzt zu werden und damit 90 Prozent der Versicherten in Deutschland versorgen und diese Versorgung auch abrechnen zu können, ist schon bisher die Verpflichtung zu 20 Sprechstunden in der Woche eingegangen. Diese erhöhen wir nun auf 25. Wie das kontrolliert wird? Indem die Sprechstunden – meistens stehen sie auf einem Schild vor der Praxis – an die Kassenärztliche Vereinigung gemeldet werden; das wird kein so großer Aufwand sein. Es können Abrechnungszeiten hinterlegt werden. Ohne es zu detailliert zu machen: Für jede EBM-Ziffer, jede Abrechnungsziffer ist auch ein Zeitraum hinterlegt, der durchschnittlich aufgewandt werden muss. Auch daran kann man sehen, was so in einer Woche stattfindet. Die Daten sind alle da; dafür braucht man keine zusätzliche Bürokratie.
Was wir übrigens ausdrücklich auch machen: Wie ich gesagt habe, wollen wir die schützen, die richtig viel machen. Das ist die Mehrheit. Aber es gibt auch diejenigen, die einen vollen Versorgungsauftrag haben, aber manchmal ihre Praxis schon um 14 Uhr zumachen. Ich sage ausdrücklich: Das ist die Minderheit; aber sie gibt es auch. Ich finde, diese Personen müssen im Zweifel ihren Versorgungsauftrag in Teilen reduzieren, damit andere, die versorgen wollen, dann auch die Chance haben, zu versorgen.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Rudolf Henke, CDU/CSU.
Es ist ja schon die Rede von dem im TSVG verankerten Ziel gewesen, Herr Minister, einen gleichwertigen Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung zu sichern. Nachdem Sie nach den Alternativen zur offenen Sprechstunde gefragt haben, stelle ich fest: Dieses Gesetz sieht bereits eine Verbesserung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen zur Erreichung des Ziels eines gleichwertigen Zugangs zur ambulanten ärztlichen Versorgung vor. Damit das auch wahrgenommen wird, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns die dort vorgesehenen Veränderungen schildern könnten.
Vielen Dank, Herr Kollege Henke. – Ich habe jetzt extra noch mal geschaut, wo ich alle zusätzlichen Vergütungsbestandteile vorliegen habe, um sie ausdrücklich nennen zu können; es sind ja sehr, sehr viele.
Für die erfolgreiche Vermittlung eines dringenden Facharzttermins durch den Hausarzt: ein Zuschlag von 5 Euro. Zuschläge auf die Versicherten- und Grundpauschale, wenn man neue Patienten annimmt und nicht die in einem Quartal bereits behandelten wieder einbestellt, damit es sich – in Anführungszeichen – „lohnt“, zusätzliche Patienten in die Praxis aufzunehmen. Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es für die offenen Sprechstunden Zuschläge auf die Leistungen dieser Grundpauschalen; sie werden also entsprechend zusätzlich honoriert. Wenn die Terminservicestelle einen Termin vermittelt, tritt Nichtbudgetierung ein; die Leistung wird also voll bezahlt. Wer zusätzlich Patienten nimmt, soll nicht auch noch bestraft werden. Das Gleiche gilt für Hausbesuche, die als Praxisbesonderheit besser berücksichtigt werden, als es bisher der Fall ist. Es gab in einigen Regionen viel Unmut, weil Kollegen, die viel gearbeitet und viele Hausbesuche gemacht haben, in Regress genommen worden sind. Wir werden die sprechende Medizin aufwerten, auch gegenüber manchen technischen Leistungen. – Also ein ganzes Bündel konkreter Verbesserungen.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Achim Kessler, Fraktion Die Linke.
Herr Spahn, die Krankenkassen übernehmen beim Zahnersatz derzeit Kosten in Form eines Festzuschusses in Höhe von 50 Prozent. Den wollen Sie jetzt um 10 Prozent erhöhen, was gemäß Ihrem Gesetzentwurf 570 Millionen Euro kosten würde. Nun ist das nach wie vor für viele Versicherte eine finanzielle Belastung, die sie kaum tragen können. Wir brauchen ja wohl über die medizinische Notwendigkeit von Zahnersatz – das ist ja sozusagen eine Lebensnotwendigkeit – nicht zu streiten.
Wenn wir die Kostenübernahme auf 100 Prozent steigern würden, dann würde das einem Kostenumfang von ungefähr 2,5 Milliarden Euro entsprechen. Stimmen Sie mir zu, dass das einer Beitragssatzerhöhung von weniger als 0,2 Prozentpunkte entsprechen würde, dass also sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer eine Beitragssatzsteigerung von weniger als 0,1 Prozentpunkte ermöglichen würde, den Zahnersatz zu 100 Prozent zu übernehmen?
Meine zweite Frage ist: Warum machen Sie das nicht?
Die erste Antwort ist: Ja, ich stimme Ihnen zu. Mathematisch haben Sie recht. Die Summe macht etwa 0,2 Beitragssatzpunkte aus. Um das zu erkennen, braucht man nicht Albert Einstein zu sein.
Die zweite Frage: Warum machen wir das nicht? Weil es die unterschiedlichsten Bereiche gibt. Im Übrigen hat gerade Ihre Fraktion – Sie beschränken sich ja nicht darauf – Milliarden von Ideen für zusätzliche Ausgaben in ganz vielen Bereichen. Es entspricht auch dem Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung, dass die medizinischen Leistungen „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“; so steht es wörtlich im SGB V. Gerade beim Thema Zahnersatz – darüber hat es ja eine längere Diskussion in den letzten Jahren und Jahrzehnten gegeben – gibt es unterschiedliche Versorgungsangebote und auch ein unterschiedliches Patienteninteresse. Entscheidend ist, dass in der Grundversorgung günstig ein Zahnersatz möglich ist. Das ist sichergestellt. Es betrifft aber auch die Frage, was man gern im Mund haben will. Da gibt es zum Teil private Zusatzwünsche. Deshalb gibt es eben eine entsprechende Eigenbeteiligung, auch zur Steuerung. Das können Sie politisch anders bewerten;
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da sind wir dann eben unterschiedlicher Meinung. Das halten wir aus.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt die Kollegin Klein-Schmeink, Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie hatten vorhin darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass die Veränderungen, die gemacht werden, im Alltag spürbar sind und auch bei den Patienten ankommen, und dabei auf zwei Komponenten abgehoben, nämlich dass wir einen bedarfsgerechten Zugang zur Versorgung haben, gleichzeitig aber auch einen, der als sozial gerecht empfunden wird. Da frage ich Sie: Warum wird nicht einfach im Gesetz klargestellt, dass es eine Benachteiligung von gesetzlich Versicherten bei der Terminvergabe schlichtweg nicht geben darf?
Sie haben zu Recht darauf hingewiesen: 90 Prozent der Bevölkerung sind gesetzlich versichert. Das stellt für die Ärzteschaft, gerade für die zugelassenen Arztpraxen, einen Versorgungsauftrag dar. Also: Warum wird das nicht gesetzlich niedergelegt? Das hätte auch Konsequenzen bei den Terminsoftwareprogrammen, nämlich dass nicht einfach vorweg schon für die Behandlung von Privatversicherten ganze Zeiträume quasi geblockt werden. Das hätte eine konkrete Auswirkung.
Des Weiteren – –
Frau Kollegin, gucken Sie mal auf die Ampel.
Gut.
Herr Bundesminister.
Frau Kollegin Klein-Schmeink, wenn man das überhaupt machen wollte, was ich ausdrücklich nicht will, wäre das eine Regelung, die man überhaupt nicht überprüfen kann. Nichts finde ich fataler als Regelungen, mit denen man irgendetwas verspricht, was kein Mensch kontrollieren kann – außer Sie stellen in jeder Arztpraxis einen Staatskontrolleur an den Tresen, der beim Telefonieren zuhört, wer warum welche Termine bekommt. Das wäre nicht meine Vorstellung von Versorgungssteuerung und schon gar nicht von staatlicher Überwachung. Deswegen bin ich für Regelungen, die man pragmatisch vernünftig kontrollieren kann und die erst einmal ein Grundvertrauen gegenüber denjenigen zum Ausdruck bringen, die da agieren.
Jetzt ist auch die Wahrheit: Bei 10 Prozent Privatversicherten in Deutschland kann man allein mit den Privatversicherten, glaube ich, nicht das Versorgungsthema erklären. Wenn die nicht mehr da wären, hätten wir trotzdem in bestimmten Bereichen Probleme. Das hat auch mit finanziellen Anreizsystemen zu tun. In Ihrer Heimatstadt Münster ist der Privatversichertenanteil etwas höher als 10 Prozent – tippe ich mal, so wie ich die schöne Stadt kenne –, aber selbst da werden die Privatversicherten allein die Arztpraxen nicht voll belegen können.
Danke sehr. – Jetzt stellt die nächste Frage der Kollege Detlev Spangenberg, AfD.
Vielen Dank. – Herr Bundesminister, unter der Rubrik „So werden Ärzte für Zusatzangebote entlohnt“ schreiben Sie: Wer kurzfristig Patienten annimmt, bekommt mehr Geld. – Und: Hausärzte, die einen Termin zum Facharzt vermitteln, werden dafür extra entlohnt. – Die Frage ist: Findet denn dann, wenn kurzfristige Patientenannahme zusätzlich entlohnt wird, nicht nur eine Verschiebung statt zulasten der Patienten, die bereits angemeldet sind? Die werden also praktisch nach hinten geschoben, da die Zeit in den Praxen aus unserer Kenntnis sowieso schon verplant ist.
Zu der Extraentlohnung: Wird damit nicht eine zusätzliche Leistung bezahlt, die ohnehin von den meisten Hausärzten schon bereits erbracht wird? – Vielen Dank.
Herr Kollege, zur ersten Frage, zur ärztlichen Vergütung insgesamt. Ich muss vielleicht einmal darauf hinweisen: Wir geben für die vertragsärztliche Vergütung in Deutschland fast 43 Milliarden Euro aus; Steigerungsrate pro Jahr etwa 1 Milliarde Euro, ohne dass wir irgendein Gesetz ändern. Es sind jetzt noch einmal gut 600 Millionen Euro zusätzlich durch die Anreize, die wir hier setzen. Wenn Sie schauen, wie das Gesamtvolumen der vertragsärztlichen Versorgung vor 10, 15 Jahren war, sehen Sie: Das sind enorme Steigerungsraten. – Es war eben parlamentarischer Wille, die ärztliche Versorgung in bestimmten Bereichen zu stärken, Hausärzte besser zu bezahlen und anderes mehr. Ich glaube schon, dass wir insgesamt eine gute Vergütungssituation haben.
Wir haben nur in bestimmten Bereichen Budgets, die auch Sinn machen – das wäre jetzt ein längerer Vortrag zur Steuerung –; es macht aber auch Sinn, Ausnahmen zu machen, wenn man zusätzlich gewollte Leistungen – wie die, zusätzlich Patienten zu nehmen – erbringt. Ich finde, in diesem Zusammenspiel haben wir hier insgesamt eine gute Lösung. Die Erfahrung aus dem Lebensalltag zeigt: Wenn man etwas ausdrücklich zusätzlich mit 5 Euro vergütet, dann führt das manchmal dazu, dass es mit noch mehr Freude gemacht wird.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Alexander Krauß, CDU/CSU.
Herr Minister, Sie haben dankenswerterweise das Thema „ländlicher Raum“ angesprochen und ausgeführt, wie man dort die medizinische Versorgung stärken kann. Ich erlaube mir einen kleinen Rückblick auf das, was Sie gesagt haben. Ich finde, dass der ländliche Raum – das darf man auch mal sagen –auch für Ärzte sehr lebenswert ist. Ich kenne nur wenige Ärzte, die jeden Tag in die Semperoper oder in eine andere Oper wollen; den meisten reicht es, wenn sie einmal im Monat oder einmal im Quartal hinfahren. Aber man möchte zum Beispiel einen guten Kitaplatz und ein lebenswertes Umfeld haben sowie die Möglichkeit, sich ein preiswertes Haus zu kaufen. Ich glaube, das kann man gerade im ländlichen Raum. Deswegen können wir feststellen: Ein Arzt, der ein schönes Lebensumfeld haben will, der sollte in den ländlichen Raum gehen.
Das ist aber nicht meine Frage, sondern – Sie haben es zum Teil angerissen; mir wäre es lieb, wenn Sie das noch mal ausführlicher sagen könnten – sie lautet: Wie versuchen Sie über das Terminservice- und Versorgungsgesetz den ländlichen Raum zu stärken?
Vielen Dank, Herr Kollege. – Zunächst schließe ich mich als Münsterländer Ihren positiven Bewertungen des ländlichen Raums und seiner Lebensqualität ausdrücklich an. Die Erfahrung ist aber, dass die beste Broschüre nicht hilft. Wir müssen sozusagen Klebeeffekte und Erfahrungsmomente schaffen: Hausarzt sein auf dem Land ist viel besser, als an der Universität immer behauptet. Arzt sein in einer Klinik auf dem Land – dort gibt es ganz andere Abläufe – ist für manche vielleicht schöner als in einer Uniklinik in der Stadt. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir in der Approbationsordnung für Ärzte und in anderen Bereichen das Sammeln von Erfahrungen jenseits der Unikliniken stärken, um den ländlichen Raum positiv erlebbar zu machen. Das ist, glaube ich, eine Schlüsselfrage.
Ansonsten geht es um finanzielle Anreize – ich habe es gerade schon angedeutet –: Investitionszuschüsse, Stipendienprogramme und Umsatzgarantien, die die Kassenärztlichen Vereinigungen aus dem Strukturfonds finanzieren können. Dazu kommt auch die Möglichkeit, angestellt tätig zu sein – immer mehr junge Ärztinnen und Ärzte wollen die Praxis nicht selbstständig betriebswirtschaftlich führen – verbunden mit der Option für die Kassenärztlichen Vereinigungen, das über Eigeneinrichtungen in unterversorgten Gebieten zu machen oder Zuschläge in unterversorgten Gebieten zu zahlen. Ich könnte noch viele Optionen für andere Bereiche nennen.
Aber Lehrer und Schulen können aus der Krankenversicherung nicht bezahlt werden. Deswegen haben wir seitens der Bundesregierung – Herr Präsident, das zum Abschluss – die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ beauftragt, alle Aspekte zu beleuchten.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Harald Weinberg, Fraktion Die Linke.
Vielen Dank, Herr Minister. – Ein anderes Thema, nämlich die Betreuungsdienste in der Pflege. Es gibt eine Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, dass die mangelnde Abgrenzung zwischen der professionellen pflegerischen Betreuung und den niederschwelligen Betreuungsleistungen in den neuen Betreuungsdiensten einen Schattenpflegemarkt formieren könnten, der die Qualitätsstandards in der professionellen Pflege systematisch untergräbt. Es gibt bereits jetzt im Internet Angebote „Leichte Pflege“, die aber durchaus körperbezogene Pflegeleistungen mit umfasst. Wie stellt sich die Bundesregierung zu diesem Problem? Wie will sie verhindern, dass da ein Schattenpflegemarkt entsteht?
Herr Kollege Weinberg, wir nehmen diese Hinweise sehr ernst. Deswegen muss man sich das auch anschauen. Aber eines ist natürlich auch wahr: Nicht alles, was es an Unterstützungsbedarf für Pflegebedürftige in den Familien gibt, ist pflegerische Versorgung. Betreuung, Nachmittagsgestaltung, meinetwegen an bestimmten Tagen in der Woche Hilfe beim Einkaufen, Begleitung zu sonstigen Anlässen – das ist nicht Pflege, sondern Betreuung und Begleitung und muss auch nicht durch examinierte Pflegekräfte gemacht werden. Diese Abgrenzung müssen wir schaffen. Auch für diese Leistungen braucht man übrigens Qualifikationsanforderungen; denn das kann nicht jeder machen.
Aber natürlich soll pflegerische Versorgung nicht heimlich und damit nicht legal durch nicht ausgebildete Pflegekräfte durchgeführt werden. Das müssen wir durch Kontrollen sicherstellen, die ja vorgesehen sind, und dadurch, dass wir pflegende Angehörige und Pflegebedürftige in die Lage versetzen, diesen Unterschied machen zu können. Wir müssen im parlamentarischen Verfahren schauen, wie wir das gewährleisten können. Diese Betreuungsdienste halte ich jedoch für elementar wichtig, weil viele Pflegebedürftige diese Unterstützung in ihrer häuslichen Umgebung brauchen.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt die Kollegin Dr. Kappert-Gonther, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank. – Herr Minister, mit der Ausweitung der Mindestsprechstundenzeit von 20 auf 25 Stunden sind ja finanzielle Anreize für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte verbunden, um ausdrücklich die akut Kranken besser zu versorgen. Wie stellen Sie sicher, dass diese Anreize zugunsten der akut Kranken nicht etwa zulasten der chronisch Kranken gehen? Ich frage das vor dem Hintergrund, dass wir, wie wir wissen, in Deutschland sowohl Fehl- als auch Unterversorgung haben und gerade die chronisch Kranken – das betrifft sowohl die chronisch seelisch Kranken als auch die chronisch somatisch Kranken – noch zu oft unterversorgt sind.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Wir haben nicht nur Fehl- und Unterversorgung, sondern in bestimmten Bereichen auch Überversorgung; den Teil haben Sie jetzt weggelassen.
