Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/11/2018

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Bernd Baumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004662, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus aktuellem Anlass beantragt die AfD-Fraktion geschlossen, die vereinbarte Tagesordnung zu ändern. Grundlage ist § 20 der Geschäftsordnung. Es geht um Folgendes: Das Parlament wird in dieser Woche den Etat des Bundespräsidenten einbringen. Traditionell geschieht das ohne Debatte. Das drückt den tiefen Respekt des Parlaments vor dem höchsten Amt im Staate aus – und das ist auch gut so. ({0}) Was uns heute aber veranlasst, davon abzuweichen, ist gerade dieser größte Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten, genauer: Es ist die brennende Sorge, dass das Amt Schaden leidet durch einseitige Parteinahme des Amtsinhabers, meine Damen und Herren! ({1}) Denn solchen Schaden vermeidet man nicht, wenn das Parlament dazu schweigt. Ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren: Wir müssen darüber reden. ({2}) Man muss sich dies mal vor Augen führen: Der Bundespräsident wirbt für eine linksradikale Großveranstaltung in Chemnitz, ({3}) und 65 000 Menschen folgen diesem Lockruf. Wissen Sie eigentlich, was da los war? ({4}) Das lässt sich nur schwer in parlamentarischer Sprache ausdrücken. Von der Großbühne hämmerten Sänger in die Menschenmenge der 65 000 ({5}) – hören Sie doch zu! es sind ja teilweise Ihre Leute –, wie gern sie Busfahrer zusammenschlagen, die Köpfe ihrer Gegner zertreten, wie gern sie Frauen so brutal vergewaltigen, dass sie – wörtlich – grün und blau sind. Ist das mit der Würde des höchsten Amtes im Staate vereinbar? Wir glauben: Nein. Deshalb muss die Debatte über die Änderung der Tagesordnung hier geführt werden, meine Damen und Herren! ({6}) Natürlich müssen wir darüber reden, dass der Bundespräsident persönlich eine Veranstaltung empfiehlt, auf der Sänger grölen, wie gerne sie – wörtlich – Messerklingen in Journalistenfressen rammen, wie gern sie sich an brennenden Deutschlandfahnen wärmen und christliche Bibeln ins Feuer hinterherwerfen ({7}) – hören Sie doch zu, Frau Göring-Eckardt! –, wie gerne sie schwangere Frauen in den Bauch treten und sich dann an der Fehlgeburt vergehen. Das ist so gewaltverherrlichend! Das ist so deutschfeindlich! Das ist so christenfeindlich! ({8}) Wenn ein Amtsinhaber seine Neutralitätspflicht so offensichtlich verletzt, dann muss sein Etat hier Gegenstand der Debatte werden. ({9}) Meine Damen und Herren, aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten müssen wir es vor den Fehlgriffen Frank-Walter Steinmeiers schützen. ({10})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Grosse-Brömer, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Michael Grosse-Brömer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003541, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal ist es wie immer mit den AfD-Anträgen: Sie kriegen es nicht seriös hin. ({0}) – Ja, Sie wollen doch, wenn ich Sie richtig verstanden habe, eine Extradebatte zum Einzelplan des Bundespräsidenten führen. Was schreiben Sie aber in Ihrem Antrag? – Aufsetzung des Haushaltes für den Bundestagspräsidenten. ({1}) Gut, es waren fünf Sätze. Davon ist der Hauptsatz schon mal falsch. Das ist eben Ihr Problem mit seriöser parlamentarischer Arbeit. ({2}) Lesen Sie es nach. Sie brauchen nicht mit dem Kopf zu schütteln; es steht in Ihrem Antrag. Dann stützen Sie den Antrag auf § 79 der Geschäftsordnung und nicht auf § 20; das war neu in Ihrem Vortrag gerade. ({3}) Dieser besagt vereinfacht: Zu den Gesetzentwürfen in erster Lesung muss eine Debatte stattfinden, wenn eine Fraktion es verlangt. Klar. Aber jetzt mal ehrlich: Haben Sie die Tagesordnung zu dieser Woche, die wir ja gemeinsam vereinbart haben, ({4}) überhaupt gelesen? ({5}) – Ich habe ja gar kein Problem mit notwendigen Änderungen. Aber über das, worum es sich hier handelt, über diesen Haushaltsgesetzentwurf reden wir von heute Morgen bis Freitagnachmittag. Es gibt hier nie mehr Debattenzeit für einen Gesetzentwurf als für diesen Gesetzentwurf. Sie können jederzeit das ansprechen, was Sie wollen. Da brauchen Sie keine geänderte Tagesordnung. Das, was Sie stört, können Sie jetzt in den nächsten vier Tagen jeden Tag ansprechen. Eine Änderung der Tagesordnung ist überhaupt nicht erforderlich. ({6}) Natürlich gibt es die parlamentarische Tradition. Sie gilt nicht nur für den Einzelplan des Bundespräsidenten, sie gilt auch für die Einzelpläne des Bundesverfassungsgerichtes, des Bundesrates und des Bundestages, und zwar deshalb, weil man an anderer Stelle ausführlich dazu arbeiten kann. Es ist also niemand gehindert, in dieser Haushaltsdebatte das zu sagen, was er will. Dafür bedarf es keiner Änderung. Ihr Antrag ist wieder einmal handwerklich stümperhaft und in der Sache Unsinn. Aber Sie haben ja auch gerade gezeigt: Es geht Ihnen in erster Linie nicht um parlamentarische Abläufe, sondern um Chemnitz, wo eine schreckliche Straftat stattgefunden hat, die aufgeklärt werden muss. Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden. CDU/CSU und, wie ich denke, auch viele andere haben Vertrauen in die Polizei und die Justiz, dass das auch vonstattengeht. ({7}) Die Trauer über diesen Vorfall ist verständlich und berechtigt; aber Ihnen geht es – jedenfalls nach meiner Einschätzung – nicht in erster Linie um Aufklärung und Trauer, Ihnen geht es um die Spaltung der Gesellschaft. Darum geht es Ihnen immer wieder – auch hier im Parlament. ({8}) Das, was wir an Hass in Chemnitz sehen mussten, an rechtsextremen Parolen und Hitlergrüßen, das ist nicht Chemnitz, das ist auch nicht Sachsen, das ist auch nicht Deutschland. Das ist vor allen Dingen Ihresgleichen, das sind Ihre Funktionäre, die ganz bewusst die Grenze zum Rechtsextremismus einreißen. Das ist die Wahrheit. ({9}) Sie haben Ihre eigenen Funktionäre nicht mehr unter Kontrolle, wenn sie auf die Straße gehen, und schon gar nicht mehr die notwendige Distanz zu den Neonazis, die da mitlaufen. ({10}) Ich sage Ihnen: Man marschiert nicht an der Seite des Rechtsextremismus, man bekämpft ihn, meine Damen und Herren! ({11}) Man bekämpft ihn übrigens auch nicht mit Linksextremismus, sondern mit Demokratie, Menschlichkeit und Anstand. Das ist die richtige Antwort auf rechtsextreme Tendenzen in Deutschland. ({12}) Abschließend noch ein Satz: Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat einmal gesagt: „Patriotismus ist Liebe zu den Seinen; Nationalismus ist Haß auf die anderen …“ Seit Chemnitz steht für mich fest: Patrioten sind Sie nicht. ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit kommen wir zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag auf Aussprache zu Einzelplan 01. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Antrag mit den Stimmen der AfD gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen abgelehnt. ({0})

Not found (Minister:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal bei Ihnen, Herr Präsident, für Ihre Worte bedanken und dafür, dass Sie dazu aufgerufen haben, dass wir uns einen toleranten und starken Staat als Leitbild nehmen und uns auf diese Art und Weise mit Gewalttätern und Extremisten auseinandersetzen. Wir trauern – das will ich zum Eingang sagen – um die Opfer, und wir sind zornig auf die Täter in Chemnitz und an anderen Stellen. Natürlich sind wir auch bedrückt, dass Männer, die als Flüchtlinge hierhergekommen sind und Schutz bei uns gesucht haben, offenbar die Täter sind. Wir, die trauern, das sind wir alle hier in Deutschland. Dazu gehören ausdrücklich auch die fast 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die selbst oder deren Eltern einst in dieses Land eingewandert sind. Sie trauern mit uns, und sie sind auf unserer Seite. ({0}) Ich will ausdrücklich dazusagen, dass wir uns nicht trennen lassen. Das, was für uns wichtig ist, ist, dass wir ein Land sind, das nicht gespalten wird von Gesten aus der dunkelsten Zeit Deutschlands und das sich nicht trennen lässt, indem wir die einen und die anderen voneinander trennen. Wir haben gekämpft gegen die Mauern, die unser Land getrennt haben. Wir wollen keine neuen Mauern in unserem Land. ({1}) Meine Damen und Herren, der Zusammenbruch von Lehman Brothers ist jetzt etwa zehn Jahre her, der große Crash, der darauf gefolgt ist, und die großen Schwierigkeiten, die die weltweite Wirtschaft und auch unser Land durcheinandergebracht haben, auch. Ich erinnere mich noch ziemlich genau daran, damals als Minister für Arbeit und Soziales im Bundeskabinett gearbeitet zu haben und die Veränderungen Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat mitverfolgen zu können. Im November 2008 wurde noch über Überstunden gesprochen. Im Jahre 2009 gab es dann unglaubliche Veränderungen, und wir mussten viel tun, um die Wirtschaftskrise in unserem Land einzudämmen. Kurzarbeit hat viele Probleme gelöst. Aber es ist ein großer Crash gewesen, und das ist das, woran wir auch heute in dieser Haushaltsdebatte einmal erinnern müssen. Dass das so gekommen ist, das hatte auch etwas zu tun mit den Verhältnissen in den Vereinigten Staaten von Amerika, das hatte etwas damit zu tun, dass Gleichheit, dass sozialer Ausgleich in diesem Land so wenig gewirkt haben, dass hohe private Verschuldung, die von Banken finanziert worden ist, dazu beigetragen hat, die Wirtschaft in Unordnung zu bringen. Und ja: Amerikanische Banken und auch viele europäische und deutsche In­stitute haben diese hohe private Verschuldung mitfinanziert. Dass es dann eines Tages zu diesem Crash kommen musste, war unausweichlich, und es hat Veränderungen gegeben, unter denen wir noch heute zu leiden haben. Meine Damen und Herren, wir sind seitdem tätig gewesen. Wir haben versucht, dagegen anzugehen. Aber die Folgen dieser Veränderungen und dieses Crashs sind spürbar. Denn die Staatsschuldenkrise 2010, die darauf in Europa gefolgt ist, die sogenannte Euro-Krise, ist nicht nur, aber zu einem ganz erheblichen Teil auch die Folge dieses großen ökonomischen Crashs gewesen. Er hat nämlich dazu geführt, dass sich die Staaten verschuldet haben, um den Finanzsektor und die Wirtschaft gewissermaßen zu stabilisieren. Und das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir über die Staatsschulden einiger Länder in Europa reden. Auch das ist eine Folge dieser veränderten weltwirtschaftlichen Lage gewesen. ({2}) Wir haben gehandelt. Wir haben die notwendigen Schritte unternommen und dazu beigetragen, dass wir heute in Europa Institutionen haben, die damals nicht handeln konnten. Wir haben Stabilisierungsmechanismen geschaffen, einen Bankenabwicklungsmechanismus mitsamt einer Überwachung. Wir haben den Europäischen Stabilitätsmechanismus etabliert. Und wir haben dafür Sorge getragen, dass viele Länder Europas starke Unterstützung bekommen haben, als sie plötzlich den Zugang zu den Finanzmärkten verloren hatten: Irland, Portugal, in gewissem Sinne Spanien, Zypern und zuletzt Griechenland. Fast pünktlich zum zehnjährigen Ablauf dieser Krise ist es so, dass mit Griechenland auch das letzte Land aus dem Programm entlassen worden ist und jetzt wieder auf die Finanzmärkte zurückkehrt. ({3}) Ich will dazu aber ausdrücklich sagen: Es ist noch nicht alles getan, was wir tun müssen, damit wir in einer neuen Krise wieder handeln können. Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass mein französischer Kollege, Bruno Le Maire, und ich, dass Deutschland und Frankreich mit den Vereinbarungen in Meseberg die Grundlage dafür geschaffen haben, dass wir in kurzer Zeit auch noch die letzten Schritte gehen können, um Europa stabil zu machen und es für die nächste Krise zu wappnen. Ich glaube, wir haben jetzt die Aufgabe, die Bankenunion zu vollenden, und wir sollten die wichtigsten Schritte noch in diesem Jahr realisieren. ({4}) Aus meiner Sicht heißt das, dass wir auch Europa insgesamt in den Blick nehmen müssen und dafür Sorge tragen müssen, dass es gut funktioniert. Da geht es dann nicht nur um Finanzpolitik, es geht eben auch um die Außenpolitik, wo wir das Einstimmigkeitsprinzip infrage stellen müssen. ({5}) Es geht auch um die Sicherheitspolitik. Wir diskutieren hier in diesem Haushalt über die Fragen, die wir miteinander bewegen müssen, damit Entwicklungshilfe und Bundeswehr so aufgestellt sind, dass sie die internationalen Herausforderungen realisieren können. ({6}) Es ist deshalb gut, dass wir nach vielen Jahren, in denen mehr oder weniger Dürre bei der Finanzierung von Verteidigung und Entwicklungshilfe geherrscht hat, mit dem letzten und diesem Haushalt die Voraussetzungen für eine bessere Ausstattung geschaffen haben. Ich glaube, dass die Koalition die richtige Entscheidung getroffen hat, als sie gesagt hat: Wir werden, wenn zusätzliche Spielräume entstehen, sie dafür nutzen, dass wir bei der Verteidigung und bei der Entwicklungshilfe auch weitere Verstärkung organisieren. ({7}) Natürlich muss das eingebettet sein in die weitere Entwicklung in Europa. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass wir Effizienz und Leistungsfähigkeit unserer Verteidigung in Deutschland und Europa nur hinbekommen können, wenn es auch dort eine engere Kooperation gibt. Ich bin also überzeugt davon, dass wir so etwas brauchen wie eine engere Zusammenarbeit der Verteidigungswirtschaft in Europa. Wir brauchen gemeinsame militärische Beschaffungen, weil wir sonst niemals in der Lage sein werden, das Maß an Sicherheit zu gewährleisten, das wir in Europa miteinander brauchen. Dieser Prozess muss jetzt auf europäischer Ebene vorangebracht werden. Auch das ist eine europäische Aufgabe. ({8}) Es geht – auch das muss gesagt werden – um Außengrenzen. Es geht darum, wie wir unsere Wirtschaft in Europa voranbringen und sicherstellen, dass wir auch große Unternehmen haben, die ähnlich wie die digitalen Champions in der Welt aus Europa heraus erfolgreich sein können. Natürlich heißt das auch, dass wir angesichts der Veränderungen bei wirtschaftlichen Entwicklungen Wege finden müssen, wie diejenigen, die besonders erfolgreich sind, auch einen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Ich bin also froh darüber, dass wir in Europa und im internationalen Rahmen darüber diskutieren, wie uns das am besten gelingen kann. ({9}) Wenn wir über Europa diskutieren, geht es auch um soziale Mindeststandards und natürlich um die Frage, wie wir sicherstellen, dass wir gegenüber veränderten Umweltbedingungen gut aufgestellt sind, sodass wir in Zukunft den Folgen des Klimawandels besser begegnen können, als es in der Vergangenheit der Fall war. Man sieht daran: Die Finanzkrise, über die ich zuerst gesprochen habe, hat dazu geführt, dass Europa enger zusammengewachsen ist und dass wir richtigerweise an Institutionen in Europa gearbeitet haben, die in der Lage sind, den globalen Herausforderungen zu begegnen. Man sieht auch: Dies bleibt unverändert eine große Aufgabe für uns, und das wird durch diesen Haushalt und die Politik der Bundesregierung unterstrichen. ({10}) Wir müssen aber auch wissen: Eine solche Politik ist nur möglich, wenn wir über solide Finanzen verfügen. Deshalb ist es gut, dass wir im zehnten Jahr der Finanzkrise vermelden können, dass wir dieses oder wahrscheinlich nächstes Jahr das Maastricht-Kriterium einer Verschuldungsquote von 60 Prozent erreichen werden. Das ist ein gutes Zeichen, und es ist ein Zeichen dafür, dass Deutschland in dieser Hinsicht etwas richtig gemacht hat: nämlich in der Krise massiv zu investieren, zu akzeptieren, dass die Schulden steigen, und in den besseren Zeiten dafür zu sorgen, dass sie wieder sinken. An dieser soliden Haushaltspolitik werden wir auch in Zukunft festhalten. ({11}) Das ist es, was man sich unter einer klassischen keynesianischen Politik vorstellt: Man investiert gewissermaßen in der Krise und trägt alles dazu bei, dass in den Zeiten dazwischen die Kraft gesammelt wird, um in einer möglichen späteren Krise wieder handeln zu können. ({12}) Alle Daten, die uns derzeit vorliegen, sprechen eher dafür, dass es nicht so schnell zu einer erneuten Krise kommen wird. Die Aussichten für die nächsten Jahre sind ziemlich gut. Eines muss uns aber klar sein: So wenig wie wir 2008 wirklich vorhersehen konnten, was 2009 und 2010 in Deutschland, in Europa und in der Welt geschehen ist, so wenig können wir heute mit größter Selbstsicherheit sagen: Das wird niemals in naher Zukunft kommen. – Deshalb haben wir es eilig, deshalb haben wir es eilig mit Europa, und deshalb tun wir recht daran, einen soliden Haushalt anzustreben. ({13}) Zu den Aufgaben, die wir zu lösen haben, gehört natürlich auch, dafür Sorge zu tragen, dass unser Land zuversichtlich nach vorne blickt. Eines ist ja doch ziemlich merkwürdig: Wir leben einerseits in einer Zeit, in der überall auf der Welt viele Menschen sehr zuversichtlich in die Zukunft blicken, weil ihr Leben besser geworden ist. So sind zum Beispiel in Asien und Lateinamerika und vielen anderen Ländern der Welt Milliarden in die Mittelschicht aufgestiegen. Andererseits ist gerade in den reichsten Ländern die Zuversicht geringer geworden. Wir merken das an der Wahl von Präsidenten, an Entscheidungen, die Europäische Union zu verlassen, und an vielen rechtspopulistischen Wahlerfolgen. Ich glaube deshalb, dass es ganz wichtig ist, eine Politik zu entwickeln, die dazu beiträgt, dass alle mit Optimismus nach vorne gucken: nicht in der Art und Weise, dass sie sich vorstellen sollen, nichts könne passieren, sondern vielmehr in der Art und Weise, dass man sich darauf verlassen kann, dass durch das, was wir tun, aber auch durch das, was wir als Gemeinschaft voranbringen, die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass das alltägliche Leben besser wird. Dieser Bundeshaushalt und die Entscheidungen, die die Bundesregierung getroffen hat, tragen dazu bei, dass wir zuversichtlich nach vorne gucken können, dass wir unser Leben in diesem Land verbessern und Vorsorge für eine bessere Zukunft treffen. ({14}) Ich möchte das am Beispiel des Familienentlastungspakets, das wir auf den Weg gebracht haben, festmachen: Dabei geht es um Entlastungen in Milliardenhöhe für die Familien in diesem Land, indem wir den Grundfreibetrag erhöhen, indem wir die kalte Progression zurückschrauben, indem wir den Kinderfreibetrag verbessern und das Kindergeld erhöhen. ({15}) All das sind Schritte, die den Familien in diesem Land zugutekommen und richtige Entscheidungen auch für die Zukunft dieses Landes darstellen. ({16}) Deshalb ist es richtig, dass wir uns fest vorgenommen haben, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung wieder paritätisch finanziert werden. Das hat Folgen, möglicherweise später auch Auswirkungen auf den Haushalt. Es ist aber auf alle Fälle ein Beitrag dazu, dass das Leben besser und bezahlbar wird und Millionen Bürgerinnen und Bürger in diesem Land entlastet werden. ({17}) Darum ist es richtig, dass sich die Bundesregierung entschlossen hat, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag zu senken, und gleichzeitig klargestellt hat, dass wir dafür Sorge tragen werden, dass die Bundesagentur für Arbeit über ausreichende Rücklagen für eine Krise verfügt. ({18}) Hierfür müssen wir den ökonomischen Hintergrund verstehen: Wir sind durch die letzte Krise gekommen, weil die sogenannten automatischen Stabilisatoren so gewirkt haben – dazu haben unsere Sozialversicherungs- und andere Systeme beigetragen –, dass der Lebensunterhalt derjenigen, die ihren Arbeitsplatz in der Krise verloren haben, gesichert werden konnte und auch die öffentlichen Aufgaben weiterfinanziert werden konnten. Wir dürfen aber nicht vergessen: Wir haben wirklich Milliarden investiert. Wenn uns alle Ökonomen sagen, dass wir bei einer zweijährigen Krise, also vergleichbar mit der Krise von 2008/2009, bis zu 20 Milliarden Euro brauchen, um gewissermaßen die Arbeitslosenversicherung durch diese Krise zu steuern und aktiv etwas tun zu können, dann sollten wir eine solche Summe auch als Rücklage haben. Deshalb ist es eine gute Entscheidung, die Beiträge zu senken und klarzustellen: Diese Rücklage brauchen wir auch für solche Zeiten. ({19}) Im Übrigen verbindet sich dies damit, dass wir gesagt haben, es soll auch Verbesserungen geben, zum Beispiel für diejenigen, die noch nicht von dem Aufschwung und der guten wirtschaftlichen Entwicklung profitieren konnten, die wir in Deutschland in den letzten Jahren hatten. Ja, wir haben so viele Erwerbstätige, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht hatten: über 44 Millionen, fast 45 Millionen. Ja, wir haben so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie seit Ewigkeiten nicht; es sind fast 33 Millionen, eine große Zahl. Und trotzdem stellen wir gerade jetzt fest, dass unverändert ein Teil derjenigen, die ohne Arbeit sind, es schon sehr lange ist. Wir haben deshalb die Aufgabe, auch ihnen eine Perspektive zu verschaffen und einen Weg zu zeigen, wie sie es in den Arbeitsmarkt schaffen können. Denn das ist meine tiefe innere Überzeugung: Jeder von uns möchte eigentlich auf eigenen Füßen stehen und mit dem, was er leistet, seinen Lebensunterhalt finanzieren. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jeden Aufwand betreiben, um auch denjenigen, die schon lange vom Arbeitsmarkt weg sind, wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. ({20}) Natürlich gehört zu dem, was wir zu tun haben, auch, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass diejenigen, die auf eine sichere Rente im Alter warten, diese auch erhalten. Wir haben gerade ein Paket auf den Weg gebracht, das zu Verbesserungen bei vielen Rentnerinnen und Rentnern beitragen wird; es wird im nächsten Jahr übrigens um ein weiteres ergänzt werden. Heute, in dieser Zeit, geht es um Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner. Es geht um Verbesserungen für Mütter. Es geht darum, dass wir denjenigen, die sehr wenig verdienen, eine Entlastung verschaffen, indem sie weniger Beiträge zahlen müssen, dass wir aber gleichzeitig sicherstellen, dass sie später in der Rente nicht weniger Leistungen bekommen. Das ist auch eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand. Und natürlich gehört dazu, dass wir uns vorgenommen haben, eine Rentenkommission einzusetzen, die darüber diskutiert, wie wir es hinbekommen werden, dass wir auch in der Zukunft eine stabile Rente haben. ({21}) Sie wissen, ich habe da eine feste Überzeugung. Ich glaube, es ist ein richtiger Schritt, dass wir jetzt sagen, wir wollen eine Haltelinie haben, ({22}) was die Beiträge betrifft, und eine Haltelinie, was das Rentenniveau bis 2025 betrifft, und das wirkt gleich. Ich sage ausdrücklich auch: Wir dürfen, wenn wir das jetzt tun, nicht vergessen, dass wir auch noch sicherstellen müssen, dass es in den 20er- und 30er-Jahren, die vor uns liegen, eine stabile Rente gibt. ({23}) Zu den Dingen, die wir auf den Weg bringen müssen, die wir in der Bundesregierung vorbereitet haben, die jetzt unmittelbar zur Entscheidung anstehen und für die wir in diesem Haushalt Vorsorge getroffen haben, gehört natürlich auch, dass wir etwas für die Kinder tun wollen, die in diesem Lande aufwachsen. Das Gute-Kita-Gesetz ist nicht nur ein qualitativ gutes Gesetz, über das wir diskutieren werden, sondern es ist auch etwas, was wir finanzieren werden und finanzieren können. Wir müssen dazu beitragen, dass die Bedingungen für die Kinder, die in diesem Land aufwachsen, so gut wie möglich sind, und wir müssen dazu beitragen, dass ihre Eltern gute Betreuungsbedingungen für ihre Kinder vorfinden. Deshalb ist das Gute-Kita-Gesetz ein wichtiger Meilenstein, ein Anstoß des Bundes, um gemeinsam mit Ländern und Gemeinden die Situation der Kinder in Deutschland zu verbessern. ({24}) Auch aus den Erfahrungen, die ich als Bürgermeister der Freien Hansestadt Hamburg gemacht habe, möchte ich sagen: Dazu gehört Qualität, dazu gehört aber auch, dass die Gebühren runtermüssen und gebührenfreie Angebote gemacht werden; denn es ist offensichtlich notwendig, dass die Eltern entlastet werden. ({25}) Da geht es nicht nur um diejenigen, die ganz wenig verdienen. Ausdrücklich will ich sagen: Auch, wer ein normales Einkommen hat – wenn zum Beispiel Mann und Frau in einem Einzelhandelsgeschäft in einer deutschen Innenstadt arbeiten –, muss entlastet werden; die werden manchmal zur Zahlung von Höchstbeiträgen herangezogen. Das ist nicht in Ordnung. Wir müssen diese Situation ändern. ({26}) Wir sind bei dem Blick nach vorne, bei der Zuversicht, die wir brauchen. Dazu gehört nicht nur das, was ich eben gesagt habe. Dazu gehört auch, dass wir mit dem Haushalt die Voraussetzungen dafür schaffen, eines der drängendsten Probleme unseres Landes aufzugreifen, nämlich die Voraussetzungen dafür, dass es auf dem Wohnungsmarkt besser wird. Die großen Städte unseres Landes leiden darunter, dass wir zu wenig Wohnungen haben; und das gilt nicht nur für die großen, das betrifft auch viele andere Städte, wo es Arbeitsplätze gibt und wo Leute gerne wohnen wollen. Wir haben ein richtiges Problem, wenn die Preise für das Wohnen immer weiter steigen und die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem normalen Einkommen nicht mehr mithalten können. Ich weiß nicht, was der eine oder andere sich vorstellt, aber ich sage ausdrücklich: Die allermeisten Leute verdienen nicht so viel, dass sie ohne Weiteres in der Lage wären, die Preise zu bezahlen, die heute für frei vermietete Wohnungen, die neu gebaut worden sind, verlangt werden. Ich sage: Deshalb haben wir eine Aufgabe, und diese Aufgabe will die Bundesregierung – und ich hoffe, auch der Deutsche Bundestag – lösen. Wir wollen mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau ausgeben. Wir brauchen eine Verfassungsänderung, damit wir das auch in den 20er-Jahren tun können. ({27}) Wir sorgen dafür, dass Eigentumsbildung für Familien möglich wird. Deshalb haben wir ein Baukindergeld geschaffen. Außerdem sorgen wir dafür, dass private Investoren ganz schnell etwas für den Wohnungsbau tun, indem wir kurzzeitig die Abschreibungsbedingungen verbessern, damit die Investitionen jetzt stattfinden und nicht in einer fernen Zukunft. ({28}) Natürlich – auch das will ich gerne sagen – gehört dazu nicht nur, was Geld kostet und deshalb den Bundeshaushalt unmittelbar berührt. Es ist wichtig, dass der Bundestag als Haushaltsgesetzgeber und die Bundesregierung darauf achten, dass die Mietpreise in dieser Zeit, in der es überall zu wenig Angebot gibt, nicht explodieren. ({29}) Deshalb brauchen wir einen guten Mieterschutz, deshalb müssen wir den Mieterschutz ausbauen, und deshalb müssen wir dazu beitragen, dass es nicht ständig weitere Preisexplosionen bei den Mieten gibt. Wir brauchen einen Stopp bei den Mieten. Das sind die richtigen, notwendigen Verbesserungen. ({30}) Die Bundesregierung hat deshalb ein Mieterschutzgesetz auf den Weg gebracht. Sie wissen: Es gibt eine politische Diskussion darüber, wie man noch ein bisschen nachhelfen kann, damit das insgesamt funktioniert. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass es für die Zukunft unseres Landes wichtig ist, dass wir die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt nicht einfach den Marktkräften überlassen, sondern sagen: Das, was überall auf der Welt schlecht läuft, soll in Deutschland gut laufen. – Wir wollen, dass Männer, Frauen und Familien mit normalen Einkommen in unseren Städten eine Wohnung finden. Wir wollen nicht, dass die Reichen und die Armen in unterschiedlichen Stadtteilen wohnen. Es muss auch dort Sozialwohnungen geben, wo andere viele Tausend Euro für ihre Eigentumswohnung bezahlen. ({31}) Sie sehen also: Mit der Politik, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, und mit diesem Haushalt schaffen wir wichtige Perspektiven für die Zukunft. Es geht um Zuversicht, die man braucht, wenn man anpacken will, ({32}) statt denjenigen zuzuhören, die gewissermaßen auf schlechte Laune setzen und auf die Idee, dass alles immer schlechter wird. Ich glaube, dafür gibt es keinen Anlass. Allerdings wird Politik mit einer zuversichtlichen Perspektive nicht erfolgreich sein, wenn sie achselzuckend bleibt, wenn sie darauf setzt, dass das alles von alleine was wird. Vielmehr muss demokratische Politik ihren Beitrag dazu leisten, dass wir die Bedingungen auch tatsächlich verbessern können und dass wir es hinbekommen, dass unser Land ein besseres wird, als es heute ist. ({33}) Ganz bewusst habe ich über Fragen des sozialen Zusammenhalts gesprochen und darüber, wie wir es durch verbesserte Bildungsbedingungen, durch Verbesserungen im Bereich der Kitas und durch das, was wir für Kinder tun, hinbekommen, dass es nach vorne geht. Aber das ist natürlich nicht das Einzige, und das kann auch nicht das Einzige bleiben. Deshalb gehört zur Zuversicht und zum Blick in die Zukunft selbstverständlich auch, dass wir investieren. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in diesem Haushalt eine sehr hohe Investitionsquote haben, ({34}) dass wir die Investitionen massiv gesteigert haben und dass wir klargestellt haben: Bei den hohen Investitionen wird es auch in den Haushalten der nächsten Jahre bleiben. Sie sind absolut notwendig und absolut erforderlich. ({35}) Zum Beispiel sorgen wir dafür, dass mehr Geld für Straßen, Schienen- und Wasserwege ausgegeben werden kann und für alles das, was für die ökonomische Struktur und das wirtschaftliche Wachstum erforderlich ist. Jeder von uns weiß, dass die Bedingungen nicht mehr so sind, wie sie es am Anfang der vorletzten Jahrhundertwende waren. Jeder von uns weiß, dass wir mit dem Bau einer Straße nicht die gleichen ökonomischen Effekte auslösen, wie das beim ersten Bau von Straßen in größerem Umfang in diesem Land der Fall war; das liegt übrigens nicht so lange zurück, wie wir manchmal denken. Aber eins steht unverändert fest: Mit Investitionen in die Infrastruktur erreichen wir immer noch Verbesserungen für wirtschaftliches Wachstum und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Deshalb glaube ich, dass es richtig ist, dass der Bund die Voraussetzungen dafür schafft, dass er die Mittel ausgibt und wir die Planungsprozesse beschleunigen, damit das schnell funktionieren kann. Und ja, selbstverständlich ist es auch gut, dass wir das Grundgesetz ändern wollen, damit wir zum Beispiel in den Ballungsräumen mit Schnellbahnen, mit U- und S-Bahnen dazu beitragen können, dass ein weniger klimaschädlicher Verkehr in großem Umfang möglich ist. ({36}) Die Zukunft unseres Landes wird auch von der digitalen Infrastruktur abhängen. Deshalb haben wir uns vorgenommen, die Erlöse aus den Versteigerungen der künftigen Mobilfunkfrequenzen für den Ausbau dieser Infrastruktur einzusetzen. Deshalb haben wir aber auch eine weitere Entscheidung getroffen, die für die Zukunft unseres Landes von großer Bedeutung ist. Wir wollen nämlich nicht auf diese Erlöse warten. Wir wollen keinen Investitionsstau, zum Beispiel beim Ausbau des Glasfasernetzes in Deutschland, sondern wir wollen, dass es gleich losgeht, dass wir gleich die Möglichkeit haben, hier einen massiven Ausbau voranzubringen. Deshalb haben wir einen Fonds aufgesetzt, gespeist aus Mitteln, die uns aufgrund des Haushaltsüberschusses zur Verfügung stehen. Diesen Fonds wollen wir benutzen, damit es losgehen kann; jedes Jahr, bis die Versteigerungserlöse kommen. Die Bundesregierung hat sich jedenfalls vorgenommen, Tempo zu machen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. Es ist viel darüber geredet worden, aber es muss jetzt auch tatsächlich etwas passieren. Das ist unser ganz ernster Wille. ({37}) Ich bin mir ganz sicher, dass das nur ein Teil ist, um den es im Zusammenhang mit der digitalen Zukunft, der Digitalisierung geht. Es gibt viele Themen, die damit zusammenhängen; das ist eben nicht nur die Infrastruktur. Es geht auch darum, dass wir die Qualifikationen voranbringen, dass wir Forschungseinrichtungen entwickeln, die mithalten können, wenn es um künstliche Intelligenz und all das andere geht, was mit neuen Technologien und neuen Entwicklungsmöglichkeiten verbunden ist. Auch all das ist im Bundeshaushalt angelegt und mit vorbereitet. ({38}) Das ist also umfassend. Wir müssen selbstverständlich dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die bei uns künftig in das Arbeitsleben hineingehen, die Qualifikationen besitzen, damit sie die Möglichkeiten dieser Techniken nutzen können und Neues erfinden können. Ich komme auf das zurück, was ich eingangs gesagt habe: Wir sollten den Ehrgeiz haben, die Möglichkeiten, die mit der digitalen Veränderung unserer Welt verbunden sind, nicht irgendwelchen Konzernen andernorts auf der Welt zu überlassen. ({39}) Das muss auch in Deutschland und Europa gelingen. Wir haben die Unternehmen, die die Voraussetzungen dafür schaffen können. Wir müssen sie unterstützen, damit das für unsere Zukunft tatsächlich gilt. ({40}) Eins ist doch ganz klar: Wir werden mit dem, was wir heute können, unseren Wohlstand in Zukunft nicht erhalten können. Wir müssen also, indem wir diese Investitionen tätigen, die Voraussetzungen für die Zukunft schaffen. Deshalb – ich sage es noch einmal – ist es absolut richtig, dass das einen Schwerpunkt unserer Investitionsstrategie bildet. Genauso wichtig ist – das gehört dazu –, dass wir jetzt Wege finden, wie Bundesregierung und Bundestag die Länder und die Kommunen dabei unterstützen können, die Bildungsstruktur in Deutschland weiter voranzubringen. Wir haben entschieden, dass wir eine Grundgesetzänderung machen wollen, damit wir Investitionen in Schulgebäude überall in Deutschland mit unterstützen können. Ich werbe dafür, dass das am Ende zustande kommt; denn das ist die Voraussetzung dafür, dass die Länder und die Kommunen die vielen Investitionen, die sie tätigen müssen, gemeinsam mit der Kraft des Bundes tätigen können und wir eine bessere Zukunft erreichen. ({41}) Ich jedenfalls sage: Das ist kein Thema, das irgendjemand alleine lösen kann. Dass wir das gemeinsam tun wollen, ist eine wichtige Voraussetzung für die Zukunft unseres Landes. Ich glaube, die meisten haben verstanden: Es ist richtig, wenn auch der Bund sich daran beteiligt. ({42}) Die Zukunft unseres Landes wird auch davon abhängen, dass wir sicherstellen, dass unser Staat gut funktioniert. Der Bundestagspräsident hat darauf eingangs hingewiesen: Wir sind ein toleranter, starker Staat. – Ich kann dem nur beipflichten. Damit das funktioniert, müssen wir natürlich die Voraussetzungen dafür schaffen. Es ist zum Beispiel ein großer Missstand, dass in vielen unserer Bundeseinrichtungen unglaublich viele Beschäftigte nur befristet – sachgrundlos befristet – beschäftigt sind. ({43}) Darum war mir wichtig und ist uns wichtig, dass wir im großen Umfang diese sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse entfristen und eine sichere Perspektive für die Beschäftigten des Bundes schaffen. ({44}) Das ist im Übrigen auch gut für die Qualität der Arbeit; denn viele leisten Tolles, aber kaum haben sie sich eingearbeitet und werden von ihren Kollegen und von denjenigen, um die sie sich kümmern, geschätzt, werden sie durch neue ersetzt; das ist ja die Krux bei der sachgrundlosen Befristung. Wir müssen das durchbrechen, und das haben wir mit diesem Schritt getan. Gleichzeitig verhalten wir uns so, wie man es tun sollte, wenn man gesetzgeberische Schritte für den Rest unserer Gesellschaft vorhat. Sie wissen, dass die Regierung sich vorgenommen hat, die sachgrundlose Befristung in den Unternehmen zurückzudrängen und eine Höchstgrenze dafür einzuführen. Es wäre ein etwas merkwürdiges Signal, wenn die Bundesrepublik Deutschland – der Bund, die Länder, die Gemeinden – sich von einer solchen Verpflichtung ausnähme. Wir schreiten voran; dann können wir auch besser argumentieren, wenn wir die entsprechenden arbeitsrechtlichen Veränderungen auf den Weg bringen. ({45}) Zu einem toleranten und starken Staat gehört auch, dass genügend Personal vorhanden ist. Deshalb haben wir Ausweitungen beschlossen: beim Zoll – was ich wichtig finde –, um die Schwarzarbeit zu bekämpfen – was ich ganz zentral finde, obwohl ich glaube, dass wir da noch mehr tun müssen –, und selbstverständlich auch bei der Polizei und den Sicherheitsbehörden des Bundes. Wir haben diese verbesserte Ausstattung auf den Weg gebracht; sie prägt deshalb das Haushaltsgeschehen. Sie wird dazu beitragen, dass unser Land sicherer wird und die Bürgerinnen und Bürger sich auf die Leistungsfähigkeit der Einrichtungen verlassen können. Natürlich gehört dazu auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Ich habe mich mit dem Bundesminister des Innern darauf verständigt, dass wir die Personalanforderungen, die dort existieren, realisieren wollen, dass wir eine entsprechend starke Stellenausstattung schaffen, dass auch dort entfristet wird, wie ich schon gesagt habe, dass wir die IT ausbauen, damit das eine hochleistungsfähige Behörde wird. ({46}) Denn das muss ja unser Ziel sein: dass wir schnelle Entscheidungen bekommen, dass schnell Klarheit existiert, dass wir die Dinge im Griff haben. Das haben die Bürgerinnen und Bürger verdient, und wir werden jeden Aufwand tätigen, damit diese Behörde diese Aufgabe auch wahrnehmen kann, meine Damen und Herren. ({47}) Lassen Sie mich auch noch auf ein Thema kommen, das jetzt nicht diesen Haushalt prägt, aber die Zukunft der Einnahmetätigkeit des Landes. Eine Haushaltsdebatte ist vielleicht eine gute Gelegenheit, um darauf zu sprechen zu kommen, was man sich für die Zukunft in dieser Hinsicht vorstellt. Wir werden in diesem Jahr noch die Grundlagen dafür schaffen müssen, dass die Grundsteuer in Zukunft weiter erhoben werden kann. ({48}) Das Bundesverfassungsgericht hat dazu klare Entscheidungen getroffen. Es hat das entschieden, was alle erwartet haben, nämlich dass es zwar völlig in Ordnung ist, diese Steuer zu erheben, dass es auch richtig ist, dass dafür ein Bundesgesetz existiert, aber dass diese Steuer nicht gleichheitswidrig erhoben werden darf, indem Grundstücke und Gebäude, die ähnlich viel wert sind, unterschiedlich besteuert werden, obwohl sie möglicherweise dicht beieinanderliegen. Das ist ein Missstand gewesen, und es war kein gutes Zeichen, dass wir es als Politik nicht hinbekommen haben, vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts selbsttätig eine Korrektur zustande zu bringen. ({49}) Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine großzügige Handlungsoption eingeräumt. Das, finde ich, kann man sehr klar sagen; denn kaum jemand hatte damit gerechnet, dass die Möglichkeit, es auch hinzukriegen, in der Entscheidung mit eingepreist wird. Das Bundesverfassungsgericht hat uns die Aufgabe gesetzt, das Kerngesetz für die neue Besteuerung bis zum Ende des nächsten Jahres zustande zu kriegen und dann die Konsequenzen daraus, in der Umsetzung, bis Anfang der 20er-Jahre. Das ist ehrgeizig, aber möglich. Es heißt aber, dass wir in dieser Frage zusammenarbeiten müssen und dass es nicht viel Raum gibt für die Diskussion theoretischer Modelle und aller Möglichkeiten, die man sich irgendwie vorstellen kann. Tatsächlich wird uns das nur gelingen, wenn wir uns miteinander verständigen und zu einem Entwurf kommen, den wir dann auch präzise Stück für Stück umsetzen. ({50}) Ich befinde mich im Gespräch mit den Ländern, diskutiere mit ihnen die Möglichkeiten. Ich will Ihnen gerne sagen, dass wir noch in diesem Jahr einen Vorschlag vorlegen werden, ({51}) der zeigt, wie es funktionieren kann, dass wir eine gerechte Besteuerung bekommen und eine unbürokratische und einfache Möglichkeit, die Grundsteuer in Zukunft zu erheben. Klar muss aber auch sein, dass das weder dazu führen darf, dass das für die Gemeinden wichtige Grundsteueraufkommen entfällt, noch dazu, dass damit strukturelle Steuererhöhungen verbunden sind. Unsere Aufgabe ist nicht, eine neue, zusätzliche Besteuerungsmöglichkeit zu finden, sondern sicherzustellen, dass eine bewährte, praktische und notwendige Form der Finanzierung der Gemeindetätigkeit auch in Zukunft erhalten bleibt. Das ist schwierig genug, aber auch genug im Hinblick darauf, was wir zu tun haben. ({52}) Meine Damen und Herren, unser Land muss zusammenhalten. Der Bundeshaushalt kann dazu nur einen Beitrag leisten. Vielleicht haben Sie an den Ausführungen, die ich gemacht habe, aber gesehen, dass es sehr wohl möglich ist, dass wir mit den Entscheidungen, die wir hier treffen, und mit den Finanzmitteln, die wir bewegen, dazu beitragen, dass unser Land nach vorne kommt, dass wir nach außen und nach innen die Sicherheit gewährleisten können, die wir benötigen, dass wir die ökonomischen und technischen Infrastrukturen schaffen können, damit wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze auch in Zukunft gesichert sind, und dass wir dazu beitragen können, dass der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft besser wird, als er heute ist. Alles das prägt diesen Bundeshaushalt. Der eine findet das eine zu viel, der andere findet das zu wenig. Ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass das auch eine bessere Antwort ist als die Antwort derjenigen, die unser Land spalten wollen. Das sollten wir uns niemals gefallen lassen. Schönen Dank. ({53})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch für 2019 legt die Regierung einen unvollständigen Haushalt vor. Man schafft es einfach nicht, die Belastungen auch nur annähernd vollständig einzubuchen. Man hat zwar dank der künstlichen Nullzinspolitik der EZB erneut ein rekordhohes Steueraufkommen. Mit Gebühreneinnahmen sprechen wir von 357 Milliarden Euro. Wenn man die Positionen der Steuereinnahmen, die direkt wieder an die EU abfließen, noch dazurechnet, dann sind wir schon bei 390 Milliarden Euro. Hinzu kommt, dass wir derzeit Meldungen hören, dass im ersten Halbjahr 2018 Bundessteuern in Höhe von 19 Milliarden Euro zusätzlich hereingekommen sind. Dieser zunehmend kleptomanische Staat nimmt seinen Bürgern inzwischen also über 400 Milliarden Euro pro Jahr ab. Entgegen den Behauptungen mancher auf der Regierungsbank hier ist es natürlich nicht der Staat, der dieses Geld erwirtschaftet. Nein, es sind Millionen von Steuerzahlern, die jeden Tag mit ihrer Arbeit die Basis für diesen Geldsegen legen. ({0}) Trotzdem unterlässt der Finanzminister 2019 erneut die Einbuchung von gewaltigen Risiken im Bundeshaushalt: Erstens. Für die Rentenrisiken fehlt praktisch jede Rücklage. Die in die neue „Demografievorsorge Rente“ ab 2021 eingestellten 2 Milliarden Euro sind angesichts von Rentenzahlungen in Höhe von 300 Milliarden Euro und einem Bundeszuschuss von fast 100 Milliarden Euro pro Jahr wirklich nichts. Das ist reine Schaufensterpolitik. ({1}) Zweitens. Die Euro-Rettungskosten sind auch 2019 in keiner Weise in den Haushalt eingestellt, obwohl auch hier große Teile der über EZB, ESM und Bundesbank aufgeladenen schlechten Forderungen eines Tages natürlich durch den Steuerzahler zu tragen sein werden. Drittens. Auch die Kosten der illegalen Zuwanderung werden nicht adäquat eingepreist. 2015 waren es, wie wir inzwischen durch eine Anfrage amtlich wissen, zu 97 Prozent illegale Einwanderer. ({2}) Nicht nur gesellschaftlich, sondern auch finanziell wird Deutschland einen hohen Preis dafür zahlen. ({3}) Viertens. Daneben gibt es natürlich sehr hohe Risiken bei Einzelpositionen. Dafür fehlt heute die Zeit. Als ein Beispiel nenne ich nur das berühmte Baukindergeld, das meiner Meinung nach um den Faktor 4 zu gering in den Haushalt eingestellt worden ist. Dieser Haushalt ist somit ein unvollendetes Nebelkunstwerk. Man hat auch 2019 keine schwarze Null – nicht annähernd. Dabei besteht weiterhin ein Sondereffekt, nämlich die minimale Zinsbelastung auf die Bundesschuld. Obwohl der Finanzminister in Geld schwimmt, kitzelt er aus dieser Kostenposition doch tatsächlich noch mehrere Milliarden an Zinsgewinnen heraus. Wie geht das? Das geht durch einen Trick zulasten künftiger Steuerzahler: Trotz paradiesischer Refinanzierungssätze stockt der Bund lieber teure Altanleihen auf, wodurch er technisch einen Agiogewinn einstreicht. Statt sich über neue Anleihen – für lange Zeit fast zu Nullkosten – zu refinanzieren, begibt der Bund ernsthaft Anleihen zu 2,5 Prozent, was zwar einen kurzfristigen Gewinn erbringt – das geschieht wohlgemerkt in der besten aller Einnahmewelten –, sich aber über jahrzehntelang zu zahlende überhöhte Zinskosten milliardenschwer rächen wird. Das sind die Tricks, die hier angewandt werden – in der besten aller Welten. Weiterhin sehen wir im Entwurf tatsächlich rückläufige Investitionen. Das, was Sie eben erzählt haben, Herr Minister, zeigt sich nicht in Ihrem Zahlenwerk: Es gibt keinen Aufwuchs an Investitionen, nicht nominal und schon gar nicht real. Es gibt von 2018 nach 2019 einen Rückgang. Das ist das Zahlenwerk, das uns vorliegt. ({4}) Die alte Frage steht somit im Raum: Wann, wenn nicht jetzt, will diese Regierung Steuern senken? Stattdessen werden nun sogar Steuererhöhungen vorgeschlagen; dazu im Laufe der Woche mehr. Dann diese „Erfolgsmeldung“ – Herr Minister, Sie haben es ja eben erwähnt –: Deutschland wird aufgrund dieser vielen Sondereffekte und aufgrund der unvollständigen Buchführung die Maastricht-Kriterien nach 17 Jahren erstmals wieder einhalten. Ja, das ist schon was. Aber was bedeutet denn das? 17 Jahre lang hat Deutschland gegen europäisches Recht verstoßen. Auch 2019 tun das noch immer praktisch alle Euro-Staaten, viele als Mehrfachtäter, und das seit eineinhalb Jahrzehnten. Ein hundertfacher Verstoß gegen geltendes Recht und damit gravierendes Unrecht! Wo ist der Verfassungsschutz, wenn man ihn wirklich bräuchte? ({5}) Dieser Haushalt hat in etwa denselben Wahrheitsgehalt wie: Griechenland ist nun gerettet und kann sich selbst refinanzieren. – Oder: Es gab Hetzjagden in Chemnitz. ({6}) Um mit Regierungssprecher Seibert zu sprechen, also etwas paraphrasierend: Solche Zusammenrottungen von Vernebelungen, solche Hetzjagden auf die Regeln ordentlicher Buchführung oder den Versuch, Hass gegen die buchhalterische Wahrheit zu verbreiten, nehmen wir nicht hin. Das hat in diesem Bundeshaushalt nichts verloren. Das verurteilen wir auf das Schärfste. ({7}) Zuletzt: Man löst nun auch noch die sogenannte Asylrücklage auf. Ab 2019 sollen 22 Milliarden Euro zusätzlich in diesen ohnehin schon superfetten Haushalt hineingepumpt werden. Zwar sind auch wir als AfD grundsätzlich für die Auflösung dieses Schattenhaushalts, mit dem sich die Regierung eine Verfügungsmasse für die Kosten der illegalen Migration geschaffen hat. Doch nun aktiviert man dieses Geld ausgerechnet in der denkbar fettesten Zeit. Man alimentiert hier somit noch stärker ein gesellschaftliches und finanzielles Problem, das sich ohne den anhaltenden Rechtsbruch von 2015 niemals gestellt hätte. Die Bundesregierung feiert eine hyperkeynesianische Party – Sie haben es schon angedeutet, ich füge „hyper“ hinzu – und verkonsumiert die Früchte des künstlichen Booms über fehlgeleitete Programme, mehr Zuwanderung, mehr Euro-Rettung, mehr Türkei-Hilfen, mehr Supranationalismus und damit gegen Deutschland. ({8}) Hier ist nichts nachhaltig. Die Party wird enden, und dann wird sich zeigen, wie nackt die GroKo dieses Land hinterlassen wird. Nach uns die Sintflut. Regiere jeden Tag so, als wäre es dein letzter. – Eines Tages könnte das wahr sein. Ja, ich versichere Ihnen: Eines Tages wird es wahr sein! ({9}) Vielen Dank.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU. ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben es erwähnt: Vor zehn Jahren war die Pleite von Lehman Brothers. Ich will zehn Jahre zurückdenken und an die Maßnahmen erinnern, ({0}) die wir damals, 2008/2009, getroffen haben: Stichwort Kurzarbeitergeld, das 10-Milliarden-Euro-Paket an Investitionen für die Kommunen, eine massive Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, unter anderem eine Kindergelderhöhung. Ja, wir haben 2010 einen Haushalt mit einer Verschuldung von 86 Milliarden Euro gehabt. Wir haben in der damaligen Legislaturperiode mit der FDP dafür gesorgt, dass die Schulden Stück für Stück abgebaut worden sind. ({1}) – Die Neuverschuldung, Entschuldigung. – Dann haben wir 2014 mit der SPD keine neuen Schulden mehr gemacht. Herr Kollege Boehringer, wenn wir das alles 2008/2009 nicht gemacht hätten, wäre Deutschland nicht stärker aus der Krise herausgekommen, als es hineingegangen ist. Deswegen war es damals richtig, so zu handeln. Es war genauso richtig, in der Zeit danach – ab 2010 – Stück für Stück die Neuverschuldung zurückzuführen. Das gibt uns heute Luft zum Atmen für Investitionen in Zukunft und Sicherheit, für Investitionen in den sozialen Zusammenhalt, und unter dem Strich ist der Bundeshaushalt 2019 solide und seriös, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Ja, es hat ein bisschen gedauert – wegen Finanzkrise, Euro-Krise und der schwierigen außenpolitischen Situation –, bis wir die 60-Prozent-Schuldenstandsquote einhalten können, nämlich spätestens im nächsten Jahr, vielleicht auch schon in diesem Jahr. Das führt dazu, dass Haushaltsüberschüsse entstehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn an dieser Stelle immer von 36,5 Milliarden Euro die Rede ist, dann denkt alle Welt, diese Zahl bezieht sich nur auf den Bund. Mitnichten ist das so. Die kleinste Teilmenge landet beim Bund. Das sind 5,3 Milliarden Euro. ({3}) Die Gesamtheit der Länder hatte einen Überschuss – teilweise nach kreativer Buchung – in Höhe von 12,1 Milliarden Euro; die Kommunen hatten einen Überschuss in Höhe von 10,7 Milliarden Euro und die Sozialversicherungen in Höhe von 8,4 Milliarden Euro. Warum führe ich das an? Wenn wir über Themen wie Grundgesetzänderung, Wohnungsbau und Investitionen in die Bildungsinfrastruktur reden, dann muss man auch darüber reden, wer an dieser Stelle zuständig ist und die Verantwortung trägt. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den schwierigen Debatten vor Ort erleben wir, dass viele Bürgerinnen und Bürger mittlerweile meinen, der Bund sei für alles zuständig. ({5}) Es gibt den Begriff „Subsidiarität“ bzw. „Dezentralität“. Das heißt, dass man die Dinge, die man vor Ort lösen kann und sollte, dann auch bitte vor Ort löst. Herr Minister, Sie haben das Gute-Kita-Gesetz angesprochen. Nichts ist dagegen einzuwenden, ({6}) aber die Frau Ministerin wird wie ihre Vorgängerin ein Problem haben. Zielvereinbarungen hin oder her: Solange wir weiter über Umsatzsteuerpunkte Geld an Länder und Kommunen geben, greifen weder Artikel 104c des Grundgesetzes, den wir geändert haben, noch Artikel 114 des Grundgesetzes. Vielleicht hört mir die Familienministerin mal zu. Es wird ganz stark darauf ankommen, Frau Ministerin, wie Sie diese 16 Zielvereinbarungen kontrollieren. Ich könnte Ihnen jetzt bis Mitternacht Beispiele dafür nennen, wo der Bund über Umsatzsteuerpunkte Geld gibt – auch für Betriebskosten von Kitas –, das nicht bei den Kommunen ankommt, sondern irgendwo in den Landeshaushalten versickert. ({7}) Warum sage ich das? Aktuell gibt es im Land Berlin eine Debatte darüber, dass man Schulden tilgen will. Das kann man alles machen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Nur hat das Land Berlin Anfang der 2000er-Jahre unter Rot-Rot Hunderttausende Wohnungen privatisiert und von 2006 bis 2012 nicht eine einzige Sozialwohnung gebaut. Auch heute wird dort nicht komplett die Vereinbarung „1 Euro Bund, 1 Euro Land“ umgesetzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer bei der Polizeiausstattung Probleme hat, bei dem Schulen marode sind und wer seine Verpflichtungen beim sozialen Wohnungsbau nicht erfüllt, der sollte nicht anfangen, Schulden zu tilgen. ({8}) Während wir heute den Bundeshaushalt beraten, sind wir – und darüber sollten wir reden – in den Ländern in ganz unterschiedlicher Verantwortung aufgestellt. Ich will nur daran erinnern, dass heute der Bund komplett die Grundsicherung im Alter übernimmt: per anno 7 Milliarden Euro. Ich will nur daran erinnern, dass die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft mittlerweile 6 Milliarden Euro beträgt. Ich will nur daran erinnern, dass wir das BAföG komplett übernommen haben. Das sind 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Ich will nur daran erinnern, dass wir ein 5-Milliarden-Euro-Entlastungspaket für Länder und Kommunen aufgelegt haben – ohne Gegenleistung. Deswegen kann es aus meiner Sicht nicht so sein, dass in dem Land, wo ich wohne, die SPD/CDU-Regierung ein Schulbauprogramm mit 330 Millionen Euro auflegt, von dem weniger als 10 Prozent Landesmittel sind. Der Rest kommt von Bund und EU. Warum sage ich das? Schauen Sie sich nur die Mittelabflüsse bei den Sondervermögen an, zum Beispiel für den Kitaausbau oder das Kommunale Investitionsprogramm. Hier bestehen Defizite, die die Bürger vor Ort wahrnehmen. Deshalb appelliere ich mit Blick auf die Grundgesetzänderungen an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich ernsthaft mit den Vorschlägen des Bundesrechnungshofs zu den Themen „Zusätzlichkeit“ und „Sanktionsmöglichkeiten“ zu befassen. Wir alle haben nichts davon, den bisherigen Kurs – das heißt, der Bund stellt Geld zur Verfügung, aber die Menschen vor Ort merken, dass das Geld nicht ankommt – weiter zu verfolgen. ({9}) Die „Bild am Sonntag“ hat eine Emnid-Umfrage veröffentlicht, in der es um die Frage ging: Wo sind die größten Defizite? – Dort, wo wir, der Bund, am meisten Geld zur Verfügung stellen, zum Beispiel bei der Verkehrsinfrastruktur, beim Wohnungsbau und beim Zustand von Schulen und Kitas. Mein dringlicher Appell lautet an dieser Stelle – weil wir vor wichtigen Entscheidungen stehen –, gemeinsam an die Menschen vor Ort zu denken. Ich darf das, was Außenminister Maas am 13. Juni 2018 in Berlin gesagt hat, zitieren: Aber auch einer anderen Realität dürfen wir uns nicht verschließen: Deutschland wird Fähigkeitslücken der Bundeswehr schließen müssen, wenn wir uns auf einen solchen Weg begeben. Das kostet Geld. Aber Investitionen in Ausrüstung sind noch lange keine Aufrüstung. Weiter sagte er: Wir tun das übrigens nicht, weil Präsident Trump das gerade einfordert ... ({10}) Herr Minister, ja, es gibt einen Aufwuchs beim Verteidigungshaushalt im Bundeshaushalt 2019. Wenn Sie sich aber die Finanzplanung genau anschauen und die Personalverstärkungsmittel unberücksichtigt lassen, dann stellen Sie fest, dass es an dieser Stelle ein reales Minus gibt. Es kann nicht sein, dass für wichtige Beschaffungsvorhaben, zum Beispiel für das MKS 180, den schweren Transporthubschrauber oder die Eurodrohne – ich könnte die Liste beliebig fortsetzen –, bis 2022 keine Verpflichtungsermächtigungen eingegangen werden und dass das Bundesverteidigungsministerium dann, wenn es zum Abschluss von Beschaffungsverträgen kommen soll, keine Vereinbarungen schließen kann, weil die entsprechenden Verpflichtungsermächtigungen nicht vorhanden sind. Jährliche Verpflichtungsermächtigungen sind Voraussetzung, um Verträge über entsprechende Beschaffungsprojekte abzuschließen. Deswegen sage ich Ihnen im Namen der Unionsfraktion: Unser Außenminister hat recht. Er hat als Mitglied der Bundesregierung gesprochen. Das, was er gesagt hat, muss sich im Einzelplan 14, im Verteidigungsetat, abbilden. ({11}) Zum Haushalt 2019. Wir investieren in Sicherheit und Zukunft. Wir investieren auch in sozialen Zusammenhalt. Wir werden einen Aufwuchs bei den Sozialausgaben von rund 160 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf fast 194 Milliarden Euro bis zum Ende der Finanzplanperiode 2022 zu verzeichnen haben. Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Thema Rente. Bevor wir hier neue Debatten anfangen, ohne sie finanziell zu unterlegen, ({12}) sollten wir nach meiner Auffassung erst einmal die Rentenkommission in Ruhe arbeiten lassen. ({13}) Das Schwierigste ist: Was unter dem „Rentenniveau“ zu verstehen ist, können Sie keinem normalen Bürger erklären. ({14}) Wenn ich bei mir zu Hause frage: „Wie groß ist denn die Altersarmut in Mecklenburg-Vorpommern?“, ({15}) das heißt, wie viele Sozialhilfe beziehen, dann erhalte ich die Antwort: 30 Prozent. – Tatsächlich sind wir das Land, das gemeinsam mit zwei weiteren neuen Bundesländern mit 1,6 Prozent die niedrigste Altersarmut in Deutschland hat. Danke schön. ({16})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Otto Fricke, FDP. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Rehberg, wenn Sie ins Protokoll schauen werden, werden Sie ziemlich häufig – ich weiß nicht, ob Ihnen das angenehm ist – lesen können, dass Sie Applaus von der FDP bekommen haben. Denn Ihr Vortrag war eine realistische Einschätzung dessen, was Haushaltspolitik eigentlich bedeutet, und es wurde klar, dass man nicht, wie es die Regierung leider wieder tut, falsche Versprechungen machen sollte, sondern sich an der Realität orientieren sollte, um so die Zukunft zu beschreiben. Meine Damen und Herren, der Haushalt 2019 ist wirklich nichts Neues. ({0}) Wir haben als FDP gedacht: Gut, 2018 – schnell gestrickt. Da hast du nicht viel Zeit. Da kann ein Finanzminister noch nicht so viele Dinge zustande bringen. Aber im Haushalt 2019, da kommen die dicken Klopper; da wird gezeigt, wo Zukunft ist. Da sagt die Große Koalition: Da wollen wir hingehen. – Und dann guckt man sich das an, und was ist es? Es ist das Lieblingswort des Finanzministers: Weiter so! Es ist immer wieder nur dieses wunderschöne Weiter-so. ({1}) Es ist kein Haushalt der Zukunft. Es ist ein Haushalt des Hier und Jetzt und ein Haushalt von leeren Versprechungen, die im Zweifel auch noch spätere Generationen bezahlen müssen. ({2}) Meine Damen und Herren, an dieser Stelle ist auch nicht zu erkennen, wo Sie irgendwo in wirtschaftlich guten Zeiten auch wirklich mal umsteuern und sagen: Jetzt können wir bestimmte Dinge machen. – Ich kann nicht erkennen, dass beim Thema Steuern außer dem, was gesetzlich sowieso verpflichtend ist, etwas geschieht. Herr Scholz, das unterschlagen Sie ja immer so gerne: Sie machen keine Steuerreform, sondern Sie setzen verfassungsrechtlich Gebotenes, meistens auch noch ein bisschen verspätet, um. Nichts ist es mit einer Steuerreform, weil Sie sie auch gar nicht wollen; denn Sie wollen das Geld behalten. ({3}) Sie sagen auch nicht: Der Staat trennt sich von Dingen, die er nicht braucht. Das wären zum Beispiel Telekommunikations-, Logistikunternehmen und Ähnliches. Nein, das wollen Sie nicht; denn Sie wollen diese Dinge behalten, und Sie wollen als Staat Einfluss nehmen. Und es geht ja noch weiter: Sie wollen jetzt auch noch dem Wirtschaftsministerium einen Fonds geben, damit es möglichst an allen Stellen auch noch so eine Art VEB Bundesrepublik Deutschland auflegen kann. Das ist das, was Sie vorhaben. Das ist nichts Neues, das ist nicht Zukunft, es ist Rückwärtsgewandtheit, was Sie da machen. ({4}) Ich habe mir auch gedacht: Na ja, gucke doch wenigstens mal in den Subventionsbericht; denn Herr Scholz ist ein kluger, fleißiger Mann. ({5}) Der wird hinsichtlich solcher Subventionen schon sehen: Wenn sie notwendig sind, dann kann man das bei Haushaltsberatungen auch immer schön mit Zahlen nachweisen, Kollege Kahrs. Dann wird er doch wenigstens Subventionen abbauen. – Was machen Sie? Was macht die Große Koalition? Sie bauen weiter Subventionen auf. Subventionsaufbau in wirtschaftlich besten Zeiten heißt am Ende: Beim nächsten Knick – Sie haben richtig gesagt, er wird irgendwann mal kommen – stehen Sie blank da, und das ist das Schlimmste, was Sie dem Bürger mit der Haushaltspolitik antun können. ({6}) Was mich sehr ärgert, ist, dass wir hier jetzt wieder hören, was Sie alles machen und wofür Sie Geld ausgeben wollen. In einem modernen Sozialstaat ist es klar, dass wir den Bürgern das Versprechen geben, dass die Leistungen der sozialen Sicherheit, die wir gegeben haben, auch die sind, auf die sie sich verlassen können. – Und wehe, sie können sich nicht mehr darauf verlassen – das weiß Ihre Partei am besten –: Das führt dann dazu, dass man von 40 Prozent auf unter 20 Prozent absinkt. Die Agenda 2010 wirkt insofern noch nach, als Sie vorher anderes versprochen haben. Und was machen Sie jetzt? Sie gehen bei der Frage „Wofür geben wir in Zukunft eigentlich mehr Geld aus?“ wieder genau denselben Weg. Wir haben das mal nachgerechnet. Von den Mehreinnahmen 2018 bis 2022 gehen 70 Prozent in Arbeit und Soziales, und wenn Sie Verteidigung noch dazunehmen, sind es 85 Prozent. Im Laufe dieser Woche werden wir über die restlichen Fitzelchen von 15 Prozent beraten. Wir diskutieren über Erhöhungen von 10 Millionen Euro, von 5 Millionen Euro, wodurch wir noch ein klein bisschen was tun können; aber eigentlich verfrühstücken Sie die Zukunft, indem Sie 85 Prozent für innere Sicherheit nicht geben, für Bildung nicht geben, für Zukunft jeglicher Art nicht geben, für Kinder nicht geben, sondern nur sagen: Arbeit und Soziales und Verteidigung, dafür geben wir 85 Prozent aus. – Das ist nicht zukunftsgewandt, das ist vergangenheitsorientiert. ({7}) Meine Damen und Herren, von einem war nicht die Rede, und das, Herr Scholz, ärgert mich am meisten. Eigentlich sind Sie – das haben wir im Haushaltsausschuss gesehen – in die Vorlagen doch eingearbeitet, und Sie wissen, was Ihre Aufgabe ist. Aber Sie nehmen Ihre Aufgabe als Haushaltsminister, als Neinsager, als jemand, der auch einmal auf seine Wächterfunktion hinweist, nicht wahr. Sie verzichten jetzt ja sogar darauf, in Aufsichtsräte von großen Bundesunternehmen zu gehen, was keiner Ihrer Vorgänger gemacht hat. Daher will ich zum Schluss sagen: Ich habe das Gefühl, Herr Scholz, Sie sollten mehr auf die Vorlagen – erst mal weniger auf Ihr Handy – und – das war das Kernproblem Ihrer Rede – weniger auf den Stuhl links von Ihnen gucken. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Abgeordnete Johannes Kahrs, SPD. ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben alle die Rede des Bundesministers der Finanzen gehört. Das Wesentliche ist gesagt. ({0}) Wenn man sich den Haushalt anguckt, dann weiß man: Dieses Land wird gut regiert. Wenn man jetzt sieht, dass Frau Merkel und Herr Rehberg miteinander reden, dann weiß man: ({1}) Es wird das noch geklärt, was zu klären ist. Ansonsten muss man feststellen, dass diese Große Koalition, egal was hier von links oder rechts behauptet wird, ein Hort der Stabilität ist, ({2}) dass dieses Land gut regiert wird und wir Sozialdemokraten zusammen mit der CDU/CSU das tun, was nötig ist, damit die Menschen in diesem Land merken: Es geht vorwärts. Wenn Sie mal von außen auf Deutschland gucken, dann werden Sie feststellen, dass es uns hier deutlich besser geht als den Menschen fast überall woanders. ({3}) Das liegt daran, dass dieses Land gut regiert wird, dass wir keine neuen Schulden machen, dass Wohnungen gebaut werden, dass wir uns um die Rente kümmern, dass wir uns um diesen Sozialstaat kümmern. Natürlich streitet man sich – auch wenn es mir schwerfällt, mich mit dem Kollegen Rehberg zu streiten: ab und zu streiten selbst wir –, ({4}) aber das ist in einer Großen Koalition auch mal notwendig; ({5}) das ist vollkommen in Ordnung. Aber im Kern darf man nie vergessen: Diese Bundesregierung regiert dieses Land gut, sie regiert es stabil, und wir sind diejenigen, die dafür sorgen, dass die Rente sicher ist, dass im Wohnungsbau etwas passiert, dass der Koalitionsvertrag umgesetzt wird. ({6}) – Damit die FDP, die hier wieder mal nicht durch Herrn Lindner vertreten ist, weil er was weiß ich wo in der Republik umherreist, das mitbekommt, kann man vielleicht noch mal sagen, dass die einzigen Steuersenkungen, die vorgenommen worden sind, diejenigen waren, die Rot-Grün hinbekommen hat, und dann gibt es noch diejenigen, die wir am Ende der Legislaturperiode durchsetzen werden, indem wir den Soli für 90 Prozent der Menschen in diesem Land abschaffen; ({7}) die anderen 10 Prozent können ihn gern zahlen. Das Geld wird nämlich gebraucht: für die Rente, für den sozialen Wohnungsbau und für all das, was dieses Land am Ende zusammenhält. ({8}) Wenn man sich jetzt anguckt und anhört, was die AfD zum Besten gibt, wie sie es gerade wieder getan hat, dann stellt man fest, dass sich nicht alle um den inneren Zusammenhalt in diesem Land scheren. Dieser Koalitionsvertrag tut seinen Teil. Dass die AfD beim letzten Mal schon die Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert hat, was wir natürlich ablehnen, kann ich verstehen; man sollte sie dringend von selbigem beobachten lassen. ({9}) Ich würde es richtig und gut finden, wenn der Verfassungsschutz die AfD beobachtet. Wenn man sich anguckt, was da bei Facebook, Twitter und Instagram in ihrem Bereich so rumtobt, ({10}) wenn man sich anguckt, mit wem die AfD zusammen demonstriert – mit irgendwelchen Nazis, mit Pegida, mit Menschen, die den Hitlergruß zum Besten geben –, dann stellt man fest: Es ist verlogen, wenn genau diese AfD hier Herrn Schäuble zuklatscht, wenn er genau das beklagt, wenn die gleiche AfD diese Nazis, die mit dem Hitlergruß durch dieses Land ziehen, auch noch unterstützt, indem sie dabei ist, gemeinsam dazu aufruft. ({11}) Dieses Maß an Verlogenheit ist es, was dieses Land eher spaltet; es sind nicht die Flüchtlinge, die wir jetzt in Arbeit bekommen, und zwar deutlich mehr als je geplant, ({12}) es sind nicht die Menschen, die in diesem Land hart arbeiten und Steuern zahlen, sondern es ist eine Partei – Herr Gauland gehört dazu –, die immer an den inneren Schweinehund im Menschen appelliert, an Hass, Neid, Missgunst und Frust. ({13}) Das ist das, was Sie zu bieten haben. Keine Inhalte! Wenn man sich Ihre Inhalte hier anguckt, dann stellt man fest: Sie tun was für Besserverdienende, gegen diesen Staat, gegen den Verfassungsschutz. Das ist erbärmlich. Dagegen ist diese Große Koalition ein Hort der Stabilität. Wir halten dieses Land zusammen. ({14}) Wir sorgen dafür, dass das, was wir hier beschließen, dazu führt, dass die Menschen in diesem Land bezahlbare Wohnungen bekommen werden, dass die Rente langfristig sicher ist und dass wir für die Menschen in diesem Land einen handlungsfähigen Staat schaffen. Der Kollege Rehberg und ich werden uns sehr dafür einsetzen, dass zum Beispiel im Bereich der inneren Sicherheit, bei der Bundespolizei, beim Zoll und anderswo, neue Stellen geschaffen werden. ({15}) Wir setzen uns dafür ein, dass der Zoll ausgestattet wird, nicht nur mit neuen Stellen, sondern auch mit Material, und das THW ebenso. Wir setzen uns dafür ein, dass wir hier Stellen neu schaffen, Stellen heben, Stellen entfristen; denn das führt dazu, dass der Staat in der Lage ist, etwas mit den vielen Milliarden, die wir investieren, umzusetzen, damit wir nicht wie in den letzten Jahren Geld zurückbekommen. Ich glaube, dass das etwas ist, was dazugehört. Der Bundesfinanzminister hat auch die Rente angesprochen. Natürlich ist es gut, dass die Rente jetzt nicht absacken wird. Genauso ist es richtig, dass die Beiträge nicht steigen. Nicht richtig ist es, dass die Rente nur bis 2025 so festgehalten worden ist. Auch darüber streite ich gern mit der Union. Das tut aber nichts zur Sache; wir regieren trotzdem vernünftig miteinander. Da muss die FDP gar nicht so verzweifelt gucken. Sie hätten den Finanzminister und den Vizekanzler stellen können; Sie hätten regieren können. All das Gehupe ist folgen-, frist- und planlos, weil Sie es selbst zu verantworten haben, dass Sie nicht regieren. Deswegen ist das leider erbärmlich. ({16}) – Dass es Sie vielleicht nervt, Herr Fricke, verstehe ich doch. Dass es nervt, wenn man weiß, man hätte regieren können, man hätte einen Haushalt vorlegen können, hätte Steuern senken können, wenn es die Union mitgemacht hätte, weiß ich doch. Aber Sie hatten Ihre Chance; Sie haben es vier Jahre lang versemmelt. Deswegen sind Sie aus dem Deutschen Bundestag geflogen. Akzeptieren Sie das doch einfach mal. Und jetzt wollten Sie nicht regieren. Wenn man die Traute nicht hat, dann ist das eben nun mal so. ({17}) Wir hingegen werden Geld ausgeben – jawohl: Steuergeld –, auch für den demokratischen Zusammenhalt. Wir werden zum Beispiel in Freiwilligendienste investieren. Wir finden es richtig und gut, dass es für Menschen, die sich freiwillig in diesem Land engagieren wollen, auch Stellen gibt. Das ist doch wesentlich. Ehrlicherweise bin ich ein großer, ein glühender, ein bekennender Fan der Wehrpflicht. Leider hat die CDU sie zusammen mit der FDP abgeschafft. Das hat uns eine zweistellige Milliardensumme gekostet. Jetzt die Neueinführung der Wehrpflicht zu fordern, ist nicht nur fiskalisch, sondern auch organisatorischer Wahnsinn. Deswegen wird es dazu nicht kommen. Eine allgemeine Dienstpflicht für alle hilft übrigens nicht denjenigen, denen man helfen will. Es gäbe dann auch Fälle, in denen dort jemand säße, der unwillig ist, weil er da nicht freiwillig ist. Deswegen bauen wir die Freiwilligendienste aus, und das ist gut. Der Kollege Rehberg, den ich sehr schätze, mit dem ich sehr gut und eng zusammenarbeite, hat gesagt: Man soll dem Verteidigungsministerium und der Verteidigungsministerin helfen. – Ecki, das tun wir gern. Auch wenn sie gerade mal wieder nicht da ist, finde ich es wichtig und gut, dass wir der Verteidigungsministerin helfen. Wir würden ihr gern dabei helfen, die 1 600 Stellen in Koblenz, die nicht besetzt sind, wieder zu besetzen, damit das Beschaffungsamt der Bundeswehr irgendwann mal funktioniert. ({18}) Ich finde, das ist eine gute Geschichte, das ist eine bewährte Struktur. Das Beschaffungsamt der Bundeswehr hat bis zu Herrn von Guttenberg hervorragend gearbeitet. Irgendwelche Privatisierungsexzesse der FDP und andere Vorstellungen haben dazu geführt, dass das jetzt nicht mehr so ist. Dort gehören die Stellen besetzt. Immer wieder wird geklagt: Das Parlament ist schuld, dass es nicht funktioniert, weil es die 25-Millionen-Euro-Vorlagen gibt. – Ich habe der Ministerin im Haushaltsausschuss angeboten: Dann lassen wir es eben. Wir nehmen die 25-Millionen-Euro-Vorlagen zurück und führen die gute alte Kameralistik ein: nicht gegenseitig deckungsfähige Titel, genaue Haushaltskontrolle. Das können wir gerne machen. – Die Ministerin hat das leider abgelehnt. Jetzt werden wir mit den 25-Millionen-Euro-Vorlagen weiterarbeiten und die Bundeswehr vernünftig und gut ausrüsten. Das tun wir im Rahmen dieser Großen Koalition; das ist auch gut so. Vielen Dank. ({19})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen in dieser Woche zwei Fragen beantworten. Erstens: Was sind die wirklichen Probleme der Menschen in unserem Land? Und zweitens: Bietet die Regierung mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf die richtigen Lösungen an? Die zweite Frage muss ich leider mit Nein beantworten, meine Damen und Herren. Die Probleme sind doch offensichtlich: Es geht den Menschen um Arbeit und Renten, von denen man leben kann, um Wohnungen, die bezahlbar sind, um Schulen, in denen ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer das neueste Wissen vermitteln, und um Krankenhäuser und Pflegeheime, in denen nicht auf die Rendite geschaut wird, sondern auf die Probleme der Patienten und der Beschäftigten. All diese Themen haben etwas mit Sicherheit zu tun. ({0}) Denn: Viele Menschen sind verunsichert, weil diese Regierung die falschen Themen bearbeitet und auf die wichtigen Fragestellungen die falschen Antworten gibt. Beste Beispiele dafür haben wir gerade gehört. Der Finanzminister hat noch einmal betont, wie notwendig es wäre, die Bundeswehr mit mehr Mitteln auszustatten – wir sagen: aufzurüsten. Wir wissen doch alle: Aufrüstung stärkt nicht die Sicherheit, sondern vermindert die Sicherheit in unserem Land. Und das wollen wir nicht! ({1}) In diesem Haushalt gibt es ein beispielloses Plus bei den Mitteln zur Beschaffung von Waffen: 3 Milliarden Euro mehr; ein Plus von 25 Prozent. Das ist so absurd wie falsch. Das lehnen wir ab! ({2}) Darüber, meine Damen und Herren, freuen sich vor allen Dingen Trump und die Rüstungsindustrie. Sie alle aber wissen auch, dass die Welt mit mehr Rüstung nicht sicherer wird und Fluchtursachen nicht beseitigt werden. Ich finde, darüber müssen Sie nachdenken. ({3}) Eines will ich in aller Deutlichkeit für meine Fraktion und meine Partei sagen: Das Gerede über einen Bundeswehreinsatz in Syrien, das wir seit einigen Tagen erleben, ist der Gipfel der Verantwortungslosigkeit. Die Linke sagt eindeutig: Keine weitere Kriegsbeteiligung der Bundeswehr. ({4}) Wir, Die Linke, wollen statt in Waffen in Schulen, Krankenhäuser, Wohnungen, Busse und Bahnen investieren. Doch was tut die Bundesregierung? Entgegen den Behauptungen von Finanzminister Scholz senkt sie die zivilen Investitionen in diesem Jahr sogar ab und will mittelfristig die Investitionen in unsere Zukunft einfrieren. Meine Damen und Herren, das ist in Anbetracht von kaputten Brücken, absackenden Autobahnen, sanierungsbedürftigen Schulen und Krankenhäusern eine geradezu irrwitzige Vorstellung. ({5}) Sie setzen mit dieser Sparpolitik die Zukunft unserer Kinder und Enkel aufs Spiel. Wir können und müssen mehr investieren. Wir könnten viel mehr investieren, wenn in unserem Land endlich ein gerechtes Steuersystem eingeführt werden würde. ({6}) Doch in diesem Haushalt sind weder eine Vermögen- noch eine Finanztransaktionsteuer eingepreist, obwohl das schon seit langem angekündigt wird. Apropos Ankündigung: Die SPD hat sich ja jetzt auf Ankündigungen spezialisiert. Herr Scholz hat einen Rentenvorschlag gemacht, der vom ersten Herbstregen weggewaschen wurde. Frau Nahles hat jetzt die Mieten­erhöhung völlig zu Recht angesprochen. Ich kann Ihnen nur sagen: Setzen Sie das in der Regierung durch, und machen Sie das nicht in Zeitungsinterviews. Wir als Parlament und natürlich die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben das Recht auf Ergebnisse und nicht nur auf Ankündigungen. ({7}) Zurück zur Investitionsbremse der Bundesregierung: Seit Jahren wird Deutschland zu Recht für die enormen Exportüberschüsse weltweit kritisiert. Es wird vor allem und zu Recht von unseren europäischen Nachbarn erwartet, dass wir mehr in unser Land investieren und ordentliche Löhne zahlen. Deutschland hat den größten Niedriglohnsektor Europas und vernichtet damit Arbeitsplätze weltweit. Die Konsequenz ist, dass in den anderen Ländern die Löhne auch immer weiter gesenkt werden. Eine Lohnspirale nach unten kann doch nicht der Kern sozialdemokratischer Politik sein. Da muss sich doch etwas ändern. ({8}) Und wir müssen uns fragen, warum es in ganz Europa und in den USA einen Rechtsruck gibt. Gibt es globale Entwicklungen, die diesen Trend befördern? Um diese Frage zu beantworten, empfehle ich, den „Report über die weltweite Ungleichheit“, der unter anderem von dem bekannten Ökonomen Thomas Piketty herausgegeben wurde, zu lesen. In diesem Report wird der weltweite Trend zur ungleichen Verteilung des Reichtums wissenschaftlich belegt. In Deutschland ist der Einkommensanteil des obersten Prozents von 1983 bis 2013 um knapp 40 Prozent gewachsen, und der Anteil der unteren 90 Prozent um 10 Prozent gesunken. Ich finde: Linke Parteien müssen sich zusammenschließen, um diese Ungleichheit zu bekämpfen. Dann haben wir endlich eine reale Chance, den Rechtsruck in unserem Land zurückzudrängen. Vielen Dank. ({9})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Sven-­Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Johannes Kahrs hat davon geredet, dass diese Regierung „ein Hort der Stabilität“ sei und gut regieren würde. Ich frage mich: In welcher Welt lebt er eigentlich? ({0}) Also, ernsthaft: Es gibt einen Verfassungsschutzpräsidenten, der rechte Verschwörungstheorien erfindet, und wir haben einen Innenminister, der den Rechtsextremismus verharmlost, der Millionen von Menschen in diesem Land aufs Tiefste beleidigt hat. In dieser Situation frage ich mich: Wo leben Sie eigentlich? Wenn man das ernst nimmt – wir haben schon wieder eine tiefe Regierungskrise wegen Horst Seehofer –, ist es doch so: Horst Seehofer ist der Vater vieler Probleme in dieser Bundesregierung. ({1}) – Da kann jetzt auch die SPD klatschen. Diese rechtspopulistischen Debatten – das ist das Fatale – lähmen die Bundesregierung, weil die zentralen Probleme in diesem Land, aber auch in diesem Haushalt nicht angegangen werden. Die zentralen Probleme sind: Die Mieten explodieren, es gibt einen riesigen kommunalen Investitionsstau, lahmes Internet im ländlichen Raum, giftige Luft in den Städten, viele Millionen Kinder leben in Armut, viele Menschen machen sich Sorgen um ihre Rente, und der Hitzesommer hat gerade gezeigt, dass sich die Klimakrise massiv verschärft. Diese zentralen Probleme muss man angehen. Das passiert aber im Haushalt nicht, und das werfe ich Ihnen als Regierung vor. ({2}) Herr Scholz, Passagen aus Ihrer Haushaltsrede klangen wie Szenen aus Ihrem neuen Buch „Hoffnungsland“. ({3}) Das, was Sie hier vorgetragen haben, lag eher im Bereich der politischen Fiktion. Sie haben alles erzählt, was Sie in Zukunft machen wollen; aber das steht im Haushalt nicht drin. Man muss sich konkret eben auch auf den Haushalt beziehen: Was passiert 2019? Wenn man da hineinguckt, sieht man: Neue Ideen, neue Impulse, eine sinnvolle Schwerpunktbildung – das fehlt alles in diesem Haushalt. ({4}) Das ist so fatal, weil ja eigentlich die Möglichkeiten da sind. Sie haben jetzt große Möglichkeiten, um zu gestalten, um auch etwas zu verändern und für die Zukunft auch wirklich vorzusorgen. Aber dann darf man nicht nur Dienst nach Vorschrift machen, dann darf man nicht nur lustlos den Koalitionsvertrag abarbeiten, dann muss man wirklich den Willen haben, etwas zu verändern, sich innerhalb der Regierung auch wirklich einsetzen und strukturell etwas verändern. Diesen Willen hat die Bundesregierung aber leider nicht. ({5}) Ich finde das so brandgefährlich; denn wir dürfen jetzt nämlich nicht nur an heute denken, sondern müssen auch an morgen und übermorgen denken und die strukturellen Herausforderungen annehmen: Klimakrise, Europa, soziale Ungleichheit. Dazu gehört aber auch die finanzielle Lage dieses Haushalts: Wenn man sich das anguckt, hat man das Gefühl, die Bundesregierung hat sich schon an stetig wachsende Überschüsse gewöhnt und will gar nicht mehr am Haushalt arbeiten. Aber was passiert denn, wenn die Konjunktur einmal abflaut, die Zinsen sich erhöhen oder globale Krisen sich zuspitzen – mit Auswirkung auf den Haushalt? Wir sehen für 2019 schon, dass Sie hart an den Regeln der Schuldenbremse kratzen, den Spielraum fast ausschöpfen und alle Rücklagen in der Finanzplanung aufgebraucht werden. 2019 werden Sie eigentlich schon ein Defizit von fast 10 Milliarden Euro auf Kosten der Substanz haben. Das nenne ich eine fahrlässige Haushaltspolitik, die Sie hier machen. ({6}) Sie ist deswegen so fahrlässig, weil Sie nämlich auch sonst nicht am Haushalt arbeiten. Sie könnten ja ein wirklich hartes Controlling bei Großprojekten einsetzen, zum Beispiel bei Rüstungsprojekten, beim BER oder bei Stuttgart 21. Es gibt genug Beispiele, an die man rangehen muss. Oder wo ist der Abbau von Subventionen? Wo ist eine gerechte Verbesserung der Einnahmeseite? Davon sieht man nichts, gar nichts bei Ihnen. Es ist alles Dienst nach Vorschrift. Und ich sage Ihnen: Das ist deutlich zu wenig für eine nachhaltige Haushaltspolitik. ({7}) Noch einmal an die Adresse der CDU/CSU: Es ist auch nicht besonders nachhaltig und solide, wenn Sie den Haushalt dauerhaft schwächen, indem Sie wieder Steuersenkungen für Besserverdienende fordern. Das geht zulasten des Fundaments des Haushalts und zulasten von wichtigen Investitionen. Auch das ist nicht gerecht und nicht solide. ({8}) Ich finde, gerade nach diesem Hitzesommer muss die Bundesregierung die Klimakrise doch endlich ernst nehmen – auch im Haushalt. Die Klimafrage brennt. Es geht jetzt um unsere Lebensgrundlagen. Sie geben aber jedes Jahr über 50 Milliarden Euro für klimaschädliche Subventionen aus, für den Diesel, für Plastiktüten, für Flugkonzerne, für die Agrarindustrie. Im Haushalt gibt es ein paar Millionen Euro für die Klimarettung, aber es gibt Milliarden für die Klimazerstörung. Wir sagen Ihnen: Das muss sich radikal ändern. ({9}) Wir brauchen solidere Finanzen und mehr Gerechtigkeit auch bei der Rente. Aber was macht diese Regierung jetzt mit dem neuen Rentenpaket? Die Mütterrente  II soll wieder systemfremd, zweckwidrig aus Beitragsmitteln finanziert werden. Ich sage Ihnen: Das schwächt die gesetzliche Rente. Das ist zudem zutiefst ungerecht. Gleichzeitig sagen wir Grünen aber auch: Die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus ist richtig; das unterstützen wir. Aber, Herr Scholz, ich finde, es ist wirklich ein Armutszeugnis, wenn Sie dann sagen, Sie wollen das Rentenniveau bis 2040 auf dem heutigen Niveau stabil halten. Auch dazu sagen wir: Das finden wir gut. Aber Sie legen kein Konzept dafür vor. ({10}) Sie haben keine Ahnung, wie das finanziert werden soll. Ich finde, das sieht mehr nach vorgezogenem Wahlkampf aus als nach wirklich solider Finanzpolitik. Da muss man schon mehr machen, als Zeitungsinterviews geben, Herr Scholz. ({11}) Wir haben dafür Konzepte. Wir sagen Ihnen auch, wie das geht. Wir setzen uns schon lange für eine Bürgerversicherung in der Rente ein, damit die Finanzierungsbasis dauerhaft verbreitert werden kann, damit eben alle beitragen, Menschen mit hohem Kapitaleinkommen, Selbstständige und Beamte; aber auch wir Abgeordnete sollten zur gesetzlichen Rente beitragen. So kann man Solidarität dauerhaft organisieren. So kann man die gesetzliche Rente und das Rentenniveau dauerhaft stabilisieren. ({12}) Diesem Haushalt fehlt leider der Wille zur Veränderung, um strukturell wirklich etwas voranzubringen. Deswegen werden wir in den Beratungen viele Vorschläge dazu machen, wie man diesen Haushalt noch sinnvoll aufstellen kann. Danke schön. ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Ingrid Arndt-Brauer, SPD-Fraktion. ({0})

