Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Große Koalition hat der Bevölkerung bereits für das Jahr 2018 und damit für diesen Haushalt klare Zusagen gemacht.
Wir haben erstens zugesagt: Es gibt mehr Stellen für die Polizei und für die Sicherheitsbehörden, und es gibt mehr Mittel für Ausrüstung und Ausstattung.
Wir haben zweitens zugesagt: Wir investieren auf Rekordniveau in die Integration und stärken die Ordnung der Migration.
Wir haben drittens versprochen: Wir stellen für Bau und Wohnen erhebliche Mittel zur Verfügung, vom sozialen Wohnungsbau über die Städtebauförderung bis zum Baukindergeld.
Wir haben schließlich versprochen: Es wird gewichtige Aufwüchse in den Bereichen Digitalisierung, IT und Cybersicherheit geben.
Ich kann heute bei der Beratung meines Haushalts feststellen: In all diesen Punkten haben wir Wort gehalten. Dieser Haushalt ist vor allem ein Haushalt für die nationale Sicherheit. Ich bin dem Parlament sehr dankbar dafür, dass es die entsprechenden Mittel bereitstellt.
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Meine Damen und Herren, eine meiner ersten Amtshandlungen war der Besuch des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg.
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Ich möchte wiederholen, was ich dort nach diesem Besuch, der mich auch dank der dort erhaltenen Berichte und Darstellungen sehr beeindruckt hat, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesagt habe: Dort wird heute eine gute Arbeit für unser Land in einem ganz wichtigen Bereich geleistet, und ich bin entschieden dagegen, dass das mögliche Fehlverhalten an anderer Stelle allen Beschäftigten des Bundesamtes zur Last gelegt wird.
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Eine zweite Bemerkung hierzu: Vor meiner Amtszeit, und zwar deutlich vor meiner Amtszeit, hat es Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten in der Außenstelle Bremen gegeben. Die Mitarbeiterin wurde vor meiner Amtszeit suspendiert, und vor meiner Amtszeit hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen.
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Dritte Bemerkung: Ich habe mich mit dem Fall beschäftigt und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass natürlich die Aufklärung möglicher strafrechtlicher Sachverhalte Aufgabe der Justiz ist, dass ich aber den Vorgang zum Anlass nehme – das habe ich in meinem Hause angeordnet –, dass auch das Bundesamt im Hinblick auf die Organisation und das System geprüft wird, um der Frage nachzugehen, ob sich systemische Mängel ergeben, die zu Veränderungen führen müssen. Ich habe den Bundesrechnungshof gebeten, dies zu prüfen. Der Bundesrechnungshof ist fraglos eine unabhängige Institution. Der Bundesrechnungshof hat dankenswerterweise dieser Bitte entsprochen. Er hat mittlerweile, also vor einigen Tagen, mit dieser Prüfung begonnen. Diese Prüfung erstreckt sich übrigens nicht nur auf das Bundesamt, sondern auch auf das Ministerium, das ich führe. Die Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes zeigt sich schon an der Tatsache, dass ich Ihnen heute nicht mitteilen kann, wann diese Prüfung abgeschlossen sein wird, weil meine Bitte, mir doch einen Endtermin zu nennen, vom Bundesrechnungshof immer damit beantwortet wird, er sei eine unabhängige Stelle. Das respektiere ich auch.
Aber ich halte fest: Vor meiner Amtszeit gab es die staatsanwaltlichen Ermittlungen, in meiner Amtszeit habe ich als eine meiner ersten Amtshandlungen die Systemüberprüfung durch den Bundesrechnungshof veranlasst.
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Hinzu kommt, dass das Bundesamt selbst alle Bescheide in Bremen noch einmal überprüft. Das ist eine sachgerechte Aufarbeitung einer Angelegenheit.
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Untersuchungsausschüsse gehören offensichtlich zu meinen politischen Erfahrungen; ich bin in meinem ganzen politischen Leben von ihnen begleitet worden – in München und Bonn genauso wie jetzt hier.
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Ich habe das gestern von der FDP und den Grünen so aufgefasst, dass sie mir mitteilen: Wenn, dann. – Ich darf Ihnen sagen: Für mich ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses keine Bedrohung. Wenn sich das Parlament dazu entschließt, würde ich es ausdrücklich begrüßen,
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dass diese Dinge parlamentarisch aufgearbeitet werden. Das ist meine Haltung zu diesem Thema.
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Die zweite eigenartige Diskussion der letzten Tage betrifft einen wichtigen Punkt aus unserem Koalitionsvertrag: die AnKER-Zentren. Als jemand, der sowohl die Jamaika-Verhandlungen als auch die Verhandlungen mit der SPD jede Stunde, buchstäblich Tag und Nacht, miterlebt hat, kann ich das Urteil fällen, dass wohl kein Bereich des Koalitionsvertrages so intensiv, so im Detail – manchmal auch sehr heftig – diskutiert und entschieden wurde wie der Bereich der Migration, der Zuwanderung und alle Fragen, die damit zusammenhängen. Das gilt ganz besonders für die AnKER-Zentren.
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Ich war in den letzten Tagen sehr überrascht, dass gerade Leute, die in einer kleineren Arbeitsgruppe jeden Satz, jedes Wort auf diesem Feld ausgehandelt hatten, mich auffordern, ich sollte der Öffentlichkeit einmal erklären, wie die AnKER-Zentren aussehen sollen.
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Es gibt dazu zwei Denkschulen. Die eine Denkschule sagt: Das ist doch gar nichts Neues. Das haben wir bei uns im Bundesland bereits. – Dann dürfte es auch keine Schwierigkeit sein, das Vorhandene als AnKER-Zentrum zu benennen. Die andere Denkschule sagt: Der Bundesinnenminister soll endlich mal sagen, wie er sich das vorstellt.
Ich muss allen einmal ein Kompliment machen, die in diesem Punkt – AnKER-Zentren – die Koalitionsverhandlungen geführt und Festlegungen erzielt haben; denn die Festlegungen sind unheimlich intelligent. Wenn man sie noch einmal nachliest, stellt man fest, dass sie deshalb intelligent sind, weil jede Einzelheit, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, im Koalitionsvertrag festgelegt wurde.
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Ich habe mir das einmal herausgeschrieben, weil man sich manche Diskussionen bei uns im Lande gar nicht erklären kann, wenn man die Fakten nachvollzieht.
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Sie alle wissen, dass die Asylverfahren durch die AnKER-Zentren schneller und rechtssicher gemacht werden sollen. Wir haben jetzt die Situation: Menschen, die zu uns kommen, werden im ganzen Land verteilt. Die Verfahren haben eine Zeit lang sehr lange gedauert. Wir alle wissen aus der Praxis – ich habe das zehn Jahre als Ministerpräsident erlebt –, wie schwierig es ist, wenn man Menschen, die man über das ganze Land verteilt hat, die im Laufe der Zeit Wurzeln in den Gemeinden, in den Städten schlagen, nach einer Zeit wieder zurückführen möchte, weil sie keinen Schutzstatus bekommen.
Der Zweck von AnKER-Zentren ist, dass man die Menschen nicht in großen Lagern, sondern in überschaubaren Einrichtungen versammelt, um dort gebündelt die Verfahren schnell und sicher durchzuführen.
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Das wäre ein großer Fortschritt für unser Land.
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Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass in den AnKER-Zentren versammelt sein sollen – ich lese vor –: das BAMF, über das ich gerade sprach, die Bundesagentur, die Jugendämter, die Justiz, die Ausländerbehörden und andere.
Zuständigkeit und Trägerschaft werden durch einen Vertrag zwischen Bund und dem jeweiligen Land festgelegt. Ich möchte nämlich nicht, dass jedes Land identisch handeln muss. Ich möchte, dass die Idee realisiert wird; aber das eine Land wird sagen: „Die Ausländerbehörden kommen in die AnKER-Zentren“, andere Länder sagen: „Die Ausländerbehörden bleiben außerhalb der AnKER-Zentren“. Ähnlich ist es bei den Verwaltungsgerichten: Die einen sagen: „Die Verwaltungsrichter setzen wir in die AnKER-Zentren“, und die anderen wollen das nicht. Das kommt immer auf die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern an, und da bin ich für flexible Lösungen zu haben.
Es ist klar geregelt, dass die Identitätsfeststellung – das ist ein Riesenproblem –, einschließlich der Altersfeststellung in den AnKER-Zentren erfolgen, und zwar auch für unbegleitete Minderjährige; das ist auch ein Riesenfortschritt gegenüber dem Istzustand. Die Aufenthaltszeit ist geregelt: Für Familien 6 Monate, für alle anderen 18 Monate. Die Verteilung ist geregelt: Es werden nur diejenigen mit einer Bleibeprognose verteilt, für alle anderen gilt die sofortige Rückführung. Künftig wird der Abschluss eines Asylverfahrens mit dem Beginn des Abschiebeverfahrens zusammenfallen.
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Wir haben festgelegt, dass die freiwillige Rückführung Vorrang vor der Abschiebung hat und dass bei einer Abschiebung unterschieden werden muss, ob die Gründe für die Verhinderung bei der Person liegen oder nicht und dass bei verschuldeter Abschiebungsverhinderung entsprechende Konsequenzen bei der Leistung getragen werden müssen. Das ist alles geregelt. Deshalb verstehe ich die Diskussion nur sehr eingeschränkt.
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Meine Damen und Herren, ich möchte das Parlament darauf hinweisen, dass die Länder Türkei, Bulgarien und Griechenland im Moment wieder steigende Flüchtlingszahlen verzeichnen. Wenn wir das, was wir im Koalitionsvertrag geregelt haben, nicht umsetzen, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir auf absehbare Zeit das Land in Europa bleiben, das mehr Flüchtlinge aufnimmt als alle europäischen Mitgliedsländer zusammen und das im Grunde genommen nur noch in sehr bescheidenem Umfang Menschen ohne Bleibestatus zurückführen kann. Das möchte ich nicht. Deshalb lege ich größten Wert darauf, dass wir den Koalitionsvertrag auch im Punkt AnKER-Zentren umsetzen.
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Wir haben eine sehr erfreuliche Entwicklung bei der Sicherheit. Wir haben die geringste Kriminalitätsrate seit 30 Jahren.
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Das verdanken wir unserer Polizei, auch unserer Bundespolizei. Ich habe vor zwei Tagen die Zentrale in Potsdam besucht. Ich kann Ihnen sagen: Was ich dort an Leidenschaft bei den Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen gerade jungen Alters erlebt habe, wie sie zu unserem Staat stehen, wie sie darauf stolz sind, dass sie unsere Sicherheit, unsere Freiheit und unseren Rechtsstaat schützen, nötigt mir großen Respekt ab.
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Ich habe bei diesem Besuch zugesagt, dass wir die Zentrale der Bundespolizei in Potsdam ausbauen. Die Unterbringungsmöglichkeiten sind dort noch sehr bescheiden. Von ehemals 800 Polizeibeamten an diesem Standort wollen wir auf 1 800 Beamte aufwachsen. Dies sage ich hier stellvertretend für die gesamte Polizeiorganisation in Deutschland. Das ist ein Beispiel, wie ein politisches Ziel, ausreichend Polizeibeamte, auch für die Zukunft, zum Schutz unseres Landes auszubilden, mit einem anderen Ziel, nämlich der Verbesserung der Strukturen – die Strukturpolitik ist in der Heimatabteilung meines Ministeriums angesiedelt –, zusammenfällt: Wenn wir jetzt in Potsdam einen wichtigen Dienstleistungsbereich wie den der Polizeiführung ausbauen und damit Generationen sichern, weil die Mitarbeiter wissen wollen, ob dieser Standort auf Dauer bleibt, dann hat dies eine große Bedeutung nicht nur für die Stadt Potsdam, sondern für das ganze Land Brandenburg und auch für den ländlichen Raum im Einzugsbereich. Das ist eine wichtige Entscheidung, auf die wir schauen müssen.
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Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bin jetzt, wie die Regierung auch, gerade einmal zwei Monate im Amt. Wir haben alles auf den Weg gebracht. Es ist entweder entschieden oder irreversibel auf den Weg gebracht. Das Gesetz über den Familiennachzug von subsidiär Geschützten ist vom Kabinett beschlossen. Die Ausweisung weiterer sicherer Herkunftsstaaten geht in diesen Tagen in die Ressortabstimmung und wird noch vor der Sommerpause hier im Parlament landen.
Ich werde Ende Mai, spätestens Anfang Juni dieses Jahres der Öffentlichkeit meinen Masterplan für die Steuerung, Begrenzung und Rückführung von Migranten vorstellen. Wir werden Ende August, Anfang September die ersten Piloteinrichtungen für die AnKER-Zentren in Betrieb nehmen.
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Wir haben die notwendigen Mittel für das Bauen der 1,5 Millionen Wohnungen bereitgestellt. Das Baukindergeld ist von beiden Koalitionsfraktionen in der Klausur der Fraktionsspitzen für dieses Jahr und in diesem Jahr beschlossen worden. Das wird uns weit nach vorne bringen. Ich als zuständiger Innenminister hatte bereits in meinem Haus einen Wohnungsgipfel initiiert. Ich treffe nächste Woche die Vertreter des deutschen Sports zu einem Spitzengespräch. Ich war auch mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände beieinander, weil mein Haus auch für die Kommunalpolitik Verantwortung trägt. Wir haben die Heimatabteilung eingerichtet. Daher kann ich nach zwei Monaten sagen: Es ist alles im Lauf.
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Es ist alles entschieden. Das Bundesinnenministerium liefert. Ich freue mich auf die Debatte der Gesetze im Einzelnen hier im deutschen Parlament und bedanke mich noch einmal für die Unterstützung, die ich, Herr Hauptberichterstatter, in den Berichterstattergesprächen zum Haushalt bisher erfahren habe.
Herzlichen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gottfried Curio, AfD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Abgeordnete! Herr Minister, die SPD beklatschte Ihre Darstellungen nicht. Zwei Ressorts im Innenetat: innere Sicherheit, Migration. Wo Geld fehlt, für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, wird geknausert. Wo wir Kosten und Gefahren vermeiden könnten, beim rechtswidrigen Import von Hunderttausenden kulturfremden Kostgängern, da schöpfen wir aus dem Vollen mit ganzen Umsiedlungsprogrammen.
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Recht auf die eigene Sicherheit? Recht am selbsterworbenen Wohlstand? Fehlanzeige! Was hier bei innerer Sicherheit skandalös fehlt, wird dort beim deutschen Weltsamaritertum gerne verschwendet. Das ist Veruntreuung. Man schüttet nicht Geld in ein Fass ohne Boden.
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Der EU-Migrationskommissar will 70 Millionen Migranten nach Europa holen. In Afrika sitzt die halbe Subsahara auf gepackten Koffern. Die Deutschen sollen wieder zum Selbsteintritt weichgekocht, moralisch erpresst werden. Deshalb erfindet die Kanzlerin schon einmal tiefe Schuld gegenüber Afrika, und die Union schreibt sich „Resettlement“, Umsiedlung, ins deutsche Wahlprogramm.
Was ist das für ein Staat, der 2017 allein mehr Menschen aufnimmt als alle anderen EU-Staaten zusammen, der Abschiebeverweigerer weiter alimentiert, der die Grenze gleich ganz offen lässt? Offenbar ein Staat, der nicht mehr willens ist, Recht und Gesetz durchzusetzen! Wer seinen Haushalt berechnen will, schließt erst einmal die Haustür.
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Der komplett ausgesetzte Familiennachzug für subsidiär Geschützte wird unter Herrn Seehofer wieder eingeführt.
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Die SPD will Familiennachzug für Gefährder.
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Statt Ausweisung also jetzt Papa Gefährder, Mama Gefährder und die Gefährderbambini.
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Diese Kleinen gehen natürlich zum staatlichen Werteunterricht und hinterher zu Papas Enthauptungsunterricht. Die GroKo hat ein Programm zur Terroristennachwuchsförderung. Sicherheit der Bürger war gestern. Vorrang jetzt: Wohlergehen von Gefährdern.
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Die Migranten, meist ohne Schulabschluss und Berufsausbildung, bleiben Leistungsempfänger. Wir riefen Flüchtlinge, und es kamen Fachkräfte fürs Ausplündern der Sozialsysteme:
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über 20 Milliarden Euro jährlich, Kosten nach oben offen. Der GroKo-Vertrag kennt keine Obergrenze. Der Bürger versteht es nicht, wenn illegale Grenzverletzer unbekannter Herkunft das Gleiche erhalten wie deutsche Arbeitslose. Das bedingungslose Grundeinkommen gibt es schon – für Ausländer.
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Wer Fluchtursachen bekämpfen will, winkt nicht mit Vollversorgung. Also: Sammelunterkunft statt Wohnung, Sachleistung statt Bargeld.
Falsche Herkunfts- und Altersangaben, Identitätsverweigerung: „Wer betrügt, fliegt“? Eben nicht, Herr Seehofer. Das BAMF hat für die Hälfte der Fälle keine verlässlichen Daten. Stattdessen wissen wir jetzt: Wer Betrug aufdeckt, fliegt. – Die Beamtin, die den vollen BAMF-Skandal meldet, wird sofort versetzt. Die BAMF-Zentrale vertuscht. Der Minister schwieg. Klärungsbedürftig!
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Wer aus sicheren Gebieten über sichere Länder kam, muss zurück, und temporär Schutzbedürftige sind eben nicht zu integrieren, sondern baldmöglichst zurückzuführen; aber 90 Prozent werden geduldet. Die Abschiebezahlen sinken sogar. Die Leute werden vorgewarnt, leisten Widerstand. Die Gerichte werden mit Hunderttausenden Verfahren überschwemmt, Rechtspositionen verfallen. Wer sechs Monate verzögert, macht Deutschland zuständig. Wer lange genug weitermacht, bekommt die Duldung. Müssen Ausreisepflichtige nicht mehr ausreisen, müssen ja wohl Steuerpflichtige auch nicht mehr Steuern zahlen.
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Bei der Darstellung der Kriminalstatistik ist die Union wieder für Vollverschleierung – und zwar der Wahrheit. Hat die Lage sich nämlich entspannt? Hunderttausende Verfahren werden mangels Personal schlicht nicht bearbeitet, Straftaten schon gar nicht mehr angezeigt. Ein wahres Konjunkturprogramm für Kriminalität: die massenhafte Zuwanderung – Ausländerkriminalität überproportional.
Früher haben wir die Polizei gerufen, heute rufen die ihre Cousins. Mancherorts arbeitet die Polizei nur noch als Hundertschaft, Bürger meiden bereits aufgegebene Orte. Es sind so viele Schutzbedürftige ins Land gekommen, dass jetzt die Deutschen schutzbedürftig sind.
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In Gefängnissen gibt es eine neue Fremdsprache: Deutsch. Und man erwartet Revolten. Rathausmitarbeiter sollen Kurse belegen: in Selbstverteidigung, Juden keine Kippa tragen, Frauen bestimmte Viertel meiden; Stadtfeste nur noch mit Polizeiaufgebot, Einlasskontrollen, Merkelpollern, Videodrohnen. Keine Frage: Deutschland ist sicherer geworden.
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In Ellwangen stellen 200 Illegale ein Ultimatum, drohen mit Bewaffnung, die Polizei hat Todesangst. In Donauwörth werden Polizisten mit Eisenstangen attackiert, hundert Afrikaner schreien: „We are here and we will fight.“ In Deutschland herrscht wieder Faustrecht. Wann brach der Damm? Unter Merkels Regierung. Wann explodierte die Messerkriminalität? Unter Merkels Regierung. Wann ging das Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaats verloren? Unter Merkels Regierung.
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Wer die Grenzen nicht schließt, ist für jede Vergewaltigung und jedes Messermassaker mitverantwortlich.
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Regierungsstatement gestern: Israel habe das Recht und die Pflicht, die Sicherheit seiner Grenzen und seiner Bürger zu schützen. – Aha! Herr Minister, 2015 hat Ihr Vorgänger die Bundespolizei angewiesen, geltendes Recht nicht anzuwenden, rechtmäßige Zurückweisung an der Grenze zu unterlassen. Wir fordern Sie hier und heute auf: Heben Sie diese Ministeranordnung auf! Kehren Sie zum Recht zurück! Dann braucht es keine AnKER-Zentren. Die Herrschaft des Unrechts – tragen Sie sie nicht weiter mit, beenden Sie sie!
Ich danke Ihnen.
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Nächster Redner ist der Kollege Martin Gerster, SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte jetzt meine gesamte Redezeit opfern, um auf die Behauptungen und auf die Hetze meines Vorredners einzugehen.
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Ich finde, es gibt Wichtigeres.
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Das Innenministerium, werte Kolleginnen und Kollegen, hat neben dem Verteidigungsministerium einen sehr personalintensiven Haushalt mit insgesamt fast 70 000 Beschäftigten. Bei den Sicherheitsbehörden, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, beim Statistischen Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsamt und beim Beschaffungsamt wird viel Personal benötigt, vor allem sehr gutes Personal.
Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geeinigt, die Zahl der Arbeitsverträge mit sachgrundloser Befristung zurückzuführen. Wir von der SPD meinen: Der Bund soll und muss mit gutem Beispiel vorangehen. Herr Seehofer, wir haben beim Berichterstattergespräch schon darüber gesprochen. Ich will noch einmal an Sie appellieren: Das Bundesinnenministerium muss hierbei Vorreiter sein. Es gibt dort zu viele sachgrundlose Befristungen. Die erste und beste Voraussetzung für qualitativ hochwertige Asylbescheide beim BAMF ist nämlich, wenn sich die Beschäftigten nicht ständig um die Zukunft ihres eigenen Arbeitsplatzes sorgen müssen.
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Werte Kolleginnen und Kollegen, im Bereich der Migration und Integration müssen alle Koalitionspartner schmerzhafte Kompromisse eingehen, die wir auch gemeinsam tragen wollen, so wie wir sie beschlossen haben. Beim Ziel eines möglichst zügigen, aber gleichzeitig auch gründlichen Asylverfahrens sind wir uns einig. Alle, die bei uns Schutz suchen, sollen schnell Klarheit darüber bekommen, ob sie eine Perspektive in Deutschland haben oder nicht. Ich finde es gut, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer für neue Fälle beim BAMF bei mittlerweile unter zwei Monaten liegt. Auch der Bestand an Altfällen konnte größtenteils abgebaut werden. Das heißt, unsere Maßnahmen haben Erfolg. Das bedeutet aber auch, dass sich der Schwerpunkt unserer Politik ein Stück weit verlagert. Deswegen haben wir die Mittel für Integrations- und Orientierungskurse in nur wenigen Jahren verdreifacht; denn eine gelungene Integration ist nicht nur richtig, sondern, wie ich finde, auch die beste und eine sehr günstige Sicherheitspolitik.
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Wir haben auch Verbesserungen bei der Vergütung der Lehrkräfte erreicht, Stichwort: gute Arbeit. Motivierte Lehrkräfte und Kontinuität in den Kursen erhöhen die Erfolgschancen nicht nur bei der Abschlussprüfung, sondern bei der Integration insgesamt.
Werte Kolleginnen und Kollegen, bei der inneren Sicherheit wurde gespart? Von wegen: Wir haben bereits 2016 und 2017 wesentliche Beschlüsse auf den Weg gebracht. Mit den sogenannten Sicherheitspaketen verschaffen wir, die Große Koalition, der Bundespolizei allein in diesem Jahr über 1 850 neue Stellen. Dazu kommen weitere neue Stellen unter anderem beim Bundeskriminalamt, beim Verfassungsschutz. Damit stärken wir die Sicherheitsbehörden des Bundes in bisher ungekanntem und vor wenigen Jahren vermutlich sogar unvorstellbarem Ausmaß.
Gut, dass die SPD mitregiert; denn in der vorletzten Legislaturperiode, von 2009 bis 2013, als die Union noch zusammen mit der FDP regiert hat, wurden hier 1 000 Stellen abgebaut. Das zeigt: Es macht sehr wohl einen großen Unterschied, wer in Deutschland regiert.
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Werte Kolleginnen und Kollegen, nun zum Baubereich, der in der neuen Bundesregierung unter dem Dach des Innenministeriums eine neue Heimat gefunden hat.
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Ein gutes Zuhause ist bekanntlich mitentscheidend für ein gutes Leben. Jeder will Sicherheit, auch für die eigenen vier Wände. Deshalb ist es richtig, dass wir das KfW-Programm zur Förderung von Maßnahmen der Einbruchssicherung fortführen.
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Allein im letzten Jahr sind nahezu 80 000 Wohneinheiten gefördert und dadurch einbruchssicherer geworden. Ich finde, das ist ein großer Erfolg.
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Mehr Sicherheit brauchen Mieterinnen und Mieter aber auch bei den Mietpreisen. Mieten müssen in den Metropolen bezahlbar bleiben, aber auch – das sage ich mit Blick auf meine Heimat in Oberschwaben – in ländlichen Regionen. Deswegen finde ich es gut, dass unsere Ministerin Katarina Barley die Verschärfung der Mietpreisbremse noch vor der Sommerpause auf den Weg bringen wird.
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Gleichzeitig führen wir die schon unter Barbara Hendricks massiv erhöhte Städtebauförderung mit über 700 Millionen Euro und die Förderung des sozialen Wohnungsbaus mit 1,5 Milliarden Euro auf sehr, sehr hohem Niveau fort.
Werte Kolleginnen und Kollegen, viele Familien haben auch den Traum von einer eigenen Wohnung oder einem eigenen Haus. Zu den bestehenden Förderprogrammen der KfW kommt nun das Baukindergeld. Viele bauwillige Familien warten, Herr Seehofer, auf die Details. Wann kann man es beantragen? Wann bekommt man den Förderbescheid? Es reicht als Antwort nicht, wenn man sagt: noch vor der bayerischen Landtagswahl. Ein bisschen konkreter muss es in Kürze sein. Wir brauchen hier zügig Klarheit; denn es gibt dazu viele Anfragen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei aller Begeisterung für das Baukindergeld ist es mir unglaublich wichtig, auch an andere Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zu erinnern Wir haben uns gemeinsam darauf geeinigt – ich will das ganz gezielt erwähnen –, dass wir unbedingt das Wohngeld anpassen müssen, damit Menschen nur dann aus dem Bezug herausfallen, wenn es ihnen wirtschaftlich tatsächlich deutlich besser geht, und nicht, weil sie durch eine Art kalte Progression einen eigentlich berechtigten Förderanspruch verlieren.
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Ich möchte an Sie, Herr Minister Seehofer, appellieren, hier zügig eine entsprechende Regelung vorzulegen, mit der das Wohngeld regelmäßig angepasst wird. Auch das ist ein Beitrag zu einer guten und sozialen Politik.
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Um es kurz zusammenzufassen: Der Haushaltsentwurf zeigt, dass unser Kompass stimmt; denn er ist ein richtig guter. Es geht um mehr öffentliche Sicherheit, mehr soziale Sicherheit, mehr emotionale Sicherheit – so hat es unser Finanzminister Olaf Scholz gesagt. Ich finde, er hat mit Blick auf den Einzelplan 06 recht.
Herzlichen Dank.
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Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Stefan Ruppert, FDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ist es mir ein Bedürfnis, dem ehemaligen Innenminister Thomas de Maizière für seine Amtsführung zu danken. Er hatte für mich in vielen Bereichen – nicht weil wir uns immer einig waren, sondern wegen der Art, wie er dieses Amt ausgeführt hat – durchaus Vorbildcharakter.
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Mich wundert dann schon, dass solche Minister scheiden müssen, während in Bereichen, in denen es nicht funktioniert, wie bei der Bundeswehr, die Ministerinnen bleiben dürfen.
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Ich fand es bemerkenswert, Herr Seehofer, wie Sie zwischen der Regierungserklärung vor wenigen Wochen und heute in einen für Sie ungewohnten Defensivmodus geraten sind. Damals haben Sie über Heimat, über Bauen, über neue Ideen gesprochen; heute folgte eine Verteidigung hinsichtlich der Vorgänge beim BAMF und der Frage, warum Sie mit der Umsetzung Ihrer Ankündigungen, die Sie zahlreich in die Welt gesetzt haben, etwa im Zusammenhang mit den AnKER-Zentren, nicht schneller vorankommen. Schade eigentlich, dass von dem Elan des Anfangs angesichts der Vorgänge in Bremen und andernorts schon jetzt so wenig übrig geblieben ist.
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Sie sagten ja, wir lebten in einer „Herrschaft des Unrechts“.
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Ich habe über diesen Satz immer wieder nachdenken müssen und finde, dass unser geltendes Recht ja keineswegs Unrecht ist, sondern gutes Recht.
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Wir würden uns also wünschen, dass Sie in Bezug auf die Vorgänge in Bremen und andernorts nicht von einer „Herrschaft des Unrechts“ sprechen, sondern das geltende Recht endlich wieder ordentlich durchsetzen und die Vorgänge in Bremen aufklären.
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Da verstört es natürlich schon, wenn diejenige, die sich die Aufklärung zum Anliegen gemacht hat,
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die Berichte ans Ministerium geschickt hat, die versucht hat, Kontakt aufzunehmen, nicht gehört, sondern strafversetzt wird. Offen gesagt, ist das eine Vorstellung von Aufklärung, der ich nicht folgen kann.
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Als Staatsrechtler habe ich schon häufig – auch als Quelle – Stellungnahmen des Normenkontrollrats gelesen. Ich muss sagen: Eine solch verheerende Stellungnahme wie die zum Familiennachzug, eine solch vernichtende Kritik an einem Gesetz habe ich von diesem eher feinen Gremium in der Vergangenheit noch nicht gehört. Ich glaube, Ihre Logik – 1 000 dürfen kommen – ist sogar Menschen, die weniger versiert sind als der Normenkontrollrat, als nicht sehr praktikabel aufgefallen. Hier müssen Sie dringend nacharbeiten. Das ist keine gute Konzeption, die Sie da vorlegen.
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Leider fehlte in Ihren Ausführungen heute eigentlich das Thema, das meine Mitbürger im Wahlkreis am meisten beschäftigt, nämlich das Bauen. Sie glauben nach wie vor an die Mietpreisbremse. Sie glauben daran, dass ein Gesetz verhindert, dass Mieten steigen, nicht ein Mehr an Angebot.
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Sie wählen mit dem Baukindergeld einen Mechanismus, der mir wenig steuerungseffektiv erscheint. Ich nehme einen ganz christlich-klassischen Lebenslauf wie den meinen, den Sie ja eigentlich schätzen: Ich kaufte ein Haus, bildete Eigentum
({10})
und wäre, obwohl ich damals, als ich Eigentum gebildet habe, noch sehr jung war, nie in den Genuss Ihres Baukindergeldes gekommen. Ich habe nämlich gesagt: Erst heirate ich meine Frau, dann kaufe ich eine Wohnung und vielleicht später ein Haus. Kinder bekommen meine Frau und ich zu einem Zeitpunkt, an dem ich längst Eigentum gebildet habe. Wir gehören also zu einer Gruppe, die niemals vom Baukindergeld profitieren wird, und das trotz des von Ihnen propagierten klassisch christlichen Lebenslaufs; denn das Eigentum wurde vorher gebildet.
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Unsere Vorstellung ist, einen Grunderwerbsteuerfreibetrag zu schaffen. Ich bin der Meinung: Das ist die wesentlich bessere Handlungsweise als das, was Sie vorschlagen.
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Ich komme zum Schluss. Ich fand Ihren Beitrag in der „FAZ“ zum Thema Heimat sehr lesenswert. Ich habe schon in den Beratungen im Ausschuss ausgeführt, dass Heimat nicht staatlich verordnet werden kann, aber es ist wert, darüber nachzudenken, wie wir gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.
Der Begriff Heimat darf nicht so klingen wie bei Asterix, wo Methusalix sagt: Ich habe nichts gegen Fremde, aber die da sind nicht von hier. – Das darf nicht die Heimatkonzeption des Innenministers werden; vielmehr muss es ein inklusives, ein plurales Heimatkonzept unter der Herrschaft des Grundgesetzes sein. Dann folgen wir Ihnen auf diesem Weg.
Herzlichen Dank.
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Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Victor Perli, Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Womit haben wir diesen Innenminister verdient? Herr Seehofer redet von gesellschaftlichem Zusammenhalt, aber nahezu jede seiner Aussagen spaltet das Land.
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Er redet von innerer Sicherheit, aber er stärkt das Unsicherheitsgefühl. Er redet von Wohnen als großer sozialer Frage, aber er macht nichts gegen Mietenwahnsinn und die Verdrängung aus den Städten.
Dagegen ist er sehr spendabel, wenn es um 100 zusätzliche Stellen für sein Ministerium und um das Aufrüsten der Sicherheitsbehörden geht. Die Ausgaben für Polizei und Geheimdienste sollen um 200 Millionen Euro steigen, nachdem sie bereits im Vorjahr um 250 Millionen Euro gestiegen sind. Das ist fast eine halbe Milliarde mehr. Das Geld wird in diesem Bereich falsch verteilt.
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Die Linke ist für eine gute Ausrüstung und Bezahlung der Polizei, aber wir sind nicht einverstanden mit dem Hochrüsten von Spezialeinheiten, mit dem Einsatz von Staatstrojanern und einer staatlichen Datensammelwut. Wir wollen nicht, dass die Polizei mit Geheimdienstkompetenzen ausgestattet wird und militärische Waffen tragen muss.
({2})
Die Linke will eine Sicherheitspolitik, die vor Angst schützt, und keine, die den Leuten Angst macht.
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Deshalb ist es gut, dass in Bayern Zehntausende gegen das Polizeiaufgabengesetz protestiert haben.
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Dieses Gesetz will der Minister zur Vorlage für die ganze Republik machen. Das heißt, jeder von uns darf von der Polizei auf allgemeinen Verdacht hin ausgeschnüffelt werden, unsere Mobiltelefone, Post und Pakete. Polizisten sollen auch noch Handgranaten tragen. Dazu sagen wir: Nein danke! Das ist in Bayern Wahnsinn, und das ist auch im Rest der Republik Wahnsinn.
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Herr Seehofer, zu einem anderen ernsten Thema. Es ist kürzlich mit Ihrem Ministerium zu einem Vorfall gekommen, der mich wirklich fassungslos gemacht hat; die Zehntausenden, die das in den sozialen Medien verfolgt haben, auch. Mitte April waren wir entsetzt über einen gewalttätigen Angriff auf einen arabischen Israeli, der eine Kippa trug. Die Redaktion von „Jung & Naiv“ hat der Regierung danach in der Pressekonferenz die einfache Frage gestellt: Gehört das Judentum zu Deutschland? Ihre Sprecher konnten diese Frage nicht beantworten; in der ersten Bundespressekonferenz nicht, in der zweiten Bundespressekonferenz auch nicht. Danach wurde schriftlich rumgeeiert. Das ist wirklich unfassbar.
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Merken Sie gar nicht, was für spalterische Signale Ihre Äußerungen zu Religionsgruppen ins Land aussenden?
Herr Seehofer, Sie sind Verfassungsminister. Es gilt die Religionsfreiheit. Die Ausgrenzung ganzer Religionsgruppen ist ein verheerendes Zeichen für dieses Land.
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Kommen wir nun zum Baubereich. Die Bundesregierung versagt hier seit Jahren. Wohnungsnot, wohin wir sehen, Mieten, die ins Astronomische schießen. Nun erklären Sie das Wohnen zu einer wichtigen Frage. So weit, so gut. Aber was sagt der Haushalt? Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau bleiben im Vergleich zum Vorjahr unverändert. 2019 wollen Sie sie sogar um ein Drittel kürzen, um eine halbe Milliarde Euro. Das ist unfassbar und zeigt, dass Sie den Ernst der Lage nicht verstanden haben.
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Bundesweit fehlen 4 Millionen Sozialwohnungen. Kaum eine Krankenschwester kann sich heute eine Wohnung in Innenstadtlage leisten. Familien geben die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aus. Gleichzeitig sind die Hürden für das Wohngeld zu hoch. Nicht alle, die darauf angewiesen wären, bekommen ihren Antrag bewilligt. Um die Wohnungsnot zu bekämpfen, müssen 5 Milliarden Euro pro Jahr in bezahlbaren Wohnraum investiert werden. Dafür steht Die Linke.
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Statt etwas gegen die Explosion der Mieten zu tun, stellen Sie – das hat für Sie höhere Priorität – 400 Millionen Euro für ein Baukindergeld ein. Damit unterstützen Sie zunächst Gutverdienende beim Eigenheimbau.
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Das ist Zynismus nach dem Motto: Wenn ihr euch die Mieten nicht leisten könnt, dann kauft euch doch eine Wohnung.
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Zusammengefasst: Es ist höchste Zeit, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und soziale Spaltungen zu überwinden. Wer das will, der muss klotzen: für soziale Gerechtigkeit, für bezahlbaren Wohnraum, für Integration und gute Arbeit. Die Große Koalition macht genau das Gegenteil.
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Tobias Lindner, Bündnis 90/Die Grünen.
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Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Seehofer, es war bezeichnend, was Sie heute Morgen hier zum BAMF gesagt haben. Sie setzen sich an die Spitze einer Bewegung, die schon längst läuft. Sie haben angekündigt, den Bundesrechnungshof mit einer Untersuchung über das BAMF beauftragen zu wollen, Sie haben dabei aber verschwiegen, dass der Bundesrechnungshof bereits vor zwei Wochen im Berichterstattergespräch zu Ihrem Haushalt genau diese Untersuchung angekündigt hat. Also tun Sie nicht so, als wären Sie der Chefaufklärer.
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Viel interessanter als das, was Sie hier gesagt haben, ist, was Sie hier alles nicht gesagt haben. Nach dem, was wir heute Morgen in der Zeitung lesen konnten, stellt sich eine Frage: Was wussten Sie, und wann wussten Sie es? Darüber hätten Sie hier Auskunft geben sollen.
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Jetzt zu Ihrem Ministerium. Sie haben hier zum Thema Heimat gesagt: Die Heimatabteilung ist aufgebaut. Ja, das Problem ist nur, dass es genau damit schon erledigt ist. Schaut man in Ihren Haushaltsplan, stellt man fest, dass sich beim Thema Heimat genau zwei Dinge geändert haben: Eine Überschrift hat sich geändert. Das Kapitel „Sport und Ehrenamt“ heißt jetzt „Heimat, Sport und Ehrenamt“. Die andere Änderung sind 98 Stellen mehr. – Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wer so vorgeht – keinen Plan, aber 98 Stellen schaffen –, der kümmert sich weder um das Thema Heimat, noch geht er verantwortungsvoll mit Steuergeldern um.
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Sie haben eine Ressortverteilung vorgenommen, die eher an das Sammeln von Panini-Sammelbildchen für die Fußball-WM erinnert. Sie haben eine Staatssekretärsriege mit acht Männern aufgebaut. Daraus können Sie mehr als eine halbe Herrenfußballmannschaft bilden. Ein wirklich stimmiges Konzept für Integration und innere Sicherheit haben Sie im Zusammenhang mit diesem Haushaltsplan aber nicht vorgelegt, Herr Seehofer.
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Als wäre das noch nicht genug, hat eine Ihrer ersten Amtshandlungen, zwei Tage nach Ihrer Amtseinführung, auch noch gezeigt, dass Sie nicht nur ein Heimatminister sind, der keinen Plan hat, sondern auch einer, der spaltet, statt zusammenzuführen. 4 Millionen Muslimen in Deutschland, für die gestern der Ramadan begonnen hat, haben Sie erklärt, dass ihre Religion nicht zu diesem Land gehört.
Und als wäre das immer noch nicht genug, machen Sie aus Ihrem Haus auch noch eine Nebenwahlkampfzentrale der CSU, die nur ein Ziel hat, nämlich die Landtagswahl im Herbst irgendwie vernünftig über die Bühne zu bekommen.
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Sie sind immer noch CSU-Vorsitzender. Ihr Ministerpräsident lässt seltsame Bilder von sich mit Kreuz in der Hand verbreiten. Selbst ich als gläubiger Mensch frage mich da: Gehört so etwas nicht eher in einen schlechten Horrorfilm?
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Und Sie, Herr Dobrindt, haben in der letzten Woche in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ gesagt – ich zitiere wörtlich –: „2015 wurden unsere Grenzen überrannt …“ Sie waren 2015 Teil dieser Bundesregierung. Wenn Sie das ernsthaft glauben,
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wenn es Ihnen nicht um billigen Populismus ging, dann müssen Sie hier die Frage beantworten, warum die CSU nicht die Fraktionsgemeinschaft verlässt und warum Sie nicht aus der Großen Koalition aussteigen.
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Getoppt wird das alles noch durch ein Polizeiaufgabengesetz in Bayern, das innere Sicherheit dadurch gewährleisten will, dass Grundrechte mit Füßen getreten werden,
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und von dem sogar die Deutsche Polizeigewerkschaft sagt: Mit einer bürgernahen Polizei ist das nicht mehr in Einklang zu bringen.
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Ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Menschen in Deutschland haben etwas Besseres verdient als eine billige Nebenwahlkampfzentrale. Innere Sicherheit ist ein viel zu wichtiges öffentliches Gut, als dass man es irgendwelchen Schlagzeilen in Interviews preisgeben darf. Wir Grüne werden in den kommenden Haushaltsberatungen deutlich machen, wie wir innere Sicherheit gewährleisten, Humanität und Ordnung verbinden und dazu beitragen wollen, dass Integration in diesem Land gelingt.
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Wir wollen verhindern, dass Angstmacherei obsiegt.
Herzlichen Dank.
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Jetzt hat der Kollege Dr. Mathias Middelberg, CDU/CSU, das Wort.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will jetzt nicht so fortfahren, wie der Kollege Lindner eben gesprochen hat: als würden wir hier in einem Chaosstaat leben.