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Wir haben außerdem mit die höchste Zahl an Arzt-Patienten-Kontakten auf der Welt.
Die Frage ist: Was ist tatsächlich das medizinisch Notwendige, und wo ist ein Termin dringlich und muss zeitnah erfolgen? Die Vorsorgeuntersuchung kann auch mal drei oder vier Wochen warten. Manchmal muss man Patienten eben sagen: Nicht alles ist gleich dringend. – Dieser Aspekt gehört zur Debatte dazu. Aber natürlich soll die Versorgung von chronisch Kranken in Zukunft wie auch schon heute in der ärztlichen Vergütung angemessen abgebildet werden. Das ist sie aus meiner Sicht aber bereits an vielen Stellen.
Weil Sie den Bereich der psychotherapeutischen Versorgung angesprochen haben: Da wäre ich Ihnen dankbar, wenn Ihre Fraktion uns dabei unterstützen würde, in diesem Bereich zu einer besseren Versorgungssteuerung zu kommen. Die Stadt mit dem höchsten Versorgungsgrad im psychotherapeutischen Bereich in Deutschland ist Freiburg; die Stadt mit den längsten Wartezeiten ist – Freiburg. Deswegen – die meisten Psychotherapeuten und die längsten Wartezeiten – scheint die Versorgungssteuerung da noch ausbaufähig zu sein. Bis jetzt haben Sie mich in dieser Frage nicht so häufig unterstützen mögen. Ich freue mich über Unterstützung.
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Vielen Dank. – Ich habe jetzt noch drei Fragen zum Bericht von Bundesminister Spahn von Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU vorliegen. Die erste Frage ist von Kollegin Dr. Claudia Schmidtke, CDU/CSU. Bitte sehr.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Lieber Herr Gesundheitsminister, ich habe eine Frage: Die Terminservicestellen der KVen gibt es ja schon eine ganze Weile; dennoch wissen viele Patienten gar nicht, dass es sie gibt. Dementsprechend werden sie relativ wenig frequentiert. Wie wird sich das ändern? Was können wir tun, damit wir da eine Verbesserung hinbekommen? – Vielen Dank.
Danke schön. – Ja, sicherlich sind im Vergleich zu den etlichen zig Millionen Arzt-Patienten-Kontakten, die es gibt, gut 200 000, 300 000 vermittelte Termine über die Terminservicestelle noch keine große Zahl. Aber andersrum sind das 200 000 sehr konkrete Patientinnen und Patienten, die bei der Terminsuche Hilfe erfahren haben. Das Angebot und die Bekanntheit des Angebotes wollen wir durch die Zusammenführung mit 116 117, der Notdienstnummer, und auch durch digitale Angebote ausbauen.
Übrigens, wenn ich das zu dem vorher Gesagten noch ergänzen darf: Wir haben bei der Terminservicestelle eine starke Nachfrage zur psychotherapeutischen Versorgung. Wenn man sich mit Versorgungssteuerung und Versorgungszugang beschäftigt, stellt man fest, dass leider zu oft – da stimme ich zu – diejenigen warten, die mit Depressionen, Schizophrenie eine dringende Behandlungsbedürftigkeit haben, während möglicherweise andere etwas häufiger zur Versorgung in der Praxis sind. Deswegen müssen wir gemeinsam schauen, wie wir Versorgungssteuerung gerade in der Psychotherapie besser hinbekommen, damit diejenigen, die wirklich etwas brauchen, auch Versorgung bekommen.
Danke sehr. – Kollege Erwin Rüddel stellt die nächste Frage.
Es werden im Gesetz ja viele verschiedene Aspekte angesprochen. Wir stellen fest, dass immer mehr Krankenkassen ihren Versicherten elektronische Daten zur Verfügung stellen. Warum braucht man dann noch eine elektronische Patientenakte?
Herr Kollege Rüddel, danke für die Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, das noch einmal einzuordnen. Ich bin sehr froh darüber, dass es unterschiedliche Kassen und Versicherer gibt, die schon jetzt digitale Angebote machen und elektronische Patientenakten erstellen, weil es Bewegung in den Markt gebracht hat.
Was wir aber schaffen müssen, ist, dass es aufeinander abgestimmt ist. Banales Beispiel: Das Dateiformat, in dem Röntgenbilder oder Blutwerte in einer Patientenakte gespeichert werden, sollte bei jeder Patientenakte, bei jedem Angebot gleich sein, weil die Systeme sonst nicht miteinander kommunizieren können und Daten im Gesundheitswesen am Ende nicht austauschbar sind.
Diese technischen Standards setzt gerade die Gematik als beauftragte Institution in Rückkopplung mit uns und anderen im Gesundheitswesen. Das müssen wir zügig fortsetzen. Es soll viele Anbieter elektronischer Patientenakten geben, vor allem die unterschiedlichen Kassen; die sollen nicht alle identisch sein. Sie müssen aber im Kern die gleichen Datensätze, die gleichen Datenformate und technischen Standards beinhalten; sonst kann das System des einen Krankenhauses nicht mit dem einer anderen Arztpraxis reden, kommunizieren, Daten austauschen, und das wäre fatal. Dafür braucht es diese Setzung der technischen Standards.
Danke sehr. – Jetzt möchte die Kollegin Klein-Schmeink noch mal eine Frage stellen.
Ich habe noch eine Nachfrage zu dem ganzen Bereich der psychischen Erkrankungen. Da haben Sie ja gesagt, Sie wären dankbar, wenn wir Grünen Ihnen bei der Verbesserung der Versorgung zur Seite stehen. Ich kann Ihnen zusichern: Seit zwei Wahlperioden legen wir ganz differenziert Vorschläge vor, die das gesamte Feld der psychiatrischen und psychotherapeutischen sowie psychosozialen Versorgung betreffen. Wenn wir uns anschauen, wie viele Menschen aufgrund von psychischen Erkrankungen in der Erwerbsunfähigkeit landen, stellen wir fest: Es ist in der Tat ein ganz, ganz großer, auch schlecht organisierter Versorgungsbereich.
Ganz konkret haben wir gerade im Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen sehr, sehr lange Wartezeiten und infolgedessen erhöhte Inanspruchnahme von stationärer Versorgung. Sie wollen für Rheumatologen, Psychiater und Kinder- und Jugendärzte die Zulassungsbeschränkungen befristet aufheben. Und da frage ich Sie, warum Sie das nicht auch für den Bereich der Psychotherapie vorsehen. Denn wir müssen ganz klar sagen: Je früher die Hilfe und je bedarfsgerechter sie ist, umso eher kann sie auch einen langen Ausfall oder ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verhindern.
Danke sehr. – Bitte: Die Ampeln laufen ja deshalb, damit man sie auch beachtet. – Herr Bundesminister.
Herr Präsident! Vielen Dank, Frau Kollegin. Ja, wir haben das Problem in bestimmten Regionen, auch im Zusammenspiel von ambulant und stationär, dass diejenigen mit psychotherapeutischem Versorgungsbedarf, die dringend behandlungsbedürftig sind, nicht in eine ambulante Therapie kommen und dann möglicherweise in verschlimmertem Zustand stationär aufgenommen werden müssen. Die Wahrheit ist aber: Wenn wir einfach nur 10 000, 20 000 oder 30 000 Psychotherapeuten zusätzlich zulassen, wird das das Problem nicht lösen. Das ist meine feste Überzeugung; das ist die Erfahrung der Vergangenheit. Wir haben so viele Psychotherapeuten wie noch nie in der Zulassung. Wir haben fast so viele Psychotherapeuten in der Versorgung wie Hausärzte. Und trotzdem steigt mit dem Angebot der Bedarf, weil die Versorgungssteuerung nicht funktioniert. Deswegen ist der erste Schritt, dass wir zu einer besseren Versorgungssteuerung kommen, dass nämlich im Zweifel diejenigen, die man vielleicht nicht ganz so gern als Patienten im Wartezimmer sitzen hat, die auch etwas mehr Versorgungsbedarf haben, eher einen Termin bekommen als möglicherweise diejenigen, bei denen es etwas angenehmer ist, die Therapie zu machen. Ich formuliere das alles sehr zurückhaltend, weil ich weiß, dass das mit großen Emotionen verbunden ist und wahrscheinlich gleich der nächste Shitstorm startet. Aber wenn wir das Versorgungsproblem lösen wollen, werden wir über dieses Thema reden müssen.
Jetzt hat noch der Kollege Rudolf Henke, CDU/CSU, eine Frage.
Vielen Dank. – Ich möchte mit der Bemerkung einleiten, dass wir natürlich nicht nur psychologische Psychotherapeuten, sondern auch ärztliche Psychotherapeuten und pädagogisch qualifizierte Psychotherapeuten bei der Kinder- und Jugendpsychotherapie haben und dass das natürlich ganzheitlich auch in den Steuerungsfragen betrachtet werden muss.
Aber zu meiner Frage. Wir haben jetzt viel über Versorgung, Koordinierung und Digitalisierung geredet. Es gibt ja auch Patientengruppen, denen durch dieses Gesetz zum ersten Mal überhaupt bestimmte Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zugänglich gemacht werden. Das ist vorhin nicht mehr richtig zur Sprache gekommen, weil es wahrscheinlich zu lange gedauert hätte. Ich möchte trotzdem danach fragen, an welchen Stellen insbesondere für jüngere Menschen Versorgungsverbesserungen stattfinden.
Vielen Dank. – Vielleicht noch einmal kurz, weil es wirklich ein wichtiges Thema ist, zur psychotherapeutischen Versorgung – ich bin sehr dankbar für den Hinweis auf die ärztliche Versorgung in diesem Bereich –: Ein Psychiater hat im Schnitt 1 000 Patienten im Quartal, in der Psychotherapie gibt es im Schnitt 50 Patienten.
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– Würden Sie nicht sagen, auch der Psychiater braucht Zeit für seine Patienten? Ich finde schon, dass wir hinschauen müssen, wie denn da das Zusammenspiel und die Vergütungsstrukturen sind. Und wenn wir heute durch diese Debatte den Aufschlag gemacht haben, noch mehr Augenmerk darauf zu legen, bin ich dankbar.
Zur Verbesserung insbesondere für junge Versicherte: Das eine ist das Thema der sogenannten Kryokonservierung. Da geht es darum, dass junge Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder der Behandlung dieser Erkrankung, etwa im Bereich von Krebs oder rheumatologischen Erkrankungen, Gefahr laufen, unfruchtbar zu werden, die Möglichkeit bekommen, auf Kosten der Kassen später eine künstliche Befruchtung mit eingefrorenen Eizellen vorzunehmen. Das sind nicht Tausende oder Zigtausende; aber es geht um sehr konkrete Schicksale. Zudem werden wir im Bereich der HIV-Prävention die PrEP, die PräExpositionsProphylaxe, möglich machen; denn andere Länder zeigen, dass das die Infektionsraten noch mal deutlich senkt. Das spart viel Leid, übrigens aber auch viele Kosten.
Danke sehr. – Die letzte Frage zu diesem Teil der Regierungsbefragung stellt die Kollegin Dr. Kappert-Gonther, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank. – Zuerst zu dem Thema „Psychiatrie und Psychotherapie“: Ich bin zwölf Jahre als Psychiaterin und ärztliche Psychotherapeutin niedergelassen gewesen und war vorher in einer Klinik tätig. Die Arbeit der Regelpsychotherapie ist einfach ganz anders definiert als eine psychiatrische Arbeit. Sie erfordert natürlich andere Zeiten. Im Übrigen möchte ich zu dem, was Sie zur psychotherapeutischen Behandlung von schwer und chronisch psychisch Kranken gesagt haben, sagen: Das ist in keiner Weise unangenehm, sondern eine ganz, ganz schöne Arbeit.
Jetzt aber zu meiner Frage: Die Notfallversorgung ist ein riesiges Problem. Der Sachverständigenrat hat entsprechende Veränderungsvorschläge gemacht, die wir überwiegend teilen. Dieses Problem adressieren Sie jetzt mit Ihrem Gesetz fast gar nicht. Wann werden Sie denn ein entsprechendes umfassendes Notfallversorgungskonzept vorlegen?
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich habe gerade dem Kollegen Gehrke auch in diese Richtung geantwortet. Sie müssen einmal sehen: Wir sind jetzt seit gut sechs Monaten dabei, im Bundesministerium für Gesundheit Dinge anzustoßen: Pflegepersonalstärkungsgesetz, Versichertenentlastung, Beitragssenkung. Jetzt legen wir diesen Gesetzentwurf für schnellere Termine und bessere Versorgung vor. Es gibt drei Verordnungen, unter anderem zwei wichtige zur Pflegeausbildung. Sie können sagen, Sie hätten in den ersten sechs Monaten gerne noch mehr gehabt. Ich kann Ihnen sagen: Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundesministerium schieben gerade – dafür bin ich dankbar – viele Überstunden, damit wir so viel anstoßen können.
Trotzdem werden wir als Nächstes genau diesen Bereich in den Blick nehmen. Wir haben ihn aber hier nicht noch mit hineingepackt, weil er sehr komplex ist. Der ärztliche Notdienst liegt in der Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die Notfallambulanz liegt in der Zuständigkeit der Krankenhäuser. Die Krankenhausplanung machen die Länder, und der Rettungsdienst, 112, liegt in vielen Bereichen in der Zuständigkeit der Kommunen. Das heißt, wenn Sie da einen integrierten Ansatz wollen – ich möchte ihn, und der Sachverständigenrat schlägt ja auch Entsprechendes im Konkreten, wie ich finde, sehr gut vor –, dann braucht es angesichts der Komplexität und der verschiedenen Beteiligten etwas länger. Aber ich möchte das im nächsten Jahr zu einem der Schwerpunkte machen.
Danke sehr. – Jetzt, verehrte Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zu sonstigen Fragen, sowohl zu Themen der Kabinettssitzung als auch im Übrigen. Das wollen wir ja nicht mehr unterscheiden.
Die erste Frage stellt der Kollege Martin Hess, AfD.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe eine Frage an den Vertreter des Bundesinnenministeriums. Sehr geehrter Kollege Mayer, ich habe mit Befremden – –
Herr Kollege Hess, die Fragen gehen an die Bundesregierung, und der Bundesminister beantwortet sie. Er kann unter Umständen auch darum bitten, dass ein Parlamentarischer Staatssekretär antwortet; aber Sie können nicht auswählen.
Vielen Dank für die Korrektur, Herr Präsident. – Dann geht die Frage an Sie, Herr Dr. Spahn.
Doktor bitte nicht; das bringt nur Ärger. Ich habe keinen.
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Also, jetzt fangen Sie noch einmal an. Das wird schon werden.
Vielen Dank. – Ich habe mit Befremden zur Kenntnis genommen, dass nach übereinstimmenden Presseberichten die Bundeskanzlerin nicht an Besprechungen der Sicherheitsbehörden in Bezug auf die nachrichtendienstliche Lage teilnimmt, in der ja wichtige und entscheidende Sicherheitsaspekte erläutert werden. Stattdessen wird ihr vom Kanzleramtschef Bericht darüber erstattet.
Meine Frage deshalb: Ist dies so zutreffend, und, wenn ja, halten Sie diese Vorgehensweise insbesondere unter Berücksichtigung der ständig steigenden islamistischen Terrorgefahr in unserem Land für angemessen? Oder ist es aus Ihrer Sicht nicht vielmehr erforderlich, dass die Regierungschefin an einer so wichtigen Besprechung selbst teilnimmt, um bei der Informationsübermittlung durch den Kanzleramtschef potenzielle Informationsdefizite oder auch andere Bewertungen zu vermeiden? So tun das im Übrigen auch Regierungschefs anderer Länder.
Herr Kollege, ehrlicherweise ist mir nicht bekannt, in welchem Umfang die Frau Bundeskanzlerin an Sitzungen dieses Gremiums teilnimmt. Was mir aber sehr gut bekannt ist, auch aus persönlichem Erleben, ist die enge Zusammenarbeit zwischen dem für die Koordinierung der Geheimdienste zuständigen Kanzleramtsminister und der Frau Bundeskanzlerin, sodass ich unabhängig von der Frage, ob die Frau Bundeskanzlerin an den Sitzungen teilnimmt oder nicht, sehr, sehr sicher bin, dass der Kanzleramtsminister jederzeit, wenn es nötig ist und auch wenn es vorsorglich möglich ist, die Frau Bundeskanzlerin umfassend informiert.
Die nächste Frage stellt der Kollege Johann Saathoff, SPD.
Herr Minister, meine Frage betrifft Sie mittelbar in der Zuständigkeit für Atemwegserkrankungen. Ich habe in der Sommerpause aus den Reihen der Union vermehrt Stimmen verlautbaren gehört, dass man ein Moratorium für den Ausbau der Windenergie bräuchte.
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Ich habe das jetzt auch wieder aus dem Brandenburgischen mitbekommen, dass man ein solches Moratorium für den Ausbau von Windenergie bräuchte. Meine Frage an die Bundesregierung wäre: Glauben Sie, dass das ein geeignetes Instrument ist, Hunderttausenden von Beschäftigten in der Windindustrie eine wirklich planbare Zukunft zu geben?