Ingrid Arndt-Brauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Da gehören Sie natürlich auch dazu, Herr Präsident. ({0}) Ich bin Mitglied des Finanzausschusses. Für alle, die sich nicht so gut auskennen: Wir sind für die Steuergesetzgebung, also für die Einnahmeseite, zuständig. Deswegen möchte ich meine Rede mit einem Dank beginnen. Ich danke allen Bürgerinnen und Bürgern, die Steuern bezahlt haben oder konsumiert haben, für ihre Mitwirkung daran, dass wir diesen tollen Haushalt überhaupt aufstellen konnten. Also: Vielen Dank für ihre Mitarbeit allen Bürgerinnen und Bürgern. ({1}) Das erste Ziel sollte aber weiterhin sein, dass wir versuchen, jeden nach seiner Leistungsfähigkeit zu belasten, also Menschen, die viel verdienen, entsprechend hoch besteuern, Menschen, die Dinge konsumieren, die nicht so günstig sind, auch in entsprechend hoher Zahl besteuern und Leute, die wirklich Bedarf an Unterstützung haben, nicht so stark mit Steuern traktieren, sondern eher mit Leistungen bedenken. Es gibt bei einem Haushalt, wenn er mit Überschüssen arbeitet, immer wieder Forderungen, man soll sofort Steuern senken. Dem möchte ich wirklich widersprechen. Wir müssen erst schauen, dass diese Besteuerung entsprechend der Leistung für alle stattfindet, bevor wir mit Steuersenkungen anfangen. ({2}) Wir werden in diesem Haushalt Entlastungen von über 20 Milliarden Euro haben, wenn er so beschlossen wird, wie er eingebracht wurde. Vielleicht wird ja auch noch daran gearbeitet. Ich gehe davon aus, dass es noch marginale Änderungen geben wird. ({3}) Aber wir werden eine Entlastungswirkung haben, die nicht nur bei den Steuern, sondern auch in anderen Bereichen die Menschen positiv betreffen wird. Ich erwähne einmal das Familienentlastungsgesetz. Ab dem 1. Juli nächsten Jahres wird jede Familie für jedes Kind 10 Euro mehr Kindergeld bekommen. ({4}) Ich denke, das wird jeder merken, der Kinder hat. Ich selber habe vier Kinder. Für mich wären das – meine Kinder sind leider schon zu alt – auf einen Schlag 40 Euro mehr im Monat. Das ist eine bemerkenswerte Zuwendung, die solche Familien bekommen werden. Entsprechend wird der Grundfreibetrag angepasst – auch das ist eine sinnvolle Maßnahme. Wir hören immer wieder den Vorwurf, es würde eine kalte Progression geben. Ich bin davon nicht so überzeugt, aber es gibt natürlich eine gewisse Wirkung aufgrund der Inflation. Wir haben zwar keine hohe Inflationsrate, aber wir gleichen das mehr als aus, indem wir den Grundfreibetrag erhöhen und die Steuerkurve damit nach rechts schieben. Der Grundfreibetrag wird 2019 auf 9 168 Euro und 2020 auf 9 408 Euro erhöht. Ich denke, das ist mehr als ein Ausgleich der Inflationsrate. Nächstes Stichwort: Elektromobilität. Hier wollen wir ganz bewusst fördern und nicht Steuern in irgendwelchen Bereichen senken. Hier soll ganz bewusst eine politische Entscheidung begleitet werden. Wir wollen die Elektromobilität, vor allen Dingen bei Dienstwagen, noch stärker fördern. Das wird dann in der Zukunft in der vollen Jahreswirkung eine Entlastung von 290 Millionen Euro bringen. Ich denke, das ist ein gutes Gesetz, auch für unsere Umwelt; das ist ja schon angesprochen worden von meinem Vorredner. Wir müssen etwas gegen die Klimakatastrophe tun. Das tun wir hiermit, denke ich, in sinnvoller Weise. ({5}) Aus dem ehemals sogenannten Jahressteuergesetz ist jetzt ein Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen geworden. Das macht Sinn. Auch die Umbenennung macht Sinn; denn wir haben gerade bei der Umsatzsteuer eine etwas problematische Situation, vor allen Dingen im digitalen Bereich. Wir haben Plattformen, die für viele internationale Firmen einen Marktplatz bieten. Man kann sich da Sachen bestellen. Man kann aber nicht sicher sein, dass die Firma, die liefert, auch entsprechend Umsatzsteuer abgeführt hat. Man kann als Kunde vielleicht auf der Rechnung sehen, dass keine Umsatzsteuer abgeführt wurde, aber man kann das als Kunde nicht ändern. Diese Einnahmen entgehen den Finanzämtern. Hier werden wir eingreifen, und wir werden die Plattformen dazu animieren, dass sie nachschauen, ob die Firmen, mit denen sie zusammenarbeiten, auch Steuernummern haben und die Umsatzsteuer entsprechend abführen. Das bringt nicht nur mehr Einnahmen, sondern das wird auch dazu führen, dass gerechter besteuert wird und die Wettbewerbsnachteile unserer Unternehmen, die ordentlich Umsatzsteuer zahlen, dann nicht mehr vorhanden sind. ({6}) Ein Stichwort noch, das im Moment in allen Zeitungen auftaucht: die Digitalsteuer. Ja, wir wollen die Digitalsteuer. ({7}) Es gibt große internationale Unternehmen, die es schaffen, durch gezielte Steuergestaltung, die sich „Double Irish with a Dutch Sandwich“ nennt, Steuern zu vermeiden. Das hört sich so harmlos nett an, so irgendwie nach etwas zum Essen mit zwei Brötchen drüber. Das ist aber nicht so harmlos, wie es sich anhört. Es ist eine riesige vermiedene Steuerzahlung. Das ist nicht kriminell, aber es werden einfach Schlupflöcher ausgenutzt, die normale Unternehmen, die bei uns ansässig sind, gar nicht ausnutzen können. Deswegen werden wir versuchen, diese Schlupflöcher auf europäischer Ebene endlich zu schließen. Wie das dann am Ende aussieht, müssen wir uns noch anschauen; aber wir haben das Ziel, dass die Digitalsteuer kommt. ({8}) Diese Große Koalition – das haben meine Vorredner teilweise schon gesagt – arbeitet erfolgreich und kümmert sich auch im steuerlichen Bereich um eine gerechte Gesellschaft. Ich möchte Sie dazu einladen, weiterhin daran mitzuarbeiten, dass wir auch in dieser Form eine gute Zukunft haben werden: für uns, unsere Kinder und unsere Enkelkinder. Vielen Dank. ({9})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Harald Weyel, AfD-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Harald Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004932, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Geehrter Herr Präsident! Kollegen! Und liebe Zuschauer und Zuhörer, nicht nur auf der Tribüne, sondern auch die draußen im Lande, die immer weniger Lust haben – viele von denen –, das eigene Heim zu verlassen – seien Sie gegrüßt! ({0}) Wir haben heute wieder was gelernt, gleich zu Anfang die Ministerworte – ich weiß nicht, welcher Imageberater oder Unternehmensberater das hineingeschrieben hat –: der tolerante und starke Staat. Das hört sich ein bisschen widersprüchlich an; das ist es wahrscheinlich auch, es sei denn, man nimmt es wirklich wörtlich: Die Toleranz dieses Staates und seiner diversen Merkel-Regierungen gegenüber den eigenen Rechtsbrüchen ist in der Tat nicht zu toppen. Ich gratuliere dazu. Die Bundesregierung preist ihren Haushaltsentwurf als Verbesserung der Zukunftsperspektiven Deutschlands und Stärkung des Zusammenhalts in der Gesellschaft. Aber bei solchen Leerformeln wie „Zukunftsperspektiven“ und „Zusammenhalt“ muss man hellhörig werden, wenn man sich erinnert, welche großen Probleme die Bundesregierung mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit hat. Die traurigen Ereignisse der letzten Tage und Wochen und deren Kommentierung durch die Bundesregierung haben es zum wiederholten Male deutlich gemacht: Die Bundesregierung stärkt nicht den Zusammenhalt, sondern spaltet das Land, ({1}) indem sie bei der inneren Sicherheit den Zufall gewähren lässt und Bürger dieses Landes stigmatisiert, die auf diese Missstände hinweisen. Gleichzeitig inszeniert sie ein absurdes Theater auf EU-Ebene, um von der Tatsache abzulenken, dass sie gar nicht willens ist, unsere Grenzen zu schützen und zu kontrollieren, wer ins Land kommt. Diese Schieflage prägt auch den Haushaltsplan für 2019, was ein besonders krasses Beispiel gut illustrieren kann: Es ist geplant, für Sprach- und Integrationskurse für Ausländer allein im Jahr 2019  1 Milliarde Euro auszugeben. Das ist ungefähr exakt so viel, wie für den sozialen Wohnungsbau eingeplant ist. Gleichzeitig gibt die Bundesregierung für die Förderung von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen von deutschen Erwachsenen circa 20 Millionen Euro aus. Die Schieflage wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass 7,5 Millionen Deutsche funktionale Analphabeten sind und Unterstützung brauchen. Für jeden von ihnen stehen also 3 Euro zur Verfügung. So viel ist der Bundesregierung die Förderung der eigenen Bevölkerung wert. ({2}) Wesentlich wertvoller sind offenbar die Ausländer. Für 1,4 Millionen Flüchtlinge, Asylsuchende, Binnenvertriebene und Staatenlose stehen circa 1 Milliarde Euro für Sprach- und Integrationskurse zur Verfügung. Das sind pro Nase 700 Euro. Das macht einen schon ein Stück weit sprachlos, diese Sprachkurse. Wie gesagt: Für derlei Ansinnen ist diese Milliarde zu viel, für den sozialen Wohnungsbau ist sie viel zu wenig. Wenn hier über den Haushalt des nächsten Jahres debattiert wird, kann ich mir nicht verkneifen, noch einmal auf unser Verhältnis zur Europäischen Union zu kommen. Dort finden Sie die von mir aufgezeigte Schieflage. Wie Sie alle wissen, ist Deutschland größter Nettozahler der EU. ({3}) Dies schlägt sich auch in diesem Haushalt nieder. Eine der drei Quellen, aus denen sich die EU speist, sprudelt immer heftiger. Im Vergleich zu 2017 werden die Eigenmittel aus dem Bruttonationaleinkommen, die BNE-Mittel, verdoppelt: von 14 Milliarden Euro auf 28 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Mit anderen Worten: Was der deutsche Steuerzahler mehr erwirtschaftet, wird von der EU abgeschöpft. Bei alledem gilt außerdem, dass die Regierung nicht in der Lage ist, dafür adäquate Gegenleistungen zu fordern, geschweige denn durchzusetzen. Die EU gilt in offiziellen Stellungnahmen des Bundesfinanzministeriums als eine Erfolgsgeschichte. Friede, politische Stabilität, Sicherheit und die Freiheit, überall hinzureisen, zu arbeiten etc., seien Errungenschaften der EU. Was dabei völlig aus dem Blick gerät, ist die Tatsachte, dass es auch ohne die EU Frieden gibt. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass der Austritt des Vereinigten Königreichs zur Befürchtung Anlass gibt, dass wir uns demnächst im Kriegszustand befinden. Diese schlichte Tatsache traut sich kaum noch jemand öffentlich zu benennen, weil er Gefahr läuft, an einem Dogma zu rütteln. Es lautet: Die EU steht für Frieden; also ist jeder EU-Kritiker ein Kriegstreiber. – In dieses primitive Schema soll eine hochkomplexe Sache wie die EU ein ums andere Mal eingespannt werden. Mein Hinweis auf die zu klärende Frage, ob nach dem Versailler Vertrag vielleicht weniger Geld aus Deutschland herausgeholt worden ist als nach den Römischen Verträgen von 1957, wurde von einem Kollegen als „Kriegstreiberei“, „gezielte Provokation“ und „bewusste Falschaussage“ denunziert. ({4}) Ein Blick auf eines der Lieblingsblätter aller Main­stream-Stromer, nämlich den „Spiegel“, hätte vor solch voreiligen Verdächtigungen vielleicht bewahren können. Dort schrieb der britische Wirtschaftshistoriker Niall ­Ferguson – Oxford und Harvard übrigens – schon im November 2011: Wenn man sich die europäische Integration als ein einvernehmliches System von Kriegsreparationen vorstellt, so entsprechen die Leistungen Deutschlands etwa denen, die ihm nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Versailler Vertrag aufgebürdet wurden. ({5}) Berücksichtigt man nur die Nettobeiträge zum Budget des gemeinschaftlichen Europas, so zahlte Deutschland zwischen 1958 und 1992 mehr als 163 Milliarden D‑Mark an den Rest Europas. Ebenfalls aus dem Jahre 2011, vom April schon, stammt das Wort vom Finanzwissenschaftler Franz-­Ulrich Willeke, Universität Heidelberg, der eine vernichtende Nettozahler-Studie vorgelegt hat, mit dem Ergebnis, dass Deutschland von 1991, also nach dem Ablauf der – in Gänsefüßchen – „Versailler Zahlungen“, bis 2014 fast 255 Milliarden Euro oder 46 Prozent aller EU-Nettozahlungen getätigt hat, und das vor dem Hintergrund, dass nur gut 25 Prozent des EU-Sozialprodukts auf Deutschland entfallen. ({6}) Das sind die Wahrheiten, vor denen Sie die Augen verschließen. ({7}) Das sind eigentlich auch schon genug Gründe, diesen Haushalt abzulehnen. Danke – insbesondere der steuerzahlenden Bevölkerung! ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Dr. André Berghegger, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. André Berghegger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Jahr 2018 ist natürlich für einen Haushälter ein besonderes Jahr. Wir haben die Gelegenheit, zweimal einen Haushalt zu beraten. Das ist natürlich der Bundestagswahl und den zeitlichen Abfolgen danach geschuldet. Über den Regierungsentwurf, der uns vorliegt, gibt es viel Positives, aber auch Nachdenkliches zu berichten. Ich glaube, die Kennzahlen bei diesem Regierungsentwurf passen: Er ist ausgeglichen. Er liegt rund 4 Prozent über dem Niveau des Vorjahres bei einem Gesamtvolumen von 357  Milliarden Euro. Wir machen weiterhin keine neuen Schulden. Herr Scholz, die schwarze Null, die Ihr Vorgänger 2014 eingeführt hat, wird quasi fortgeschrieben. Die prioritären Maßnahmen laut Koalitionsvertrag werden vollständig ausfinanziert, und erstmals – das ist schon mehrfach erwähnt worden – seit 17 Jahren erfüllen wir das Maastricht-Kriterium der gesamtstaatlichen Verschuldung: Wir senken diesen Schuldenstand nämlich unter 60 Prozent des BIPs. Das sorgt für Glaubwürdigkeit und für Unabhängigkeit in finanzpolitischen Entscheidungen. Sehr geehrter, lieber Sven-Christian Kindler, hier von „fahrlässiger Haushaltsführung“ zu sprechen, wie Sie es getan haben, ist aus meiner Sicht bewusst falsch. Ich würde sagen, diese Rahmendaten sprechen dafür, dass über lange Jahre eine seriöse Haushaltspolitik geführt wurde, und sie wird hier fortgesetzt. ({0}) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben natürlich als Parlament einen Anspruch. Sehr geehrter Herr Finanzminister, wir werden versuchen, aus dem guten Regierungsentwurf einen noch besseren Haushalt zu machen. Darüber werden wir die nächsten Wochen und Monate debattieren. Ich möchte auf vier verschiedene Risiken oder Herausforderungen zu sprechen kommen, die wir sicherlich immer im Hinterkopf haben müssen. Erstens: die wirtschaftliche Entwicklung. Uns geht es gut. Erfreulich lange leben wir in einer Phase des anhaltenden Aufschwunges. Im letzten Jahr ist das BIP um 2,2 Prozent gewachsen. Das Finanzministerium legt für die Zukunft ähnliche Wachstumsraten zugrunde. Aber wo kommen wir denn her? Ich möchte das in Erinnerung rufen: Vor der Finanz- und Wirtschaftskrise lag das BIP bei 2 500 Milliarden Euro. Im Jahr der Krise ist es um gut 100 Milliarden Euro geschrumpft. Wir sind im letzten Jahr bei einem BIP von 3 200 Milliarden Euro gelandet. Das ist eine beeindruckende Entwicklung, aber alles andere als selbstverständlich. Wir müssen immer wieder beachten, dass wir in Deutschland vom Handel und vom Außenhandel leben. Eintrübungen sind erkennbar, und wir müssen alles – wirklich alles – daransetzen, Zollstreitigkeiten und drohende Handelskriege zu vermeiden bzw. die entsprechenden Gefahren zu verringern. Ich glaube, das schaffen wir nicht alleine, sondern am besten mit der Stimme von 500 Millionen Menschen, mit einem geeinten und selbstbewussten Europa. Daran sollten wir denken, und daran sollten wir arbeiten. ({1}) Wir müssen verschiedene Themen im Hinterkopf behalten, die Auswirkungen auf den Haushalt haben können: der anstehende Brexit, die mittelfristige Finanzplanung, der nächste mehrjährige Finanzrahmen auf EU-Ebene und der Euro-Zonenhaushalt – alles Positionen, die in Zukunft nicht gerade zu Ausgabensenkungen führen können, sondern eher zu ‑steigerungen. Zweitens: die Digitalisierung, ein Thema, über das wir so oft gesprochen haben. Wir müssen die Ziele weiterhin ambitioniert verfolgen und vor allen Dingen auch umsetzen. Wir müssen bei diesem Thema – wie es schon mal zitiert wurde – in die Champions League zurückkommen. Lieber Steffen Bilger, nicht nur bei der Ausbaugeschwindigkeit – da sind wir in letzter Zeit schon gut unterwegs –, sondern auch beim Grad der Umsetzung müssen wir wieder aufschließen und alles daransetzen, besser zu werden. Die Nachricht ist, dass die Förderung des kommunalen Breitbandausbaus mit diesem Haushalt nahtlos fortgesetzt wird – das ist gar keine Frage. Aber wir wissen auch alle um die begrenzten und ausgelasteten Planungs- und Baukapazitäten vor Ort. Deswegen haben wir die Ansätze verschoben. Insofern ist der Nullansatz bei den Barmitteln für 2019 – bevor es die Opposition anspricht – kein Problem; denn wir haben genügend Ausgabereste aus dem letzten Jahr, die wir jetzt nur periodengerecht zugeordnet haben. Wir müssen auf diesem Weg wirklich weitergehen, und es besteht kein Grund für Hektik in diesem Themenbereich. Drittens: die Fachkräftesicherung. Deutschlands Wirtschaft boomt. Die Zahl der unbesetzten Stellen nimmt zu. Das merkt jeder von uns, wenn er im Wahlkreis unterwegs ist, bei den Firmenbesuchen und den Gesprächen mit den Unternehmerinnen und Unternehmern. Wir müssen uns deswegen weiter um die Fachkräftesicherung kümmern, sei es im Hinblick auf die Berufsorientierung der Schulen, die Stärkung der dualen Ausbildung oder eben die Schaffung des Fachkräftesicherungsgesetzes. All das wird unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weiter erhöhen. Viertens: die Infrastruktur. Straßen als Lebensadern unserer Wirtschaft müssen auch wirklich so behandelt werden. Ihr Erhalt und ihr Ausbau sind für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit elementar wichtig. Ich kann und will mich nicht damit abfinden, dass größere Straßenverkehrsinfrastrukturprojekte quasi zur Generationenaufgabe werden. Ich glaube, wir müssen die Planungs- und Bauzeiten nachhaltig hinterfragen und verkürzen. Bei Wahrung aller rechtsstaatlichen Prinzipien müssen wir auch darüber nachdenken, wie man Klagezeiten und Klagewege verkürzen und straffen kann. ({2}) – Zum Beispiel. Lieber Steffen Bilger, volle Unterstützung für jede intelligente Idee aus dem BMVI. Wir müssen den Anspruch haben, einfach schneller und effektiver zu werden. Vom Baustellenmanagement will ich hier gar nicht reden – so viel Redezeit habe ich gar nicht. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sollen diese vier Punkte einfach zeigen, was wir im Hinterkopf haben müssen, damit wir das Geld sinnvoll einsetzen. Ich glaube, es lohnt sich, in diese Punkte zu investieren – Kraft, Energie und Geld –, bevor man sich etwas völlig Neues überlegt. Da komme ich zu einer Sorge, die ich an dieser Stelle beschreiben möchte. Es geht um das Verhältnis zwischen sozialen Ausgaben und Investitionen. Eckhardt Rehberg hat es vorhin auch schon angesprochen: Wenn man den Zeitraum 2016 bis zum Ende des Finanzplanungszeitraums, 2022, zugrunde legt, dann erkennt man, dass die sozialen Ausgaben von 160 Milliarden auf 194 Milliarden gestiegen sind bzw. steigen werden und die Investitionen von 35 Milliarden auf 38 Milliarden. Das ist ein ungünstiges Verhältnis, weil Investitionen, so wie es der Finanzminister auch beschrieben hat, unsere Zukunft sichern. Deswegen müssen wir den investiven Haushalt hinterfragen und schauen, wie wir ihn steigern können. Die Devise muss aber immer sein, mit dem Einkommen auszukommen und auf Unwägbarkeiten und Risiken eingestellt zu sein. Deshalb sollten wir uns mit zusätzlichen Wünschen zurückhalten. An dieser Stelle, gegen Ende, eine Note an die Länder und Kommunen. Die Länder schließen seit 2015 ihren Kernhaushalt mit Überschüssen ab, seit 2015! Im letzten Jahr gab es einen Überschuss von gut 10 Milliarden Euro. 13 Länder haben Überschüsse erwirtschaftet – Bremen, das Saarland und Nordrhein-Westfalen möchte ich an dieser Stelle nicht erwähnen. Wir werden sie ab 2020 wieder mit gut 10 Milliarden Euro – steigend – entlasten. Die Kommunen haben Rekordüberschüsse im sechsten Jahr nacheinander – insgesamt, in allen Ländern –, knapp 10 Milliarden Euro im letzten Jahr, erzielt. Das sind gute Gründe, vorsichtig und zurückhaltend mit neuen Ideen aus deren Bereich umzugehen. Da wir auch den Etat des Bundesrechnungshofes debattieren, sei an dieser Stelle an Berichte verschiedener Art des Bundesrechnungshofes erinnert. Der Bundesrechnungshof hat immer wieder gesagt, dass der Spielraum auf Bundesebene für weitere Entlastungen der Länder und der Kommunen kaum noch bzw. nicht mehr vorhanden ist. Das sollten wir bei jedweder Debatte im Hinterkopf haben und dann die richtigen Entscheidungen treffen. Ich möchte mich zum Ende meiner Rede bei Ihnen, Herr Finanzminister, und Ihrem Team für den guten Regierungsentwurf bedanken. Wir werden versuchen, einen besseren Haushalt daraus zu machen. Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen. Lassen Sie uns das Beste daraus machen. ({3})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Christian Dürr, FDP. ({0})

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Berghegger, Sie haben gerade gesagt, dass es insbesondere um die Gestaltung der Zukunft geht. Wenn man sich die Fundamentaldaten dieses Bundeshaushaltes anschaut, stellt man fest, dass allein 40 Prozent in den Bereich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik fließen. ({0}) Wenn man sich dann anschaut, was die Bundesregierung für diese Wahlperiode geplant hat, dann stellt man fest, dass fast 70 Prozent der geplanten Mehrausgaben ebenfalls in das Ressort von Herrn Heil gehen. Für die Zukunft Deutschlands, für Bildung und Forschung, hat diese Bundesregierung lediglich 2,7 Prozent des Etats übrig. Das hat mit Zukunftspolitik, Herr Kollege, überhaupt nichts zu tun. ({1}) Der Bundesminister hat auch über Digitalisierung, Fortschritt und die Zukunft der Gesellschaft gesprochen. Ihre Antwort auf das Thema Digitalisierung ist, dass Sie als deutscher Finanzminister auf europäischer Ebene eine Digitalsteuer vorantreiben wollen. Die Antwort der Sozialdemokratie für die Zukunft Deutschlands ist eine weitere Steuer. Das ist keine Antwort für die Zukunft unseres Landes in diesem Bereich, Herr Minister Scholz. ({2}) Sie haben dankenswerterweise einen weiteren, ganz konkreten Punkt angesprochen – ich hatte ihn in meiner Rede schon vermerkt –, nämlich das Thema „künstliche Intelligenz“. Da sagen wir alle: Das ist doch etwas, wo wir was tun müssen. – Wir wissen, dass die Chinesen Hunderte von Milliarden Euro in den kommenden Jahren dafür ausgeben werden. Aber auch ein Blick nach Europa genügt: Frankreich gibt über 1,5 Milliarden Euro allein für künstliche Intelligenz aus. Der Bundeshaushalt 2019 soll Gesamtausgaben von 356,8 Milliarden Euro haben. Wissen Sie, wie viel Herr Bundesminister Scholz für die künstliche Intelligenz ausgeben will? Wie gesagt: 356,8 Milliarden Euro Gesamtausgaben. Herr Scholz will eine ganze Million Euro für die künstliche Intelligenz ausgeben, für die Zukunft unseres Landes. Nichts haben Sie mit Deutschland an dieser Stelle vor, um das in aller Klarheit zu sagen. ({3}) Herr Minister Scholz, man kann feststellen, dass in den letzten Wochen viel über den Zusammenhalt der Gesellschaft gesprochen worden ist. Deshalb kann man diese Debatte auch nicht führen, ohne Ihre Vorschläge, die Sie im Rahmen eines Interviews geäußert haben, zur Zukunft der Rente in Deutschland zu besprechen. Sie haben gesagt: Für den Zusammenhalt der Gesellschaft soll es eine Rentengarantie bis zum Jahr 2040 geben. – Jetzt ist die Frage, was das im Konkreten bedeutet. Was heißt das für die Menschen, die in Deutschland nach 1973 geboren sind, also mithin nach dem Jahr 2040 in den Ruhestand eintreten werden? Das betrifft Menschen in meinem Freundeskreis. Sie sind in ihren 30er- und 40er-Jahren, haben Familie und stehen mitten im Arbeitsleben. Sie arbeiten hart und zahlen viel Steuern. Und diesen Menschen sagen Sie als Sozialdemokrat: „Ihr werdet in Zukunft höhere Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen, ihr werdet höhere Steuern zahlen,“ – das haben Sie in einem Interview sogar selbst eingeräumt – „und ihr werdet zusätzlich eine geringere Altersversorgung haben“? Herr Bundesminister, das verhindert keinen deutschen Trump. Sie leisten in unruhigen Zeiten einen aktiven Beitrag zur Spaltung unserer Gesellschaft in Gewinner und Verlierer. Das ist Ihnen vorzuwerfen, Herr Scholz. ({4}) Ich habe mich gefragt: Worin unterscheidet sich eigentlich Ihr Vorschlag, den Sie in der Sommerpause gemacht haben, von dem, was Herr Seehofer hier vor wenigen Monaten im Rahmen der Migrationsdebatte veranstaltet hat? Es gibt überhaupt keinen Unterschied. Beides sind taktische Spielchen angesichts der Landtagswahlen in Hessen und Bayern; nichts anderes ist es, Herr Scholz, und das muss man in dieser Klarheit auch so benennen. ({5}) Ich will einen weiteren Bereich nennen – der Bundestagspräsident hat es heute Morgen angesprochen –, über den wir in den letzten Wochen viele Debatten geführt haben, Stichwort ist hier insbesondere natürlich Chemnitz. Mir geht es dabei nicht um Teile derer, die zwar friedlich auf die Straße gegangen sind, aber ein ganz anderes Bild von Deutschland haben als ich. Ich will, dass Deutschland ein weltoffenes, ein liberales Land ist und nicht abgeschottet. Mir geht es um die Millionen und Abermillionen in der Mitte der Gesellschaft, die feststellen, dass sich in den letzten Jahren dieser Großen Koalition das Verhältnis zwischen Bürger und Staat dramatisch zulasten der Bürgerinnen und Bürger verschoben hat. In dieser Wahlperiode wird die Große Koalition, wird der Gesamtstaat, wird Deutschland zusätzlich 353 Milliarden Euro einnehmen. Sie versprechen den Menschen aber lediglich eine Entlastung um 9 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren, dieser Bundesregierung steht das Geld buchstäblich bis zum Hals; aber für die Entlastung der Menschen, für die Mitte der Gesellschaft ist kein einziger Cent übrig. Das ist mehr als bedauerlich. ({6}) Herr Bundestagspräsident, zum Schluss will ich noch Folgendes sagen: Während der Sommerpause wurde in der Union sehr laut und deutlich diskutiert. Herr Füracker, der bayerische Finanzminister, Herr Söder und Frau Kramp-Karrenbauer haben ein Interview gegeben und gesagt, den Solidaritätszuschlag müsse man angesichts der guten Einnahmesituation doch eigentlich möglichst schnell abschaffen. ({7}) Solche Debatten werden von der Union regelmäßig vor Wahlterminen geführt –

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss bitte.