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Wir leben in einem der geordnetsten Länder – mit Rechtsstaat, mit Demokratie, mit Meinungsfreiheit –, in das viele Hunderttausend Menschen flüchten oder in das sie einwandern wollen, also in einem der Länder auf dieser Welt, die offensichtlich am besten regiert und geführt werden.
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Das entspricht überhaupt nicht der Darstellung, die Sie hier eben vorgetragen haben.
Ich komme zur Sache zurück. Auch im Kontext der Diskussion über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge möchte ich einige Dinge geraderücken. Kritik daran ist berechtigt; das ist ganz klar. Fehler hat es gegeben; auch das ist klar. Sie sollen aufgeklärt werden. Wir selbst haben das größte Interesse daran, dass die Dinge aufgeklärt werden. Denn wir haben ein veritables Interesse daran, dass dieses Amt einwandfrei und noch effizienter funktioniert. Das ist unser Interesse. Deswegen werden wir uns keiner Aufklärung und keiner Verbesserung verschließen.
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Nur, ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auch daran erinnern: Wir waren in den letzten drei Jahren in einer ganz besonderen, in einer extremen Situation. Dieses Amt hat in drei Jahren 1,6 Millionen Asylentscheidungen treffen müssen. Allein im letzten Jahr wurden hier in Deutschland über 500 000 – 524 000 – Asylentscheidungen getroffen. Das sind mehr als in allen anderen 27 EU-Staaten. Das sagt auch ein bisschen über die Leistungsanforderungen, aber auch über die Leistung, die dort erbracht wurde, aus. Man sollte bei dieser Gelegenheit also nicht alles schlecht- und herunterreden. Das haben die Mitarbeiter dieses Amtes nicht verdient.
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Auch was die Erfolgsquote der Klagen gegen Entscheidungen des Amtes angeht – da wird vieles durcheinandergebracht –, sollten wir etwas richtigstellen: Die Erfolgsquote dieser Klagen liegt im Moment bei 18 Prozent. Wenn man bedenkt, dass weniger als jeder zweite Bescheid überhaupt beklagt wird, dann muss man feststellen: Nicht einmal 9 Prozent der Entscheidungen des Bundesamtes sind solche, die in irgendeiner Form abgeändert oder revidiert werden müssen. Auch das sage ich, um die Dinge sachlich klarzustellen und sie in einen vernünftigen Kontext zu bringen.
Wir haben mittlerweile folgende Situation: Wenn man als Asylbewerber jetzt neu in dieses Land kommt, hat man in weniger als drei Monaten einen Bescheid. Nach weniger als drei Monaten wissen wir jetzt: Ist jemand asylberechtigt oder nicht? Auch das ist ein wichtiger Erfolg im Sinne aller Beteiligten. Das sollte man auch einmal positiv erwähnen, wenn wir heute über die Bilanz dieses Amtes sprechen.
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Was das weitere Prozedere angeht, ist der Familiennachzug schon angesprochen worden. Wir haben einen Entwurf durch das Kabinett gebracht. Wir werden im parlamentarischen Verfahren weiter über ihn diskutieren. Die Bedingungen sind sehr klar, und der Entwurf hält sich eng an den Koalitionsvertrag.
Uns ist wichtig, dass wir mit der Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten vorwärtskommen, insbesondere im Hinblick auf die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien, aber auch in Bezug auf Georgien. Es ist nicht hinnehmbar, dass viele Georgier die Visumfreiheit offensichtlich missbrauchen, um in Deutschland ohne jede Erfolgsaussicht Asyl zu beantragen und hier Leistungen in Anspruch zu nehmen, und wir gleichzeitig feststellen – auch das will ich ganz offen sagen –, dass die Georgier in unserer Kriminalstatistik leider eine relativ prominente Rolle spielen. Diese Dinge passen nicht zusammen. Da müssen wir zügig gegensteuern, und das erwarte ich von allen Beteiligten.
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Nun komme ich zu den AnKER-Zentren, die ja auch schon angesprochen wurden. Ich sage jetzt mal ganz ehrlich: Ich verstehe die ganze Aufregung an diesem Punkt überhaupt nicht. Mein Wahlkreis liegt in Osnabrück, in Westniedersachsen. Wenn ich ein paar Kilometer weiterfahre, dann bin ich in den Niederlanden. In den Niederlanden gibt es diese AnKER-Zentren seit Jahren. Sie trennen dort sauber und behalten die Antragsteller so lange in den AnKER-Zentren, bis die Verfahren entschieden sind. Alles das, worüber wir hier diskutieren, wird in den Niederlanden seit Jahren praktiziert.
Das wäre im Übrigen vielleicht auch mal ein Hinweis, den Sie dem zuständigen niedersächsischen Landesminister geben könnten, der jetzt Bedenken geäußert hat, als es darum ging, ob er die AnKER-Zentren in Niedersachsen haben möchte.
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– Er hat auch den Koalitionsvertrag mit ausgehandelt. Umso bemerkenswerter ist, dass hier jetzt Bedenken angemeldet werden.
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Ich sage ganz offen: Ich kann das überhaupt nicht verstehen; denn es ist offensichtlich, dass es zu einer deutlichen Beschleunigung der Verfahren führen wird, wenn die Behörden zusammengefasst und die Beteiligten vor Ort sind. Daran, dass das zu mehr Effizienz führen kann, haben wir keinen Zweifel.
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Da – das sage ich ganz ehrlich – würde ich von allen Beteiligten mehr Konsens in der Diskussion erwarten.
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Es gibt bei uns verschiedene Verfahren: Verwaltungsverfahren, Gerichtsverfahren mit mehreren Instanzen. Wenn eine Sache rechtskräftig entschieden wurde – das gilt für Verfahren aus fast allen Lebensbereichen –, akzeptieren eigentlich wir alle, was am Ende dabei herausgekommen ist. Nur im Bereich Asyl akzeptieren wir das Ergebnis dieser Verfahren in vielen Fällen offensichtlich nicht. Da – das muss ich ganz ehrlich sagen – fordere ich einfach mehr Konsens unter uns allen bei der Lösung dieser Probleme ein.
Herzlichen Dank.
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Jetzt hat das Wort der Kollege Marcus Bühl, AfD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne und vor den Bildschirmen! Die Regierung hat einen Haushaltsentwurf vorgelegt. Diesen gilt es in den nächsten Wochen zu beraten.
Sicherlich gibt es in dem Entwurf gute Ansätze. Die AfD begrüßt ausdrücklich die Aufstockung und Neueinstellungen im Bereich „Innere Sicherheit“ bei den Sicherheitsbehörden. Den Ankündigungen müssen nun aber endlich Taten folgen.
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Es klingt erst mal gut, dass die Bundespolizei neue Kräfte bekommt. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass diese Polizisten erst geworben und ausgebildet werden müssen, bevor sie der Bundespolizei zur Verfügung stehen. Gleichzeitig müssen sie mit Schutzkleidung und moderner Ausrüstung ausgestattet werden, und da bleibt noch eine ganze Menge zu tun.
Vor allem die Einsatzkräfte unserer Bundespolizei leiden unter hoher Überstundenbelastung, mangelhafter Ausrüstung und wenig Raum für Aus- und Fortbildung. Hinter vorgehaltener Hand äußern Beamte, dass es hoffentlich zu keiner großen Einsatzlage kommt, welche die derzeitigen Defizite offenbaren würde. Wollen wir wirklich hoffen, dass es zu keiner solchen Lage kommt.
Allerdings gilt es, für ein derartiges Szenario vorbereitet und einsatzfähig zu sein. Ob dafür die von der Bundeswehr ausgeliehenen 2 300 Titanhelme und schweren Schutzwesten ausreichen, bleibt dahingestellt. Ich wage das zu bezweifeln.
Haushaltsüberschüsse zu generieren und mangelnde Ausstattung bei unseren Sicherheitskräften: Das geht für mich nicht zusammen.
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Die AfD fordert hier, die Prioritäten bei den Haushaltsausgaben richtig zu setzen, das heißt für uns, unsere Sicherheitskräfte schon heute zu entlasten und nicht erst übermorgen.
In den ersten Wochen der neuen Regierung wurde viel über Begriffe – Zusammenhalt, Zusammengehörigkeit, Heimat – und darüber diskutiert, welche Religion zu Deutschland gehört oder nicht. Definiert, wohin die Reise mit dem neuen Bereich Heimat gehen soll, haben Sie, Herr Innenminister Seehofer, bisher nur sehr unzureichend. Es ist auch nicht ganz klar, ob die 98 neuen Beamten in diesem Bereich konkrete Aufgaben haben oder sich diese vielleicht erst selbst ausdenken müssen.
Wichtig ist aus meiner Sicht zudem, dass unsere ländlichen Räume nicht vergessen und nicht weiter abgehängt werden.
Wir hätten uns gewünscht, dass Heimat im Innenministerium als Heimatschutz verstanden wird. Aber vielleicht, Herr Seehofer, schließen Sie sich irgendwann heimlich unserer Position an und definieren Heimatschutz als Ihre Priorität. Und vielleicht gibt es dafür dann auch einen neuhochdeutschen „Masterplan“.
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Ein großer Anteil im Haushaltsentwurf umfasst das Dauerthema Integration und Migration. Wie wir das schaffen, schlägt sich vor allem in den Zahlen nieder. 2018 werden im Vergleich zum Vorjahr dafür 232 Millionen Euro mehr aufgewendet. Nun heißt mehr nicht unbedingt Mehrwert. Es gibt in diesem Hohen Haus bei diesem Thema sehr unterschiedliche Auffassungen.
Gestatten Sie mir, anhand eines Beispiels aufzuzeigen, wo wir Missstände abwenden müssen. 2018 sollen die Mittel für Integrationskurse auf 765 Millionen Euro anwachsen. 1 730 unterschiedliche Träger führen diese Integrations- und Sprachkurse durch. Die Kurse sind zu einem enormen Beschäftigungs- und Geschäftsmodell geworden und werden von den Befürwortern der Politik der offenen Grenzen vehement verteidigt, und deren Kritiker werden verhöhnt.
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Bei den Kursen fließt nur dann Geld an die Bildungsträger, wenn die Teilnehmer anwesend sind und das mit ihrer Unterschrift dokumentiert haben. Es bedarf keines Hellsehers, um zu erkennen, dass ein solches Konstrukt zum Betrug einlädt, zum Beispiel Unterschriften nachträglich zu leisten – oder zu Beginn – und dann nicht am Unterricht teilzunehmen. Beim kritischen Hinterfragen stellt sich dann auch heraus, dass viele Teilnehmer diese Stunden schwänzen.
Auch die düsteren Ergebnisse der Tests und Abschlussprüfungen belegen diese Missstände. Die Bildungsträger, die ihre Teilnehmerlisten ordentlich führen, erleiden einen finanziellen Verlust. Aber den eigentlichen finanziellen Schaden erleiden unsere Steuerzahler, die die 765 Millionen Euro hart erwirtschaftet haben.
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Die Praxis muss sich dahin gehend ändern, dass alle Bildungsträger ihre Teilnehmerzahlen ehrlich abrechnen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF, ist hier aufgefordert, die wissentliche Verschwendung von Steuergeld durch wirksame Kontrollen und Sanktionen zu bekämpfen.
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Lassen Sie mich abschließend sagen, dass wir als AfD die Modernisierung unserer Sicherheitsstruktur ausdrücklich unterstützen. Der wachsenden Bedrohungslage in unserem Land muss eine starke, moderne und gut ausgebildete Polizei gegenüberstehen. Sicherheit und das Gefühl, in unserem Land sicher zu sein, muss erklärtes Ziel aller politischen Akteure sein. Die Menschen erwarten von uns, dass wir ihnen mit Heimat nicht nur einen Begriff ins Schaufenster stellen, sondern Heimatschutz ernst meinen und alle notwendigen Maßnahmen dafür aktiv vorantreiben.
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Die AfD bietet hierfür ausdrücklich ihre Zusammenarbeit an.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Nächster Redner ist der Kollege Burkhard Lischka, SPD.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, rechts von mir sitzt er: der reichste Bundesinnenminister aller Zeiten. Fast 14 Milliarden Euro ist er schwer. Das ist eine tolle Sache. Damit kann man viele vernünftige Dinge tun: die Polizei auf die Straße schicken, die Polizisten modern ausstatten, Einbruchskriminalität bekämpfen, Asylverfahren beschleunigen und vieles andere mehr.
Man kann aber auch, wie das manchmal so ist – auch bei Menschen, die Geld haben –, auf der Nase landen, so wie ein überraschter Lottospieler, der auf einmal sechs Richtige hat, aber keine richtige Idee und keinen Plan hat, was er mit dem Geld machen soll.
Warum sage ich das jetzt? Ich will ein Beispiel nennen, Herr Seehofer, das Sie selber genannt haben, und zwar die AnKER-Zentren. Sie haben vorgestellt, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Das wissen wir Sozialdemokraten. Dazu stehen wir übrigens auch.
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Das ist alles richtig und notwendig. Es kann ja niemand etwas dagegen haben, dass über Asylverfahren zügig entschieden wird – und vielleicht auch etwas ambitionierter, als es die drei Monate, die der Kollege Middelberg genannt hat, wären. Man kann sich als Zielmarke zum Beispiel auch drei Wochen setzen.
Das ist alles richtig. Nur, was mich ein bisschen überrascht hat, Herr Seehofer, ist, dass Sie dann unter Hinweis auf den Koalitionsvertrag gesagt haben, es sei alles geregelt. Da stelle ich mir die Frage: Warum kündigt Ihr Haus seit Wochen ein Eckpunktepapier zu den AnKER-Zentren an? Bisher ist nichts gekommen. Sie sprechen seit Wochen über einen Masterplan in Sachen Asyl. Den hat aber bisher auch noch niemand gesehen.
Das geht übrigens nicht nur uns Sozialdemokraten so. Das monieren auch andere. Ihr Parteifreund, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, hat Sie vor wenigen Tagen öffentlich aufgefordert, endlich in die Pötte zu kommen und Ihren ganzen Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen. Wann, wo und wie viele AnKER-Zentren soll es denn nun geben? Woher soll das Personal kommen? Wie können konkret Verfahren und Rückführungen beschleunigt werden? Ja, auch wir Sozialdemokraten haben diese Fragen und warten auf Antworten. Dazu habe ich leider nichts Konkretes in Ihrer heutigen Rede gehört, Herr Seehofer.
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Einmal sind Sie allerdings konkret geworden, als Sie sich vor ein paar Tagen über die Medien geäußert haben. Sie haben vorgeschlagen, dass die Bundespolizei die AnKER-Zentren betreiben soll. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich persönlich halte das für keinen guten Vorschlag. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Wir haben in der Großen Koalition – übrigens vor Ihrer Zeit, nämlich in der letzten Legislaturperiode – damit begonnen, Tausende neue Stellen bei der Bundespolizei zu schaffen, damit die Bundespolizisten Präsenz zeigen, damit sie unsere Straßen und Plätze sicherer machen, damit sie die Alltagskriminalität bekämpfen und damit sie sich um unsere Grenzen kümmern, und zwar in einer Zeit, Herr Seehofer, wo manches Bundespolizeirevier hier in Deutschland nur mit halber Mannschaftsstärke arbeitet und die Kolleginnen und Kollegen der Bundespolizei Millionen Überstunden vor sich herschieben. Diese neuen Polizisten, Herr Seehofer, gehören auf die Straßen, von Brunsbüttel bis nach Konstanz, von Emden bis nach Zittau, und nicht an die Essensausgabe oder in die Verwaltungsstuben irgendwelcher Einrichtungen, für die es noch nicht einmal ein Konzept gibt.
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Wer das, was Sie vorgeschlagen haben, ernsthaft will, stärkt nicht die innere Sicherheit, sondern schwächt sie, weil diese Polizisten dann woanders fehlen.
Also, Herr Seehofer, machen Sie etwas Sinnvolles mit dem vielen Geld und den vielen neuen Stellen. Das gilt übrigens auch für die weiteren Bereiche, für die Sie verantwortlich sind, nämlich Bau und Heimat, wofür Ihnen über 4 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.
Apropos Heimat: Nachdem nun in den letzten Wochen wirklich alle Witze über Lederhosen, Maßkrüge und Heimatmuseen gerissen wurden, schlage ich vor, sich jetzt ganz konkret um das Thema Heimat zu kümmern. Denn da liegt tatsächlich manches im Argen, gerade im ländlichen Raum: geschlossene Kindergärten und Schulen, kein Arzt, kein Bäcker, kein Bus mehr, kaum Internet. In meiner Heimat, in Sachsen-Anhalt, liegt ein solcher Ort namens Schraplau. Er hat etwa 1 000 Einwohner. Dort haben in den letzten Jahren nach und nach zuerst der Zahnarzt, dann der Blumenladen und schließlich der letzte Lebensmittelhändler dichtgemacht.
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Folge war: Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr ist in Schraplau nicht einmal mehr jeder Zweite zur Wahl gegangen. Die Wahlbeteiligung lag bei katastrophalen 48,9 Prozent. „Warum auch?“, sagt ein Rentner aus Schraplau einem Journalisten. „Hier geht nichts mehr. Die Kinder sind drüben, die kommen eh nicht wieder. Was willste hier? Hier ist keine Arbeit und kein Geld.“ Wie es scheint, ein Ort der Abgehängten, wo nicht einmal mehr jeder Zweite der Politik irgendetwas zutraut. Deshalb gehen Menschen überhaupt nicht mehr zur Wahl. Das ist brandgefährlich für eine Demokratie.
Um solche Orte, Herr Seehofer, müssen Sie sich als Bundesheimatminister jetzt kümmern.
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Schaffen Sie in Zusammenarbeit mit den anderen Ministerien Förderanreize für Handwerker und kleine Unternehmen! Fördern Sie den öffentlichen Nahverkehr! Unterstützen Sie mobile Arztpraxen und den Breitbandausbau! Greifen Sie vor allen Dingen den vielen Ehrenamtlern gerade im ländlichen Raum, die in Heimatvereinen, Sportvereinen, bei Feuerwehren und beim THW aktiv sind, unter die Arme! Setzen Sie so Anreize für ein Leben auf dem Dorf!
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Machen Sie Lust auf ein Leben auf dem Land! Das wäre übrigens auch ein wichtiger Beitrag gegen den Mietenwahnsinn in unseren Großstädten. Wenn schon Heimatminister, dann richtig, Herr Seehofer.
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Nächster Redner ist der Kollege Konstantin Kuhle, FDP.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Es geht um Grenzziehungen und um Orientierungen, es geht darum den Raum der Zusammengehörigkeit gemeinsam zu definieren.
So schreiben Sie, sehr verehrter Herr Bundesminister Seehofer, in Ihrem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 30. April 2018 über Ihre sogenannte heimatbezogene Innenpolitik. Reden wir also über Orientierung, und reden wir über Grenzziehungen.
Wer im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern in diesen Tagen auf der Suche nach Orientierung ist, der wird nicht fündig, oder, um es mit den Worten des ehemaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière zu sagen: „Das deutsche Innenministerium ist jetzt schon extrem groß …“ Wir sprechen über ein Haus, das neben der öffentlichen Sicherheit, neben der IT-Infrastruktur, neben der IT-Sicherheit, neben öffentlichem Dienst, Sport, Staatsrecht und gesellschaftlichem Zusammenhalt nun auch noch für Heimat und für Bauen zuständig ist. Um es mit den Worten von Thomas de Maizière zu sagen: „Ich jedenfalls hätte mir diese Breite des Ressorts, wie die CSU sie anstrebt, nicht zugetraut.“
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Genauso fehlt es dann – das sieht man beim näheren Blick in den Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums – an Orientierung. Seit der Hochphase der Flüchtlingskrise fehlt es an Personal im BAMF. Wir haben erlebt, dass eine leitende Mitarbeiterin der Bremer Außenstelle über 1 000 Asylanträge bewilligt hat, obwohl kein Rechtsgrund dafür bestand. Darunter waren möglicherweise Asylanträge von Menschen, die eine terroristische Gefahr darstellen. Angesichts dieses Skandals muss doch die Aufklärung im BAMF die höchste politische Priorität der Bundesregierung haben.
Stattdessen hat die Bundeskanzlerin gestern hier an dieser Stelle ausgeführt, die Hausleitung des BMI habe erst Anfang 2018 davon erfahren, obwohl dieses Haus längst weiß, dass die ersten anonymen Hinweise bereits im Frühjahr 2016 eingingen.
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Die Bundeskanzlerin hat an dieser Stelle ebenso gesagt, man solle den Herrn Bundesinnenminister nicht nach weniger als 100 Tagen so schlecht bewerten und so unfair behandeln. Meine Damen und Herren, die CSU und die CDU führen seit über zwölf Jahren das Bundesinnenministerium, und sie sind offenbar nicht in der Lage, den Konflikt und die Unsicherheit im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu befrieden.