Da ich mich dort ehrlicherweise nicht mit den Details auskenne, würde ich den zuständigen Kollegen – wahrscheinlich Ressort Umwelt oder Wirtschaft – bitten, entsprechend zu antworten.
Wer mag?
Herr Kollege Bareiß.
Herr Kollege Bareiß.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Saathoff, für die Frage. – Ich kann richtigstellen, dass die Bundesregierung kein Moratorium vorhat im Bereich der Windenergie. Im Gegenteil: Wir sind ja gerade auch in intensiven Verhandlungen über das EEG im Rahmen des 100-Tage-Gesetzes. Da geht es darum, die Sonderausschreibungen für die nächsten Jahre festzusetzen und das neue Ziel, 2030 einen Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien im Strommix zu haben, zu bewerkstelligen. Das heißt, es geht weiter mit dem Windenergieausbau. Es gab ja vor wenigen Wochen ein Gespräch des Bundesministers bei der Firma Enercon, wo es ganz konkret darum ging, Beschäftigung zu sichern. Auch da haben wir ganz klar signalisiert, dass es weitergeht mit dem Windenergieausbau. Insofern sind die Ängste in Bezug auf ein Moratorium sicherlich unbegründet.
Danke sehr. – Jetzt stellt der Kollege Oliver Luksic, FDP, die nächste Frage.
Herr Präsident! Die Bundestagsfraktion der FDP wartet seit sechs Monaten auf die Beantwortung einer Großen Anfrage zum Thema Fahrverbote. Ich glaube, auch Millionen Dieselfahrer warten auf Antworten der Bundesregierung, was geplant ist, um Wertverluste zu verhindern, um Einschränkungen der Mobilität zu verhindern. Bisher ist mir die Strategie der Bundesregierung nicht bekannt, und deswegen möchte ich genau nachfragen: Was ist jetzt die ressortabgestimmte Haltung der Bundesregierung in Sachen Nachrüstung? Es war in den letzten Tagen sehr viel dazu zu lesen, was sich widersprochen hat und was auch umgehend korrigiert wurde. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es bei den Haushaltsberatungen darum geht, im Rahmen von Maßnahmen wie Nachrüstung, Umtausch und Rücknahme Steuergelder zu verwenden? Plant die Bundesregierung eine einseitige Belastung nur der deutschen Industrie, oder sollen alle Fabrikate davon betroffen sein? Es geht ja um die Frage, ob alle Bürgerinnen und Bürger, also auch solche mit ausländischen Fabrikaten, in ihrer Mobilität eingeschränkt werden. Deswegen die Frage: Was ist hier die Strategie der Bundesregierung?
Vielen Dank. – Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis würde der Herr Staatssekretär Bilger antworten.
Der Präsident erlaubt.
Vielen Dank, Herr Kollege Luksic, für die Frage. – Ich kann anknüpfen an Ihre letzte Bemerkung zu den ausländischen Herstellern. Für uns ist es wirklich ein Ärgernis, dass die ausländischen Hersteller ihrer Verantwortung bisher nicht gerecht werden. Wir haben nur die Möglichkeit, auf die deutschen Hersteller zuzugehen und einzufordern, dass sie ihrer Verantwortung dort gerecht werden, wo betrogen wurde. Das ist auch eine ganz wichtige Unterscheidung: Betrugsautos und Nichtbetrugsautos. Nichtbetrugsautos tragen auch zur Luftverschmutzung in den Städten bei; aber das muss man wirklich unterscheiden. Wir können sehr konkret aufklären, Konsequenzen ziehen bei den deutschen Herstellern. Bei den ausländischen Herstellern gelingt das noch zu wenig aufgrund europäischer Regelungen. Da appelliere ich also auch an die ausländischen Hersteller, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden.
Insgesamt haben wir schon sehr viel gemacht, und die Ergebnisse in den Städten bei der Luftreinhaltung beweisen dies auch: Die Werte gehen überall zurück. Wir haben ein „Sofortprogramm Saubere Luft“ aufgelegt mit ganz vielen Maßnahmen, die von den Städten genutzt werden – von manchen Städten teilweise nur unzureichend –: Förderung der Elektromobilität, Hardwarenachrüstung für Busse, jetzt auch für kommunale Fahrzeuge, vieles Weitere mehr. Weitere Schritte: Aktuell ist das Thema Hardwarenachrüstung in der Abstimmung. Es findet heute eine Staatssekretärsrunde statt, am Freitag treffen sich die Minister, und am Montag wird ein Koalitionsausschuss dazu stattfinden. Dann mehr dazu.
Danke sehr. Ich glaube, wir haben zu dem Thema auch noch eine Aktuelle Stunde in dieser Woche. – Die nächste Frage hat jetzt die Kollegin Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage an die Bundesregierung bezieht sich auf die Brandkatastrophe in Niedersachsen, die durch die Bundeswehr am 3. September verursacht worden ist. Der Brand dauert ja noch an. Die neueste Information, die wir jetzt haben, ist, dass dort offensichtlich gar nicht die Bundeswehr das Gerät testet, sondern dass die Industrie dort selber schießt. Deswegen fragt sich jetzt, nachdem wir uns längere Zeit mit den Abläufen beschäftigt haben, schon noch mal: Welchen Einfluss hat denn eigentlich die Industrie und welchen hat die Wehrtechnische Dienststelle, wenn es darum geht, solche Beschusstests freizugeben? Das wäre, glaube ich, auch für alle Betroffenen sehr interessant.
Herr Präsident, der Herr Kollege Staatssekretär Silberhorn ist zur Antwort bereit.
Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Die Versuchsdurchführung, die an vier Tagen stattfand und die am 3. September 2018 einen Moorbrand ausgelöst hat, fand mit 70-Millimeter-Raketen aus dem Waffensystem Tiger der Bundeswehr statt. Die Übungszwecke, zu denen der Hubschrauber und die Munition eingesetzt werden, bedingen es, dass dieser Hubschrauber auch mit besonderen Einrichtungen ausgestattet ist, um testen zu können. Die Industrie ist insoweit eingebunden, als sie das militärische Gerät entsprechend den Übungsergebnissen dann auch anpassen muss, weil wir Gerät wie Munition in Einsätzen der Bundeswehr im Ausland verwenden.
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Danke sehr. – Jetzt möchte die Kollegin Frau von Storch die nächste Frage stellen.
Danke sehr, Herr Präsident. – Am 31. Mai 2016 hat der Bundestag eine Resolution verabschiedet: „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an Armeniern und anderen christlichen Minderheiten“. Jetzt war die Frau Bundeskanzlerin gerade in Armenien, hat einen Kranz niedergelegt, aber den Völkermord als solchen nicht bezeichnet. Deswegen meine Frage: War die Verfolgung und Ermordung von den Armeniern und den anderen christlichen Minderheiten mit bis zu 1,5 Millionen Toten nach Ansicht der Bundesregierung ein Völkermord im Sinne der UN-Völkermordkonvention?
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Für die Konvention ist das Auswärtige Amt zuständig. Deswegen würde ich den Herrn Kollegen Staatsminister bitten.
Frau Kollegin, Sie haben die Resolution genannt und zitiert. Das ist der eindeutige Wille und die eindeutige Positionierung des deutschen Parlamentes. Diese Positionierung ist der Bundesregierung bekannt, und sie hat sie im Ausland jeweils als Positionierung des Deutschen Bundestages kommuniziert.
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Danke sehr. – Frau Kollegin, es ist immer so bei Fragen und Antworten: Der Fragesteller ist frei, zu fragen, und der Antwortende ist frei, zu antworten.
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– Ja, so ist das.
Die nächste Frage stellt der Kollege Graf Lambsdorff, FDP.
Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Bundesminister, das Bundesverteidigungsministerium hat erhebliche Rechtsverletzungen bei der Vergabe von Aufträgen für externe Berater eingeräumt. In der Presse war sogar zu lesen, es gebe ein sogenanntes Kumpelsystem, wo Auftraggeber und Auftragnehmer einander persönlich eng bekannt sind. Daher meine Frage an die Bundesregierung: Gibt es ein solches Kumpelsystem bei der Auftragsvergabe durch das Bundesverteidigungsministerium? Und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um dafür zu sorgen, dass sich das Ministerium sowohl bei bereits erteilten als auch bei künftigen Auftragsvergaben an das Vergaberecht hält?
Ist der Staatssekretär aus dem Verteidigungsministerium noch anwesend?
Der Herr Kollege Silberhorn hat nachfolgende Informationsarbeit geleistet und dabei die Frage zu Kumpels, die ich ansonsten nur aus dem Bergbau kenne, wahrscheinlich nicht gehört.
Herr Kollege Silberhorn, haben Sie die Frage gehört? – Es wäre vielleicht ganz hilfreich, wenn die Vertreter der Ressorts während der Regierungsbefragung den Fragestellern zuhören würden. – Können Sie die Frage kurz wiederholen? – Es ging um das Gutachten des Rechnungshofs, und die Frage von Graf Lambsdorff war, ob es ein Kumpelsystem bei der Vergabe solcher Aufträge gebe.
Und welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreift, um dafür zu sorgen, dass bei künftigen Auftragsvergaben das Vergaberecht eingehalten wird und rechtswidrige Vergaben in der Vergangenheit geheilt werden.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich bitte um Nachsicht. Die Abwesenheit lässt sich dadurch erklären, dass ich nach der kurzen Antwortfrist, die ich hier habe, der Kollegin noch weiter gehende Informationen mündlich übermittelt habe.
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Das müssen Sie in Zukunft nach der Regierungsbefragung machen.
Das will ich gerne tun. – Zu Ihrer Frage: Der Bericht des Bundesrechnungshofes liegt auch uns vor. Wir haben eine Antwortfrist von drei Monaten. Das heißt, wir werden ausführlich Stellung nehmen binnen dieser Frist von drei Monaten und werden nun diesen Erkenntnissen des Bundesrechnungshofes im Einzelnen nachgehen und prüfen, ob und inwieweit Vergaberechtsverstöße vorgekommen sind und in welcher Form ihnen Abhilfe geleistet werden kann.
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– Sie sind auch teilweise eingeräumt worden. Wir werden auch im Ausschuss heute darüber Bericht erstatten und weitere Auskunft geben.
Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt die Kollegin Filiz Polat, Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch gern zum Komplex Meppen/Moorbrand/Bundeswehr fragen und das vielleicht einmal auf dieser Ebene thematisieren: Aktuell sind 1 531 Einsatzkräfte vor Ort: 64 Bundeswehrfeuerwehrkräfte, 322 Soldaten, 577 Helferinnen und Helfer des THW und 522 zivile Feuerwehrleute. Das ist mit der größte Einsatz, den wir erleben in Niedersachsen und wahrscheinlich auch bundesweit. Es wird ein Ausstoß von geschätzt 2,2 Millionen Tonnen CO 2 erwartet. Ich muss Ihnen die Dimensionen nicht mit Beispielen hinterlegen; das tut die Presse zum Glück zur Genüge.
Ich möchte aber kurz auf die Belastungen für die Menschen eingehen. Ich selber war vor Ort – noch vor der Bundesverteidigungsministerin, noch vor den Kolleginnen und Kollegen, die dort Wahlkreisabgeordnete sind.
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Mich hat gewundert, dass bis zu dem Zeitpunkt keine Messungen stattgefunden haben. Deshalb die Frage an die Bundesregierung: Ist es korrekt, dass bis zum 18. September 2018 keine Messungen stattgefunden haben, und, wenn ja, warum nicht? Und noch die Nachfrage: Werden die Messergebnisse, die jetzt gemacht werden, offengelegt, und zwar regelmäßig? Sie berichten ja fast täglich in einem Infoflyer. Die Messergebnisse werden nicht offengelegt, und gesundheitsschädliche Stoffe sind nachgewiesen worden, die laut Aussagen unter den Grenzwerten liegen.
Frau Kollegin!
Nichtsdestotrotz hat die Bevölkerung ein großes Interesse an diesen Informationen. – Ich danke, Herr Präsident.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Frau Kollegin, wir sind uns der Belastungen bewusst, denen die Bevölkerung nicht nur in Meppen, sondern in weitem Umkreis ausgesetzt ist. Nicht nur Staatssekretär Hoofe, der als Erster aus unserem Hause vor Ort war und aus der Gegend kommt, sondern insbesondere Bundesministerin von der Leyen war am Wochenende vor Ort und hat sich ausdrücklich entschuldigt im Namen der Bundeswehr. Wir gehen nun den Vorkommnissen im Einzelnen nach. Weiterhin liegt die Priorität auf der Bekämpfung des Brandes, der noch andauert. Wir haben eine Task Force eingerichtet im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, die den Sachverhalt detailliert aufklären wird, mit all der Sorgfalt, die uns möglich ist. Die Bundesministerin hat auch angekündigt, dass die Ergebnisse unserer Untersuchungen veröffentlicht werden.
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Was die Messungen im Blick auf Gesundheit angeht, da sind die örtlichen Behörden der Kommunen und des Landes Niedersachsen eingesetzt.
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Das ist ja, denke ich, auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Es finden auch eigene Messungen im Rahmen unserer Möglichkeiten statt. Aber es ist uns auch wichtig, zu betonen, dass wir in vollem Umfang und auf das Engste mit allen zuständigen Behörden vor Ort zusammenarbeiten.
Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch eine Reihe von Fragen. Es ist fast eine Stunde vorüber. Ich würde noch je eine Frage aus jeder Oppositionsfraktion zulassen und dann zur Fragestunde kommen. – Wenn Sie damit einverstanden sind, dann stellt jetzt die nächste Frage der Kollege Dr. Curio, AfD.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich erinnere zunächst an die noch ausstehende Beantwortung meiner innerfraktionellen Vorrednerin zur Haltung der Regierung und nicht des Parlaments zu Armenien und Völkermord.
Jetzt meine eigene Frage zum Kurs in der Abschiebepolitik. Wir haben ja von der Kanzlerin von einer nationalen Kraftanstrengung in der Abschiebung gehört. Jetzt hören wir vom Bundestagspräsidenten Schäuble, dass wir uns keine Hoffnung machen sollen, dass die große Masse der abgelehnten Asylbewerber jemals abgeschoben werden wird, wie Recht und Gesetz es vorsehen und wie die Regierung es mehrmals versprach. Da viele Bürger sich nun fragen: „Ist dies womöglich die Einstimmung auf den nächsten Rechtsbruch?“, meine Frage: Wenn also Hunderttausende Ausländer sich unberechtigt hier aufhalten, dem Steuerzahler auf der Tasche liegen und sich immer wieder durch gesetzliche Schlupflöcher ihrer berechtigten Abschiebung entziehen können, sollte es dann nicht, statt es mit dem Motto zu halten: „Jetzt sind sie halt da“, vielmehr Aufgabe der Regierung sein, den gesetzlichen Rahmen so zu verschärfen, dass diese Personen, statt hier unberechtigterweise versorgt zu werden, endlich das Land verlassen müssen?
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Herr Bundesminister.
Herr Kollege, Sie werden ja in den vergangenen Jahren zur Kenntnis genommen haben, dass die Bundesregierung vielfach Gesetzesänderungen rund um das Thema des Asylrechts und die Frage der Verbesserung der Durchsetzbarkeit von Abschiebungen vorgeschlagen hat. Es haben sich auch die Innenministerkonferenz und die Justizminister der Länder mit diesen Fragen in jüngster Zeit wieder beschäftigt und Vorschläge gemacht. Sie werden sicherlich geprüft. Die Bundesregierung wird da, wo sie zuständig ist – da gibt es ja im föderalen Miteinander keine ausschließliche Zuständigkeit des Bundes –, alles tun, bis hin zum Vorschlag von Rechtsänderungen, was nötig ist, um dort die Situation zu verbessern. So, wie es heute ist, ist es ohne Zweifel unbefriedigend. Recht muss durchgesetzt werden, und da, wo es Verbesserungsbedarf gibt, werden wir auch in Zukunft Verbesserungen vorschlagen.
Danke sehr. – Vorletzte Frage: die Kollegin Nicola Beer, FDP.
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Gestern hat das Oberlandesgericht Frankfurt in zweiter Instanz eine Klage eines israelischen Bürgers gegen die Kuwait Airways abgewiesen. Die Airline ist nicht verpflichtet, den Israeli über Kuwait nach Asien zu transportieren, und dies, obwohl das Oberlandesgericht in aller Deutlichkeit festgestellt hat, dass dies nicht nur gegen deutsches, sondern auch europäisches Recht, insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, verstößt.
Was tut die Bundesregierung kurzfristig, um in Neuverhandlungen des Flugabkommens mit Kuwait sicherzustellen, dass die kuwaitischen Airlines verpflichtet sind, auch israelische Staatsbürger zu transportieren? Ich weiß, dass Gespräche geführt werden. Aber wann kommen diese endlich zum Abschluss? Ist die Bundesregierung bereit, bis zum Abschluss solcher Neuverhandlungen kuwaitischen Airlines die Landerechte zu entziehen, und wenn die Neuverhandlungen scheitern sollten, werden kuwaitischen Airlines dann die Landerechte entzogen?
Herzlichen Dank.