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

– ich komme jetzt zum Schluss –, 2005, 2009, 2013, 2017 und jetzt, 2018, vor den Landtagswahlen. Ich stelle fest: ({0}) Viermal wurde das Versprechen gebrochen. Allein die Lebenserfahrung lehrt, dass auch dieses Mal die Union ihre Wahlversprechen brechen wird. Auch das muss man den Menschen und insbesondere den Wählern in Hessen und Bayern ganz deutlich sagen. Herzlichen Dank. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Kahrs, Sie haben die Möglichkeit zu einer Kurzintervention, wenn Sie das möchten.

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ach, ich will seine Redezeit nicht verlängern. Lassen Sie mal. Das haben Sie schon gerade gemacht.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Als Nächstes erteile ich das Wort dem Kollegen De Masi für die Fraktion Die Linke. ({0})

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Land verroht. ({0}) Der soziale Zusammenhalt wurde von der Politik zerstört. Das sind die Mutti und auch der Horst aller Probleme. Die Einkommensungleichheit in Deutschland ist laut Starökonom Piketty so groß wie zur Kaiserzeit. ({1}) Der Finanzminister diskutiert über die Einführung der Reichensteuer in ein paar Jahren. Wer sagt Ihnen, Herr Scholz, eigentlich, dass Sie dann noch regieren? Aber Sie sperren sich selbst gegen eine Vermögensteuer für Millionäre. Meine Fraktion meint: Auch die Quandts und Klattens sollen endlich in Schulen, Polizei oder Wohnraum investieren. ({2}) Zehn Jahre nach der Finanzkrise hat sich der Finanzminister zusammen mit dem französischen Präsidenten und ehemaligen Investmentbanker Macron von einer echten Finanztransaktionsteuer verabschiedet. Die EU-Kommission wollte, dass Konzerne öffentlich machen, wie hoch die Gewinne und Steuerzahlungen in jedem Land sind, in dem sie wirtschaftlich aktiv sind. Selbst der Pate der Steueroase Luxemburg, Jean-­Claude Juncker, war dafür. Aber der deutsche Finanzminister legte sein Veto ein. ({3}) Dabei ist es in unserem Interesse, dass Gewinne dort besteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden. ({4}) Digitalkonzerne wie Google zahlen in der EU im Schnitt 9,5 Prozent Steuern, andere Unternehmen weit über 20 Prozent. Doch das Finanzministerium behauptet in einem Papier, Internetmultis hätten keine Steuervorteile. Welcher Praktikant, Herr Scholz, hat Ihnen das aufgeschrieben? Sie wollen keinen Konflikt mit Herrn Trump. Stattdessen brüskieren Sie die europäischen Partner. Dabei muss es ja keine Besteuerung digitaler Umsätze sein. Führen Sie eine virtuelle Betriebsstätte ein, um die Gewinne von Google und Co in Deutschland zu ermitteln. ({5}) Führen Sie gemeinsam mit Frankreich Mindeststeuern und Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen ein, anstatt gemeinsam aufzurüsten. Herr Scholz beklagt zudem, dass Banken zu klein wären. Vielleicht hat da ein Staatssekretär von Goldman Sachs einen schlechten Einfluss. Sind die Lehren aus der Finanzkrise eigentlich schon vergessen? Das Problem, Herr Scholz, sind nicht die Sparkassen; das Problem sind Banken, die zu groß und zu vernetzt zum Scheitern sind und daher faktisch über eine Subvention der Steuerzahler verfügen, weil sie Sie jederzeit wieder erpressen können. Die Deutsche Bank steigt an der Börse ab; aber laut IWF ist sie immer noch die gefährlichste Bank der Welt. Die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel kritisierte zu Recht Ihren Vorstoß und sagte – ich zitiere –: Dass man es als Errungenschaft begreift, Indus­triepolitik für Banken zu machen, ist beunruhigend. Der Finanzminister sagt auch, er möchte die Renten stabilisieren. Aber was heißt hier eigentlich stabilisieren? Sie haben doch das Rentenniveau von 53 Prozent auf 48 Prozent abgesenkt. Die Riester-Rente ist Abzocke. Kein Problem in der Alterssicherung wird dadurch gelöst, dass man die Rentengelder auf den Finanzmarkt trägt; der einzige Unterschied ist: Herr Maschmeyer und die Allianz verdienen mit. In Österreich zahlen alle Erwerbstätigen in die Rente ein, für fast 100 Prozent der Beschäftigten gelten Tarifverträge, ein Durchschnittsrentner bekommt über 800 Euro mehr im Monat. Was die Ösis können, das können wir doch auch, verehrte Damen und Herren. ({6}) Erhöhen Sie den gesetzlichen Mindestlohn endlich auf 12 Euro, damit Menschen, die ein Leben lang hart gearbeitet haben, im Alter nicht zum Amt müssen. ({7}) Das Versprechen, dass es den Kindern einmal besser gehen wird, ist für viele Menschen, die hart arbeiten und sich an die Regeln halten, dahin. Ja, wir brauchen einen Aufstand der Anständigen, aber wir brauchen auch eine anständige Politik, die den sozialen Zusammenhalt sichert, um die Demokratie zu verteidigen. Vielen Dank. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege De Masi. – Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Anja Hajduk. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine hervorragende Ausgangslage bei den öffentlichen Haushalten infolge auch einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung. Das ist in der Tat, Herr Minister, eine historische Chance, aber, ich würde sagen, auch eine Verpflichtung für die Politik. Wir tragen bei dieser aktuellen Lage eine große Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen. Wir haben große Spielräume, aber wir müssen diese Spielräume auch nutzen. Da kommen wir zu dem Schluss, dass man eine weitsichtige und nachhaltige Haushaltspolitik bei dieser Großen Koalition dennoch vermisst. ({0}) Ich möchte das auch belegen und begründen. Jetzt wäre die Zeit – das wäre gerade nach diesem Sommer vielen Menschen in unserem Land präsent –, Strukturreformen zu machen, um unser Wirtschaften und unseren Wohlstand zu erhalten, Strukturreformen für einen mutigen Klimaschutz, für Innovationen in Landwirtschaft und Verkehr. All das könnten wir jetzt mit großer Unterstützung durch die Politik und ihre finanziellen Mittel leisten. Aber da bleiben Sie zaghaft. Unsere Analyse ist: In der letzten Legislaturperiode waren Sie glatt ein bisschen überrascht, dass es Haushaltsüberschüsse gibt. Jetzt, so ist unser Eindruck, hat sich die Große Koalition schlicht und ergreifend daran gewöhnt, dass es so gut läuft, und nutzt die Möglichkeiten nicht wirklich aus. ({1}) Herr Minister, wenn man sich diesen Haushalt etwas genauer anguckt, dann sage ich das nicht leichtfertig: Die wachsenden Überschüsse in der Finanzplanung, die Sie bis 2022 haben, werden einfach eingepreist, und obendrauf verbrauchen Sie auch noch Rücklagen aus der letzten Legislatur von sage und schreibe 24 Milliarden Euro. ({2}) 2017 gab es einen strukturellen Finanzierungsüberschuss von 3 Milliarden Euro. Ihr Haushalt weist für 2018 ein Finanzierungsdefizit von 5,5 Milliarden Euro und für 2019 eines von 15,6 Milliarden Euro aus. Das sind zwar keine Schulden in der Kasse; das ist die strukturelle Betrachtung. Dies zeigt uns aber, dass Sie heute trotz bester Lage nicht vorsorgen, wie es nach Keynes eigentlich nötig wäre. Ganz knapp noch halten Sie die Schuldenbremse ein, die Sie in diesen guten Zeiten verpflichtet, 10 Milliarden Euro „Überschuss“ zu machen. Die Bundesbank hat es gerade veröffentlicht: Finanzminister Scholz reizt vor dem Hintergrund bester Zeiten den Ausgabenspielraum fast komplett aus. In der Tat gelingt ihm das nur durch Rückgriff auf eine Rücklage aus vorherigen Zeiten. Das kann es heutzutage eigentlich nicht sein. Herr Scholz, ich möchte noch einen zweiten Punkt betonen. Sie haben in Ihrer Rede daran erinnert, dass wir vor zehn Jahren die Lehman-Pleite hatten. Deswegen ist es ja richtig, zu gucken, wo im Finanzmarkt und in der Finanzpolitik der Zukunft die Risiken und die Ursachen dafür liegen. Wir Grünen sind überzeugt: Man braucht harte Regulierungen im Finanzsystem, damit die Finanz- und die Realwirtschaft wieder näher zusammenrücken. Sie haben davon gesprochen, dass Ihnen die Wohnungspolitik ein wichtiges Anliegen ist. Deshalb möchte ich Ihnen Folgendes mit auf den Weg geben: Die Mängel einer nicht gut ausgeprägten gemeinsamen Fiskal- und Wirtschaftspolitik in Europa sind dadurch gelöst worden, dass die EZB eine sehr lockere Geldpolitik gemacht hat. Diese Geldpolitik hat unseren Haushalt durch niedrige Zinsen entlastet, belastet aber die Renditen in den Bereichen Versicherung und Altersvorsorge. Vor allen Dingen hat sie dafür gesorgt, dass immer mehr Geld in den Immobiliensektor fließt, ({3}) und das ist die Ursache dafür, dass wir überlastete Wohnungsmärkte haben und dass die Mieten steigen. Die Preise, die auf den Immobilienmärkten erzielt werden können – auch in deutschen Großstädten –, werden eben nicht genügend reguliert. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es ist Aufgabe auch des Finanzministers, auf europäischer Ebene entsprechend zu agieren. Aber wenn es bei der Finanztransaktionsteuer konkret wird, wenn es mit einer europäischen Unternehmensbesteuerung konkret wird, dann sind Sie zu zaghaft, Herr Scholz. Das ist aber nötig, um Vertrauen in der Gesellschaft zu erreichen. In diesem Sinne haben Sie noch viel vor sich. Schönen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Als Nächstes erteile ich für die SPD-Fraktion dem Kollegen Andreas Schwarz das Wort. ({0})

Andreas Schwarz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004407, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den letzten Tagen und Wochen dürfte für jeden Demokraten in unserem Land eines feststehen, nämlich dass bei allem, was sich ereignet hat und ereignet, eines in diesem Land nicht passieren darf: Dieses Land darf nicht gespaltet werden. Deswegen ist es Aufgabe aller demokratisch orientierten Kräfte, den Zusammenhalt in diesem Land zu stärken und zu organisieren. Das kann in Worten, in Taten, aber auch in Zahlen erfolgen. Unser Bundeshaushalt 2019 ist ein beeindruckendes Zahlenwerk, welches den Zusammenhalt in unserem Land abbildet. Es ist ein sehr guter Haushalt, weil wir den Menschen beweisen: Union und SPD stehen für einen sicheren und für einen starken Staat. Er ist deshalb stark, weil wir aus eigener Kraft einen ausgeglichenen Haushalt schaffen, ohne Schulden auskommen und alle Zukunftsfelder im Blick haben – vom Gute-Kita-Gesetz bis zur Rente, von der Bildung bis zur Infrastruktur. ({0}) Zu Recht lautet die Überschrift dieses Bundeshaushaltes „Zukunftsorientiert, gerecht und verantwortungsvoll“. Dieser Dreiklang stimmt: Erstens. Wir investieren weiter mehr. Nicht nur in 2018, sondern auch in 2019 steigen die Investitionen weiter an. 37,9 Milliarden Euro, das ist Rekord! Das hat kein Bundesfinanzminister vorher geschafft. Das bedeutet mehr Geld für Straßen, für Brücken, für Bildung, für saubere Luft in unseren Städten, für Wohnungsbau und vieles mehr, kurzum: Geld für die Zukunft unseres Landes. ({1}) Zweitens. All das schaffen wir, ohne zukünftige Generationen mit neuen Schulden zu belasten. Welches Land auf dieser Erde kann das schon von sich behaupten! Drittens. Ja, dieser Haushalt ist auch gerecht: mehr für Bildung, mehr für den Rentner, mehr für den sozialen Wohnungsbau, mehr für die Pflegekräfte, mehr für Erzieher, mehr für die Qualifizierung Langzeitarbeitsloser. Wir nehmen alle mit. Gleichzeitig ebnen wir den Weg für die Entlastung der Mitte unserer Gesellschaft in den kommenden Jahren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, wir können stolz auf diesen Haushalt sein. Dieser Haushalt von Olaf Scholz ist ein klares Signal an die Bevölkerung in unserem Land, dass wir in die Zukunft unseres Landes investieren, ohne künftige Generationen belasten zu wollen. Gleichzeitig geben wir den Menschen etwas zurück. Sie bekommen einen starken und sicheren Staat und im Geldbeutel mehr Netto vom Brutto. Lieber Olaf Scholz, besonders freue ich mich, dass wir den gemeinsam begangenen Weg beim Zoll weiter konsequent verfolgen. Damit leisten wir auch einen äußerst wichtigen Beitrag zur Sicherheitsarchitektur in unserem Land. Nachdem der Zoll viele Jahre immer mehr Aufgaben bekommen hat, die Anzahl seiner Stellen aber selten substanziell gewachsen ist, haben wir das 2018 ganz konsequent geändert. In dem Jahr haben wir 1 400 neue Stellen geschaffen, und für die kommenden Jahre werden wir noch einmal 4 700 Stellen draufpacken. ({2}) Das ist ein klares Signal an die vielen fleißigen Zöllnerinnen und Zöllner in unserem Land. Dies bedeutet aber auch, dass wir die Rahmenbedingungen des Zolls deutlich verbessern müssen. Ich habe mich gestern sehr lange mit der neuen Präsidentin der Generalzolldirektion, Colette Hercher, unterhalten. Wir waren uns in fast allen Punkten einig. Wir müssen zum Beispiel ein Ausbildungskonzept auf den Tisch legen, das es überhaupt ermöglicht, die gewünschte Anzahl an Stellen zu besetzen. ({3}) Nach allem, was ich höre, ist das im Einklang mit dem Bundesrechnungshof auf einem sehr, sehr guten Weg. Da werden wir hier in Kürze Erfolg vermelden können. ({4}) Wir müssen den Zoll aber auch als Arbeitgeber attraktiver machen, attraktiv gegenüber dem privaten Markt, aber natürlich auch gegenüber staatlichen Mitbewerbern, um an qualifizierten Nachwuchs zu kommen. Ein wesentliches Mittel dazu ist, dass wir an den Gehaltsstrukturen des Zolls arbeiten und diese den Gegebenheiten des Marktes anpassen. ({5}) Ein anderes Mittel wird sein, den Zöllnern überhaupt zu ermöglichen, dort, wo sie arbeiten, eine Wohnung zu finden. Das ist sicherlich nicht nur ein Problem des Zolls; das ist ein Problem, das viele Staatsdiener in unserem Land beschäftigt. Da müssen und können wir ganz klare Antworten geben. Dafür werde ich in den kommenden Wochen dieser Haushaltsverhandlungen intensiv werben. Ich freue mich auf die Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam für unser Land ein gutes Ergebnis liefern werden. Danke schön für die Aufmerksamkeit und ein Dankeschön an die Finanzverwaltung des Bundes. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. – Als Nächster spricht zu uns für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Olav Gutting. ({0})

Olav Gutting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003544, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Koalition macht ihre Hausaufgaben. ({0}) Nach fast 50 Jahren immer neuen Schuldenmachens hat Wolfgang Schäuble vor knapp fünf Jahren die Trendwende eingeleitet. Heute sind wir auf direktem Weg zur Erreichung der im Maastricht-Vertrag vereinbarten 60-Prozent-Grenze. Ich finde, das ist bemerkenswert. Gleichzeitig investieren wir in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wir entlasten Familien und die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen bei Steuern und beim Wohnen. Wir glauben, dass Familien das Zentrum unserer Gesellschaft sind. Deswegen haben wir bereits in den letzten Jahren den Fokus immer wieder auf die Entlastung bei Familien gerichtet. Hieran knüpfen wir auch in dieser Legislaturperiode an. Wir werden, wie hier schon gesagt, das Kindergeld einmal um 10 und später noch einmal um 15 Euro im Monat erhöhen. Wir werden entsprechend auch den Kinderfreibetrag erhöhen. Das ist wichtig, weil wir damit Familien und Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen um knapp 10 Milliarden Euro jährlich entlasten. Noch wichtiger als Steuern und Abgaben ist inzwischen für viele Menschen das Thema Wohnen geworden. Wir haben viele Bürgerinnen und Bürger, für die finanzierbarer Wohnraum immer schwieriger zu finden ist. Deswegen müssen wir uns darüber Gedanken machen. Wir werden aber eine Lösung für dieses Problem ganz bestimmt nicht erreichen, wenn wir das Vermieten immer weniger attraktiv machen. Die Diskussionen, die wir auch heute wieder über einen Mietenstopp oder über eine noch weitere Einschränkung der Möglichkeiten der Eigennutzung, des Eigenbedarfs gehört haben, sind das völlig falsche Signal. ({1}) Ich will auch sagen: Die Art und Weise, wie man mit den Ergebnissen des Gutachtens zur Wohnungspolitik des Wissenschaftlichen Beirates des Bundeswirtschaftsministeriums umgegangen ist, indem man es nicht nur ignoriert, sondern auch noch verunglimpft hat, ({2}) zeigt, dass man nicht verstanden hat, worum es eigentlich geht. ({3}) Deswegen sollte man in dieses Gutachten noch einmal hineinschauen. Wenn man 38 Experten einen Auftrag gibt und einem dann das Ergebnis nicht gefällt, dann muss man doch einmal darüber nachdenken, ob man dieses Ergebnis einfach zur Seite wischen kann. ({4}) Ohne mehr Wohnraum, meine Damen und Herren, und mit gleichzeitig immer heftigeren Eingriffen in den Wohnungsmarkt werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen. Wir brauchen mehr Wohnraum. Ansonsten sind alle Eingriffe letztendlich zum Scheitern verurteilt. Uns in der Union ist immer ein gesunder Mix von Eigentum und Miete wichtig. Und bei der Eigentumsbildung steht die Familie bei uns wieder klar im Fokus. Wir wollen Familien in die Lage versetzen, dass sie sich die eigenen vier Wände leisten können. Das von der Union initiierte Baukindergeld, das rückwirkend zum 1. Januar 2018 in Kraft treten wird, ist ein wichtiger Schritt. Es ist für viele Familien der notwendige Baustein zum Erreichen der notwendigen Finanzierung ihres Eigenheims. Ebenso wird die kommende steuerliche Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau ihren Beitrag zu mehr bezahlbarem Wohnraum leisten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir stehen vor großen steuerpolitischen Herausforderungen. Die Kassen sind voll, die Wirtschaft brummt, der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Ich sehe aber mit Sorge, dass Deutschland hinsichtlich der Unternehmensteuerbelastung von einer Position im Mittelfeld inzwischen in die Gruppe der Höchststeuerländer gerückt ist. Die jüngsten Steuerreformen in den USA, in Frankreich und Großbritannien beeinträchtigen die Kräfteverhältnisse im internationalen Steuerwettbewerb. Man kann das natürlich ignorieren, und kurzfristig, glaube ich, wird diese Ignoranz der wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Land auch keinen Abbruch tun. Aber wenn wir uns hier nicht bewegen, dann wird Deutschland im Wettbewerb um Investitionen in Zukunft kaum noch punkten können. Die bisherigen Antworten auf diese Herausforderungen im internationalen Steuerwettbewerb, etwa das Vorantreiben des Projekts einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für Unternehmensteuern zusammen mit Frankreich, können meines Erachtens nicht zufriedenstellen, im Gegenteil. Die Wahrheit ist: Dieses im Grundsatz richtige Projekt einer gemeinsamen Steuerbasis wird nicht nur mehr Transparenz bringen, sondern damit sogar den Steuerwettbewerb noch stärker anheizen, und wir können uns diesem Wettbewerb nicht verschließen. Da können wir auch nicht einfach den Ball immer wieder zurück nach Europa spielen. Das gilt auch für die Digitalsteuer. Natürlich brauchen wir eine adäquate Gewinnbesteuerung von digitalen Geschäftsmodellen. Aber ob der EU-Vorstoß einer Sondersteuer auf digitale Gewinne tatsächlich die richtige Antwort ist, ist mehr als fraglich. Was wir brauchen, ist eine Entlastung für die Menschen in diesem Land. Diese Entlastungen können wir nicht nach Europa schieben. Wir müssen sie in Deutschland angehen, und die Koalition bewegt sich hier ja auch, wenn auch in kleinen Schritten. Aber ob bei kalter Progression oder beim Soli, niemand kann sagen, wir täten hier nichts. Es sind auch nicht nur unsere Einzelkaufleute und Personenunternehmen, die wir steuerlich entlasten, sondern gerade die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wir mit dem Verhindern der kalten Progression spürbar entlasten. Wir passen die Tarifeckwerte konsequent an die Inflationsrate an und lassen die kalte Progression erst gar nicht entstehen. Das haben wir übrigens in der Vergangenheit auch schon so gemacht. Komischerweise hat sich das nur noch nicht bei allen herumgesprochen. Deswegen heute noch einmal zum Mitschreiben: Die Zeiten, in denen der Staat heimliche Steuererhöhungen durch den Inflationsausgleich bei den Einkommen einfach mitnimmt, sind schon lange vorbei. ({5}) Genauso, wie wir hier die Menschen entlasten, müssen wir es auch beim Soli machen. Deswegen ist es gut, dass wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass wir in einem ersten Schritt den Soli in einer Größenordnung von knapp 10 Milliarden Euro abbauen. Aber ich glaube, es ist auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, den zweiten Abbauschritt und das definitive Ende des Solidaritätszuschlages bereits in dieser Legislaturperiode festzulegen. ({6}) Ich erlebe immer wieder, dass es in Zeiten höchster Steuereinnahmen schlicht nicht nachvollziehbar ist, dass wir diesen weiteren Entlastungsschritt nicht gehen. Die Menschen fragen doch völlig zu Recht: Wenn nicht jetzt, wann dann? Deswegen bin ich davon überzeugt, dass die vollständige schrittweise Abschaffung des Soli möglich ist, und zwar ohne den Haushalt, über den wir hier beraten, aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dürr? Damit verlängern Sie Ihre ohnehin schon überschrittene Redezeit. ({0})

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe immer gesagt: Wir sind eine Serviceopposition. Insofern verlängern wir auch gerne die Redezeit, wenn etwas Gutes dabei herauskommt, Herr Kollege. Sie haben gerade über den Solidaritätszuschlag gesprochen. Ich wüsste gerne, wie Sie zu den Vorschlägen insbesondere des bayerischen Finanzministers Füracker stehen, der gesagt hat, man müsse den Abbaupfad, von dem Sie sprechen, nicht erst 2021 beginnen, sondern ab 1. Januar 2019 und den Solidaritätszuschlag dann schrittweise bis Ende 2020 vollständig abbauen. Das scheint die Position der CSU zu sein, jedenfalls in München. In Berlin vertritt sie nach den Entscheidungen der Landesgruppe hier offenbar eine andere. Was ist die Meinung der CDU an dieser Stelle, Herr Kollege Gutting?

Olav Gutting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003544, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank für diese Frage. – Wir haben klar festgelegt, dass der Abbau 2021 beginnt. Für uns ist entscheidend, dass bereits mit diesem ersten Abbauschritt das endgültige Schlussdatum für das Auslaufen des Solidaritätszuschlags spätestens in der nächsten Legislaturperiode festgelegt wird. Insofern sind wir da nicht weit auseinander. Wenn man sich den Haushalt genau anschaut, stellt man fest: Der Haushalt steht auf gesunden Beinen. Wir brauchen noch das nächste und das übernächste Jahr, um das Auslaufen des Solidaritätszuschlags vorzubereiten. So ist es im Koalitionsvertrag sinnvoll vereinbart: schrittweiser Abbau, aber auch ein klares Enddatum. Das muss her. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie jetzt zum Schluss, Herr Kollege Gutting, bitte.

Olav Gutting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003544, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Grundlage, damit es diesem Land gut geht, sind die richtigen Rahmenbedingungen sowohl für die Menschen als auch für die Unternehmen. Mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf und einigen notwendigen Nachbesserungen – darin sind wir uns einig – sind wir hier auf einem guten Weg. Die Rahmenbedingungen werden uns gut gelingen. Vielen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Als letzter Redner erhält das Wort der Kollege Alois Rainer, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004384, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst freue ich mich, dass auch dieser Bundeshaushalt – genauso wie die folgenden in den kommenden Jahren – ohne Nettoneuverschuldung auskommt. Schon seit fünf Jahren machen wir keine neuen Schulden. Wir werden die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote im kommenden Haushaltsjahr – vielleicht schon in diesem Jahr – auf unter 60 Prozent des BIP zurückführen und auf diesem Niveau fortführen. Das ist das Ergebnis einer über zwölf Jahre unionsgeführten Bundesregierung. Es ergeben sich aber auch Chancen für Entlastungen. Auch wenn wir uns an der einen oder anderen Stelle eine stärkere Entlastung vorstellen könnten, belaufen sich die in dieser Legislaturperiode geplanten Entlastungen auf insgesamt über 64 Milliarden Euro, wie zum Beispiel durch den Abbau der kalten Progression, durch den gerade angesprochenen Abbau des Soli, durch die Erhöhung des Kindergeldes und durch eine Sonderabschreibung für den Wohnungsbau. Gleichzeitig haben wir die Wohnraumoffensive begonnen. Der Bundeshaushalt sieht bereits erste Grundlagen für unsere Wohnraumoffensive vor. Schon mit der Einführung des Baukindergeldes in diesem Haushaltsjahr setzen wir erste Wahlversprechen um. Weitere Umsetzungen werden schnellstmöglich folgen, wie die Förderung der energetischen Gebäudesanierung oder die Sonderabschreibung für den Wohnungsbau, um das Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen zeitnah zu erreichen. Wir unterstützen weiterhin die Länder und die Kommunen wie noch keine andere Bundesregierung zuvor. ({0}) Ich habe in der heutigen Debatte gehört, es gebe einen kommunalen Investitionsstau. Das mag für die eine oder andere Region durchaus stimmen. Aber wie gesagt, es handelt sich um einen kommunalen Investitionsstau. Wir leben in einem föderalistisch aufgebauten Staat, in dem es bestimmte Zuständigkeiten gibt. In erster Linie zuständig für eine auskömmliche finanzielle Ausstattung der Kommunen sind nun einmal die Bundesländer. Wir unterstützen die Bundesländer. Heute wurde bereits vielfach darauf hingewiesen, dass bei den hoch gepriesenen Mehreinnahmen – über diese freuen wir uns sehr – die Länder den größten Schluck aus der Pulle nehmen. Dementsprechend müssen sie die Kommunen unterstützen. In Bayern wird das vorbildlich gemacht. Ich hoffe, dass in den anderen Bundesländern in Zukunft nach dem Vorbild Bayerns gehandelt wird. Ebenfalls wird heute die Bildung angesprochen. Bildung sei im Haushalt unzureichend finanziert. Auch hier: Bildung ist eine Kernaufgabe der Bundesländer, und da müssen sie auch dementsprechend investieren. Der Bund hat seine Mittel für den Fonds des KIP auf 7 Milliarden Euro verdoppelt und beteiligt sich so an der Finanzierung der Bildungsinfrastruktur. Wir werden es auch in Zukunft tun. Man kann das kritisch sehen; aber nach wie vor sind hier die Länder zuständig. Die Wirtschaftsprognosen für die Zukunft sind gut. Es ist aber nicht in Fels gemeißelt, dass es in den kommenden Jahren so bleibt. Deshalb müssen wir aufpassen. Ich erinnere an die zurückliegenden Ereignisse in 2008 und 2009. Es können aus sprudelnden Steuereinnahmen ganz schnell Mindereinnahmen werden, und das wollen wir nicht. Deshalb appelliere ich in einer Zeit guter Steuereinnahmen, auch einmal daran zu denken, Verbindlichkeiten abzubauen, ein Stück weit Rücklagen zu bilden, oder auf der anderen Seite über eine Entlastung der Steuerzahler zu diskutieren, die diesen Rekordhaushalt erst ermöglichen. ({1}) Wir werden das in dieser Legislaturperiode noch tun. Aber es wäre nicht redlich, wenn wir jetzt schon, zu Beginn dieser Legislatur, mit zu vielen Forderungen an den Haushalt 2019 kommen würden. Auch muss es in einer Haushaltsdebatte erlaubt sein, einmal auf die bürokratischen Herausforderungen, die auf unsere Unternehmen fast tagtäglich einprasseln, zu sprechen zu kommen. Auch hier sollten wir vorsichtig sein, um unseren erfolgreichen Unternehmern in unserem Land nicht ständig mit noch mehr Bürokratie, mit noch mehr überbordenden Aufgaben Lasten zuzuweisen und sie dementsprechend zu schwächen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen in unserem Land auch aufpassen, dass wir nicht, wenn es Gesetzesvorschriften von der Europäischen Union gibt, in vorauseilendem deutschen Gehorsam immer noch eines draufsatteln. ({2}) Es gibt hierfür viele Beispiele. Auch hier müssen wir konsequent handeln. Ich freue mich auf die jetzt anstehenden parlamentarischen Beratungen des Haushalts 2019. Wir werden – das entspricht dem Selbstbewusstsein der Haushälter – im parlamentarischen Verfahren in vielen Diskussionen aus einem schon guten Entwurf einen richtig guten Haushalt machen. Vielen herzlichen Dank. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Rainer. – Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Finanzdebatte liegen nicht vor.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland baut, Deutschland investiert, Deutschland elektrisiert, und Deutschland digitalisiert. Wir bauen Schienenstrecken, modernisieren Brücken, machen Bahnhöfe barrierefrei, sanieren Autobahnen, erweitern Bundesstraßen, bauen Umgehungsstraßen, entlasten Innenstädte – wo man hinschaut: Bagger, Walzen, Teermaschinen und Kräne. Meine Damen und Herren, ich habe als Verkehrspolitiker schon einiges erlebt. Ich arbeite seit 2005 in diesem Fachbereich, etwa im Ausschuss oder als Parlamentarischer Staatssekretär. Es haben sich schon viele Verkehrspolitiker entschuldigen müssen, weil wir Mangel verwalten. Ich bin stolz, jetzt sagen zu können: Der Investitionshochlauf wirkt, und der Investitionshochlauf wird voll umgesetzt. Dafür meinen herzlichen Dank an die Fachpolitiker, an die Haushaltspolitiker und an den ganzen Deutschen Bundestag! ({0}) Erst jammern wir jahrzehntelang, dass unsere Infrastruktur verfällt. Jetzt jammern wir, dass wir zu viele Baustellen haben. Realität ist: Deutschland ist kein Jammerland, sondern ein Investitionsland. Dieser Bereich, Verkehr und digitale Infrastruktur, hat einen Riesenanteil daran, dass wir so viel Wirtschaftswachstum und wirtschaftliche Prosperität haben, und das ist gelebte Strukturpolitik. Dafür setzen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die politischen Rahmenbedingungen mit ihren finanzpolitischen Entscheidungen. ({1}) Keiner braucht sich dafür zu entschuldigen, dass wir Baustellen haben. Wir wollen dadurch vor allem Engpässe beseitigen und den Verkehr besser zum Fließen bringen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei all jenen zu bedanken, die dazu beitragen, dass in Deutschland gerade so viel vorankommt: bei den Bauarbeitern, die im Sommer in unerträglicher Hitze Straßen geteert haben, bei Kranführern, Ingenieuren und Planern, bei den vielen Truckerfahrern, die Tag für Tag durchs Land ziehen und dafür sorgen, dass die Lieferungen rechtzeitig ans Ziel kommen. Stellvertretend für die, die bei der Deutschen Bahn arbeiten, sage ich einen Dank an Bernd aus Bielefeld, dem Bahnchef der Herzen, den ich jetzt schon mehrfach getroffen habe, der alles dafür tut, dass der Service an seinem Bahnsteig gut ist. Ich bedanke mich auch bei Reinhold, 40 Jahre Truckerfahrer, der zum einen seine große Erfahrung ausspielt und zum anderen jetzt mit einem neuen Abbiegeassistenten viel verkehrssicherer unterwegs ist. Auch das ist eine Aktion, die ich in meinem Hause gestartet habe. Allen, die in der Logistik- und in der Baubranche wirken, den vielen Hunderttausenden, die unseren Wirtschaftsstandort am Laufen halten, ein ganz herzliches Dankeschön! Natürlich, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, gibt es auch Probleme, ({2}) etwa im Luftverkehr, bei der Bahn, auch im öffentlichen Nahverkehr. ({3}) Es gibt viele Schnittstellenproblematiken, bei den Bussen, den U‑Bahnen. Überall da können wir besser werden, noch besser. Natürlich gibt es die eine oder andere Lage, wo zu viele Fahrgäste in einem Zug sind, wo die Klimaanlage ausfällt, aber unter dem Strich gilt: Die Mobilität in Deutschland ist einzigartig in der Welt. Wir sind Logistikweltmeister. Wir leisten unglaublich viel. Trotzdem wollen wir vor allem dafür sorgen, dass unsere Investitionen auf Rekordniveau, 17 Milliarden Euro, gut investiert sind und dadurch vor allem Verbesserungen erzielt werden. Dieses Haus ist das größte Investitionsministerium des Bundes. Wir wollen die Schiene stärken, die Straße, den Luftverkehr, den Schiffsverkehr – ({4}) mit großen Bauprojekten, einfach verkehrsträgerübergreifend, mit einem ganzheitlichen Blick. Wir wollen die Verkehrsträger vernetzen, damit es in Bezug auf die Schnittstellenproblematiken bei der Logistik, im kombinierten Verkehr und auch für die Fahrgäste im Nahverkehr und Fernverkehr zu Verbesserungen kommt; Stichworte „Deutschland-Takt“, „eTicketing“ und vieles mehr. Wir wollen mobil und digital verbinden und die Chancen der Digitalisierung nutzen, um nicht nur das Brot-und-Butter-Geschäft zu machen und kräftig in die Infrastruktur zu investieren, sondern vor allem auch mit digitalen und neuen Geschäftsmodellen in die Zukunft zu gehen. ({5}) Deswegen haben wir gerade eine Priorität bei der Schiene. Wir wollen Lust und Leidenschaft fürs Bahnfahren entwickeln. Ja, wir haben da noch viel vor. Wir sind aber im Plan, und wir sind in den Projekten fest drin. Wir haben einen Schienenpakt zwischen Politik und Wirtschaft gestartet, mit dem wir bis 2030 die Zahl der Bahnkunden verdoppeln und vor allem mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern wollen. Da gibt es in der Tat Schnittstellenproblematiken. Wir haben dazu aber schon gute Vorkehrungen getroffen, nämlich die Trassenpreise im Güterverkehr gesenkt, und wir arbeiten daran, dass wir bis zum Jahr 2025  70 Prozent des Schienennetzes in Deutschland elektrisch fahren können. ({6}) Wir haben hier neue Möglichkeiten mit dem ETCS-System, mit dem wir den Bahnverkehr digital überwachen, effizienter steuern und enger takten können. Damit können wir die Kapazität um bis zu 20 Prozent steigern. Wir wollen, dass die DB AG auch ein Digitalkonzern wird. Nicht nur mit dem Deutschland-Takt, sondern auch mit vielen anderen Maßnahmen wollen wir das Umsteigen erleichtern und erreichen, dass bei der täglichen Mobilität nicht immer nur ein Verkehrsmittel im Zentrum steht und dass die Bürgerinnen und Bürger mit einem Blick auf das mobile Helferlein sehen können: Welche Kombination schafft mir den meisten Komfort und die beste Erreichbarkeit? ({7}) Deswegen investieren wir 5,6 Milliarden Euro für die Schiene – eine gute Botschaft. Die Straße hat weiterhin eine hohe Priorität. Deswegen möchte ich mich ganz herzlich dafür bedanken, dass wir heute im Verkehrsausschuss und im Haushaltsausschuss eine wichtige Entscheidung treffen konnten. Der Weg ist frei für die größte Reform in der Geschichte der Autobahnverwaltung. Sie betrifft 15 000 Mitarbeiter, die an dieser Stelle eine gute Perspektive beim Bund haben sollen. Wir haben den ganzen August über an dem Gesellschaftsvertrag gearbeitet und gefeilt. Heute können wir Vollzug vermelden. Jetzt gehen wir in die nächsten Verhandlungen. Ich danke allen, die daran beteiligt sind. Es ist eine gute Botschaft, dass wir die größte Verwaltungsreform auf den Weg gebracht haben. Wir ermutigen die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zum Bund zu kommen, um damit auch weiterhin unsere Infrastruktur zu perfektionieren und auszubauen. ({8}) Mit der Ausweitung der Lkw-Maut sichern wir künftig Einnahmen von jährlich 7,7 Milliarden Euro – direktes Geld für Ausbau und Erhalt. Wir können Nadelöhre und Stauschwerpunkte beseitigen. Das heißt, wir sparen Zeit, Kosten und Energie, wenn wir an dieser Stelle sehr effizient agieren. „Saubere Luft“ ist natürlich das Thema schlechthin. Ich weiß, dass es sehr viel Verunsicherung gibt. Trotzdem können wir auch da Vollzug vermelden. ({9}) Wir haben unglaublich viele Fehler und Manipulationen abarbeiten können. Bei den verpflichtenden Rückrufen liegt die Erfolgsquote bei nahezu 97 Prozent. Jetzt geht es darum, die freiwilligen Softwareupdates, die zugesagt sind, bis Jahresende auch wirklich umzusetzen. ({10}) Die Hersteller haben termingerecht geliefert, und sie haben über die vereinbarte Zahl an Fahrzeugen hinaus geliefert. Vereinbart waren 5,3 Millionen Fahrzeuge, es wurden 6,3 Millionen Fahrzeuge geliefert und die Software dazu dem Kraftfahrt-Bundesamt übersendet. Das heißt, wir können mit den Updates eine Schadstoffreduzierung um 30 Prozent erreichen. Meine Damen und Herren, wir gehen auch schon in die Hardwarenachrüstung, nämlich mit 107 Millionen Euro für Dieselbusse. Das macht wirklich Sinn, weil sie zu 100 Prozent in der Stadt fahren. Außerdem habe ich das Nachrüsten auf die Kommunalfahrzeuge ausgeweitet: auf die Müllfahrzeuge, auf die Feuerwehren, auf die Straßenreinigungen – dort, wo es wirklich sinnvoll ist, weil der Dienst zu 100 Prozent in der Stadt geleistet wird. Dabei geht es um eine Schadstoffeinsparung von über 85 Prozent. Da machen die Maßnahmen wirklich Sinn. ({11}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir werden weiterhin beim Thema „gute Mobilität mit sauberer Luft“ in der Diskussion, ja auch im Streit bleiben. Aber lassen Sie uns vor allem die Themen der Mobilität und der Digitalisierung zum Wohle unseres Landes nach vorne treiben, mit einer Diskussionskultur über den Haushalt, bei der wir kollegial zusammenarbeiten. Ich bedanke mich schon jetzt bei den Berichterstattern. Wir haben auch im Bereich der Digitalisierung viel zu tun. Nicht nur der Breitbandausbau und die Umsetzung der Maßnahmen müssen erfolgen, sondern vor allem muss das Zeitalter des „Hab kein Netz“ schnell zu Ende gehen – Stichworte „Mobilfunk“ und „5G“. Wir brauchen dazu Visionen, auch den einen oder anderen verrückten Ansatz, damit wir diese neuen Geschäftsmodelle zur Sicherung des Wohlstandes in Deutschland umsetzen können. Dazu bitte ich um eine sachliche Beratung. Ich hoffe – lieber Alois Rainer, du hast vorhin gesagt, dass das Parlament noch einmal einen richtig guten Haushalt daraus macht – auf einen guten Dialog bei den beginnenden Beratungen und freue mich schon jetzt auf den intensiven Austausch. Herzlichen Dank. ({12})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Redner hat der Kollege Wolfgang Wiehle von der AfD-Fraktion das Wort. ({0})

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Das Verkehrssystem ist ein entscheidender Faktor für das tägliche Leben in Deutschland und genauso für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes. Gerade deshalb muss es mit gesundem Menschenverstand gesteuert und weiterentwickelt werden. Es darf nicht zum Spielball von Ideologien werden. Das Gerede von einer Verkehrswende kommt aber genau aus der Ecke grüner Ideologen. Wenn es dann noch, wie im Sommerinterview geschehen, von der Kanzlerin – die uns leider nicht mehr zuhört – übernommen wird, müssen die Alarmglocken schrillen, ({0}) und zwar auch dann, wenn der Herr Bundesminister das Thema selber nicht erwähnt. Wir wissen ja schon von der sogenannten Energiewende, was da auf uns zukommen kann. ({1}) Werden da wieder über unsere Köpfe hinweg volkswirtschaftliche Mittel in Billionenhöhe zum Fenster hinausgeworfen? Steigen auch im Verkehrssektor die Preise so drastisch wie beim Strom? Riskiert man auch bei den Verkehrsmitteln die Versorgungssicherheit? Bis 2030 soll der Verkehrssektor 40 Prozent weniger CO 2 erzeugen. Wie soll das gehen? Seit 1990 hat es hier keine CO 2 -Reduzierung gegeben, und zwar nicht zuletzt wegen des Wirtschaftswachstums, das es zum Glück gegeben hat und zum Glück noch gibt. ({2}) Sollen wir nun auf Verdacht unseren Wohlstand opfern, um das Weltklima zu retten, während in China weiter Kohlekraftwerke gebaut werden? Sind wir – Deutschland hat 82 Millionen Einwohner; das ist gut 1 Prozent der Weltbevölkerung – damit besonders schlau oder vielleicht besonders dumm? ({3}) Nutzen wir mit gesundem Menschenverstand den technischen Fortschritt, und bauen wir unsere Infrastruktur gezielt aus. Das muss auch der Maßstab für den Bundeshaushalt sein. Hierzu ein paar Beispiele: Die digitale Vernetzung ermöglicht optimierte Navigation, engere Zugfolgen im Schienenverkehr und künftig sparsames autonomes Fahren. Durch Videokonferenzen kann man Fahrten komplett einsparen, vorausgesetzt, man hat einen Breitbandzugang zum Internet. Sorgen wir dafür, dass nach dem Vorbild der Schweiz und Österreichs der Transitgüterverkehr stärker auf die Bahn verlagert wird. Dann haben wir weniger Staus und Lärm entlang unserer Autobahnen. Die Bahnverladung auf der Rollenden Landstraße wird nun stärker gefördert; das muss vernetzt mit unseren Nachbarländern geschehen. ({4}) Entlasten wir unsere Großstädte durch bessere Verbindungen ins Umland mit S-Bahnen und Regionalzügen. Das ist zugleich ein nützliches Mittel gegen die Landflucht. Funktionieren wird das alles nur, wenn wir auf Straße und Schiene die Kapazitäten gezielt ausbauen. Die Rheintal-Bahnstrecke beweist, dass man das im Einklang mit dem Lärmschutz machen kann, wenn man dafür Geld in die Hand nimmt. Genau das müssen wir in Bayern wiederholen, wenn es um die Anbindung des Brenner-Basistunnels geht. Die Politik muss die Bahn dabei unterstützen, strukturelle Probleme zu lösen, auf die der Vorstandsvorsitzende Lutz in seinem gestrigen Brandbrief hingewiesen hat. Wir müssen Blockaden und Versäumnisse beim Ausbau der Infrastruktur beenden. In meiner bayerischen Heimat gilt das beispielsweise für den Frankenschnellweg in Nürnberg und für die Komplettierung des Münchener Autobahnrings. Genauso muss die energiesparende Binnenschifffahrt attraktiver und wettbewerbsfähiger gemacht werden. ({5}) Die für unsere Zukunft allerwichtigste Infrastruktur ist die digitale Infrastruktur. Dass Deutschland beim Glasfaserausbau im internationalen Vergleich zu den Schlusslichtern gehört, ist für eine führende Industrienation nicht akzeptabel. ({6}) Wir müssen hier nicht nur die Bürokratie zurückschneiden. Es geht um Daseinsvorsorge, wie beim Ausbau und der Bereitstellung des elektrischen Stroms. Wo der Wettbewerb versagt, muss der Staat selbst in die Pflicht. Wir dürfen uns dabei auch nicht von dem Ergebnis der nächsten Auktion von Funkfrequenzen abhängig machen. Es gibt so viele Möglichkeiten, unsere Infrastruktur mit gesundem Menschenverstand in die Zukunft zu bringen – ganz ohne Ideologie! Hüten wir uns also vor den Ansätzen mit fest vorgegebenen Zahlen, die an sozialistische Fünf- oder Zehnjahrespläne erinnern. ({7}) In ihrem Klimaschutzplan warnt die Bundesregierung selbst vor möglichen „weitreichenden Folgen für unsere wirtschaftliche und soziale Entwicklung“. Die großspurige „Verkehrswende“-Zahl von 40 Prozent CO2-Minderung kann genau dazu führen, wenn sie mit der Brechstange durchgesetzt wird. Verkehrsbeschränkungen, drastische Steuererhöhungen, zwangsweiser Umstieg auf E-Autos, ohne dass man weiß, wo der Strom dafür herkommt – all das kann uns passieren, wenn die Ideologen die Oberhand gewinnen. Meine Damen und Herren, die Alternative für Deutschland wird immer mit Argusaugen auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung unseres Landes achten. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Wir werden auf der Seite der Bürger stehen und nicht auf der Seite der Ideologen. Darauf können Sie sich verlassen, meine Damen und Herren. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Sie haben jetzt noch einen Satz, Herr Kollege.

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich bin schon fertig, Herr Präsident. – Ich danke.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Ich konnte ja nicht sehen, dass Sie schon fertig sind. – Als Nächstes spricht für die SPD-Fraktion der Kollege Sören Bartol. ({0})

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geld liegt nicht auf der Straße. Bürgerinnen und Bürger, die jeden Tag hart arbeiten und ordnungsgemäß ihre Steuern zahlen, erwarten von uns Abgeordneten, dass wir mit den Steuereinnahmen ordentlich umgehen. Öffentliche Gelder gehören allen. Jeder Cent verpflichtet uns, damit sinnvolle Dinge im Interesse der Menschen in unserem Land zu tun. Nach dem Urteil aus Leipzig im Februar 2018 über mögliche Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Stuttgart und Düsseldorf treibt Pendlerinnen und Pendler in großen Städten die Angst um, dass sie morgens nicht mehr mit ihrem Auto zur Arbeit fahren dürfen und abends nicht mehr nach Hause kommen. CDU/CSU und SPD haben das Ziel, Fahrverbote zu verhindern. Deswegen haben wir auch das „Sofortprogramm Saubere Luft“ mit 1 Milliarde Euro aufgesetzt. Vor über einem Jahr haben wir mit der Automobilindustrie vereinbart, dass sie sich mit 250 Millionen Euro an der Finanzierung beteiligen wird. Mit diesem Geld – der Minister hat das angesprochen – helfen wir den Kommunen, ihre Busse, Taxis und die kommunalen Wirtschaftsfahrzeuge auf elektrische Antriebe umzustellen. Außerdem fördern wir die Anschaffung von modernen sauberen Bussen und die bessere Organisation des städtischen Verkehrs durch Digitalisierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, spätestens jedoch seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden in der letzten Woche stellen sich die Pendlerinnen und Pendler in der Rhein-Main-Region die Frage, ob diese Maßnahmen sie wirklich vor Fahrverboten schützen und ob ihre Steuergelder in den Förderprogrammen wirklich gut angelegt sind. Zur Wahrheit gehört, dass die Urteile zu einem Zeitpunkt kommen, an dem die meisten Maßnahmen vor Ort noch gar nicht wirksam sind. Ich hoffe, dass das Bundesverkehrsministerium hier gemeinsam mit den Kommunen noch schneller wird, damit die Gelder vor Ort auch ankommen und wirken können. ({0}) Richtig ist aber auch, dass über ein zentrales Instrument zur Verhinderung von Fahrverboten aufgrund der Blockade der Union seit Monaten innerhalb der Bundesregierung nicht entschieden wird: ({1}) die technische Nachrüstung. Nicht jeder Autobesitzer kann sich ein neues Auto kaufen. Für viele ist das schlichtweg nicht bezahlbar. Um mit einigen Vorurteilen aufzuräumen: Es geht nicht um eine flächendeckende, sondern um eine regional begrenzte Nachrüstung für Dieselfahrerinnen und Dieselfahrer, die ganz konkret von Fahrverboten betroffen sind. ({2}) Es geht auch nicht um irgendwelche alten Fahrzeuge, sondern um Euro‑5- und Euro‑6-Fahrzeuge. Bis vor einem Jahr wurden Euro‑5-Fahrzeuge noch als moderne saubere Neuwagen verkauft. ({3}) Und es geht um eine technische Nachrüstung, die von den Herstellern und nicht von den Haltern bzw. vom Steuerzahler bezahlt werden soll. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht in der Lage ist, bei der technischen Nachrüstung innerhalb der Bundesregierung Klarheit zu schaffen und die abwartende Haltung der CDU und auch des Bundesverkehrsministers zu überwinden, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir hier im Bundestag entscheiden. ({5}) – Moment, ich bin ja noch nicht fertig. – Die SPD ist dazu bereit, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner einen Antrag in den Bundestag einzubringen und die Bundesregierung aufzufordern, die technische Nachrüstung gegenüber der Automobilindustrie endlich durchzusetzen. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Bartol, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nachdem ja inzwischen auch der hessische Ministerpräsident und die CDU-Generalsekretärin das Anliegen der SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze und meiner Fraktion unterstützen, sollte die Sache mit dem Antrag doch überhaupt kein Problem mehr sein. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer auf dem Weg zur Arbeit im Stau steht und darüber nachdenkt, alternativ mit der Regionalbahn zu fahren, tut dies nur, wenn er sich auch darauf verlassen kann, dass die Bahn pünktlich, regelmäßig und zuverlässig fährt. Unser Ziel ist es, deutschlandweit den Schienenverkehr im Personen- wie auch im Güterverkehr zu einer attraktiven Alternative zu Flugzeug, Pkw und Lkw zu machen. ({2}) Dazu haben wir in der Koalition verabredet, mit einem Schienenpakt von Politik und Wirtschaft bis 2030 die Anzahl der Kundinnen und Kunden auf der Schiene zu verdoppeln. In einem ersten Schritt haben wir in diesem Jahr die Schienenmaut für den Güterverkehr deutlich abgesenkt. Außerdem investieren wir ja massiv in den Erhalt und Ausbau der Schieneninfrastruktur, wollen ein Bahnhofssanierungsprogramm auflegen und die Elektrifizierung und auch die Digitalisierung der Schiene fördern. Die Deutsche Bahn muss in diesem Pakt ein starker Partner sein. Die Nachrichten, die uns gerade aus dem Bahn-Tower erreichen, legen jedoch etwas anderes nahe. Wenn der Vorstandsvorsitzende Dr. Lutz von der Deutschen Bahn AG einen dramatischen Appell an seine Führungskräfte richtet und einen Ausgabenstopp ankündigt, scheint die Lage ernst zu sein. Jetzt sind auch vonseiten des Bundesverkehrsministers Kontrolle und Führung gefragt. Wir wollen, dass bei der Deutschen Bahn, die ja im vollständigen Eigentum des Bundes ist, nicht die Maximierung des Gewinnes, sondern die Maximierung des Schienenverkehrs im Vordergrund steht. ({3}) Das heißt: Der Ausbau und Erhalt des Schienennetzes, die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit beim Bahnfahren sind am Ende wichtiger als die Rendite, und das muss natürlich in den Satzungen der Deutschen Bahn auch verankert werden. Auch hier erwarte ich vom Haus zügig Vorschläge, damit wir das, was im Koalitionsvertrag steht, umsetzen können. ({4}) Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das heißt nicht, dass wir zurück zur Behördenbahn wollen. Die Deutsche Bahn muss weiterhin effizient und wirtschaftlich erfolgreich geführt werden. Weniger Gewinndruck soll auch nicht heißen, dass das Unternehmen irgendwann zur Schuldenbahn werden soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden in den kommenden Wochen intensiv darüber diskutieren, an welcher Stelle wir im kommenden Jahr mit wie viel Geld sinnvolle Dinge im Bereich Mobilität finanzieren wollen. Lassen Sie uns dann in Ruhe um den richtigen Weg hier im Parlament ringen, ({5}) die richtigen Entscheidungen treffen. Die Kolleginnen und Kollegen und auch die Bürgerinnen und Bürger, glaube ich, erwarten das von uns. Vielen Dank. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Bartol. – Herr Kollege Meyer, noch einen kleinen Moment, weil der Kollege Spaniel gerne eine Kurzintervention machen würde. ({0})

Dr. Dirk Spaniel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004899, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Bartol, wir waren doch zusammen in einer Ausschusssitzung. Da haben wir von Experten gehört, wie es um die Nachrüstung steht. Deshalb finde ich es eine Unverschämtheit, dass Sie sich hier in dieses Parlament stellen und behaupten, die Nachrüstung von großen Fahrzeugmassen sei technisch möglich. Das ist technisch Unsinn. Es ist praktisch nicht durchführbar. In dieser Ausschusssitzung, wo Sie offensichtlich nicht zugehört haben oder es vielleicht nicht verstanden haben, wurde uns erklärt: Es ist nicht möglich. ({0}) Diesen Umstand bitte ich doch auch einmal hier in diesem Parlament sachlich zu diskutieren. Wir können ja politisch unterschiedliche Auffassungen haben. Aber man kann doch nicht über Expertenmeinungen so hinwegfahren, wie Sie das tun. Das ist eine Unverschämtheit. Sie belügen hier Tausende von Leuten vor den Bildschirmen. Das ist unerträglich. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Bartol, wünschen Sie zu antworten? – Offensichtlich. ({0}) – Leute, in aller Ruhe: Kurzinterventionen sind nicht dazu da, die Emotionen hochzufahren, sondern um sachliche Argumente auszutauschen. Herr Kollege Bartol, Sie haben das Wort.