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Sehr verehrter Herr Bundesminister Seehofer, Sie haben hier beschrieben, dass es eine Überprüfung durch den Bundesrechnungshof geben soll. Diese Überprüfung ist seit Wochen angekündigt. Noch nach der Ankündigung dieser Überprüfung hat der ehemalige Chef des BAMF ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt. Sie sind offensichtlich nicht in der Lage, das BAMF zu befrieden, sondern sorgen für mehr Unsicherheit und mehr Verunsicherung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BAMF. Das muss sich nach einer zwölfjährigen Amtszeit der CDU und der CSU an der Spitze des BMI deutlich ändern.
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Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dem Kollegen Lischka für seine großartige Oppositionsrede von dieser Stelle aus danken.
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Denn er hat in bemerkenswerter Weise uns allen vor Augen geführt, wie groß der Konflikt und wie groß der Unterschied zwischen CDU/CSU auf der einen Seite und der SPD auf der anderen Seite bei der Einrichtung der AnKER-Zentren ist. Die Einrichtung der AnKER-Zentren ist eine gute Idee; aber es herrscht offenbar ein offener Konflikt zwischen dem Bundesinnenministerium und der Bundespolizei, zwischen der Bundesebene und den Ländern, zwischen Herrn Middelberg und Herrn Pistorius, sodass die Abspracheschwierigkeiten in der niedersächsischen Landeskoalition jetzt im Deutschen Bundestag gelöst werden sollen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Dr. Middelberg.
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Wir erleben, dass Herr Lischka hier offensichtlich die Unklarheiten aus dem Koalitionsvertrag im Plenum des Deutschen Bundestages klären möchte. Sorgen Sie dafür, dass hier Einigkeit besteht, und berufen Sie noch vor der Sommerpause mit den Kommunen, mit den Ländern einen nationalen Migrationsgipfel ein, um ein für alle Mal zu klären, wie diese AnKER-Zentren organisiert werden sollen.
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Laut Ihrem Gastbeitrag in der „FAZ“ ist Ihnen offenkundig nicht nur an Orientierung gelegen, sondern auch an Grenzziehung. So formuliert das Grundgesetz neben dem Auftrag, für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen – deswegen begrüßen wir ausdrücklich den schnellen Aufwuchs bei der Bundespolizei, den Mittelaufwuchs für die innere Sicherheit –, eben auch Grenzen für Handlungen des Staates. Diese Grenzen befinden sich in den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger. Da gibt es etwas, das die Vertreterinnen und Vertreter von CDU und CSU niemals verstehen werden: Zu diesen Grundrechten gehören die informationelle Selbstbestimmung und auch die Privatsphäre.
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Das, was Sie in Bayern mit dem neuen Polizeiaufgabengesetz machen, hat bundespolitische Relevanz, weil zu befürchten ist, dass dieses Polizeiaufgabengesetz zum Musterbeispiel für ein Musterpolizeigesetz wird. Diese Arroganz, diese Überheblichkeit, mit der gegen Menschen Stimmung gemacht wird, die für ihre Bürgerrechte auf die Straße gehen, wird Ihnen noch auf die Füße fallen.
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Deswegen ist die wahre drohende Gefahr doch die absolute Mehrheit der CSU in Bayern.
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Meine Damen und Herren, es wird immer wieder gesagt: Ich habe doch nichts zu verbergen. – Wer nichts zu verbergen hat, der hat ein verdammt trauriges Leben.
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Diese offene Gesellschaft lebt auch davon, dass Menschen einen Ort des Rückzugs, einen Ort der Privatsphäre haben, an dem sie für sich alleine sein können. Das muss auch auf Bundesebene wieder stärker berücksichtigt werden.
Vielen herzlichen Dank.
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Jetzt hat das Wort der Kollege André Hahn von der Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der erste Haushalt unter Minister Seehofer ist eine einzige Enttäuschung. Dort, wo dringend mehr getan werden müsste, wird nicht aufgestockt, sondern teilweise sogar noch gekürzt. Und dort, wo es in den letzten Jahren bereits massive und teils heftig umstrittene Mittelerhöhungen gab – wie bei den Geheimdiensten –, soll noch mehr Geld hineingepumpt werden. Wir als Linke halten das eindeutig für den falschen Weg.
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Wer aber wissen will, welchen Kurs der neue Minister einschlagen will, der muss nur nach Bayern schauen, wo Horst Seehofer bis vor kurzem Ministerpräsident war. Dort wurde – es ist bereits mehrfach angesprochen worden – gerade ein neues Polizeigesetz beschlossen, das nahezu alles aushebelt, was bislang Grundkonsens in diesem Land war, und einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts komplett ignoriert.
Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ hat das auf den Punkt gebracht – Zitat –:
Das neue Polizeiaufgabengesetz ist das schärfste, umfassendste, grundrechtefressendste Polizeigesetz der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte.
Eine imaginäre drohende Gefahr ohne konkreten Anfangsverdacht soll für die Polizei künftig ausreichen, um Grundrechte auszuhebeln, Telefone abzuhören, Post zu öffnen, Computer auszuspähen. Schlimmer noch: Menschen, die bislang gar nichts getan haben, können ohne jede richterliche Beteiligung für drei Monate quasi vorsorglich weggesperrt werden. Wo sind wir eigentlich hingekommen?
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Wenn der Bayer Horst Seehofer jetzt ein Musterpolizeigesetz für ganz Deutschland ankündigt, dann kann jedem Demokraten nur angst und bange werden.
Wir brauchen auch nicht immer mehr zusätzliches Personal bei der Polizei und den Geheimdiensten, zumal Hunderte bereits bewilligte Stellen nach wie vor unbesetzt sind.
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Eine Stärkung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik zum Schutz von Bürgern und Wirtschaft ist richtig; mehr Geld für den Verfassungsschutz brauchen wir jedoch ganz sicher nicht.
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Das gilt auch für die Pläne des Bundesnachrichtendienstes, für mehr als 500 Millionen Euro eigene Überwachungssatelliten ins Weltall zu schicken. Was für eine gigantische Geldverschwendung! Der wird Die Linke niemals zustimmen.
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Dabei gäbe es andere Felder, wo die kleine GroKo Akzente setzen könnte. Wo aber sind die spürbaren Aufstockungen für die Integration von Geflüchteten in den Kommunen jenseits der Sprachkurse? Wo sind sie beim Katastrophenschutz, bei den Feuerwehren, beim Technischen Hilfswerk? Wo bleibt die deutliche Anhebung beim sozialen Wohnungsbau oder auch beim Sport? Nicht zuletzt hier hätte man Zeichen setzen können.
Was haben wir stattdessen? Die ohnehin umstrittene Spitzensportreform steht vor dem Aus. Die Frankfurter Erklärung des Deutschen Olympischen Sportbundes vom 9. Mai ist eine Ohrfeige für die Bundesregierung; denn eines dürfte doch wohl klar sein: Ohne finanzielle Unterlegung wird die angestrebte Leistungssportreform definitiv scheitern. Deshalb muss die Bundesregierung das schon für Anfang 2017 angekündigte Finanzkonzept endlich auf den Tisch legen. Dazu gehören klare Aussagen zur Verbesserung der Situation der Trainerinnen und Trainer ebenso wie die Absicherung der dualen Karriere für die Spitzensportler und auch ein eigenes Budget für eine wirklich unabhängige Athletenvertretung.
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Und natürlich ist es höchste Zeit, die bisherigen Benachteiligungen des paralympischen Sports endlich zu beenden und die Mittel für den Behindertensportverband deutlich anzuheben. Das werden wir mit Sicherheit unterstützen.
Fazit: Wir als Linke setzen eindeutig andere Prioritäten als Union und SPD. Wir brauchen in unserem Land ganz sicher nicht mehr Geld für Geheimdienste, sogenannte AnKER-Zentren und polizeiliche Aufrüstung, sondern ausreichend Mittel für Bildung, Prävention und sozialen Ausgleich. Der vorliegende Etatentwurf leistet dazu leider keinen Beitrag.
Herzlichen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Konstantin von Notz, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist irgendwie Bergfest an diesem Donnerstagmorgen in dieser Haushaltswoche, der erste relevante Aufschlag in der 19. Wahlperiode. Ich darf der Großen Koalition nach Scholz, Merkel und Seehofer mal sagen: Es ist ein sehr müder
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und ein sehr träger und ein sehr uninspirierender Aufschlag, und er lässt einen doch etwas verzweifelt zurück. Man hat das Gefühl: Diese Große Koalition ist am Ende, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat, meine Damen und Herren.
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Herr Seehofer, Sie hätten super erste Monate haben können in diesem tollen neuen Amt, das Sie haben. Deutschland ist sicherer geworden; das sagt die Polizeiliche Kriminalstatistik.
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Es gibt Tausende positive Beispiele, Frau von Storch, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, die zeigen, wie Integration gelingen kann. Das tut sie an vielen Orten wegen der überragenden Arbeit von Hunderttausenden an Haupt- und Ehrenamtlichen. Sie, Herr Minister, könnten durchs Land reisen und ganz konstruktiv daran arbeiten, dass Integration gelingt.
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Das tun Sie aber nicht. Stattdessen versinken Sie im Chaos des BAMF, ein Chaos, für das niemand anderes verantwortlich ist als CDU und CSU. Stattdessen hängen Ihnen die destruktiven Sätze von der Herrschaft des Unrechts und dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, wie Mühlsteine um den Hals.
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Der Umstand, dass Sie in Ihrem Ministerium bisher eine maximal bescheidene Zeit hatten, liegt deshalb an Ihnen selbst, Herr Seehofer, und an Ihrem Umgang mit diesem Amt. Wie man sich bettet, so liegt man.
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Die massiven Probleme beim BAMF sind alles andere als neu. Wir haben hier im Plenum und im Innenausschuss x-mal angemahnt, diese offenkundigen Probleme, die systematischen Mängel, von denen jetzt die Rede ist, abzustellen. Statt das zu machen, haben Sie die Behörde pauschal über den grünen Klee gelobt, während Ihre Fraktion gleichzeitig, von der eigenen Verantwortung ablenkend, von einer Antiabschiebeindustrie fantasiert und mal eben die Grundsätze unseres Rechtsstaats infrage stellt.
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Das ist absolut inakzeptabel, und das tut – das ist hier schon mehrfach gesagt worden – eben auch das CSU-Polizeiaufgabengesetz. Dazu sage ich Ihnen mal eines: Wer für rechtsextrem angehauchte Pegida-Demos und gegenüber den daran beteiligten Menschen immer Verständnis und Dialog atmet wie Sie, Herr Dobrindt,
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aber dann Zehntausende von Bürgerinnen und Bürgern, die für unser Grundgesetz in Bayern auf die Straße gehen, pauschal diffamiert, hat Maß und Mitte verloren.
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Um einmal etwas Positives anzusprechen: 7 500 neue Stellen für die Polizei – Liebesgrüße aus Jamaika. Aber was machen Sie daraus? Diese Stellenerhöhungen, die bei der Polizei dringend erforderlich sind, die kommen jetzt – der Kollege Hahn hat es vorhin angesprochen – vielen Behörden zugute, auch den Nachrichtendiensten, die in den letzten Jahren so viele neue Stellen genehmigt bekommen haben, dass sie gar nicht nachkommen, einzustellen. Sie reden ja vom Respekt gegenüber der Polizei. Deswegen: Respektieren Sie einmal die Polizei, und hören Sie auf die Bundespolizei, die Ihre AnKER-Zentren massiv kritisiert. Das wäre ein Ausdruck von Respekt gegenüber der Polizei.
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Die Datenschutz-Grundverordnung ist ja auch ein Thema in diesen Tagen. In der größten Not der Snowden-Veröffentlichungen 2013, als die Hütte lichterloh brannte, hat sich ja die Kanzlerin als große Verfechterin einer Datenschutzverordnung geoutet. Dann hat das BMI jahrelang ein sehr doppelbödiges Spiel gespielt bei den Verhandlungen in Brüssel. Jetzt ist sie da, und in den letzten Tagen chaotisiert Frau Merkel die ganze Sache mit höchst widersprüchlichen Aussagen. Anstatt die Sorgen der Menschen und Unternehmen in diesem Bereich endlich ernst zu nehmen und sich um die Umsetzung zu kümmern, kommt von Ihnen auch heute kein einziges Wort zu dieser relevanten Frage. Sie sind aber doch der zuständige Minister, Herr Seehofer!
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Im Haushalt gibt es auch kein Wort zu einer angemessenen Aufstockung der Aufsichtsstrukturen. Diese wäre aber wegen der Datenschutz-Grundverordnung, aber auch wegen der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts dringend erforderlich, und es gibt null Stellen – original null Stellen – für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Da kann ich nur sagen: Der Grundrechts- und der Datenschutz liegen bei Ihnen in schlechten Händen, und das seit zwölf Jahren, meine Damen und Herren.
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Ein weiterer Bereich ist der Stillstand bei der IT-Sicherheit: E-Government, Open Data – da ist nicht zu erkennen, was da gemacht werden soll. Wir reden über die Manipulation von Wahlen mit Daten. Schauen wir mal nach Amerika: Es gibt vieles, was dafürspricht, dass Trump durch Datenmanipulation an die Macht gekommen ist. Auch hinsichtlich des Brexit gibt es solche Vermutungen.
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Es gibt Fragen hinsichtlich der Wahl zum Deutschen Bundestag. Kein einziges Wort von Ihnen zu diesem Bereich! Das sind relevante Sicherheitsfragen.
Insofern, Herr Minister, muss ich Ihnen sagen: Sie lassen die ganz relevanten Fragen liegen. Die Antworten, die dieser Haushalt bisher auf diese Fragen der Innenpolitik gibt, sind einfach nicht ausreichend.
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Es ist ein Haushalt ohne Zukunft. Wenn sich in den Beratungen nichts Relevantes ändert, dann werden wir ihm nicht zustimmen.
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Ganz herzlichen Dank.
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Jetzt hat das Wort der Kollege Armin Schuster, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nie hat sich Gesellschaft so rasant entwickelt wie in den zwölf Jahren, Herr Kuhle, in denen wir regieren. Was heißt das? Nie war es notwendig, dass sich die Innenpolitik in diesem Land so rasant auf neue Sicherheitslagen einstellen musste, so rasant neue Sicherheitslagen mit Politik beantworten und Behörden fitmachen musste.
Jetzt sage ich Ihnen etwas: Maß und Mitte – wer hat das hier gesagt? – haben wir nicht verloren. Das hat diese Fraktion erfunden. Seit zwölf Jahren regieren wir dieses Land mit einem wunderbaren Maßstab,
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um Freiheit und Sicherheit in unterschiedlichsten Lagen in eine Balance zu bekommen.
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Ich freue mich, wenn der Innenminister das Musterpolizeigesetz entwickelt. Mit unserer Richtschnur des Handelns bleibt dieses Land ein wehrhafter Rechtsstaat. Egal was die Täter sich einfallen lassen, wir werden darauf reagieren.
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Dafür spricht dieser Haushalt Bände – ebenso wie in den letzten Jahren. Die Union hat jetzt im neunten Jahr hintereinander die Haushalte der inneren Sicherheit über diese gesetzgeberische Rampe gezogen. Darauf sind die Innen- und Haushaltspolitiker der Union unglaublich stolz. Das sagen auch die Präsidenten aller Bundessicherheitsbehörden. Das muss uns hier niemand schlechtreden.
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Herr Lischka, schon die FDP hat ganz schlechte Erfahrungen damit gesammelt, in einer Regierung zu opponieren.
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Sie haben ganz schlechte Erfahrungen damit gesammelt, in einer Wahlkampfphase zu opponieren. Ich finde die GroKo nach wie vor besser, als ihr Ruf ist. Deswegen habe ich die Größe, mich bei Herrn Gerster ebenso zu bedanken wie jetzt bei Herrn Gröhler. Mit Ihnen zusammen möchten wir diesen Haushalt an der einen oder anderen Stelle noch etwas besser machen.
Das Grundfundament ist eine hervorragende Leistung der Großen Koalition für einen wahrhaft wehrhaften Rechtsstaat. Ich darf Ihnen versichern: Diese strategische Leitlinie der Union werden wir – zum Glück für Deutschland – noch ein paar Jahre verwirklichen.
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Meine Damen und Herren, was wäre denn, wenn die Linken in der Innenpolitik regieren würden?
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Die Kriminellen wären froh.
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Was wäre denn, wenn die FDP hier Innenpolitik machen würde? Die wüssten selbst noch nicht, ob sie froh sind.
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Was wäre, wenn die AfD hier Innenpolitik machen würde? Ihnen würden es Ihre Wähler nicht einmal zutrauen. Nehmen Sie sich bitte nicht wichtiger, als Ihre Wähler Sie nehmen.
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Wissen Sie, die hätten gerne eine Radaubude in diesen Saal gewählt, aber sie wollten nicht, dass Sie regieren.
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– Ich habe Respekt vor Ihren Wählern, nicht vor Ihnen, Entschuldigung.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich – ich sage es jetzt ganz bewusst – zwei Stiefkinder ansprechen, die in vielen Haushalten durchgefallen sind; ich appelliere dabei an unsere Haushälter. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und das Bundesverwaltungsamt
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werden stark unter Wert behandelt. Sie haben ein gutes Image. Für beide Ämter möchte ich mich starkmachen. Die ganzen Bundessicherheitsbehörden kommen hervorragend weg, und wir werden das noch verbessern. Aber: Bei der Katastrophenhilfe möchte ich, dass der Bund den Ländern vorangeht. Deswegen möchte ich auch den Hilfsorganisationen, wie dem DRK, helfen. Die Bundesvorhaltung muss gestärkt werden. Das Bundesverwaltungsamt braucht 60 Dienstposten, um den Familiennachzug zu bewältigen. Diese Dienstposten müssen wir jetzt bezahlen, wenn die Behörde das machen soll.
Ein Wort noch zum BAMF, meine Damen und Herren.
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Herr Kollege Schuster, einen Moment.
Ja, Entschuldigung.
Ihre Fraktion hat hinsichtlich der Redezeit ein bisschen Probleme, deswegen bitte ich Sie jetzt, zum Schluss zu kommen,
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sonst muss ich dem nächsten Redner etwas von seiner Redezeit abziehen.
Herr Präsident, ich warte verzweifelt auf die AfD. In meinem Manuskript ist immer irgendeine unsinnige Zwischenfrage von denen vorgesehen.
Es hilft aber nichts. Sie reden jetzt auf Kosten der Redezeit Ihres Kollegen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Ich habe noch eine Bitte an die eigene Fraktion: Lasst uns aus dieser hervorragenden Innenpolitik eine nationale Sicherheitsstrategie machen. Ich glaube, dass dieses Land so etwas braucht. Ich glaube, dass nur wir es können – sonst niemand.
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Es ist unsere Regierungszeit. Lebensqualität und Sicherheit sind bei uns in besten Händen.
Herzlichen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Bernhard Daldrup, SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, auch auf ein paar andere Aspekte als nur auf das Thema innere Sicherheit einzugehen.
Städte sind steingewordene Gesellschaftspolitik. Aus ihren Grundrissen, aus ihren Strukturen kann man Wertordnungen ablesen.
Möglicherweise kennt der eine oder andere diesen Satz von Hans-Jochen Vogel. Er hat dies 1971 gesagt, und es ist heute noch gültig.
Stadtentwicklung und Kommunalpolitik erschöpfen sich eben nicht in Kubikmeter umbauten Raums. Städte sind der Mikrokosmos, in dem sich wie in einem Brennglas gesellschaftliche Veränderungen zeigen. Die Kernprobleme von damals sind auch heute noch unsere: Verkehrsinfarkt, Schwäche des Nahverkehrs, Wohnungsversorgung, explodierende Mieten und Grundstücksspekulation.
Heute kommen neue Aspekte dazu: Digitalisierung, auseinanderfallende Lebensbedingungen zwischen prosperierenden und altindustriellen Regionen, gegensätzliche Milieus in den Städten – von Hipstern bis vermeintlichen Hinterwäldlern –, Bevölkerungswachstum in großen Städten, Leerstände in strukturschwachen Räumen und nicht zuletzt eine bunte Gesellschaft: sozial, ethnisch und kulturell verschieden.
Der Raumordnungsbericht ist voll mit solchen Beispielen, und zwar ganz frei von Hetze und Hass. Wir müssen diesen Sachverhalten Rechnung tragen. Ich bin sehr froh, dass sich diese Große Koalition systematisch und mit konkreten Fragestellungen um die Zukunft der Kommunen kümmert. Ich will damit auch sagen: Wir stehen an der Seite der Kommunen. Ich nenne dafür ein paar Beispiele:
Ich bin sehr froh, dass wir wieder einen Ausschuss für kommunalpolitische Fragen im Deutschen Bundestag haben, damit wir endlich die Herausforderungen der Kommunen in Zusammenhängen diskutieren können. Der Programmsatz der Koalitionsvereinbarungen „Wer bestellt, bezahlt“ ist ein Meilenstein, jedenfalls aus Sicht des Bundes, gegenüber den Kommunen. Wir stellen uns unserer Verantwortung.