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Staatssekretär Bilger würde übernehmen – mit Erlaubnis des Präsidenten.
Ich gehe von der Erlaubnis des Präsidenten aus. – Vielen Dank, Frau Kollegin Beer, für die Frage. Dieses Thema beschäftigt uns in der Tat seit einiger Zeit. Kurz nachdem Bundesverkehrsminister Scheuer ins Amt kam, gab es Meldungen über diesen Vorgang. Es ist für uns inakzeptabel, dass eine Fluggesellschaft israelische Staatsbürger nicht als Passagiere aufnehmen möchte.
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Minister Scheuer hat das auch sehr deutlich gegenüber dem Vertreter Kuwaits in Deutschland kommuniziert, und wir sind da in unserer Haltung sehr klar.
Sie haben angesprochen, was wir machen können. Es geht um ein Luftverkehrsabkommen, das besteht und über das es irgendwann auch Neuverhandlungen geben wird. Dabei werden wir auch darauf hinweisen, dass wir erwarten, dass selbstverständlich auch israelische Staatsbürger von Kuwait Airways befördert werden.
Vielen Dank. – Als letzte Fragerin dann die Kollegin Bayram.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Teilt die Bundesregierung die kürzlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz an die Landesämter für Verfassungsschutz mit einem Dossier über die türkische Religionsbehörde DITIB versandte Empfehlung, mindestens deren Bundesverband in Deutschland von einem Prüf- zu einem Verdachtsfall von Ausländerextremismus heraufzustufen – mit der Folge nachrichtendienstlicher Beobachtungen –, vor allem, weil mindestens 19 hiesige DITIB-Imame vermeintliche Gülen-Anhänger in ihren Gemeinden ausspioniert haben sowie in DITIB-Moscheen gegenüber Kindern der Märtyrertod propagiert wurde? Und wie wird Frau Bundeskanzlerin Merkel bei Präsident Erdogans anstehendem Staatsbesuch diese teils strafbaren DITIB-Aktivitäten ansprechen, verbunden mit dem Ziel, sie durch ihn nachhaltig unterbinden zu lassen?
Herr Präsident, das würde Herr Staatssekretär Stephan Mayer beantworten.
Ich habe vernommen, dass Herr Staatssekretär Mayer das beantworten will.
Verehrte Frau Kollegin Bayram, das Bundesinnenministerium nimmt zur Kenntnis, dass es im Verfassungsverbund, also zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den 16 Landesämtern für Verfassungsschutz, derzeit einen intensiven Diskurs gibt, ob man, was den Umgang mit DITIB anbelangt, eine Veränderung der Kategorisierung vornehmen soll. Dieser Diskurs innerhalb des Verfassungsverbundes ist noch nicht abgeschlossen, aber das Bundesinnenministerium wird selbstverständlich, gerade mit der Bundesoberbehörde Bundesamt für Verfassungsschutz, diesen Diskurs sehr intensiv und konstruktiv begleiten.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Damit beende ich die Befragung.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Große Koalition hat in den vergangenen Wochen eine Vielzahl von Themen erfolgreich abgearbeitet: Rente, Arbeitslosenversicherung, Mieterschutz und Wohnraumoffensive. Mit dem Wohngipfel hat die Bundesregierung den Startschuss für Maßnahmen gegeben, die zum Neubau von 1,5 Millionen neuen Wohnungen in dieser Legislaturperiode führen werden. Wir haben damit den Grundstein für die größte Wohnrauminitiative gelegt, die es je bei einer Bundesregierung gab.
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Wir geben gleichzeitig die richtigen Antworten auf die entscheidende soziale Frage unserer Zeit: Mehr Mietwohnungsbau, mehr Wohneigentum und bezahlbares Wohnen, das sind die richtigen Antworten, um gesicherten und angemessenen Wohnraum zu schaffen. In diesem historisch einmaligen Paket bündeln wir investive Impulse, Maßnahmen zur Sicherung des bezahlbaren Wohnens, zur Baulandmobilisierung, zur Baukostensenkung und zur Fachkräftesicherung in der Baubranche.
Die Bundesregierung liefert. Was wir uns vorgenommen haben, setzen wir nun Schritt für Schritt um:
Wir haben das Baukindergeld rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres eingeführt. Die Regelung sieht vor: 12 000 Euro Zuschuss pro Kind über einen Zeitraum von zehn Jahren. Damit fördern wir Wohneigentum gerade für junge Familien. Anträge können seit letzter Woche gestellt werden. Ich kann dem Parlament mitteilen, dass innerhalb einer Woche bereits über 10 000 Anträge gestellt wurden. Ein großartiger Erfolg!
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Das Wohngeld werden wir gemeinsam mit den Ländern zum 1. Januar 2020 an die steigenden Lebenshaltungs- und Wohnkosten anpassen. Damit entlasten wir vor allem Haushalte mit geringerem Einkommen.
Für den sozialen Wohnungsbau wird der Bund von 2018 bis 2021 5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Wir wollen die soziale Wohnraumförderung für die Länder auch über das Jahr 2019 hinaus verstetigen. Die erforderlichen Änderungen des Grundgesetzes haben wir auf den Weg gebracht. – Hier noch mal eine Erläuterung: Normalerweise wäre das eine Aufgabe der Bundesländer. Aber viele Bundesländer haben die Bundesmittel nicht für diesen Zweck eingesetzt. Deshalb ist es, bei dieser prekären Lage des Wohnungsmarktes, erforderlich, dass der Bund sich verstärkt um den sozialen Wohnungsbau kümmert. Dafür müssen wir das Grundgesetz entsprechend ändern.
Der Bund wird den frei finanzierten Mietwohnungsbau durch eine steuerliche Sonderabschreibung fördern. Den entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums hat das Bundeskabinett bereits in der vergangenen Woche beschlossen.
Und was ganz wichtig ist: Wir setzen die Mittel der Städtebauförderung gezielt ein, auf hohem Niveau, um unsere Ortskerne zu revitalisieren. Bei aller Wohnungsnot möchte ich als Bauminister auch einmal darauf hinweisen, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland 1,7 Millionen leerstehende Wohnungen haben. Die befinden sich vor allem in den Stadt- und Ortskernen. Deshalb ist es richtig, wenn wir die Stadt- und Ortskerne durch Fördermaßnahmen revitalisieren.
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Das ist übrigens auch ein Beitrag zur Entspannung des Verhältnisses Bauland/Flächenverbrauch.
Allein für diese vier Maßnahmen – das Baukindergeld, den sozialen Wohnungsbau, das Wohngeld, die Städtebauförderung – stellt die Bundesregierung in dieser Legislatur sage und schreibe mehr als 13 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist ein echter Investitionsschwerpunkt im Bundeshaushalt. Dazu kommt eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen:
Der Mieterschutz im Verantwortungsbereich der Kollegin Barley ist eine wichtige Säule zur Sicherung bezahlbarer Wohnverhältnisse. Daher verbessert die Bundesregierung den Mieterschutz und dämpft den Anstieg der Mietpreise auch bei Bestandsmieten.
Stichwort „Fachkräftebedarf“. Die Bauwirtschaft benötigt natürlich zur Umsetzung dieses gewaltigen Investitionsprogramms die notwendigen Kapazitäten. Genau deshalb arbeite ich gerade mit Kollegen aus der Bundesregierung an einem Fachkräftezuwanderungsgesetz. Ich werde heute Abend noch einmal mit Sozialminister Heil darüber sprechen. Ich hoffe, dass wir dann in sehr kurzer Zeit im Bundeskabinett dieses wichtige Thema, auch im Zusammenhang mit dem Wohnungsbau, beschließen können.
Der Bund übernimmt wieder selbst die Bauherrnrolle – auch das ist mir wichtig –; er ist ja an vielen Stellen Grundeigentümer. Das Gleiche gilt übrigens für die Bahn; aber mit der muss ich erst reden. Der Bund wird jedenfalls die Bauherrnrolle wahrnehmen und bezahlbare Wohnungen auf seinen eigenen Grundstücken für seine Bediensteten schaffen, damit wir in der Nähe der Arbeitsplätze unserer Bundesbediensteten auch die erforderlichen Wohnungen bekommen.
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Ich glaube, dass die Bundesregierung mit diesem Maßnahmenbündel richtungsweisende wohnungspolitische Impulse gibt. Der Bund schafft dafür die notwendigen Rahmenbedingungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben also alles auf den Weg gebracht – die neue Regierung ist ja gerade mal sechs Monate im Amt –, um angemessenen und bezahlbaren Wohnraum in wachsenden Städten und Ballungsräumen, aber auch im ländlichen Raum zu schaffen.
Eines ist mir noch sehr wichtig, nämlich das Ziel unserer Koalition, gleichwertige Lebensverhältnisse im urbanen und ländlichen Raum zu schaffen. Das verlieren wir nicht aus dem Blick. Der Wohnungsbau ist dafür auch ein wichtiges Instrument. Gerade im ländlichen Raum geht es oft auch um die Sanierung leerstehender Gebäude oder die Revitalisierung von Stadt- und Ortskernen. Mit dem Wohnungsbau setzen wir uns also gleichzeitig auch für gleichwertige Lebensverhältnisse in unserem Lande ein.
Heute habe ich gemeinsam mit den Kolleginnen Julia Klöckner und Franziska Giffey in Anwesenheit der Bundeskanzlerin die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ ins Leben gerufen. Ich darf auch dem Parlament hier sagen: Das war eine ganz vorzügliche Diskussion. So wie es im Wohnungsbau einen Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Kommunen auf höchster Ebene gab, so ist das heute auch bei dieser Kommission gelungen. Wir haben jetzt ein starkes Signal für den Wohnungsbau und für die Schaffung gleichwertiger Verhältnisse in Deutschland gesetzt. Trotz guter Lage des Gesamtlandes gibt es noch viele Disparitäten. Deshalb wird diese Kommission eine Menge zu leisten haben.
Meine Damen und Herren, „Investitionen in den Wohnungsbau“ war das gemeinsame Ziel, damit die Menschen dort gut leben können, wo sie gerne leben. Wir sind auf bestem Wege, dieses Ziel zu realisieren.
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Herzlichen Dank, Herr Minister. – Als Nächster erhält das Wort für die AfD-Fraktion der Kollege Udo Theodor Hemmelgarn.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! Der Baubereich hat in allen Merkel-Regierungen ein eher stiefmütterliches Dasein geführt, obwohl das gesamte Nettoanlagevermögen aller Wohnimmobilien in Deutschland fast 5 Billionen Euro beträgt. 5 Milliarden Euro, also sage und schreibe ein Tausendstel davon, wollen Sie jetzt pro Jahr in den Wohnungsbau investieren. Die jetzt bekannten Ergebnisse des Wohngipfels sind eine einzige Blamage für diese Bundesregierung. Es fehlt jede Systematik; Einzelmaßnahmen wurden planlos aneinandergereiht. Man könnte zu diesem Wohngipfel auch sagen: Der Berg kreißte und gebar eine Maus.
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Die wirklichen Gründe für das extreme Wohnungsdefizit und die hochspekulative Situation auf dem Wohnungsmarkt, insbesondere in den Metropolen, wurden auf dem Wohngipfel erst gar nicht benannt. Diese lauten: erstens die schon seit mehr als 15 Jahren andauernde stetige Flucht aus dem ländlichen Raum in die Städte, zweitens die gewollte Freizügigkeit seit 2011 für Arbeitnehmer und Selbstständige aus den osteuropäischen Staaten, die im Jahr 2004 der EU beigetreten sind, drittens die enorme Einwanderung von mehr als 1,8 Millionen meist illegaler sogenannter Flüchtlinge seit 2013 in unser Land, viertens die spekulativen Investitionen in Immobilien aufgrund der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, fünftens der Verkauf von Wohnbeständen durch die Kommunen an renditeorientierte internationale Pensionskassen und Fonds, natürlich auf Kosten der Mieter – das waren Ihre Leute –, sechstens die häufige Zweckentfremdung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau durch die Bundesländer. Sie kannten all diese Probleme und haben nichts, aber auch wirklich gar nichts unternommen.
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Nur 5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bis 2021 und weitere Kleinigkeiten sollen die akute Wohnungsnot lindern? Nein, das ist nur die verzweifelte Antwort auf eine völlig verfehlte Wohnungsbaupolitik der letzten 13 Jahre. Die ehemalige SPD-Ministerin Hendricks mahnte bereits 2016, dass jährlich 350 000 bis 400 000 Wohnungen gebaut werden müssten. Passiert ist nichts. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, überall dort, wo Sie regieren – in Berlin, Hamburg, München oder Frankfurt –, sind die Mieten am höchsten. Sie müssten sich mal fragen, woran das liegt.
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Jetzt versucht diese Regierung hektisch und ohne wirklichen Plan, mit dem Gießkannenprinzip bei den Bürgerinnen und Bürgern zu punkten. Irgendwas wird schon wirken.
Lediglich 100 000 Sozialwohnungen bis 2021 sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Darüber hinaus verschweigen Sie, dass im selben Zeitraum bundesweit 200 000 Wohnungen aus der Sozialbindungsfrist fallen werden. Wir werden also 100 000 Sozialwohnungen weniger haben als heute.
In den letzten zehn Jahren wurden in Deutschland im Durchschnitt circa 200 000 Wohnungen gebaut. Im Jahr 2017 waren es 285 000 Wohnungen, im Jahr 2018 werden es voraussichtlich 300 000 werden. Wie die Bundesregierung ihr selbstgestecktes Ziel von jährlich 400 000 neuen Wohnungen erreichen will, bleibt somit ein Rätsel. Dieses Ziel werden Sie in keinem Fall erreichen. Schon jetzt sind die Kapazitäten im Bauhauptgewerbe komplett ausgeschöpft. Die geplanten Sonderabschreibungen für vermietbaren Neubau wirken kontraproduktiv und werden die Miet- und Immobilienpreise weiter stark ansteigen lassen. Die Zeichen dafür können Sie am Markt heute schon erkennen.
Die Ergebnisse dieses Wohngipfels werden die Wohnungsnot, insbesondere in den Metropolen, nicht lösen. Die Landflucht in die Städte wird nicht abnehmen. Wir werden weiter Zuzug aus Osteuropa haben. Auch in diesem Jahr und in den kommenden Jahren werden wieder circa 200 000 sogenannte Flüchtlinge neu in unser Land einwandern. Auch die vielfältigen Formen von Familiennachzug müssen bei der Berechnung des Wohnraumbedarfs beachtet werden. Wenn ich unseren Bundestagspräsidenten, Wolfgang Schäuble, in seinem „Bild“-Interview richtig verstanden habe, werden wir selbst abgelehnte Asylbewerber kaum abschieben können. Ein verheerendes Signal für diesen Rechtsstaat!
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Das alles ist in Ihren Vorschlägen nicht berücksichtigt. Sogar der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung hat unlängst Vorschläge unterbreitet, die erheblich logischer und strukturierter sind als das peinliche Herumgestochere dieser Großen Koalition. Das alles zeigt uns, meine Damen und Herren: Sie befinden sich auf einem politischen Irrweg und betreiben damit politischen Pfusch am Bau.
Vielen Dank.
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Als Nächste, liebe Kolleginnen und Kollegen, erhält für die Bundesregierung die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl das Wort.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bezahlbarer Wohnraum ist die soziale Frage unserer Zeit; denn eine angemessene Wohnung ist Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben. Insbesondere in den Ballungsräumen sieht die Realität aber anders aus. Gerade Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen haben dort Probleme, für sich und ihre Familien bezahlbaren Wohnraum zu finden. Viele Menschen haben Angst, sich ihre Wohnung zukünftig nicht mehr leisten zu können und aus ihrem vertrauten Umfeld vertrieben zu werden. Dies bedeutet für Familien den Verlust von Kindergarten, Schule, Vereinen, Freunden und damit auch ein Stück Heimat.
Diese Entwicklung verändert aber auch den Charakter unserer Städte. Wir konnten zu Recht stolz sein auf eine Vielzahl attraktiver Städte mit ausgewogenen Bewohnerstrukturen, in denen jeder und jede einen Platz fand. Es darf nicht sein, dass sich Normalverdiener das Wohnen in der Stadt nicht mehr leisten können. Eine Stadt funktioniert nur dann auf Dauer gut, wenn dort auch Erzieher, Lehrerinnen, Polizisten arbeiten und leben können.
Ich bin sehr froh, dass wir als Bundesregierung das Thema Wohnen auf dem Wohngipfel in einer konzertierten Aktion gemeinsam mit den Ländern und Kommunen, der Wohnungswirtschaft, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Deutschen Mieterbund aufgegriffen haben; denn es liegen gewaltige Aufgaben vor uns, die wir nur gemeinsam lösen können.
Erstens. Wir sind uns alle einig: Es muss vor allem mehr bezahlbarer Wohnraum gebaut werden.
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Es ist gut, dass den Ländern hierfür in den nächsten Jahren zusätzlich 2,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. Für den Wohnungsbau ist zudem zentral, dass Bauland bereitgestellt wird. Deshalb wollen Bund und Länder gemeinsam dafür sorgen, dass Grundstücke im öffentlichen Eigentum verstärkt für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden.