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich hoffe auch, dass der Kollege seinen Blutdruck im Griff hat. – Lieber Kollege, wissen Sie, ich habe nie gesagt, dass das bei allen Autos möglich ist. Aber Sie wissen auch: Es gibt genug Anbieter auf dem Markt, die jetzt schon Systeme zur Verfügung stellen könnten, die eine technische Nachrüstung möglich machen. Sie wissen auch, dass es jetzt schon Autos gibt, die mit solchen Systemen auf der Straße fahren. Natürlich kostet das Geld; das ist klar. Das ist nicht umsonst zu haben. Ich weiß auch: So einen Smart wird man wahrscheinlich nie mit einer Nachrüstlösung versehen können. Aber Sie wissen auch: Es gibt diese Lösungen. Das Schlimme ist: Wir haben jetzt schon sehr viel Zeit verloren. Wir haben jetzt schon Jahre verloren, weil wir immer nur darüber reden. Wir sollten es ermöglichen, dass diese Nachrüst­lösungen endlich auf den Markt kommen können, dass es auch die rechtlichen Voraussetzungen dafür gibt. Was heißt das eigentlich, wenn ein Euro‑5-Fahrzeug mit einer Nachrüstlösung versehen ist? Was ist es dann eigentlich für ein Auto? Darf es dann in diese Zonen reinfahren? Das müssen wir klären. Sie können doch nicht erzählen, dass es nicht geht. ({0}) Es gibt zig Experten, die Ihnen nachweisen können, dass es geht. ({1}) Es gibt vom ADAC bis zu anderen Organisationen Fahrzeuge, die schon jetzt auf den deutschen Straßen als Testobjekte fahren. ({2}) Sie sind getestet worden. Es funktioniert. Sie wissen auch: Wenn die Hersteller mit im Boot sind, wird das Ganze schneller gehen, als wenn wir es nur über externe Zulieferer machen. Dabei geht es insbesondere um die Frage der Haftung. Was ist, wenn ein Motorschaden auftritt etc.? Lassen Sie uns doch sachlich darüber reden, nur, lassen Sie uns nicht mehr Zeit verlieren. Ganz ehrlich, wenn die CDU-Generalsekretärin sagt, auch die CDU könne sich das Ganze vorstellen, dann hoffe ich, dass sich der gesamte Teil der Union in der Bundesregierung endlich bewegt. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

So, das war die Antwort. – Als Nächstes hat das Wort der Kollege Christoph Meyer, FDP-Fraktion. ({0})

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bartol, ich kann nur sagen: Willkommen in der Opposition. Bei einer solchen Rede, die Sie hier gehalten haben, sind wir gespannt auf die nächsten Jahre. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister Scheuer, auch der Etat 2019 steht – Sie haben es gesagt – bei Ihnen unter der Begrifflichkeit „Investitionshochlauf“. Sie haben 1,1 Milliarden Euro mehr zur Verfügung als 2018. Fakt bleibt jedoch – dazu haben Sie gerade nichts gesagt –, dass Sie das Geld, welches Ihnen zur Verfügung gestellt wird, nicht verbaut bekommen. Keiner regt sich über Bagger oder Baustellen auf, wie Sie es vorhin formuliert haben, sondern man regt sich darüber auf, dass Sie es nicht hinbekommen, schnell zu bauen und die Mittel entsprechend schnell für Maßnahmen im Bereich Straße oder Schiene zu verwenden. ({1}) Was wir heute Morgen im Haushaltausschuss zu Ihrer Infrastrukturgesellschaft gehört haben, beendet die Hoffnung, dass es zukünftig besser wird. Statt auf eine schlanke, smarte Lösung setzen Sie auf eine Mammutbehörde. Die Zahl der Niederlassungen und Außenstellen wollen Sie nicht mehr begrenzen. Eine Kontrolle durch die Opposition oder das Finanzministerium im Aufsichtsrat ist explizit nicht mehr erwünscht. Bei den Bundesschienenwegen gibt es 1 Milliarde Euro Ausgabenreste, bei den Bundeswasserstraßen 780 Millionen Euro Ausgabenreste. Es steht zu erwarten, dass nach dem Jahr 2018 diese Beträge noch weiter aufgewachsen sind. Im Bereich der digitalen Infrastruktur schieben Sie einen Berg von Resten in Höhe von fast 1 Milliarde Euro vor sich her. Auch hier das gleiche Bild wie auf allen anderen Feldern: Der Minister kündigt an, redet, produziert schöne Bilder – heute auch wieder in der Rede –, es kommt dabei aber effektiv nichts heraus. ({2}) Es ist nach wie vor unklar, wie beim Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ eine transparente und zügige Mittelverwendung sichergestellt wird, genauso unklar wie bisher in Ihrem Etat. Statt einer digitalen Infrastruktur wird in dieser Regierung nur der Kreis an Beratergremien ausgebaut. Gestern – das schlägt ein bisschen dem Fass den Boden aus – machten Sie offiziell, dass Ihr Ministerium einen eigenen Newsroom einrichtet. Sie wollen – O-Ton – die „ganz normalen, unaufgeregten Geschichten“ erzählen. 14 Mitarbeiter, über 2,5 Millionen Euro im Jahr für eine eigene Hofberichterstattung. Zum Vergleich: Andere Ministerien kommen mit einem Budget für Öffentlichkeitsarbeit aus, das nur einen Bruchteil dessen ausmacht, sogar Ihr Parteivorsitzender, Herr Seehofer, mit 1,1 Millionen Euro. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Sie nach der Wahl in Bayern der neue Sonnenkönig im geschrumpften, zerbröselten CSU-Universum werden wollen. ({3}) Das wäre ja vielleicht noch lustig. Aber wenn wir als Bundesrepublik Deutschland im Vergleich für die künstliche Intelligenz 1 Million Euro ausgeben und die Zahl von 2,5 Millionen Euro dagegenstellen, dann sieht man: Zukunftssicherung gibt es bei Ihnen nicht. Daily Soap mit Andi Scheuer – das ist das Bild wie Sie Politik machen. ({4}) Liest man den Bericht des Bundesrechnungshofs zur Entwicklung Ihres Etats, könnten Sie den traurigen Alltag in Ihrem Haus, dem Haus mit dem größten Investitionshaushalt, ohne viel Aufwand darstellen: Beim Thema Korruptionsprävention und ‑bekämpfung gibt es keine Fortentwicklung, nur eine halbherzige Umsetzung entsprechender Regeln in den nachgeordneten Behörden. Darum kümmert sich Herr Scheuer offenbar nicht. Beim Thema Brückensanierung fehlt immer noch eine valide Erhaltungsbedarfsprognose. Seit 2015 wird darüber geredet. Offenbar kümmert sich Herr Scheuer auch hierum nicht. Ein Brücken-TÜV, wie Sie ihn angekündigt haben, ersetzt noch keine Investitionsplanung. ({5}) Eine geordnete Aufgabenanalyse als Grundlage für die Ermittlung von neuen Stellenbedarfen und zur Kontrolle der bestehenden Struktur – bisher offenbar ebenfalls Fehlanzeige –; Schwebezustand beim Eisenbahnvermögen, statt Rückführung bzw. Abwicklung, um Synergien zu heben; klare Förderziele und Erfolgsparameter bei der Senkung der Trassenpreise, für die Sie sich eben gelobt haben – nicht vorhanden; strukturiertes Rückforderungsmanagement für bestimmungswidrige Ausgaben, wie jetzt neuerlich im Land Berlin – ebenfalls Fehlanzeige. Die Aufzählung würde sich beliebig verlängern lassen. Es drängt sich das Bild eines strukturell überforderten Ministeriums auf, das nicht in der Lage ist, über 60 Behörden und Unterbehörden effektiv zu kontrollieren. Wenn man sich das vergegenwärtigt, dann sieht man: Der Zustand der Bahn und das Dieseldesaster sowie der Umgang Ihres Hauses damit sind keine Überraschung, sondern Teile eines Gesamtbildes, das abgerundet wird. ({6}) Beim Stichwort „Desaster“ muss man an die Maut denken. Wir haben den Toll-Collect-Vergleich, den Sie geschlossen haben, begrüßt, in der Hoffnung, dass Sie wenigstens dieses Thema sauber aufsetzen können. Wenn man sich jetzt vergegenwärtigt, dass Ausschreibungsfristen offensichtlich frei nach den Wünschen von Bewerbern verlängert werden, kommt man leider auch hier zu dem Schluss, dass ein faires Verfahren offensichtlich nicht möglich ist. Ich könnte noch über den BER sprechen. Der Berliner Finanzsenator geht offensichtlich davon aus, dass, wenn es nicht zu gravierenden Änderungen in der Finanzstruktur kommt, eine Insolvenz der Flughafengesellschaft droht. Aus Ihrem Haus bekomme ich die Antwort, dass Sie davon keine Ahnung haben. Leider, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, werden die Baustellen im Einzelplan 12 mehr und nicht weniger. Sie lassen uns als Opposition viel Raum, zu zeigen, dass wir es besser können. Dafür danke ich Ihnen, Herr Scheuer. Ich freue mich auf die Beratungen. Vielen Dank. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. – Als Nächstes für die Fraktion Die Linke der Kollege Victor Perli. ({0})

Victor Perli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Koalition und Verkehrsminister Scheuer setzen mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf einmal mehr die falschen Schwerpunkte. Die Ausgaben des Ministeriums sollen um 1,2 Milliarden Euro steigen. Aber noch viel mehr, nämlich 1,7 Milliarden Euro, fließen zusätzlich in Autobahnen und Bundesstraßen. Für die Schienenwege und Bundeswasserstraßen haben Sie dagegen gerade einmal 300 Millionen Euro extra übrig. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, deutlich mehr in die häufig maroden Schienen- und Wasserwege zu investieren, damit nicht immer mehr Verkehr auf der Straße landet und für Staus und schlechte Luft sorgt. ({0}) Es wäre gerade jetzt wichtig, unsere Städte und Gemeinden dabei zu unterstützen, den öffentlichen Nahverkehr attraktiv zu machen und in sichere Fahrradwege zu investieren. Das Umweltbundesamt hat ermittelt, dass in Ballungszentren fast jede dritte Pkw-Fahrt auf das Fahrrad verlagert werden könnte, wenn wir gute Fahrradwege hätten. Eine aktuelle Greenpeace-Studie zeigt aber: Das Radfahren in deutschen Städten ist stressig, unbequem und gefährlich, weil Radwege fehlen und Autos in die Quere kommen. Das ist kein Wunder: Verkehrsminister Scheuer gibt nur ein halbes Prozent seines 29-Milliarden-Euro-Etats für den Radverkehr aus. In anderen europäischen Ländern wird schon lange deutlich mehr in gute und sichere Radwege investiert. Dort fahren dann eben auch deutlich mehr Menschen mit dem Rad. ({1}) Auch bei uns muss endlich deutlich mehr passieren. Es ist höchste Zeit für eine soziale und klimafreundliche Verkehrswende. Die Linke wird sich weiter dafür starkmachen. ({2}) In den letzten Tagen macht die Deutsche Bahn mit Alarmmeldungen auf sich aufmerksam – wieder einmal. Ihr fehlen Finanzmittel, um den Verkehr auf der Schiene zu maximieren, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht. Die Bahn hat große Probleme mit extremem Sanierungsstau, zum Beispiel mit 1 000 abrissreifen Brücken, die ersetzt werden müssen, oder mit defekten Stellwerken, die über 100 Jahre alt sind und noch aus dem Kaiserreich stammen. Die Verspätungen und Zugausfälle, die daraus resultieren, nerven alle Bahnfahrer. Die „Süddeutsche Zeitung“ kritisiert heute völlig zu Recht: „Die Deutsche Bahn wurde kaputtgespart“. Hier zeigen sich ein Vollversagen der Bahnpolitik der letzten 25 Jahre und schwere Fehler des Konzernvorstands. Die Linke hat immer gesagt: Wir brauchen eine moderne Bürgerbahn, die preiswert und attraktiv ist, damit alle, die nicht auf ein Auto angewiesen sein wollen, die Bahn nehmen können. ({3}) Aber Sie wollten die Bahn auf Börsenkurs bringen und haben sie damit kaputtgespart. Dann folgten völlig überteuerte und unnütze Milliardengräber wie zum Beispiel Stuttgart 21. Jetzt drohen bei der Bahn – so warnt der Bahn-Vorstand – Teilverkäufe, Privatisierungen und harte Einschnitte bei den Beschäftigten. Die Linke sagt ganz klar: Nicht mit uns! Hören Sie endlich auf, die Bahn auf Verschleiß zu fahren! ({4}) Nun zur Lkw-Maut. Der Schwerlastverkehr ist hauptverantwortlich dafür, dass die Straßen extrem schnell abgenutzt werden. Deswegen ist natürlich richtig, dass eine Lkw-Maut kassiert wird, um die hohen Kosten bei den kaputten Straßen und Brücken zu refinanzieren. Aber alle anderen Parteien haben es so gewollt, dass die Maut nicht von der öffentlichen Hand kassiert wird, sondern vom privaten Betreiber Toll Collect. Auf diese Weise haben die Eigentümer Daimler und Telekom in den letzten Jahren Milliarden aus der Lkw-Maut eingenommen. Und jetzt erleben wir einen echten Wirtschaftskrimi: Toll Collect hat jahrelang versucht, die öffentliche Hand mit falschen Abrechnungen zu betrügen. Diese Frechheit ist am Ende belohnt worden, weil Verkehrsminister Scheuer zugelassen hat, dass nach einem jahrelangen Rechtsstreit alle Forderungen – die vom Bund und die von Toll Collect – miteinander verrechnet worden sind, auch die illegalen Forderungen. ({5}) Das war ein schlechter Deal, der die Steuerzahler Hunderte Millionen Euro gekostet hat. ({6}) – Da müssen Sie nur mal die Presseberichte verfolgen, lieber Kollege. ({7}) Es ist nachgewiesen, es steht schwarz auf weiß, es ist vom Ministerium hier auch gesagt worden. ({8}) Natürlich sind die Forderungen miteinander verrechnet worden. Für uns als Linke ist völlig klar – es gibt nur eine ganz klare Konsequenz –: Das Lkw-Mautsystem muss dauerhaft von der öffentlichen Hand betrieben werden. ({9}) Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben hat sich einmal mehr als teure Scheinlösung erwiesen. Vielen Dank. ({10})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Stephan Kühn. ({0})

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, mit diesem Haushalt setzen Sie Ihre klimapolitische Geisterfahrt fort. Es sind nicht die Umfragewerte, die nach vier CSU-Verkehrsministern steigen, sondern es sind die CO 2 -Emissionen im Verkehr. Sie blockieren nicht nur ambitionierte CO 2 -Verbrauchswerte für neue Autos, sondern Sie legen einen Straßenbauetat vor, mit dem jegliche Ambitionen im Klimaschutz konterkariert werden. ({0}) Die Mittel für den Bereich Straße sollen im Vergleich zum Jahr 2018 um 19 Prozent auf 8 Milliarden Euro steigen. Für die umweltfreundliche Schiene gibt es 5,5 Milliarden Euro und damit nur 4 Prozent mehr. Die Förderung des Radverkehrs liegt völlig brach. Meine Damen und Herren, das ist Verkehrspolitik aus dem letzten Jahrhundert. ({1}) Heute war schon vom Brandbrief von Bahnchef Lutz an seine Führungskräfte die Rede. Das ist ein Brief, der nicht nur die Strukturprobleme des Unternehmens deutlich macht, sondern auch ein Hilferuf an den Eigentümer ist, endlich mehr für die Schiene zu tun. Und das sage ich Ihnen, Herr Minister: Man stärkt die Schiene nicht, indem man mehr Straßen baut. ({2}) Das Straßennetz ist in den letzten 25 Jahren um 40 Prozent gewachsen, das Schienennetz um 20 Prozent geschrumpft. Das darf nicht so weitergehen. ({3}) Kluge Verkehrspolitik wäre es, zusätzlich in die Infrastruktur für die Verkehrswende zu investieren – in den Schienengüterverkehr, in den Ausbau des Nahverkehrs, in die kommunale Verkehrsinfrastruktur, in den Radverkehr und mehr Verkehrssicherheit. All das passiert nicht; die zusätzlichen Milliarden gehen allein in den Straßenbau. Sie, Herr Minister, betonen immer die Wahlfreiheit bei der Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger. Wo sind denn Ihre Konzepte für die Sicherung der Mobilität im ländlichen Raum? Weil sich die Bahn aus der Fläche zurückgezogen hat und weil sichere und gut ausgebaute Radwege fehlen, fühlen sich die Menschen abgehängt. Und wo sind Ihre Vorschläge? Sollen die Leute etwa auf die Einführung von Flugtaxis warten? Sie haben keine Konzepte, die Sie uns präsentieren können. Und wie sieht’s eigentlich mit der Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger aus, die von Dieselfahrverboten in mehreren deutschen Städten betroffen sind? Softwareupdates werden Fahrverbote nicht verhindern. Die Experten im Nationalen Forum Diesel haben deshalb für Hardwarenachrüstungen bei älteren Dieselfahrzeugen plädiert. Wer diese Maßnahme – wie der Minister – weiter blockiert, wird weitere Fahrverbote ernten und trägt dafür die politische Verantwortung. ({4}) Wer die wahren Problemverursacher – und das sind eben zu 70 Prozent Diesel-Pkws – verschont, der macht sich damit zum Buddy der Automobilindustrie. Ich kann nur hoffen, dass Kanzlerin Merkel jetzt ein Machtwort spricht und endlich für Hardwarenachrüstungen sorgt, natürlich auf Kosten der Hersteller. ({5}) Mit dem „Sofortprogramm Saubere Luft“ für die Kommunen sollte ebenfalls eine Senkung der Diesel­emissionen erreicht werden. Diese Milliarde ist ein Tropfen auf den heißen Stein, und sie wird jetzt bis auf das Jahr 2022 verteilt. Da fragt man sich schon, wie die Bundesregierung eigentlich das Wort „sofort“ definiert, zumal das Geld in der Bürokratie stecken bleibt. Über die Förderrichtlinie Elektromobilität, die Teil des Sofortprogramms ist, wurde bisher genau ein Fahrzeug beschafft. Es ist schon beschämend, wie diese Bundesregierung das Thema Elektromobilität vergeigt. ({6}) Deutschland wird immer mehr zum Zaungast bei der Entwicklung der Elektromobilität. Solange Sie den Diesel stärker steuerlich subventionieren, als Sie die Elektromobilität finanziell fördern, verhindern Sie den Umstieg auf saubere Antriebe. Das muss sich endlich ändern! ({7}) Zum Schluss komme ich auf das Thema Toll Collect und Lkw-Mautsystem zu sprechen. Jetzt hieß es ja, das sei abgeräumt worden, nach 14 Jahren Schiedsverfahren habe man die Probleme gelöst. Ich sage: Nein, die Probleme sind nicht gelöst. Sie schaffen neue Probleme; denn Sie wollen erneut das Mautsystem privatisieren. ({8}) Verkehrsminister Scheuer behauptet, ein privatisiertes Mautsystem sei wirtschaftlicher als die Erhebung und Kontrolle der Maut durch ein Bundesunternehmen. Das zugrundeliegende Gutachten wird uns aber nicht zur Verfügung gestellt. Wir haben das heute im Ausschuss beantragt, sowohl im Verkehrsausschuss als auch im Haushaltsausschuss. Beide Male hat die Koalition das abgelehnt. ({9}) Es gibt keine Transparenz und damit auch keinen Nachweis, dass die Privatisierung tatsächlich wirtschaftlicher ist. ({10}) Die Privatisierung der Maut ist alles andere als eine Erfolgsgeschichte: ein 14 Jahre dauerndes Schiedsverfahren, bei dem der Bund am Ende auf Milliardenforderungen verzichten musste, falsche Abrechnungen in Millionenhöhe und satte 20 Prozent Rendite für Toll Collect und seine Eigentümer. Meine Damen und Herren, die Lkw-Maut einzutreiben, ist keine Rocket Science. Wenn man im Haushalt mehr Mittel für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stellen will, dann muss die Maut zukünftig von einem staatlichen Unternehmen eingetrieben werden, damit nicht erneut Privaten die Taschen gefüllt werden. ({11})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich fordere beide Minister, Verkehrsminister Scheuer und Finanzminister Scholz, auf: Stoppen Sie das Vergabeverfahren für eine erneute Privatisierung der Maut. Herzlichen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Christoph Ploß, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Christoph Ploß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004854, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über den Etat für Verkehr und digitale Infrastruktur für das Jahr 2019 diskutieren wir heute. Aber in Wahrheit geht es auch um die Mobilität im Jahr 2030 oder sogar im Jahr 2040. Dann werden Lkw autonom, ohne Fahrer auf den Straßen unterwegs sein, während wir Menschen uns mit Flugtaxis fortbewegen. ({0}) Unsere Autos werden elektrisch oder mit Gas betrieben, und auch die Schiffe werden deutlich weniger Schadstoffe und CO 2 ausstoßen. Die Luft wird sauberer und der Lärm deutlich geringer sein, wenn wir als verantwortliche Politiker im Deutschen Bundestag mit dem nächsten Bundeshaushalt dafür die Grundlagen schaffen. Für uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind Investitionen in unsere Infrastruktur, ob analog oder digital, von höchster Priorität. Denn wir wissen: Wer an der Infrastruktur spart, der legt die Axt an das Fundament unseres Landes. ({1}) Es geht dabei um Pendler, die auf der Straße oder der Schiene zur Arbeit fahren, Handwerker, die zu ihren Kunden müssen, oder Lieferanten, die Waren transportieren. Deswegen werden wir mit dem nächsten Bundeshaushalt so viel Geld in die Straßen, Tunnel, Brücken, Schienen und in die Wasserstraßen- und Luftverkehrsinfrastruktur unseres Landes investieren, wie es noch keine Koalition vor uns getan hat; denn wir wollen, dass die Menschen, ob beruflich oder privat, sicher, komfortabel und pünktlich ihre Ziele erreichen. Entscheidend ist aber auch, dass wir neben diesen Rekordinvestitionen in die bestehende Infrastruktur den Verkehr moderner, umweltfreundlicher und leiser machen. Für uns ist klar, dass wir Elektroautos, ob mit Batterie oder Wasserstoff betrieben, fördern wollen. Wir wollen die Basis dafür legen, dass Autos in Deutschland in Zukunft mit modernen, umweltfreundlichen Antriebstechnologien unterwegs sind, und wir wollen auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass unsere Automobilindustrie weiterhin an der Spitze technischer Innovationen stehen kann. Deswegen bauen wir die Zahl der Ladestationen für Elektroautos massiv aus. Wir wollen auch die Zahl der Wasserstofftankstellen verdoppeln. Die Menschen werden erst auf umweltfreundliche Autos umsteigen, wenn die dafür notwendige Ladeinfrastruktur nutzbar ist. Das ist in etwa wie bei den Smartphones, die fast jeder von uns mit sich herumträgt. Diese Geräte, die im Alltag so hilfreich für uns sind, nutzen wir nur, weil wir sie an fast jedem Ort aufladen können. Die Digitalisierung wird eine zentrale Rolle für das Erreichen unserer Verkehrsziele spielen – das hat der Bundesverkehrsminister vorhin vollkommen zu Recht hier dargelegt –; denn sie wird die Verkehrssituation vor allem in den Großstädten unseres Landes verbessern: mit autonom fahrenden Bussen, App-gesteuerten Shuttles und digital gelenktem Verkehr. Wenn wir die Ampelsysteme in unseren Großstädten nur zur Hälfte digitalisieren würden, dann würde der Verkehr bereits flüssiger laufen. Viele Pendler könnten morgens eine zweite Tasse Kaffee mit ihrer Familie trinken, statt die Zeit im Stau zu vergeuden. In meiner Heimatstadt Hamburg unterstützen wir als Koalition diese Entwicklung mit sogenannten digitalen Testfeldern. Hier können die Automobilhersteller Abbiegesysteme oder halbautonomes Fahren bereits testen. Bis 2020 wollen wir in Hamburg Ampeln mit digitalen Funkanlagen umrüsten. Diese Umstellungen werden am Ende die Basis für autonomes Fahren sein, das uns nicht nur in der Praxis viele Vorteile bringen wird, sondern am Ende auch zahlreiche Menschenleben retten wird; denn fast alle tödlichen Unfälle passieren, weil der Mensch einen Fehler macht und nicht, weil die Technik versagt. Aber wir wollen nicht nur auf unseren Straßen den Verkehr umweltfreundlicher gestalten, sondern vor allem auch in unseren Häfen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Dr. Christoph Ploß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004854, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne. Bitte schön.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, ich höre Ihnen jetzt seit ein paar Minuten zu, wie Sie Ihre sehr interessanten und zum Teil auch gar nicht falschen Visionen hier darstellen. Mich wundert das nur ein bisschen; denn in den letzten Jahren – man kann fast schon von einer zweistelligen Jahreszahl sprechen – trug und trägt die Union Verantwortung für das Verkehrsressort. Wenn Sie beispielsweise sagen, dass Sie jetzt viele Ladesäulen zur Verfügung stellen wollen, dann frage ich mich als jemand, der seit zwei Jahren elektromobil unterwegs ist: Warum gibt es in Deutschland – unter Ihrer Verantwortung – so wenige Ladesäulen? Warum gibt es beispielsweise in den Niederlanden im Schnitt zehnmal so viele Ladesäulen wie in Deutschland? – Können Sie mir erklären, warum Ihre Partei, die in all den Jahren hier regiert hat, all die Dinge, die Sie beschreiben, bisher überhaupt nicht gemacht hat? Wie erklären Sie das? ({0})

Dr. Christoph Ploß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004854, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Also, Herr Kollege, ich bin ja erst seit einigen Monaten hier im Deutschen Bundestag. Deswegen gucke ich persönlich eher Richtung Zukunft. Ich will hier keine Vergangenheitsbewältigung betreiben. Ich kann nur sagen: Unabhängig davon, wer in der Vergangenheit schuld war oder was man hätte anders tun sollen, müssen wir gucken, dass wir dieses Projekt die nächsten Jahre angehen. Ich würde mich im Übrigen freuen, wenn Sie viel konstruktiver daran teilhaben würden, das gemeinsam voranzutreiben, anstatt nur in der Opposition zu sitzen und zu versuchen, uns dabei zu behindern, die notwendige Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge bereitzustellen. ({0}) Insofern reiche ich Ihnen gerne die Hand, dass wir dieses Projekt in den nächsten Jahren, in dieser Legislaturperiode gemeinsam vorantreiben. ({1}) Meine Damen und Herren, ich wollte noch kurz auf die Häfen eingehen, weil die in der Tat ein ganz wichtiger Baustein sind, wenn wir den Verkehr umweltfreundlicher gestalten wollen. 60 Prozent des Exports wickelt unser Land über den Seeweg ab, und als rohstoffarmes Land erhalten wir fast 100 Prozent der benötigten Rohstoffe über den Seeweg. Deswegen werden wir auch in Zukunft starke Häfen brauchen; aber wir werden sie eben umweltfreundlicher machen müssen. Deswegen fördern wir mit dem nächsten Bundeshaushalt die Planung, die Entwicklung und den Aufbau von Flüssiggasinfrastrukturen im Verkehrsbereich sowie die umweltfreundliche Bordstromversorgung und die mobile Landstromversorgung. Meine Damen und Herren, wir können heute den Grundstein legen für die Mobilität der Zukunft, für saubere Luft und weniger Lärm in den Städten, für flüssigeren und sichereren Verkehr und für Investitionen in den Wirtschaftsstandort Deutschland. Lassen Sie uns diese Chancen gemeinsam nutzen und den größten Investitionsetat des Bundes aller Zeiten in diesem Jahr im Deutschen Bundestag beschließen. Herzlichen Dank. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ploß. – Als Nächstes für die AfD-Fraktion der Kollege Dr. Dirk Spaniel. ({0})

Dr. Dirk Spaniel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004899, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sicherstellung der für jedermann bezahlbaren individuellen Mobilität ist für die Alternative für Deutschland ein zentraler Punkt unserer Politik. ({0}) Zum Haushalt 2018 hat die AfD für den Straßenbau Erhöhungen von 900 Millionen Euro beantragt. Das wurde natürlich abgelehnt. Interessant ist, dass im neuen Haushaltsentwurf für 2019 mehr als das enthalten ist, der Antrag somit de facto angenommen wurde. Da freuen wir uns drüber. ({1}) Es werden aber immer noch wesentliche Ideen zur Vermeidung von Staus auf Bundesfernstraßen oder Verspätungen der Bahn, leider, einfach ignoriert; da werden wir auch noch mal drauf hinweisen. Was aber derzeit die meisten Bürger bei uns im Lande tatsächlich beschäftigt, sind die anstehenden Fahrverbote für Diesel- und eventuell auch für Benzinfahrzeuge. In dem vorliegenden Haushaltsentwurf versuchen Sie, diese berechtigten Sorgen mit einem Placebo zu übertünchen; das ist der Haushaltstitel für das „Sofortprogramm Saubere Luft“. Allein schon dieser Name ist hochgradig verlogen. Die Luftreinhaltepläne verschiedener Städte zeigen, dass mit kurzfristigen Maßnahmen realistischerweise keine Unterschreitung der Grenzwerte erreicht werden kann. ({2}) Damit ist das Programm „Saubere Luft“ zur Vermeidung von Fahrverboten schlicht unwirksam. Wie der Untersuchungsausschuss in diesem Parlament schon einmal festgestellt hat, ist bei den aktuellen Messwerten, die teilweise oberhalb der Grenzwerte liegen, eine Gesundheitsgefährdung gar nicht nachweisbar. Oder formulieren wir es anders: nicht wissenschaftlich nachweisbar; das sage nicht ich, das sagt der entsprechende Untersuchungsausschuss. Setzen Sie endlich durch, dass in Deutschland wie in allen anderen EU-Ländern repräsentative Mittelwerte und keine Worst-Case-Werte herangezogen werden. Ich zitiere die entsprechende Richtlinie der EU: „Die Mitgliedstaaten benennen … die zuständigen Behörden …“ – in Klammern: die für die Durchführung der Messungen zuständig sind. Damit ist völlig klar: Wir können die Frage der Standorte der Messstationen hier in Deutschland selbst entscheiden! Jedes Fahrverbot in Deutschland ist von Ihnen politisch gewollt! ({3}) Verantwortlich ist nicht nur der Grenzwert der EU, sondern diese Regierung, bestehend aus CDU, CSU und SPD. Sie wollen diese Fahrverbote: weil Sie die Menschen in diesem Land umerziehen wollen. ({4}) Stehen Sie dazu, und sagen Sie das Ihren Wählern, anstatt hier scheinheilig die Schuld auf die Autoindustrie zu schieben. ({5}) Eine politisch gewollte Nachrüstung, die ja neuerdings auch von der CDU gefordert wird, ist praktisch nicht durchführbar ({6}) und deshalb nur ein weiteres politisches Märchen. In einer Demokratie muss der Wähler wissen, welche Partei für welches Programm steht. Wir, die AfD, sind ja offenbar die Einzigen, ({7}) die diese Fahrverbote ablehnen. Langfristig müssen wir auch über höhere, wissenschaftlich fundierte Grenzwerte für Luftschadstoffe und auch CO 2 diskutieren. Die Antwort auf die europäische CO 2 -Gesetzgebung und auf die Gesetzgebung zur Verringerung der Luftschadstoffe kann nicht Elektromobilität sein. ({8}) Bisher dachte ich, es ist vielleicht einfach Ihr Unwissen über die Zusammenhänge. Mittlerweile habe ich aber eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung gelesen. ({9}) Da steht drin, dass der Wegfall hunderttausender Arbeitsplätze in der Autoindustrie erwartet wird. Und was ist die Antwort der SPD-nahen Wirtschaftsexperten? Ich zitiere: Es sollen neue Wertschöpfungsketten etabliert werden. Die Sozialpartner sollen alternative Beschäftigungsmodelle entwickeln. – Lassen Sie mich das kurz zusammenfassen: Es werden Steuergelder benutzt, um eine Elektromobilität zu fördern, die hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland vernichten wird. ({10}) Die politischen Berater der SPD sehen das als alternativlos an und fordern, dass reale Arbeitsplätze durch Sozialprojekte ersetzt werden. ({11}) Für mich ist mittlerweile klar: Teile dieses Parlaments wollen die Deindustrialisierung unseres Landes. ({12}) Das ist für mich die böswillige Zerstörung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Bundesrepublik Deutschland. ({13}) Und was machen eigentlich die angeblich wirtschaftsnahen Parteien von der Union und die FDP? Sie stimmen einfach mit den linken Umwelthysterikern – aus Angst vor einer politischen Konfrontation mit dem linksgrünen Zeitgeist. ({14}) Stattdessen wird hier Placebopolitik betrieben. Im Ausschuss kamen Argumente wie „Ist ja noch nicht endgültig beschlossen“ oder, bei der FDP, das übliche „Irgendwas mit Digitalisierung ist die Lösung“. ({15}) Diese Politik ist hochgradig unehrlich. Die Wahrheit ist: Wir können in Deutschland den weltweiten CO 2 -Ausstoß sowieso nicht entscheidend beeinflussen. ({16}) Das Einzige, was wir können, ist, unser Land mit industriefeindlicher und realitätsferner Politik zu ruinieren. ({17}) Die AfD wird da nicht tatenlos zusehen. ({18}) Die Politik in diesem Land muss endlich Realitäten akzeptieren und darf nicht permanent in Wunschträumen reden und den Leuten Märchen erzählen. Bis dahin können Sie ruhig weiter unsere konkreten Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrspolitik und unsere Anträge klauen und in Ihren Haushaltsentwurf einbauen. Vielen Dank. ({19}) – Stellen Sie eine Zwischenfrage.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Nein, nein, Sie sind am Ende der Rede, und wir wollen auch keine unmittelbaren Dialoge einführen. Als Nächstes für die SPD-Fraktion der Kollege Thomas Jurk. ({0})

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zurück zur Wirklichkeit! ({0}) Der Haushaltsplanentwurf der Bundesregierung setzt die Investitionsoffensive der letzten Jahre bei Schiene, Straße, Wasserstraße und Breitband erfreulicherweise fort. Das findet auch die Anerkennung der SPD-Bundestagsfraktion. Wir können beispielsweise feststellen, dass die Haushaltsmittel für die klassischen Verkehrsinfrastrukturen auf hohem Niveau fortgeführt werden, und in der mittelfristigen Finanzplanung werden wir von derzeit 14,1 Milliarden Euro auf 15 Milliarden Euro aufstocken. Das sind, glaube ich, deutlich bessere Zahlen als in der Vergangenheit. Sie haben allerdings dazu geführt, dass wir einige Probleme haben, die wir jetzt lösen müssen, Herr Minister, und das wissen Sie ja auch; Sie haben es angesprochen. Dadurch, dass in den Jahren 2010 bis 2013 weniger Mittel bereitgestellt wurden, sanken natürlich auch die Planungskapazitäten, und die Baukapazitäten wurden nicht nachgefragt. Deshalb kann es durchaus sein – da hat der Rechnungshof völlig recht –, dass wir jetzt auf Ausgaberesten sitzen, die uns nicht erfreuen. Ich will das sehr deutlich sagen. Wir wünschen uns natürlich, dass unsere Infrastruktur nicht nur zügig ausgebaut wird, sondern dass auch die nötigen Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. ({1}) Deshalb ist es jetzt wichtig, dass wir auch mit diesem Haushalt und mit der mittelfristigen Finanzplanung Planungssicherheit schaffen, damit es uns nicht passiert, dass wir am Ende mangels Planungskapazitäten eigentlich mit keinem Bauvorhaben mehr anfangen können. ({2}) Es ist für mich ganz wichtig, dass dieser Haushalt auch ein Signal der Planungssicherheit sendet. ({3}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, da das Thema Bahn aus aktuellem Anlass natürlich eine große Rolle spielt, wird Kollege Martin Burkert in dieser Debatte für die SPD-Fraktion dezidiert darauf eingehen. Ich möchte nun zum von den Grünen natürlich ungeliebten Straßenbau kommen. Ich glaube aber, auch Grüne – der Kollege Krischer hat das mit seiner Zwischenfrage gerade ja auch deutlich gemacht – fahren mit dem Auto, auch wenn sie teilweise elektromobilisiert sind. Der Bedarf nach Elek­tromobilität auf den Straßen, aber natürlich auch nach der klassischen Fortbewegungsweise ist also da. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir auch die Länder unterstützen, weil sie ja im Rahmen der Auftragsverwaltung des Bundes häufig unsere Fernstraßen unterhalten. Wir werden den Bundesländern im kommenden Jahr, wenn der Haushaltsentwurf so bestätigt wird, 210 Millionen Euro mehr überweisen, damit sie insbesondere bei Aufgaben wie der Entwurfsbearbeitung oder auch der Bauaufsicht bei Autobahnen und Bundesstraßen ihrer Verantwortung gerecht werden können. Damit werden übrigens auch Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, die genau das zum Inhalt haben. Ein ganz besonders wichtiger Schritt – das ist vom Minister angedeutet worden – ist die Umsetzung der bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossenen Reform der Bundesfernstraßenverwaltung, also jener Verwaltung, die für Autobahnen und Bundesstraßen verantwortlich ist. Bekanntlich ist es ja so, dass die Finanzierungsverantwortung beim Bund liegt, und die Realisierungsverantwortung liegt bei den Ländern. Das war und ist nicht immer effizient und führt möglicherweise auch zu Ungerechtigkeiten. Die Reform sieht deshalb die Schaffung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes vor, welche die bisher von den Ländern wahrgenommenen Aufgaben weitgehend übernimmt. Dadurch streben wir insbesondere eine Erhöhung der Effizienz an – sowohl bei der Erhaltung als auch beim Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen. Damit dieser Reformprozess im laufenden Betrieb – es gibt dann am 1. Januar 2021 irgendwann eine Stunde null – wirklich funktioniert, müssen wir die vorhandenen, durchaus hervorragenden Kapazitäten, die bei den Ländern vorhanden sind, entsprechend integrieren und in die Verantwortung des Bundes überführen. Ich glaube, es ist ganz besonders wichtig, dass dieser Prozess auch mit den Beschäftigten und ihren Interessenvertretungen gestaltet wird. Deshalb war es uns so wichtig, bereits bei der Verabschiedung des Gesellschaftervertrages die Möglichkeit einzuräumen, dass die Beschäftigten und ihre Vertretungen in diesen Prozess frühzeitig integriert werden. Das ist uns mit dem heute vom Verkehrs- und Haushaltsausschuss beschlossenen Gesellschaftervertrag gelungen. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor uns stehen wirklich spannende und sehr vielschichtige Haushaltsberatungen. So werden wir über die Ausfinanzierung jener parlamentarischen Beschlüsse zum Bundeshaushalt 2018 reden müssen, die noch nicht Eingang in den Entwurf der Bundesregierung finden konnten. Ich nenne da einmal solche Stichworte wie die 5x5G-Strategie, die Umrüstung von GSM-R-Funkmodulen oder aber die Versorgung von Schiffen mit Landstrom, was gerade im Zusammenhang mit der CO 2 -Reduzierung ein wichtiges Thema ist. ({5}) Über das Thema Wasser- und Schifffahrtsverwaltung könnte man hier stundenlang diskutieren. Sie wissen alle, dass hier einiges im Argen liegt. Uns liegt vor allem daran, dass die Investitionsgelder genauso wie bei anderen Investitionsschwerpunkten tatsächlich eingesetzt werden können. Mittlerweile lerne ich von vielen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion diverse Schleusen in der ganzen Bundesrepublik Deutschland kennen, bei denen ein Investitionsbedarf besteht. Es kann doch nicht sein, dass wir auf der einen Seite Mittel einstellen, die aber auf der anderen Seite nicht abfließen können. Deshalb brauchen wir in diesem Bereich eine schlagkräftige Verwaltung. Deshalb brauchen wir dort auch mehr Stellen. ({6}) In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir die unter Fachleuten gut bekannte Befahrensabgabe bei Binnenwasserstraßen reduzieren wollen. Wir werden uns natürlich auch mit Fragen der Eigensicherung und der Personalausstattung beim Bundesamt für Güterverkehr beschäftigen, deren Mitarbeiter in Zeiten, in denen der Lkw-Verkehr zugenommen hat, eine wichtige Aufgabe erfüllen müssen. Deshalb wollen wir uns auch diesem Thema widmen. ({7}) Wichtig sind mir auch Innovationen im Bereich der Schiene, aber nicht nur beim Schienengüterverkehr, sondern auch beim Personenverkehr. Ich freue mich übrigens auf die in der nächsten Woche hier in Berlin stattfindende Messe Inno-Trans, die das Schaufenster für Innovationen, kreative Ideen in der Branche sein wird. Deshalb hoffe ich da sehr auf Neuentwicklungen und Entwicklungspotenziale, die dort vorgestellt werden. Ein Letztes muss ich loswerden; sehr verehrter Herr Präsident, ich weiß, die Signalanlage blinkt schon rot. Das Thema Lkw-Maut und Toll Collect bietet genügend Diskussionsstoff. Ich will nur auf eines hinweisen: Ich bin sehr interessiert an der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, die jetzt fortgeschrieben wird. Erst dann sollte man sich wirklich ein Urteil bilden. Gemeinsam mit dem Bundesrechnungshof sind wir dabei, uns das Thema ganz genau vor Augen zu führen. Ich möchte meine Entscheidung gerne von dieser Wirtschaftlichkeitsuntersuchung abhängig machen. Schönen Dank. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Jurk. Ich spare mir jetzt die Anmerkung, dass Sie auf Rot nicht reagieren. – Der Kollege Oliver Luksic ist der Nächste, den wir jetzt für die FDP-Fraktion hören. ({0})

Oliver Luksic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004102, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Sommer wollten viele Bundesbürger in den Urlaub fahren, standen aber auf den Straßen im Stau. Die Züge wie die Flieger sind auch immer mehr verspätet. Es drohen Fahrverbote, nicht nur in Frankfurt, sondern in immer mehr Großstädten. Aber Lösungen seitens des Verkehrsministers lassen auf sich warten. Er steht für Stau, für Verspätung und für eine Politik des Stillstandes, die wir uns nicht leisten können. Deutschland muss in Bewegung bleiben. ({0}) Beim Thema Dieselfahrzeuge wird die Lösung verpennt. Hellwach ist die Regierung aber dann, wenn es darum geht, bei der Kfz-Steuer abzukassieren. ({1}) Eben wurde das Nationale Forum Diesel angesprochen. Das Gutachten im Auftrag der Regierung wird anscheinend unter dem Teppich gehalten, weil die Ergebnisse nicht passen. Auch die Anhörung, die die FDP initiiert hat, hat klar dargestellt, dass die Nachrüstung machbar und sinnvoll ist. Alle sagen, sie koste zwischen 2 000 und 3 000 Euro pro Auto. Wie jetzt das Verkehrsministerium auf 11 000 Euro an Kosten kommt, kann ich nicht nachvollziehen. Das erinnert mich ein bisschen an die US-Politik und Herrn Giuliani, der gesagt hat: Wahrheit ist nicht Wahrheit. Die Klagewelle der DUH wird von Ihnen noch mitfinanziert. ({2}) Die Bundesregierung subventioniert den Verein, der den Staat verklagt. ({3}) Seit 2015 ist dem Kanzleramt bekannt, dass Fahrverbote drohen, aber nichts passiert. ({4}) Wir schlagen konkrete Initiativen vor. Warum gibt es in Europa keine Initiative für ein Moratorium der EU-Luftqualitätsrichtlinie? Die Verkehrsministerkonferenz hat ja beschlossen, die Messstellen zur Luftqualität zu überprüfen. Da passiert nichts in Berlin. Beim Thema Nachrüstung kann es doch nicht sein, dass der Verkehrsminister sagt: Die Lösung ist jetzt, die Feuerwehrautos nachzurüsten. – Diese fahren ja relativ selten. ({5}) Deswegen: Wenn Sie schon nicht auf die FDP hören, dann hören Sie auf die SPD oder die CDU. Selbst die Generalsekretärin der CDU hat sich nach drei Jahren überlegt, Nachrüstungen vornehmen zu lassen. Nehmen Sie die Hersteller endlich in die Pflicht. Da, wo das nicht möglich ist, brauchen wir einen Fonds. ({6}) Genau so wurde es damals bei der Umweltzone und beim Rußpartikelfilter gemacht. Deswegen müssen wir Euro-5-Fahrzeuge ertüchtigen, private Mobilität sichern und Eigentum sichern. ({7}) Was Sie machen, ist eine Politik der unterlassenen Hilfeleistung gegenüber Millionen Dieselfahrern in Deutschland. ({8}) Sie haben bei der Aufsicht versagt, zwingen die Menschen, neue Fahrzeuge zu kaufen, und kassieren jetzt auch noch bei der Kfz-Steuer ab. Das ist besonders dreist, vor allem vor dem Hintergrund, dass Sie im Koalitionsvertrag selber schreiben, Sie schließen Steuererhöhungen aus. Wie soll man den Bürgern erklären, dass das gleiche Fahrzeug mit dem gleichen CO 2 -Ausstoß im August zugelassen ganz anders besteuert wird, als wenn es im Herbst zugelassen wird? Das ist wirklich schwierig und ist auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar. Für einzelne Fahrzeuge wie Peugeot sind bis zu 74 Prozent mehr Steuern zu zahlen. Wie erklären Sie das den Bürgern, die das nicht mehr verstehen können? Herr Minister Scheuer, zusammen mit dem Finanzministerium müssen Sie hier endlich eine Lösung finden. ({9}) Stattdessen setzen Sie auf immer mehr Subventionen: E-Kaufprämie und E-Lkw. Das hat mit Technologieoffenheit wenig zu tun. Wir brauchen einen Rechtsrahmen für die vernetzte Mobilität. Da passiert zu wenig. Die Roboterautos fahren, aber in den USA. Es müsste eigentlich in Deutschland Staatsziel werden, hier besser und schneller zu werden. ({10}) Stattdessen Stau auf der Straße und Verspätung bei der Bahn und beim Flieger. Der Minister sorgt überall für Verspätungen, auch bei der Pkw-Maut. Zumindest dass die verspätet ist, finden wir ganz gut. Das „Handelsblatt“ titelt „Chaos am Himmel“, weil der Verkehrsminister zusammen mit Herrn Seehofer kein Konzept für Sicherheitskontrollen voranbringt: die müssen reformiert werden. Wir müssen auch beim Thema Lotsen und Luftraum eine europäische Initiative auf den Weg bringen, um dieses Chaos zu beseitigen, statt nur national zu denken. Das ist dringend notwendig, wie auch Veränderungen bei der Bahn. „Spiegel Online“ titelt „Chaostage bei der Bahn“. Sie sorgen dafür, dass mehr Politiker der Großen Koalition in den Aufsichtsrat kommen. Der Effekt ist der Chaosexport in die Bahn. Die Pünktlichkeit geht massiv zurück. Die Preise steigen allerdings, die Schulden auch. Wir müssen feststellen: Ihr Weg, aus der Deutschen Bahn eine Behördenbahn zu machen, ist der falsche Weg. Hören Sie damit auf! ({11}) Herr Scheuer ist nicht nur der Minister der Fahrverbote. Er ist auch der Minister der Verspätungen, die überall zunehmen: auf der Straße, auf der Schiene, in der Luft. Die Bilanz des jahrelang von der CSU geführten Ministeriums für Verkehr ist verheerend. Deutschland ist nicht in Bewegung. Es gibt immer mehr Stillstand. Aber – das wurde eben angesprochen – der Minister sieht wenigstens in den sozialen Netzwerken gut aus. Das Budget für die Werbearbeit wurde um das Zweieinhalbfache erhöht. Kein Wunder; denn die Investitionen im Verkehrshaushalt steigen zwar auf dem Papier, werden aber nicht alle verbaut und verplant. Es gibt also viel Luft für ein steigendes Werbebudget. Da wird der Faktor 2,5 aber nicht ausreichen, um die katastrophale Bilanz besser zu verkaufen. ({12})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Luksic. – Als Nächstes hat das Wort die Kollegin Sabine Leidig für die Fraktion Die Linke. ({0})

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! In diesem extrem heißen und trockenen Sommer wurden in Portugal Rekordtemperaturen von 47 Grad im Schatten gemessen. Die Warnungen der Klimaforscher sind mehr als berechtigt. Ein Treiber der globalen Erwärmung ist der wachsende Verkehr. Also brauchen wir schnell und dringend Alternativen, damit die Zahl der Autos und die Verkehrsmasse zumindest halbiert werden können. Denn das wäre nötig, um die Klimaschutzziele zu erreichen. ({0}) Das wäre übrigens auch ohne den Klimawandel nötig: aus Gründen der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit. Wir wissen, dass hierzulande die Menschen, die gar nicht Auto fahren, weil sie zu jung sind – die Kinder –, weil sie zu arm sind und es sich nicht leisten können oder weil sie zu alt sind, am meisten unter Belastung durch den Verkehr leiden: an Lärm, Abgasen und Gefahren. Aber es gibt auch eine globale Ungerechtigkeit. Die Rohstoffe, die für Autos gebraucht werden, kommen aus Ländern wie Kongo, Brasilien, Peru oder China und werden dort unter meist miserablen Arbeits- und Umweltbedingungen gefördert. Platin zum Beispiel wird in Katalysatoren eingebaut, damit hier die Luft sauberer wird. In Südafrika, wo es herkommt, streiken die Minenarbeiter für bessere Arbeitsbedingungen. Vor drei Jahren ist dort ein Massaker verübt worden, weil sie gestreikt haben, und 37 Minenarbeiter wurden erschossen. Ich finde, auch das ist eine Kehrseite der Automobilgesellschaft, die wir nicht komplett ausblenden können. Es ist deshalb wirklich skandalös, dass in diesem Haushalt wieder zig Milliarden Euro für klima- und umweltschädliche Subventionen stecken, als ob alles so weitergehen könnte wie bisher. Dabei belasten diese umweltschädlichen Subventionen den Staatshaushalt doppelt, einmal durch Mehrausgaben oder Mindereinnahmen und später durch Mehrausgaben zur Beseitigung der Umweltschäden oder zum Beheben gesundheitlicher Probleme. Im Verkehrsbereich reden wir da über 30 Milliarden Euro jedes Jahr. Damit werden Dieseltreibstoff, der Flugverkehr oder Dienstwagen staatlich gefördert. Wir wollen, dass diese Verschwendung endlich aufhört. Solche Subventionen sind weder nachhaltig noch gerecht. ({1}) Wir brauchen das Geld für wirkliche Alternativen: für den Umbau der Städte, damit es besser ohne Auto geht, und für den flächendeckenden Ausbau von guten Angeboten beim öffentlichen Nahverkehr, auch auf dem Land, ({2}) sowie für einen Aufbruch bei der Bahn als echte Reisealternative für längere Strecken. Wir als Linke haben in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten viel getan, um die Bahn für alle voranzubringen. Wir haben konkrete Projekte vorgeschlagen. Wir haben um die Nachtzüge gekämpft als Alternative zum Fliegen. Wir haben Konzepte entwickelt, um den gescheiterten Privatisierungskurs zu überwinden. Ich freue mich, dass die SPD nun an unserer Seite ist; ich bin gespannt, ob das klappt, Herr Bartol. Es zeigt sich jetzt, wie nötig und richtig das war und ist. Der interne Brandbrief von Bahnchef Lutz offenbart eine wirklich tiefe Krise der Deutschen Bahn AG: mit 20 Milliarden Euro ein Rekordhoch bei den Schulden und mit nahezu einem Drittel unpünktlicher Züge ein Rekordtief des Bahnimage bei den Fahrgästen. Jetzt fordern wir zweierlei: Erstens. Die größte Fehlinvestition der Eisenbahngeschichte muss endlich beendet werden: Stuttgart 21. Noch ist ein Umstieg möglich, der mehr Bahnkapazität bringt und 4 Milliarden Euro spart. Der Stuttgarter Bahnhof muss oben bleiben. ({3}) Zweitens. Wir brauchen endlich einen Verkehrsminister oder eine Verkehrsministerin mit Eisenbahnfaible. Bei der CSU scheint es so jemanden nicht zu geben; denn wenn man in Bayern unterwegs ist, stellt man fest, dass auf den Haupttourismusstrecken die Eisenbahn noch immer nicht elektrifiziert ist. Aber der Verkehrsminister träumt davon, die Autobahn unter Strom zu setzen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Sabine Leidig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004089, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wir wollen Fuß, Fahrrad, Bus und Bahn für alle statt Lufttaxis und Luxuslimousinen für wenige. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Leidig. – Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Daniela Wagner. ({0})

Daniela Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004184, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der fast vollständigen Zerstörung unserer Stadt am 11. September 1944 wurde der Wiederaufbau völlig anders, nämlich als autogerechte Stadt angelegt, genauso wie in vielen anderen deutschen Städten in dieser Zeit. Drumherum entstanden im Laufe der Jahre unvorstellbar viele Autobahnkilometer. Das Ganze ergab das fossile Mobilitätsleitbild für Jahrzehnte, mit fatalen Folgen, wie wir alle wissen. ({0}) Und heute? Immer mehr Menschen geht das hemmungslose Zubetonieren ihrer Umgebung auf die Nerven. Sie spüren, dass diese Politik längst an ihre Grenzen gestoßen ist, dass es so nicht weitergehen kann. Sie kämpfen für Radwege. Sie kämpfen für den ÖPNV. Sie kämpfen gegen Lärm und dicke Luft in ihren Städten. ({1}) Herr Minister, sogar in Ihrem eigenen Bundesland, in Bayern, schwindet zunehmend die Akzeptanz für den rasanten Flächenverbrauch. Bayern ist nämlich auch da Spitzenreiter. Aber anstatt nun Deutschland für die Herausforderungen der Zukunft wie Klimakrise, saubere Luft und emissionsfreie Mobilität für alle fit zu machen, klammern Sie sich genauso wie Generationen von Verkehrsministern an Beton, Blechkarawanen und freie Fahrt für freie Bürger. Herr Scheuer, so wird das nichts. ({2}) Das „Sofortprogramm Saubere Luft“ ist mit 1 Milliarde Euro über fünf Jahre ausgestattet. Genauso viel legen Sie allein in diesem Haushalt für Straßenbau obendrauf. Anstatt selbst zu handeln, schieben Sie die Verantwortung, für saubere Luft in unseren Städten zu sorgen, an die Kommunen ab. Gewiss, es ist natürlich vernünftig, kommunale Fahrzeuge nachzurüsten oder auszutauschen. Wenn allerdings die kommunale Fahrzeugflotte weniger als 5 Prozent der Stickoxidemissionen ausmacht, der Rest aber von Privat- und Pendler-Pkw erzeugt wird, dann wird doch eines deutlich, Herr Scheuer: Mit Maßnahmen auf kommunaler Ebene ist das Problem nicht zu lösen. ({3}) Ein Verkehrsminister, der das nicht erkennt, der muss kenntnismäßig nachgerüstet oder eben ausgetauscht werden. ({4}) Denn Mobilitätspolitik ist mehr als Straßenbau. Wir brauchen eine massive Stärkung des Schienenverkehrs und ein Ende der Bevorzugung hochemissionsträchtiger Verkehrsträger wie Luft und Straße. Es ist absurd, dass eine Bahnfahrkarte für eine bestimmte Strecke doppelt so viel kostet wie ein entsprechendes Flugticket, und es ist absurd, dass Sie noch steuerliche Anreize setzen für immer größere und schwerere Pkw in unseren Städten, wo die Raumnot schon jetzt groß ist und wo ihr dringend begegnet werden muss. ({5}) Trotz großer Versprechen im Koalitionsvertrag und beim Dieselgipfel tut sich nichts bei der Radverkehrsförderung. Unterstützen Sie doch endlich die städtische Verkehrswende, den Ausbau von ÖPNV-Angeboten und Radwegen. Stärken Sie den ÖPNV im ländlichen Raum; dort ist es besonders wichtig. Sorgen Sie endlich für eine faire Lösung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger mit einer echten Sofortmaßnahme bei der technischen Nachrüstung von Dieselmotoren, anstatt immer nur die Autoindustrie zu pampern und dort für Neuwagenverkauf zu sorgen. Das ist nicht Ihr Job. Ihr Job ist, eine Lösung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu deren größten Vorteil zu schaffen. ({6}) Lassen Sie mich eins noch sagen, Herr Scheuer. Das alles ist eine hundertprozentig ideologiegetriebene Verkehrspolitik, die mit den Anforderungen der Gegenwart und insbesondere der Zukunft nicht das Entfernteste zu tun hat. Kommen Sie endlich im Jahr 2018 an! ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Wagner. – Als Nächstes der Kollege Ulrich Lange, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Hessen-Wahlkämpfer Sören Bartol, da übt jemand weiterhin Opposition. Liebe Kollegin Wagner, „Freie Fahrt für freie Bürger“, ja, dazu stehen wir weiter, weil wir eben keine Verbotspartei und nicht ideologiegetrieben sind, so wie Sie. ({0}) Verkehrsinfrastruktur und digitale Infrastruktur, das sind die Lebensadern unseres Landes, und sie sind auch der Beweis für Zukunftsfähigkeit. Deswegen haben wir in der letzten Legislaturperiode echte Kraftanstrengungen, insbesondere im digitalen Bereich, unternommen. Gestartet waren wir bei null, und wir haben am Ende über 4 Milliarden Euro gehabt, um das Breitband auszubauen. Heute sehen wir viele einzelne, Hunderte von Planungen von Bauvorhaben in den Kommunen, in den Regionen, die Schritt für Schritt vorangehen, und wir wollen jetzt den nächsten Schritt gehen. Das heißt Glasfaser in jeder Region, in jeder Gemeinde, und das möglichst direkt zum Haus. Das ist unser Ziel. Ich glaube, dabei sind einige Punkte ganz wichtig.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gelbhaar?

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich erlaube jetzt mal keine Zwischenfrage.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Aber ich muss Sie fragen.