Ich bin sehr froh darüber, dass wir eine Kommission gebildet haben, die grundlegende Fragen gleichwertiger Lebensverhältnisse thematisiert, unter anderem auch den Abbau der drückenden kommunalen Altschulden. Es geht um ganz Handfestes, nämlich um die Frage, wie Menschen eine bezahlbare Wohnung finden, wie sie einen guten öffentlichen Nahverkehr nutzen können, wie sie gute Schulen und Kitas finden.
Damit wir zeitnah helfen können, wollen wir das Grundgesetz ändern. Wir schaffen das Kooperationsverbot ab, damit der Bund den Kommunen bei der Bildung schnell und zeitnah helfen kann. Wir verdreifachen die Mittel für den Nahverkehr auf 1 Milliarde Euro jährlich. Und schließlich wollen wir, dass das Geld für den sozialen Wohnungsbau auch genau dafür eingesetzt wird. 2 Milliarden Euro geben wir obendrauf.
Übrigens, hätten die Länder in Bezug auf die Entflechtungsmittel immer ihrer Verantwortung entsprochen, gäbe es heute möglicherweise 100 000 bis 200 000 Sozialwohnungen mehr.
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Wer das kritisiert, kann gerne bei den jeweiligen Landesregierungen nachfragen, egal ob es im schwarz-grünen Hessen oder im grün-schwarzen Baden-Württemberg oder sonst wo ist. Es wäre also gut, wenn es uns gelänge, gemeinsam das Grundgesetz zu ändern, um diesen Fragen Rechnung zu tragen.
Unsere Maßnahmen zielen auf die Lebensqualität in den Städten und Dörfern. Wir wollen Ortskerne auch in ländlichen Regionen revitalisieren und auch dort Baulücken schließen. Wie notwendig es ist, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, hat Herr Lischka gerade eben – nicht als Opposition, sondern als Anreicherung, glaube ich – deutlich zum Ausdruck gebracht.
Über viele Jahre war die Sicherung und Schaffung von ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum kein Thema. Seit einigen Jahren ist es das, und heute ist es die zentrale soziale Frage. Wir reagieren darauf mit einer Wohnrauminitiative: Wir schaffen 1,5 Millionen neue Wohnungen bzw. die Voraussetzungen dafür. Wir investieren 2 Milliarden Euro mehr für den Bau von Sozialwohnungen. Wir wollen die Baulandmobilisierung verbessern und der Bodenspekulation steuerlich entgegenwirken. Herr Ruppert, wenn Sie möchten, dann können Sie die Grunderwerbsteuer in Nordrhein-Westfalen, so wie Sie es versprochen haben, senken. Wir machen es jedenfalls nur dann, wenn sich auch große Immobilienunternehmen der Grunderwerbsteuer nicht durch Vertragsgestaltungen wie beispielsweise Share Deals entziehen.
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Zur Baulandmobilisierung gehört auch, dass die bundeseigenen Grundstücke den Kommunen von der Bundesimmobilienanstalt kostengünstig und nicht zu Höchstpreisen überlassen werden.
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Dazu gehört auch, zu klären, ob bereits aufgegebene Kasernenstandorte dem Wohnungsmarkt jetzt möglicherweise doch nicht zur Verfügung gestellt werden sollen. Herr Minister, ich habe die Bitte, dass Sie mit den Kollegen im Kabinett für Klarheit sorgen.
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Mit dem Baukindergeld unterstützen wir junge Familien. Wir wollen fördern, aber wir wollen keine Fehlanreize geben. Darauf werden wir sicherlich achten müssen. Wir fördern den privaten Wohnungsbau mit einer steuerlichen Förderung; wohlgemerkt: nicht irgendwie, sondern im bezahlbaren Mietpreissegment.
In Verbindung mit Städtebauförderung und Dorferneuerung wirken die Maßnahmen ebenso in ländlichen Räumen wie auch in Ballungsgebieten. Sie entlasten damit auch die Wohnungsmärkte in städtischen Zentren. Das ist, glaube ich, wichtig. Um dort die Mietenspiralen zu bremsen, werden wir die Umlage von Modernisierungskosten begrenzen, die Mietpreisbremse verschärfen und eine Kappungsgrenze nach Modernisierungen einführen. Wir wollen Mieter nicht aus ihrem Zuhause herausmodernisieren.
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Ich bin dem Kollegen Gerster sehr dankbar, dass er auf die Notwendigkeit der Anpassung des Wohngeldes hingewiesen hat.
Um gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, ist ein bundesweites Glasfasernetz nötig. Ich freue mich sehr über den Beschluss des Kabinetts, dass der Bund zur Förderung des Breitbandausbaus jetzt zusätzlich 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung stellen wird, weil die jüngsten Ergebnisse der Steuerschätzung dies ermöglichen. Das ist gut so. Vielen Dank an den Bundesfinanzminister Olaf Scholz.
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Wir wollen auch bessere Chancen für strukturschwache Regionen. Ein gesamtdeutsches Fördersystem soll Wachstum und Arbeit nach Bedarf fördern und nicht nach Himmelsrichtungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir machen eine fortschrittliche Politik für bessere Lebensverhältnisse in Städten, Dörfern und Regionen. Heimat ist für uns keine rückwärtsgewandte Heimattümelei. Es ist auch kein Kampfbegriff gegen Modernisierung und Aufklärung. Es ist schon gar nicht ein Begriff, der sozusagen für reaktionäre Sprachkonditorei in Anspruch genommen werden kann.
Wir gestalten Heimat als einen Ort, an dem Menschen gerne leben, wo sie sich wohlfühlen und wo sie zu Hause sind: auf dem Dorf, im Quartier, im Viertel, im Kiez oder auf dem Kiez, wie die Hamburger sagen. Mir gefällt es jedenfalls, wenn unser Bundespräsident sagt:
... Heimat weist in die Zukunft ... Heimat ist der Ort, den wir als Gesellschaft erst schaffen.
Daran arbeiten wir.
Herzlichen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Ulrich Lange, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Hinblick auf die Unionsredezeit möchte ich es ein bisschen schwäbisch machen, Herr Präsident: Nicht schwätzen, sondern schaffen! Das heißt im Baubereich einfach bauen, bauen, bauen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Mit dem neuen eigenen Ausschuss haben wir ein Zeichen gesetzt, dass wir auf die Baupolitik, die Wohnungspolitik und die Stadtentwicklung einen neuen, besonderen Fokus legen. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen unseres Koalitionspartners, altbewährt und bekannt in Ihrer Art, Debatten mitzugestalten: Wir als Bund haben uns darauf verständigt, für den sozialen Wohnungsbau mehr Geld auszugeben, nachdem insbesondere auch von Ihnen regierte Länder, lieber Kollege, die Sache mit dem Wohnungsbau nicht immer so hinbekommen haben, wie sie es eigentlich hätten tun sollen.
Wir sind uns einig, dass wir eine Sonder-AfA machen, dass wir das Baukindergeld einführen. Das heißt, wir setzen Impulse. Gerade beim Baukindergeld, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir auf unserer Klausur die ersten Eckpunkte beschlossen und damit bestätigt: Was wir wollen, heißt Wohneigentum, auch für junge Familien. Was wir wollen, ist die Umsetzung eines Teils von Generationengerechtigkeit.
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Wir glauben, dass Eigentum jeder Generation zur Verfügung stehen soll.
Wir kümmern uns um Bauflächen. Es wird eine ganz große Herausforderung, Bauland überhaupt zu bekommen, damit wir preiswert bauen können.
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Wir müssen verdichten. Wir müssen uns mit der Frage der Brachen auseinandersetzen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie wir Ortskerne revitalisieren und wo wir große Flächen haben, ohne dass wir wertvolles Ackerland immer wieder neu antasten müssen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein wesentlicher Punkt dieser Politik ist die Städtebauförderung. Städtebauförderung heißt, gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land, in Metropolen und in allen Regionen und Landesteilen herzustellen. Deshalb ist es richtig, dass wir auch hierbei wieder mit einer Summe von 1 Milliarde Euro einsteigen. Wir müssen aber die Schwerpunkte der Programme überprüfen und gegebenenfalls anpassen, weil sich die Gesellschaft, weil sich das Zusammenleben verändert hat.
Ich darf darauf hinweisen, dass es uns wichtig ist, dass wir in den Städten und Gemeinden, dort, wo die Menschen zusammenleben, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben und wo das gesellschaftliche Leben stattfindet, die kommunalen Einrichtungen stärken, dass wir sanieren, dass wir Sporthallen, Schwimmbäder, Kulturzentren, Jugendzentren, Theater und all das nicht außer Acht lassen; denn wir reden davon, unsere Städte zu vitalen Zentren unseres gemeinschaftlichen Lebens zu machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die richtigen Schwerpunkte. Mehr Wohnraum: bauen, bauen, bauen; die eigenen vier Wänden: bauen, bauen, bauen; für Stadtentwicklung: bauen, bauen, bauen – und das alles für mehr Lebensqualität.
Danke schön.
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Letzter Redner in dieser Runde ist der Kollege Klaus-Dieter Gröhler, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherheit ist die Voraussetzung für Freiheit. Das Gewaltmonopol des Staates auf der einen Seite und das Sicherheitsversprechen an seine Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite sind zwei Seiten einer Medaille. Das haben wir als Bund verstanden, und wir haben entsprechend geliefert. Es gab 65 Prozent Aufwuchs beim Innenressort ohne Bau: von 2013 bis 2018 von 5,9 Milliarden auf 9,8 Milliarden Euro, und von 2017 nach 2018 ein Plus um 800 Millionen Euro, darunter zusätzliche Mittel für eine bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden gegenüber dem ersten Regierungsentwurf in Höhe von 90 Millionen Euro. Meine Damen und Herren, ich finde, das kann sich sehen lassen.
Ich will es einmal an einem Beispiel konkret werden lassen, wie wir das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger stärken. Wir haben in der letzten Wahlperiode das Strafrecht bezüglich der Einbruchskriminalität verschärft. Das war richtig, um Generalprävention zu stärken und Menschen, die von einem Einbruch heimgesucht wurden, Genugtuung erfahren zu lassen.
Wir haben aber gleichzeitig in den Bundeshaushalt 2017 50 Millionen Euro eingestellt. Damit Bürgerinnen und Bürger ihr Haus, aber auch ihre Wohnung als Mieter gegen Einbruch selbst besser schützen können, gibt der Staat entsprechende Fördermittel. Diese 50 Millionen Euro stehen auch im Haushaltsentwurf 2018. Ich kann alle Bürgerinnen und Bürger nur auffordern, dieses Geld in Anspruch zu nehmen; denn jeder Einbruchsdiebstahl, der nicht stattgefunden hat, muss auch nicht aufgeklärt werden. Und wenn man sicher sein kann, dass in die Wohnung nicht eingebrochen wird, gibt das den Menschen ein gutes Lebensgefühl.
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Aber ich sage auch – und das mache ich als Haushälter ungerne –: Ich weiß, dass wir in den kommenden Jahren in diesem Etat noch mehr Geld drauflegen müssen. Die Fähigkeit zur Krisenbewältigung werden wir noch zukunftsfähiger machen müssen. Wir müssen unsere Infrastruktur noch besser vor Angriffen schützen, und wir werden den Katastrophenschutz stärker ausbauen müssen. Darüber bin ich mit dem Kollegen Schuster, auch wenn er meine Redezeit durch seine Rede etwas verkürzt hat, einig. Da werden wir in Zukunft also noch etwas drauflegen müssen.
Ich sage aber auch: Der Bund kann hier nicht allein stehen; auch die Bundesländer sind in der Verantwortung. Wir wollen einen „Pakt für den Rechtsstaat“ schließen. Dazu passen ein paar Meldungen aus den letzten Tagen aber nicht ins Bild. Wenn der Regierende Bürgermeister von Berlin Müller den Menschen rät, abends lieber ein Taxi zu nehmen, als durch bestimmte Straßen in Berlin zu Fuß zu gehen, weil ihre Sicherheit sonst nicht gewährleistet ist, dann ist das der falsche Ansatz.
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Und wenn „Die Welt“ gestern unter der Überschrift „Bespuckt, geschlagen – für 2 340 Euro“ über die schlechte Bezahlung von Berliner Polizisten schreibt, dann erkennt man, dass dies der falsche Ansatz für die innere Sicherheit ist. Wenn am gleichen Tag noch in der Zeitung steht, dass in Berliner Gefangenensammelstellen das Licht ausgetauscht wird, um dem Vorwurf der Folter nicht mehr ausgesetzt zu sein, weil es für die Gefangenen zu hell sei, dann ist das ebenfalls der falsche Ansatz für die innere Sicherheit.
Meine Damen und Herren, wir werden jetzt in die Haushaltsberatungen gehen und wir werden den Haushaltsansatz noch ein Stückchen besser machen. Am Ende des Tages muss die Botschaft dann lauten: Der Rechtsstaat muss besser organisiert sein als das Verbrechen. An der Stelle können sogar die Kollegen von der FDP klatschen; denn das stand ja mal in eurem Flugblatt. Insofern bin ich sicher, dass die Opposition konstruktiv bei den Beratungen, auf die ich mich freue, dabei ist.
Herzlichen Dank, Herr Präsident.
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Weitere Wortmeldungen zum Einzelplan 06 liegen mir nicht vor.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist ebenfalls ein klassisches Ressort wie das Bundesministerium des Innern. Es ist deutlich kleiner im Etat, aber fein; denn uns ist innerhalb der Bundesregierung das höchste Gut unserer Verfassung anvertraut: der Schutz der Rechtsstaatlichkeit und deren Garantie in unserem Land.
Es ist mittlerweile schick geworden, sich über unseren Rechtsstaat zu mokieren, ihn lächerlich zu machen und zu beschimpfen, leider inzwischen nicht nur von Populisten – bei denen gehört das zum Geschäftsmodell –, sondern mittlerweile dringt es in weite Teile der politischen Landschaft durch.
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Das ist erstens unverantwortlich, und zweitens ist es falsch.
Deutschland genießt nach einer wirklich schwierigen Geschichte mittlerweile einen hervorragenden Ruf in der Welt. Das hat zu ganz großen Teilen auch damit zu tun, dass in Deutschland Entscheidungen nach klaren Regeln fallen, dass man sich darauf verlassen kann, dass es ohne Ansehen der Person geschieht. Das ist für jeden Menschen existenziell, es ist für unsere Gesellschaft existenziell und im Übrigen wichtig für die Stabilität unserer Gesellschaft und auch für die Wirtschaft.
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Ich möchte an dieser Stelle denjenigen danken, die jeden Tag dafür einstehen. Es sind Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Anwältinnen und Anwälte, aber auch ganz viele in Verwaltung und nichtrichterlichen Diensten, die jeden Tag einen super Job machen. Vielen Dank an dieser Stelle.
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Gerechtigkeit braucht einen starken Rechtsstaat und einen schlagkräftigen Verbraucherschutz. Beides dürfen nicht nur Schlagworte sein. Es ist unsere Aufgabe, diese Werte mit Leben zu füllen. Wir brauchen weniger abstrakte Debatten, wir brauchen spürbare Verbesserungen im Alltag der Menschen. Dabei kommt es natürlich auch auf die Wahl der Mittel an. Immer nur schärfere Gesetze zu fordern oder umzusetzen, ist allein nicht der richtige Weg, um beispielsweise wirkungsvoll gegen Kriminalität vorzugehen. Wir werden deshalb auf der Ebene der Regierungschefinnen und ‑chefs von Bund und Ländern einen Pakt für den Rechtsstaat schließen und damit eine umfassende Qualitätsoffensive starten. Im Rahmen dieses Pakts von Bund und Ländern werden wir gemeinsam 2 000 zusätzliche Stellen im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst schaffen. Vereinbart haben wir ebenfalls deutlich mehr Stellen für das nichtrichterliche Justizpersonal.
Der Bund geht schon jetzt mit gutem Beispiel voran. Ich greife bewusst eine eher kleinere Behörde heraus, nämlich den Generalbundesanwalt und die Bundesanwaltschaft, die bisher 200 Stellen hat. Sie soll im Wege eines Sofortprogramms 27 neue Stellen erhalten.
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Die Welt und die Gesellschaft ändern sich. Die Justiz bleibt davon nicht unberührt. Von Digitalisierung ist überall die Rede. Deshalb müssen wir ganz gezielt in die Digitalisierung der Justiz und in die Vermittlung von digitalen Kompetenzen investieren. Hier ist wirklich noch viel zu tun. Das sage ich auch aus meiner eigenen richterlichen Erfahrung.
Wir werden uns der Qualität in familiengerichtlichen Verfahren widmen und sicherstellen, dass alle Verfahrensbeteiligten über die erforderliche Qualifikation verfügen, um ihre anspruchsvolle Tätigkeit auszufüllen. Und wir wollen im Rahmen dieses Pakts für den Rechtsstaat auch eine Kampagne für den Rechtsstaat starten. Jeder muss verstehen, dass dieser Rechtsstaat nur funktionieren kann, wenn seine Regeln eingehalten werden können. Wir müssen aber ebenso verdeutlichen, dass der Rechtsweg nach den geltenden Regeln jedem offensteht, wenn er sich durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt sieht. Das ist auch gut und richtig so.
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Natürlich müssen wir verbessern, wo wir noch nicht gut genug sind. Der Staat muss sich nicht nur darum kümmern, Täter zu verurteilen, sondern er muss sich auch darum kümmern, den Opfern und ihren Angehörigen beizustehen. Mit dem neuen Opferbeauftragten haben Betroffene von Terroranschlägen künftig einen zentralen Ansprechpartner auf Bundesebene, der sich um all ihre Fragen und Anliegen kümmert. Wir hoffen natürlich, dass er so selten wie möglich in Aktion treten muss. In diesem Zusammenhang wollen wir im Bundeshaushalt 2018 zusätzliche Mittel in Höhe von 6,6 Millionen Euro für den Entschädigungsfonds für Opfer terroristischer Gewalt sowie für die Härteleistung für Opfer extremistischer Übergriffe zur Verfügung stellen.
Ein weiterer Bereich, in dem wir Verbesserungen vorsehen – das ist schon auf dem Weg –, ist die Rechtsdurchsetzung. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich gemeinsam schnell und unbürokratisch gegen rechtswidriges Verhalten und Täuschung vor allen Dingen von großen Konzernen wehren können. Der Satz muss gelten: Wer recht hat, muss auch recht bekommen. – Statt teure und langwierige Einzelverfahren führen zu müssen, sollen sich Betroffene künftig einer sogenannten Musterfeststellungsklage – nach dem Motto „einer für alle“ – anschließen können, um zu ihrem guten Recht zu kommen.
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Ich hoffe da auf eine schnelle und konstruktive parlamentarische Beratung des Gesetzentwurfs, um drohende Verjährungen zum Jahresende zu verhindern.
Wir haben einen wirklich guten Gesetzentwurf vorgelegt, wie ich finde. Wir haben konkret in das Gesetz geschrieben, was Verbände vorweisen müssen, um klagebefugt zu sein. Es werden nur solche Verbände klagebefugt sein, die sich schon jahrelang mit der Vertretung von Verbraucherinteressen beschäftigen und eine gewisse Mitgliederstärke hinter sich wissen; Prozessfinanzierer und Kanzleien sollen bewusst nicht Kläger sein können. Die Vorteile liegen auf der Hand: Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist eine solche Klage kostenfrei, und sie wissen relativ schnell, ohne selbst ein Kostenrisiko tragen zu müssen, um die Erfolgsaussichten in ihrem ganz konkreten Fall, die Unternehmen haben sehr schnell Rechtssicherheit, und die Gerichte werden durch die Bündelung entlastet.
Der Verbraucherschutz betrifft weitere existenzielle Felder – es kam schon beim BMI-Haushalt zur Sprache –: das ganze Thema Wohnen und Mieten. Eine Wohnung ist eben keine beliebige Sache wie jede andere, sondern der Lebensmittelpunkt, das Zuhause. Deswegen gehen wir entschieden dagegen vor, dass Mieterinnen und Mieter, zum Teil nach Jahrzehnten durch Luxussanierungen aus ihren Wohnungen gedrängt werden. Wenn ein Vermieter gegen diese Regeln verstößt, muss er zur Rechenschaft gezogen werden können.
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Außerdem werden wir die Mietpreisbremse verschärfen. Das allein wird nicht reichen – Kollege Ruppert hat da durchaus recht –, aber es ist eine Maßnahme in einem ganzen Bündel von Maßnahmen, die ergriffen werden, damit Mieten in den Ballungszentren und in weiteren begehrten Wohnlagen nicht wie bisher explodieren.
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– Genau aus dem Grunde verändern wir ja was.
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Es ist der Sinn von Demokratie, dass man lernt und es besser macht.
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Wir werden die Marktwächter als Teil einer neuen Verbraucherschutzarchitektur ausbauen und verstetigen.