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Zweitens. Kurzfristig muss der Anstieg der Mieten gebremst werden, um weitere Gentrifizierung zu verhindern. Das von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegte Mieterschutzgesetz ist hierzu ein erster wichtiger Schritt.
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Die Regelungen der Mietpreisbremse werden hierdurch transparenter und für Mieterinnen und Mieter besser handhabbar.
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Mieterinnen und Mieter werden auch bei Modernisierungen besser vor sie überfordernden Mieterhöhungen und dem sogenannten Herausmodernisieren geschützt.
Der Entwurf für ein Mieterschutzgesetz wird nun im Deutschen Bundestag beraten. Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitten, Ihren Teil dazu beizutragen, dass das Gesetzgebungsverfahren zügig abgeschlossen werden kann.
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Die Mieterinnen und Mieter werden es Ihnen danken, wenn sie sehr bald von den Verbesserungen profitieren können.
Drittens. Wir haben auf dem Wohngipfel zudem beschlossen, den Betrachtungszeitraum für die ortsübliche Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahre zu erweitern. Hierdurch werden mehr ältere Mietverhältnisse in die ortsübliche Vergleichsmiete einfließen. Dies wird zu einer Dämpfung des Anstiegs der Wohnkosten führen;
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denn die Mieten im Bestand dürfen zukünftig weniger stark angehoben werden. Gedämpft wird zudem die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn in angespannten Wohnungsmärkten. Wir sollten diesen Beschluss zum Wohle aller Mieterinnen und Mieter nun ebenfalls sehr schnell umsetzen.
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Viertens. Wir haben verabredet, uns für gute Mietspiegel einzusetzen, die in möglichst vielen Städten und Gemeinden zur Anwendung kommen sollen. Einfache Mietspiegel sollen gestärkt werden. Durch gesetzliche Mindestanforderungen wird die Bundesregierung zudem für mehr Rechtssicherheit für Vermieter und Mieter sorgen.
Fünftens. Wir wollen, dass Menschen leichter Eigentum erwerben können. Hierzu streben wir eine substanzielle Senkung der Maklerkosten für den Erwerb selbstgenutzten Eigentums an.
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Wir prüfen unter anderem, das Bestellerprinzip, das es im Mietmarkt bereits gibt, auch für Eigentumskäufe anzuwenden. Das Bestellerprinzip bedeutet: Wer den Makler bestellt, der soll ihn auch bezahlen.
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Sechstens. Wir wollen die Zahl der Möglichkeiten reduzieren, Mietshäuser in Eigentumswohnungen aufzuteilen und umzuwandeln.
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In sogenannten Milieuschutzgebieten ist es schon jetzt möglich, die Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen zu beschränken. Hierdurch soll vor allem die Wohnbevölkerung vor Verdrängung geschützt werden. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen, die dazu führen, dass Stadtquartiere infolge der Umwandlung in Wohnungseigentum dennoch immer teurer werden und die Mieten insgesamt sogar steigen.
Siebtens. Wir werden das Wohnungseigentumsrecht novellieren und insbesondere bauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit, zur energetischen Sanierung, zur Förderung von Elektromobilität oder auch zum Einbruchschutz erleichtern. Hierzu haben wir eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet. Diese wird im Jahr 2019 Vorschläge vorlegen.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf dem Wohngipfel wurde noch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen beschlossen. Wir sollten natürlich fortwährend über weitere notwendige Verbesserungen, zum Beispiel hinsichtlich der Bestandsmieten und des Schutzes vor missbräuchlichen Eigenbedarfskündigungen, nachdenken. Ich kann Ihnen sagen: Wir sind dazu bereit.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Daniel Föst.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Seehofer! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich vorneweg zu sagen: Dieser Wohngipfel war ein Gipfel der vertanen Chancen. Außer Spesen ist da nichts gewesen.
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– Dafür, dass sich die Regierung da auf die Schultern klopft, habe ich Verständnis; denn viel mehr ist da nicht.
Dabei halten wir Freie Demokraten es für eine gute Sache, dass sich alle, die auf dem Wohnungsmarkt aktiv sind, zusammensetzen, dass Sie alle an einen Tisch holen und dann um die besten Lösungen ringen. Aber leider fehlte auch am vergangenen Freitag wieder der Mut der Regierung, um endlich nachhaltige Impulse für den Wohnungsbau zu setzen. Diese wären so bitter nötig. Doch auch beim Wohngipfel hat sich gezeigt: Der Großen Koalition fehlt die Handlungsfähigkeit.
Statt sich hier zu feiern, werte Kollegen von CDU/CSU und SPD, und sich ständig auf die Schulter zu klopfen, würde ich an Ihrer Stelle, ehrlich gesagt, im Boden versinken: Da draußen suchen jeden Tag Menschen nach günstigem Wohnraum, und zwar erfolglos. Sie haben sich am Freitag zusammengesetzt, und Sie hätten die Chance gehabt, die Weichen für eine Lösung des Problems zu stellen. Aber anstatt beherzt zu handeln, erfreuen Sie sich nach wie vor an Sonntagsreden, am Papiereschreiben und am Geldverteilen.
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Dabei haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Die Regierung muss handeln.
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– Liebe Frau Kollegin Weisgerber, die ganze Geschichte mit Jamaika ist ein so alter Hut. Wir sind auch da im Wohnungsbau keinen Schritt weitergekommen. Ich bin ganz froh, dass ich jetzt nicht dasitze und ständig leere Versprechen machen muss, die ich nicht halten kann. Deswegen gehen wir als Serviceopposition lieber her und machen Ihnen Vorschläge, wie Sie das Wohnproblem in den Griff bekommen.
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Was Sie am Freitag vorgelegt haben, war ein aufgewärmter Koalitionsvertrag.
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– Eben schon.
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– Natürlich habe ich es gelesen. – Es enthielt Absichtserklärungen und, am allerschlimmsten, sich völlig widersprechende Maßnahmen: Umwandlungsverbot und Wohnungsbauverhinderung auf der einen Seite, Baukindergeld und „Strohfeuer-AfA“ auf der anderen Seite. Bei den wichtigen Fragen sind Sie aber weitestgehend blank: Bauland, Fachkräftemangel.
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– Ja, es steht drin. Das sage ich doch. Außer Papieren haben Sie bis jetzt noch gar nichts gebracht. – Sie haben 120 Leute beschließen lassen, dass sich Minister Seehofer mit den Spitzen der Bauindustrie treffen soll. Können wir eigentlich manche Dinge im Bauministerium als selbstverständlich voraussetzen, oder muss nun jetzt jedes Spitzengespräch von einem Gipfel beschlossen werden? Ich finde das eine Farce.
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Deswegen müssen wir Freie Demokraten leider feststellen: Erstens. Die Beschlüsse des Wohngipfels werden den Menschen nicht helfen, in absehbarer Zeit bezahlbaren Wohnraum zu finden. Zweitens. Die Wohnungsbaupolitik verkümmert im Innenministerium.
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Derzeit ist im Innenministerium alles auf Machterhalt ausgerichtet. Wegen dieses unsäglichen Personalgeschachers um Herrn Maaßen hätte es beinahe noch mit Ihrem Baufachmann Gunther Adler einen Kollateralschaden gegeben. Deutlicher kann man die Geringschätzung und das Desinteresse des Bauministers für dieses wichtige Thema, Bauen und Wohnen, gar nicht zeigen.
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Jetzt stehe ich als Freier Demokrat hier vorne und muss noch einen Sozialdemokraten vor seiner eigenen Regierung in Schutz nehmen. So weit ist es schon gekommen.
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– Doch, das Gefühl habe ich schon.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen von der Machtpolitik im Innenministerium, in der Regierung zur Sachpolitik zurückgehen. Wir Freie Demokraten wollen Wohnen endlich wieder bezahlbar machen. Was wir dafür brauchen, sind schnellere Verfahren, weniger Bürokratie, mehr Bauland, mehr Effizienz und mehr Kapazitäten der Bauwirtschaft. Wir erreichen das aber nicht mit dem, was Sie verabschieden: immer mehr Wahlgeschenke, immer mehr Regulierung und immer mehr Ankündigungen. Die große Zahl von 1,5 Millionen Wohnungen, die die Große Koalition angekündigt hat, ist nur zu halten, wenn jetzt sofort gehandelt wird. Wir richten aber eine Kommission nach der anderen ein. Die Ergebnisse der Baukostensenkungskommission sind drei Jahre alt. Da ist überhaupt nichts in der Umsetzung.
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Deswegen: Wir müssen schnell Maßnahmen ergreifen. Wir brauchen einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer.
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Wir brauchen auf Dauer ausgelegte Impulse für private Investitionen. Wir brauchen heute mehr Bauland und mehr Fläche, und wir brauchen schnellere Verfahren, weniger Bürokratie. Liebe SPD, wir brauchen mehr Kooperation am Wohnungsmarkt und weniger Konfrontation.
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Nur so geht es. Es gilt, beherzt zu handeln.
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– Ich habe ja keine Probleme mit einem guten Mix. Aber was Sie machen, ist Wohnungsbauverhinderung.
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Allein durch Ihr Umwandlungsverbot treiben Sie kleine Vermieter, die ein hervorragendes Verhältnis zu ihrem Mieter haben, zur Kooperation mit Mietkonzernen, die Sie ja eigentlich nicht wollen. Das ist das Ergebnis Ihres Umwandlungsverbots.
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Wir müssen schneller bauen, wir müssen mehr bauen, und wir müssen günstiger bauen. Nur dann wird das Wohnen wieder bezahlbar. Wir als Freie Demokraten verfolgen dieses Ziel – ich hoffe, Sie als Regierung bald auch.
Vielen Dank.
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Die nächste Rednerin ist die Kollegin Caren Lay, Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Seehofer, seit fünf Jahren regiert diese Koalition aus Union und SPD, und in diesen fünf Jahren sind die Mieten in vielen Städten um über 30 Prozent gestiegen,
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sind Hunderttausende Menschen aus ihren Wohnungen geflogen, erreicht die Wohnungslosigkeit Rekordwerte, und in den Städten haben über 70 Prozent der Leute Angst, ihre Wohnung zu verlieren. Das ist das Ergebnis dieser Koalition, und das ist nun wahrlich keine Erfolgsbilanz.
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Aber jetzt, kurz vor den Wahlen in Hessen und in Bayern, unterbrechen Sie den permanenten Koalitionsknatsch und haben die Wohnungspolitik für sich entdeckt. Das nimmt Ihnen doch wirklich kein Mensch ab.
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Wissen Sie, München ist die teuerste Stadt Deutschlands mit einem Quadratmeterpreis von inzwischen 18 Euro.
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Frankfurt ist die zweitteuerste Stadt mit 14 Euro pro Quadratmeter.
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Erst wenn in den teuersten Städten dieses Landes gewählt wird,
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präsentieren Sie im Kern das, was schon längst im Koalitionsvertrag steht. Das ist doch eine Showveranstaltung, das ist doch ein reines Wahlkampfmanöver auf Kosten des Steuerzahlers, und das lassen wir Ihnen so nicht durchgehen.
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Wissen Sie, es waren 120 Gäste geladen, und unter diesen 120 Gästen war ein einziger Vertreter vom Deutschen Mieterbund, der die Interessen der Mieterinnen und Mieter in sage und schreibe 60 Sekunden präsentieren durfte.
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Dem standen elf Vertreter der Bau- und Immobilienlobby gegenüber. Das zeigt doch den niedrigen Stellenwert, den die Mietenpolitik bei dieser Regierung hat, und das ist ein Skandal.
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Das zeigt einfach auch das grundlegende Missverständnis dieser Koalition: Nicht alles, was gut für die Bau- und Immobilienlobby ist, ist gleichzeitig gut für die Mieterinnen und Mieter. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen dieses Gipfels wider: Steuergeschenke für die Immobilienlobby, aber Brosamen für die Mieterinnen und Mieter. Zwei Beispiele: Das Baukindergeld – wir hatten es hier schon besprochen – subventioniert im Kern den Eigenheimbau auf dem Land, wird aber der Krankenschwester in München nun wahrlich nichts nützen.
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Die Sonder-AfA – ohne Mietobergrenze, die Sie in der letzten Legislatur noch gefordert, aber jetzt nicht beschlossen haben – ist ein teures Geschenk für die Investoren. Das ist teure Klientelpolitik, aber nicht die Antwort auf die soziale Frage in den Städten.
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Dafür, meine Damen und Herren, bräuchte es einen echten Mietendeckel, aber nicht dieses Minireförmchen, das die Regierung jetzt präsentieren wird. Dafür bräuchten wir eine Deckelung vor allen Dingen auch der Altmietverträge und eine Abschaffung der Modernisierungsumlage. Eines will ich auch sagen: Privates Kapital ist auf dem Immobilienmarkt wahrlich genug da. Was wir jetzt brauchen, das ist ein öffentliches Wohnungsprogramm, und zwar nach Wiener Vorbild. Das wäre das Gebot der Stunde.
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Der Deutsche Mieterbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die IG BAU haben sich von den Ergebnissen dieses Wohngipfels distanziert. Sie haben beispielsweise vorgerechnet, dass die – angebliche – Stärkung des sozialen Wohnungsbaus keine ist. Real sollen die Mittel ab dem Jahr 2020 gekürzt werden. Die geplanten 100 000 Sozialwohnungen in dieser Legislatur reichen noch nicht einmal aus, um den Rückgang des Bestands an Sozialwohnungen auszugleichen. Jedes Jahr fallen 50 000 bis 70 000 Sozialwohnungen aus der Bindung. Das heißt, am Ende der Legislatur werden wir weniger statt mehr Sozialwohnungen haben. Das ist alles, aber kein Grund zur Selbstbeweihräucherung.
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Meine Damen und Herren, ich freue mich immer, wenn Sie bei uns abschreiben. Herr Seehofer sagt: Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit. – Stimmt! Zitat aus dem Wahlprogramm der Linken 2013. Herzlichen Glückwunsch und guten Morgen!
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Die SPD hat ein schwaches Gesetz vorgelegt, aber einen guten Zwölf-Punkte-Plan per Presseerklärung, hat einen Mietenstopp gefordert und: Keine Mieterhöhung über der Inflation! – Finde ich auch gut. Auch das ist aus dem Wahlprogramm der Linken 2013.
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Wissen Sie, ich freue mich, wenn Sie bei uns abschreiben, aber ich hoffe, das nächste Mal ein bisschen schneller.
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Meine Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass es einen „Alternativen Wohngipfel“ gegeben hat, eine Kundgebung und eine Petition mit 70 000 Unterschriften. Vielen Dank dafür! Vielen Dank an alle Mieterinitiativen, die sich hier engagiert haben!
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Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist erst der Anfang einer bundesweiten Mietenbewegung. In München sind kürzlich 10 000 Menschen bei #ausspekuliert gegen die Spekulation mit Wohnungen auf die Straße gegangen.
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In Frankfurt am Main gibt es demnächst eine Demo, und es gibt diese wunderbare Initiative „Mietentscheid“, die dafür sorgen will, dass die kommunale Wohnungsbaugesellschaft 100 Prozent Sozialwohnungsbau betreibt und zu bezahlbaren Mieten verpflichtet wird. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Das ist die Hoffnung, die ich habe, und nicht der Wohngipfel dieser Regierung.
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Das Wort hat als Nächstes der Kollege Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition! Wenn Sie solch einen Baugipfel vor fünfeinhalb Jahren gemacht hätten, hätte ich mich hierhingestellt und gesagt: Einige Dinge gehen in die richtige Richtung. – Aber in den letzten fünfeinhalb Jahren ist die Dramatik auf den Wohnungsmärkten eskaliert: 9 Prozent Mietsteigerung in den großen Städten im letzten Jahr! Angesichts dieser Dramatik sind die Ergebnisse Ihres Baugipfels nichts anderes als Augenwischerei, Symbolpolitik und ziemlich mager.
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Eigentlich, Herr Seehofer, war es kein Baugipfel. Es war auch kein Wohnungsgipfel, es war auch kein Mietengipfel. Ja, es war ein Kaffeeklatsch mit der Immobilienwirtschaft. 1,5 Millionen neue Wohnungen, die Sie sich in dieser Wahlperiode vorgenommen haben, werden Sie mit den Maßnahmen nicht erreichen. Sie werden mit diesen Ergebnissen die Bestandsmieten eben nicht im vernünftigen Rahmen halten. Sie werden die Negativspirale beim sozialen Wohnungsbau mit diesen Ergebnissen nicht aufhalten. Deswegen ist dieser Gipfel nichts anderes als eine riesengroße Enttäuschung für die Mieterinnen und Mieter in Deutschland.
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Die Zusammensetzung dieses Gipfels sagt schon alles: Der Deutsche Mieterbund durfte eine Minute sprechen, die Mieterinitiativen wurden vor der Tür stehen gelassen. Die BAG Wohnungslosenhilfe – das sind diejenigen in Deutschland, die sich mit Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit beschäftigen – wurde nicht einmal eingeladen zu diesem Gipfel. Ich halte das für einen sozialpolitischen Skandal angesichts 860 000 wohnungsloser Menschen in Deutschland.
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Ich finde, es reicht an Kommissionen und Gipfeln: Baukostensenkungskommission, wohnungswirtschaftlicher Dialog, Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen, Baulandkommission, Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ und jetzt der Baugipfel. Ich glaube, Sie haben eigentlich kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Ihnen fehlt der politische Wille, sich dieser sozialen Frage wirklich anzunehmen.