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, und ich erlaube sie nicht. ({0}) Es ist ganz einfach: Er soll sich auf die Rednerliste setzen lassen; dann hat er die Möglichkeit, zu sprechen. Weniger Bürokratie – das entsprechende Förderverfahren hat das Ministerium entschlackt. Das Glasfaser-Upgrade hat es kurzfristig, schnell und konsequent umgesetzt. Deswegen: Ja, der Umstieg von Vectoring zum Glasfaserausbau war insbesondere uns wichtig. Ein Dank an das Haus und an den Minister! ({1}) 2019 fahren wir fort mit den Schulen und den Krankenhäusern. Ab 2019 wollen wir mit dem nächsten Schritt beginnen: Wir wollen bei den sogenannten grauen Flecken ansetzen, also dort, wo wir 30 Mbit haben, aber nicht an das Gigabit-Netz kommen. Da werden wir sicher europäisch zusammenstehen müssen, damit wir dort die notwendigen Genehmigungen erhalten. Solide Finanzierung, dauerhafte Finanzierung, Planungssicherheit, ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wichtig, dass wir das über die nächsten Haushaltsjahre haben, und da werden wir bei den Haushaltsberatungen schon noch mal genau hinschauen müssen; da sind wir noch nicht an jeder Stelle so ganz sicher bei dem, was da aus dem BMF kommt. Der Finanzminister hat heute gesagt: Es darf keinen Förderabbruch geben. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, da werden wir ihn auch vonseiten der Union beim Wort nehmen und schauen, dass dieser Glasfaserausbau weiter vorankommt. ({2}) Dann haben wir noch das Thema 5G. Die Bevölkerung muss darauf vertrauen, dass das, was wir beim Ausbau für ein modernes Mobilfunknetz zu 5G gesagt haben, auch vorgenommen wird. Dort, wo „5G“ draufsteht, muss auch 5G drin sein, und da haben wir momentan gewisse Bedenken und gewisse Zweifel, wenn wir sehen, was uns die Bundesnetzagentur vorgelegt hat. Deswegen gilt für uns eins: Strenge Versorgungsauflagen sind wichtiger als mögliche Einnahmen bei der Versteigerung. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch beim modernen Verkehrsnetz werden wir dort weitermachen, wo erfolgreiche Unionspolitik durch drei CSU-Verkehrsminister die letzten Jahre viel erreicht hat, nämlich beim Investitionshochlauf. Der Investitionshochlauf ist übrigens keine Erfindung derer, die erst seit ein paar Wochen da sind, sondern der Investitionshochlauf ist etwas, was mit Alexander Dobrindt in der letzten Periode begonnen wurde und mit Andi Scheuer konsequent fortgesetzt wird. Dazu trägt natürlich auch die Lösung des Toll-Collect-Problems bei, und dieses Problem war ein rot-grünes Erbe, lieber Kollege Kühn; ich will daran nur erinnern. Brückenmodernisierung, Planungsbeschleunigung, Reform der Bundesauftragsverwaltung, mehr Effizienz, Realisierung und Finanzierung und Planung aus einer Hand, dabei die Fachkräfte mitnehmen, die wir aus den Ländern und aus der DEGES haben – das wird die große Aufgabe, die jetzt vor uns steht. Fassen wir es zusammen: Mehr Geld, mehr Effizienz, mehr Kompetenz, dazu trägt dieser Haushalt 2019 bei. Wir freuen uns auf die Beratungen. Herzlichen Dank. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Lange. – Als Nächstes für die SPD-Fraktion der Kollege Martin Burkert. ({0})

Martin Burkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003744, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Dem Wahlkämpfer Lange sei vielleicht noch mal gesagt: Es wäre schön, wenn er seiner Ministerin in Bayern sagen würde, dass wir das letzte Land sind, wo es kein Tariftreue- und Vergabegesetz gibt. Da könnte er mal ansetzen. Es wäre der richtige Zeitpunkt. ({0}) Wir beraten heute den Haushalt 2019, und er setzt wichtige Signale für die Mobilität, auch für die digitale Infrastruktur. Wir arbeiten zügig und zielgerichtet an unseren verkehrspolitischen Maßnahmen, die wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben. Die Menschen wollen und sollen noch mobiler werden in unserem Land. Wir unterstützen deshalb die Modernisierung der Schiene mit nennenswerten Finanzmitteln. Für die Schiene ist der Deutschland-Takt sicherlich eines der herausragenden Projekte. Er ist ein Meilenstein, um das Bahnfahren für den Personenverkehr attraktiver zu machen. Das Verkehrsministerium hat angekündigt, dazu im Herbst ein Konzept vorzustellen; der Minister nickt. Es ist quasi ein Musterfahrplan für das ganze Land. Jede Stunde zur selben Minute sollen Züge fahren, und die Fahrpläne aller Linien bis hinein in den ÖPNV sollen aufeinander abgestimmt werden. Mit diesem Masterfahrplan bauen wir das Schienennetz aus und legen die Prioritäten neu fest. Ohne Fahrplan kein Bauplan! Es wird noch dauern: 2030 soll der Deutschland-Takt starten und damit die Grundlage für die angepeilte Verdopplung der Fahrgastzahlen – und im Übrigen des Güterverkehrs – in Deutschland legen. ({1}) Geld ist das eine. Ich will aber auch sagen, Herr Minister: Das Ministerium ist in der Pflicht, gerade in dieser Stunde vom Bahnvorstand die zu erwartende Qualität wieder einzufordern. Denn wenn nur 15 Prozent aller ICEs ohne Mängel an den Start gehen, ist das ein Skandal und kann politisch nicht hingenommen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Das heißt nämlich im Umkehrschluss: 85 Prozent aller ICEs haben Mängel. Jeder kennt sie: Türen, die nicht aufgehen, Küchen, die nicht funktionieren, es gibt keinen Kaffee, ({3}) – Toiletten sind ein Problem – und, und, und. Wenn dann auch die Pünktlichkeit nur noch 76 Prozent beträgt, wie im Brandbrief des gesamten Bahnvorstandes an die Führungskräfte steht, gehe ich davon aus, Herr Minister, dass Sie Bahnchef Lutz einbestellt haben. Darüber muss geredet werden. Es geht um Qualität, es geht um das Brot- und Buttergeschäft, wie es Herr Grube immer formuliert hat. Ich sage heute auch: Sicherlich ist der Bahnvorstand nicht alleine schuld. Da sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden. Es ist auf Verschleiß gefahren worden. Instandhaltung ist eines der zentralen Themen. Die Dinge müssen auf den Tisch und besprochen werden. Unsere Devise bleibt: Mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene. Dazu brauchen wir Qualität, aber auch neue Ideen. Deshalb ist es wichtig, sinnvolle Innovationen im Schienenverkehr zu fördern. Bei der Innovationsförderung liegt mir besonders das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung am Herzen; die hierfür vorgesehenen Mittel sind im Haushalt gut angelegt. Forschungsbedarf besteht zum Beispiel beim CO 2 -freien Verkehr auf nicht elektrifizierten Strecken. ({4}) Stichworte hierfür sind „Batterie-/Akkuladetechnik“ und „Wasserstoff“. Die Inno-Trans wird uns wieder Lösungen vorstellen. ({5}) Wir werden das besichtigen. In Niedersachsen – Kirsten Lühmann sagt es – läuft es vorbildlich. Es geht voran. Dafür müssen wir Gelder einsetzen. Es gibt sinnvolle Automatisierungsschritte und Potenzial bei der Digitalisierung. Ich denke dabei nicht nur ans autonome Fahren, wo die Teststrecke in Betrieb ist, sondern zum Beispiel auch an Zugbildungsanlagen im Güterverkehr, wo das auch greifen kann, die automatische Kupplung und vieles mehr. Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein. Deswegen sind Bedenken legitim. Aber Digitalisierung kann erheblich dazu beitragen, dass die Arbeit für die Beschäftigten weniger anstrengend und vor allem sicherer wird. Sicherlich wird es komplexer, und es besteht Bildungsbedarf, aber das muss leistbar sein. Das Bundesprogramm „Zukunft Schienengüterverkehr“ soll bereits entwickelten Technologien zur Effizienzsteigerung zum Durchbruch verhelfen und den Aufbau der Eisenbahnforschung in Deutschland unterstützen. Unsere Aufgabe ist es, das Programm ausreichend mit Mitteln auszustatten. Das wird sicher in den nächsten Wochen Thema sein. Ich will noch ein Stichwort nennen: die Weiterentwicklung des Einzelwagenverkehrs. Auch das steht im Koalitionsvertrag, auch darüber werden wir reden. Ein wichtiger Meilenstein für die SPD-Verkehrspolitiker sowie die gesamte SPD-Bundestagsfraktion ist das Elektrifizierungsprogramm. Es ist ein Erfolg unserer Verhandlungen, dass laut Koalitionsvertrag das Elektrifizierungsziel von knapp 60 Prozent auf 70 Prozent angehoben wurde. Der Kollege Enak Ferlemann hat zugesagt: Am Ende des Jahres wissen wir, welche Strecken elektrifiziert werden. – Bis 2025 sollen 70 Prozent elektrifiziert werden. Das ist ein Meilenstein für die Schiene; das ist gut und richtig. Zum Jahresende soll es vorliegen. Dann wird das Parlament miteinbezogen. Was aber nicht sein kann, Herr Minister und lieber Enak Ferlemann, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, dass täglich 50 bis 100 beladene Güterzüge stehen und nicht abgefahren werden können – aus unterschiedlichsten Gründen. Auch das ist ein Thema, das die Einbestellung des Bahnvorstandes rechtfertigen würde. ({6}) Wir wollen die Schiene insgesamt attraktiver machen. Wir wollen damit zu einer Verkehrswende beitragen. Weitere Schritte werden folgen: Das Schienennetz für 740 Meter lange Güterzüge wird kommen; da erwarten wir die Ergebnisse. Wir werden ein 1 000-Bahnhöfe-Programm aufsetzen, lieber Herr Minister; die Sanierung von Bahnhöfen, den Eingangstoren von Städten und Gemeinden, ist gut und richtig. Auch das steht im Koalitionsvertrag. Der Bundeshaushalt 2019 betrifft darüber hinaus auch das Personal. Hier erwähne ich besonders das Eisenbahn-Bundesamt und das Bundeseisenbahnvermögen. Ich freue mich, dass Einigkeit darüber besteht, dass dort mehr Personal nötig ist. Ich nenne das Stichwort „Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten“. Bei den Anträgen dürfen Erstattungszeiten von 28 Tagen nicht überschritten werden. Aber beim Eisenbahn-Bundesamt ist es vor allem in den Außenstellen dringend notwendig, nicht nur im höheren Dienst, sondern vor allem auch im gehobenen Dienst neue Stellen zu schaffen. Denn sonst treten wir, was die Planungsbeschleunigung angeht, auf der Stelle. Wir brauchen hier – vor allem in den Außenstellen – mehr Manpower. ({7}) Ich komme aus Bayern; auch dort ist es notwendig. In diesem Sinne: Freuen wir uns auf die Berichterstattungen und Verhandlungen in den Ausschüssen, vor allem in unserem Ausschuss. Vielen Dank. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Es geht weiter in der Debatte mit dem Kollegen Gero Storjohann von der Union. ({0})

Gero Storjohann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003643, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland boomt es wirklich, und in Deutschland gibt es – das merken wir, die wir uns im Land bewegen – überall sehr viele Baustellen: nicht nur auf Autobahnen, auch Schienenwege werden repariert. Deswegen gibt es Staus und Verzögerungen, und das muss man akzeptieren. Gerade wir als Verkehrspolitiker sollten dafür Verständnis haben. In meinem Land Schleswig-Holstein wird zurzeit die A 7 auf sechs Spuren erweitert. Das Projekt läuft über drei Jahre, und es läuft gut mit der DEGES. Die A 21 wird verlängert. Und wir freuen uns auf neue Schienenwege. Liebe Kollegin Daniela Wagner, ich schätze Sie sehr. Aber wenn wir neue Schienenwege bauen – ich nenne das Stichwort „Fehmarnbelt“ –, um mehr Güter von und nach Skandinavien auf der Schiene zu transportieren, dann gibt es nicht nur Proteste in der Region, sondern wir haben auch Flächenverbrauch. Und wenn wir Radwege neu bauen oder erweitern, dann haben wir Flächenverbrauch. Bitte das nicht immer allgemein kritisieren; denn sonst kriegen wir keine Genehmigungen mehr für Flächen, die wir für Vorhaben brauchen, die auch sinnvoll sind. ({0}) Wenn Sie kritisieren, dass die Flugkosten in Deutschland so gering sind, dann haben Sie wahrscheinlich lange keine Reise mehr privat gebucht; denn die Bahntickets für Reisen innerhalb Deutschlands sind mittlerweile günstiger als Flugtickets. Das brauchen wir politisch nicht zu reglementieren. ({1}) Und der ÖPNV im ländlichen Bereich ist Sache der Länder. Da kann man sagen: Der Bund soll mehr Geld geben. Aber ob die Länder das dann wirklich in unserem Sinne regeln, weiß ich nicht. Das ist Ländersache, und in den Landesparlamenten kann das angesprochen werden. Meine Damen und Herren, ich möchte mich hauptsächlich dem Radverkehr widmen; denn die Zukunft, je nachdem, wie weit wir sie betrachten, hat zwei Räder: Fahrräder, E-Bikes, Micro Mobility. E-Roller kann ich auch noch nennen, und Motorräder würden andere auch noch einfordern. Im Bereich Fahrrad gibt es jedenfalls einen Gesamtumsatz von 5,4 Milliarden Euro auf dem deutschen Markt. Insofern ist das eine wichtige Branche, ein wichtiger Teil des Mittelstandes und ein wichtiger Treiber für Innovationen. Der Umsatz steigt; denn die Fahrräder werden teurer; die Zahl der Fahrräder jedoch, die verkauft werden, stagniert. Wir haben gestern eine kleine Fahrradtour mit den radverkehrspolitischen Sprechern im Bundestag gemacht und haben uns auch ein urbanes Zentrum angeguckt, wo Paketverteilung mit dem Rad organisiert wird. Da haben alle großen Player mitgemacht. Das Projekt wird vom Umweltministerium gefördert, um mal zu sehen, inwieweit Paketdienste die Verteilung auf der letzten Meile mit dem Fahrrad organisieren können. Das ist eine Möglichkeit. Das ist nicht die Lösung; das wird nur im Bereich von 10 Prozent Erfolg haben. Aber es ist eine Möglichkeit, um den städtischen Verkehr zu entlasten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, 29 Milliarden Euro, so hoch ist der Verkehrsetat; das sind über 4 Prozent mehr. Wir geben viel Geld aus für die digitale Wende und für die Verkehrswende. ({2}) Wenn ich mir mal angucke, wie viel mehr wir im Bereich Radverkehr bekommen, dann bin ich etwas enttäuscht. ({3}) Ich glaube, es ist die Stunde des Parlaments, um in diesem Bereich ein Zeichen zu setzen, damit es hier besser wird. ({4}) Wenn ich auf die letzten zwei, drei Jahre zurückschaue, muss ich feststellen, dass wir zwar mehr Geld besorgt haben – und auch die Minister in den Ländern darauf aufmerksam gemacht haben –, das Geld aber nicht abgerufen wurde. Das ist zurzeit unser Pfropfen, der uns behindert. Wenn wir nämlich Geld zur Verfügung stellen und es nicht abgerufen wird, dann meldet sich der Finanzminister, und Sie, Frau Hagedorn, kassieren es wieder ein. Insofern ist das eine Gratwanderung, auf der wir uns befinden. Ich würde mir wünschen, dass wir die Radwege weiter fördern. Mit 98 Millionen Euro fördern wir sie jetzt ja, das betrifft sowohl die Erneuerung als auch den Neubau an Bundesstraßen. Wir fördern Radwege an Bundeswasserstraßen. Das ist ein sehr altes Programm, das immer noch nicht so läuft, wie wir es gerne möchten. Wir fördern außerdem den Radweg „Deutsche Einheit“, der auch noch nicht so richtig vorankommt. Was wir brauchen – darauf haben wir uns im Koalitionsvertrag geeinigt, und auch der Dieselgipfel hat das aufgenommen –, das ist mehr Geld im städtischen Bereich, um letzten Endes die Mobilität mit dem Fahrrad zu fördern. Es ist nicht die Aufgabe des Bundes, im städtischen Bereich Radverkehr zu organisieren; aber wir hätten die Möglichkeit, hier mit Modellprojekten etwas anzuschieben. Das ist der Impetus, den wir als Verkehrspolitiker haben: Lasst uns das gemeinsam versuchen, damit uns hierbei etwas gelingt. Wir müssten einen Titel auflegen, um das zu schaffen. Ich jedenfalls sage noch einmal: Das ist die Stunde des Parlaments. Das Ergebnis des Dieselgipfels war, dass wir insgesamt 200 Millionen Euro für den Radverkehr ausgeben wollen. Zurzeit liegen wir bei 130 Millionen Euro. Das ist anspruchsvoll; aber ich bitte alle Kollegen, in diesem Sinne mitzumachen. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist Rüdiger Kruse für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, die Debatte war bisher durchaus erkenntnisreich, weil sie nicht klassisch diese Struktur, nach der die Regierung A und die Opposition B oder sogar C sagt und man sich darüber in keiner Weise verständigen kann, verfolgt hat. Vielmehr wurde differenziert debattiert. Gleichzeitig hat die Debatte dazu beigetragen, Positionen erkennbar zu machen. Das betrifft zum Beispiel die Fragestellung: Wo steht eigentlich Andreas Scheuer – so lange ist er ja noch nicht Minister – als Verkehrsminister? Nach dieser Debatte kann man dann feststellen: Überraschung! Er steht ziemlich weit in der Mitte. – Denn die AfD wirft ihm vor, dass er aus ideologischen Gründen das Auto verrät, und die Grünen sagen, dass er aus ideologischen Gründen den Götzenkult ums Auto weiter fortführt. Das ist das Schicksal der Menschen, die in der Mitte stehen. Sie werden nämlich von beiden Seiten angegriffen. Da wir uns in einem Raum befinden, gibt es noch eine weitere Ebene. Ich würde nach Franz-Josef-Strauß-Manier typischerweise sagen: Konservativ sein bedeutet, an der Spitze des Fortschritts zu stehen. ({0}) In den Debatten, die ich mit Minister Scheuer führe, rede ich meist – trotz Autobahngesellschaft – über fünf Themen: erstens über die Bahn, zweitens über Digitalisierung, drittens über die Bahn, viertens über Radverkehr, fünftens über die Bahn. Jetzt betrachten wir vielleicht mal das Kleinste davon – der Kollege Storjohann hat es schon angesprochen –, den Radverkehr. Ich glaube schon, dass wir dafür noch einiges tun können. Das bedeutet aber nicht, dass wir das Thema Auto oder andere Verkehrsträger blockieren wollen. Vielmehr wollen wir, dass es einen guten Mix und die Wahlfreiheit gibt. Wir wollen, dass man sich je nachdem, welches Verkehrsmittel gerade das bessere sein könnte, dieses Verkehrsmittels dann auch bedienen kann. Jeder kennt aus seinem eigenen Leben, dass man eine Zeit lang sehr stark auf das Auto angewiesen war. Wenn Sie aber beispielsweise hier in Berlin unterwegs sind, werden Sie als Verkehrsmittel sicherlich nicht das eigene Auto wählen; denn dann kämen Sie nie pünktlich zu Ihren Terminen. Das heißt, die Wahlfreiheit auszubauen, bedeutet für uns alle dort, wo wir zu Hause sind, einen möglichst guten öffentlichen Nahverkehr zu haben. Gleichzeitig bedeutet es aber auch, Menschen, die nach wie vor auf das Auto angewiesen sind, ideologisch nicht zu behindern. Auf diesem Kurs sind wir. Dabei ist aber auch wichtig – dazu sind wir alle in den Gesprächen mit den Kommunalpolitikern –, dass Mittel abgerufen werden. Dabei ist es egal, ob es sich um Breitbandausbau für Schulen oder Radschnellwege handelt. Wir können hier ganz viel beschließen. In meinem netten kleinen Bundesland Hamburg habe ich dann auch mal darauf hingewiesen, dass wir noch so viel Geld für diese Radschnellwege haben und es bisher nur ein Projekt in NRW gibt. Ich habe gefragt: „Haben wir nicht auch etwas?“, und die Antwort erhalten: Ja. Doch, wir haben etwas. Wir haben den Radschnellweg nach Geesthacht. – Den schafft man auch, wenn man nicht so geübt ist wie du, Gero. Aber den gibt es noch nicht. Dann habe ich gefragt: Wann kriegen wir den denn? Als ich dann auf die Übersicht geschaut habe, die ich geschickt bekommen habe, habe ich gesagt: Drei bis vier Jahre sind ja eine lange Zeit. – Da sagt mir mein Referent: Nein, das ist der Zeitraum für die Machbarkeitsstudie. – Das ist natürlich extrem langsam. Ich muss mir keine chinesischen Verhältnisse wünschen, wenn ich sage: Das müssen wir irgendwie beschleunigen; da müssen wir gemeinsam ran. Zum Thema Bahn: Die Antwort auf die Fragen kann nicht sein, dass auf der einen Seite der Vorstandsvorsitzende Brandbriefe an seine eigenen Leute schreibt, die ein bisschen so aussehen, als ob er vor vier Wochen den Laden übernommen hätte, und auf der anderen Seite aus dem Bundesfinanzministerium die Botschaft kommt: Es gibt kein zusätzliches Geld. – Diese Botschaft kann vor allen Dingen deswegen nicht aus dem Bundesfinanzministerium kommen, weil das Bundesfinanzministerium gar nicht darüber entscheidet. Das tun nämlich immer noch wir. Das Ziel dieser Debatte und dieser Haushaltsberatungen ist ja auch, zu sehen, wo wir die Schwerpunkte setzen. Natürlich ist es so, dass wir die Bahn ausbauen müssen, und zwar völlig ideologiefrei, weil es das Verkehrsmittel der Wahl ist, wenn man mittlere Strecken überbrücken will. Es ist auch ein sehr häufig genutztes Verkehrsmittel. Wir haben einen unglaublichen Zuwachs an Bahnfahrern. Das ist ja erst einmal positiv. Wir stellen aber fest, dass die nicht alle glücklich sind. Das stellen wir sogar selbst fest, weil wir deren Schicksal ja häufig genug teilen. Das heißt: Da kann man eine ganze Menge verbessern. Da geht es natürlich darum, dass man Mittel bereitstellt. Wir haben das Glück, dass das Unternehmen auch noch uns gehört. Deshalb haben wir aber auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass das innerhalb dieses Unternehmens anständig auf die Schiene gebracht wird. Elektrifizierung – das war ja eben auch so ein Stichwort – ist wunderbar. Wir müssen die Elektrifizierung aber auch nicht zum Götzenkult erklären. Nicht 99,9 Prozent der Strecken müssen elektrifiziert werden. Es wird auch Strecken geben, wo man etwas anderes machen kann. ({1}) – Ja, 70 Prozent sind vorgesehen, genau. Aber man neigt dann ja dazu, wenn man nur 70 Prozent hat, zu fragen: Was macht man mit den restlichen 30 Prozent? ({2}) Es ist vollkommen richtig, zu sagen: Auf den anderen Strecken müssen wir andere umweltfreundliche Möglichkeiten finden. Es kann sein, dass man das mit LNG macht. Man kann das aber auch mit Wasserstoff machen. ({3}) Wir haben einen anderen großen Verkehrsträger, das ist die Wasserstraße. Im Koalitionsvertrag haben wir für den einen Träger gesagt, dass wir die Trassenpreise halbieren wollen. Das haben wir erledigt. Für die Binnenschifffahrt haben wir gesagt, dass wir die Befahrungsabgabe streichen wollen. Das ist der nächste Punkt, den wir erreichen müssen. ({4}) – Wir machen jetzt den zweiten Haushalt in dieser Legislatur. Ihre Ungeduld kann ich ja verstehen. Aber wenn wir das, was im Koalitionsvertrag steht – man könnte ja auch sagen, es reicht auch, wenn es 2021 geschieht –, rechtzeitig auf die Tagesordnung setzen, dann sind wir gut. Gut wollen wir auch in anderen Bereichen sein. Ich bin zum Beispiel sehr froh, dass wir das Thema LNG durch Förderung des Konzeptes im Bereich der maritimen Wirtschaft nach vorne gebracht haben. Wenn alles gut läuft, werden wir 2022 einen LNG-Port in Deutschland haben. Den Kritikern sage ich: Selbstverständlich ist das nur eine Brückentechnologie, vielleicht in eine Zukunft mit Wasserstoff. Da müssen wir natürlich mehr tun, auch in diesem Haushalt, aber ohne Brücken kommt man auch nicht voran. Deswegen ist es unsere Aufgabe als Politik, auch in diesem Bereich Brücken zu bauen. Herzlichen Dank. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Debatte.

Not found (Minister:in)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir leben in aufgeladenen Zeiten. Wir sind wirklich geprägt durch politisch-rhetorische Seltsamkeiten, auch in der umweltpolitischen Debatte. Der Spannungsbogen ist sehr breit; das haben wir im Sommer wieder gesehen. Für die einen gibt es menschengemachte Umweltprobleme überhaupt gar nicht. ({0}) Selbst in einem Sommer wie diesem sonnen sie sich noch in ihrer faktenignorierenden Ideologie. ({1}) Für die anderen kann die Wirklichkeit gar nicht drastisch genug dargestellt werden. Sie reduzieren Politik darauf, das wissenschaftlich Richtige umzusetzen, und blenden die gesellschaftliche Komplexität einfach aus. Damit einher geht eine Eskalation der Sprache. Das ist umso bedauerlicher, da Umweltpolitik eigentlich Mut machen muss angesichts der Erfolge, die wir in diesem Themenfeld haben, ({2}) da Umweltpolitik eigentlich eine Querschnittsaufgabe ist und Menschen, Politiker und Politikfelder wirklich gewinnen kann und da sich Umweltpolitik auf verlässliche wissenschaftliche Fakten stützen kann, was doch ein enormer Gewinn für die Diskussion ist. All das spiegelt der Haushalt 2019 wider. Er wächst um rund 15 Prozent und zeigt damit, dass Umweltpolitik eine sehr hohe Priorität genießt. Er legt drauf bei Forschung, beim internationalen Klimaschutz und bei der Artenvielfalt, ({3}) und er schafft die Basis für den von vielen erwarteten Wildnisfonds. Der Haushalt unterlegt vor allem auch die Aufräumarbeiten nach dem Atomausstieg, bei der Zwischen- und bei der Endlagerung sowie beim Standortauswahlverfahren. Und er setzt neue Akzente, zum Beispiel mit einem Titel zur Umrüstung unserer Industrie auf treibhausgasneutrale Produktionsverfahren. Erste Eckpunkte für ein solches Förderprogramm haben wir bereits vorgelegt. Dafür haben wir einen Branchendialog mit der besonders energieintensiven Industrie begonnen. Der Start des Programms soll 2020 erfolgen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Haushalt kann das Bundesumweltministerium die aktuellen umweltpolitischen Herausforderungen bestehen und kann Begonnenes auch konsequent weiterführen. Ich will nur ganz wenige Beispiele nennen. Das Insektensterben ist etwas, was viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wirklich bewegt. Die Erkenntnis, dass wir auf keine Kreatur verzichten können, ist inzwischen weit verbreitet. Sie ist so weit verbreitet, weil auch klar ist, dass wir uns sonst selbst gefährden. Deswegen habe ich direkt nach Amtsantritt Eckpunkte für einen Aktionsplan Insektenschutz vorgelegt. Den werden wir jetzt – natürlich in einem gesellschaftlichen Austausch – mit Maßnahmen unterlegen. Deswegen stärken wir auch das Bundesamt für Naturschutz mit dem Haushalt 2019, weil es eine ganz wichtige Rolle beim Aufbau des Zentrums für Biodiversität einnehmen soll. Ein zweites ganz wichtiges Beispiel: Wir hatten jahrzehntelang politische Kämpfe im Land um die Atom­ener­gie. Den Ausstieg haben wir im Konsens beschlossen und damit gezeigt, dass demokratische Politik erfolgreich sein kann, dass sie sehr erfolgreich sein kann, dass die Kraft zum Konsens eine große Stärke unserer Demokratie ist. Jetzt wird es in den nächsten Jahrzehnten darum gehen, die nuklearen Hinterlassenschaften sicher zwischen- und schließlich endzulagern. Daran arbeiten sehr viele Expertinnen und Experten jeden Tag in den neu geschaffenen Strukturen. Mit diesem Haushalt stärken wir ihre Arbeit und stärken auch das Vertrauen, das sie brauchen. Ein drittes Beispiel, das ich hier nennen will, ist die Digitalisierung. Sie erfasst alle Bereiche unseres Lebens. Sie kann auch ein ganz wichtiges Instrument im Umwelt- und Naturschutz sein, sie kann dort wichtige Weichen stellen, wenn wir ein paar Schritte im Voraus denken. Umweltfreundliche Mobilität ist ohne Digitalisierung nicht denkbar. Aber wir müssen sie natürlich so gestalten, dass sich die Staus nicht noch verlängern. Unsere Energiewende ist eine digital gestützte Energiewende. Aber es muss vollkommen klar sein: Wer beim Ausbau der erneuerbaren Energien bremst, wird bei den elektrifizierten digitalen Verkehren nicht vorankommen. ({4}) Es zeigt sich auch an dieser Stelle, dass Umweltpolitik angesichts der Digitalisierung wirklich Zukunftspolitik ist. Daran arbeitet das BMU, daran arbeitet der gesamte Geschäftsbereich. Wir wollen eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie vorlegen, und der Haushalt unterstützt uns in diesem Anliegen. Ich will an dieser Stelle einmal sagen: Es ist auch gut, dass wir auf europäischer Ebene, im europäischen Umweltausschuss, jetzt eine Diskussion zu den CO 2 -Grenz­werten für Neuwagen hatten und da ein ganzes Stück vorangekommen sind. Der Kompromiss im Umweltausschuss des EU-Parlaments ist eine sehr gute Basis für die weiteren Verhandlungen. Ein niedriger CO 2 -Ausstoß nutzt dem Klima – natürlich –, er nutzt den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die dann weniger Sprit für die Autos brauchen. Er ist aber auch eine ganz wichtige Basis für die Modernisierung und Erneuerung der Automobilindustrie. Und die brauchen wir auch. Meine Damen und Herren, Umweltpolitik hat vielfach eine Doppelrolle. Das erleben Sie hier im Parlament immer wieder. Wir müssen Treiberin von Innnovation und Fortschritt sein. Wir müssen zum Beispiel unsere Automobilhersteller antreiben, in Zukunftstechnologien zu investieren, anstatt verbindliche Zielvorgaben beim Klimaschutz abzuwehren. Zugleich müssen wir in der Umweltpolitik aber auch immer die sozialen und die ökonomischen Konsequenzen mitdenken. Es mag langweilig sein, es mag vielleicht auch ein wenig reißerisch klingen, aber Umweltpolitik muss versöhnen und sollte nicht spalten – übrigens an beiden Enden des Spektrums. Das gilt für mächtige Konzerne ebenso wie für ihre Gegner. Die einen sollten um des politischen Prozesses willen die Hand von der Kettensäge nehmen, und die anderen sollten von den Bäumen steigen und sich dem politischen Kompromiss öffnen. Wir brauchen diese gemeinsame Diskussion. ({5}) Damit bin ich bei der Klimaschutzpolitik, die mit fast 540 Millionen Euro auch im Haushalt 2019 wieder den zweitstärksten Block darstellt. Wir alle haben diesen Jahrhundertsommer erlebt. Das ist der zweitheißeste Sommer seit Aufzeichnung der Klimadaten und der fünfte Jahrhundertsommer innerhalb von acht Jahren. Das macht deutlich, dass der Klimawandel schon lange im Gange ist. Die Klimawissenschaft hat uns das prognostiziert. Die Wissenschaftler haben gesagt, dass die Extremwetterereignisse zunehmen werden, und das tun sie jetzt. Daraus erwachsen hier in Deutschland Probleme. Das sind aber im Vergleich zu den internationalen Problemen eigentlich kleine. In anderen Teilen der Welt sind es existenzielle Sorgen. Sie treiben Menschen in die Flucht, und sie veranlassen Regierungen, Evakuierungspläne für ihre Bevölkerung zu entwickeln. Umso wichtiger war und ist die Verabredung der Weltgemeinschaft, die Erderwärmung zu begrenzen. Für mich sind da drei Aspekte wirklich handlungsleitend: Erstens. Klimapolitik muss berechenbar sein. Sie muss in allen Bereichen mit nachvollziehbaren Kriterien ausgestattet sein und alle in die Pflicht nehmen. Nur dann können sich die Menschen wirklich darauf einstellen und solch eine Politik auch als gerecht empfinden. Diese Verlässlichkeit wird sich im Klimaschutzgesetz abbilden, das wir ja in Angriff genommen haben. Zweitens. Umweltpolitik muss den Klimaschutz und soziale Anliegen in einen fairen Ausgleich bringen. Dafür hat sich auf der internationalen Ebene der Begriff „Just Transition“ geprägt, also „gerechte Veränderung“, „gerechte Transformation“. Bei uns hier ganz konkret ist es die Strukturwandelkommission, mit der wir als Bundesregierung zeigen werden, wie Kohleausstieg und regionale Strukturförderung zusammengehen können. Drittens. Umwelt- und Klimaschutzpolitik ist für mich eine ökologische Innovationspolitik, die auch Arbeitsplätze schafft. Längst drängen in den ersten energieintensiven Branchen die Finanzvorstände auf Innovationen, weil sie sonst eben Nachteile am Kapitalmarkt fürchten. Wir hatten gestern gerade erst wieder eine spannende Diskussion über GreenTech und Green Finance. Das bietet eine große Chance auch für uns in Deutschland. Ein Schlüssel ist sicherlich auch das Effort Sharing, was wir ja ab 2020 erleben werden. Das heißt nichts anderes, als dass jeder einzelne Politikbereich jetzt vor seiner eigenen Haustür zu kehren hat. Alle sind in der Pflicht. Wir werden die Minderungsanteile für die Bereiche Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft nur dann erfüllen, wenn wirklich alle dazu beitragen, ihre CO 2 -Minderung nach vorne zu bringen, und wir keine CO 2 -Zertifikate kaufen müssen. ({6}) All das werden wir im Klimaschutzgesetz verbindlich festlegen. Wir werden alle Ressorts verpflichten, ihre Ziele einzuhalten, und wir werden das erste Mal beschreiben, wie dieser Weg ganz konkret funktioniert und wie wir das nach vorne bringen wollen. Wir stehen jetzt gemeinsam vor den bislang wohl größten Herausforderungen, nämlich nicht nur Ziele zu beschreiben, sondern auch zu sagen, wie wir es tun, wie wir den Klimawandel wirklich bekämpfen. Wir werden vieles anders machen müssen. Das gilt für die Wirtschaft, die Landwirtschaft, den Verkehr, das Wohnen und unsere Lebensweise. Zugleich haben wir – übrigens auch mit der Digitalisierung – alle Bausteine zusammen, um daraus auch wirklich ein klimaneutrales Haus zu bauen. Ich finde, dass der Haushaltsentwurf 2019 ein gelungener Beitrag zur Verwirklichung dieses Bauplans ist, und freue mich auf die gemeinsame Diskussion mit Ihnen über diesen Haushalt. Herzlichen Dank. ({7})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Martin Hohmann für die AfD. ({0})

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Umwelthaushalt umfasst für 2019 rund 2,3 Milliarden Euro. Das sind 288 Millionen Euro mehr als im Vorjahr; die Frau Ministerin hat es gesagt. Dieser Aufwuchs ist in Teilen sehr wünschenswert. Ich begrüße etwa das Bundesprogramm Biologische Vielfalt – plus 5 Millionen Euro – oder den neuen Wildnisfonds mit 10 Millionen Euro. Als Jäger und Naturschützer weiß ich, wie viel Arbeit in die Pflege und Hege unserer deutschen Naturlandschaften gesteckt wird. Andererseits sehe ich mit besonderer Skepsis den erneuten erheblichen Aufwuchs der Mittel für den Schutz des Klimas und der Biodiversität im Ausland. Hierfür sind rund 457 Millionen Euro vorgesehen. Bevor wir unsere sauer verdienten Euros und ein fehlgeleitetes Klimaschutzdenken ins Ausland exportieren, sollten wir die Sinnhaftigkeit der Klimapolitik hier in Deutschland auf den Prüfstand stellen. ({0}) Es drohen Dieselfahrverbote in Städten von vitaler Bedeutung. Ausbaden werden das in erster Linie Berufspendler, die sogenannten kleinen Leute, aber auch Handwerksmeister und Inhaber mittlerer Betriebe. In Frankfurt beispielsweise soll die ganze Innenstadt eine großflächige Sperrzone werden. Im Vertrauen auf bestehendes Recht wurde ein Diesel­auto angeschafft – für viele eine Großinvestition. ({1}) Nun müssen sie erfahren: Ihr legal erworbenes, amtlich zugelassenes Dieselfahrzeug verliert durch staatliche nachträgliche Regeländerungen gewaltig an Wert. Das ist staatlich sanktionierte Enteignung. ({2}) Aber nicht nur der einzelne Autofahrer ist getroffen – nein, die ganze Automobilbranche. Und mit ihr steht und fällt der wirtschaftliche Gesamterfolg unseres Landes. ({3}) – Machen wir später wieder. – Kern der Problematik sind die 2008 von der EU festgelegten Stickstoffoxid-Grenz­werte. Sie sind, gelinde gesagt, willkürlich und widersinnig. Für die Außenluft ist in der EU ein Grenzwert von 40 Mikrogramm NO 2 je Kubikmeter im Jahresmittel festgelegt, in den USA 103 Mikrogramm; für Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk – da steht man ja immerhin acht Stunden am Tag – sind es in Deutschland 950 Mikrogramm, in der Schweiz 6 000 Mikrogramm. Inzwischen hat es sich herumgesprochen: Ein Adventskranz mit vier brennenden Kerzen kann bereits die Grenzwerte für NO x überschreiten. ({4}) Weiter steht zweifelsfrei fest: Die Belastung durch Umweltschadstoffe einschließlich Stickstoff nimmt in Deutschland seit Jahrzehnten ab, ({5}) und die Deutschen leben im Durchschnitt immer länger. Frau Ministerin, hier liegt eine überaus wichtige Aufgabe für Sie. Die Grenzwerte müssen zum allseitigen Nutzen entweder ausgesetzt oder verändert werden. Der amerikanische Standard ist ein akzeptabler Anhalt. Frau Ministerin, handeln Sie! Sonst wird es bald ein Mitglied einer Partei tun, die wirklich für die kleinen Leute kämpft – ein Mitglied der AfD. ({6})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Marie-Luise Dött für die CDU/CSU. ({0})

Marie Luise Dött (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003070, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinter uns liegt in der Tat ein Sommer, wie wir ihn lange nicht hatten: Viel Sonnenschein und hohe Temperaturen freuten die Urlauber, die es vorgezogen hatten, den Urlaub an Nord- und Ostsee zu verbringen. Die Freibäder verzeichneten Besucherrekorde. Aber ein anderes Bild ergibt sich bei unseren Landwirten, die angesichts der Trockenheit mit zum Teil extremen Ernteausfällen zu kämpfen haben, oder bei den Kraftwerken, die wegen zu hoher Wassertemperaturen oder auch niedriger Wasserstände Kapazitäten reduzieren mussten, oder bei den Binnenschiffern, die im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen lagen. Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass dieser Sommer auch ein Signal war, dass wir bei der Klima- und Umweltpolitik nicht nachlassen dürfen. ({0}) Wir müssen weiterhin intensiv für eine globale Handlungsgemeinschaft werben; denn nur so werden wir den Klimaschutz voranbringen können. Die Klimakonferenz im Dezember in Kattowitz bietet dafür eine weitere Chance. Aber es geht natürlich auch darum, eigene Anstrengungen zu verstärken. Die Aufgaben liegen auf dem Tisch. Wir müssen Maßnahmen identifizieren, um das 2020-Ziel so schnell wie möglich zu erreichen; bis 2020 wird das nicht gelingen. Wir müssen jetzt einen tragfähigen maßnahmenkonkreten Plan für das Erreichen des Klimaziels 2030 entwickeln. Beide Aufgaben müssen dringend angegangen werden. Auch wenn es mancher nicht mehr hören will: Wir werden im Rahmen der Haushaltsberatungen das Thema der steuerlichen Absetzbarkeit von Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung erneut diskutieren. ({1}) Es ist nicht akzeptabel, dass wir gerade diese kosteneffiziente Klimaschutzmaßnahme nicht hinbekommen. ({2}) Meine Damen und Herren, es mag klimapolitisch verlockend sein, aber ich warne davor, sich bei der Klimapolitik auf die Braunkohle zu fokussieren. ({3}) Angesichts der Diskussionen in der Strukturkommission und deren Umfeld habe ich den Eindruck, dass die komplexen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen einer Reduzierung der Kohleverstromung von einigen unterschätzt werden. ({4}) Ein Klimaschutz ohne Rücksicht auf die Menschen, ohne Betrachtung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen wird es mit uns nicht geben. ({5}) Ja, wir brauchen aus der Kommission ein Signal für die Klimakonferenz in Kattowitz, aber dieses Signal kann nicht heißen: Wir erfüllen unsere Klimaziele; was aus den Menschen wird, ist zweitrangig. ({6}) Das Signal muss sein: Wir erfüllen unsere Klimaziele. ({7}) – Hören Sie erst einmal bis zum Ende zu. – Unser Signal muss aber auch heißen: Wir bleiben dabei wettbewerbsfähig. ({8}) Wir erhalten die Wertschöpfungsketten in Deutschland und sichern Arbeitsplätze. ({9}) – Ihre Zwischenrufe zeigen mir, dass die Grünen daran scheinbar nicht interessiert sind. ({10}) Wir sorgen in den betroffenen Regionen für den erforderlichen Strukturwandel. Ich erwarte von den Mitgliedern der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ Vorschläge, mit denen sich der Verantwortung gestellt wird. Ich bin sehr froh, dass Frau Nahles in der vergangenen Woche für ihre Partei in diesem Sinne eine klare Aussage gemacht hat. ({11}) Eine Verengung der Klimapolitik auf die Kohle ist in der Tat der falsche Ansatz. Auch wir stehen für eine „Blut­grätsche“ gegen die Braunkohle nicht zur Verfügung. ({12}) Meine Damen und Herren, für uns kommt erst der Strukturwandel, dann die Reduzierung der Kohleverstromung – nicht umgekehrt. ({13}) Und um auch das klar zu sagen: Die Regierung hat eine Kommission eingesetzt, die Vorschläge erarbeiten soll. Was gesetzlich geregelt wird, entscheidet am Ende keine Kommission, sondern das Parlament. ({14}) Noch etwas müssen wir aus diesem Sommer lernen. Wir müssen uns verstärkt um Maßnahmen zur Vorsorge hinsichtlich der Folgen des Klimawandels kümmern. Das betrifft beispielsweise das Wassermanagement in den Flüssen. Das betrifft die Nutzung von klimaresistenteren Pflanzen auf den Feldern und auch Fragen in kommunalen Bereichen. Natürlich müssen wir uns auf Extremwetterlagen mit plötzlichem Starkregen und Sturm vorbereiten. Auch diesen Themenbereich werden wir uns im Rahmen der Haushaltsberatungen ansehen. Meine Damen und Herren, die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft ist ein weiterer Schwerpunkt unserer umweltpolitischen Agenda. Wir haben mit dem Verpackungsgesetz, das erst zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft tritt, wichtige Fortschritte erreicht. Höhere Sammelquoten werden zu einer weiteren Reduzierung der Abfälle führen, und die zentrale Stelle wird alle Marktbeteiligten, insbesondere Hersteller, Inverkehrbringer und duale Systeme, stärker in die Pflicht nehmen. Parallel dazu erfolgt auch bei der Wirtschaft und beim Handel ein Umdenken. Handel und Hersteller reagieren damit auf ein geändertes Kundenverhalten. Die Initiativen zur Entwicklung besser recycelbarer Verpackungen oder zum vollständigen Verzicht auf Kunststoffverpackungen durch Hersteller und Handel begrüße ich nachdrücklich. Aber dieses Umsteuern ist im Kern der Erfolg unseres Ansatzes der Durchsetzung der Produktverantwortung. Wer Verpackungen herstellt oder in den Verkehr bringt, ist auch für die Entsorgung verantwortlich. Damit werden die Entsorgungskosten Teil des Produktpreises und damit ein Wettbewerbsfaktor. Diese konkrete Anlastung der Entsorgungskosten gelingt uns künftig besser, als das bislang der Fall war, und gerade darauf reagieren Handel und Produzenten. Das System der wettbewerblich organisierten Verpackungsentsorgung funktioniert. Was aber nicht ausreichend gut funktioniert, ist die Wiedernutzung von Recyclingmaterialien. Wir können uns über hohe Sammel- und Sortierquoten freuen; nutzen tun sie allerdings nur, wenn die Materialien anschließend auch wieder zu hochwertigen neuen Produkten werden. Hier müssen wir natürlich darüber nachdenken, wie wir die Rahmenbedingungen für eine Wiedernutzung von Recyclingmaterialien verbessern können, und wir müssen darüber nachdenken, wie wir Schadstoffe aus den Abfällen ausschleusen können. Wir müssen hier den Zielkonflikt zwischen stofflichem Recycling und Chemikalien- und Stoffrecht auflösen. Das alles ist gar nicht einfach. Wir müssen das Thema aber dringend angehen. Hier sehe ich einen Schwerpunkt für die Ressortforschung des BMU, den wir bei den jetzt anstehenden Haushaltsverhandlungen betrachten werden. Meine Damen und Herren, noch ein weiterer Punkt zum Thema Kreislaufwirtschaft: Die Plastikabfälle in den Weltmeeren sind nicht akzeptabel. Sie gefährden eine unserer Lebensgrundlagen. Diese Abfälle müssen auch für uns ein Signal sein, die Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln. Auch in Europa ist das Thema jetzt mit der Plastikstrategie auf der umweltpolitischen Agenda weit nach oben gerückt. Das ist gut. Wir müssen auch hier den Blick auf die globale Situation ausrichten. Wissenschaftler haben allerdings ermittelt, dass nur zehn Flusssysteme rund 90 Prozent des Plastiks transportieren, das jedes Jahr aus Flüssen ins Meer gelangt. Das sind übrigens acht asiatische Gewässer sowie Nil und Niger. Auf diese Situation müssen wir reagieren. Das heißt, wir müssen auch da den globalen Ansatz wählen. Das werden wir in Zusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium und dem Bundesentwicklungsministerium nach vorne treiben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({15})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als Nächste spricht die Kollegin Ulla Ihnen für die Fraktion der FDP. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach einem halben Jahr im Amt können wir ein wenig besser einschätzen, welche Art von Politik Sie machen wollen, Frau Ministerin. Es ist sicher nicht anmaßend, wenn ich sage, dass Sie die Politik des Weiter-so der alten Regierung schlicht weiterverfolgen. Wir fänden es ja wichtig und richtig, ambitionierte Klimaschutzziele anzustreben und uns auf mögliche Klimafolgen einzustellen; nur, wie dies erreicht werden soll, das scheint man in der Bundesregierung derzeit nicht so wirklich zu wissen. Das Ziel kennen Sie, doch auf dem Weg dahin verirren Sie sich im Dickicht teils ineffizienter, teils sich überschneidender Förderprogramme, teils verheddern Sie sich auch in widersprüchlichen Gesetzgebungen. ({0}) Das sture Festhalten an der bisherigen Linie spiegelt sich in Ihrem Haushaltsentwurf wider. Dieser weist wirklich wenig Neues auf. Trotzdem wächst der Etat um 14,6 Prozent auf über 2,2 Milliarden Euro an. Es gibt keinerlei Anstrengungen beim Abbau von Subventionen in Ihrem Bereich. Und wo, Frau Ministerin, sind Ihre eigenen zukunftsweisenden Akzente und Schwerpunkte im Haushalt zu finden? Wir haben genau einen neuen Titel im Bereich des Naturschutzes zu verzeichnen. Der neu eingerichtete Wildnisfonds ist allerdings nichts Halbes und nichts Ganzes, mehr gut gemeint als gut gemacht. ({1}) Mit dem neuen Wildnisfonds schaffen Sie nur weiteren Wildwuchs an sich überschneidenden Förderrichtlinien, in Ihrem Haus und mit anderen Häusern. Das kann man effizienter machen, auch um die Wildnis dann wirklich zu schützen. ({2}) Seien Sie doch einfach mal mutiger, Frau Ministerin, vielleicht ein wenig disruptiv, sagt man ja heute. Seien Sie einfach mal eine unbequeme Ministerin für Ihr Haus, und lösen Sie endlich die hausgemachten Probleme in Ihrem Ressort. Räumen Sie den Förderdschungel auf, und verbessern Sie vor allem den katastrophalen Mittel­abfluss ({3}) – genau –, ({4}) im Interesse einer effizienten Umwelt- und Klimapolitik und im Sinne des Steuerzahlers. Wir sind auch gespannt auf Ihr Insektenschutzprogramm, insbesondere darauf, ob und wie gut es Ihnen gelingen wird, im Agrarressort die Bedürfnisse der Land- und Forstwirtschaft mit einzubeziehen. Wir Freien Demokraten werden die Ausgestaltung dieses Programms als Serviceopposition gerne konstruktiv begleiten und unsere eigenen Vorschläge zum Naturschutz und zur Erhaltung der Artenvielfalt mit einbringen. ({5}) Wir Freien Demokraten wünschen uns, dass Sie sich dafür einsetzen, alle relevanten Sektoren mit in das europäische Emissionshandelssystem einzubeziehen und dieses System endlich voll zur Geltung zu bringen. Dann wird Klimapolitik – wenn sie so angepackt wird – auch generationengerecht gemacht. Dann wird Klimaschutz auch wieder eine Frage der Eigenverantwortlichkeit. Hierin, glauben wir, liegt die große Chance, endlich eine wirksame und für alle gerechte Klimaschutzpolitik durchzusetzen. So löblich es sein mag, den Klimaschutz im Kleinen beginnen zu wollen, so sehr sehen wir aber eben auch, dass es am Abfluss der Mittel hapert. Gerade bei der Nationalen Klimaschutzinitiative haben Sie derzeit Ausgabereste von 25 Millionen Euro, Tendenz steigend. Und erhebliche Mittel aus dem Energie- und Klimafonds, den Sie ja mit bewirtschaften, fließen kaum bis gar nicht ab: Letztes Jahr blieben Sie auf 163 Millionen Euro sitzen. Ihr Haus kommt mir bei den angesprochenen Förderprogrammen vor wie ein Kind, das immer die große Portion Pommes will, aber den Teller dann nicht mal zur Hälfte leerisst. ({6}) Ziehen Sie endlich Konsequenzen aus diesem fatalen Mittelabfluss. Passen Sie die Mittel endlich an den Mittelabfluss an, ({7}) zum Beispiel zugunsten des Abbaus von Staatsschulden – das wäre eine nachhaltige Politik. ({8}) In Ihrem Ressort werden wir Freien Demokraten in den kommenden Beratungen besonders die internationalen Aktivitäten des BMU kritisch betrachten. Wir werden Vorschläge zur Verbesserung des Natur- und Meeresschutzes, für den Ausbau eines funktionierenden Kohlenstoffmarktes und vor allem für die Digitalisierung im Umweltbereich vorlegen. Sie können ganz sicher sein: Wir werden weiterhin den Bereich der Zwischen- und Endlagerung von radioaktivem Müll im Blick haben und Transparenz einfordern. In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen. Vielen Dank. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin ist die Kollegin Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Wir, die Linken, haben mittlerweile das Gefühl, dass in der Gesellschaft ein größeres Umweltbewusstsein existiert, als das in der Wirtschaft oder auch bei uns in der Politik der Fall ist. ({0}) Von dieser Widerspruchslage möchte ich aber zu einer Frage unsere Ministerin als Politikerin heute ausnehmen, da sie insbesondere in der Dieselaffäre im Gegensatz zum Starrsinn des Verkehrsministers hier richtige Positionen vertritt, mindestens aus unserer Sicht. Wir haben in der vorherigen Debatte den Verkehrsminister dazu ja gerade gehört. ({1}) Hier kommt zum Tragen, was ich in meiner letzten Rede, die ich zum Haushalt 2018 gehalten habe, gesagt habe: dass gerade im Hinblick auf das Verhältnis von Umwelt und Wirtschaft die konsequente Bewältigung des Abgasskandals ein notwendiger Gradmesser für sozialverträgliche Nachhaltigkeit und vor allem für Verlässlichkeit von Politik ist. Die Fraktion Die Linke bestärkt die Umweltministerin also, in ihrer Haltung gegenüber der Autoindustrie durchzuhalten, ihre Position weiter aufrechtzuerhalten und die flächendeckende Nachrüstung der entsprechenden Hardware mindestens für die Euro-5-Diesel-Fahrzeuge durchzusetzen, ({2}) um die Ausweitung von Fahrverboten für Mittelstand und private Dieselfahrer abzuwenden. Wir können doch nicht zulassen, dass die Autofahrer teuer für vermurkste Autos bezahlt haben und sich jetzt ein neues teures Auto kaufen müssen, damit VW und andere gegebenenfalls ein zweites Mal für diesen Betrug, den sie schon einmal begangen haben, belohnt werden. ({3}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein entsprechender Kernpunkt linker Politik ist der Einsatz für einen nachhaltigen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft. Dazu bedarf es einerseits der Einsicht in die Notwendigkeit, dass der von Menschen gemachte Klimawandel und der Raubbau an der Natur ohne grundlegende Veränderungen bei der bei uns vorherrschenden Lebensweise nicht gestoppt werden können. Andererseits ist es aber auch möglich, im Rahmen der staatlichen Finanzierung positive Akzente mit Langzeitwirkung zu setzen, also auch neue Entwicklungen anzuschieben. Ich nenne an dieser Stelle vor allem immer wieder die von uns gemachten Steuervorschläge, um Reichtum stärker zu besteuern, damit langfristig unser aller Lebensumfeld überhaupt erhalten werden kann. ({4}) Es ist unter anderem erwiesen, dass der ökologische Fußabdruck betuchter Menschen wesentlich größer ist als der von kleineren Leuten. Auf der anderen Seite ist die Entlastung der Menschen mit unterem Einkommen nötig, die in ihren allgemeinen Notlagen ja kaum darüber nachdenken können, ob sie sich biologisch korrekt ernähren oder ob sie sich für ein Vogelschutzreservat engagieren sollen. Mit Hartz IV kommt man im Bioladen eben nicht weit. ({5}) Meine Damen und Herren, wie stark verschmolzen Umwelt, Wirtschaft und Landwirtschaft tatsächlich sind, haben wir alle in diesem Sommer selbst erlebt: Millionenschäden in der Landwirtschaft durch die große Trockenheit – und das europaweit. Stellen wir uns einmal vor, dass diese Wettersituation noch ein paar Jahre anhält – und wieder europaweit. So viele Nothilfefonds kann man gar nicht auflegen, dass die ökonomischen Verluste damit aufgefangen werden könnten. ({6}) Was das für die Ernährungslage der Bevölkerung, aber auch für die Tiere – und nicht nur für die Nutztiere – bedeutet, ist da noch gar nicht mitgedacht. Welche Folgen das für die Wirtschafts- und Sozialkreisläufe insgesamt haben kann, habe ich ebenfalls noch nicht dargelegt. Es ist ein Trugschluss dieses Wirtschaftssystems und gleichzeitig auch sein Grundproblem, zu glauben, dass die natürlichen Ressourcen und ihre Nutzung keinen Preis hätten. Wir zahlen ihn täglich, und langsam merken wir, wie teuer das für uns wird. Im Verhältnis dazu sind die Maßnahmen der Bundesregierung unzureichend – mindestens gemessen an unseren Vorstellungen von Umweltpolitik. ({7}) Frau Ministerin, auch wenn ich Sie eben gelobt habe, komme ich jetzt doch zu wirklich wesentlichen Kritiken an Ihrem Haushalt. Die Koalition wird Ihren Haushalt natürlich ordentlich feiern; sie wird sagen: 15 Prozent mehr wird ausgegeben, und damit ist eigentlich alles gut. – Anstatt aber die notwendigen und längst überfälligen grundlegenden Korrekturen konsequent anzugehen, wie meine Fraktion das seit langem fordert, gibt es kleinteilige Anpassungen und zum Teil auch deutliche Misstöne im Etatentwurf. Ich nenne zum Beispiel die marginale Aufstockung der Mittel für die Internationale Klimaschutzinitiative. Die Mittel für die Nationale Klimaschutzinitiative werden sogar gekürzt, und der an sich schon unterfinanzierte Titel „Internationale Zusammenarbeit“ – Stichwort Fluchtursachen – wird um 58 Prozent reduziert. Für mehr Klimaschutz braucht man aber mehr Geld – und zwar generell und auf lange Sicht. ({8}) Kurzum: Wieder wird Zeit vertrödelt und an der Bewältigung der Anforderungen unserer Zeit nicht gearbeitet. Das kann und wird die Linke nicht mittragen. Deswegen dürfen Sie damit rechnen, dass wir im Haushaltsverfahren entsprechende Anträge stellen, um auf das Laufende zu kommen und diese großen Aufgaben anzugehen. Herzlichen Dank. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist Sven-Christian Kindler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich bei Ihrer Rede schon sehr gewundert, Frau Dött. Ich nehme an, Sie haben wieder viel zu viel Zeit mit Klimaskeptikern verbracht; denn wie Sie darauf kommen, dass Klimaschutz gegen die Menschen gemacht wird, das finde ich wirklich absurd. ({0}) Frau Dött, ich erkläre es Ihnen gern noch mal: Die Klimafrage ist die Menschheitsfrage, die soziale Frage in diesem Jahrhundert. Es geht darum, dass eben heute schon die meisten Menschen aus Umwelt- und Klimagründen weltweit ihre Heimat verlassen und fliehen müssen. ({1}) Das ist der Hauptfluchtgrund Nummer eins. Das ist die zentrale globale Gerechtigkeitsfrage. Es geht beim Klimaschutz auch darum, dass wir unsere Lebensgrundlagen als Menschen schützen und eine Politik machen, die für unsere Kinder, unsere Enkel und unsere Urenkel nachhaltig ist. Darum geht es beim Klimaschutz. ({2}) Gerade nach diesem Sommer hätte man es eigentlich verstehen müssen. Es gab einen krassen Hitzesommer. Man hat Rekordtemperaturen gehabt. ({3}) – Hören Sie mal auf. Sie haben nicht verstanden, worum es beim Klimaschutz geht. Das zeigt sich auch daran, dass Sie von der AfD bei Frau Dötts Rede geklatscht haben. Es geht darum, dass wir Rekordtemperaturen hatten und dass wir mittlerweile seit Jahren immer neue Hitzerekorde haben. Das haben wir in diesem Sommer auch erlebt. Viele Menschen sind deswegen krank geworden. Wir haben deutlich mehr Hitzetote. Gerade in dieser Situation, Frau Ministerin, hätte ich erwartet, dass Sie diesen Haushaltsentwurf jetzt entsprechend anpassen. Wo ist denn das große Klimaschutzprogramm? Wo ist denn das große Sofortprogramm im Haushalt? Gerade jetzt darf man nicht kleckern, sondern muss beim Klimaschutz im Haushalt klotzen. ({4}) Sie haben zum Thema Zahlen gesagt, die Mittel in Ihrem Haushalt würden um 15 Prozent erhöht. Ein Blick in die konkreten Zahlen zeigt, dass 253 Millionen von 288 Millionen Euro in den Bereich der Zwischen- und Endlagerung von Atommüll gehen, also in einen Bereich, in dem wir Altlasten aus der Vergangenheit finanzieren. De facto gehen 90 Prozent Ihrer Mittelerhöhung in Altlasten und nicht in den Klimaschutz. Ich bitte Sie, diese Zahlen in Ihrem Haushalt nicht schönzurechnen. ({5}) Am Ende ist es so: Das, was Sie machen, ist sehr marginal. Sie haben ein paar Millionen mehr; aber am Ende geht es um die Frage, wie viel Geld mit diesem Haushalt insgesamt ausgegeben werden kann. Über 50 Milliarden Euro werden aus dem Bundeshaushalt für Subventionen bereitgestellt, die klimaschädlich sind. Da geht es um Plastiktüten. Da geht es um schwere Dienstwagen. Da geht es um schmutzigen Diesel und die Agrarindustrie. Man kann nicht hier ein paar Millionen mehr für den Klimaschutz feiern, wenn gleichzeitig Milliarden für die Klimazerstörung ausgegeben werden. Das muss sich im Haushalt radikal ändern. ({6}) Sie haben gesagt, Umweltpolitik müsse auch Antreiber für die Automobilindustrie sein. Das ist richtig. Wir unterstützen auch die Forderung nach Nachrüstungen. Wir sind schon seit langem bei der Forderung dabei, dass die Hardwarenachrüstungen bei schmutzigen Dieselautos auf Kosten der Automobilindustrie finanziert werden. Das finden wir richtig. Aber gleichzeitig ist ja die Frage, wie Sie insgesamt zum Dieselprivileg stehen. Die Präsidentin Ihres Umweltbundesamtes, Frau Krautzberger, hat Ihnen klar dargelegt, dass das Dieselprivileg umweltschädlich und klimaschädlich ist und endlich abgeschafft gehört. Gleichzeitig verteidigt aber die Umweltministerin das Dieselprivileg, wovon auch gerade schwere Lkws profitieren. Ich sage Ihnen: Dieses Dieselprivileg ist am Ende einer der Hauptgründe, warum wir schmutzige Luft in unseren Städten haben und warum wir mit der Verkehrswende nicht vorankommen. ({7}) Ich bitte Sie: Hören Sie auf, die Chefin Ihres Umweltbundesamtes im Regen stehen zu lassen. Hören Sie auf mit der Klüngelei mit der Automobilindustrie. ({8}) Frau Ministerin, Sie haben auch gesagt, man bräuchte einen Kompromiss zwischen bestimmten Konzernen mit einer Kettensäge in der Hand und den Leuten auf den Bäumen, die von den Bäumen herunterkommen sollten. Ich sage Ihnen, wann diese Leute von den Bäumen he­runterkommen: Sie kommen dann herunter, wenn Sie dafür sorgen, dass die Kettensägen wieder eingepackt werden. Wenn es für den Hambacher Forst ein Moratorium gibt, dann kommen die Leute von den Bäumen herunter. ({9}) Sie haben sich auch dafür eingesetzt, dass es ein Moratorium gibt. Bezeichnend war aber, dass weder Frau Merkel noch Herr Altmaier sich dieser Forderung angeschlossen haben. Die Frage ist: Wie viel Durchsetzungskraft haben Sie eigentlich in dieser Bundesregierung? Ich finde, Sie können nicht immer die Verantwortung, die Sie als Umweltministerin für die Klimapolitik haben, auf den Verkehrsminister, auf die Agrarministerin oder auf den Wirtschaftsminister abschieben. Ich erwarte, dass sich eine Umweltministerin in zentralen Fragen in der Regierung durchsetzt. ({10}) Oder dass sie sich wenigstens in der eigenen Partei durchsetzt; das wäre auch schon mal was. Einen Tag nachdem Sie ein Moratorium für den Hambacher Forst gefordert haben, ist Ihnen Ihre eigene Parteichefin per Blutgrätsche dazwischengegangen und hat gesagt, dass sie jetzt doch für die Braunkohle sei. Sie hat das ausgespielt gegen soziale Belange. Da gibt es aber eigentlich nichts auszuspielen. Wir haben schon lange einen sozialen Strukturwandel gefordert, den man mit Arbeitsplatzmaßnahmen und mit Sozialmaßnahmen unterstützen muss. Aber völlig klar ist, dass der Strukturwandel kommt, dass der Kohleausstieg kommt. Je länger wir den Ausstieg verzögern, desto schlechter ist es für die Region und für die Menschen. ({11}) Deswegen fordern wir Sie auf: Sie müssen in diesem Haushalt umkehren. Sie müssen jetzt deutliche Veränderungen vornehmen, umweltschädliche Subventionen abbauen und den Klimaschutz deutlich stärken. Es geht um unsere Lebensgrundlagen. Vielen Dank. ({12})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist Matthias Miersch für die Fraktion der SPD. ({0})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist die erste Lesung des Haushalts, und eine solche Debatte verdient es natürlich, auch ein bisschen grundsätzlich zu werden. Deswegen will ich am Anfang eines sagen, Frau Kollegin Dött: Wenn man den Klimaschutz gegen die Interessen der Menschen ausspielen will ({0}) oder immer wieder sagt: „Wer Klimaschutz macht, der will eigentlich gegen die Industrie und die Menschen votieren“, dann ist das aus meiner Sicht ein falscher Blickwinkel. ({1}) Denn wer Klimaschutz betreibt, der macht Politik zum Schutz der Menschheit und auch zum Schutz deutscher Industrie, liebe Kolleginnen und Kollegen. Herr Hohmann, manche – auch von Ihnen – darf man nie aufgeben. Sie waren ja mal in der CDU und sind – ich habe es nachgelesen – römisch-katholisch. Vielleicht ist es kein Sozialdemokrat, der Sie auf den rechten Weg führen kann. Aber lesen Sie einmal „Laudato si“ von Papst Franziskus! ({2}) Dann machen Sie sich ein Bild davon, warum Klimaschutz die Menschheitsfrage ist und warum wir längst hier handeln müssen. ({3}) Sie haben die Automobilindustrie angesprochen. Wir müssen uns doch nur angucken, wo in diesen Tagen und Wochen das Investment stattfindet. Es findet nämlich in den Teilen dieser Welt statt, wo es um Effizienz und um Alternativen zum Verbrennungsmotor geht, zum Beispiel in China. Das heißt, wer die deutsche Automobilindustrie schützen will, der muss mehr in Innovationen und Effizienz investieren, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Herr Kollege Kindler, es ist ein bisschen wohlfeil. Sie haben die Rolle der Opposition, und das ist auch in Ordnung. Aber wenn ich den einen oder anderen Grünen argumentieren höre wie auch gerade jetzt gegen die Umweltministerin, dann frage ich Sie: Wie ist es denn dort, wo Sie in der Regierung sind? ({5}) Wer beispielsweise der Bundesumweltministerin, die sich seit Monaten mit der Automobilindustrie anlegt, vorwirft, hier zu kungeln, ({6}) dem empfehle ich die Videos des letzten grünen Parteitags und Ihres grünen Ministerpräsidenten Wilfried Kretschmann. Wie liegt der denn mit der Automobilindustrie im Bett, weil er natürlich auch am Alltag gemessen wird? Seien Sie nicht immer ganz so selbstverliebt! ({7}) Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit auch dazu, dass wir uns damit befassen, was zurzeit mit dem Hambacher Forst passiert; Sie haben es angesprochen. Wichtig ist, dass vermieden wird, dass dort eine Eskalation stattfindet. ({8}) Aber zunächst muss man einräumen – und da waren Sie eben an der Regierung beteiligt und mussten auch Realitäten zur Kenntnis nehmen –: Sie waren in NRW in der Regierung, als RWE den Rechtsanspruch bekommen hat. Das muss man, finde ich, an so einer Stelle auch immer wieder sagen. Ich sage allerdings mit der Bundesumweltministerin und der SPD-Bundestagsfraktion: Nicht immer, wenn man einen Anspruch hat, ist es auch legitim, den auf Teufel komm raus durchzusetzen. Insofern habe ich die Hoffnung, dass wir hier zu einer Kompromisslinie kommen. Sie alle wissen: Es laufen zurzeit Gespräche.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Bitte sehr, Herr Kollege.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Kollege Miersch, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Wir haben erlebt, wie die Umweltministerin sich für ein Moratorium eingesetzt hat, und dann haben wir die Parteivorsitzende der SPD erlebt, die denjenigen, die sich für ein Moratorium im Hambacher Wald eingesetzt haben, eine Blutgrätsche vorgeworfen hat. Mich würde interessieren, wie Sie das an der Stelle beurteilen. Wo steht Matthias Miersch da: bei der Blut­grätsche von Frau Nahles oder bei der Moratoriumsforderung der Umweltministerin? Dann würde mich interessieren, wie jemand von den Sozialdemokraten, die in Nordrhein-Westfalen jahrzehntelang Braunkohlepolitik betreiben und heute noch, auch unter einer anderen Regierung, alle, die Kritik üben, als Terroristen bezeichnen usw. usf., uns hier vorwerfen kann, es habe irgendeinen Grünen gegeben, der diesen Tagebau bzw. diese Abholzung befürwortet hat. Das haben Sozialdemokraten wider alle Vernunft durchgedrückt. Sie haben Machtpolitik betrieben. Wenn es eine Verantwortung für die Abholzung gibt, dann liegt sie bei SPD, CDU und FDP, die bis heute hier in diesem Parlament und im nordrhein-westfälischen Landtag hinter dieser irren Kohlepolitik stehen. Dazu sollten Sie, bitte schön, Stellung nehmen! ({0})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Krischer, das mache ich sehr gerne. Ich brauche nur ein bisschen Redezeit dafür, weil Sie so viele Aspekte angesprochen haben. Wir müssen genau trennen. Deshalb bitte ich darum, genau darauf zu achten, was ich hier gesagt habe. Sie waren mit in der nordrhein-westfälischen Landesregierung, als RWE die entsprechenden Rechtsansprüche erworben hat; darauf habe ich hingewiesen, auf nichts mehr und auf nichts weniger. ({0}) Ich habe darauf hingewiesen, dass ich es für wohlfeil halte, wenn Menschen wie Robert Habeck in Talkshows auf die Bundesumweltministerin einprügeln, obwohl beide, wie ich glaube, das identische Ziel verfolgen. Aber man kann nicht so tun, als ob alles, wenn man Verantwortung trägt, nicht mehr gelten würde. Sie haben in Baden-Württemberg, Hessen und auch in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren Mitverantwortung getragen und mussten bestimmte Dinge anerkennen. ({1}) Während Ihrer Regierungszeit ist es zu dem Rechtsanspruch von RWE gekommen. Ich habe eben gesagt – das ist die einvernehmliche Haltung der Bundesumweltministerin, meiner Fraktionsvorsitzenden und sicherlich weiter Teile der SPD –, dass man anerkennen muss, dass es einen Rechtsanspruch gibt. Es gibt noch ein Klageverfahren. Aber der Rechtsanspruch wurde in der letzten Instanz zugestanden. Dennoch kann man appellieren, das Recht nicht immer mit aller Kraft durchzusetzen, sondern sich auf ein Moratorium bzw. eine gemeinsame Lösung zwischen den Beteiligten zu verständigen. Wir jedenfalls werben für einen Kompromiss. Das ist SPD-Position, lieber Herr Krischer. ({2}) Jetzt komme ich zu einem weiteren Aspekt, nämlich zum Kohleausstieg. Ich bin mir eigentlich relativ sicher, dass wir bei der Zielsetzung identische Positionen haben. Frau Dött, eines kann aus meiner Sicht aber nicht verschoben werden: Wir können mit der Natur nicht verhandeln. ({3}) Wenn wir uns auf Klimaschutzziele verständigen, dann können wir zwar in den Parlamenten um den Weg ringen. Wir können aber nicht so tun, als ob wir das Erreichen des Ziels beliebig verschieben könnten. Da bin ich mit Andrea Nahles und auch mit der Bundesumweltministerin einer Meinung. Mit der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, die den endgültigen Kohleausstieg vorbereiten soll, unternehmen wir den Versuch, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen; denn wir brauchen hier keinen Ausstieg, wie wir ihn bei der Atomkraft erlebt haben, wo maßgebliche Kräfte – auch in den Parlamenten – gegen den Ausstiegsbeschluss votiert haben. Frau Ihnen, Sie haben vom Verheddern in der Umweltpolitik gesprochen. Als Mitglied der FDP-Fraktion wäre ich da ganz vorsichtig. Das größte Verheddern stellt die Laufzeitverlängerung dar, die Ihre Fraktion mit zu verantworten hat. ({4}) Wir brauchen in der Kohle einen Konsens, der über Jahrzehnte trägt. Deswegen, Oliver Krischer, ist es aus meiner Sicht richtig, dass Andrea Nahles darauf hinweist: Klimaschutzziele sind unverhandelbar – daher ein Klimaschutzgesetz –, aber die betreffenden Regionen dürfen bei der Bewältigung des Strukturwandels nicht im Stich gelassen werden. Das ist sozialdemokratische Politik. Für diese stehen wir ein. Ich hoffe, dass das unter Zuhilfenahme aller Kräfte in diesem Parlament gelingt. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Dann gebe ich der Kollegin Dött Gelegenheit für eine Kurzintervention.