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Die Marktwächter für Finanzen, digitale Welt und Energie können Fehlentwicklungen und Missstände frühzeitig identifizieren, die gewonnenen Erkenntnisse an die Aufsichtsbehörden weiterleiten und die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren informieren, die sich gezeigt haben.
Wir haben uns zu vielfältigen Initiativen und Verbesserungen entschlossen, um die Freiheit des Einzelnen im Alltag zu stärken und unsere Gesellschaft insgesamt gerechter zu machen. Aber wir sehen an aktuellen Entwicklungen und Diskussionen auch, dass sich Rechtspolitik nie im luftleeren Raum abspielt, sondern vor dem Hintergrund unserer Geschichte und daraus erwachsener Werte gestaltet werden muss. Das Rosenburg-Projekt zum Umgang mit der NS-Vergangenheit des Bundesjustizministeriums hat zum Beispiel gezeigt, dass das Interesse an dieser Materie unter Studierenden der Rechtswissenschaften hoch, das Wissen aber oft gering ist. Deshalb wollen wir im Deutschen Richtergesetz festschreiben, dass die Auseinandersetzung mit dem Justizunrecht des 20. Jahrhunderts Pflichtstoff der Juristenausbildung wird.
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Denn unser demokratischer Rechtsstaat ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Errungenschaft, für die wir uns täglich und immer wieder aufs Neue einsetzen müssen. Das erleben wir leider jeden Tag, auch und gerade hier in diesem Hohen Haus.
Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern für den Haushalt und beim Rechtsausschuss für sehr konstruktive Beratungen im Vorfeld und bitte Sie herzlich um Unterstützung für den Einzelplan 07.
Danke schön.
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Nächster Redner ist der Kollege Martin Hohmann, AfD.
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Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt für das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist ein kleiner Haushalt, ja sogar der kleinste der Ministerien. Die Größe des Haushaltes sagt allerdings nichts über seine Wirkungen und Wirkungsmöglichkeiten aus.
Frau Ministerin Barley, Sie starten in einem Jahr, das einen Doppelhaushalt und somit erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten mit sich bringt. Hierfür wünsche ich Ihnen eine gute Hand und das nötige Quäntchen Glück. Die bekanntermaßen großen Unterschiede in den politischen Grundpositionen werden uns nicht davon abhalten, ein faires Miteinander zu suchen.
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Eine wichtige Baustelle ist für uns das NetzDG; Baustelle mehr im negativen Sinn. Wir sind für einen Abriss, für einen Totalabriss. Warum? Ihr Vorgänger Heiko Maas ist mit seinem Gesetz weit über jedes vertretbare Ziel hinausgeschossen. Eines der höchsten Güter unserer freiheitlichen Demokratie ist das Recht auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Grundgesetz. Dort heißt es:
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten
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und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. … Eine Zensur findet nicht statt.
Der Widerstand gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz speist sich aus vielen Quellen. Im aktuellen Bericht zur Medienfreiheit des EU-Parlaments werden die Mitgliedstaaten des EU-Parlaments ausdrücklich von der Kommission davor gewarnt, die Freiheit im Internet einzuschränken. Das EU-Parlament mahnt an, dass jede Maßnahme zur Beschränkung von Inhalten im Internet nur unter klaren Bedingungen und unter strikten juristischen Kontrollen erfolgen darf. Das aber ist beim Zensurgesetz des Herrn Maas nicht der Fall.
({2})
Das NetzDG privatisiert, es verlagert staatliche Autorität. Private Unternehmen werden zu Anklägern, Richtern und Vollstreckern gemacht. Kurzer Prozess. Das akzeptieren wir nicht.
({3})
Besonders bedauerlich: Bei Internetnutzung, die zu Unrecht gelöscht wurde, wird kein ausreichender Schutz gewährt. Sehr vielsagend ist auch, dass die Reporter ohne Grenzen die Nähe zu chinesischen und iranischen Regelungen aufgedeckt haben. Auch der Deutschlanddirektor von Human Rights Watch äußert weitgehend dieselben Bedenken wie die AfD. Der Staat darf seine hoheitlichen Kontrollrechte und -pflichten nicht aus der Hand geben. Mündige Bürger wollen nicht erzogen und nicht gegängelt werden.
({4})
Und wenn schon abgeräumt wird: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, – ebenfalls weg damit.
({5})
Wie bereits in der Vorbesprechung im Ministerium verdeutlicht, werden wir besonders auf einen Punkt ein wachsames Auge richten, wenn es nämlich um die Frage geht, ob bei der Gewährung von Härtefallleistungen für die Opfer extremistischer Übergriffe alle Opfer tatsächlich in gleicher Weise und gerecht bedacht werden.
Übrigens werden wir uns alle der grundsätzlichen Frage stellen müssen, wie wir uns zu den Konflikten zwischen unseren freiheitlich-rechtlichen Regelungen einerseits und andererseits den damit im Widerstreit stehenden Regelungen des Korans und der Scharia verhalten.
({6})
Ich nenne als Stichworte das hierher importierte Demokratiedefizit der islamisch geprägten Länder, die Gewaltbereitschaft besonders jüngerer Muslime und den muslimischen Ruf nach Sonderrechten, die von keiner anderen Zuwanderergruppe erhoben werden.
({7})
Ich erinnere an den Appell von 300 französischen Politikern, Prominenten und Intellektuellen, darunter Nicolas Sarkozy und Manuel Valls. Sie beklagen, Juden würden in Einwanderervierteln Opfer einer „schleichenden ethnischen Säuberung“
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– ich zitiere – und sie liefen der Polizeistatistik zufolge „25-mal mehr Gefahr als muslimische Bürger“, angegriffen zu werden. Weiter heißt es dort: Der Koran, der – ich zitiere wieder – „zum Mord und zur Bestrafung der Juden, Christen und Ungläubigen“ anhalte,
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– das ist ein Zitat – müsse reformiert werden. Nur: Gibt es im Islam eine Institution mit einer solchen Kompetenz? So eine Art Super-EKD-Synode?
Das Islamthema ist zu ernst, das Gewaltpotenzial bei Menschen mit muslimischem Hintergrund ist zu dramatisch, als dass man die Debatte mit Schlagworten wie „Islamophobie“ oder „Islamfeindlichkeit“ abtun könnte.
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Ich mahne für die AfD eine ehrliche, tiefgründige und vorurteilsfreie Auseinandersetzung an. Gesetzliche Regelungen müssen folgen. Wir stehen erst am Anfang.
Danke.
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Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Stephan Harbarth, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen diese Debatte heute in einer Zeit, in der das Vertrauen der Menschen in die Funktionstüchtigkeit des Rechtsstaats in vielen Teilen des Landes geringer ist, als wir uns dies wünschen. Wir werden gegen diese zu konstatierende Erosion des Vertrauens in den Rechtsstaat in der Großen Koalition mit dem Pakt für den Rechtsstaat ein starkes Signal setzen. Wir werden in der neuen Legislaturperiode klarmachen: Wir ergreifen alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um unseren Rechtsstaat in seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten und zu schützen.
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Dieser Pakt für den Rechtsstaat besteht aus einem Dreiklang: mehr Personal, bessere Ausstattung und ein besserer gesetzlicher Rahmen. Mit diesem Dreiklang konnten wir in der vergangenen Legislaturperiode bereits in der Innenpolitik – mehr Personal, bessere Ausstattung und mehr gesetzliche Befugnisse – Erfolge verzeichnen. Ich will ein Beispiel nennen: Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist im letzten Jahr um 23 Prozent gesunken. Das ist ein sehr beachtlicher Fortschritt. Ich möchte beim Thema „Kampf gegen die Wohnungseinbrüche in Deutschland“ insbesondere unseren Polizistinnen und Polizisten in Deutschland für ihren großartigen Einsatz danken.
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Aber noch immer erfolgt in diesem Land alle vier Minuten ein Wohnungseinbruch. Statistisch werden in den 90 Minuten, die wir jetzt über Justiz und Verbraucherschutz sprechen, über 20 Wohnungseinbrüche verübt. Dies ist keine Bilanz, bei der wir uns entspannt zurücklehnen können. Ja, wir haben in den vergangenen Wochen Stimmen vernommen, dass man, da sich die Situation verbessert habe, keine weiteren Anstrengungen brauche. Das halte ich für falsch. Niemand käme auf die Idee, zu sagen, wir müssten uns in der Arbeitsmarktpolitik nicht weiter anstrengen, weil wir die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung haben. Wir haben Fortschritte erzielt. Für uns als Union bleibt aber klar: Wir brauchen in diesem Bereich bessere Aufklärungsmöglichkeiten.
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Die Aufklärungsquote hat sich im letzten Jahr auf 17,8 Prozent erhöht. Dies bedeutet aber auch, dass über 80 Prozent der Einbrüche nicht aufgeklärt werden. Zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens ist häufig nicht eindeutig zu klären, ob es sich um einen bandenmäßigen Wohnungseinbruch handelt oder um einen nichtbandenmäßigen Wohnungseinbruch. Konkrete Anhaltspunkte hierfür ergeben sich meistens erst aus einer Telekommunikationsüberwachung. Deshalb muss diese künftig auch bei einem nichtbandenmäßigen Wohnungseinbruch möglich sein.
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Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir den Ermittlern die notwendigen Ermittlungsinstrumente zur Verfügung stellen werden. Für uns ist und bleibt der Kampf gegen den Wohnungseinbruch, bei dem in die Intimsphäre der Menschen eingedrungen wird, ein Kernthema dieser Wahlperiode.
Wenn wir die Kriminalität und ihre Entwicklung in Deutschland analysieren, dann müssen wir, glaube ich, einen Augenblick im Bereich der Kinderpornografie verweilen. Wir sehen hier eine schlimme Entwicklung. Laut Meldungen des Bundeskriminalamtes blieben im vergangenen Jahr 8 400 Fälle von Kinderpornografie unaufgeklärt. Das sind über 20 ganz fürchterliche Kinderschicksale jeden Tag. 8 400 Fälle des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie mussten der Staatsanwaltschaft zur Einstellung vorgelegt werden, und zwar aus einem einzigen Grund: Der Ermittlungsansatz, die IP-Adresse, konnte nicht weiterverfolgt werden. Mangels Vorratsdatenspeicherung war sie nicht beim Provider hinterlegt.
Wir stehen vor der großen Herausforderung, dass der EuGH mit seinem Urteil Ende 2016 sehr restriktive Vorgaben für eine Vorratsdatenspeicherung formuliert und das Oberverwaltungsgericht Münster die Speicherpflicht quasi ausgesetzt hat. Aktuell findet also keine Speicherung statt. Wesentliche Ermittlungsansätze fallen weg. Gleichzeitig sehen wir einen erschreckenden Anstieg bei der Kinderpornografie in unserem Land. Für uns als Union ist klar, dass wir uns damit nicht abfinden wollen. Es gibt in diesem Land ein Recht auf Datenschutz. Es gibt aber auch ein Recht von Kindern, nicht missbraucht zu werden.
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Wir möchten deshalb Sie, Frau Bundesministerin, bitten, in diesem schwierigen Feld mit der Expertise Ihres Hauses einen Vorschlag zu unterbreiten, wie Sie gedenken, mit dem Anstieg bei der Kinderpornografie rechtspolitisch umzugehen, und uns mitzuteilen, welche Maßnahmen Ihnen geeignet erscheinen, um diese armen Kinder in Deutschland besser zu schützen.
Damit gefasste Täter ein zügiges Verfahren erhalten, haben wir im Koalitionsvertrag punktuelle, konkrete und zielgerichtete Maßnahmen zur Beschleunigung von Strafverfahren vereinbart. Wir werden unter anderem die Möglichkeiten zur Ablehnung missbräuchlicher Befangenheits- und Beweisanträge ausweiten, und wir werden bei besonders umfangreichen Strafverfahren die gebündelte Vertretung der Interessen von Nebenklägern ermöglichen. Der Koalitionsvertrag gibt hierzu einen klaren, einen eindeutigen Handlungsauftrag. Jede Verzögerung in der Abarbeitung geht zulasten des Opferschutzes, der Effizienz des Strafverfahrens und schadet damit der Justiz als Ganzes. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Teile des Koalitionsvertrages nun rasch in Angriff nehmen.
Zu einem effizienten Verfahren gehört für uns auch, dass die Wahrheitserforschung ermöglicht wird. Wir werden sicherstellen, dass Beteiligte vor Gericht ihr Gesicht zeigen. Identität und Mimik müssen für das Gericht erkennbar sein. Ein ganz oder teilweise verdecktes Gesicht im Gerichtsverfahren werden wir nicht hinnehmen.
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Ein weiteres Kernthema ist für uns die Verbesserung der Einsatzmöglichkeiten von DNA-Analysen im Strafverfahren. Künftig sollen alle Merkmale, die dem Zeugenbeweis zugänglich sind – etwa Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe –, auch abgefragt werden dürfen. Damit Täter schneller gefasst werden können und Opfer verhindert werden, sollten wir auch dies schnell anpacken.
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Wir haben in der Großen Koalition Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Wir werden uns rasch des Mietrechts annehmen. Wir haben die entsprechenden Beschlüsse zwischen den Fraktionen verabschiedet. Für uns als Rechtspolitiker ist klar: Wir werden Veränderungen des Mietrechts vornehmen. Wir müssen aber immer bedenken: Wir werden die Probleme am Wohnungsmarkt in den Ballungsräumen nicht durch Reformen des Mietrechts allein lösen. Sie sind nur ein Baustein. Wer allein das Mietrecht verändern möchte, der schafft damit keinen zusätzlichen Wohnraum. Wir werden zusätzlichen Wohnraum nur dann bekommen, wenn wir Anreize dafür setzen, dass Menschen in den Bau neuer Wohnungen investieren. Die Zahl der neu gebauten Wohnungen ist hoch. Sie ist aber noch nicht so hoch, wie sie sein sollte.
Wir werden in diesem Zusammenhang auch einfordern, dass wir uns rasch um die Regelungen des Wohnungseigentumsrechts kümmern. Auch in diesem Bereich sind wichtige Veränderungen erforderlich, um die Modernisierung von Wohnungen gerade mit Blick auf den demografischen Wandel in unserem Land voranzutreiben – ein Thema, das gerade für viele ältere Menschen von Relevanz ist.
Wir diskutieren im Augenblick viel über die Frage: Wie geht es in Europa weiter? Wir als Rechtspolitiker sollten diese Debatte nicht allein den Europapolitikern oder den Außenpolitikern überlassen, sondern auch in der Rechtspolitik Akzente setzen, um Europa voranzubringen. Wir haben in der Entschließung des Deutschen Bundestags vom Januar dieses Jahres zum Thema „Neuer Élysée-Vertrag“ vereinbart, dass wir den deutsch-französischen Wirtschaftsraum stärken und ausbauen wollen, und zwar auch durch eine Vielzahl rechtspolitscher Weichenstellungen. Das gilt für die Harmonisierung des Unternehmensrechts und des Insolvenzrechts zwischen Deutschland und Frankreich und für Veränderungen im Gesellschaftsrecht. Es ist für uns wichtig, dass wir als Rechtspolitiker die Aufgabe, die uns gestellt ist, annehmen, uns mit Vorschlägen zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraums auch in die Europapolitik einzubringen. Wenn die Menschen an solchen ganz greifbaren Punkten spüren, welche Vorteile Europa bringt, dann müssen wir uns, glaube ich, auch etwas weniger Sorgen machen, als wenn wir die Debatten über Europa immer nur abstrakt führen.
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Wir freuen uns auf eine herausfordernde Legislaturperiode mit einem ambitionierten Programm, und wir freuen uns, dieses in der Großen Koalition gemeinsam zum Erfolg zu führen.
Herzlichen Dank.
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Als nächsten Redner rufe ich den Kollegen Dr. Stefan Ruppert von der FDP-Fraktion auf.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein heißgeliebter Großvater, ein Sozialdemokrat, war immer stolz auf eine bürgerrechtliche Tradition der SPD, die in den 60er- und 70er-Jahren mit einer gewissen Unbeugsamkeit, mit dem Willen, dem Recht unbedingt zur Durchsetzung zu verhelfen, einherging.
Als es in Deutschland in den letzten Jahren den Anschein erweckte, dass wir das geltende Recht nicht immer ausreichend durchsetzen konnten, haben wir uns an Zitate von Hans-Jochen Vogel erinnert, der unbeugsam und völlig klar geltendes Recht zur Geltung gebracht und trotzdem die Sicherung eines bürgerrechtlichen Verfahrens hochgehalten hat. In den letzten vier Jahren haben wir einen solchen Eigenstand, eine solche Unbeugsamkeit des Bundesjustizministeriums schmerzlich vermisst.
({0})
Ein Minister, der erst für Meinungsfreiheit und gegen Vorratsdatenspeicherung war – in der ersten Hälfte der Legislaturperiode –, hat sich in einer Art Metamorphose in der zweiten Hälfte zu einem Minister gewandelt, der für Vorratsdatenspeicherung und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz war. Eine klare Linie war nicht zu erkennen.
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– Ob Sie ihn überzeugt haben oder ob er eher tagespolitischen Opportunitäten gefolgt ist, wage ich nicht zu beurteilen.
Der Satz, der früher galt, dass die Rechtspolitik ein edles Feld ist, auf dem man zwar vielleicht nicht regelmäßig in der „Bild“-Zeitung, aber zumindest regelmäßig im Bundesgesetzblatt steht, hat leider an Bedeutung verloren. Die Rechtspolitik hat in den letzten vier Jahren einen dramatischen Bedeutungsverlust gegenüber der Innenpolitik als das zweite Verfassungsressort hinnehmen müssen.
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Man hat versucht, das durch Verbraucherschutz zu kompensieren, aber wir haben die Erwartung, dass Sie der klassischen Rechtspolitik wieder zu der Geltung verhelfen, die sie in der Vergangenheit hatte.
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Ich will einen Punkt benennen, der mir und uns besonders wichtig ist: Wir haben den Eindruck, dass die Macht das Recht in den letzten Jahren häufig verdrängt hat. Wir haben den Eindruck, dass Opportunität, Machbarkeit, Effizienz oder auch nur Popularität den Eigenwert des Rechts regelmäßig verdrängt haben.
Ich will Ihnen mal von einem Vorgang aus meinem Heimatland Hessen berichten: Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass die NPD in der Stadthalle von Wetzlar tagen darf. Nach einer Art moralisch-kollusivem Zusammenwirken zwischen einem sozialdemokratischen Oberbürgermeister, einem christdemokratischen Regierungspräsidenten und einem christdemokratischen Innenminister waren sie der Meinung, man könne sich über diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzen, sie quasi boykottieren. So widerlich die NPD ist: Diese Haltung, dass wir die Rechtsprechung nicht mehr durchsetzen und sie nicht akzeptieren, ist für die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land brandgefährlich.
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Das ist eine Entwicklung, die mir große Angst macht.
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Auch hier wird leider häufig eher die Exekutive gestärkt, und parlamentarische Rechte fallen unter den Tisch. Die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre ist ja auch in Ihrem Ministerium vor vier Jahren leider verdoppelt worden.
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Es ist bedenklich, dass dieser Fokus in den letzten Jahren aus unserer Sicht verloren gegangen ist.
Ich freue mich aber. Ich kenne Katarina Barley seit vielen Jahren und schätze sie als kompetente, sachliche und hoffentlich der Rechtspolitik wieder mehr Eigenständigkeit gebende Politikerin.
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Ich kann nur sagen: Wenn Sie Bürgerrechten zum Durchbruch verhelfen wollen, wissen Sie uns als Freie Demokraten an Ihrer Seite.
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Deswegen würden wir uns freuen, wenn Sie bei § 219a StGB mehr Mut hätten und wenn Sie, statt sich einer Machtsituation zu beugen, eine Rechtsposition formulieren würden, die Informationen zulässt, aber anstößige Werbung vermeidet.
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Ich glaube, das wäre eine gute Position. Auch hier hätten Sie uns an Ihrer Seite, Frau Barley.
Herr Harbarth, den ich ebenfalls sehr schätze, sagte eben: Die Vorratsdatenspeicherung ist durch ein Gericht ausgesetzt worden. – Sie geben sich seit vielen Jahren damit zufrieden, statt Strafverfolgung durchzusetzen, lieber darauf zu hoffen, dass ein deutsches Gesetz oder das Bundesverfassungsgericht Ihre mehrfach gescheiterte Vorratsdatenspeicherung wieder in Kraft setzt. Kümmern Sie sich um Strafverfolgung, statt auf Gesetze, die mehrfach für verfassungswidrig erklärt worden sind, zu hoffen und geltendes Recht nicht durchzusetzen!
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Ich glaube, wir müssen alle daran arbeiten, dass in der Gewaltenteilung die Rechtsprechung und das Recht gegenüber machtpolitischen Erwägungen nicht zurückfallen. Ich finde, das „Forum Recht“, das Projekt, dem Recht einen eigenen Ort zu geben, es in der Nähe des Bundesgerichtshofs sichtbar zu machen – gleichsam ein Haus der Geschichte des deutschen Rechts, leider auch der Geschichte des deutschen Unrechts –, ist ein sinnvolles Vorhaben. Ich war betrübt darüber, nach den 200 000 Euro, die in den vergangenen Jahren für die Finanzierung bereitgestellt worden sind, im jetzigen Haushaltsentwurf null Euro zu finden.