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Dieses Verschieben von Politik in den halböffentlichen Raum machen Sie als SPD und Union mit. Gestern wurde die Stunde der Demokratie gefeiert. Aber in Wirklichkeit verschiebt diese Bundesregierung diese zentrale gesellschaftliche Auseinandersetzung in den halböffentlichen Raum, und da machen wir als Grüne nicht mit. Hier im Parlament und im Ausschuss müssen die Debatten stattfinden.
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Ich habe schon gesagt: Die Mieten sind im Durchschnitt um 9 Prozent gestiegen. Leider ist es so: Der Teich war 1 Meter tief, und trotzdem ist die Kuh am Ende ertrunken. Von dieser Steigerung um 9 Prozent sind Menschen betroffen, die keine Wohnung mehr finden, die raussaniert werden, die ihre Heimat und ihr Zuhause verlieren. Das ist von uns in der Politik nicht länger hinzunehmen, wenn wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht aufs Spiel setzen wollen.
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Ihre Ergebnisse sind nicht nur mager, sie produzieren auch viel zu viel Falsches, und zwar unsinnige Maßnahmen und völlig falsche Instrumente. Ich verstehe nicht, dass die SPD weiterhin das Baukindergeld abfeiert. Es ist ein falsches Instrument. Es heizt die Wohnungsmärkte weiter an. Es produziert Mitnahmeeffekte. Am Ende wird damit noch die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen hier in Berlin und in anderen Städten subventioniert, und das mit 10 Milliarden Euro. Das ist ein wohnungspolitischer Skandal und nicht länger hinnehmbar.
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Hier feiern Sie sich, Herr Seehofer, als Garant des sozialen Wohnungsbaus. In der mittelfristigen Finanzplanung werden die Mittel für den sozialen Wohnungsbau in den Jahren 2020 und 2021 um 0,5 Milliarden Euro wieder gekürzt. Wie passt das zusammen? Einmal sagt man, man wolle Planungssicherheit herstellen für diejenigen, die Wohnungsbau schaffen wollen, und dann kürzen Sie die Mittel wieder. Ich finde, das geht so nicht. Es ist klar, der soziale Wohnungsbau braucht langfristig eine Perspektive und nicht eine Kürzung in den Jahren 2020 und 2021.
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Billig bauen heißt auch nicht billig mieten. Auch das muss man sagen. Deswegen ist diese Sonderabschreibung so falsch; denn am Ende braucht es eine Mietbindung dafür, dass der Staat der Wohnungswirtschaft Geld gibt. Dass man der Wohnungswirtschaft jetzt einfach ein Geschenk präsentiert, ohne eine Gegenleistung zu bekommen, zeigt doch wirklich, dass dieser Baugipfel mit seiner Zusammensetzung am Ende genau dazu geführt hat, die Interessen der Immobilien- und Wohnungswirtschaft zu vertreten, aber nicht die der Mieterinnen und Mieter.
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Herr Seehofer, dass Sie sich nicht getraut haben, zu den Mieterinitiativen am Kanzleramt rauszugehen und die Unterschriften entgegenzunehmen, finde ich ein Armutszeugnis. Ich finde es aller Ehren wert, dass Frau Barley rausgekommen ist und diese Unterschriften und die Forderung des alternativen Wohnungsgipfels entgegengenommen hat. Aber es ist in dieser Frage leider wie so oft: Die Union duckt sich weg. Sie war weder beim „Alternativen Wohngipfel“, noch kam sie raus zu den Mieterinitiativen. Bei ganz vielen Geschichten, die wir hier in Berlin machen, bei denen es sozusagen um soziale Fragen des Wohnens geht, ist oft niemand von der Union da. Ich finde, das müssen Sie dringend ändern, wenn Sie bei dieser Frage wirklich sprechfähig sein wollen.
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Herr Seehofer, als Innenminister irrlichtern Sie rum. Als Bauminister, finde ich, sind Sie ein Totalausfall. Sie können bei dem Thema viel mehr leisten, aber es passiert einfach nichts. Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD: Kämpfen Sie endlich für eine Mietpreisbremse, die nicht ausläuft; das ist meine Erwartung. Kämpfen Sie endlich für eine Wohngelderhöhung – nicht im Jahr 2020, sondern bereits in diesem Haushalt. Lassen Sie uns jetzt in den sozialen Wohnungsbau investieren und nicht weiter Mittel streichen.
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Setzen Sie sich für Ihre zwölf Punkte endlich ein, und zwar nicht nur im Wahlkampf in Hessen und in Bayern, sondern endlich auch in der Koalition und hier im Deutschen Bundestag.
Danke schön.
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Der Kollege Kai Wegner hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt hat jede Opposition einmal gesprochen. Ich habe gelernt, dass die FDP eine „Serviceopposition“ ist, nur der Service hat mir noch ein Stück weit gefehlt.
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Ich kann auch, lieber Herr Kühn, liebe Frau Lay, Ihre reflexartigen Reaktionen als Opposition auf Regierungshandeln durchaus nachvollziehen. Ich frage mich nur ernsthaft, welche Worte in Ihren Reden irgendeiner Mieterin, irgendeinem Mieter in diesem Land etwas gebracht haben.
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Wo sind eigentlich Ihre konkreten Gegenvorschläge, die mehr sind, als sich auf alternative Wohngipfel zu berufen? Wo sind eigentlich Ihre konkreten Vorschläge, wenn man einfach nur Regierungshandlungen dieser Koalition schlechtredet?
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Ich finde, auch das ist ein Armutszeugnis hinsichtlich der Brisanz des Themas „Wohnen in diesem Land“, meine Damen und Herren.
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Ja, das Thema Wohnen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ja, es gibt viele Menschen, die Angst vor Verdrängung haben. Wir haben nicht nur angespannte, sondern überhitzte Märkte in unserem Land. Und ja, wir haben den ländlichen Raum, wo wir Landflucht und sehr viel Leerstand feststellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, die Bundesregierung hat letzten Freitag mit dem Wohngipfel deutlich gemacht, dass wir uns entschlossen dieser Herausforderung stellen werden und an Lösungen für die Menschen arbeiten. Das werden wir unter Beweis stellen.
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Für uns, auch für mich ganz persönlich – ich komme aus Berlin; den Eindruck habe ich immer in Berlin –, ist klar: Man kann natürlich politisch den Mangel verwalten. Aber ich glaube, den Mangel in der Wohnungspolitik sollten wir nicht verwalten, liebe Kolleginnen und Kollegen, den sollten wir schnellstmöglich beseitigen.
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Das ist der Anspruch, den wir mit unserer Wohnungspolitik haben. Ich kann nur alle dazu aufrufen, dabei mitzumachen.
Ich habe schon wieder so manche Reden allgemein gegen die Wohnungswirtschaft, allgemein gegen die Bauwirtschaft gehört, die viele Menschen, die redlich arbeiten, an den Pranger stellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir 1,5 Millionen neue Wohnungen bauen wollen, brauchen wir die Wohnungswirtschaft, brauchen wir die Bauwirtschaft als Partner und nicht als Gegner, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch das sollten wir uns sehr zu Herzen nehmen.
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Es gibt auch nicht nur die eine Maßnahme, um dieser Herausforderung gerecht zu werden, sondern wir brauchen einen breiten Instrumentenmix. Deswegen begrüße ich, dass dieser Wohngipfel und auch der Koalitionsvertrag deutlich machen, dass diese Koalition eines der umfangreichsten Maßnahmenpakete für den Wohnungsbau auf den Weg gebracht hat.
Ich will Ihnen gerade bei den investiven Maßnahmen, lieber Herr Kollege Föst, ein paar Punkte nennen, bei denen ich stolz darauf bin, dass wir die umgesetzt haben, die übrigens so konkret noch gar nicht im Koalitionsvertrag stehen. Wir haben zum Beispiel bei der sozialen Wohnraumförderung deutlich die Mittel erhöht. Wir nehmen in dieser Legislaturperiode 5 Milliarden Euro in die Hand. Die Tatsache, dass wir sicherstellen müssen, dass die Länder diese Mittel für die soziale Wohnraumförderung endlich in die Hand nehmen, ist ein richtiges Zeichen dieser Koalition und der Bundesregierung.
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Auch das Baukindergeld gehört zu diesem breiten Mix, den wir brauchen. Denn natürlich müssen wir auch Eigentum fördern, weil das wieder Mietwohnungen freizieht; auch das gehört zur Wahrheit. Hören Sie doch auf mit Ihren ideologischen Scheuklappen an dieser Stelle.
Auch die steuerlichen Investitionsanreize sind wichtig, weil wir schnellstmöglich Wohnungsneubau brauchen; denn das Problem besteht heute. Was Sie uns vielleicht vorwerfen können, Herr Kühn, ist, dass wir es zu spät machen. Ja, das können Sie uns vielleicht vorwerfen. Aber: Diese Regierung ist seit sechs Monaten im Amt.
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Dieser Bauminister ist seit sechs Monaten im Amt, und dieser Bauminister setzt mit der Koalition alles in Bewegung, dass wir den Wohnungsbau nach vorne bringen. Ich finde, das ist jetzt auch einmal anzuerkennen.
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Zur Sonder-AfA – das will ich an dieser Stelle auch sagen –: Ich bin froh, dass das, was jetzt im Kabinett beschlossen wurde, schon deutlich besser ist als der Referentenentwurf. Ich sage aber auch: Wir werden im parlamentarischen Verfahren genau darauf achten, dass die Breitenwirkung, die wir uns erhoffen, für mehr Wohnungsbau auch im freifinanzierten Bereich deutlich zur Geltung kommt. Eventuell müssen wir da an der einen oder anderen Stelle noch einmal nachbessern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben die Baulandmobilisierungskommission eingesetzt;
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auch das ist ein richtiger und wichtiger Punkt. Wir brauchen mehr Bauland in Deutschland. Eins ist auch klar – das sehen wir schon heute –: Allein über Nachverdichtung und Dachgeschossausbau wird uns die Bewältigung dieser Herausforderung nicht gelingen. Wir brauchen neues Bauland. Wir brauchen die Entwicklung neuer Stadtteile, und wir müssen auch den Kommunen Mut machen, neue Stadtteile zu entwickeln. Auch das werden wir als Große Koalition anpacken.
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Es geht auch um Baulandpreise. Liebe Frau Lay, Sie tragen in Berlin Verantwortung. Allein in Berlin sind die Baulandpreise im letzten Jahr um 77 Prozent gestiegen. Auch das ist ein Beispiel Ihrer falschen Politik. Hier setzen wir mit unserer Baulandkommission an. Wir werden den Investoren preiswertes Bauland zur Verfügung stellen. Denn: Wer bezahlbare Mieten will, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss auch bezahlbar bauen. Auch das gehört zur Wahrheit.
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Herr Kollege, die Redezeit ist vorbei.
Wir werden für faire und verlässliche Rahmenbedingungen sorgen, wir werden Anreize für mehr Bautätigkeit setzen, wir werden auf einfache und schlanke Genehmigungsverfahren hinwirken, und wir werden für mehr Bauland sorgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ein letzter Wunsch an die Länder: Wir haben in Deutschland 16 Landesbauordnungen –
Herr Kollege, bitte, Sie sind jetzt am Ende der Redezeit.
– lieber Herr Präsident –, ich meine, das sind 15 zu viel. Wir arbeiten daran: mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland.
Herzlichen Dank.
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Der nächste Redner ist der Kollege Frank Magnitz für die AfD-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Zuschauer! Als Erstes möchte ich doch noch ein Wort zum Kollegen Wegner sagen: Ich muss da deutlich widersprechen. Es sind nicht erst sechs Monate, die diese Regierung Zeit hatte, irgendetwas zum Besseren zu wenden. Sie arbeiten seit 2013 in ähnlicher Konstellation.
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Also, bitte sehr: Sie hatten Zeit und Gelegenheit genug.
Zum eigentlichen Thema: der Wohnungsgipfel. Von seinen Machern sogleich über den grünen Klee gelobt als historisch und bahnbrechend. Mein Kollege Hemmelgarn hat schon in aller Deutlichkeit auf die eigentliche Ursache der Krise, die jahre- und jahrzehntelange Untätigkeit – auch darauf habe ich eben gerade hingewiesen – der Regierungen der letzten, ich sage mal, 12 bis 20 Jahre, hingewiesen. Offensichtlich führt die Bundesregierung diese lieb gewordene Tradition nahtlos fort. Aber im Einzelnen.
Erstens. Die Sonderabschreibungen: 5 Prozent auf vier Jahre zusätzliche Abschreibungsmöglichkeit. Das könnte man wohl größtenteils direkt an die Baustoffindustrie und die ausführenden Unternehmen überweisen; denn der ohnehin schon überhitzte Markt wird diese zusätzlichen Anreize begeistert aufsaugen und in die nächste Preissteigerungsrunde einpreisen.
Zweitens. Stärkung des sozialen Wohnungsbaus von 2018 bis 2021. Ziel: 100 000 zusätzliche Wohnungen. Ganz vergessen wird dabei, dass im gleichen Zeitraum 200 000 Bestandswohnungen aus der Sozialbindung fallen, also eine Negativbilanz von 100 000 Wohnungen.
Frage: Wie ist die zusätzliche Bauleistung zu erreichen, wo wir schon jetzt einen Bauüberhang von 600 000 Wohnungen haben? Planungskapazitäten auf allen beteiligten Ebenen sind nicht vorhanden. Die Ballungszentren platzen aus allen Nähten ohne Aussicht auf erschließbare Bauflächen. Und eins müssen wir auch wissen: Vom Beginn baurechtlicher Planungen bis zur Bezugsfertigkeit vergehen sieben bis zehn Jahre. Also das, was Sie heute planen, ist irgendwann mal, 2030, bezugsfertig.
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Wir suchen und brauchen Lösungen aber kurzfristig. Das heißt: jetzt.
Seit Beginn der Freizügigkeit 2011 wird in unglaublichem Umfang in unsere Sozialsysteme eingewandert,
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was auch den Wohnungsmarkt belastet. Der massive Zuzug und die Duldung nicht aufenthaltsberechtigter Personen nach Genfer Konvention, nach Artikel 16a Grundgesetz und dem Dublin-Abkommen – wir reden hier von mindestens 1,8 Millionen Menschen – hat die Situation endgültig eskalieren lassen.
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Die einzig mögliche Lösung ist konsequente Remigration aller Nichtaufenthaltsberechtigter. Und wir müssen weg von starrer Objektförderung, hin zu flexibler, und zwar sofort einsetzbarer Subjektförderung.
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Das heißt, es erfordert eine Anpassung und Ausweitung des Wohngeldes nicht erst in 2020, sondern jetzt und sofort. Schnell und einfach umzusetzen ist auch die Streichung der Grundsteuer. Der Mietmarkt wird sofort um 13 Milliarden Euro entlastet. Tun Sie doch das!
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Seit Jahrzehnten immer wieder gern bespielt: Klimaschutz und Energieeffizienz. Da feiert sich die Ersatzreligion der Klimagläubigen. Ohne jeden wissenschaftlichen Nachweis wird der Klimawandel als menschengemacht vorausgesetzt.
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Mit wahnwitzigen Dämmprogrammen wird versucht, Fantasieziele, „Klimaschutzplan 2050“ genannt, zu erreichen. Entrümpeln Sie unser Baurecht von diesen unsinnigen, teuren Maßnahmen, und führen Sie das Ganze auf ein vernünftiges Maß zurück –
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zum Wohle aller, denn das spart an der richtigen Stelle und wirkt sofort.
„Baukindergeld“ hört sich erst mal wunderbar an. Aber wird damit das Bauen am Ort des Bedarfs angeregt? Wir haben in der Fläche schon jetzt einen Leerstand von 1,9 Millionen Wohnungen. Wenn nur der Mitnahmeeffekt negativ zu bewerten wäre! Entscheidend ist aber, dass wegen der vielen strukturellen Defizite des gesamten Bausektors davon auszugehen ist, dass das Baukindergeld schlicht und einfach eingepreist, also an die Bauwirtschaft durchgereicht wird. Eine weitgehende Reduzierung der Grunderwerbsteuer wäre ein weitaus wirksameres Mittel, unterschiedliches Preisniveau auszugleichen und sofort zum Zeitpunkt des entstehenden Finanzbedarfs kostensenkend zu wirken.
Der beste Mieterschutz, meine Damen und Herren auf der linken Seite des Plenums, ist Ausgewogenheit und Rechtssicherheit für beide Seiten – Mieter wie Vermieter. Etwa 60 Prozent aller Mietwohnungen werden heute noch von privaten Vermietern angeboten. Deren Anteil ist aber seit Jahren rückläufig – aus gutem Grund. Unter anderem liegt das an der de facto erfolgenden Teilenteignung durch rückwirkende Mietrechtsänderungen und durch einseitige Rechtsprechung, die es in keinem anderen juristischen Bereich in dieser Form gibt. Letztlich ausschlaggebend dürfte aber wohl sein, dass nahezu zwei Drittel aller privaten Vermieter betriebswirtschaftliche Verluste einfahren. Diese Selbstausbeutung trägt allerdings erfreulich deutlich zur Entspannung des Marktes bei.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss bitte.