Marie Luise Dött (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003070, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Dr. Miersch, wir haben in der letzten Legislaturperiode den Klimaschutzplan zusammen erarbeitet. Er wurde auch im Parlament beschlossen. Können Sie sich noch daran erinnern – es ist gerade ein gutes Jahr her –, dass wir in diesen Klimaschutzplan gewisse Kriterien aufgenommen haben? Danach wollen wir abwägen: Wie ist es um die Technologieoffenheit bestellt? Ist jede Maßnahme europakompatibel? Wie sieht die Kosten-Nutzen-Rechnung aus? All diese Punkte und noch weitere haben wir da einverhandelt. Wir wollten, dass das Klimaschutzgesetz ein Artikelgesetz wird, und wir wollten in jedem einzelnen Bereich schauen, wie das Ganze abgewogen ist. Wir haben zum Beispiel die Versorgungssicherheit berücksichtigt. 2022 geht das letzte Kernkraftwerk vom Netz. Wenn man gleichzeitig bei der Kohle einen Schnitt machen würde, dann wäre das für die Versorgungssicherheit in einigen Regionen in Deutschland natürlich sehr kritisch. Fraglich ist etwa, wie es mit dem Leitungsbau aussieht. All das haben wir jahrelang zusammen besprochen. Sie haben es mitgetragen, und wir haben es gemeinsam vorangebracht. Deswegen bin ich sehr verwundert, dass Sie auf einmal eine Priorisierung der Klimaziele vornehmen und alles andere auf einmal keine Rolle mehr spielt. Wir haben immer in dem Zieldreieck Ökonomie, Ökologie, soziale Gerechtigkeit gearbeitet, und ich möchte, dass Sie sich daran gerne erinnern und dass wir auf dieser Basis auch weiterarbeiten können. Geben Sie mir recht, dass wir so zusammengearbeitet haben?

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Dött, auch wenn wir nicht immer einer Meinung gewesen sind, erinnere ich mich gerne an unsere Zusammenarbeit. Aber, ich glaube, Sie haben mich an einigen Stellen missverstanden. Deswegen noch mal: Ich habe mich an Ihrer Darstellung gestoßen – ich gebe sie jetzt nicht wörtlich wieder, weil ich sie schlichtweg nicht zitieren kann; sie lautete in etwa so –: Wir werden niemals Klimaschutz ohne die Menschen machen. – Da bin ich bei Ihrem Zieldreieck Ökologie, Ökonomie, soziale Gerechtigkeit. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Determinante „Klimaschutz und ökologische Basis unserer Welt“ nicht verschieben können. Wenn wir beides gegeneinander ausspielen, das heißt Menschheitsinteresse und Klimaschutz, dann sind wir, glaube ich, auf dem Holzweg. Klimaschutz ist Bewahrung von Schöpfung, Bewahrung natürlicher Lebensgrundlagen auch für nachfolgende Generationen. Wenn wir unsere völkerrechtliche Verpflichtung einhalten, bis 2030 bestimmte Klimaschutzziele zu erreichen, dann werden alle Beteiligten in diesem Parlament, im Übrigen auch alle Regierungsmitglieder – nicht nur die Bundesumweltministerin, sondern beispielsweise auch der Verkehrsminister, der Wirtschaftsminister, die Landwirtschaftsministerin –, sich diesem Ziel unterordnen müssen. Wir werden über die Wege miteinander diskutieren müssen. Die Vorarbeiten leistet jetzt die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ – Kohleausstiegskommission –, aber nur zu einem gewissen Teil, weil dort nur der Energiesektor eine Frage sein wird – im Übrigen unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit, auch unter Berücksichtigung der Preisentwicklung. Ich sage Ihnen allerdings: In der Vergangenheit, in den letzten Jahrzehnten, sind die Preise im Energiesektor nie vom Himmel gefallen. Wenn wir alleine die Endlagerkosten, über die wir heute im Haushalt wieder diskutieren, eingepreist hätten, wäre Atomenergie niemals wirtschaftlich gewesen, niemals bezahlbar gewesen. ({0}) Das ist doch auch eine Frage der Steuerung. Dann kommen wir zu einem wirklichen Quantensprung. Ich hoffe, wir kriegen ihn miteinander hin. Ich weiß, da wird unsere Zusammenarbeit auf eine arge Probe gestellt werden. Wir haben erstmals einen Klimaschutzplan, den im Übrigen nicht wir im Parlament beschlossen haben, sondern die Regierung. Wir haben seine Transformation in ein Klimaschutzgesetz im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Wir können gerne darum ringen, ob dieses Gesetz ein Artikelgesetz werden soll. Ich sage Ihnen allerdings: Dieses Klimaschutzgesetz braucht Zähne. Dieses Klimaschutzgesetz muss die Einhaltung der Klimaschutzziele sicherstellen, und zwar nicht nur im Energiesektor, sondern auch im Verkehrssektor. Ich sage außerdem: Wir brauchen eigentlich auch eine Debatte über finanzielle Steuerungen, über die Frage „Was für einen Preis geben wir beispielsweise CO 2 ?“. Das sind Debatten, die wir gerne in ein Artikelgesetz oder in ein einfaches Gesetz münden lassen können. Aber am Ende müssen wir liefern und muss das gewährleistet sein, was über allem stehen muss: dass wir diese Natur für nachfolgende Generationen erhalten. Darum wird es gehen. ({1})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Jetzt haben wir ausführlich interveniert und erwidert. Nun setzen wir die Debatte mit Karsten Hilse für die AfD fort. ({0})

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Zuschauer auf den Rängen! Nichts fürchten Regierungen mehr als geistig und materiell unabhängige, kritische und informierte Bürger. Die können für sie sehr anstrengend und herausfordernd sein. Je schlechter die Bildung und Erziehung, je mehr Lebensängste und je geringer die finanziellen Mittel sind, desto leichter lassen sich die Massen dirigieren und manipulieren. Genau hier setzt die gegenwärtige Klimapolitik der Bundesregierung an. Sie flößt den Bürgern Ängste ein, trägt mit den durch die Energiepolitik verursachten Produktivitätsminderungen und Kostenerhöhungen ({0}) unmittelbar zu ihrer Verarmung bei – was für ein Zufall! In meinen letzten Reden habe ich mehrfach darauf hingewiesen, dass es keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis für die Hypothese gibt, dass das menschengemachte CO 2 einen messbaren Einfluss auf die Temperatur hat. Mir wurde vorgehalten, dass die von der Bundesregierung betriebene Klimapolitik von vielen Wissenschaftlern bestätigt wurde und daher glaubwürdig sei. Die Stellungnahmen sind unbestritten, kommen aber ganz überwiegend von Wissenschaftlern, die in irgendeiner Form von öffentlichen Auftrags- oder Arbeitgebern abhängig sind. Demgegenüber stehen Tausende unabhängige Wissenschaftler, unter ihnen sehr viele Nobelpreisträger, ({1}) die sich in den letzten Jahren immer wieder mit Appellen gegen die herrschende Klimalehre positioniert haben. Zum Beispiel wurde der Heidelberger Aufruf 1992 von über 3 000 Wissenschaftlern, darunter 74 Nobelpreisträgern, unterschrieben. Die Initiative von Oregon, unterschrieben von 31 000 Fachleuten, davon 9 030 promovierten Naturwissenschaftlern! In einer Petition aus dem Jahr 2017 an Herrn Trump, formuliert von dem renommierten MIT-Professor Richard Lindzen, heißt es unter anderem: Wir unterstützen effektive, erschwingliche und direkte Kontrollen üblicher Umweltschadstoffe, aber Kohlendioxid ist kein Schadstoff. Im Gegenteil: Es gibt viele klare und eindeutige Beweise, dass ein steigender atmosphärischer Kohlendioxidgehalt für die Umwelt sehr hilfreich ist, um Ernteerträge zu verbessern, ({2}) andere Pflanzen wachsen zu lassen, die die Nahrungsgrundlage für alles Leben bilden. ({3}) Es ist Pflanzendünger und kein Gift, Frau Weisgerber. ({4}) Diese Appelle spielen natürlich in den Leitmedien keine Rolle. Diese Leitmedien, die förmlich zu Systemmedien mutiert sind, ({5}) beschränken sich auf die Verunglimpfung mündiger Bürger, die es auch nur wagen, gegen die zerstörerische Politik der Bundesregierung auf die Straße zu gehen. So wie jeder, der an der Doktrin vom menschengemachten Klimawandel zweifelt und die Hunderte Milliarden Euro teuren Klimaschutzmaßnahmen wegen ihrer Nutz- und Wirkungslosigkeit kritisiert, als Klimaleugner – was auch immer das sein soll – diffamiert wird, gehört plötzlich jeder Bürger, der gegen die Ursachen der signifikant gestiegenen Gewaltkriminalität auf die Straße geht, zum rechtsradikalen Mob. Einige von Ihnen – ich sage extra: einige – und Ihre Systemmedien schrecken ja nicht einmal davor zurück, ein ganzes Land, meine Heimat, mein schönes Sachsen, als Dunkeldeutschland zu bezeichnen, in dem nur rechte Dumpfbacken wohnen. ({6}) Roger Köppel von der „Weltwoche“ sieht die Sachsen anders – ich zitiere mit Ihrer Genehmigung –: Die Sachsen sind die intellektuelle Avantgarde eines weitverbreiteten deutschen Unbehagens. Die Sachsen haben es satt, dass über ihre Köpfe hinwegregiert wird. Deshalb protestieren sie. Das ist kein Angriff auf die Demokratie, sondern ihre Verwirklichung. ({7}) Von Sachsen ging die friedliche Revolution in Ostdeutschland aus, ({8}) und auch heute senden die Sachsen friedliche und deutliche Signale für eine notwendige politische Wende aus, und diese politische Wende werden wir nächstes Jahr in Sachsen auch einleiten; darauf können Sie sich verlassen. ({9}) Sie hier schauen argwöhnisch auf die Sachsen, weil sie sich erdreisten, selbst zu denken. Deren Steuern verschleudern Sie aber gern – so wie das Geld des gesamten Volkes – ({10}) und das nach Herzenslust für wirkungslose Klimaschutzmaßnahmen im In- und Ausland. Wir lehnen diese Maßnahmen ab und fordern stattdessen – diese Forderung kam in der Zwischenzeit auch von den Grünen – wie in unserem Antrag, mit einem Zehntel der zurzeit aufgewendeten Mittel einen Klimawandelfolgen-Anpassungsfonds einzurichten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({11})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Weisgerber für die Fraktion der CDU/CSU. ({0})

Dr. Anja Weisgerber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004440, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es wird Zeit, dass wir jetzt wieder mal zum Thema, nämlich dem Umwelthaushalt, zurückkehren. ({0}) Wir beraten heute den Haushalt zu einer hervorragenden Debattenzeit, und das ist auch gut so; denn die Themen „Umweltschutz“, „Naturschutz“, „Klimaschutz“ sind existenzielle, sehr wichtige Themen, auch für uns als Union, um das schon gleich vorweg aufzunehmen. Für uns ist es aber wichtig – so steht es übrigens auch im Klimaschutzplan –, dass wir Ökologie und Ökonomie nicht gegeneinander ausspielen, sondern unter Einbindung der Menschen, aller Akteure vor Ort, miteinander ins Gleichgewicht bringen, und das ist unser Weg, lieber Kollege Miersch. ({1}) Meine Damen und Herren, Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Der Sommer 2018 hat uns vor Augen geführt, dass der Klimawandel wirklich in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist. ({2}) Extreme Hitze und Dürre haben den Menschen, den Tieren, der Natur, haben allen sehr zu schaffen gemacht. Für mich bedeutet das, dass wir den Weg der Treibhausgasreduzierung konsequent weitergehen und uns verstärkt an die neuen Gegebenheiten anpassen müssen. Dem trägt auch der Entwurf für den Umwelthaushalt Rechnung; denn knapp ein Drittel dieses Haushaltes fließt in den Klimaschutz. Das ist kein Pappenstiel. Das zeigt, dass wir unsere Verantwortung in dem Zusammenhang wahrnehmen – in Deutschland und in der Welt. ({3}) Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der wir die Menschen mitnehmen müssen. Anders werden wir es nicht schaffen. Dazu gibt es unterschiedliche Wege. Was ist unser Weg, Herr Kollege Miersch? Wir wollen in allen Sektoren Anreizsysteme schaffen. So erreichen wir unsere Ziele und können vermeiden, dass auf der europäischen Ebene Ordnungspolitik droht; denn Verbote und Gebote, mit denen wir die Menschen bevormunden, sind für uns eindeutig der falsche Weg. Wir wollen Anreize, meine Damen und Herren. ({4}) Genau diese notwendigen Anreize setzen wir zum Beispiel mit der Nationalen Klimaschutzinitiative, mit der Projekte zur Senkung der Emissionen gefördert und der Klimaschutz vor Ort vorangebracht werden; denn es ist wichtig, dass der Klimaschutz vor Ort im Kleinen gelingt. Die Kommunen spielen dabei eine ganz wichtige Rolle; denn vor Ort sind der Klimaschutz und die Maßnahmen in dem Zusammenhang einfach am sichtbarsten. Mit der Kommunalrichtlinie unterstützen wir schon seit zehn Jahren sehr erfolgreich Kommunen dabei, lokale und regionale Klimaschutzkonzepte zu erstellen. Das ist sehr erfolgreich. Da werden Maßnahmen ausgelöst, die dem Klimawandel wirklich entgegenwirken. Dazu gehören zum Beispiel die Umrüstung auf energieeffiziente LED-Straßenbeleuchtung oder andere Klimaschutzmaßnahmen, wie effiziente Hallenbeleuchtung oder Raumbelüftung in Schulen und Sporteinrichtungen. Ebenfalls werden zum Beispiel Klimaschutztechnologien in Kälte- und Klimaanlagen oder Mini-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen gefördert. Aus eigener Erfahrung, auch aus meiner Heimatstadt, kann ich sagen, dass die Kommunen sehr großes Interesse an der Kommunalrichtlinie haben – sowohl in den Städten – bei mir die Stadt Schweinfurt –, als auch in den Landkreisen – der Landkreis Schweinfurt. Denn sie schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie tun aktiv etwas für den Klimaschutz, und sie können Energiekosten einsparen. Meine Damen und Herren, wir brauchen diese Anreize in allen Sektoren, auch im Gebäudesektor. Deswegen – ich kann mich nur wiederholen – setzen wir wirklich darauf, dass der Bundesfinanzminister jetzt einen Gesetzentwurf zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung vorlegt. ({5}) Und wir setzen auch darauf, dass die Länder dann mitgehen. ({6}) In unseren Augen, Herr Krischer, braucht man nämlich eigentlich gar keine Gegenfinanzierung. Den Handwerkerbonus, mit dem auch Energieeffizienzmaßnahmen gefördert werden, komplett abzuschaffen und dafür die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung einzuführen – was damals im Raum stand –, ist mit Sicherheit der falsche Weg. ({7}) Wir brauchen beides. In diesem Sinne setzt sich auch Bayern für die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ein, um das klarzustellen. ({8}) Meine Damen und Herren, Deutschland alleine kann das Klima nicht retten. Wir brauchen die anderen Staaten der Welt. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns international engagieren – natürlich über den Haushalt des Entwicklungshilfeministers, der ganz viele Klimaschutzprojekte im Ausland fördert, aber auch der Umwelthaushalt enthält hierfür einige wichtige Bausteine. So soll zum Beispiel in der Arbeitsgruppe „Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes“ weiter daran gearbeitet werden, dass das europäische Emissionshandelssystem in andere Länder exportiert wird und diese dadurch eine CO 2 -Bepreisung über den Emissionshandel einführen. ({9}) Das ist der richtige Weg. Auch bei uns bleibt der Emissionshandel in Deutschland und in Europa das Leitinstrument. Und er funktioniert. Der Preis für die Tonne CO 2 hat sich im Vergleich zum letzten Jahr mehr als vervierfacht, fast verfünffacht. Aktuell liegt er bei circa 25 Euro. Wir sollten auch einmal wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass die Reform und der Emissionshandel funktionieren. ({10}) Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. In meinen Augen brauchen wir keine neue Zieldiskussion. Vielmehr müssen und werden wir die erforderlichen Maßnahmen für unsere bestehenden Ziele auf den Weg bringen. Da sind alle Ressorts gefragt – keine Frage –, sie müssen zusammen mit den Fachleuten Maßnahmen erarbeiten. Diese Maßnahmen müssen dann in ein Artikelgesetz einfließen. Wir müssen vonseiten der Politik die Anreize für diese Maßnahmen setzen. Ich setze auch auf das Artikelgesetz zum Klimaschutz; denn es ist wichtig für die Planungssicherheit der Unternehmen, damit sie auch in Umwelt- und Klimainnovationen investieren. Es ist auch wichtig für die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der Welt. Nochmals: Wir müssen die Menschen bei diesem Prozess mitnehmen, und wir müssen immer berücksichtigen, welche Auswirkungen unsere Maßnahmen und Gesetze auf die Wirtschaft und auf die Arbeitsplätze haben. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({11})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Dann fahren wir fort mit der Kollegin Judith Skudelny für die FDP. ({0})

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit 2,3 Milliarden Euro ist der Umwelthaushalt tatsächlich der zweitkleinste Haushalt eines Ministeriums in diesem Haus. Er macht gerade 0,67 Prozent des Gesamtvolumens aus. Das spiegelt aber nicht die Bedeutung der Umweltpolitik wider. Warum? Weil Umweltpolitik mit ganz anderen Mitteln arbeitet. Wir arbeiten leider immer noch zu sehr mit Verboten, mit Grenzwerten und mit Verfahrensvorschriften. Die Grundlagen für die Umsetzung werden gar nicht in den deutschen nationalen Parlamenten geschaffen; sie werden in vielen Fällen längst auf europäischer Ebene gelegt. Deswegen finden wir in dem Haushalt tatsächlich nur einen sehr geringen Anteil der Kosten, die wir produzieren. Die größten Kosten tragen die Wirtschaft und vor allem die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. ({0}) Das verstehen viele nicht. Ich nenne als aktuellstes Beispiel die Stickoxiddebatte. Da haben wir einen Grenzwert eingesetzt. Die Politik hat sich jahrelang nicht darum gekümmert, diesen Grenzwert einzuhalten. Und obwohl die Mehrheit dieses Hauses gegen Fahrverbote ist – ich würde sogar behaupten, die Mehrheit in der Bevölkerung ist gegen Dieselfahrverbote –, muss die Zeche dafür jeder einzelne Dieselfahrer zahlen. ({1}) Das verstehen die Menschen nicht. Die Menschen entfernen sich von dem, was wir beschließen, was wir umsetzen müssen, und haben zunehmend weniger Verständnis dafür, ({2}) obwohl der Einfluss unserer Ministerien und unserer Regierung auf europäischer Ebene tatsächlich groß ist. Oftmals wird er nur hinter den Kulissen ausgeübt, und wir sehen nur dann, dass irgendwas gemacht wird, wenn eine Panne passiert, wie beispielsweise letztes Jahr bei der Zulassung von Glyphosat, als ein CSU-Minister zugestimmt hat, während das Umweltministerium anderer Meinung war. Darüber wurde debattiert. Aktuell wird über die CO 2 -Flottengrenzwerte debattiert; das finde ich sehr dramatisch. Hier streiten sich wiederum ein Umweltminister und ein Verkehrsminister, aber nicht hier bei uns im Haus, sondern auf europäischer Ebene. Das schadet dem Ansehen Deutschlands. ({3}) Es schwächt übrigens auch die Stimme, mit der wir auf europäischer Ebene sprechen. Deswegen wäre der richtige Weg, wenn wir über unsere Verhandlungsposition zunächst hier im Haus diskutieren würden. Ich habe im Umweltausschuss gefragt: Wie wollen wir das eigentlich machen? Wie schaffen wir eine parlamentarische Beteiligung an dem, was unsere Ministerien auf europäischer Ebene verhandeln? Die Antwort war: Warum? Ihr werdet doch nachträglich informiert. – Aber eine nachträgliche Information ist eben keine Beteiligung, übrigens nicht nur keine Beteiligung der Opposition, sondern auch keine der Koalition. Deswegen müssen wir es schaffen – das ist meine Bitte an das Umweltministerium –, die Debatten ans Licht zu bringen und für die Bevölkerung zugänglich zu machen. Wir müssen hier im Bundestag eine gemeinsame Position finden, die dann die Ministerien auf europäischer Ebene vertreten, damit die Menschen in Deutschland den richtigen Eindruck bekommen, dass wir in Deutschland die Möglichkeit haben, Europa mitzugestalten und zu beeinflussen. ({4}) Auf diesem Weg verstehen die Menschen in der Diskussion dann auch, dass manche Dinge kosten. Dann nimmt man diese Kosten in Kauf, weil man weiß, wo sie herkommen und wie sie beeinflusst werden. Dieser Weg der Willensbildung ist zugegebenermaßen nicht der einfachste für die Regierung; aber wir stärken durch diese Transparenz Deutschland, wir stärken die Demokratie, und vor allem stärken wir damit auch Europa. Europa ist die größte Chance, die wir in Deutschland, auch in der Umweltpolitik, haben. ({5}) Die Umweltpolitiker wurden angehalten, auch Sparvorschläge zu bringen. Ich möchte mich dem Rat meiner Fraktion beugen. Ich habe einen Sparvorschlag für Sie, Frau Ministerin. Sparen Sie sich das Geld für die Deutsche Umwelthilfe! ({6}) Unzählige Menschen in Deutschland werden mit Abmahnverfahren überzogen, und unsere Kommunen werden über den Klageweg dazu gezwungen, Maßnahmen einzuführen, die sie selber, für sich in der Verantwortung, nicht für richtig halten. ({7}) Die Menschen haben kein Verständnis dafür, dass diejenigen, die solche Maßnahmen erzwingen, auch noch öffentliche Aufträge und öffentliche Mittel bekommen. ({8}) Ich sage Ihnen, weil Sie von der SPD sind und es mit dem Sparen nicht immer so haben: Wenn Sie das Geld nicht einsparen wollen, dann nutzen Sie das Geld einfach und machen richtig guten Naturschutz in Deutschland. Auch damit wäre uns sehr geholfen. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Lorenz Gösta Beutin für die Fraktion Die Linke. ({0})

Lorenz Gösta Beutin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004672, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Heute, gerade heute, hat der UNO-Generalsekretär in eindringlichen Worten gesagt: Wenn wir jetzt nicht entschieden handeln, ist vielleicht der Zeitpunkt verpasst, wo wir verhindern können, dass die Klimakatastrophe außer Kontrolle gerät. ({0}) Wir sollten uns diese Worte des UNO-Generalsekretärs sehr zu Herzen nehmen. ({1}) Wir erleben Dürren, Waldbrände, Ernteausfälle, eine Rekordhitze. ({2}) Ja, dieser Sommer war der zweitheißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. ({3}) Aber nicht nur global spüren wir längst, dass etwas in Unordnung gerät, und zwar nicht nur auf Haiti oder auf den Philippinen, sondern auch direkt bei uns vor der Haustür. Das muss doch selbst Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, aus Ihrem klimapolitischen Dornröschenschlaf aufwecken. ({4}) Auch die Haushälterinnen und Haushälter hier im Deutschen Bundestag müssten spätestens jetzt erkennen: Die Klimakrise kostet uns jetzt schon Milliarden an privaten und öffentlichen Geldern. ({5}) Ich will das mal an ein paar Zahlen deutlich machen, zum einen an den – das wurde hier schon genannt – Klimahilfen für unsere Landwirtinnen und Landwirte: 340 Millionen Euro in diesem Jahr. Wenn wir uns alle Prognosen anschauen, dann stellen wir fest, dass es sich in den nächsten Jahren fortsetzen wird. ({6}) Oder: Setzen wir uns einmal mit den Umweltkosten auseinander, die infolge der Kohleverstromung entstehen! Das Umweltbundesamt hat für das Jahr 2016 ausgerechnet, dass diese bei 46 Milliarden Euro gelegen haben. Für die Jahre 2017 und 2018 wird das kaum anders aussehen. Das heißt: Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass infolge der Kohleverstromung in Europa 5 000 Menschen jährlich sterben, ({7}) allein in Deutschland die Hälfte davon, dann müssen wir sagen: Wir müssen dem Einhalt gebieten; wir müssen jetzt handeln. ({8}) Für die Wiederherstellung der betroffenen Braunkohleregionen, für die Renaturierung, werden in den nächsten Jahren, von 2018 bis 2022, Kosten in der Höhe von 1,2 Milliarden Euro anfallen. Das wird sich nach 2022 fortsetzen. Das sind die Hypotheken, die wir unseren Enkeln und Urenkeln in diesem Bereich aufbürden. Sie kennen ja die Geschichte, wie es beim Atomausstieg gelaufen ist. Es besteht die Gefahr, dass diese Bundesregierung, indem sie nicht handelt, den Bürgerinnen und Bürgern die Kosten für den Kohleausstieg auflastet, während die Gewinne, die die Konzerne gemacht haben, unangetastet bleiben. Das wäre ein falscher Weg. Das wäre auch ein Angriff auf die Grundfesten unserer Demokratie. ({9}) Selbst RWE ahnt ja mittlerweile, dass es mit der Kohle bald zu Ende geht, und sucht sich andere Betätigungsfelder. ({10}) Gerade heute kam die Nachricht, dass RWE in das Geschäft mit Flüssiggas einsteigen will, ({11}) dreckiges Fracking-Gas zum Teil. Deswegen sagen wir: Auch das – Flüssiggas, LNG – ist der falsche Weg, wenn wir Gas nur als Brückentechnologie betrachten. ({12}) Ich komme zum Schluss. Mich macht es wütend, wenn ich sehe, dass auf der einen Seite in Chemnitz besorgte Nazis auf die Straße gehen, den Hitlergruß zeigen und Menschen jagen, während auf der anderen Seite die Menschen, die im Hambacher Forst demonstrieren, die für Klimagerechtigkeit und für die Zukunft der Menschheit demonstrieren, kriminalisiert werden, eingekesselt werden. ({13}) Wir als Linke sagen: Wir solidarisieren uns mit den Protesten im Hambacher Forst. Hambi bleibt! Vielen Dank. ({14})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Ich habe schon sehr viele Zwischenfragen und Kurzinterventionen zugelassen, und wir sind in der Zeit jetzt auch schon weit zurück. Deshalb sehe ich im Augenblick davon ab, eine weitere Zwischenfrage oder Kurzintervention zuzulassen, zumal das Thema auch nicht zum Kernbereich dieses Einzelplans gehört. Wir fahren fort in der Debatte mit Steffi Lemke für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Das Jahr 2018, dieser Sommer, wird möglicherweise in der Rückschau als eine Zäsur in der europäischen Klimaschutzdebatte wahrgenommen werden. Zumindest in meiner Heimat Sachsen-Anhalt – ich wohne in Dessau – hat es seit April nicht vernünftig geregnet, und ich erinnere keinen Sommer, in dem die Menschen über das Thema Klimakrise so intensiv zu Hause, vor Ort, in den Dörfern, in den Städten diskutiert haben wie in diesem Sommer. Topthema in den Nachrichten, Topthema in den Wetterberichten: Das hatten wir bisher nicht. Ich glaube, dass die Vorboten der Klimakrise jetzt das erste Mal in Deutschland, in Mitteleuropa angekommen sind. Wir sind ja weiß Gott nicht die Ersten, die damit zu kämpfen haben. Tangier Island vor der Küste der USA ist bereits am Untergehen. Dort gibt es inzwischen mehr Wasser als Land. Das heißt, woanders gibt es diese Diskussion schon viel länger und viel intensiver. Ich hatte die Hoffnung, dass es auch in der politischen Debatte eine Zäsur geben würde. Sie, Frau Ministerin Schulze, haben im Sommer ein Interview gegeben, in dem Sie gesagt haben: Wir haben die letzten 20 Jahre viel zu wenig getan für den Klimaschutz. – Das war am 30. August. Damit haben Sie im Prinzip die Verantwortung übernommen. Sie regieren ja seit 1998 mehr oder weniger durchgehend im Bund und in vielen Bundesländern und haben im Prinzip die Verantwortung dafür übernommen, dass Deutschland die Klimaziele 2020 nicht einhält. Ich will das übersetzen: Wenn Deutschland die Klimaziele 2020 nicht einhält, heißt das, dass Deutschland sagt: Unser Beitrag zur Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles findet nicht statt. 2020 ist eine Zahl; die sagt sich so hin, etwa wie: Ich bin zufällig schneller als 30 gefahren, bin geblitzt worden, sorry. Aber wir reden hier über das 1,5-Grad-Ziel, das Sie im Prinzip preisgeben mit dem Regierungshandeln, das SPD und CDU hier an den Tag legen. Und am 31. August stellt sich die Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion im „Spiegel“-Interview hin und sagt: Die Grünen machen eine unverantwortliche Klimaschutzpolitik. – Sie wirft uns einen überhasteten Kohleausstieg – überhasteten Kohleausstieg! – und eine „Blutgrätsche“ vor. Manfred Stolpe, Ministerpräsident Brandenburg, hat Anfang der 90er-Jahre versprochen, dass jetzt der Kohleausstieg beginnt und Horno das letzte Dorf ist, das abgebaggert wird. 1993 hat ein SPD-Ministerpräsident versprochen, dass jetzt der Kohleausstieg beginnt, und 25 Jahre später wirft die SPD-Fraktionsvorsitzende den Grünen einen überhasteten Kohleausstieg vor. Ich frage mich wirklich, in welchem Klimadiskurs Sie leben. Herr Miersch, ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe, aber ich glaube, Sie waren der erste Sozialdemokrat, der hier heute an diesem Rednerpult Andrea Nahles für dieses miese Foulspiel in der Klimadebatte – nicht uns gegenüber; ich habe kein Problem mit so etwas – kritisiert hat. Aber das, was Sie dann hinterher erzählt haben, ist Vorspiegelung falscher Tatsachen. ({0}) Das sind die Reden, die wir aus der SPD seit 25 Jahren über den Kohleausstieg hören. Aber Sie tun nichts, verdammt noch mal. Das ist das Problem. ({1}) Herr Guterres – ich will das Zitat noch einmal aufgreifen und verschärfen – hat gestern gesagt: Die Menschheit müsse bis 2020 entschlossen handeln. – Bis 2020! Wir reden über den UN-Generalsekretär, nicht über eine selektive Wahrnehmung bei den Grünen. Sie können sich gerne an den Grünen weiter abarbeiten – das ist nicht mein Problem; uns stärkt das in den Umfragen, Sie meiner Wahrnehmung nach nicht –; mir geht es um die Klimadebatte und um das Handeln im Klimadiskurs, wo Sie voranschreiten müssen, statt dass Ihre Fraktionsvorsitzende „Blutgrätsche“ schreit. Die Menschheit müsse bis 2020 entschlossen handeln und sich unabhängig von fossilen Brennstoffen machen, so Guterres. 2020 ist im Übrigen in zwei Jahren. Da sind voraussichtlich Sie noch Umweltministerin, und die Große Koalition regiert noch. Aber wenn Sie das weitermachen, was Sie bisher gemacht haben, werden Sie dann bereits die Verantwortung dafür übernommen haben, dass wir auch das 2-Grad-Ziel reißen, dass international auch 2 Grad nicht eingehalten werden können, zumindest was den deutschen Beitrag anbetrifft. Das heißt – auch das hat Herr Guterres gesagt –, dass wir auf einen unkontrollierbaren Klimawandel zulaufen.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Sie müssen trotzdem zu Ende kommen, Frau Lemke.

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Unkontrollierbar heißt, dass Ihnen die Klimaanpassungsstrategien nicht helfen, dass Sie mit Landwirtschaftshilfen, dass Sie mit Hilfen für die Binnenschifffahrt und für die Förster nicht mehr hinterherkommen, dass die Volkswirtschaft diese Ausgleichskosten gar nicht tragen kann. Da reden wir nicht nur über das Abholzen des Hambacher Forstes.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Sie müssen zum Schluss kommen, Frau Lemke.

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, der letzte Satz. – Da reden wir darüber, dass wir diese Kosten als Volkswirtschaft nicht mehr tragen können. Deshalb, Frau Schulze, fordere ich Sie auf, tatsächlich Ernst zu machen mit dem, was Sie angekündigt haben. Letzter Satz als Zitat aus Ihrem Interview: Sie werden keine unzureichenden Maßnahmen mehr akzeptieren, die erkennbar erneut die Ziele reißen. – Das heißt klipp und klar, dass Sie zurücktreten müssten, wenn Sie im Klimaschutz nicht vorankommen. ({0})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist der Kollege Michael Thews für die Fraktion der SPD. ({0})

Michael Thews (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über die großen Zukunftsaufgaben unserer Zeit. Wir reden über die Erderwärmung, über schwindende natürliche Ressourcen. Um diese Probleme zu lösen, brauchen wir einen ambitionierten Umwelt- und Klimaschutz. Das sehen nicht nur viele hier in diesem Saal, sondern das sehen auch die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland so. Dazu gibt es eine aktuelle Umfrage vom Bundesumweltamt und vom Bundesumweltministerium. Die wahrgenommene Bedeutung von Umwelt- und Klimaschutz für die Bewältigung anderer politischer Aufgaben ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Dieses Meinungsbild sollten wir uns immer vor Augen führen, wenn wir heute über den Einzelplan 16 sprechen und wenn wir ihn später in den Ausschüssen und den Berichterstatterrunden diskutieren. ({0}) In derselben Befragung haben drei Viertel angegeben, dass sie die Vermüllung der Weltmeere mit Plastik als eines der bedrohlichsten Probleme der Umwelt ansehen. Da lohnt sich schon der Blick nach Deutschland. In Deutschland – das muss man auch einmal festhalten, um vielleicht auch einmal etwas Positives zu sagen – haben wir einiges erreicht. Wir haben ein funktionierendes Sammel- und Recyclingsystem für Plastikverpackungen eingeführt. Wir haben die Pfandpflicht für Plastikflaschen und Getränkedosen eingeführt. Beide Maßnahmen – um das im größeren Zusammenhang zu sehen – hat die EU-Kommission als Vorbild für ihre Plastikstrategie genommen. Mit dem Verpackungsgesetz haben wir in der letzten Legislaturperiode noch einmal richtig nachgeschärft. Wir haben die Recyclingquote für Plastik – das war auch nötig – erhöht. Wir haben auch Ansätze gebracht, um in Zukunft die Recyclingfähigkeit von Verpackungen zu verbessern. Wir haben mit der Zentralen Stelle Transparenz geschaffen und auch Kontrolle ermöglicht; denn es nützt nichts, Gesetze zu machen, sie müssen am Ende auch durchgesetzt werden. Der Umgang mit Plastikmüll allerdings – das wurde heute an vielen Stellen deutlich – ist natürlich auch ein globales Problem. Das zeigen die katastrophalen Bilder, die wir immer wieder in den Medien sehen, von verschmutzten Stränden und Meeren. Ich glaube aber, dass wir in Deutschland mit unseren Strukturen und auch mit dem, was wir an Recyclingtechniken entwickelt haben, weltweit helfen können und müssen, um diese Entwicklung zu stoppen. ({1}) Es gibt allerdings bei allen positiven Mitteilungen auch Sachen, die mich richtig ärgern – das muss man auch sagen –: Es gibt tatsächlich immer wieder Verpackungen wie zum Beispiel – das habe ich gerade erst erlebt – PET-Flaschen, die in den Markt kommen und die nicht recycelbar sind. Ich könnte jetzt noch zehn andere Beispiele nennen, aber bei einer Redezeit von vier Minuten wird es etwas eng. Insofern: Das sind Dinge, die einfach nicht gehen. Die müssen wir stoppen. Die müssen wir auch benennen an dieser Stelle. Die Entwicklung, die wir aufgezeigt haben, ist gut. Man muss aber eventuell auch einmal sagen: So geht es nicht. Da sind wir schon viel weiter. Wir brauchen moderne Recyclingtechnologien, besser recycelte Verpackungsmaterialien, einen besseren Einsatz der Rezyklate und Vermeidungsstrategien. Deswegen bin ich froh, dass wir in diesem Haushalt bei den Forschungsaufgaben des Ministeriums um knapp 4 Millionen Euro zulegen können und dass die Mittel bis 2022 auf 14 Millionen Euro anwachsen. ({2}) Verbesserungspotenzial sehen wir auch noch bei den Mitteln für die Auenrenaturierung an den Bundeswasserstraßen. Das ist wichtig für eine bessere Biodiversität. Gerade auch beim Klimaschutz sind die zunehmenden Starkregenereignisse und Hochwasser ein Thema. Wir müssen dafür sorgen, dass die Auen in der Lage sind, diese Wassermengen aufzunehmen und Hochwasserspitzen zu kappen. Das Bundesprogramm „Blaues Band“ haben wir im letzten Jahr mit einer großen Mehrheit hier in diesem Haus beschlossen. Ich würde mir wünschen, dass diese Mittel langfristig zur Verfügung stehen und wir auch für die nächsten Jahre zu Verpflichtungsermächtigungen in diesem Bereich kommen können. Es gibt mittlerweile fünf Modellprojekte, die in der Planung vorliegen. Ich würde mir wünschen, dass diese umgesetzt werden können. Ich glaube, dass wir mit diesem Haushalt einen wichtigen Beitrag zu einem ambitionierten Umwelt- und Klimaschutz leisten können – genauso, wie die Menschen in diesem Land sich das wünschen. Vielen Dank. ({3})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als nächster Redner spricht Rüdiger Kruse für die Fraktion der CDU/CSU. ({0})

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Die Debatte ist ja ganz spannend, wenn man sieht, wie der Herr Kollege Miersch sich darum bemüht, Frau Dött für eine Äußerung zu kritisieren, die vielleicht 15 Prozent der Schlagkraft der Äußerung hatte, die vorher Frau Nahles gemacht hat. ({0}) – Das kann natürlich sein. Ich glaube aber, dass zwischen diesen beiden Personen die Verwechslungsgefahr nicht unbedingt gegeben ist. ({1}) Das hier ist eine Debatte, die schon zu meiner Schulzeit nicht mehr ganz frisch war. Meine Schulzeit ist zwar noch in frischer Erinnerung, aber auch schon lange her. ({2}) – Charmant. Aber gelogen. Oder zumindest ist das nicht die Wahrheit. Aber jetzt wollen wir mal nicht diskutieren, wie lange das her ist, sonst ist die Redezeit auch gleich lange her. Dieses Verharren in einer Positionierung „Umweltschutz gegen Arbeitsplätze“ haben wir eigentlich überwunden. Wir haben uns darüber hinaus auf das Thema Nachhaltigkeit geeinigt; das hatten Sie zitiert. Denn wir haben natürlich eingesehen, dass wir nicht bei uns Umweltschutz pur machen und alles andere vergessen können. Wir können das vor allen Dingen nicht im Rest der Welt so machen. Ich sage mal: Wir können nicht nach Südamerika jetten, den Jungs und Mädels erklären, dass sie den Regenwald stehen lassen sollen, und wenn sie dann fragen: „Ja, okay, wie kriegen wir Bildung für unsere Kinder?“, antworten: Hey, komm, das ist ein lokales Problem. Das geht uns nichts an. – Das wissen wir. Deswegen haben wir zusammen die 17 SDGs erarbeitet. Wir haben über die Jahrhunderte ja ein bisschen mit den Zehn Geboten geübt, und mit den meisten klappt das auch ganz gut. Sie haben Eingang in die normale Gesetzgebung gefunden. Gut, die ersten zwei sind natürlich persönliche Geschmackssache. Man muss selber wissen, ob man sich denen unterwirft. ({3}) – Sie kennen doch die hohe Verantwortung, die man hat, wenn man eine Sache übernimmt: Eigentum verpflichtet. Das heißt – das haben Sie auch zitiert –: Dass man die Schöpfung bewahren muss, ist eine hohe Aufgabe. Die Fragestellung, ob wir im Anthropozän leben oder nicht, ist nicht, ob wir die Könige der Welt sind, sondern ob wir die Verantwortung für alles haben. Ich sage: Ganz klar ist das so. Es gibt keine Natur mehr da draußen, die von uns unabhängig existiert und in die wir uns retten könnten, sondern wir sind in diesem geologischen Zeitalter die maßgeblichen Bestimmer, und damit haben wir auch die maßgebliche Verantwortung. Wenn Sie sich die Ziele angucken, die netterweise auch mit vielen bunten Farben hinterlegt sind – manche Farben entsprechen auch denen, die sich die Parteien hier im Parlament ausgesucht haben –, dann sehen Sie: Es ist für jeden etwas dabei. Ich empfehle, dass wir uns bei den Beratungen für den Haushalt einfach mal an den 17 SDGs orientieren; denn ich glaube, sie sind im Konsens entstanden. Oder ist irgendjemand dagegen, dass wir sagen: „Keine Armut, kein Hunger, Bildung, menschenwürdige Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum, ({4}) innovative Industrie“? Ich habe die 17 Ziele noch nicht auswendig gelernt, aber sie sind eigentlich alle so formuliert, dass man sagt: „Ja, das will ich auch“, sodass es dann nur noch – nur noch? – darum gehen kann, welchen Weg wir beschreiten. Natürlich ist ein Regierungsentwurf so ein bisschen Copy-and-paste; das Beharrungsvermögen von Institutionen ist auch normal. Unsere Aufgabe ist es, ein Haushaltsgesetz zu machen. Wir könnten den Haushalt komplett neu aufstellen, wir könnten ihn auch komplett so übernehmen, wie er ist, und die richtige Positionierung ist, es zu bearbeiten. Da kann man sich eine Checkliste mit den 17 SDGs machen und fragen: Entspricht eine bestimmte Maßnahme eigentlich den Zielen, die wir bis 2030 erreichen wollen? Dann sollten wir darauf verzichten, darüber zu diskutieren, ob Kollegen von uns schon vor 25 Jahren genau das oder etwas anderes gesagt haben. Übrigens: Eine Technologie, die vor 50 oder vor 100 Jahren zum Wohlstand der Menschen beigetragen hat, muss nicht eine Zukunftstechnologie sein, und die Zukunftstechnologien waren vielleicht vor 25 Jahren noch gar nicht möglich. Die Entwicklungen gehen ja voran, und wir sind gut beraten, in der Gegenwart das zu tun, was für die Zukunft richtig ist. Darum sollten wir uns an den 17 SDGs orientieren und sie zur Maßgabe unseres Handelns machen. Wir beweisen ja immer wieder, dass wir, wenn es um die Sache geht, in der Lage sind, fraktionsübergreifend gute Entwicklungen voranzutreiben. Ich bin mir sicher: Wir werden uns nicht jeden Schlagabtausch ersparen – er lockert es ja auch ein bisschen auf –, aber in der Sache, für die Positionierung, ist das gut. Ein letztes Wort dazu, ob Deutschland, prozentual gesehen, weltweit einen entscheidenden Beitrag leistet. Ich glaube, meine Fraktion ist über den Zweifel erhaben, dass wir die Rolle der deutschen Nation überbewerten. Nun nehmen Sie mal so etwas wie damals den Transrapid: Wenn Sie es selber nicht machen, kauft es auch keiner von Ihnen. – Warum soll irgendjemand unsere Produkte kaufen, wenn wir sie selber nicht anwenden? Warum sollte dann irgendjemand Maßnahmen ergreifen? Wenn wir – meinethalben; das ist ja immer beliebt – den Chinesen sagen: „Rettet mal das Klima!“, dann können die ja sagen: Okay, macht es uns doch mal vor! – Das ist doch der Effekt. Da sie sich in gewissen Dingen für Avantgarde halten, müssen sie natürlich auch vorangehen. Das gilt aber für uns alle. Es gibt 17 SDGs, und das 17. Ziel ist, diese Wege gemeinsam zu beschreiten und die SDGs mit gemeinsamen Maßnahmen umzusetzen. Da gibt es ganz klar einen Auftrag auch an die deutsche Gesellschaft und an die deutsche Politik, und den müssen wir ernst nehmen. Danke. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Jetzt spricht Dr. Rainer Kraft für die AfD. ({0})

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Gäste! Herr Kindler und Herr Beutin, Ihre Äußerungen zum Hambacher Wald sind wirklich der absolute Gipfel der Heuchelei. Da haben Sie Ihre rot-grünen Sturmtruppen in Stellung gebracht für 100 Hektar Wald. Dabei sind für Ihre Windräder, die Sie so gerne haben, schon mehrere Hundert Hektar Wald abgeholzt worden, und da hat man noch nie jemanden von Ihrer saufenden, rülpsenden Bande gesehen. ({0}) Und Herr Beutin – –

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Mit solchen Worten wollen wir Menschen in diesem Lande nicht bezeichnen. Ich möchte Sie deshalb mahnen.

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

An diesem Pult sind gerade Chemnitzer Bürger als „Nazis“ bezeichnet worden. Da habe ich nichts gehört. Aber okay! ({0})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Ich möchte Sie deshalb anmahnen.