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Es wäre wichtig, den Menschen das Gefühl zu geben, dass das Recht dem Unrecht und der Macht nicht weichen muss.
Mir fehlen in Ihrem Koalitionsvertrag – damit will ich zum Schluss kommen – viele rechtspolitische Vorhaben, die ich an sich bedeutsam finde. Ich meine, es gäbe bei der Durchsetzung von Bürgerrechten sehr viel zu tun. Wir hoffen auf Sie, Frau Barley, und wir stärken Sie da, wo Sie an eine bürgerrechtliche Tradition der Sozialdemokraten aus den 60er- und 70er-Jahren anknüpfen.
Vielen Dank.
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Der nächste Redner ist der Kollege Victor Perli von der Fraktion Die Linke.
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Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Die Linke setzt sich dafür ein, dass der Verbraucherschutz in Deutschland gestärkt wird.
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Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr Rechte haben, um sich gegen mögliche staatliche Willkür und Betrügereien von Konzernen zu wehren. Die Gerichte müssen mit ausreichend Personal ausgestattet sein, damit sie ihre Arbeit gut machen und Verfahren zügig abschließen können. Jeder Mensch muss unabhängig von seinem Einkommen die Möglichkeit haben, den Rechtsweg zu beschreiten. Das sind die Grundsätze, nach denen wir den vorliegenden Haushaltsplan bewerten.
Schauen wir auf den Verbraucherschutz: Heutzutage ist es für einzelne Bürger schwer, sich gegen Konzerne zu wehren, von denen sie getäuscht worden sind: hier das private Risiko, dort Rechtsabteilungen mit einem Millionenbudget.
Die Bundesregierung will jetzt endlich Musterfeststellungsklagen einführen. Geschädigte Einzelpersonen können sich zusammenschließen und sich von einem Verband vertreten lassen, zum Beispiel von der Verbraucherzentrale. Der Gesetzentwurf enthält einige Schwachpunkte. Darüber wird der Bundestag noch verhandeln. Wir, Die Linke, werden uns dafür einsetzen, dass die Musterfeststellungsklage kein zahnloser Tiger wird.
({1})
Die Verbraucherschützer müssen gut ausgestattet sein, um stark gegen die auftreten zu können, die tricksen und falsch informieren. Im Haushaltsentwurf wird der Zuschuss für den Bundesverband der Verbraucherzentralen allerdings um fast eine halbe Million Euro gekürzt. Wir wissen, dass Sie das mit ausgelaufenen Projekten begründen. Es ist trotzdem ein falsches Signal. Wir fordern Sie deshalb auf, diese Entscheidung zu korrigieren.
({2})
Die Linke setzt sich dafür ein, dass die Mittel für den Verbraucherschutz deutlich aufgestockt werden. Dazu möchten wir Ihnen den Vorschlag unterbreiten, einen Teil der vom Bundeskartellamt festgesetzten Bußgelder für illegale Kartellabsprachen gezielt für die Stärkung des Verbraucherschutzes einzusetzen. Damit könnten Sie dann zum Beispiel die unabhängigen Finanz- und Schuldnerberatungen der Verbraucherzentralen stärken.
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Hier ist ein wirksames Gegengewicht gegen die provisionsgetriebene Anlagenberatung fällig, die bei Privathaushalten immer wieder zu finanziellen Schäden führt.
Nun zum Datenschutz. Rund 30 Millionen Menschen in Deutschland nutzen Facebook. 47 Millionen Menschen nutzen Amazon, und fast jeder nutzt Google. Diese Konzerne sammeln Unmengen an Daten und haben ein unglaubliches Wissen über ihre Kunden. Das Privatleben der Menschen darf aber nicht schleichend enteignet werden. Das Privatleben muss geschützt werden.
({4})
Man muss sich das klarmachen: Wenn in irgendeinem Imbiss gegen die Hygienevorschriften verstoßen wird, dann kommen die Lebensmittelkontrolleure. Wenn ein Betrieb den Mindestlohn nicht einhält, dann kommt der Zoll. Wenn Internetgiganten wie Amazon, Google oder Facebook gegen die Datenschutzregelungen verstoßen, den Datenschutz ignorieren, unsere Daten ausschlachten und damit Milliardengewinne machen, dann braucht es einen handlungsfähigen Rechtsstaat, der hier klare Kante zeigt.
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Es braucht Datenschützer, die den Datenschutz sicherstellen. Diese Datenschützer müssen rechtlich und finanziell in der Lage sein, das auch durchzusetzen. Sie müssen aufhören, zu erzählen, dass dies unmöglich sei, weil die Konzerne nicht in Deutschland sitzen. Bemühen wir VW als Beispiel. Die US-Justiz hat sich auch Volkswagen vorgenommen, Manager angeklagt und einen Haftbefehl gegen den ehemaligen VW-Chef erlassen. Es ist eine Frage des politischen Willens. Sie müssen sich mit den Konzernen anlegen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.
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Die Linke setzt sich für einen starken Verbraucherschutz ein, der Bürgerinnen und Bürger auch dann schützt, wenn die Gewinnmöglichkeiten von Konzernen beschränkt werden müssen. Mit weniger geben wir uns nicht zufrieden, und deshalb muss der vorliegende Haushaltsentwurf noch deutlich nachgebessert werden.
Danke für die Aufmerksamkeit.
({7})
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Manuela Rottmann, Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch in der heutigen Debatte geht diese Koalition mit jeder Menge Rechtsstaatsbeschwörung in die nächste Runde. Aber ist sich diese Koalition eigentlich noch sicher, was der Rechtsstaat ist?
({0})
Gerichtsurteile zur Luftreinhaltung werden in Bayern von der CSU-geführten Staatsregierung mit einer Unverfrorenheit ignoriert, dass den Verwaltungsrichtern in München die Spucke wegbleibt. Ein Alexander Dobrindt erklärt Rechtsanwälte, die ihren Job als Organe der Rechtspflege machen, zu Gegnern des Rechtsstaats.
({1})
Einen Tag nachdem das Polizeiaufgabengesetz in Bayern den Landtag passiert hat, kommt sein Autor Horst Seehofer, unser neuer Bundesinnenminister, in die Situation, dass die Öffentlichkeit nach SMS auf seinem Handy fragt, von denen er lieber nichts mehr wissen will. Er hätte jetzt durch göttliche Vorsehung die Gelegenheit, über dieses Gesetz noch einmal nachzudenken; denn genau solche Möglichkeiten schafft es. Aber leider klappt das nicht.
({2})
Was ist also der Rechtsstaat? Er ist jedenfalls kein Fuchsschwanz, den man sich anheftet, um seinen Mackerauftritt, sein Bedürfnis nach einfachen Lösungen, seine Fantasien von Härte und Durchgriff zu dekorieren.
({3})
Herr Harbarth, Sie haben in Ihrer Rede beispielhaft von „wir Rechtspolitiker“ gesprochen. Es war aber eine innenpolitische Rede, eine Liste von neuen Grundrechtseingriffen und keine rechtspolitische Rede.
({4})
Der Rechtsstaat setzt Grenzen. Die Abwägung, die Verhältnismäßigkeit, die Gleichheit vor dem Gesetz sind sein Wesen. Eingriffe aufgrund von Vermutungen sind ihm fremd.
Nun will diese Koalition eine Kampagne für den Rechtsstaat machen.
({5})
Machen Sie das! Machen Sie eine Kampagne für den Rechtsstaat, vielleicht nicht nur für Alexander Dobrindt allein.
({6})
Sie werden mit dieser Kampagne scheitern, solange die Vertreterinnen und Vertreter der CSU jeden Sonntag in der „Bild am Sonntag“ den Rechtsstaat und seine Verteidiger diffamieren.
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Fangen Sie die Kampagne doch einmal damit an, dass Bayern tatsächlich die Gerichtsurteile befolgt, dass sich ein Alexander Dobrindt vor die Strafverteidiger und vor die Asylanwälte stellt – denn sie sind der Rechtsstaat –,
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dass die CSU das von ihr im Bund mitbeschlossene Integrationsgesetz auch in Bayern anwendet. Leben Sie doch erst einmal vor, was der Rechtsstaat ist, bevor Sie ihn anderen Leuten erklären wollen.
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Die Mehrheit der Bevölkerung spürt sehr genau, dass die große Klappe der CSU eigentlich nicht viel hermacht, dass sie einhergeht mit einer ziemlich vollen Hose.
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Sie weiß sehr genau, dass man einer Partei, die Maß und Mitte verloren hat, nicht mehr allzu viel Macht einräumen sollte.
({11})
Das wird vielleicht schmerzhaft für die CSU. Aber, Frau Ministerin, sparen Sie sich diese Kampagne für den Rechtsstaat. Die Regierung macht sich damit lächerlich.
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Liebe Freunde von der SPD, ich respektiere es sehr, dass Sie sich der Regierungsverantwortung wieder stellen. Ich habe sogar Erwartungen damit verbunden.
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Ich habe gedacht: Jetzt kämpft die SPD. Jetzt geht’s los.
({14})
Ich muss sagen: Es war naiv. Die SPD beschränkt sich wieder darauf, Etiketten auf eine Politik zu kleben, die in Wirklichkeit nichts ändern will.
({15})
Nehmen wir den sogenannten Pakt für den Rechtsstaat. 2 000 neue Stellen in der Justiz sollen geschaffen werden. Sie müsste man irgendwo in diesem Haushalt finden. Man findet 16,5 Stellen unter dem Titel „Pakt für den Rechtsstaat“, aber nicht in der Justiz, sondern im Justizministerium.
({16})
Auf Nachfrage heißt es dann: Ja, natürlich sollen sie überwiegend in den Ländern geschaffen werden.
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Mit denen haben wir aber noch nicht geredet, und der Bund wird die Länder dabei auch nicht finanziell unterstützen, sondern mehr ideell. Das ist eine Verkackeierung der Leute.
({18})
Die Justiz und der Rechtsstaat brauchen etwas ganz anderes vom Bund. Sie brauchen Entlastung von nutzlosen Strafverfahren wegen Falschfahrens und Cannabiskonsums,
({19})
Regelungen für eine effiziente Prozessführung, durchdachtes, verständliches Recht und nicht wieder diesen großkoalitionären Pfusch auf die letzte Minute, wie wir ihn kennen.
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Die Frage, wie die Verbände Musterfeststellungsklagen finanzieren sollen, ist nicht Ihr Bier: Die Mittel dafür werden gekürzt.
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Es wird keine Steigerungen der Effizienz der Justiz geben, weil jeder sein Geld einzeln einklagen will. Ich will es Ihnen sagen: Die Leute wollen kein Symbol; sie wollen ihr Geld zurück. Da hilft ihnen Ihr Konzept überhaupt nichts.
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Wieder wecken Sie große Erwartungen, und wieder werden Sie die Leute bitter enttäuschen. Es ist ein Haushalt ohne Zukunft, und es gibt leider keinen Anlass zur Hoffnung, dass er durch bessere Ideen in der Rechtspolitik besser gemacht wird.
Danke schön.
({23})
Für die SPD-Fraktion spricht als Nächstes der Kollege Johannes Fechner.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Wir beraten in dieser Debatte gerade einmal 0,23 Prozent des gesamten Bundeshaushalts, also nur einen äußerst geringen Teil des Haushalts 2018.
({0})
Dennoch darf dabei nicht unterschätzt werden, wie wichtig die Rechtspolitik für die Gestaltung unserer Gesellschaft ist.
({1})
Gerade in der Rechtspolitik wollen wir die Weichen für einen starken Rechtsstaat für die Bürgerinnen und Bürger stellen.
Wir haben uns deshalb mit diesem Justizhaushalt viele wichtige Maßnahmen vorgenommen. Deutschland ist heute schon eines der sichersten Länder der Welt und mit einer handlungsfähigen und kompetenten Justiz ausgestattet. Damit das so bleibt, haben wir in der Tat in der Koalition den Pakt für den Rechtsstaat vereinbart, der unter anderem 2 000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte schafft.
In der Tat fangen wir mit diesem Haushalt schon an. Was wir beim Bund tun können, das tun wir hier. Wir werden beim Generalbundesanwalt in einem ersten Schritt 27 neue Stellen schaffen. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme, die dort in Karlsruhe durchaus begrüßt wird.
({2})
Meiner Fraktion ist besonders wichtig, dass wir nicht nur Richter und Staatsanwälte einstellen, sondern dass wir auch beim Folgepersonal, also im Maschinenraum der Justiz – bei den Urkundsbeamten, bei den Rechtspflegern, bei den Gerichtsvollziehern –, zusätzliches Personal einstellen. Wir erwarten, dass die Regierungschefs der Länder schon am 14. Juni 2018 bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin verbindliche Vereinbarungen zur Umsetzung dieses Paktes treffen. Denn eines ist für uns klar: Die besten und schärfsten Gesetze bringen nichts, wenn wir nicht Richter und Staatsanwälte, Rechtspfleger, Gerichtsvollzieher und Urkundsbeamte haben, die diese Gesetze für die Bürgerinnen und Bürger dann anwenden und auch umsetzen.
({3})
Leider erleben wir in vielen Ländern derzeit antirechtsstaatliche Tendenzen: Wenn in Polen die Unabhängigkeit der Gerichte beschnitten wird, wenn in der Türkei willkürlich Journalisten verhaftet und Richter entlassen werden und wenn sich Herr Trump nicht an das mühsam ausgehandelte Atomabkommen mit dem Iran hält, dann müssen wir als Gegenentwurf zu diesen antidemokratischen und antirechtsstaatlichen Tendenzen klar Position beziehen und immer wieder deutlich machen, wie wichtig eine rechtsstaatliche Ordnung ist.
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Deswegen freuen wir uns, dass wir in Karlsruhe mit dem Forum Recht einen Ort schaffen können, wo wir den Rechtsstaat erlebbar machen und zeigen können, wie wichtig eine rechtsstaatliche Ordnung für unser Land ist. Deswegen werden wir 150 000 Euro einsetzen. Das ist das Ziel der SPD-Fraktion, damit wir hier ein klares Zeichen für den Rechtsstaat setzen können.
({5})
Nicht gestärkt wird der Rechtsstaat, wenn er immer wieder auch in diesem Hause oder von Kolleginnen und Kollegen infrage gestellt wird. Wenn etwa Herr Spahn regelmäßig feststellt, dass in Deutschland Recht und Ordnung nicht durchgesetzt werden, oder wenn Herr Dobrindt die Rechtsordnung durch Rechtsanwälte sabotiert sieht, dann untergraben sie damit das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat. Solche Äußerungen sind nicht nur in der Sache falsch, sondern sie sind auch eine Ohrfeige für alle diejenigen, die sich tagtäglich für den Rechtsstaat in Deutschland einsetzen: für Polizisten, die schwierige Einsätze absolvieren, oder Richter, die trotz erheblicher Arbeitsbelastung ihr Pensum abarbeiten. Deshalb: Hören Sie auf, immer wieder die Handlungsfähigkeit unseres Rechtsstaats infrage zu stellen! Bei allen Verbesserungsmöglichkeiten will ich ganz klar sagen: Der Rechtsstaat in Deutschland funktioniert, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Auch wir freuen uns, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche zurückgeht. Aber natürlich gibt es immer noch viel zu viele. Deswegen haben wir schon in der letzten Wahlperiode das Strafmaß für den Wohnungseinbruch erhöht. Wir haben die Vorratsdatenspeicherung beim Bandendiebstahl ermöglicht. Aber viel effektiver gegen Wohnungseinbrüche ist das von der SPD forcierte Förderprogramm zur Bezuschussung von Sicherungsmöglichkeiten gegen Einbrüche. Im Jahr 2015 gab es 4 000 bewilligte Förderanträge, 2016 schon 41 000. 2017 haben 78 000 Bürger diese staatliche Förderung für Einbruchsschutz in Anspruch genommen. Das ist ein voller Erfolg. Das ist ein Paradebeispiel für gelungene Kriminalitätsprävention. Deshalb ist es gut, dass wir in diesem Haushalt gemeinsam dieses Programm fortführen und 50 Millionen Euro dafür einstellen wollen. Damit zeigen wir: Wir lassen die Bürger bei den Wohnungseinbrüchen nicht im Stich. Sicherheit darf keine Sache des Geldbeutels sein. Auch Normalverdiener müssen hochwertigen Einbruchsschutz bekommen. Deswegen ist das eine ganz wichtige Präventionsmaßnahme, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Meine Damen und Herren, weil uns der Verbraucherschutz besonders wichtig ist, werden wir in diesem Haushalt Verbraucherinformationen und verbraucherpolitische Forschungsvorhaben finanziell fördern. Auch unterstützen wir die Stiftung Warentest mit über 3 Millionen Euro und die Verbraucherzentrale mit über 11 Millionen Euro; denn wir wollen, dass die Verbraucher hier zu ihrem Recht kommen.
Dem dient auch unser guter Entwurf zur Musterfeststellungsklage. Damit wird die Verbraucherzentrale ein effektives Instrument bekommen, um Verbraucherrechte durchzusetzen. Damit die Verbraucherzentrale auf Augenhöhe mit den großen Konzernen die Rechte der Verbraucher ausfechten kann, werden wir im nächsten Haushalt sicherlich mehr Geld für die Verbraucherzentrale einstellen müssen. Für uns gilt: Betrogene Verbraucher müssen schnell und ohne Kostenrisiko ihr Recht bekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Zum Schluss will ich nochmals festhalten: Wir haben in Deutschland einen starken und handlungsfähigen Rechtsstaat. Mit diesem Haushalt zeigen wir, dass wir dort, wo wir noch Verbesserungsbedarf haben, reagieren und so als Gesetzgeber die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sowie den Verbraucherschutz ernst nehmen und viel für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land tun.
Herzlichen Dank.
({9})
Ich erteile als nächstem Redner das Wort dem Kollegen Stephan Brandner für die AfD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich die drei Minuten, die ich habe, dafür nutzen, einen kurzen Rückblick und einen Ausblick zu machen.
Meine Damen und Herren, wir hatten als AfD viele vernünftige Forderungen im Wahlkampf. Zwei Forderungen waren: Sie, also Angela Merkel, muss weg, und er, also Heiko Maas, muss weg.
({0})
Wenn ich auf die Regierungsbank schaue, sehe ich: Wir waren damit vollständig erfolgreich. Sie ist weg – nicht ganz, sondern wahrscheinlich nur woanders –, und er ist weg, zumindest aus seinem Amt entfernt und nicht mehr Justizminister.
Meine Damen und Herren, von Anfang an war Heiko Maas eine Fehlbesetzung. Er ist durch nichts anderes qualifiziert als durch seinen Ziehvater Lafontaine, der ihn im Saarland hat groß werden lassen.
({1})
Er ist für jeden Anzug zu klein und auch für jedes politische Amt; anders kann man das wirklich nicht sagen.
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Durch dubiose Skandale aufgefallen, dubiose Finanzierung irgendeiner Fußballmannschaft mit dem Namen „Tote Hosen“ oder „Braune Hosen“ – ich weiß nicht genau, wie die Mannschaft im Saarland da hieß – durch die saarländische Landtagsfraktion, mit Skandalen ins Amt gekommen und dann versagt auf ganzer Linie, sei es bei der Mietpreisbremse, sei es bei der Frage, wie Maklergebühren auf die Mieter umgelegt werden, sei es bei der Frage des Netzwerkzersetzungsgesetzes, dieses unsäglichen Zensurgesetzes, das wir als AfD bekämpfen werden bis zum Letzten, bis dieses Gesetz verschwunden ist.
({3})
Herr Maas hat auf ganzer Linie versagt und wurde nun in das Außenamt entsorgt. Ich bin sicher: Auch da ist ihm der Anzug, den er angezogen hat, viele Nummern zu groß.
Herr Maas ist geradezu geflüchtet. Ich habe mir den Zeitablauf mal angesehen: Seit dem 31. Januar 2018 bin ich Vorsitzender des Rechtsausschusses.
({4})
Da hat Herrn Maas wahrscheinlich die Panik gepackt, und sechs Wochen später war er dann weg; im März 2018 hat er das Amt gewechselt. Ich glaube, er hatte einfach Angst vor der Auseinandersetzung mit mir und mit uns von der AfD im Rechtsausschuss.
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Es wurde ein neuer Posten für ihn gesucht, und der wurde im Außenamt gefunden.
Meine Damen und Herren, Sie sehen daran im Kleinen: AfD wirkt. Herr Maas ist weg. Herr Maas ist jetzt sehr häufig sehr weit und sehr viel weg. Das ist gut für Deutschland, zumindest gut für die deutsche Rechts- und Justizpolitik.
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Das war der Rückblick. Der Ausblick ist etwas erfreulicher, Frau Barley.