Ja, ich bin gleich fertig. – Insgesamt wird der Mietmarkt aber immer stärker dominiert von international agierenden Renten-, Hedge- und sonstigen Heuschreckenfonds. Diese Entwicklung wurde hervorgerufen und begünstigt durch die massive Veräußerung kommunalen Wohnraums. Dabei taten sich alle SPD-regierten Länder und Städte besonders unrühmlich hervor.
Damit schließe ich. Danke.
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Der Kollege Sören Bartol hat das Wort für die SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Freitag hat der Wohngipfel der Bundesregierung stattgefunden. Gemeinsam mit den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden, den Mitgliedern des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen wurde dort ein Maßnahmenbündel für mehr bezahlbaren Wohnraum und für mehr Mieterschutz beschlossen.
Wie Sie vielleicht mitbekommen haben, wurde der Gipfel schon im Vorfeld für die Dominanz der Immobilienwirtschaft gegenüber den Mieterschutzverbänden heftig kritisiert. Es wurde sogar von einem Lobbygipfel gesprochen. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen: Die Kritik war schon ein bisschen berechtigt; denn der Mieterbund stand circa 15 Verbänden der Immobilienwirtschaft gegenüber. Parität sieht anders aus.
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Umso mehr freue ich mich, dass wir es geschafft haben, wegweisende Maßnahmen in das Beschlusspapier des Gipfels einzubringen und zu zeigen: Die SPD ist auch eine Lobby, mit der man rechnen muss,
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und zwar für mehr Gerechtigkeit, Solidarität und hier ganz konkret für bezahlbares Wohnen und Mieterschutz.
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An die Kolleginnen und Kollegen gewandt, die links von uns sitzen und die kein gutes Haar an den Ergebnissen dieses Gipfels lassen, sage ich ganz klar: Danken Sie uns doch einfach einmal. Danken Sie uns; denn ohne die SPD und vor allen Dingen ihre Daueroppositionshaltung
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wäre sicher keine Verlängerung des Betrachtungszeitraums beim Mietspiegel beschlossen worden, ganz zu schweigen von der Zusage, dass diese Bundesregierung den Anstieg der Mietpreise dämpfen will, und das – Achtung – auch bei Bestandsmieten.
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Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Riesenerfolg, dem jetzt schnell gesetzgeberisches Handeln folgen muss. In unseren Augen ist das der erste Schritt zum Mietpreisstopp, den Andrea Nahles und Thorsten Schäfer-Gümbel gefordert haben. Ein solcher Mietpreisstopp sieht vor, dass Bestandsmieten und Mieten bei Neuvermietungen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten für fünf Jahre nur in Höhe der Inflation steigen dürfen. Das wäre eine Atempause für die Mieter in Deutschland,
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die in den letzten Jahren mit ansehen mussten, wie die Miete einen immer größeren Teil ihres Einkommens verschlingt.
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Dank der mutigen Forderungen nach einem Mietpreisstopp beschäftigen wir uns jetzt endlich auch mit dem exorbitanten Anstieg bei Bestandsmieten. Ich kann da nur eine Aufforderung an alle, auch an unseren Koalitionspartner, richten: Wir müssen jetzt gemeinsam die Vereinbarung dieses Wohngipfels schnell umsetzen.
Aber es gibt auch noch weitere Erfolge: Die Verdrängung von Mietern erfolgt häufig durch Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen. Wir haben beschlossen, solche Umwandlungen in stark nachgefragten Gebieten erheblich einzuschränken. Beim sozialen Wohnungsbau sollen die Länder künftig durch ihre Förderprogramme besonders die Schaffung von neuem Wohnraum mit langfristigen Sozialbindungen unterstützen. Nur über lange Sozialbindungen können auch langfristig günstige Mieten garantiert werden. Um die Transparenz zu verbessern, welche Flächen bebaut werden können, aber nicht genutzt werden, wird jetzt ein Flächenmonitoring eingeführt – auch ein echter Erfolg.
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Das sind doch alles Schritte in die richtige Richtung, die es – das sage ich auch einmal ganz selbstbewusst; auch in Richtung der Grünen – ohne das Zwölf-Punkte-Papier von Thorsten Schäfer-Gümbel und Andrea Nahles so nicht gegeben hätte.
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Am Ende ist es einfach so: Natürlich braucht es noch mehr, um eine echte Mietenwende zu schaffen.
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An dieser Stelle sage ich auch: Wir brauchen den Mietpreisstopp. Vielleicht auch noch einmal an die Kollegen von der FDP, weil es ja immer so schön ist: Ich glaube, wir müssen endlich diese ideologisch aufgeladene Debatte „Markt gegen Staat“ hinter uns lassen.
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– Nein, das tun wir doch eben nicht. Ihr habt es einfach nur nicht verstanden. Ihr braucht einen Mix von beiden Maßnahmen. Ihr wollt immer nur sagen: Entlastet bei der Grunderwerbsteuer, dann wird alles gut. – Nein, du musst dort, wo die Hütte brennt, wo Menschen Angst haben, aus ihren Wohnungen verdrängt zu werden, zu einem Stopp kommen.
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Du brauchst diesen Stopp. Ansonsten haben die Leute Existenzangst. Ihr habt einfach keine Ahnung bei der FDP, weil ihr euch mit den falschen Leuten unterhaltet.
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Deswegen sage ich an dieser Stelle auch ganz klar: Wir brauchen einen neuen Sozialpakt zwischen öffentlicher Hand und Immobilieneigentümern. Wer im Interesse der Mieterinnen und Mieter baut und nicht nur für den eigenen Profit, der soll vom Staat unterstützt werden. Auf diesem Wege soll auch ein breites und räumlich verteiltes Angebot von dauerhaft belegungs- und mietpreisgebundenen Wohnungen entstehen. Aber – ich sage das hier noch einmal, weil es so ein bisschen vorwärtsgeht – ich glaube, am Ende können wir nicht erwarten, dass Verbände irgendwelche Lösungen für das Problem haben, sondern am Ende ist klar: Wir müssen jetzt die Ergebnisse dieses Wohngipfels, die klar formuliert sind, die ohne Prüfaufträge da drinstehen, gemeinsam umsetzen, damit wir Schritt für Schritt zu einer echten Mietwende kommen. Ich kann auch die Opposition nur auffordern: Machen Sie dabei mit. Das Erste wäre zum Beispiel eine schnelle Grundgesetzänderung.
Vielen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Karsten Möring.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diagnostizieren im Wohnungsmarkt eine Unterversorgung. Unterversorgung ist eine Form von Krankheit, die eine Therapie verlangt. Welche Therapie wirkt bei Unterversorgung? Die Unterversorgung heben wir auf, indem wir bauen.
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Wir haben die Unterversorgung in einigen Segmenten, bei bestimmten Wohnungen. Wir haben die Unterversorgung in bestimmten Gegenden, weil dort eine hohe Nachfrage und ein geringes Angebot vorhanden sind. Aber wir lösen dieses Problem, wir heilen diesen Prozess nur, wenn wir denjenigen genügend Raum zum Wohnen zur Verfügung stellen, die ihn brauchen und bezahlen können.
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Wie bei jeder Therapie, braucht es eine gewisse Zeit, bis die Heilung eingesetzt hat. Für die Zwischenzeit braucht es Hilfsmittel. Ein solches Hilfsmittel haben wir beispielsweise mit unserem Mietrecht. Das ist die Krücke, die dem Markt zum Gehen verhilft, bis er alleine gehen kann. Wir brauchen den „Mietstopp“, wir brauchen ein Mietrecht, das die Mietsteigerung für diese Zeit begrenzt.
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Ich habe vorhin auch die Formulierung vernommen, wir brauchen dieses für eine gewisse Zeit. Es kann nicht das Ziel sein, Mietstopp oder Mieterhöhungen durch regulatorische Maßnahmen zu erreichen, sondern wir müssen dazu kommen, dass wir ein Angebot haben, das diese Regelung überflüssig macht. Das ist unser politisches Ziel. Das äußert sich in dem Punkt, dass wir sagen: Wir wollen in dieser Wahlperiode 1,5 Millionen Wohnungen bauen.
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Wir sagen das als Bund, und dabei ist völlig klar: Der Bund baut nicht selber. Was ist aber unsere Rolle dabei? Wir stellen Rahmenbedingungen zur Verfügung, die das Bauen fördern. Wir stellen rechtliche Regelungen zur Verfügung, die das Bauen möglichst preiswert machen und trotzdem die Notwendigkeiten, zum Beispiel von Klimaschutz, nicht aus dem Auge verlieren. Es geht nur im Zusammenwirken. Wir wollen nicht Mangel verwalten, wir wollen Mangel beseitigen. Das ist unser Ziel. Das Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren der verschiedenen Ebenen ist dafür elementar wichtig. Die Rolle des Bundes habe ich eben genannt.
Der Wohngipfel hat ein breites Instrumentarium benannt, geregelt. Wir werden es verabschieden. Ich brauche nicht alle aufzuzählen. Wir müssen im Bereich des Baurechts, beim Wohnungsgeld, bei der sozialen Wohnraumförderung, beim Mietrecht all diese Instrumente nutzen. Es ist unsere Aufgabe als Bund, diese bereitzustellen.
Dann brauchen wir die Länder. Die Länder müssen die Sozialbaumittel, die wir bereitstellen, auch weitergeben und konkret umsetzen. Dafür machen wir jetzt eine Grundgesetzänderung. Früher haben wir das den Ländern übergeben. Bis auf wenige wurde das Geld auch für andere sinnvolle Zwecke verwendet, aber nicht für den Wohnungsbau. Das beenden wir auf diese Weise. Die Länder haben aber auch noch die Möglichkeit, Baukosten zu beeinflussen, indem sie tatsächlich ihre Bauordnungen so aneinander anpassen – ich will gar nicht sagen, zu einer zu kommen; das ist eine Wunschvorstellung –, dass man bundeslandgrenzenübergreifend bauen kann, ohne ständig neue Regeln beachten zu müssen und damit Bauen unnötig zu verteuern.
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Die Kommune muss dafür sorgen, dass Bauland bereitsteht. Sie muss dafür sorgen, dass die Genehmigungsprozesse ausreichend schnell gehen. Vielleicht noch ein Satz in dem Kontext – ich weiß nicht, wer es gesagt hat –, Baukindergeld überhitzt die Konjunktur. Liebe Freunde, alles Geld, das wir in die Bauwirtschaft stecken, ob für den sozialen Wohnungsbau, das Baukindergeld oder für sonst etwas, soll zu Baumaßnahmen führen und damit zu Aufträgen, die die Bauwirtschaft umsetzt. Da kann man nicht sagen, das eine ist schlecht, weil es zur Überhitzung beiträgt, das andere aber nicht, weil wir die Wohnungen brauchen. Wir haben ein breites Bündel an Maßnahmen, das ist dabei entscheidend.
Noch einmal zurück zur Kommune. In Köln wurde gerade bemängelt, die Kirche wollte 632 Wohnungen bauen, verteilt über die ganze Stadt. Man hat es innerhalb eines Jahres nicht geschafft, die entsprechenden Genehmigungen zu bekommen. Warum? Weil die Kommunen Schwierigkeiten haben, dass ihre Bauämter nachkommen. In Köln läuft aber auch das Pilotprojekt der digitalen Bauakte. Das sind Instrumente, die wir viel stärker brauchen, um solche Prozesse zu beschleunigen. Das ist ausgesprochen wichtig.
Ich schließe mit einem kleinen Hinweis: Im Jahr 1961 hat der frühere Kölner Oberbürgermeister und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer die sechsmillionste neugebaute Wohnung nach dem Krieg übergeben.
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Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, was damals möglich war, ist dasselbe wie das, was wir heute möglich machen müssen. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn wir das, was damals gelungen ist, heute, unter viel besseren Umständen und mit viel mehr Geld, das wir zur Verfügung haben, nicht auch schaffen. Deswegen: Machen wir es zusammen! Dann erreichen wir auch dieses Ziel und entspannen die Wohnungsmärkte.
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Nächster Redner für die SPD-Fraktion der Kollege Bernhard Daldrup.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin fest davon überzeugt, dass sich der Wohngipfel allen Unkenrufen zum Trotz als Erfolg erweisen wird. Chris Kühn, ich weiß auch, warum: erstens, weil der Wohnungsgipfel in vielen Punkten sehr konkret geworden ist, und zweitens, weil es parteiübergreifend die Erkenntnis gibt, dass wir es auf den Wohnungsmärkten insgesamt mit einem Marktversagen zu tun haben, das gesellschaftliches und politisches Handeln nötig macht. Ich bin dem Kollegen Möring außerordentlich dankbar dafür, dass er das gerade bestätigt hat. Denn es geht ja bei einem Thema wie dem Mietenstopp nicht um irgendeine sozialistische Keule oder Ähnliches, sondern um eine vernünftige ordnungspolitische Maßnahme an überhitzten Märkten, mit der man temporär Entlastung für betroffene Mieterinnen und Mieter schafft. Und wenn dieser Markt entlastet ist, dann hört das wieder auf. Dafür, dass Sie es so verstanden haben, wie wir es beschrieben haben, bedanke ich mich ausdrücklich; denn das ist Konsens zwischen uns.
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Das ist ein Stück weit der Unterschied. Ich habe Herrn Föst und anderen zugehört, und da gibt es immer noch den Glauben an die faktenersetzende Kraft der Phraseologie. Sie wirkt aber nicht. Wir wissen: Es muss sich konkret etwas tun. Darum, glaube ich, besteht die Notwendigkeit, einen solchen Wohnungsgipfel durchzuführen, nicht nur wegen der Tatsache, dass mehr gebaut werden muss, dass Mieterinnen und Mieter geschützt werden müssen, sondern auch, weil es eine sozialpolitische Kernaufgabe ist; denn durch galoppierende Mieten und alles, was damit zusammenhängt und hier geschildert worden ist, errichten wir neue Stadtmauern in den Städten, produzieren wir sozialen Sprengstoff, und das geht nicht. Wohlstand für alle, wie es Ludwig Erhard einmal gesagt hat, gibt es nicht, wenn es nicht bezahlbaren Wohnraum für alle gibt. Ihn zu schaffen, ist eine wichtige Aufgabe.
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Das schafft auch staatliche Politik nicht alleine. Der Minister hat ganz zu Anfang gesagt: 13 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode für sozialen Wohnungsbau, Baukindergeld, Städtebauförderung. Mehr Geld, jedenfalls innerhalb eines solchen Zeitraums, gab es nie. Und trotzdem gab es einen Wohnungsgipfel, mit dem man eigentlich das getan hat, was man seit 1967 von Karl Schiller kennt: Man hat eine konzertierte Aktion gemacht, weil der Staat es alleine nicht schafft und man deshalb alle Akteure – so wie er es seinerzeit gesagt hat – an den „Runden Tisch der kollektiven Vernunft“ holen muss. Was, bitte schön, ist daran zum gegenwärtigen Zeitpunkt eigentlich falsch?
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Gar nichts. Und es ist doch in der letzten Wahlperiode – Barbara Hendricks sehe ich hier – massiv angefangen worden, etwas für den sozialen Wohnungsbau zu tun.
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Es soll hier doch keiner mit dem Vorwurf kommen, es wäre nichts gemacht worden. Lügen Sie sich doch nicht selber in die Tasche! Das ist nicht der Fall.
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Es gibt ein komplexes Bündel – das nennt sich Wohnraumoffensive – mit der Zielsetzung, 1,5 Millionen neue Wohnungen zu schaffen. Ich nehme für uns, die Sozialdemokraten, in Anspruch, dass wir kräftig daran mitgewirkt haben, dass es dazu kommt und wir dabei eher die Mieterinnen und Mieter in den Blick nehmen. Ich glaube, es wäre auch ganz gut, wenn Frau Kramp-Karrenbauer das erkennen würde. Das, was wir einbringen, ist nämlich nicht Sozialpopulismus, sondern entspricht unserer Erwartung einer Sozialpflicht des Eigentums. Es ist notwendig und richtig so – das glaube ich jedenfalls zutiefst.
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Dieser Wohnungsgipfel hat eine ganze Menge Arbeit verlangt. Ich bin froh, dass Staatssekretär Adler dabei war und auch zukünftig dabei bleibt, Herr Minister,
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und wir uns nicht um rechtspopulistische Fragestellungen kümmern. Ich weiß, dass es Kritik gibt; aber ich sage mal denjenigen, die es kritisiert haben: Guckt doch mal in die Stellungnahme der Konferenz der Bauminister aller Bundesländer! Da seid ihr alle dabei – alle verantwortungsvollen Parteien, die in diesem Haus vertreten sind. Die Konferenz begrüßt außerordentlich, was wir da an ganz unterschiedlichen Stellen gemacht haben.
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Das kann man an dieser Stelle einmal sagen; denn es ist eine wichtige Tatsache. Durch die gewaltigen investiven Mittel und die steuerliche Förderung werden wir den Wohnungsbau massiv unterstützen.