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Und die einzigen Extremisten in Chemnitz, die es gegeben hat, standen auf einer Bühne und haben etwas produziert, was manche für Musik halten. Sehr geehrte Frau Umweltministerin, dass Wetter ungleich Klima ist, wurde bereits mehrfach angesprochen. Deswegen brauche ich nicht weiter darauf einzugehen. Zum Thema Luftreinhaltung. Es gibt große Erfolge. Die Luft ist immer weniger mit Stickoxiden belastet. Das sind die Erfolge der Innovationskraft der deutschen Industrie. Die Werte sind im massiven Sinkflug. Wir stehen kurz vor der Lösung – ohne ein einziges Fahrverbot. Das heißt, die Verhängung von Fahrverboten zum jetzigen Zeitpunkt ist der verzweifelte Versuch, dieses Thema noch politisch zu melken, bevor es verschwindet. Zum Thema Insekten- und Bienensterben. Da müssen Sie sagen: Das ist ein hausgemachtes Problem. Wenn Sie durch die Maismonokulturen gehen, die gezüchtet werden, um die Biogasanlagen zu füttern, ja, dann sehen Sie tatsächlich keine Insekten mehr. ({0}) Aber wenn Sie über eine naturbelassene Wiese gehen, zum Beispiel im Allgäu, werden Sie sie weiterhin finden. Zu den vier Allokationen beim Thema Klimawandel hat der Kollege Hilse schon einiges gesagt. Ich will mich auf einige kleine Punkte beschränken, für die sich der Steuerzahler trotzdem hart strecken muss. Beginnen wir mit dem Asse- und dem Salzgitter-Fonds, die mehrere Millionen Euro für die besonderen Belastungen erhalten, denen man dort ausgesetzt ist. Aber da stelle ich mir die Frage, warum nicht auch andere Gemeinden, die besondere Belastungen haben, Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt bekommen, zum Beispiel Donauwörth, Fürstenfeldbruck oder Bamberg. Denn diese haben besondere Belastungen vor der Haustür. Man hat sie mit Erstaufnahmeeinrichtungen und AnKER-Zentren zugepflastert. So wird dort nun nahöstliche Messerfolklore fabriziert, und die Leute müssen sich mit rustikalem, unilateralem Balzverhalten afrikanischer Gäste herumschlagen. Ja, dafür hätte man eine Zuwendung für besondere Belastungen verdient. ({1}) Kommen wir zu einem weiteren, geradezu bizarren Thema, nämlich der Finanzierung vom Transfer nukleartechnischen Sicherheitswissens. Sie haben darauf hingewirkt, dass wir nukleartechnische Anlagen mit hervorragenden Sicherheitsstandards abschaffen. Damit allein haben Sie schon mal den Durchschnitt der Sicherheit von nukleartechnischen Anlagen in Europa gesenkt. Herzlichen Glückwunsch! Sie nehmen dafür auch noch den Geldbeutel der Stromkunden in Beschlag, die dafür mit mehr und mehr Geld für Strom bluten müssen. Jetzt nehmen Sie das gleiche Geld von den gleichen Personen noch einmal, um noch ein bisschen Wissen ins Ausland zu transferieren, damit die Anlagen im Ausland, hauptsächlich in Osteuropa, wenigstens noch ein bisschen sicherer werden. Aber so sicher wie unsere sind sie halt doch nicht. Absurd! Kommen wir zuletzt zum Werbe- und Informationsetat des Umweltministeriums, dem ich mich zuwenden möchte. Betrachtet man das dort zur Verfügung gestellte Material des Bundesumweltministeriums, so stellt man fest, dass dort Wahrscheinlichkeiten, zum Beispiel in der Klimafrage, als gesicherte Fakten verkauft werden. Dabei hat das IPCC selbst klargestellt, dass keine gesicherten Aussagen über das, was passieren wird, getroffen werden können. Wörtlich sagt es: In Klimaforschung und Modellierung sollten wir uns vergegenwärtigen, dass wir es mit einem gekoppelten, nicht linearen, chaotischen System zu tun haben und dass demnach eine Langzeitvorhersage von zukünftigen Klimazuständen nicht möglich ist. … and therefore the long-term prediction of future climate states is not possible. – Zitat IPCC. – „Not possible“! ({2}) Dennoch werden über die Seiten des Bundesumweltministeriums Broschüren angeboten, in denen mögliche Szenarien als zweifelsfrei eintretende Fakten präsentiert werden, so zum Beispiel die konkrete Nennung einer zu erwartenden Durchschnittstemperaturerhöhung von 2 Grad Celsius. Derartig unseriöse Kaffeesatzleserei dient nur dazu, den Bürgern die immensen Kosten der grünen Klimapolitik zu verkaufen. ({3}) Mit Information oder Aufklärung hat das nichts zu tun. Hier ist dringend auf die Unschärfe der postulierten Ereignisse hinzuweisen. Verschwenden Sie also nicht weiteres Geld der Steuerzahler für Ihren Dienst an der Klimareligion! Dann müssten Sie auch keine bunten Broschürchen herstellen, um sich dafür anschließend zu rechtfertigen. Danke. ({4})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist Klaus-Peter Schulze für die CDU/CSU. ({0})

Dr. Klaus Peter Schulze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004406, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf einige Aspekte aus dem Einzelplan 16 eingehe, möchte ich noch eine kurze Bemerkung zu dem machen, was Sie, Kollege Hohmann, verlangt haben, nämlich dass wir die Mittel, die wir im Umweltministerium für internationale Projekte einsetzen, kürzen bzw. streichen sollten. Hier sind einige Kollegen im Saal, mit denen wir in der vergangenen Legislatur im Rahmen einer Delegationsreise nach Mittelamerika feststellen konnten, dass wir mit wenig Geld viel erreichen können. Wir haben gemeinsam mit Dr. Miersch in einem Dorf in Mittelguatemala gesehen, wie man eine Pflanzenkläranlage mit deutschen Mitteln aufgebaut hat. Die Folge war, dass das Wasser nicht ungeklärt in die Vorflut geht und jetzt für die landwirtschaftliche Produktion eingesetzt wird. Der Bürgermeister und der Gemeinderat waren uns sehr dankbar, dass Deutschland das entsprechende Geld in die Hand genommen hat. Ich denke, die Unterstützung solcher kleinen Projekte – es gibt auch viele große – ist der richtige Weg. ({0}) Kollegin Dött und Kollege Thews sind auf das Thema „Plastikvermüllung der Meere“ eingegangen. Ich hatte die Gelegenheit, mir das in Myanmar anzuschauen. Dort gibt es den Irrawaddy, das ist der große Fluss, der vom Himalaya das Land durchzieht und im Golf von Bengalen ankommt. Man hat gesehen, dass große Müllmengen entlang des Ufers abgelagert wurden, bewusst abgelagert wurden. Auf Nachfrage wurde uns gesagt: In drei Wochen kommt der Monsun, und dann ist alles weg. Wenn es uns gelingt, über Projekte unsere guten Erfahrungen, die wir in der deutschen Entsorgungswirtschaft gemacht haben, in solche Länder zu exportieren – und das müssen wir natürlich finanziell unterstützen –, dann wären wir beim Thema „Vermeidung der Plastikvermüllung der Meere“ einen wesentlichen Schritt weiter. Deshalb ist Geld für internationale Projekte sehr wichtig. ({1}) Jetzt zum Einzelplan 16. Wir haben den Einzelplan 16 in diesem Jahr im Entwurf erst einmal auf 93 Millionen Euro gebracht. Das ist eine sehr gute Entwicklung. Da Herr Kindler den Haushalt des Umweltministeriums kritisiert hat, möchte ich Sie erinnern: Als Sie die politische Verantwortung in diesem Haus getragen haben, hatten wir für Naturschutz gerade einmal 30 Millionen Euro über. Inzwischen ist es das Dreifache. ({2}) Worauf ist die Erhöhung zurückzuführen? 2 Millionen Euro zusätzlich für das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“, wir haben den Ansatz für Maßnahmen im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt um 5 Millionen Euro erhöht, und wir haben den Wildnisfonds, der erstmalig eingerichtet wird, so wie es im Koalitionsvertrag festgehalten ist, mit 10 Millionen Euro ausgestattet. Sicherlich muss man schauen, wie die Fördermittelrichtlinie nachher aussehen wird. Frau Kollegin Ihnen, da gebe ich Ihnen gerne recht; aber lassen Sie das Umweltministerium doch jetzt erst einmal überlegen, wie man das Geld an den Mann bringen kann. Ich bin sehr froh, dass in den Erläuterungen zum Haushaltsplan steht: Wir wollen das auf freiwilliger Basis machen, wir wollen diejenigen unterstützen, die das wollen, und wir wollen das nicht mit irgendwelchen Zwangsmaßnahmen durchsetzen. So sorgen wir aus meiner Sicht für Akzeptanz. ({3}) Im Zusammenhang mit dem Thema „Blaues Band“ möchte ich daran erinnern, dass in der letzten Legislaturperiode die einmalige Chance genutzt wurde, dass das Verkehrsministerium und das Umweltministerium Schulter an Schulter standen. So wurde dieses Projekt gemeinsam auf den Weg gebracht. Deshalb sind wir aus meiner Sicht verpflichtet, im Umweltbereich in den nächsten Jahren die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen. In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir dafür bisher nichts vorgesehen. Als Fachpolitiker freue ich mich daher auf die gute Zusammenarbeit mit unseren Kollegen aus dem Haushaltsausschuss. Hier müssen wir Kontinuität reinbringen. Wir müssen die Chance nutzen, zum einen im Interesse unserer Auen, zum anderen aber auch, um Retentionsflächen zu schaffen; denn auch wenn wir einen sehr warmen und niederschlagsarmen Sommer hinter uns gebracht haben und vielleicht auch noch einen niederschlagsarmen Herbst vor uns haben, kann Hochwasser ziemlich schnell kommen. Da ich im Jahr 2013 noch Bürgermeister einer von Hochwasser betroffenen Stadt war, weiß ich, wovon ich rede. Ich denke, wir sollten auf diesem Weg weitergehen und weiter dafür arbeiten, weil das sehr wichtig ist, und nicht erst dann wieder anfangen, darüber nachzudenken, wenn das nächste Hochwasser vor der Tür steht. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Herr Kollege. – Der letzte Redner zu diesem Einzelplan: der Kollege Ingo Gädechens, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ingo Gädechens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004036, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Haushälter betrachtet man den Einzelplan 16 eher hinsichtlich der Zahlen, der Budgets, der Planstellen, hinsichtlich der finanziellen Ausstattung von Förderprogrammen. Sie haben bereits 16 Wortbeiträge zu diesem Thema gehört. Sie hören jetzt den 17. Wortbeitrag. Von daher ist es vielleicht angeraten, auf den ersten Wortbeitrag in dieser Debatte zu verweisen, auf den der Bundesumweltministerin Schulze. Wenn ich alle Reden Revue passieren lasse, die wortgewaltig auf Sie einprasselten, muss ich sagen: Ich fand es sehr sympathisch, dass Sie, Frau Bundesumweltministerin, die Themen Ökonomie und Ökologie verbinden wollten, dass Sie aufgezeigt haben, dass Natur- und Umweltschutz schwer verhandelbar ist. Wir sitzen nicht am Verhandlungstisch, auch wenn es hier um Klimaschutz geht. Ich empfinde das als ein Angebot der Ministerin, der Regierung an alle Fachpolitiker. Wir müssen jetzt zusehen, dass wir auch in finanzieller Hinsicht mit diesem Thema in den Haushaltsberatungen 2019 vernünftig umgehen. ({0}) Wenn ich dann allerdings Begriffe höre wie „Kettensäge“, „aus den Bäumen holen“ oder, ganz schlimm, „Blutgrätsche“ – Fußballer wissen, dass der Schiedsrichter das sofort abpfeifen würde –, würde ich doch – ich bin ja auch noch Verteidigungspolitiker – für verbale Abrüstung werben. Dafür ist mir und meiner Fraktion das Thema einfach zu wichtig. ({1}) In der Tat hatten wir 2018 – das wurde mehrfach erwähnt – einen Supersommer. Sie haben das als kritisch dargestellt, weil der Klimawandel in Ihrem Wahlkreis, in Ihrem Heimatland sehr intensiv und kritisch diskutiert wurde. In meinem Wahlkreis sah man jubilierende Touristiker, ausgebuchte Hotels, ausgebuchte Ferienwohnungen, volle Strände, herrliche Open-Air-Veranstaltungen, ({2}) Rekordbesucherzahlen bei den Eutiner Festspielen; das kennen sicherlich alle, meine Damen und Herren. Wer Außengastronomie hatte, konnte mal ein wenig Honig schlecken. – So weit die eine Seite der Medaille. Wir haben aber auch Monate mit außergewöhnlich hohen Temperaturen bei einer gleichzeitig extremen Dürre erlebt. Schon vor diesem Extremsommer gab es gerade für unsere landwirtschaftlichen Betriebe ungünstige Witterungsbedingungen; denn vom Herbst 2017 bis kurz vor Ostern 2018 hat es beinahe pausenlos geregnet, gefolgt von einer großen Trockenheit, besonders in den Monaten Mai und Juni, in denen zunächst die Hälfte der normalen Niederschlagsmenge zu verzeichnen war. Ab Juli gab es dann nur noch Hitze und Trockenheit. Meine Damen und Herren, die Auswirkungen und die Bandbreite dieser Wetterlagen konnte ich – ich habe es erwähnt – in meinem Wahlkreis erleben. Ostholstein/Schleswig-Holstein ist eine der tourismusintensivsten Regionen in der Republik; aber wir haben auch Landwirtschaft. Damit kann ich thematisch zum Einzelplan 10, Ernährung und Landwirtschaft, überleiten, der gleich diskutiert wird. Ich bin der Bundeslandwirtschaftsministerin natürlich sehr dankbar, dass sie die Ernte hat analysieren lassen und dass die Bundesregierung reagiert hat. Hier die Zahlen zur Erntestatistik in meinem Heimatland: 31 Prozent weniger Getreide, 36 Prozent Einbußen beim Raps, bis zu 50 Prozent beim Mais und 30 bis 40 Prozent Ausfall bei den Kartoffeln. Das sind Zahlen, die man nicht einfach so wegwischen kann, die aber deutlich machen, dass eine Wetterperiode nicht unbedingt Aussagekraft liefern muss für einen Klimawandel. Aber ihn zu leugnen, zu leugnen, dass sich etwas tut auf dieser Welt, das halte ich für ausgesprochen fatal. ({3}) Deshalb, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist es richtig, dass wir das Thema ganz oben auf die Agenda setzen. Aber wir dürfen auch nicht den Eindruck erwecken, als wenn wir auf einer Insel der Glückseligen lebten, als ob Deutschland alleine etwas bewirken könnte. Wir müssen seitens der Bundesregierung und auch als Initiative aus dem Parlament unsere Länder, die Verursacherländer, alle Länder mit ins Boot bekommen, damit wir diese eine Welt – wir haben nur eine Welt – entsprechend schützen und beschützen vor dem, was uns umwelt- und klimatechnisch drohen könnte. ({4}) Ich will dann tatsächlich den Bogen zum nächsten Tagesordnungspunkt spannen. Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sind eng vernetzt mit dem Bereich „gesunde Ernährung und Landwirtschaft“. Wir starten die erste Lesung für den Haushalt 2019; ich bin gespannt auf eine interessante Debatte. Bei all dem, was Sie tun, Frau Bundesumweltministerin: Vertrauen Sie den Fachleuten! Wir alle haben ein gemeinsames Ziel – jetzt spanne ich den Bogen über alle Fraktionen –, nämlich unsere Umwelt zu schützen, und wollen dabei helfen. Sie werden das dann vernünftig umsetzen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereich mehr vor.

Not found (Minister:in)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Intensive Wochen liegen hinter uns. Für unsere Bauern und für die Forstwirtschaft waren es Wochen der Sorge: Bangen um die Ernte, Angst vor Waldbränden. Für uns im Ministerium und in den Ländern waren es Wochen sehr intensiver Arbeit, und wir haben diese Arbeit gerne geleistet; denn es ging um sehr, sehr viel. Wir haben Zahlen, Daten und Fakten über Ernteverluste so schnell und so zuverlässig wie möglich zusammengestellt und in eine Gesamtbilanz dieses Dürresommers gebracht; denn es ging darum, unseren Bauern zu helfen, die in ihrer Existenz bedroht sind und denen auch das Futter für die Tiere ausging. Am Ende geht es aber um uns alle. Warum? Es ist in unser aller Interesse, dass in Deutschland eine flächendeckende, eine bäuerliche, eine familiengeführte Landwirtschaft erhalten bleibt, die nachhaltig wirtschaftet und für uns alle die regionalen Produkte erzeugt, die wir jeden Tag einfordern. Irgendwoher müssen sie ja kommen. Wenn sie regional produziert sein sollen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass Betriebe, die in ihrer Existenz bedroht sind, flächendeckend erhalten bleiben können. ({0}) Sehr geehrte Damen und Herren, deshalb sage ich: Wer die Nöte der Bauern in diesem Sommer ignoriert oder sein Mitgefühl und die Unterstützung für die Notleidenden davon abhängig macht, ob eine Familie ökologisch oder konventionell wirtschaftet, der polarisiert und spaltet die Bauernschaft. Ich will Ihnen sagen: Das wird es mit mir nicht geben. ({1}) Ich habe mich bei den Dürrezahlungen, bei den Hilfen, weder von voreiligen Forderungen noch von voreiligen Komplettverweigerungen leiten lassen; denn am Ende geht es um Steuergeld, um die Akzeptanz in der Gesellschaft, aber auch um das Image unserer Landwirtschaft. Landwirte wollen weder Bittsteller sein noch als Buhmann der Nation gelten. Warum? Weil sie es schlichtweg nicht sind. Ich möchte mich bei den Ländern bedanken. Wir haben uns in dieser Woche in einer sogenannten Verwaltungsvereinbarung über die Eckdaten der Dürrehilfen für die Bauern nach einer Bedürftigkeitsprüfung verständigt. Ich möchte mich auch bei den Fraktionen für den breiten Rückhalt und bei meinem Kollegen Bundesfinanzminister Scholz bedanken. Wir haben gezeigt, dass wir als Bundesregierung schnell, an der Sache orientiert und auch konstruktiv zusammenarbeiten. ({2}) Sehr geehrte Damen und Herren, die Krise hat eines verdeutlicht – es ist ganz banal –: Unsere Lebensmittel, unsere Mittel zum Leben, sind nicht selbstverständlich. Die Landwirtschaft ist auch nicht irgendeine Branche, sondern eine besondere Branche. Die Dürrekrise hat auch uns vor Augen geführt: Wetterextreme und Klimawandel sind keine Hirngespinste und keine Quasi-Religion, wie wir vorhin gehört haben. Die Landwirte spüren in ihrer Existenz und an ihrer ausfallenden Ernte, dass ihnen das Klima zusetzt. Deshalb, glaube ich, ist es wichtig, dass man erst mal Fakten und Daten zur Kenntnis nimmt und sich nicht zurücklehnt und sagt: Es wird schon alles gut werden. – Das ist nicht die Politik dieser Bundesregierung. ({3}) Wir werden uns noch intensiv Gedanken darüber machen, wie wir die Landwirtschaft und den Waldbau nachhaltiger und resistenter gegen den Klimastress aufstellen können. Weil gerade die Landwirtschaft und auch die Forstwirtschaft so wichtig für uns alle sind – nicht nur für den einzelnen Betrieb, sondern für uns alle –, ist auch Hilfe mit Augenmaß zur Sicherung der Existenz angebracht. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte bei dieser Haushaltsdebatte natürlich auch auf Punkte eingehen, die den Haushalt betreffen, und nicht nur auf die Dürrehilfe, mit der wir kurzfristig reagieren mussten. Ich habe das Ministerium im Aufbau und in der Struktur weiterentwickelt und um eine Abteilung erweitert. Die Aufgaben „Landwirtschaftliche Erzeugung, Gartenbau, Agrarpolitik“ finden sich nun in einer eigenen Abteilung wieder. Hier entsteht bis Herbst 2019 unsere Ackerbaustrategie. Spätestens in diesem Sommer – wer Augen hat, zu sehen ... – ist vielen deutlich geworden: Der Boden ist eine ganz zentrale Lebensgrundlage. Deshalb brauchen wir wissenschaftlich fundierte Antworten, ({4}) Antworten auf Fragen wie: Was können wir für mehr Humus im Boden machen? Wie lassen sich Vielfalt und Wirtschaftlichkeit vereinbaren? Wie muss die Fruchtfolge der Zukunft aussehen? – 5 Millionen Euro haben wir deshalb für Forschungsvorhaben für unsere Ackerbaustrategie eingeplant. Eine wissenschaftliche Basis brauchen wir auch für die Nutztierstrategie, in der Tierwohl, Umweltschutz und Klimaschutz zusammengedacht werden. Diese Strategie untermauere ich mit 15 Millionen Euro, 15 Millionen Euro für die Forschung, aber auch ganz konkret, um neue Ställe auszuprobieren und um das neugewonnene Wissen schnell in die Praxis und in die Breite zu überführen. Bewährte Programme, die vor allen Dingen die Innovationskraft stärken, laufen weiter. Wir müssen uns von einem allzu romantisierten Bild der Landwirtschaft verabschieden. Landwirte der Zukunft sind modern. Sie setzen auf Digitalisierung. Sie denken nicht in Schubladen, sondern sie denken wirtschaftlich, sie denken Ökologie und Ökonomie zusammen. Das ist das Leitbild, das ich unterstütze und fördere. ({5}) Wir geben zum Beispiel 25 Millionen Euro für die Energieeffizienz in der Landwirtschaft und im Gartenbau aus und 30 Millionen Euro zur Förderung des Ökolandbaus. Für die Förderung des Anbaus von Eiweißpflanzen haben wir 6 Millionen Euro vorgesehen. Wir planen für die Innovationsförderung in der Land- und Ernährungswirtschaft 56,8 Millionen Euro ein, um das gesamte Spektrum des gesundheitlichen Verbraucherschutzes mit abzubilden. Da gibt es schöne Beispiele, etwa beim Thema Biodiversität. Ein Beispiel sind einige wenige Bienen, die mit RFID-Transpondern auf dem Rücken ausgestattet sind und Erkenntnisse für die Gesundheit aller Bienen in einem Bienenstock sammeln. Darüber mögen einige schmunzeln. Aber wenn die Biene, was nachgewiesen ist, systemrelevant ist, dann müssen wir die Ursachen des Bienensterbens angehen und vor allen Dingen an das gesamte Ökosystem denken und nicht nur dort, wo es uns zupasskommt. Ich möchte noch etwas zu den vielen Familienbetrieben bei uns in Deutschland sagen, zu den Familien, die eben nicht einen Stundenlohn in Höhe des Mindestlohns bekommen. Nicht jeder bekommt ihn, wenn wir mitrechnen, wer alles auf einem solchen Hof mitarbeitet. Deshalb will ich deutlich sagen: Ich bin überzeugt davon, dass es richtig ist, den Großteil des Haushaltes für die agrarsoziale Sicherung auszugeben, für die finanziellen Folgen von Krankheit, Pflege, Arbeitsunfall und Alter. Sie können sich darauf verlassen: Ich setze mich dafür ein, dass diese eigenständige agrarsoziale Sicherung mit guten Gründen verteidigt wird. ({6}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Zahlen, Daten und Fakten – auch bei der Ernährung gilt es, einen Kontrapunkt zu häufig verbreitetem Halbwissen zu setzen. In meiner neuen Abteilung 2 haben wir den gesundheitlichen Verbraucherschutz, Ernährung und die Produktsicherheit gebündelt. Wir müssen Ernährung viel stärker in unterschiedlichen Lebensphasen betrachten. Wir wissen, dass die ersten 1 000 Tage eines Kindes unglaublich wichtig sind. Aber wir müssen auch die vielen verschiedenen Phasen eines Menschen betrachten, zum Beispiel im Alter. Ältere Menschen ernähren sich anders. Wir dürfen nicht vergessen, was ihre Bedürfnisse sind. Ich habe in der vergangenen Woche die bundesweiten Tage der Schulverpflegung eröffnet, mit der Vernetzungsstelle in den Ländern. Das Gleiche möchte ich für ältere Menschen tun, also eine Vernetzungsstelle mit den Ländern für die Senioren schaffen, um Tipps für die Ernährung zu geben, um Hinweise zu geben, wie sich die Menschen im Alter fit halten. Wir wissen, dass immer mehr ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen versorgt werden. Wir wollen die alten Menschen nicht alleine lassen. Wie wir mit den Alten umgehen, spiegelt die Temperatur in unserer Gesellschaft wider. Es ist mir wichtig, das hier zu betonen. ({7}) Liebe Kollegen, wir sind auch für die ländlichen Räume zuständig. In zehn Minuten Redezeit kann man nicht alle Punkte unterbringen. Deshalb werde ich nur einige Themen anreißen. Wir haben eine besondere Verantwortung für die ländlichen Regionen. Wenn wir gegen Polarisierung, gegen das Gefühl des Abgehängt-Seins arbeiten, wenn wir das wirklich ernst nehmen, dann müssen wir in die ländlichen Regionen investieren. Dabei dürfen wir die Regionen nicht als Orte sehen, die man nur am Wochenende besucht, sondern als Orte, in denen Menschen leben und arbeiten. Deshalb sind 745 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ vorgesehen. Wir werden Geld ausgeben für den Wegebau, Ortskernsanierung und Multifunktionshäuser, die den Laden, den Arzt und die Post ins Dorf zurückholen. Uns geht es darum, dass wir mit den 150 Millionen Euro aus dem Sonderrahmenplan zur Förderung der ländlichen Entwicklung neue Impulse setzen können und sogar aus den ländlichen Regionen Impulse hinausgeben, von denen andere lernen können. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, schließen möchte ich mit dem Punkt Digitalisierung. Sie haben gehört, dass ich das Ministerium so umgestalte, dass wir in jeder Abteilung das Thema „Digitalisierung und Modernisierung“ nicht nur mitdenken, sondern auch in die Praxis überführen. Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Das Wort geht mittlerweile bei vielen Bürgerinnen und Bürgern in das eine Ohr hinein und aus dem anderen wieder heraus. Digitalisierung ist ein Mittel zum Zweck, um unsere politischen Ziele zu erreichen, wie zum Beispiel das Tierwohl zu messen und zu vermehren, die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln zu erreichen oder auch unser Ziel, den Beruf eines Landwirts leichter und attraktiver zu gestalten. Deshalb werde ich Millionen Euro in die Hand nehmen, um zum Beispiel digitale Testfelder zu entwickeln: von der Ackerfurche in die Cloud auf den Teller sowie auch rein ins Dorfgemeinschaftshaus. ({8}) Das Ganze hat Zukunft. Die AfD lacht, und wir packen es an. Herzlichen Dank. ({9})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Ich erteile das Wort dem Kollegen Wilhelm von ­Gottberg, AfD-Fraktion. ({0})

Wilhelm Gottberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004730, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Frau Ministerin Klöckner! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 10 des Haushalts beinhaltet die Schwerpunkte und Zielsetzungen der deutschen Agrarpolitik. Wenn wir hier und heute über die deutsche Agrarpolitik sprechen, ist unabdingbar, die derzeitige Situation in der Landwirtschaft in den Blick zu nehmen. Fakt ist: 9 600 landwirtschaftliche Betriebe haben zwischen 2013 und 2016 aufgegeben. Leider ist kein Ende des Höfesterbens abzusehen. Landwirtschaft ist Mittelstand, aber der ist ja schon seit Jahrzehnten notleidend. Die Milchpreiskrise hatte ihren Höhepunkt im Sommer 2016. Die meisten Milchbauern haben sich wirtschaftlich noch nicht davon erholt. Nun, in 2018, sind die bäuerlichen Betriebe in einer mindestens fünfstelligen Zahl von der Dürre betroffen. Die Milchbauern, insbesondere die Weidetierhalter, haben teilweise schon in den vergangenen zwei Monaten das Futter für ihre Tiere rationieren müssen. ({0}) Frau Ministerin Klöckner hat das hier skizzierte Problem Ende Juli erkannt. Sie hat ein Hilfsprogramm durch Bund und Länder in Aussicht gestellt. Es ist ungewiss, ob die Länder mitmachen werden. 340 Millionen Euro, verteilt auf die notleidenden Betriebe, das sind Almosen und keine wirkliche Nothilfe. ({1}) Man muss die Milliardenforderung des Bauernpräsidenten nicht gut finden. Auch zahlreiche Landwirte haben ihren Unmut darüber deutlich formuliert. Eine weitere zunehmende Belastung für die Weidetierhalter ist der Wolf. Bei der Agrargenossenschaft Ziesar hat das Raubtier in den letzten vier Monaten zehn Kälber von den Mutterkuhherden geholt. Es vergeht keine Woche, in der nicht über Wolfsrisse in Brandenburg, Sachsen oder Sachsen-Anhalt berichtet wird. Frau Klöckner, nehmen Sie bitte Ihre Verantwortung für die geschädigten Weidetierhalter wahr! ({2}) Schaffen Sie eine gesetzliche Grundlage, damit die Wolfspopulation begrenzt werden kann! ({3}) Der Frust der deutschen Ferkelerzeuger ist groß. Etwa die Hälfte der heimischen Sauenhalter sieht derzeit keine Perspektive für eine gedeihliche Fortentwicklung der Betriebe. Viele wollen aufgeben. Die Summe der Auflagen lassen die Landwirte resignieren. Die Not ist groß; denn ab 1. Januar 2019 darf die Kastration der männlichen Ferkel nur noch mit einem Tierarzt und unter Vollnarkose vorgenommen werden. Ein niedersächsischer Kreislandwirt sagte mir vor wenigen Tagen, dass auf seinem Hof jährlich etwa 3 000 Ferkel kastriert werden. Die diesbezüglichen neuen Auflagen zwingen ihn – und nicht nur ihn –, über die Aufgabe der Ferkelproduktion nachzudenken. Geschieht dies, geht ein Stück Wertschöpfung vor Ort verloren. Es gibt eine Alternative zur betäubungslosen Kastration. Sie wird in Skandinavien praktiziert. Dort dürfen die Züchter örtlich betäuben und eigenständig kastrieren. Das muss auch in Deutschland ermöglicht werden. Ein weiteres Beispiel für bürokratische Regelungswut ist das Aufbrennen der Abstammungszeichen auf der Hinterhand der Fohlen. Ab kommenden 1. Januar ist das nur noch mit örtlicher Betäubung erlaubt. Ein dafür erforderliches Mittel ist bisher noch nicht genehmigt worden. Im Zuchtverband „Trakehner Pferd“ ist man darüber empört. Die Trakehner-Zucht, 1732 im ostpreußischen Trakehnen begründet, ist fast 300 Jahre alt. Das Brandzeichen, die Elchschaufel, ist ein weltweit anerkanntes Gütesiegel, ein Label für höchste Qualität der Pferdezucht. Das muss so bleiben. ({4}) Für die Lösung der vorgetragenen Probleme bietet der Haushalt 2019 nichts oder so gut wie gar nichts. Für Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Ernährung sind 12 Millionen Euro veranschlagt. Eine reine Geldverschwendung! Es ist hinreichend bekannt, wie man sich ausgewogen ernähren kann. ({5}) Im Kapitel „Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation“ finden wir unter anderem für die Digitalisierung der Landwirtschaft 15 Millionen Euro. Für die Bekanntmachung eines Tierwohllabels sind 33 Millionen Euro veranschlagt. Letzteres ist eine skandalöse Festlegung angesichts der Tatsache, dass das reale Tierwohl Tausender Tiere durch Futtermangel derzeit nachhaltig beeinträchtigt wird. ({6}) Das Ministerium sollte diese 33 Millionen Euro der Dürrehilfe für betroffene Landwirte hinzufügen. Was soll beim Haushaltstitel „Digitalisierung der Landwirtschaft“ insgesamt erreicht werden? Beim derzeitigen Ausbau der Breitbandversorgung in den Kommunen bleiben zahlreiche kleine Dörfer außen vor. Gerade hier finden wir aber Bauernhöfe. Ihnen muss geholfen werden, damit sie konkurrenzfähig bleiben. Bei der Erstattung der Verwaltungskosten für das Bundesinstitut für Risikobewertung gibt es gegenüber dem Haushalt 2017 einen Aufwuchs von über 23 Millionen Euro. Das macht sprachlos und ist zu hinterfragen. Für die Förderung des Ökolandbaus sieht der Haushalt 30 Millionen Euro vor. Es erschließt sich nicht, was mit dem Geld konkret gemacht werden soll. Was wünschen sich unsere Bauern vom Staat, von der Regierung? Sie wünschen sich weniger Staat, weniger Auflagen und weniger bürokratische Hürden. Sie wünschen sich kostendeckende Preise. Schließlich erwarten die Landwirte von der Politik den Mut, den Menschen zu sagen, dass die Produktion gesunder Nahrungsmittel ihren Preis hat. Dies ist eminent wichtig, zumal der teure Ökolandbau kräftig ausgebaut werden soll. Diesem Haushaltsentwurf ist in der vorliegenden Fassung nicht zuzustimmen. Danke. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Nächster Redner ist der Kollege Johann Saathoff, SPD-Fraktion. ({0})

Johann Saathoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004393, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat neulich zur Strukturkommission geredet und hat gesagt, er finde es gut, dass bei der Strukturkommission Infrastruktur in den betroffenen Gebieten vorrangig berücksichtigt wird. Ich glaube, dass das richtig ist. Der Strukturwandel ist nämlich beeinflussbar durch Politik und Infrastruktur. Mit „Infrastruktur“ meine ich Straßen, Plätze, Wege, Schienen und Breitband. Aber das alles betrifft nicht nur die Themen, die in der Strukturkommission behandelt werden, sondern auch alle ländlichen Räume; darauf müssen wir uns fokussieren. Wir alle hier im Hause wollen die ländlichen Räume fördern. Aber dafür braucht es kein Gerangel um die Zuständigkeiten unter den verschiedenen Ministerien. Dafür braucht es eigentlich drei Dinge: erstens die Förderung von Infrastruktur im ländlichen Raum, zweitens die Förderung von Wertschöpfung im ländlichen Raum statt nur Rohstoffproduktion und drittens die Förderung von Bildungseinrichtungen in den ländlichen Räumen. Die Zuständigkeit sollte dabei möglichst geballt in einer Hand liegen; denn die Menschen interessieren sich vor allen Dingen für die Zustände und nur ganz wenig für die Zuständigkeiten. ({0}) Wir wollen das Grundgesetz entsprechend ändern, damit endlich gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen werden können und damit der alte Spruch „Stadt und Land – Hand in Hand“ endlich wieder Bedeutung erlangt. Auf jeden Fall werden wir – darauf hat die Ministerin hingewiesen – die ländlichen Räume erst einmal finanziell stärken. Ich bin sicher, Frau Ministerin: In einer Ihrer nächsten Reden zum Haushalt, vielleicht in der nächsten Lesung, werden Sie noch konkreter ein paar Punkte zur Förderung der ländlichen Räume sagen. Zu den ländlichen Räumen gehört auch die Fischerei. Die Fischerei ist derzeit einigermaßen vom Rückwurfverbot bedroht, das von der europäischen Ebene kommt. Grundsätzlich ist das Rückwurfverbot ein richtiges Instrument für die nachhaltige Fischerei. Es hat sich bewährt, überhaupt keine Frage. Aber 2019 ist geplant, die letzte Stufe des Rückwurfverbotes auszuweiten auf alle anderen, die davon nicht mehr betroffen sind, zum Beispiel auch die Krabbenfischerei. Das ist ein großes Problem; denn in der Krabbenfischerei gibt es eine relativ geringe Mortalität des Beifanges. Es ist aus meiner Sicht absolut nicht einzusehen, warum die Krabbenfischerei vom Rückwurfverbot betroffen sein soll; denn sie schafft es trotz der Rückwurfproblematik eigentlich immer noch, dafür zu sorgen, dass letzten Endes genügend von dem überlebt, was man über Bord wirft. Aber aus meiner Sicht betrifft es auch noch einen anderen Bereich, nämlich das Freizeitangeln. Für Freizeitangler ist es völlig unverständlich, dass sie 30 Jahre lang Mindestmaße einhalten mussten und künftig, ab 2019, plötzlich alles behalten und dann irgendwie entsorgen müssen. Ich finde, es ist irgendwie nicht in Ordnung, dass man auch im Freizeitangelbereich das Rückwurfverbot normiert. Ich kann Ihnen als Angler sagen, dass es eine hohe Überlebensrate gibt, einmal ganz abgesehen davon, wie schwierig die Kontrolle sein würde, ob das wirklich eingehalten wird. Die Fischerei ist ein Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum – keine Frage –, auch für den Tourismus. Deswegen müssen wir hier mit Vorsicht vorangehen. Im ländlichen Raum spielten natürlich die Dürrehilfen eine große Rolle. Wer meint, dass Dürre ein Wetterphänomen ist, der hat einfach nicht den richtigen Blick auf die Klimaveränderungen. Was mich an der Hilfe, die aus dem Ministerium kommt – die ich überhaupt nicht kritisieren will –, aber besonders interessiert hat, ist die Frage: Was ist eigentlich ein kleiner oder ein mittlerer Betrieb? „Höchstens 50 Millionen Euro Jahresumsatz“ scheint die Definition zu sein. Ich glaube, dass ein Betrieb, der 50 Millionen Euro Umsatz macht, nicht mehr wirklich ein kleiner oder mittlerer Betrieb ist. Ich habe jedenfalls eine andere Landwirtschaft vor Augen, der geholfen werden muss. ({1}) Landwirtschaft unterliegt unternehmerischer Verantwortung. Früher hat man gesagt: Man hat eine Ernte auf dem Feld, eine Ernte in der Scheune und eine Ernte auf der Bank. Das ist mittlerweile nicht mehr so. Aber wenn das nicht mehr so ist, dann liegt das an den Rahmenbedingungen, daran, dass Förderstrukturen falsch ausgerichtet sind. Das, was wir immer sagen: „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen statt öffentliches Geld für geförderte Fläche“, ist aus meiner Sicht der richtige Ansatz. ({2}) Diese Dürrehilfe hat einen ernsten Hintergrund, und dieser Hintergrund ist der Klimawandel. Man muss schon nur mit dem rechten Auge sehen oder mit zwei geschlossenen Augen durch die Gegend laufen, um das nicht zu sehen. Dieser Klimawandel ist nicht deutbar, nicht diskutierbar; er ist da. Diesen Klimawandel zu bekämpfen, das hat etwas mit Förderung der erneuerbaren Energien zu tun. Das ist auch Förderung der ländlichen Räume. Die Gemeinden müssen daran einen Anteil in der Wertschöpfung haben. Dabei gibt es das Totschlagargument: Solange die Netze nicht gebaut werden, müssen die erneuerbaren Energien nicht gefördert werden. – Lassen Sie sich davon nicht in die Irre leiten. Es geht vor allen Dingen auch um den Betrieb der vorhandenen Netze. Darüber sind nämlich viele erneuerbare Energien schon verteilbar. Dazu braucht es ein Gesetz. Aber wie man in Ostfriesland sagt – diesen Eindruck habe ich im Moment –: Man will dat denn woll all, man kummt dor bloot neet tau. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Ihnen, FDP-Fraktion. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der extremen Trockenheit haben wir alle uns in dieser Sommerpause viel mit dem Thema Landwirtschaft beschäftigt. Die Dürre dieses Sommers hat für viele Landwirte zu einer existenziellen Krise geführt – das wurde ausgeführt –, und wir Liberalen unterstützen daher die von Ihnen, Frau Ministerin, gewährte Bundessoforthilfe in Höhe von 170 Millionen Euro für die geschädigten landwirtschaftlichen Betriebe ausdrücklich. ({0}) Es darf aber kein Dauerzustand werden, auf Krisen solcher Art immer nur mit finanziellen Soforthilfen reagieren zu können und zu müssen. ({1}) Daher fordern wir Freie Demokraten von Ihnen, Frau Ministerin, bessere Rahmenbedingungen für die Landwirte, um deren Betriebe krisenfest zu machen. Das Wetter ist nur ein Risikofaktor, das Klima ist auch nur ein Risikofaktor, dem dieser Berufsstand ausgesetzt ist. Wir fordern von Ihnen langfristige Lösungsansätze, langfristige Ansätze wie zum Beispiel eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage. Geben Sie den Landwirten die Möglichkeit, selbst Vorsorge zu betreiben! Wir brauchen auch Anreize, um eine Mehrgefahrenversicherung für die Landwirtschaft zu etablieren, die es bis heute nicht gibt – auch da kann man tätig werden –; dann müssen im Krisenfall nicht immer nur die Steuerzahler in die Bresche springen. Das wäre aus unserer Sicht zukunftsweisend und für alle Beteiligten ein Gewinn. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus liberaler Sicht sind Chancengleichheit und gleichwertige Lebensverhältnisse für das Leben im ländlichen Raum das Ziel, an dem sich Ihr Sonderrahmenplan zur Förderung der ländlichen Entwicklung orientieren muss. Eine Zersplitterung von Lebensverhältnissen wollen wir nicht. Frau Ministerin, 1,5 Milliarden Euro für die ländlichen Räume zusätzlich hat die Große Koalition für diese Legislatur versprochen. Doch wenn man sich jetzt den Haushalt ansieht, dann findet man unter dieser zugesagten Summe zum Beispiel die Auslandsaktivitäten des Landwirtschaftsministeriums oder die Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung – das sind immerhin 312 Millionen Euro bis 2021, die jetzt unter diese Summe fallen –, und dann bleibt von dem Versprechen „1,5 Milliarden Euro für die Menschen vor Ort“ nicht mehr ganz so viel übrig. Wer heute als Landwirt tätig ist, Frau Ministerin, sitzt beinahe den halben Tag am Schreibtisch ({3}) und bearbeitet Formulare. ({4}) Sie, Frau Ministerin, kennen doch die Betriebe auch von innen. Helfen Sie, und leiten Sie endlich einen Bürokratieabbau zugunsten der Landwirte ein! ({5}) Schon Goethe hat gesagt – wenn ich das an dieser Stelle zitieren darf, weil ich den Satz immer schön finde –: ({6}) Wer nichts für andere tut, tut nichts für sich. In diesem Sinne bitte ich Sie: Tun Sie was für unsere Landwirte beim Bürokratieabbau! ({7}) Zur Ernährungsbildung. 12 Millionen Euro – das wurde schon erwähnt – wollen Sie im Bereich der Ernährungsbildung investieren und gemeinsam mit den Ländern Vernetzungsstellen schaffen. Doch wer da mit wem vernetzt werden soll, bleibt unklar. Die eigentliche Arbeit und auch die Unterstützung nach einer Phase der geplanten Anschubfinanzierung wälzen Sie womöglich dann später auf die Länder ab. Gleichzeitig bleiben Ihre alten und zum Teil wirklich wirkungslosen Informationskampagnen bestehen. Da sind wir der Auffassung: Innovative Politik sieht anders aus. Zukunftsweisend finden wir das nicht. Trauen Sie sich doch, und denken Sie auch mal ein wenig disruptiv! So macht man das ja heute, um modern zu sein. ({8}) Die Digitalisierungsreferenten in Ihren Abteilungen, Frau Ministerin, sind vielleicht ein interessanter Ansatz. Es kommt aber am Ende des Tages darauf an, dass die digitale Innovation auf den Feldern ankommt, Frau Ministerin. Ganze 33 Millionen Euro geben Sie für Informationsmaßnahmen zum geplanten staatlichen Tierwohllabel aus. Nur zum Vergleich: In die Digitalisierung fließt nicht einmal halb so viel Geld. Das ist vieles, nur keine fortschrittliche Prioritätensetzung. ({9}) Im Haushaltsverfahren – ich komme damit zum Schluss – werden wir erneut die Zuschüsse des Bundes zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung hinterfragen; denn anscheinend bekommen nur 20 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland einen Zuschuss, und das scheinen nicht die kleinen zu sein. Bei unnötigen und teuren Informationskampagnen, Förderprogrammen und Subventionen werden wir Kürzungen und auch ein Umsteuern fordern. Wir Freien Demokraten wollen für Landwirte die Möglichkeit einer eigenverantwortlichen finanziellen Vorsorge und Absicherung schaffen, zum Beispiel durch eine steuerbefreite Risikoausgleichsrücklage. Wir wollen insbesondere die Digitalisierung vorantreiben und Bürokratie abbauen. Nur so wird die Landwirtschaft aus unserer Sicht für die Zukunft wirklich gut gerüstet sein. Zu all diesen Themen werden wir konstruktive Vorschläge vorlegen. Ich freue mich auf die Beratungen. Vielen Dank. ({10})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank. – Nächste Rednerin: die Kollegin Heidrun Bluhm, die Fraktion Die Linke. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Ministerin! Die Agrarpolitik steht vor großen Aufgaben – das hat die Ministerin eben selbst in ihren zehn Minuten Redezeit zum Ausdruck gebracht –, aus unserer Sicht aber insbesondere bei den Fragen, wie nachhaltig Agrarbetriebe heute wirtschaften und wie nachhaltig die gesamte Ernährungsindustrie funktioniert. Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass überall dort, wo Steuergeld fließt, dieses nicht einfach verkonsumiert wird, sondern nachhaltige Effekte und Ziele in ihrem Sinne erreicht werden. ({0}) Das gilt natürlich auch für die Landwirtschaft. Hier gibt es aus linker Sicht schwerwiegende Defizite, die seit Jahren durch die Bundesregierung befördert wurden. Die wiederkehrenden Krisen, zum Beispiel die Milchkrisen, in der Agrarindustrie, die wir immer ums Neue mit vielen Millionen Euro Steuergeldern abfangen, sind ein deutlicher Beleg dafür. Dies sage ich nicht nur als Haushälterin, sondern auch als Mitglied des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft in voller Kenntnis um die Probleme in der Landwirtschaft. Wir alle stehen als Befürworter der Dürrehilfen unter einem ständigen Rechtfertigungsdruck. Viele kleine Unternehmen und Mittelständler aus anderen Wirtschaftsbereichen, die manchmal selbst nicht wissen, wie sie zum Jahresende ins Ziel kommen, fragen natürlich zu Recht, warum Agrarbetriebe in Krisen viele Millionen Euro erhalten, obwohl bereits große Summen an Subventionen planmäßig in diesen Sektor geflossen sind. Dieser Rechtfertigungsdruck ist auch auf EU-Ebene spürbar, vor allem in der Debatte um die Neuordnung der GAP-Förderung ab 2020, die dann auch Auswirkungen auf unsere Haushalte haben wird. Deshalb wird es Zeit, dass wir mit den Bäuerinnen und Bauern darüber diskutieren, wie wir zukünftige Krisen vermeiden – sowohl landwirtschaftliche und klimatische als auch soziale Krisen. ({1}) Und wir müssen mit ihnen darüber reden, wie wir das Gemeinwohl und sozialökologische Leistungen in Zukunft gerecht honorieren, statt öffentliche Gelder bedingungslos und undifferenziert nur über die Fläche zu verteilen. ({2}) Wer im Sinne von Mensch und Natur inklusive der Tiere – nicht nur der Nutztiere – wirtschaftet, wer sozial und ökologisch wirtschaftet, der soll auch gefördert werden. Das sagen auch wir Linke. ({3}) Das betrifft auch die Wirtschaftsbereiche, die den ländlichen Raum insgesamt prägen. Viele Agrarbetriebe haben ja bereits weitere Standbeine. Das müssen wir unterstützen und einfordern und damit die auf dem Land Wirtschaftenden krisenfester aufstellen. Hier dürfen Ressortgrenzen einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik nicht im Wege stehen. Wenn es beispielsweise um die Förderung von Unternehmensgründungen oder Start-ups im ländlichen Raum geht, müssen Sie mit anderen Ministerien eine gemeinsame Strategie entwickeln. ({4}) Hier erwarten wir auch aus dem Wirtschaftsministerium Impulse. Aber – Frau Ministerin, Sie haben es eben gesagt – auch Sie wollen den Laden, den Arzt und die Post fördern. Das hätte Herr Altmaier vorher auch schon gekonnt. Jetzt müssen wir nur sehen, dass wir die Maßnahmen auf eine Linie abgestimmt bekommen. ({5}) Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, eine deutliche Aufgabenüberschneidung zeigt sich auch zum Ressort des Umweltbereiches, den wir gerade eben vor Ihrem Ressort debattiert haben. Lange wissen wir – ich verrate damit kein Geheimnis –, dass der Landwirtschaft als größter Nutzer der Flächen Deutschlands eine ganz bedeutende Rolle beim Natur- und Klimaschutz zukommt. Die Katze beißt sich selbst in den Schwanz, wenn wir Gelder für die Schäden der Dürre ausgeben müssen, die wir vorher besser in den Klimaschutz und die Klimaanpassung investiert hätten, um die Folgen des Klimawandels zu verhindern. ({6}) Auch hier wird deutlich: Ohne das Verständnis über Ressortgrenzen hinweg ist sinnvolle Politik heute nicht mehr machbar. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Die Linke begrüßt den Mittelaufwuchs, den der Etat des Einzelplans 10 erfährt. Insbesondere beim Bundesprogramm Ländliche Entwicklung hält die Ministerin Wort; denn sie hat beim Haushalt 2018 versprochen, dass sie diesen Etat aufstocken wird. Mit 70 Millionen Euro ist das jetzt auch geschehen. Das begrüßen wir sehr. Wir hoffen aber auch, dass die längst überfällige Gesetzesänderung bei der GAK ebenfalls zeitnah umgesetzt wird. ({7}) Was Die Linke lange in Anträgen gefordert hat, fordert jetzt auch konkret der Bundesrat. Insofern sind Sie doppelt gefordert, diese Arbeit zu leisten. Die 6,2 Milliarden Euro des Einzelplans für Ernährung und Landwirtschaft dürfen kein Budget eines Weiter-so bleiben. Wir dürfen die Gelder, die wir auch über die Europäische Union bekommen und die wir in die Agrarwirtschaft stecken, nicht zur Stabilisierung des Status quo verschwenden. Nutzen wir die Milliarden für mehr Gemeinwohl, für mehr Umweltschutz in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, dann brauchen wir vielleicht in der Zukunft auch keine Dürrehilfen mehr. Ich freue mich auf die gemeinsame Beratung und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({8})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner: der Kollege Dr. Tobias Lindner, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Tobias Lindner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004217, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir zurückdenken an die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause, dann merken wir, dass die hohen Temperaturen in Deutschland, auch hier in Berlin, einige Zeit spürbar waren. Ich glaube, die wenigstens von uns hätten einen solchen Sommer, der nicht nur so heiß, sondern auch so trocken ist, prognostiziert. Man muss sagen: So etwas steht nicht allein. Wer das abtut als ein einziges Extremwetterereignis, der hat die Zeichen der Zeit nicht gesehen. Seit 2014 erleben wir das fünfte Jahr in Folge die wärmsten Jahre weltweit. Beim Klima auf unserem Planeten ändert sich etwas. Die Klimakrise ist real, keine Fiktion. Deswegen wäre es fatal, wegzuschauen und nichts zu tun. ({0}) Diese Krise – das ist klar – stellt die Landwirtschaft, die Bäuerinnen und Bauern vor existenzielle Herausforderungen. Um es – erstens – klar zu sagen: Es war richtig in diesem Sommer angesichts dieser Dürre zu helfen und Zahlungen zu leisten. Zweitens, Frau Ministerin – es wird ja immer gerne geschimpft und kritisiert; das ist ja auch die Aufgabe der Opposition –, will ich Sie an einer Stelle loben: Ich fand es richtig, dass Sie standhaft geblieben sind und dem Druck von Verbänden nicht sofort nachgegeben, sondern erst einmal den Erntebericht abgewartet haben. Das war in dieser Situation das richtige Verhalten. Aber: Wir dürfen nicht bei Symptombekämpfung stehen bleiben. Es ist richtig, in einer existenziellen Notlage zu helfen; aber es kann ja nicht die Lösung sein, Jahr für Jahr – Kollege Saathoff hat es erwähnt – einfach nur Geld auf das Problem zu schütten. Vielmehr müssen wir an die Ursachen des Problems ran. Wir müssen die Klimakrise in Deutschland und auf diesem Planeten eindämmen. Da, meine Damen und Herren, muss auch die Landwirtschaft ihren Anteil zur Lösung des Problems beitragen. ({1}) Deswegen reicht Anpassung an eine Klimakrise natürlich nicht aus. Das ist nicht unbedingt das falscheste Instrument; aber wenn man nichts gegen Erderwärmung tut, wenn man sich einfach nicht darum kümmert, ob die Erderwärmung um maximal 2 Grad steigt oder ob es noch mehr wird, dann wird man einen Punkt erreichen, an dem man sich nicht mehr anpassen kann. Deswegen müssen sich diese Bundesregierung – es ist schade, dass die Bundesumweltministerin nicht mehr im Plenum ist – und alle Ressorts, auch Sie, Frau Klöckner, und Ihr Haus, fragen lassen, was sie gegen die Klimakrise tun und wann sie auch für die Landwirtschaft einen ambitionierten Klimaaktionsplan vorlegen. ({2}) Nicht nur an dieser Stelle macht dieser Etat nur halbherzige Sachen. Ich will einen zweiten Punkt thematisieren: das Thema Tierwohllabel. Es ist gut, dass Sie sagen, Sie wollen ein solches Label einführen. Wenn man berücksichtigt, dass 88 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher bereit sind, mehr Geld für Fleisch, das aus besserer Haltung kommt, auszugeben, ({3}) dann sage ich: Das ist überfällig. Sie dürfen an dieser Stelle natürlich nicht stehen bleiben. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen: Wann kommt denn das Label? Ich sage mit Blick auf die Kollegin der FDP, die ich sonst sehr schätze: Ich finde – ganz im Sinne Ludwig Erhards – es ist gut, wenn wir es staatlich machen, Marktwirtschaft muss Leitplanken setzen. Deswegen brauchen wir ein staatliches Tierwohllabel. Aber klar ist auch, dass man begleitende Maßnahmen, sprich ein Stallumbauprogramm auf den Weg bringen muss, das auch wirklich ambitioniert ist. ({4}) Es ist den Tieren und den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht geholfen, wenn wir nur über ein Label gehen. Wir müssen an die Produktionsbedingungen ran. Auch hier reicht es nicht aus, nur an den Symptomen herumzudoktern. Wir müssen an die Ursachen ran und ambitioniert vorgehen. Ein letzter Punkt. Es ist gut, dass diese Koalition uns mit diesem Haushaltsplan endlich verrät, wie sie die 1,5 Milliarden Euro, die in den ländlichen Raum fließen sollen, über die Jahre und über die Ressorts verteilt. Ja, es ist gut, dort zu investieren. Aber um das in aller Deutlichkeit zu sagen: Geld allein macht nicht glücklich. ({5}) Geld allein hilft an dieser Stelle nicht. Deshalb müssen wir – es ist bereits erwähnt worden – auch endlich damit anfangen, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ umzubauen und zu erweitern in eine Gemeinschaftsaufgabe für die ländlichen Räume, bei der Ökologie und Klimaschutz eine viel stärkere Rolle als bisher spielen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Wir Grünen werden mit einer Menge an Vorschlägen, wie man es besser machen kann, in diese Haushaltsberatungen gehen. Die Spielräume – es ist heute Morgen schon erwähnt worden – sind in diesem Bundeshaushalt nämlich vorhanden. Deswegen sind wir nicht zaghaft. Packen wir es an! Die Chance haben wir nämlich nur ein Mal. Wenn wir zu lange warten, wenn wir jetzt schlafen, dann werden wir in diesem Jahr nicht zum letzten Mal Dürrehilfen ausgezahlt haben, sondern eine Zukunft erleben, in der das der Regelzustand wäre. Wir Grünen stehen dafür, dass wir die Ursachen angehen und unsere Landwirtschaft und unser Klima fit für die Zukunft machen. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Nächste Rednerin: die Kollegin Gitta Connemann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heimat hat Konjunktur: früher ein Fall für den „Musikantenstadl“, heute im Zentrum der Politik in allen ihren Facetten – leider auch missbräuchlich. ({0}) Heimat ist für jeden etwas anderes. Für mich ist es das Land; ich lebe dort wie die Mehrheit der Deutschen. Dort ist auch die Heimat des Mittelstandes, vorneweg der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und der Ernährungswirtschaft. Meine Damen und Herren, diese wurden in den letzten Monaten durch Frost, Sturm, Dürre, Hagel schwer getroffen. Ernten fielen aus, Futter fehlt, Setzlinge verdorrten. Die Luft auf den Betrieben brennt. Insgesamt geht es für 10 000 Höfe um die Existenz. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist klar: Unsere Familien verdienen unsere Unterstützung. Sie sichern unser tägliches Brot, und sie sind wie keine andere Branche dem Wetter ausgesetzt. Das unterscheidet sie von allen anderen. Deshalb ist es richtig, zu helfen. ({1}) Bis zu 340 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Dies verdanken wir ganz wesentlich unserer Bundesministerin. Liebe Julia Klöckner, du hast beherzt und wirklich besonnen agiert. Dafür herzlichen Dank. ({2}) Dieser Dürresommer wird nachbeben, in den Betrieben und in der Politik. Das vollständige Ausmaß der Schäden wird sich zum Beispiel im Wald erst in Jahren zeigen. Die politische Debatte dagegen ist bereits in vollem Gang, zum Teil erschreckend einseitig. Der Klimawandel wird der Branche von interessierten Kreisen in die Schuhe geschoben. Das nenne ich Ideologie. ({3}) Betrachten wir die Fakten: 93 Prozent der Treibhausgasemissionen gehen nicht auf das Konto der Branche. Landwirte und Waldbauern sind keine Schuldigen, sondern vor allem Leidtragende. Verbessern kann man natürlich immer etwas. Aber wenn ein Bereich in den letzten Jahren seine Hausaufgaben gemacht hat, dann die Landwirtschaft. Für den deutschen Wald gilt ohnehin: Er ist der Klimaschützer Nummer eins. ({4}) Klar ist aber auch: Kein Landwirt will auf Hilfe angewiesen sein, und Steuerzahler sind keine Vollkaskoversicherung. Risikovorsorge ist besser als Hilfspakete. Liebe Frau Ihnen, Sie hatten angemahnt, dass dort eine Initiative fehlt. Besser informiert, wäre besser gewesen; denn unsere Bundesministerin Julia Klöckner hat mit der tariflichen Gewinnglättung bereits einen ersten Schritt getan. Wir warten nur darauf, dass Brüssel diese endlich notifiziert. Herzlichen Dank. Danach muss es weitergehen. Deshalb plädiert übrigens auch der Bund der Steuerzahler für die Einführung einer Risikorücklage, die steuerlich gesondert behandelt wird. Das ist eine gute Idee. ({5}) Mit einer zweckgebundenen Klimarücklage könnten die Betriebe in guten Zeiten für schlechte Zeiten vorsorgen. Dies ist übrigens nicht nur im Interesse unserer Bauernfamilien; es ist im Interesse der ländlichen Regionen und Verbraucher; denn die Landwirtschaft ist systemrelevant für Ernährung, Landschaft, Wirtschaft und das Leben auf dem Land. Sterben die Höfe, sterben die Dörfer. Aus Landschaft wird dann nur noch Gegend. Das ist übrigens keine Schwarzmalerei, sondern bittere Realität in manchen Gegenden Deutschlands. Auf der anderen Seite gibt es Regionen mit starker Wirtschaftskraft und Infrastruktur wie zum Beispiel meine Heimat Ostfriesland und das Emsland. Es gibt also Unterschiede wie Tag und Nacht. Viele Aufgaben sind im Koalitionsvertrag schon benannt. Klar ist: Die ländlichen Regionen brauchen keine Almosen, sondern passgenaue Lösungen. ({6}) Ein Baustein dafür ist das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung. Lieber Johann Saathoff, du hattest angemahnt, dass die Ministerin dies nicht konkret benannt hätte. Ich habe sehr wohl gehört, wie sie in ihrer Rede darauf eingegangen ist, dass wir über dieses Bundesprogramm im nächsten Jahr über 70 Millionen Euro bereitstellen. Vielen Dank dafür! Wir sind uns einig – da schaue ich auch unseren Haushälter Christian Haase an –, dass die Mittel schneller und leichter abfließen können müssen. Deswegen bin ich der Ministerin dankbar, dass sie der zuständigen BLE jetzt einen externen Projektträger zur Seite stellen wird. Auch dafür herzlichen Dank! Wir sind uns einig: Wir müssen weg von den komplexen Modellen und Demonstrationsvorhaben zu einer einfachen Regelförderung. Denn ehrlicherweise muss man sagen: Was hilft das beste Förderprogramm einem Verein, der ehrenamtlich arbeitet, wenn er dafür einen Juristen beschäftigen muss? Für diese Vereinfachung brauchen wir das Bundesfinanzministerium. ({7}) Denn wir wissen: Investitionen in den ländlichen Raum sind Investitionen in die Zukunft unseres ganzen Landes. Dabei geht es übrigens nicht nur um Geld. Ein Beispiel: Wer Auto oder Bahn fährt, bewegt sich von Funkloch zu Funkloch. Das könnte sich mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G ändern – könnte! Dafür muss die Bundesnetzagentur aber auf eines achten: Es darf nicht allein um das höchste Gebot gehen, sondern um die beste Flächenabdeckung. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden darauf ganz genau achten. ({8}) Am Ende steht und fällt die Zukunft der ländlichen Räume aber mit der Zukunft der Landwirtschaft. Diese befindet sich in schweren Zeiten, auch wegen der Politik in Europa, in Bund und Land. Ich nenne nur einige Stichworte, mit denen sich Landwirte zurzeit auseinandersetzen müssen: Gemeinsame Agrarpolitik der EU, die Zukunft der Direktzahlungen, die Düngeverordnung mit all ihren betrieblichen Auflagen. Hinzu kommen neue Anforderungen im Pflanzenschutz, bei Stallbauten. Insofern bin ich unserer Ministerin dankbar, dass sie in ihrem Haus extra ein Referat, das sich mit Bürokratieabbau beschäftigt, eingerichtet hat. Herzlichen Dank dafür! Wenn man denn einmal ein Organigramm liest, liebe Frau ­Ihnen, hätte man das auch gesehen. ({9}) Besondere Unterstützung brauchen an dieser Stelle unsere Ferkelerzeuger in Deutschland. ({10}) Nur noch 75 Prozent der Ferkel werden hier geboren. Der Rest kommt aus Ländern wie Dänemark, den Niederlanden, Polen oder Spanien. Dieser Trend wird sich verschärfen; denn 60 Prozent der Sauenhalter denken ans Aufgeben. ({11}) Es handelt sich im Wesentlichen – das ist gar nicht lustig, liebe FDP; da sieht man, dass Ihr Bekenntnis zur Landwirtschaft dann eher auf dem Papier stattfindet als in der Tat – um kleine Betriebe. ({12}) Die interessieren Sie vielleicht nicht so, uns schon. Die kleinen Betriebe, gerade aus Baden-Württemberg und Bayern, wollen aus Sorge vor kostenintensiven Auflagen aufgeben. Sie warnen uns: Ein Strukturbruch droht. Das müssen wir verhindern, im Sinne der Höfe, aber auch im Sinne der Verbraucher und des Tierschutzes; denn der höchste Tierschutz ist hier in Deutschland gewährleistet. ({13}) Deshalb appelliere ich an alle Akteure: Wir brauchen Lösungen, die den Betrieben Luft zum Atmen lassen. Das gilt vor allem bei der Ferkelkastration, sonst haben wir am Ende noch größere Agrarbetriebe, eine Verlagerung der Ferkelerzeugung ins Ausland, womöglich in Länder mit weniger Tierschutz. ({14}) Ich sage zu Ihnen: Das kann doch keiner wollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich appelliere auch im Namen unserer Fraktion an unser aller Vernunft, auch für unsere Heimat. Herzlichen Dank. ({15})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Nächste Rednerin: die Kollegin Dr. Birgit ­Malsack-­Winkemann, AfD-Fraktion. ({0})