Aber der Wohngipfel – das ist eben angesprochen worden – geht darüber hinaus. Als Beispiele nenne ich: Dämpfung der Mietpreisentwicklung, auch bei Bestandsmieten, Verlängerung des Referenzzeitraums beim Mietspiegel, Senkung der Maklerkosten – es geht also in Richtung Bestellerprinzip –, Wohngeldreform, Erschwernis bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, Werkswohnungsbau – das muss man sich einmal vorstellen, dafür wäre man früher wahrscheinlich massiv kritisiert worden –, Verbesserung der Wohnungsbauprämie und Unterstützung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften. Ja, da will mir einer erzählen, das wäre alles nichts?
Aber wir müssen diese Vorhaben auch tatsächlich umsetzen. Sie sind konkret vereinbart. Das ist ja der Sinn dieses Gipfels gewesen, nicht sozusagen bunte Erklärungen abzugeben, sondern konkrete Sachverhalte zu verabreden, und das genau ist passiert.
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Das ist also eine sehr vernünftige Sache.
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Ich will an dieser Stelle sagen: Ich kann die Leier von der Grunderwerbsteuer nicht mehr hören. Macht das dort, wo ihr es versprochen habt!
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Macht es einfach, bevor ihr immer wieder den Ball in Richtung Bund spielt. Dann werden wir uns darum kümmern, genauso wie wir uns um die Share Deals – eine Entwicklung, die überhaupt nicht akzeptabel ist – und einige andere Sachen mehr.
Wir flankieren das Ganze, und zwar in zweierlei Richtung: erstens über die Bodenkommission, zweitens über die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“; denn – es wurde richtig gesagt – es geht nicht nur um die Hotspots, sondern es geht auch um die ländlichen Räume, es geht um die gleichen Chancen für alle Menschen in Deutschland. Dafür brauchen wir gleichwertige Lebensbedingungen, und darum kümmern wir uns.
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Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Mein letzter Satz, Herr Präsident. – Im Übrigen kümmern wir uns darum, indem wir heute im Bauausschuss beschlossen haben, dass wir vierteljährliche Berichterstattung in diesem Ausschuss wollen. Wir wollen Controlling im besten Sinne. Steuerung und Kontrolle, das werden wir schaffen.
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– Genau, das machen wir durch den Staatssekretär Adler. Dann ist die Qualität gesichert.
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Ich danke Ihnen, Herr Minister, und Ihnen allen auch. Schönen Tag!
Das Wort hat jetzt die Kollegin Mechthild Heil von der CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht Arbeit etwa oder Rente, nein, „Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit.“ Dieser Satz hat in den letzten Monaten wirklich eine steile Karriere gemacht, auch heute haben wir ihn ein paarmal gehört. Und an dem Satz – das muss ich ehrlich sagen – ist natürlich etwas Wahres dran, aber mit diesem Satz ist noch längst nicht alles gesagt. Wohnen ist doch viel mehr. Wohnen ist das Urbedürfnis von uns Menschen, zu Hause zu sein, Heimat zu fühlen, Schutz zu haben, sich treffen zu können. Wohnen ist eine wichtige gesellschaftliche Frage, es ist eine wichtige wirtschaftliche Frage, und natürlich ist es auch eine kulturelle Frage.
Es ist daher zwar richtig, beim Thema Wohnen auf den sozialen Aspekt, wie Die Linke das gemacht hat, und auf die hohen Wohnkosten in den Ballungsgebieten zu schauen, aber das alleine reicht nicht aus; denn nicht überall in Deutschland herrscht Wohnungsmangel. In einigen Regionen gibt es sogar erheblichen Leerstand. Die Menschen gehen dorthin, wo es attraktive Angebote gibt: Angebote für die Ausbildung, für den Arbeitsplatz, für Kitas, für Schulen, für ein breites Freizeitangebot oder auch ein Kulturangebot. Wenn aber die Regionen mit Wohnungsleerstand nur 20 Kilometer vom Ballungsgebiet mit explodierenden Mieten entfernt sind, dann müssen wir uns doch fragen: Woran liegt das? In der Antwort auf diese Frage liegt ein Teil der Lösung für „ die soziale Frage unserer Zeit“.
Die ländlichen Räume spielen beim Thema Wohnen eine wichtige Rolle. Es geht – Herr Daldrup hat es eben gesagt – um gleichwertige Lebensverhältnisse in Berlin wie in Berlichingen. Das ist unsere Aufgabe. Es geht um ein faires Miteinander der Regionen zum Wohle aller. Ländliche Räume brauchen starke Zentren, und die Ballungsgebiete haben ihrerseits ein großes, ein vitales Interesse an lebendigen Entwicklungen der Räume um sie herum.
Ich kann das auch ganz einfach mit einem indianischen Sprichwort sagen: Erst wenn die letzte Baulücke gefüllt und das letzte Dachgeschoss aufgestockt worden ist,
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dann werdet ihr merken, dass man in Ballungsgebieten nicht unbegrenzt bezahlbaren Wohnraum schaffen kann.
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Wir müssen also beides tun: den Gebieten helfen, die von Wohnraummangel betroffen sind – dazu wurde von meinen Vorrednern schon viel Richtiges gesagt –, aber auch Entlastungen schaffen, indem wir die ländlichen Regionen weiter stärken und attraktiver machen, zum Wohle von Stadt und Land.
Ich rede hier wirklich nicht dem unkontrollierten Flächenfraß das Wort. Auch im ländlichen Raum gibt es natürlich das Gebot der Verdichtung. Wir brauchen die Revitalisierung der Ortskerne und deshalb auch die Stärkung der örtlichen Verwaltungen, die diese Revitalisierung vor Ort durchsetzen müssen. Wir brauchen auch die Konversion von ehemaligen Militärflächen, und wir müssen über Brachflächenreaktivierung sprechen, gerade mit Blick auf das Problem der unkalkulierbaren Bodenbelastungen. Dieses Problem müssen wir lösen, auch wirtschaftlich.
Ländliche Regionen sind als Wohnort dann besonders attraktiv, wenn die Verkehrsanbindungen besonders gut und zuverlässig sind. Deshalb sage ich: Im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs ist noch Luft nach oben, und auch die eine oder andere Straße – das sage ich an die linke Seite dieses Hauses gerichtet – ist noch auszubauen. Auf die Bedeutung guter Freizeitangebote und Naherholungsgebiete habe ich schon hingewiesen. Wenn wir das alles beherzigen, dann kann die Entlastung der Ballungsgebiete ein Stück weit besser funktionieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, Wohnen ist eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit; aber wir leben in einem Land, in dem Gebäude oft älter werden, als ein Menschenleben dauert. Was wir heute entscheiden, was wir heute an Bautätigkeiten anregen, wird die Welt unserer Kindeskinder noch prägen. Deshalb ist mir nicht in erster Linie wichtig, dass wir schnell vorgehen, sondern dass wir die Maßnahmen, die wir geplant haben, klug und verantwortungsbewusst umsetzen, zum Wohle unseres Landes.
Vielen Dank.
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Die Kollegin Ulli Nissen spricht nun für die SPD-Fraktion.
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Logisch, das kommt. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu wenig bezahlbarer Wohnraum birgt gewaltigen sozialen Sprengstoff. Es gibt diverse Eigentümer, die den Notstand extrem missbrauchen. Das zeigt sich auch immer wieder in meinem Frankfurter Wahlkreis. Von dem Miethai in der Wingertstraße 21 habe ich schon berichtet. Er riss mitten im Winter die Fenster raus, und jüngst brüstete er sich widerlicherweise mit seinen Methoden bei Facebook. In der Lersnerstraße 10 wurde die Miete nach Modernisierung um 168 Prozent erhöht, um 14 Euro pro Quadratmeter. Niemand konnte sich dies mehr leisten; alle zogen aus. Jetzt haben wir ganz aktuell einen Fall in der Schwarzburgstraße. Dort droht eine Mieterhöhung um 338 Prozent nach Modernisierung. Von solchen und ähnlichen Fällen können sicherlich viele von Ihnen berichten.
Die Menschen warten darauf, dass wir handeln und solchen und ähnlichen Missständen einen Riegel vorschieben. Der Wohngipfel am Freitag war ein guter Anfang.
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Ich bin froh, dass viele der Vorschläge für eine Mietenwende von Andrea Nahles und Thorsten Schäfer-Gümbel in den Beschluss des Wohngipfels aufgenommen wurden. Das Problem ist erkannt, es wird gehandelt.
Die Verdrängung der Mieterinnen und Mieter erfolgt häufig durch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Solche Umwandlungen müssen in stark nachgefragten Gebieten erheblich eingeschränkt werden.
Die Länder sollen künftig durch ihre Förderprogramme besonders die Schaffung von neuem Wohnraum mit langfristigen Sozialbindungen unterstützen. Nur über lange Sozialbindungen können langfristig günstige Mieten garantiert werden. Ich selber denke da an Fristen von mehr als 50 Jahren. Am liebsten wäre mir eine dauerhafte unbefristete Bindung.
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Die von uns lange geforderte Ausweitung des Beobachtungszeitraums des Mietspiegels – jetzt erst einmal von vier auf sechs Jahre – ist ein erster Schritt.
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Ich wünsche mir eine Ausweitung des Zeitraums auf mindestens zehn Jahre.
Es ist gut, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben selbst wieder Wohnungen für Bundesbedienstete bauen will. Ich denke da insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen und am Frankfurter Hauptbahnhof. Viele von ihnen haben einen Arbeitsweg von gut zwei Stunden, weil sie sich im Frankfurter Raum keine Wohnung mehr leisten können.
Auch vor dem Wohngipfel haben wir Wichtiges auf den Weg gebracht. Beim Mietrecht stehen wichtige Verbesserungen zum 1. Januar 2019 an.
Wir verschärfen die Mietpreisbremse. Unter anderem muss jetzt die Vormiete angegeben werden. Ich bin nach wie vor dafür, dass auch möblierte Wohnungen unter die Mietpreisbremse fallen und dass bei Abschluss des Mietvertrages die Mieterinnen und Mieter über ihre Rechte gemäß der Mietpreisbremse informiert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Mietpreisbremse muss dringend entfristet werden!
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Auf eines warten viele Mieterinnen und Mieter wie in der Schwarzburgstraße dringend: Wir deckeln künftig die Mieterhöhungen nach Modernisierung auf maximal 3 Euro pro Quadratmeter, und dies für einen Zeitraum von sechs Jahren. Dann werden sich künftig Eigentümer genau überlegen, welche Maßnahmen sie vornehmen. Außerdem soll das gezielte Herausmodernisieren künftig mit Geldbußen von bis zu 100 000 Euro belegt werden. Ganz wichtige Schritte für Mieterinnen und Mieter!
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Das Baukindergeld kann ab dem 18. September dieses Jahres beantragt werden. Viele Kollegen setzen sich wie ich dafür ein, dass dies auch für den Ankauf von Genossenschaftsanteilen und für gemeinschaftliches Wohnen gilt. Ich habe auch schon den Bundesminister darauf angesprochen. Ich würde mich freuen, wenn ich Ihre Unterstützung dafür bekommen könnte.
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Leider will unser Koalitionspartner bisher noch nicht alle unsere weiter gehenden Forderungen übernehmen. Der Vorschlag von Andrea Nahles und Thorsten Schäfer-Gümbel zum Mietenstopp hat meine besondere Unterstützung. Wir, die SPDler, wollen die Preisspirale bei den Bestandsmieten unterbrechen, und wir wollen, dass die Miete nur noch in Höhe der Inflationsrate steigen darf – zurzeit 2 Prozent.
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In Frankfurt – ich nenne jetzt nicht den Namen von Oberbürgermeister Feldmann – sind wir sogar noch weiter gegangen: Bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG Holding mit mehr als 50 000 Wohnungen darf die Miete innerhalb von fünf Jahren nur noch um 1 Prozent steigen. Liebe Kollegen von den Grünen, vor der Beteiligung der SPD an der Stadtregierung hatten sich Grüne und CDU noch heftig dagegen gewehrt.
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– „Aha!“, genau. – Im 100-Tage-Programm von Thorsten Schäfer-Gümbel und der hessischen SPD haben wir festgelegt, dass bei allen Wohnungsbauunternehmen mit Landesbeteiligung die Mietsteigerung für alle Mieterinnen und Mieter auf 1 Prozent gedeckelt wird. Ich weiß, warum ich so intensiv – auch im Interesse der Mieterinnen und Mieter – Wahlkampf für einen Regierungswechsel in Hessen mache.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ergebnisse des Wohngipfels sind gut. Wir haben schon viel erreicht, aber erst mal nur auf dem Papier. Lassen Sie uns dies schnellstmöglich umsetzen! Außerdem würde ich mich freuen, wenn wir uns gemeinsam noch für weitere Verbesserungen einsetzen. Die Menschen warten darauf, dass wir handeln. Lassen Sie uns zeigen: Der Streit ist vorbei. Wir können anders. Wir können sogar richtig gut.
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Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde: der Kollege Uli Lange, CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen im Deutschen Bundestag in Berlin – und nicht im Hessischen Landtag, liebe Frau Kollegin!
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Ich freue mich, dass wir hier über die Ergebnisse des Wohngipfels reden können. Denn Wohnen ist Lebensqualität, und Wohnen ist längst ein Mehrgenerationenthema geworden, das über die Städte hinausgeht. Es reicht bis in die ländlichen Räume hinein. Es geht immer wieder darum, erst Arbeit zu den Menschen zu bringen, bevor wir die Menschen dorthin bringen, wo es schon heute zu einer Verdichtung gekommen ist.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind sehr froh, dass unser Bundesminister Horst Seehofer die Initiative für diesen Wohngipfel ergriffen hat. Warum ist denn ein Gipfel überhaupt notwendig geworden?
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Ein Gipfel ist deswegen notwendig geworden, weil in vielen Ländern und Kommunen das, was nach dem Grundgesetz eigentlich immer schon Aufgabe von Ländern und Kommunen gewesen wäre, nicht umgesetzt worden ist. Deswegen müssen wir – neu aufgestellt – an einem Strang ziehen, um das Thema Wohnen noch stärker in den Fokus zu rücken.
Ich fasse zusammen, nachdem ja schon viel gesagt worden ist: 1,5 Millionen neue Wohnungen, Förderung des sozialen Wohnungsbaus mit 5 Milliarden Euro, steuerliche Förderung, Baukindergeld, Erhöhung des Wohngeldes, Wohnungsbauprämie, Städtebauförderung, günstigeres Bauland, Vereinfachung der Bauplanung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, den ersten erfolgreichen Baustein haben wir geliefert, nämlich unser Baukindergeld. Das Baukindergeld ist der erste erfolgreiche Baustein, damit wieder mehr Eigenheime für junge Familien gebaut werden können und gebaut werden. Der Ansturm auf die Plattform der KfW zeigt: Wir haben den Nerv der Menschen damit getroffen.
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Eigenheime sind immer noch die beste Absicherung, die beste Sozialpolitik, die wir machen können.
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Dann haben wir ein ganzes Paket an Gesetzen eingebracht, die sicherlich im parlamentarischen Verfahren an der ein oder anderen Stelle noch etwas modifiziert und besprochen werden müssen. Wir haben uns im Koalitionsvertrag ja auf gewisse Dinge verständigt.
Kommen wir jetzt zur Grundgesetzänderung. Ja, die brauchen wir; aber die brauchen wir insbesondere deshalb, weil, wie gesagt, an der ein oder anderen Stelle, im ein oder anderen Bundesland – und da regieren die Linken mit, und da regieren die Grünen mit, und da regiert die SPD mit –
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das mit dem sozialen Wohnungsbau eben nicht so funktioniert hat, wie es hätte funktionieren müssen. Lieber Kollege Bartol, Sie können „CDU“ sagen; aber Sie wollten „CSU“ sagen, und das wäre falsch gewesen.
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Die Sonderabschreibung ist eilbedürftig, und das Mietrechtsänderungsgesetz ist sicherlich zeitweise für eine gewisse Transparenz wichtig. Aber ich will auch eines sagen: Durch Veränderungen des Mietrechtes ist keine einzige Wohnung neu gebaut; auch das muss an dieser Stelle unterstrichen werden.
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Deshalb werden wir sehr genau darauf achten, dass die vorgesehenen mietrechtlichen Regelungen zum Mieterschutz und die Eigentümerrechte – es sind nämlich ganz viele Eigentümer, die auch dahinter stehen, die mit einer Wohnung etwas zu ihrer Altersvorsorge beitragen – in Balance gehalten werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Dauerhaft können wir die Wohnungsmärkte sicher nur dadurch stabilisieren, dass wir günstiger bauen. Baulandmobilisierung und Baukostensenkung, das hat auch was mit Baurecht und Bauordnungsrecht zu tun, und da – das sage ich auch als Bayer –
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– ja, „ha, ha!“ – nehmen wir die Länder in die Pflicht; denn wir sind ja hier nicht im Hessischen Landtag, liebe Kollegin, und auch nicht im Bayerischen Landtag, sondern im Bundestag in Berlin.
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Wir nehmen die Länder in die Pflicht, was die Vereinheitlichung und die Vereinfachung von Bauordnung und Standards angeht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Koalition hat mit dem Wohngipfel eines gezeigt: Wir sind als Koalition bei Sachthemen erfolgreich.
Danke schön.
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. September, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 17.08 Uhr)