Dr. Birgit Malsack-Winkemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004813, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Auch im Haushalt Ernährung und Landwirtschaft ist die AfD der Rufer in der Wüste: Obgleich wir schon zum Haushalt 2018 die massive Steuergeldverschwendung bei der Öffentlichkeitsarbeit wiederholt gerügt haben, setzt die Regierung dieses Treiben unbeeindruckt fort. ({0}) Betrachtet man nämlich alle Haushaltstitel des BMEL, aus denen Kosten für Fachinformationen oder Werbemaßnahmen gezahlt werden können, führt dies zu einem möglichen Etat von über 250 Millionen Euro, ({1}) wobei hier die tatsächliche Größenordnung bei vielen Haushaltstiteln durch einen pauschalen Verweis auf § 63 Bundeshaushaltsordnung verschleiert wird. Das halten wir, die AfD, nicht nur für unseriös, sondern für einen Fall des Tarnens und Täuschens. ({2}) Wir fordern deshalb, Werbemaßnahmen der Höhe nach immer klar und eindeutig von denjenigen Maßnahmen abzugrenzen, die der Sache selbst dienen. Eine Farce besonderer Güte ist in diesem Zusammenhang die geplante Ausgabensteigerung von 7 auf sage und schreibe 33 Millionen Euro in 2019 zur Entwicklung eines staatlichen Tierwohllabels. Abgesehen davon, dass es am Markt bereits gut eingeführte Kennzeichnungen für artgerechte Haltung gibt, sodass ein weiteres staatliches Label unnötig ist, stößt hier besonders auf, dass das gleiche Ministerium, das vorgibt, an einer besonders guten und artgerechten Haltung der Tiere interessiert zu sein, bei lebensbedrohenden Gefahren für ebendiese Tiere wochenlang nur zusieht, anstatt zu handeln. ({3}) Selbstverständlich spreche ich von der allseits bekannten Dürrekatastrophe. Die monatelange Trockenheit hat dazu geführt, dass acht Bundesländer Dürreschäden von über 1 Milliarde Euro an die Bundesregierung gemeldet haben. Über 10 000 Bauern meldeten eine existenzbedrohende Situation an. Schon vor Wochen ist der Weizen wegen der vorherrschenden Hitze vorzeitig notgereift und wurde deshalb verfrüht geerntet. Sogar das Winterfutter wird teilweise verfüttert, manchmal bekommen die Tiere nur Stroh zu fressen. ({4}) Vielerorts ist es zu Notschlachtungen gekommen, weil die Bauern ihre Tiere nicht mehr ernähren konnten. Und was macht diese Bundesregierung, was macht Frau Klöckner? Sie wartet ab – auf etwaige Entscheidungen der EU, auf Entscheidungen der Länder, die Bund-Länder-Kommission und auf die Erntebilanz. Es ist unfassbar! ({5}) Die Bundesregierung hat bundesweit erst einmal geprüft, ob es zu Schäden in nationalem Umfang von mindestens 30 Prozent gekommen ist, anstatt dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst zu finanziellen Ausfällen kommt. ({6}) Meine Damen und Herren, wir, die AfD, fordern die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass vom Bund gewährte Hilfen nicht mehr an den bundesweit durchschnittlichen Ernteausfall von 30 Prozent und mehr geknüpft werden, sondern dass dieser Wert jeweils landesspezifisch als Kriterium gilt und für finanzschwache Kleinbauern herabgesetzt wird. ({7}) Denn der Norden und Osten leidet in viel größerem Umfang als der Rest Deutschlands. In Brandenburg beispielsweise musste laut der „Welt“ vom 30. Juli 2018 schon Anfang August damit gerechnet werden, dass es bei Gerste, Roggen, Weizen und Raps Ernteausfälle von 30 bis 50 Prozent gibt. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung anstelle der gemeldeten über 1 Milliarde Euro gerade einmal bis zu 170 Millionen Euro an die Bauern zahlen will. Zuzüglich der Landesanteile sind das gerade einmal 30 Prozent der von den Ländern gemeldeten Schäden. Jedenfalls auf 70 Prozent bleiben die Bauern sitzen. Das und insbesondere auch die allzu späte Zahlung führt zum Ruin gerade der finanzschwachen Kleinbauern, die zumeist Ökobauern sind. Was hat das für Folgen? Nicht nur das Höfesterben beschleunigt sich, wobei bisher ohnehin nur 2 Prozent der Bevölkerung als Bauern tätig waren. Nein, auch das prinzipiell richtige Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 wenigstens einen Anteil von 20 Prozent an ökologischer Landwirtschaft zu erreichen und von der nicht artgerechten und für Menschen gesundheitsgefährdenden Massentierhaltung wegzukommen, rückt in weite Ferne. Die Bauernschaft wird systematisch zerstört! ({8}) Jetzt rächt sich, dass immer mehr Ackerfläche für Biogasproduktion blockiert wird, statt dem Futterpflanzenanbau zu widmen. Das ist politisch gewollt, und wie wir sehen, falsch. Finanzielle Hilfen für den daraus resultierenden Futtermangel sind deshalb mehr als gerecht. Und warum bietet Frau Klöckner den Bauern keine Getreidehilfen an? Die Getreidelager der zivilen Notfallreserve sind so voll, dass überlagertes Getreide am Markt kaum verkäuflich ist. Eine Kostenexplosion bei Lebensmittelpreisen für Grundnahrungsmittel im Herbst und Winter wird die Folge sein, was wiederum zu einer Ausweitung der Armut unserer Bevölkerung führt. ({9}) Wie soll sich Deutschland in einem etwaigen Krisenfall selbst versorgen? Was nutzt die von Ihnen so geliebte Ernährungsberatung, Frau Klöckner, wenn die Rentner oder die Menschen bei den Tafeln zu arm sind, sich gesunde Ernährung aus ökologischem Anbau leisten zu können? ({10}) Diese Ernährungsberatung ist Zynismus gegenüber den Bedürftigsten unserer Gesellschaft und Steuergeldverschwendung pur, Frau Klöckner, und Sie scheinen zu vergessen, dass Sie Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft und nicht für Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf Ernährung und Landwirtschaft sind. ({11}) Und das alles aufgrund der Abhängigkeit von einer EU, deren Vorschriften und Regelungen von Deutschland im Gegensatz zu anderen EU-Ländern, die nationale Hilfen frühzeitig gewähren, sklavisch befolgt werden! Die EU-Hörigkeit der Regierung lässt viele in unserem Land und unserer Bevölkerung verarmen. Meine Damen und Herren, wenn in der eigenen Bevölkerung Not ist, muss in der Sache sofort und konstruktiv gehandelt werden. Ansonsten ist man als Regierung fehl am Platz. Danke schön. ({12})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Nächste Rednerin: die Kollegin Ursula Schulte, SPD-Fraktion. ({0})

Ursula Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004404, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der aktuelle Haushaltsentwurf, den Sie uns vorgelegt haben, Frau Ministerin Klöckner, umfasst 6,24 Milliarden Euro. Gegenüber 2018 verzeichnen wir damit tatsächlich einen Mittelaufwuchs – darüber freue ich mich –, und das ist gut so. Aber bietet dieser Einzelplan 10 damit wirklich den notwendigen Spielraum, um gestalterisch tätig zu werden und um Politik für die Zukunft auf den Weg zu bringen? Diese Frage kann ich nur teilweise mit Ja beantworten, und ich begründe Ihnen auch, warum. Wenn wir uns den Einzelplan anschauen, stellen wir fest, dass allein 4 Milliarden Euro an die landwirtschaftliche Sozialversicherung gebunden sind. Verbleiben also noch 2,24 Milliarden Euro für so wichtige Aufgaben wie die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, für die Ernährungspolitik – im Übrigen sinnvoll ausgegebenes Geld – und für den gesundheitlichen Verbraucherschutz. Eine aktive und zukunftsweisende Politikgestaltung ist so nur eingeschränkt möglich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das soll keine Kritik an Ihrem Zahlenwerk sein, Frau Ministerin, sondern lediglich eine Feststellung. Wir alle wissen ja, dass der Bund nach § 78 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte verpflichtet ist, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen und den Ausgaben der Alterssicherung zu tragen. Diese Verpflichtung stammt aus dem Jahre 1994. Vielleicht sollten Sie das ab und zu mal hinterfragen, auch vor dem Agrarstrukturwandel, der ja stattgefunden hat. ({0}) Ich nenne nur die Stichworte: weniger Beitragszahler und mehr Empfänger. Die Alterssicherung der Landwirte ist ja Teil der gesetzlichen Rentenversicherung. Ich könnte mir durchaus vorstellen – wenn Sie mit Landwirten sprechen, dann stellen Sie fest, dass auch diese sich das vorstellen können –, dass man sie irgendwie in naher Zukunft in die gesetzliche Rentenversicherung überführt. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2015 habe ich in der Diskussion um die Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die damals zu novellierende Hofabgabeklausel gesagt, dass meine Partei, die SPD, eine moderne Agrarpolitik, verbunden mit einer innovativen Agrarsozialpolitik erreichen möchte. Unser sozialdemokratischer Anspruch lautete damals wie heute: Wer ein Leben lang in die Alterssicherung der Landwirte eingezahlt hat, der hat verdammt noch mal auch das Recht auf eine Rente. Das gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eben auch für Landwirte. ({2}) Allein deshalb ist die Verpflichtung zur Abgabe eines Hofes als Voraussetzung für den Bezug einer Rente nicht mehr zeitgemäß. ({3}) Schließlich stammt die Hofabgabeklausel aus dem Jahr 1957. Sie ist auch nicht verfassungskonform. Dafür haben wir jetzt den Beweis bekommen. Ich freue mich jedenfalls, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Mai 2018 klar und deutlich gesagt hat, dass § 11 Absatz 1 Nummer 3 ALG nicht mehr anzuwenden ist. ({4}) Die Kopplung einer Rente an die Abgabe eines Hofes greift in die Eigentumsfreiheit nach Artikel 14 unseres Grundgesetzes ein. Die Pflicht zur Hofabgabe wird verfassungswidrig, wenn diese in unzumutbarer Weise Einkünfte entzieht, die zur Ergänzung einer Teilrente notwendig sind. So das Bundesverfassungsgericht. Der überwiegende Teil der Juristen sagt im Übrigen auch, dass mit dem 9. August 2018, also mit der Veröffentlichung der Entscheidung, die Hofabgabeklausel – Gott sei Dank – ihr Ende gefunden hat. ({5}) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und die Meinung der Juristen stützen damit unsere Position. Und mit ein bisschen mehr Härtefallregelungen, Herr Stegemann, können wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht heilen. ({6}) Obwohl das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eigentlich vollkommen klar ist, ({7}) kann von Ruhe an der Hofabgabefront keine Rede sein. Gerade bei den älteren Landwirten herrscht eine große Unsicherheit. Das liegt daran, dass der Versicherungsträger, die SVLFG, die Rentenbewilligung erst einmal ausgesetzt hat. Die SVLFG weiß nämlich nach eigenem Bekunden nicht, wie sie nun verfahren soll. Wir brauchen hier also dringend Rechtsklärung. ({8}) Und die SVLFG, die Alters- und Sozialversicherung, ist Teil des Haushaltsplanes. Es kann doch nicht sein, dass Menschen ihre verdiente Alterssicherung nicht erhalten, weil die SVLFG sie nicht bewilligt. Ich denke hier nicht nur an die zukünftigen Rentner, sondern auch an die Altfälle. Das sind Landwirte, die schon 70 oder 80 Jahre alt sind, ihre Rentenanträge im Einzelfall prüfen lassen können und vielleicht noch in den Genuss ihrer Rente kommen sollten. Ich will eine weitere Anmerkung zur Agrarsozialversicherung machen. Wir haben im Zuge der Milchmarktkrise das sogenannte Milchmarktsondergesetz verabschiedet. Darüber wurden weitere 78 Millionen Euro bereitgestellt, um die Landwirte bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu entlasten. Insgesamt sind es jetzt 178 Millionen Euro, die im Haushalt stehen. Wirksam werden sollte die Entlastung 2016, mittlerweile hat sich diese Summe im Haushalt verstetigt. Darüber hinaus soll dieser Betrag als prioritäre Maßnahme im Rahmen der Land-Milliarde bis 2021 fortgeschrieben werden. Hier erwarte ich eine Erklärung der Bundesministerin. Auch der Bundesrechnungshof soll sich mit dieser Thematik beschäftigt haben. Die Mitteilung des Bundesrechnungshofes zu dieser Thematik hätte ich ganz gerne, ebenso die Stellungnahme Ihres Hauses. Frau Ministerin, Sie haben beim parlamentarischen Abend der SVLFG gesagt, dass die Verwendung von öffentlichen Mitteln genau überprüft werden muss, schließlich handele es sich um Steuergelder. Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Ich erwarte in diesem Zusammenhang, dass Sie Ihr Wort halten. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner ist der Kollege Frank Sitta, FDP-Fraktion. ({0})

Frank Sitta (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004894, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, mein Kollege Dr. Gero Hocker hat Sie, Frau Ministerin, während der letzten Haushaltsberatungen hier an diesem Pult dazu aufgefordert, doch endlich einmal anzuecken. Er hat Sie aufgefordert, sich endlich für die Interessen der landwirtschaftlichen Betriebe einzusetzen. Er hat Sie aufgefordert, sich nicht nur den Wohlfühlthemen zu widmen. Ich muss diesem Wunsch heute hier noch mal Nachdruck verleihen: Sehr geehrte Frau Ministerin, bitte beenden Sie endlich Ihren Kuschelkurs in der Landwirtschaftspolitik. ({0}) Wir besprechen heute den Haushalt für das Jahr 2019, und wenn man sich diesen genau anschaut, dann erweckt er nicht gerade den Eindruck, als ob Sie vorhätten, diesem wohlgemeinten und notwendigen Rat zu folgen. Sie bauen Ihr Ressort zu einem Ministerium für den ländlichen Raum um. Das ist ein Stück weit verwunderlich, da Ihr Kabinettskollege Horst Seehofer ja darauf bestanden hat, das Thema Heimat in sein Ministerium zu holen. Im ländlichen Raum lebt – das wurde hier schon gesagt – rund die Hälfte der deutschen Bevölkerung, sie ist dort zu Hause. Ausweislich des Haushaltsentwurfes könnte man meinen, dass Sie für dieses überaus wichtige Politikfeld ganz alleine zuständig sind. Wenn man genau hinschaut, sieht man: Besonders viele heimatliche Gefilde wollen Sie dem Heimatminister Seehofer offenbar nicht ganz allein überlassen. Ich frage Sie also: Hat es die Hälfte unserer Bevölkerung verdient, Zankapfel im Kompetenzgerangel zweier Unionsminister zu sein? Nein. Bitte einigen Sie sich also schnellstens, wer von beiden wofür zuständig ist. ({1}) Der ländliche Raum ist aber eben auch Landwirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, vor allem dafür zu sorgen, dass erwerbsorientierte Landwirtschaft auch zukünftig möglich ist. Die Freien Demokraten wollen Betriebe, die sich aus eigener Kraft am Markt behaupten können, und das, sehr geehrte Frau Ministerin, sollten Sie den landwirtschaftlichen Unternehmern durchaus zutrauen. Befreien Sie also die Landwirte von ihrer derzeitigen Bittstellerposition. Machen Sie sie nicht zu dauerhaft Abhängigen von staatlichen Transfers – auf Kosten der Steuerzahler –, sondern sorgen Sie dafür, dass Landwirte selbst steuerfreie Rücklagen bilden können. ({2}) Staatliche Sonderhilfen dürfen nicht zur Gewohnheit werden. Deshalb werben wir dafür, die Landwirte in die Lage zu versetzen, steuerfreie Rücklagen zur Risikovorsorge bilden zu können. Ich hätte mich gefreut, wenn wir dazu im Haushaltsentwurf etwas hätten lesen können. Aber die gute Nachricht ist: Hilfe ist nah. Als Serviceopposition legen wir bereits diese Woche ein ganz konkretes Konzept vor, damit Landwirte auch zukünftig eigenverantwortlich vorsorgen können. ({3}) Ganz offensichtlich ist auch die CSU ein Stück weit überzeugt davon; denn sie hat unser Konzept weitgehend kopiert. ({4}) Wir sind gespannt darauf, ob sich die Kollegen der CSU, zumindest in dieser Frage, gegenüber ihrer Schwesterpartei durchsetzen können, anstatt ein weiteres Mal umzufallen. ({5}) Ganz grundsätzlich kann man den Eindruck gewinnen, dass die Regierung der Zeit ständig hinterherrennt. Das Tierwohl ist hierfür der beste Beweis. So gibt es seit geraumer Zeit die gut funktionierende privatwirtschaftlich organisierte Initiative Tierwohl, unter der mittlerweile jedes dritte Schwein in Deutschland zertifiziert ist. Parallel lesen wir jetzt, es werden 33 Millionen Euro für die Entwicklung und das Marketing einer staatlichen Tierwohl-Kennzeichnung für Fleisch in die Hand genommen. Gegen die dahinterstehende Intention, das Tierwohl, ist nichts zu sagen – das Ansinnen teile ich durchaus –, aber ob dieses geplante staatliche Tierwohllabel dazu einen nennenswerten Beitrag leistet, bleibt zweifelhaft. ({6}) Auf der einen Seite gibt es, wie gesagt, ein solches Label schon – und mit staatlichem Geld macht man dieses womöglich eher zunichte –, auf der anderen Seite lassen Sie ganz aktuell die Landwirte bezüglich der konkreten Ausgestaltung im Vagen. Es fehlen zum Beispiel – das klang hier auch schon an – weiterhin dringende Antworten zur Zukunft der Schweinehaltung in Deutschland, und das in einer Branche, in der Planungssicherheit das A und O ist. ({7}) Ich möchte noch kurz auf die Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel eingehen, ({8}) denn auch in diesem Bereich lassen Sie die Landwirte im Regen stehen; auch wenn dies in Dürrezeiten positiver klingt, als es ist. Sie bleiben die Antwort auf drängende Fragen schuldig. Man gewinnt den Eindruck, dass Vertrauen in Wissenschaft nicht mehr vorhanden ist, dass wilde Theorien aktiver Campagneros statt Fakten die Debatte beherrschen. Hier wünsche ich mir Konzepte, mit denen wir das wieder ändern, damit die Bevölkerung wieder Vertrauen in die Zulassungsverfahren hat und wir das Kompetenzwirrwarr auflösen können. ({9}) Zum Schluss noch einen Blick auf Ihren Haushaltsplan. Ihre Liste der prioritären Maßnahmen weist 27 Punkte auf. Liebe Frau Ministerin, wer ganze 27 Prioritäten hat, der führt seine Vorhaben in den Dschungel der Beliebigkeit. Bitte, bitte konzentrieren Sie sich auf die wirklich wichtigen Dinge, anstatt sich blind in einem medienwirksamen Aktionismus zu verzetteln. ({10}) Bitte entscheiden Sie auch selbstbewusst, auf welche Maßnahmen Sie sich konzentrieren wollen. Und hier schließt sich der Kreis: Dafür müssten Sie anfangen, anzuecken. Sie müssten Ihren Kuschelkurs beenden. Ansonsten werden Sie sich diese Vorwürfe auch bei nächsten Haushaltsberatungen von den Freien Demokraten anhören müssen. Vielen Dank. ({11})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Nächste Rednerin ist die Kollegin Amira Mohamed Ali, Fraktion Die Linke. ({0})

Amira Mohamed Ali (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004823, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es geht um den Haushaltsentwurf 2019 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Dieser Entwurf zeigt, dass Sie, Frau Klöckner, mit Ihrem Ministerium die falschen Schwerpunkte setzen und an falschen Strukturen festhalten. Die Dürreschäden in diesem Sommer haben es deutlich gezeigt: Die Landwirtschaft in Deutschland ist ein Hochrisikosystem, und dieses System muss korrigiert werden, Kolleginnen und Kollegen. ({0}) 340 Millionen Euro Sonderhilfen für die Landwirte wegen der Dürre gab es in diesem Jahr, und es war auch richtig, zu helfen; denn teilweise waren Existenzen bedroht. Die Bodenspekulanten warten nur darauf, dass die Betriebe aufgeben müssen, damit sie das Land billig kaufen können. Aber dass diese Hilfen notwendig waren, hat strukturelle Ursachen. Warum ist denn die Landwirtschaft so anfällig für solche Umweltereignisse? Sie ist so anfällig, weil sie ein System ist, das auf maximale Ausbeutung setzt und das auch nur bei einer maximalen Ausbeutung der Ressourcen funktioniert. ({1}) Bei den Dumpingpreisen für die landwirtschaftlichen Produkte bleiben keine Reserven, um Verluste ausgleichen zu können, schon gar nicht, wenn man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anständig bezahlen, die Tiere anständig halten und die Natur schützen will. ({2}) Alle seriösen Experten sagen voraus, dass Klimaveränderungen, extreme Wetterlagen, zunehmen werden. Wenn wir dieses Agrarsystem nicht ändern, werden Bund und Länder in den nächsten Jahren immer wieder Sonderhilfen zahlen müssen. Als Folge der Politik der Bundesregierung werden also noch mehr Steuergelder in dieses falsche System gepumpt werden müssen. Das ist Unsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen! ({3}) In unserer Landwirtschaft muss die Betonung endlich wieder auf „Land“ liegen und nicht auf „Wirtschaft“. ({4}) Der Erhalt unserer Ressourcen muss im Vordergrund stehen. ({5}) Wir brauchen einen Innovationsschub hin zu einer nachhaltigen und klimaschonenden Landwirtschaft. Die falsche Subventionspolitik, nach der Subventionen nur nach der Größe der Betriebe vergeben werden, muss beendet werden. Stattdessen müssen die nachhaltig wirtschaftenden Betriebe unterstützt werden. Und wir müssen die Landwirtinnen und Landwirte aus dem Würgegriff der großen Handelsketten befreien, die ihnen erbarmungslos immer niedrigere Preise diktieren. ({6}) Wir brauchen faire Erzeugerpreise. Nur mit der sozialen Agrarwende können wir unsere Landwirtschaft zukunftsfest machen und die ländlichen Räume nachhaltig stärken, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zu all dem findet sich aber kein Ansatz in dem aktuellen Haushaltsentwurf. Sie halten Kurs in die Sackgasse. Das gilt auch beim Thema gesunde Ernährung. Gerade einmal 3 Prozent des Budgets des Ministeriums sind diesem wichtigen Thema gewidmet. Für gesunde Ernährung planen Sie eine Flyerkampagne. Aber mit ein paar Flyern wird man die Probleme in diesem Bereich nicht lösen können. Ich habe vor kurzem die Bundesregierung gefragt, wie viele Schulen und Kitas in Deutschland gesundes Essen anbieten. Das erschreckende Ergebnis: An weniger als 2 Prozent der Schulen und Kitas wird Essen angeboten, das die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung erfüllt. Ist das Ihre Vorstellung von einem guten Start ins Leben für unsere Kinder? ({7}) Die Linke fordert gesundes Essen an allen Schulen und Kitas, und zwar kostenlos für alle Kinder; ({8}) denn das ist ein weiteres Problem: Jedes vierte Kind in Deutschland lebt in Armut oder ist davon bedroht. Die soziale Spaltung in unserem Land hat schon längst die Ernährung erreicht. Immer mehr Menschen leiden unter ernährungsbedingten Krankheiten, auch weil sie sich gesundes Essen nicht mehr leisten können. Das ist eine Schande für ein so reiches Land wie Deutschland. ({9}) Ich wiederhole deshalb abschließend: Dieser Haushalt setzt die falschen Schwerpunkte, und er geht entscheidende Zukunftsfragen nicht an. Die Linke kann ihm deshalb so nicht zustimmen. ({10}) Es wird Verbesserungen geben müssen. Wir werden uns in den Haushaltsdebatten dafür einsetzen. Vielen Dank. ({11})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, mit großen Ankündigungen und Präsenz weckten Sie in den letzten Monaten viele Erwartungen. Klar, die Landwirtschaft hat zahlreiche schwere Probleme zu lösen. In Ihrem Haushalt finden wir dazu aber leider wenig. Wollen Sie etwa jetzt schon in die Fußstapfen Ihres Vorgängers treten? Dieser glühende Sommer hat uns doch eines gezeigt: Der Klimawandel hat uns in der Landwirtschaft mit ex­tremer Trockenheit hart getroffen. Auch unsere Rinder zu Hause auf der Weide finden seit vielen Wochen keinen Grashalm mehr. Wir verfüttern die Wintervorräte an Heu und Silage. Es ist natürlich richtig, den Betroffenen zu helfen; aber was soll die Meldung, nur kleinbäuerlichen Betrieben unter 250 Mitarbeitern und 50 Millionen Euro Umsatz soll geholfen werden? Das trägt sicherlich nicht zur Klarheit bei. Sollen etwa wieder Betriebe belohnt werden, die Millionen in Megaställe investiert haben, oder sich arm rechnende GmbHs? Belohnen Sie doch bitte nicht wieder die Falschen. Frau Ministerin, machen Sie die Landwirtschaft endlich zukunftsfähig. Legen Sie einen Klimaaktionsplan vor, damit wir nicht jährlich hier im Hause neue Nothilfen beschließen müssen. ({0}) Zum drängenden Problem in der Schweinehaltung. Frau Klöckner, was ist denn bei Ihrem Sauengipfel am 28. August 2018 eigentlich herausgekommen? Nichts. Nur heiße Luft. Ferkelerzeugerinnen und -erzeuger brauchen wahrlich mehr als Ihr warmes, tiefes Mitgefühl. 70 Prozent der Sauenhalter haben zwischen 2007 und 2017 aufgehört. Probleme sind für die Sauenhalter die drei großen K: Umsetzung des Kastenstandurteils, Kupieren der Schweineschwänze und betäubte Kastration ab 1. Januar 2019. Was passiert denn da jetzt wie und wann, Frau Ministerin? Da ist dringender Handlungsbedarf; dem müssen Sie endlich nachkommen. ({1}) Aktives, energisches Handeln ist hier gefordert. Im Haushaltsentwurf findet man dazu gähnende Leere. Das ist vollkommen ungenügend angesichts der gewaltigen Aufgabe des Umbaus der Tierhaltung. Es geht um Investitionen, Forschung und um eine Gesamtstrategie. Nichts davon ist in Ihrem Haushalt zu sehen. Das geht zulasten der Bauern und Bäuerinnen, der Tiere und der Umwelt. ({2}) Das nächste Großthema: die EU-Agrarreform 2020. Wollen Sie wirklich nur den Beharrungskräften, insbesondere des Bauernverbands, weiter folgen und die Milliarden mit der Gießkanne über die Fläche verteilen? Das ist doch Agrarpolitik von vorgestern und nicht zukunftsfähig. Wir brauchen endlich eine substanzielle Neuorientierung. Nur dann bleibt Agrarpolitik der Gesellschaft vermittelbar. ({3}) Binden Sie doch endlich die Zahlungen der ersten Säule an konkrete Leistungen im Tier-, Umwelt-, Natur- und Klimaschutz! Unterstützen Sie an diesem Punkt Kommissar Hogan bei den vorgeschlagenen Eco ­Schemes, also Umweltzielen! Sorgen Sie endlich für gerechte Zahlungen durch eine wirksame Kappung, Umverteilung und stärkere Förderung der ersten Hektare! Es muss doch Schluss sein damit, dass 1 Prozent der Betriebe 21,7 Prozent des Geldes bekommen! ({4}) Machen Sie endlich Schluss mit Zahlungen an Hedge­fonds, an Holdings, an Kapitalinvestoren! Helfen Sie der bäuerlichen Landwirtschaft, nicht der Agrarindustrie! Wir brauchen eine breite Eigentumsstreuung, und wir brauchen Chancen für neue Betriebe. Führen Sie endlich ein Transparenzregister für Unternehmensbeteiligungen auf dem Bodenmarkt ein! Regulieren Sie endlich die sogenannten Share Deals, die Anteilskäufe! ({5}) Ein Allerletztes noch: Uns vielen Rentenberechtigten ohne Hofabgabe die Rente weiter zu verweigern, Frau Ministerin, ist schlicht und einfach unsäglich schäbig. ({6}) Mit seinem Urteilsspruch zur Abschaffung der anachronistischen Hofabgabeklausel hat das Bundesverfassungsgericht klar und deutlich Position bezogen. Schlimm genug, dass sich die Alterskasse weigert, dem Folge zu leisten. Wollen auch Sie als Ministerin das höchste Gericht ignorieren? Beenden Sie doch endlich diesen jahrzehntelangen elendigen Rentenbetrug an unseren alten Bäuerinnen und Bauern! Die Hofabgabeklausel gehört auf den Misthaufen der Geschichte. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Marlene Mortler, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Marlene Mortler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003596, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gleich, erstens, zu Friedrich Ostendorff: Wer hat denn im Bundesrat dafür gesorgt, dass es keine Lösung bei dem Thema betäubungslose Pferdekastration gibt? Die Grünen! ({0}) Zweitens: Klimawandel. Es ist einfach und billig, der Landwirtschaft allein die Schuld am Klimawandel in die Schuhe zu schieben. ({1}) Aber selbst wenn die Landwirtschaft in Deutschland ihre Produktion zu 100 Prozent einstellen würde, würde das – das wissen wir – nichts daran ändern, dass Klimawandel einfach stattfindet. ({2}) Drittens: zur FDP. Wir von der CSU haben nicht kopiert, wenn es um das Thema Risikomanagement geht, sondern wir haben schlichtweg kapiert, dass Ad-hoc-Hilfen das eine sind, aber dass wir in Zukunft ein tragfähiges Risikomanagement brauchen, damit die Betriebe endlich Planungssicherheit haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ministerin, Respekt und Anerkennung allen, die diesen Regierungsentwurf für das Jahr 2019 auf den Weg gebracht haben! Besonderer Dank gilt Ihnen, liebe Frau Klöckner. Dieser Entwurf ist nachhaltig, er ist zukunftsorientiert, er setzt aus meiner Sicht wegweisende Signale. Er orientiert sich außerdem an den Vorgaben eines ausgeglichenen Haushalts, also seriöse Arbeit, und was mich besonders freut, ist die hohe Solidarität mit unseren Altenteilern in der Landwirtschaft und den aktiven Landwirten. ({3}) Als Berichterstatterin im Bereich Agrarsozialpolitik möchte ich deshalb den Bundeszuschuss für die LUV, die Landwirtschaftliche Unfallversicherung, ganz besonders erwähnen. Es ist nicht selbstverständlich, dass der Bundeszuschuss wieder auf 178 Millionen Euro angehoben worden ist. Das bedeutet in der Summe eine Entlastung für die Betriebe von im Schnitt 34 Prozent. Das ist deshalb wertvoll, weil dieses Geld zu 100 Prozent beim jeweiligen Betrieb ankommt. Dass der Strukturwandel – das heißt, die Betriebsaufgaben – seit Jahrzehnten anhält, wissen wir, und das besorgt mich auch. Umso wichtiger ist es, dass der Bund die Defizithaftung, also den Differenzbetrag zwischen den Einnahmen und den Ausgaben, liebe Frau Schulte, in der Alterssicherung der Landwirte, auch in Zukunft – sprich: dauerhaft – übernimmt. Das gilt auch für die Leistungsaufwendungen für die Altenteile in der Landwirtschaftlichen Krankenversicherung. Weil unser Sozialstaat stark ist, erhalten unsere Bauern und Bäuerinnen von dieser Regierung auch ihren Anteil. Danke schön. ({4}) Sehr geehrte Frau Bundesministerin, als Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft freue ich mich, dass künftig mehr Geld gezielt in die Verbraucherinformation fließt; denn wir leben in einer Zeit, in der jeder als Ernährungsexperte gilt, der den Mainstream verabscheut und verurteilt. Deshalb ist eine verlässliche und neutrale Verbraucheraufklärung umso wichtiger. Dass es beim Ernährungsverhalten um weit mehr als um die bloße Nahrungsaufnahme und schlichtweg darum geht, satt zu werden, ist für mich essenziell. Machen wir uns doch ehrlich: Wie, wo und was kaufen wir ein? Wie bereite ich zu? Wie verzehre ich? Das Handy neben dem Teller ist inzwischen doch vielfach wichtiger als das Essen auf dem Teller geworden. Wie bereite ich nach? Resteverwertung! Mal Hand aufs Herz: Wer hat auf seinem Handy die App „Beste Reste – Zu gut für die Tonne“? – Gitta Connemann, Peter Bleser und ich. Dann sind wir schon mal drei. Das ist ein hervorragendes In­strument. ({5}) Das heißt, wir reden nicht nur, wir handeln, wir setzen das zu Hause in der Praxis auch um. Meine Damen, meine Herren, nicht nur bei der Kita- und Schulverpflegung – das möchte ich auch nochmal betonen –, sondern auch bei der Einrichtung von Vernetzungsstellen für die gesunde Ernährung von Senioren sollen die Bundesländer in Zukunft unterstützt werden. Das ist ein toller Ansatz und ein starkes Zeichen. Ein genauso starkes Zeichen ist aus meiner Sicht, dass der Haushaltsansatz im Bereich GAK – Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ – im Zusammenhang mit dem Sonderrahmenplan und dem BULE, dem Bundesprogramm Ländliche Entwicklung, auf insgesamt 895 Millionen Euro aufgestockt wird. Ich darf an dieser Stelle im Namen aller Bürgerinnen und Bürger – besonders auch der Menschen im ländlichen Raum – ein dickes Dankeschön sagen. ({6}) Bauer sein ist nicht irgendein Job, Bauer sein ist für viele nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung. ({7}) Bauern hängen an ihrer Scholle und an ihren Tieren, und alle Bauern – schwarze Schafe lassen wir weg – haben ein hohes Interesse, dass es ihren Tieren gut geht. Gerade in diesen Wochen treibt es aber die Sauenhalter, die Ferkelerzeuger um. Sie fragen sich: Lässt uns die Politik ins Messer laufen? Wenn die Politik keine Lösung beim Thema Ferkelkastration findet, dann werden und müssen viele Betriebe aufhören, vor allem die kleineren. Es herrscht teilweise wirklich Endzeitstimmung. Ich will nicht, dass wir diesen Betrieben ihre Zukunftsperspektiven nehmen; denn wenn die Ferkelerzeugung aus unserem Land abwandert, dann kommen die Ferkel zu uns, die wir im Grunde genommen auch nicht haben wollen. Deshalb freut es mich, dass der Minister aus Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, einen Brief an alle seine Ministerkollegen für den Bundesrat geschrieben und appelliert hat: Wollen wir mal nicht ideologisch, sondern in der Sache entscheiden! Wir sind es unseren Bauern und unseren Bäuerinnen schuldig. ({8})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Marlene Mortler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003596, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wollen wir dazu beitragen, dass diese momentane Verweigerungshaltung aufgelöst wird und der Strukturwandel in unserem Land nicht weiter angeheizt wird? In einer Sache bin ich mir mit vielen Rednerinnen und Rednern einig: Wir müssen uns genau überlegen, welche Landwirtschaft wir in Zukunft wollen.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Frau Kollegin.

Marlene Mortler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003596, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Anonyme Kapitalgesellschaften, die landwirtschaftlichen Grund und Boden als Geldanlage, als Handelsware, als Objekt betrachten? Oder auch in Zukunft den Bauern um die Ecke, der dafür sorgt, dass wir jeden Tag Essen von hoher Qualität auf dem Tisch haben? In diesem Sinne: Danke. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Mittag, SPD-Fraktion. ({0})

Susanne Mittag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vorneweg: Es ist natürlich erfreulich, dass dieser Haushalt für das Jahr 2019 eine Steigerung um mehr als 200 Millionen Euro vorsieht. Das ist schon mal ganz gut. Als Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion wird der ganze Haushalt natürlich von mir unter folgenden Gesichtspunkten gescannt: Was haben wir denn an Gutem für Tiere darin? Welche tierschutzrelevanten Ansätze finde ich da? Da gibt es natürlich Licht und Schatten. Man fängt ja immer positiv an. Ich fange also mit dem Licht an. Da geht es um das staatliche Tierwohllabel. Bei der einen oder anderen Schilderung habe ich festgestellt: So richtig im Thema sind sie alle noch nicht. Im Haushalt sind erst einmal 33 Millionen Euro für die Öffentlichkeitskampagne vorgesehen, eine breit angelegte Informationskampagne, um das Tierwohllabel bei Landwirten, im Handel und bei Verbrauchern bekannt zu machen, und zwar ein staatliches Label. Ein staatliches, dauerhaftes und verlässliches Label braucht eben eine langfristige Aufbauphase. Das ist eine Investition in die Zukunft, bis es einen größeren Bekanntheitsgrad – man sagt auch „Durchsetzungsgrad“ – hat und von vielen Verbrauchern genutzt wird und sie sich sicher darauf verlassen können. Das, was wir bis jetzt an Labels haben, ist alles nur marktwirtschaftlich und kann jederzeit wieder vom Markt verschwinden. Dieses Label soll nicht nur Verbrauchern nutzen, sondern vor allem auch Landwirten, die mit ihren Produkten bessere Preise erzielen könnten. Auch das Verramschen von Fleisch soll irgendwann mal ein Ende haben. ({0}) Erstmalig geht es um die gesamte Wertschöpfungskette, von der Haltung bis zur Schlachtung inklusive Transport. Es geht ums ganze Tier, nicht nur ums Kotelett, sondern um das gesamte, auch das verarbeitete Tier. Das sind immerhin 80 Prozent, die bislang noch nicht gelabelt sind. Ich denke, das ist ein Riesenfortschritt. Das Tierwohllabel ist also ein erster wichtiger Schritt, um erhebliche Verbesserungen in erster Linie für Tiere, aber auch für Verbraucher und eben auch für Landwirte zu erreichen. Dafür gibt es im Haushalt Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung. Aber das Tierwohllabel wird ja noch erarbeitet und soll erst 2019 in die Umsetzung kommen. Insofern sind wir da noch gar nicht fertig. Jetzt waren wir beim Licht, und nun wird es ein bisschen schattiger: Wir kommen zu den kleinen Huftieren, zu Schafen und Ziegen. Finanziell geht es den Schäfern in Deutschland nämlich sehr schlecht – das kann nicht länger ignoriert werden –, seien es die Wanderschäfer, die über keine eigenen Flächen verfügen und nicht in den Genuss von EU-Flächenzahlungen kommen, seien es die Schäfer, die für unsere Deichsicherheit zuständig sind, und zwar Fluss- und Seedeiche. Sie betreiben naturnahen Hochwasserschutz, der in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger wird. Man denke einmal an Starkregen und Hochwasser, die in immer kürzeren Abständen kommen. Die Schäfer sind alle Teil einer nachhaltigen Landwirtschaft. Woran liegt es bloß, dass sie derartig ignoriert werden? Sind sie zu wenige? Sind sie nicht laut genug? Ich denke, da muss bis zur zweiten und dritten Lesung im Haushalt ein bisschen nachgebessert werden. Wenn wir schon bei Licht und Schatten bleiben, dann wird es jetzt richtig stockduster: Wir kommen zur Zufinanzierung von Tierheimen in Deutschland. Der Wille dazu wurde im Koalitionsvertrag geäußert. Leider ist im Haushalt zur Umsetzung nichts zu finden. Es ist nichts drin, obwohl die Situation der allermeisten Tierheime in Deutschland äußerst angespannt ist. So, jetzt kommen die Zwischenrufe: Das ist eine kommunale Aufgabe. – Aber der Internethandel mit exotischen Tieren und der illegale Welpenhandel boomen seit Jahren. Die Tiere kommen über die Grenze per Auto, per Flugzeug, per Paket. Wenn diese Tiere glücklicherweise bei Kontrollen von der Polizei sichergestellt worden sind, dann muss das nächstgelegene Tierheim zusehen, wie es damit klarkommt. Dabei geht es um viele Welpen und viele exotische Tiere. Schuppentiere unterzubringen, ist nicht ganz einfach. Dieser Handel läuft immer weiter: Beim Flughafen Frankfurt oder beim Flughafen München werden bei Aufgriffen immer wieder Tiere sichergestellt. Das sind Auswüchse der organisierten grenzüberschreitenden internationalen Kriminalität. Damit müssen wir uns im Bund endlich auch im Bereich der Landwirtschaft auseinandersetzen. Deswegen müssen die davon betroffenen Tierheime auch langfristig unterstützt werden, damit sie damit klarkommen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner ist der Kollege Christian Haase, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Christian Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004286, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst zu Herrn von Gottberg. Er ist zwar nicht mehr anwesend, aber er hat gesagt, er sei sprachlos, weil es für das Bundesamt für Risikobewertung 23 Millionen Euro mehr gibt. Einige im Hause haben zwar gesagt, es sei nicht schlimm, wenn die AfD sprachlos ist. Ich will ihn aber beruhigen: Es sind nur 11,2 Millionen Euro, und es hat dazu eine Organisationsuntersuchung durch ein externes Unternehmen gegeben. Es geht dabei um eine verantwortungsvolle Personalausstattung des Bundesamtes. Aber die Menschen scheinen Ihnen an dieser Stelle egal zu sein. Nun zur Sache. Eine aktuelle Umfrage des Instituts Infratest lässt aufhorchen. Demnach leben nur 20 Prozent der Befragten am liebsten in der Großstadt. Für jeweils doppelt so viele Menschen ist entweder die Kleinstadt oder sogar das Leben auf dem Dorf ihre erste Wahl. Das sollte uns zu denken geben. Wir machen hier in diesem Hause Politik für das gesamte Land. Viel zu lange haben sich die großen Debatten auf die richtige Politik für die großen Städte konzentriert. Wohnungsmangel, Akademisierung, Migrationsprobleme: All das betrifft eher städtische Gebiete. Dabei lebt nur ein Drittel der deutschen Bevölkerung in dichtbesiedelten Gebieten. Im ländlichen Raum fühlen sich dagegen immer mehr Menschen abgehängt von der gesellschaftlichen Entwicklung. Es ist daher gut und richtig, dass wir mit dem vorliegenden Regierungsentwurf den ländlichen Raum stärker in den Blick nehmen. Den GAK-Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“, den wir mit dem Haushalt 2018 eingeführt haben, wollen wir auf 150 Millionen Euro aufstocken. ({0}) Damit setzen wir ein zentrales Versprechen aus dem Koalitionsvertrag um. Damit Bund und Länder dieses Geld effektiv einsetzen können, sollten wir bei einer Reform der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ nicht lockerlassen. Die Länder haben hierzu einen ersten Entwurf erarbeitet. Das Fachministerium und das Finanzministerium sind jetzt gefordert, darauf zu reagieren. Unser zweites Instrument neben der GAK ist das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung, das wir von 55 Millionen auf 70 Millionen Euro erhöhen werden. ({1}) Die Modellvorhaben bringen unser Land wirklich vo­ran. Das Modul Land(auf)Schwung ist bereits ein großer Erfolg. Auch bei den Projekten Land.Digital und LandKULTUR sehe ich große Potenziale. Es folgen nun Land Mobil, Land Nahversorgt, Land Gesundheit, Land Start-up und Land Ehrenamt. Sie sehen: viel Bewegung im ländlichen Raum und viele gute Ideen. So kommen wir unserem Ziel näher, dass unsere ländlichen Gebiete lebenswert bleiben. Bisher ist aber der Mittelabfluss in diesem Programm alles andere als zufriedenstellend. Die zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung muss langsam auf Touren kommen. Ich verstehe natürlich, dass die fachliche Prüfung der Förderanträge aufwendig ist und die BLE personell am Limit. Daher sollte die angekündigte Ausschreibung für einen externen Dienstleister jetzt endlich erfolgen. Überhaupt werden wir uns mit der Bundesanstalt noch intensiv beschäftigen müssen. Aus der Organisationsuntersuchung sind erste Schlüsse zu ziehen, und das zeitnah. Hier ist das Finanzministerium – Stichwort „Entfristung von Stellen“ – gefragt, nicht weiter auf der Bremse zu stehen. ({2}) Wenn ich den Finanzminister heute Morgen richtig verstanden habe, hat er das auch angekündigt, und ich hoffe, dass er seinen Worten nun auch Taten folgen lässt. Aber zurück zum Bundesprogramm Ländliche Entwicklung. In den Bereichen gesellschaftlicher Zusammenhalt, Kultur bzw. Verbraucherschutz wollen BMI, BKM und BMJV gezielt den ländlichen Raum in den Blick nehmen. Solange die Mittel auf dem Land ankommen, ist es mir recht, dass auch andere Ressorts auf einen kleinen Teil der 1,5 Milliarden Euro aus den prioritären Maßnahmen zugreifen können – aber bitte schön dann nur für neue Projekte! Bestehende Programme für den ländlichen Raum einfach umlackieren und dann mit Geld aus dem Landwirtschaftsetat bezahlen: Das werden wir nicht mitmachen. ({3}) Meine Damen und Herren, wo wir gerade beim Stichwort „Verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern“ sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen, das Krisenmanagement des Ministeriums zu loben. Ministerin Klöckner hat sich in der Dürrekrise von niemandem treiben lassen, sondern ruhig und sachlich eine verantwortungsvolle Entscheidung herbeigeführt. Erst mit dem vorliegenden Erntebericht konnten wir das Ausmaß der Dürreschäden seriös einschätzen. Am Ende sind die Nothilfen in Höhe von 170 Millionen Euro genau die richtige Entscheidung. Wenn das von der AfD kritisiert wird, dann möchte ich daran erinnern: Das hat etwas mit dem Verfassungsrecht zu tun, das hat etwas mit dem Föderalismus zu tun. Aber solche Dinge sind Ihnen ja völlig egal. Hauptsache, Sie können „Skandal!“ rufen. ({4}) Ich möchte noch die Digitalisierung in der Landwirtschaft ansprechen. Das ist ein gewaltiges Thema für die Zukunft unserer Landwirtschaft. Erste Studiengänge zu diesem Thema sind am Standort der Hochschule OWL in Höxter bereits eingerichtet. Hier wird der Sustainable Campus Höxter entwickelt. Er soll neben der bestehenden Ausrichtung zukünftig die besonderen Herausforderungen des ländlichen Raums adressieren und den Fokus stark auf die Digitalisierung der Landwirtschaft und die Freiraumgestaltung legen. In der Landwirtschaft wird eine vielfältige und große Menge an Daten bereits seit vielen Jahren erhoben. Eine Nutzung mit Mehrwert ist jedoch noch nicht für alle beteiligten Partner möglich. Dabei ist davon auszugehen, dass die Automatisierung auch die Landwirtschaft, ihre Maschinen und Prozesse in den kommenden Jahren deutlich verändert. Zudem wandelt sich aufgrund der zunehmenden Zahl autonomer bzw. hoch automatisierter Maschinen die Rolle des Landwirts hin zu mehr analysierender und planender Arbeit mit Schwerpunkten im Management und Optimierung der Betriebs- und Ablaufplanung. Unterstützt werden die Anbauprozesse durch digitale Karten, welche die Planung der Bewirtschaftungsmaßnahmen erlauben, sowie durch Kameras und Sensoren, welche Beikraut und Stresszustände der Ackerbaupflanzen erkennen. Durch gezielte Ausbringung von Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmitteln oder den gezielten Einsatz von mechanischen Verfahren zum Pflanzenschutz kann der Ertrag erhöht, der Aufwand an Betriebsmitteln reduziert und die Umweltverträglichkeit gewährleistet werden. Dies erfordert Erfassung, Aufbereitung und Nutzung ortsbezogener Daten. Idealerweise kommt es zu einer automatisierten Just-in-time-Maßnahme gegen Schädlinge etc., sofern eine Sensorik unmittelbar mit der pflegenden Maschine gekoppelt ist. Insgesamt sind wir mit diesem Haushaltsentwurf sehr gut aufgestellt. Solides, nachhaltiges Wirtschaften und gleichzeitig ein Blick in die Zukunft, so sieht ein gelungener Haushalt aus. Aber natürlich gibt es noch immer etwas zu verbessern. Deshalb freue ich mich auf die gemeinsamen Beratungen. Vielen Dank. ({5})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Herr Kollege. – Der letzte Redner am heutigen Tag: der Kollege Rainer Spiering, SPD-Fraktion. ({0})

Rainer Spiering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004410, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor allen Dingen: Liebe junge Leute oben auf den Tribünen! Um Sie geht es. Wir alle haben diesen Sommer und seine Folgen beobachtet. Herr Kollege Haase, ich kann Ihnen nur recht geben: Das Kompliment, das Sie den beiden Ministerien, dem BMEL und dem Finanzministerium, ausgesprochen haben, ist absolut gerechtfertigt. Für mich ist es vor allen Dingen deshalb gerechtfertigt, weil sie etwas getan haben, was für mich absolut wichtig ist. Der Souverän hat souverän entschieden und sich nicht treiben lassen. Alle diejenigen, die überbordende Forderungen gestellt haben, sollten nun in sich gehen, die Zahlen, die uns nun vorliegen, anschauen und nüchtern überdenken. ({0}) Ich finde, dass die Ministerin zusammen mit dem Finanzminister das gut geregelt hat. Ich freue mich darüber, dass es so gut funktioniert hat und dass die Mittel ordnungsgemäß angekommen sind. ({1}) Um die Frage der Souveränität geht es mir aber sowieso. Ich erlebe in meinem Land – ich mag es sehr –, dass es Zweifel des Souveräns, des Volkes, an der Souveränität von Regierungen gibt. Deswegen ist es ganz wichtig, dass Ministerien wie das BMEL und das Finanzministerium das Hand in Hand gemacht und bewiesen haben, dass wir gut sind und dass wir ordnungsgemäß abwickeln können; darum geht es. Es geht um die eine große Währung: Vertrauen. Ich finde, es lohnt sich, darum jeden Tag zu streiten. Die heutige Debatte hat mich erfreut, weil hier in großen Zügen konstruktive Vorschläge gekommen sind. Diese müssen nicht jedem schmecken. Aber vom Grundsatz her waren es sehr gute und konstruktive Vorschläge. Diese sollten wir aufnehmen. Lassen Sie mich nun etwas zu meinem Lieblingsthema sagen, zur Digitalisierung. ({2}) Ich möchte gleich einschränkend sagen: Digitalisierung ist die Zurverfügungstellung von Physik. Das ist nicht Aufgabe des BMEL. Dafür sind andere Ministerien zuständig. Was das BMEL seit zwei Jahren mithilfe des Parlaments – es hat Mittel bekommen – tun kann, ist, sich um Big Data zu kümmern. Dabei geht es wieder um Souveränität. Es geht um die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger. Es geht um die Souveränität der Landwirtschaft. Es geht um die Souveränität von uns allen, frei von äußeren Einflüssen zu entscheiden. Deswegen, liebe Frau Ministerin, würde ich Sie dringend bitten, am Ball zu bleiben und dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland über die Souveränität der Daten entscheidet und nicht Monsanto, SAP, IBM oder wie sie alle heißen. Sorgen Sie dafür, dass wir die Souveränität der Daten behalten. ({3}) Zur Souveränität gehört auch, dass wir souverän darüber entscheiden können: Was passiert mit unserem Grund und Boden? Ich habe durch verschiedene Vorträge, die ich gehört habe, gelernt: Boden vergisst nicht. – Deswegen mahne ich an und fordere Sie auf – es sind zwei Seiten derselben Medaille –: Erkennen Sie den Wert von unserem Grund und Boden, und sorgen Sie für den Schutz desselben. Ich glaube, dass das Bundesumweltministerium und das Ernährungsministerium sehr gut zusammenarbeiten können, vor allen Dingen, wenn es darum geht, sich mithilfe von Big Data auszutauschen und die Rahmenbedingungen festzulegen, unter denen wir das alles gut hinbekommen. Ich bin der festen Überzeugung: Wir können das gut hinbekommen: den Schutz unserer natürlichen Grundlagen und eine vernünftige, gute, funktionierende Landwirtschaft. Das ist auch ein Signal des heutigen Tages aus dem Parlament: dass wir das leisten können. Dafür bin ich ausgesprochen dankbar. ({4}) Das andere große Thema: die Fördermittel der GAP. Bis zum heutigen Tage hat mir keiner belegen können, welch segensreicher Zustand es sein soll, wenn man Geld zahlt, um den Besitz von Grund und Boden zu belohnen. Das ist kontraproduktiv. Das ist gegen Innovation. Das ist gegen Fortschritt. Lassen Sie uns die Mittel der GAP nehmen, um Landwirten punktgenau zu helfen, damit sie mit den Tieren, die sie haben, gut umgehen können, damit sie ihren Acker gut bestellen können. Es gilt, die Bedingungen, die wir haben, zusammenzuführen. Das geht nicht, wenn man den Besitz von Fläche belohnt. Das geht nur, wenn man Taten belohnt. ({5}) Ein letzter Hinweis. Wir haben große Probleme bei der Vermarktung von Produkten. Hier ist heute häufig angesprochen worden, dass wir uns in der Hand einer allbeherrschenden Einzelhandelswirtschaft befinden. Da kann man gegenhalten. Wir haben eine, finde ich, ganz tolle Pflanze in Deutschland – wir haben viele tolle Pflanzen –: die solidarische Landwirtschaft. Ich finde das als Einrichtung ganz, ganz toll, weil es nämlich für regionale Vermarktung sorgt und weil die solidarische Landwirtschaft als Institution dafür sorgt, die Interessen städtischer Bürger und der Landwirtschaft vor Ort zu bündeln. Frau Ministerin, es wird Sie nicht wundern, wenn ich neben der Digitalisierung noch etwas gefunden habe, was mein Herz sehr anrührt: Das ist die solidarische Landwirtschaft; das wird Sie bei einem Sozialdemokraten nicht wundern. Ich halte sie für ein sehr förderungswürdiges Objekt, ({6}) weil sie zwei Sachen zusammenbringt, die zusammengehören, nämlich die Städte und den ländlichen Raum. Deswegen lassen Sie uns diese wunderbare Entwicklung in der Landwirtschaft entsprechend fördern. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Herr Kollege. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, 12. September 2018, 9 Uhr, ein. Bleiben Sie fröhlich. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.53 Uhr)