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Wir haben ja schon im Ausschuss nebeneinander gesessen. Sie haben also den Schneid gehabt, sich im Ausschuss neben mich zu setzen. Wenn Sie einmal ehrlich sind: So schlimm war das doch gar nicht, oder?
({8})
Der Kollege Hohmann hat es ja schon gesagt: Wir gehen Ihnen mit ausgestreckten, offenen Armen entgegen
({9})
und bringen Ihnen, Frau Barley, einen Vertrauensvorschuss entgegen und hoffen, Frau Barley, dass Sie ihn im Sinne einer guten Zusammenarbeit und im Sinne einer guten Rechts- und Justizpolitik in der Bundesrepublik Deutschland nutzen. Unser Angebot steht also – ich greife das, was der Kollege Hohmann gesagt hat, auf –: Herzlich willkommen bei uns im Ausschuss, bei mir im Ausschuss! Ich denke einmal, es wird etwas mit uns politisch, meine Damen und Herren.
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Wir sind nicht mit allem einverstanden, aber die Rechts- und die Justizpolitik ist nun einmal weder rot noch schwarz und auch nicht blau; und das ist auch gut so. Nicht einverstanden sind wir zum Beispiel mit einigen merkwürdigen Haushaltsposten. Ich habe mir einmal einen herausgesucht, und zwar den mit der Titelnummer 685 01-059 Nummer 6. Den werden wir uns einmal genauer anschauen. Vielleicht finden wir auch noch die eine oder andere weitere Diskrepanz.
({11})
Ich denke aber einmal: Wenn wir den Rechtsstaat in Deutschland verteidigen und ausbauen wollen, dann sind wir auf der richtigen Linie und, ich vermute einmal, Frau Barley, wo ich Sie jetzt anschaue, auch mit Ihnen.
Vielen Dank.
({12})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat als Nächstes die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker das Wort.
({0})
Guten Morgen!
({0})
Nach dieser amtsangemessenen Rede des Rechtsausschussvorsitzenden
({1})
darf ich Sie ganz herzlich begrüßen und die sachliche Debatte fortsetzen. Wir hatten gerade wieder, wie ich glaube, einen Beweis für die Relativität der Zeit: Es kann wirklich extrem anstrengend sein, es ertragen zu müssen, drei Minuten zuzuhören.
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Wir haben schon festgestellt: Die Größe des Haushalts steht in keinem Verhältnis zur Bedeutung unserer Themen Recht und Verbraucherschutz. Wir sind uns sicher einig, dass der Wert einer unabhängigen Justiz mit Geld nicht zu messen ist. Wie so oft wird einem der Wert erst dann bewusst, wenn es eben nicht rundläuft. National und international haben wir dafür Beispiele. Ich möchte einfach die Gelegenheit hier dazu nutzen, den Unterschied einmal klarzumachen. Werfen wir einen Blick in die Vereinigten Staaten: Da haben wir einen gefestigten Rechtsstaat, der auch die Unabhängigkeit und die Stärke aufbringt, selbst Anordnungen des Präsidenten zurechtzurücken, wenn sie mit der Verfassung nicht übereinstimmen. Den Gegensatz dazu ergibt ein Blick in die Türkei, wo Anwälte, Richter, Staatsanwälte, selbst Bundesrichter aus dem Dienst entfernt werden, in Haft genommen werden und die Justiz alles mitträgt. Auch Polen macht uns Sorgen, weil es dort auch um die Unabhängigkeit der Justiz geht. Wir hoffen, dass Reaktionen aus Brüssel und auch von den obersten Gerichtshöfen EuGH und EGMR da zu Korrekturen führen werden.
Hier in Berlin findet am 24./25. Mai auf Einladung der Europäischen Richtervereinigung der Europäische Justizgipfel zum Thema „Unabhängigkeit der Justiz und Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit in Europa“ statt. Ich denke, dass dieser Gipfel genau der Rahmen ist, von dem das Signal ausgehen muss: Wer zu den zivilisierten Staaten gehören will, der muss rechtsstaatliche Standards einhalten. Jede Regierung, die demokratische Legitimation für sich in Anspruch nimmt, muss aushalten, dass die Gerichte sie an den eigenen Gesetzen und der Verfassung messen.
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Aber auch im Inland haben wir einiges auf hohem rechtsstaatlichen Niveau zu tun. Daran dürfen wir als Rechtspolitiker überhaupt keinen Zweifel aufkommen lassen. Auch unsere Richter und Staatsanwälte stehen unter einem großen zeitlichen Druck. An ihrer Unabhängigkeit, auch an der der Anwälte, besteht überhaupt kein Zweifel. Das Problem ist aber, dass Verfahren häufig zu lange dauern, weil Personalressourcen fehlen. Folge ist, dass Beschuldigte trotz dringenden Tatverdachts aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen, dass es wegen langer Verfahrensdauern zu Strafrabatten kommt, dass es zu Einstellungen von Strafbefehlen kommt, wo eigentlich eine mündliche Verhandlung der Sache besser gedient hätte. Auch diejenigen, die letztendlich freigesprochen werden, leiden unter einem langen, hinhaltenden Verfahren. Und die Opfer einer Straftat können mit dem Erlebten nicht abschließen, solange das Verfahren läuft.
Unter langen Verfahren kann jeder Bürger leiden, beispielsweise wenn es um familienrechtliche Entscheidungen geht. Sie können den Handwerker treffen, der seinen Lohn einklagt, oder im Zusammenhang mit Wohnungskündigungen, Baugenehmigungen, Jobkündigungen vorkommen. All das sind Bereiche, in denen die Bürger schnell auf ihren Rechtsschutz angewiesen sind.
Eine der Ursachen ist, dass am Personal gespart wurde. Der Deutsche Richterbund hat das berechnet. Die 2 000 Stellen laut Bedarfsermittlungssystem PEBB§Y wurden schon angesprochen. Hinzu kommen die Stellen im nachgeordneten Bereich. Genauso fehlt es hier und da an Ausstattung, an Büros und PCs. Deshalb ist es richtig, dass wir uns vorgenommen haben, das zu tun, was man an der Stelle mit Geld tun kann.
({4})
Dazu haben wir den Pakt für den Rechtsstaat vereinbart. Pakt – das sagt der Name schon – heißt, dass mehrere Aspekte zusammenwirken müssen.
({5})
Es ist in der Tat eine Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und der Bundesländer, in deren Verantwortung die Gerichte überwiegend liegen. Der Bund muss hierbei seinen Teil übernehmen; das zeichnet sich schon ab.
Es geht um zusätzliche Stellen bei den Gerichten des Bundes und beim Generalbundesanwalt sowie um einige zusätzliche Mitarbeiter im Ministerium. Was die in dem Zusammenhang genau machen sollen, müssen wir sicher noch einmal im Detail klären. Darauf dürfen wir aber sicherlich nicht warten, wenn es darum geht, die Vorlagen für die Ministerpräsidentenkonferenz zu schreiben, vielmehr müssen die ganz schnell aus dem Justizministerium kommen.
Neben Personal und Ausstattung geht es auch um die effizienten Verfahren. Sie haben wirklich eine hohe Priorität, auch im Koalitionsvertrag, und liegen in unserer eigenen Zuständigkeit. Es hat mich schon gewundert, dass dieses Thema im Rahmen der Vorhabenplanung, die Sie, Frau Ministerin, uns im Rechtsausschuss in dieser Woche vorgestellt haben, überhaupt nicht vorgekommen ist. Ich glaube, wir müssen uns doch noch mal über die Wichtigkeit dieses Ansatzes verständigen.
Wir brauchen im Strafprozess Änderungen im Befangenheits- und Beweisantragsrecht, bei Besetzungsrügen, bei Großverfahren die Bündelung der Nebenklage. Das sind Vorschläge des Strafkammertags aus der Praxis. Ich denke, es stünde uns gut an, diese endlich aufzugreifen.
Wir wollen im Verwaltungsprozess eine Reform der Zulassungsberufung prüfen. Das hätte den Vorteil, dass schnell Klarheit in Rechtsfragen geschaffen wird, vor allem bei wichtigen Fragen: Welche Länder sind sichere Herkunftsländer und welche nicht?
({6})
Daran könnte sich die untere Instanz orientieren. Das würde die Verfahren beschleunigen und die Rechtsprechung vereinheitlichen.
({7})
Nur kurz möchte ich die Musterfeststellungsklage ansprechen, weil wir darüber vermutlich in der nächsten Sitzungswoche ausführlicher debattieren werden. Aber auch die gehört dazu, um die Verfahren zu effektivieren, damit Verbraucher in diesen Fällen ihre Ansprüche möglichst gut klären und durchsetzen können.
Wie gesagt, der Einzelplan 07 ist der mit Abstand kleinste. Politische Gestaltung beruht hier im Wesentlichen nicht darauf, dass wir Geld und Fördermittel verteilen, sondern darauf, dass wir gute Gesetze machen und fortschreiben, auf die die Bürger und Unternehmen in ihrem Alltag angewiesen sind.
Ich möchte mit Blick auf die Uhr drei Beispiele kurz anreißen.
Erstens. Ich denke, wir müssen den Blick auf die Änderung und Reform im Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht sowie Beschlussmängelrecht bei Aktiengesellschaften richten. Wir müssen die hohen Standards unserer Register im Hinblick auf Klarheit und Wahrheit und notarielle Identitätskontrolle verteidigen, wenn es darum geht, Onlinegründungen zu ermöglichen, wie die Europäische Union das plant. Wir müssen schauen, welche Maßnahmen helfen, den Rechtsstandort Deutschland zu stärken. Wir möchten, dass unser Recht und unser Rechtsstaat auch für unsere Unternehmen ein positiver Standortfaktor sind.
Zweitens. Wir müssen uns das Wohnungseigentumsgesetz anschauen; vom Mietrecht war vorhin schon die Rede. In diesem Bereich müssen wir Reformen angehen, um zum Beispiel Renovierungen, einen altersgerechten Umbau, E-Anschlüsse für E-Autos usw. praktikabel zu machen.
Drittens. Wir müssen uns darum kümmern, dass sich Abmahnungen in Zukunft nicht mehr so lohnen wie bisher. Sie dürfen kein Geschäftsmodell sein, bei dem man vor allem an den Gebühren und Vertragsstrafen verdient, anstatt sich vor allem um den Wettbewerbsverstoß zu kümmern.
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Es gibt also viel zu tun, auch wenn nur wenig Geld zur Verfügung steht.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
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Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Jürgen Martens.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der jetzt zur Beratung anstehende Haushalt betrifft zwar das BMJV, aber im Kern geht es um den Rechtsstaat. Wir stellen fest, dass es auch in diesem Haus ein einheitliches Verständnis seiner Aufgaben, seiner Stellung nicht mehr so richtig gibt. Der Rechtsstaat – das möchte ich vorwegschicken – ist ein Wert an sich. Er ist kein politisches Instrument. Er ist kein Instrument für Verbraucherschutz; er ist aber auch kein Instrument im Kampf gegen den Islam.
Wenn wir uns den Haushalt anschauen, können wir Prüffragen stellen. Ich stelle hier drei: Hat die Bundesregierung Lösungen für die Probleme von heute, die funktionieren? Gehen Sie diejenigen Probleme an, die uns morgen herausfordern? Und: Respektieren Sie die Rechte unserer Bürger? Nehmen wir zum Beispiel den Pakt für den Rechtsstaat. Es sollen 2 000 Richterstellen bei Bund und Ländern geschaffen werden – in der Mehrzahl wohl bei den Ländern –, aber wie die Verteilung aussieht, ist nicht klar. Es ist dem Haushalt auch nicht zu entnehmen, wie die Finanzierung langfristig aussehen soll. Als ehemaliger Justizminister eines Bundeslandes weiß ich, wie diese Spielchen laufen: Da lassen sich Politiker in Berlin für Pakte, die sie auf Kosten der Bundesländer schließen, feiern. Das sieht weniger nach einem Pakt für den Rechtsstaat aus, das riecht nach Warschauer Pakt.
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Sie haben die Musterfeststellungsklage ehrgeizig auf den Weg gebracht; aber sie muss bis zum 1. November in Kraft treten. Ich weiß nicht, ob Sie das wirklich schaffen. Wenn nicht, dann richten Sie einen gewaltigen Flurschaden an, nämlich einen massiven Vertrauensverlust in den Rechtsstaat insgesamt. Ich weiß nicht, ob Sie es wirklich schaffen, zumal Sie vorher auch noch Register einrichten wollen. Diese Ankündigung ist vielleicht lobenswert, aber risikobehaftet.
Ich frage weiter: Respektieren Sie die Rechte der Bürger, etwa im Strafrecht? Hier möchten Sie Verfahren beschleunigen; das klingt zunächst unverfänglich und gut. Aber was sich da abzeichnet, lässt ja erahnen, dass da mit Sicherheit keine neuen Rechte für Prozessbeteiligte geschaffen werden sollen – höchstens für die Staatsanwaltschaft –; als Beispiel nenne ich die Bündelung der Nebenklagevertretung in umfangreichen Verfahren. Damit verbessern Sie nicht die Rechte von Opfern von Straftaten und ihren Angehörigen, sondern Sie schränken sie ein. Sie schränken dort nämlich das Recht der freien Anwaltswahl ein. Der tatsächliche Grund sind die manchen zu hoch erscheinenden Kosten der Nebenklage im NSU-Verfahren.
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Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Konsequenz, die diese Bundesregierung aus dem NSU-Verfahren zieht, ist die Verkürzung von Opferrechten durch die Einschränkung der Anwaltswahl in der Nebenklage. Ich hätte mir hier ganz andere Schlussfolgerungen der Bundesregierung aus dem NSU-Skandal und dem systematischen Versagen von Sicherheitsbehörden und -diensten gewünscht als ein solches Vorgehen. Das nenne ich schäbig.
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Wie die neuen angekündigten Regeln für die Beweiserhebung oder ‑verwertung aussehen sollen, ist auch nicht klar. Das Gleiche gilt für die Vereinfachung von Ablehnungsmöglichkeiten bei Befangenheits- und Beweisanträgen. Hier ist bisher noch keinem erklärt worden, was sich hinter dem Begriff „missbräuchlich“ versteckt.
Meine Damen und Herren, da passt es auch ins Bild, wenn aus den Reihen der Großen Koalition Äußerungen kommen, das Einlegen von Rechtsmitteln sei Sabotage des Rechtsstaates. Das ist schon ein seltsames Rechtsstaatsverständnis, meine Damen und Herren. Rechtsstaat heißt Rechtsstaat, weil er den Menschen nicht nur Rechte gibt, sondern auch Rechtsmittel zu deren Verteidigung.
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Wer hier von „Sabotage“ spricht, der zeigt doch nur, dass er das für einen Rechtsstaat hält, was in Wirklichkeit bloß ein autoritärer Obrigkeitsstaat ist, der keinen Widerspruch duldet.
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Eine andere Frage ist: Wie stellen Sie sich den Herausforderungen, die vor uns stehen, etwa bei der Digitalisierung der Justiz? Dazu heißt es lapidar:
Wir werden die Digitalisierung der Justiz in allen Bereichen konsequent und einheitlich vorantreiben.
Das reicht nicht aus. Nach wie vor gibt es erheblichen Handlungsbedarf. Aber die gemeinsame Strategie der Bund-Länder-Kommission stammt weiter vom 16. März 2011. Die elektronische Akte soll eingeführt werden. Ja, aber die Frist dafür läuft bis zum 1. Januar 2026. Da ist Ihnen die Realität in der Wirtschaft weit, weit voraus, meine Damen und Herren. Wir können erwarten, dass sich die Große Koalition diesem Problem anders stellt und es wirklich effizient angeht.
Meine Damen und Herren, die Freien Demokraten sind weiter eine Partei des Rechtsstaates. Aber Rechtsstaat ist für uns nicht der bevormundende Nanny-Staat und nicht der autoritäre Obrigkeitsstaat, sondern ein Staat, der die Rechte seiner Bürger respektiert und schützt, der Recht durchsetzt, statt ständig nur neue Gesetze zu erfinden, und der den Menschen Sicherheit gibt und ihnen nicht von vorneherein misstraut.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Ich erteile das Wort dem Kollegen Niema Movassat für die Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Koalition hat einen Pakt für den Rechtsstaat vorgestellt. Sie versteht darunter fast ausschließlich die Schaffung neuer Stellen in der Justiz. Natürlich wäre es gut, wenn diese Stellen wirklich kommen würden. Zuvor wurden durch Union und SPD Richterstellen jahrelang gestrichen. Doch ein Pakt für den Rechtsstaat muss doch mehr sein als Stellen, er muss Bürgerinnen- und Bürgerrechte schützen.
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Ich will Ihnen drei Punkte nennen, die in einen Pakt für den Rechtsstaat gehören.
Erstens: die Stärkung von Bürgerbeteiligung. Die Forderung nach mehr Demokratie ist für den Rechtsstaat elementar. Immer mehr Menschen fragen sich, warum sie bloß alle vier Jahre ein Kreuz machen dürfen, aber ansonsten nicht mitentscheiden können. Wir brauchen mehr Demokratie. Wir brauchen Volksabstimmungen. Die Linke hat dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser schützt die Grundrechte und auch die Rechte von Minderheiten durch eine Vorabprüfung des Bundesverfassungsgerichts.
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Die Große Koalition aber hat die Frage direkter Demokratie in einer Expertenkommission versenkt. Das, liebe SPD, die Sie im Wahlkampf für mehr Demokratie getrommelt haben, ist leider ein ganz schlechter Deal.
Zweitens. In einen Pakt für den Rechtsstaat gehört das Aus für die Vorratsdatenspeicherung. Das Oberverwaltungsgericht NRW sagt mit guten Gründen, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen Europarecht verstößt. Die Vorratsdatenspeicherung stellt Menschen unter Generalverdacht. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig.
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Drittens. Ein Pakt für den Rechtsstaat muss da für Entkriminalisierung sorgen, wo dies nötig ist. Das Strafrecht soll nur Verhaltensweisen sanktionieren, die besonders verabscheuungswürdig sind. Es hat keine Logik, dass Falschparken nur eine Ordnungswidrigkeit ist, Schwarzfahren aber eine Straftat. Beides hat ungefähr den gleichen Unrechtsgehalt – einen sehr geringen.
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Ein anderes Stichwort ist das Containern, wenn also Menschen Lebensmittel aus Mülltonnen von Supermärkten nehmen. Das wird absurderweise als Diebstahl behandelt. Beide Delikte, Schwarzfahren und Containern, werden meist aus Armut begangen. Und Armut darf keine Straftat sein!
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Genauso absurd ist es, wenn Menschen wegen ein paar Gramm Cannabis, die sie mit sich führen, bestraft werden. Cannabis ist nicht gefährlicher als Alkohol, der jährlich 70 000 Menschen tötet. Wir brauchen endlich eine Entkriminalisierung des Besitzes geringer Mengen Cannabis.
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Meine Damen und Herren, wir diskutieren hier schon eine Weile über die Abschaffung des § 219a StGB. Dieser verbietet, dass Ärzte überhaupt darüber informieren dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Das erschwert es Frauen, in einer emotional schwierigen Situation Hilfe zu finden, und außerdem beeinträchtigt es die freie Arztwahl. Auch Sie von der SPD wollen diese Norm streichen. Das hätte längst geschehen können; es gibt dafür eine Mehrheit in diesem Hause. Geben Sie sich einen Ruck, und lassen Sie sich in dieser Gewissensfrage nicht länger von der Union gängeln!
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Liebe SPD, Sie sollten sich schon überlegen, wie Sie mit einer faktisch verfassungsfeindlichen Gruppierung in Ihrer gemeinsamen Koalition umgehen wollen, die sich unsäglicher Begriffe wie dem der „Antiabschiebeindustrie“ bedient. Was da aus der CSU kommt, ist ein ungeheurer Frontalangriff nicht nur auf Geflüchtete, die ihre Rechte wahrnehmen, sondern auch auf die Anwaltschaft.
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Die AnKER-Zentren für Geflüchtete, die Innenminister Seehofer plant, stehen in dieser Linie. Sie werden nämlich dazu führen, dass es für Geflüchtete deutlich schwerer wird, einen Rechtsanwalt zu finden. Schon das ist ein No-Go. Aber zudem plant Ihr Innenminister, in diesen Zentren mit den Geflüchteten kurzen Prozess zu machen. Da soll offenbar die Grenze zwischen der Verwaltung und der zur Kontrolle berufenen Justiz verwischt werden. Damit wird die Gewaltenteilung infrage gestellt. Die geplanten AnKER-Zentren sind ein Angriff auf den Rechtsstaat.
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Da, liebe Frau Barley, sind Sie als Justizministerin gefordert, Ihrem Kollegen Seehofer die Obergrenze für rechtsstaatswidriges Verhalten aufzuzeigen.
Danke schön.
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Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Tabea Rößner.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Ministerin! In Ihrer Antrittsrede haben Sie gesagt, wir befänden „uns … in der Situation ‚David gegen Goliath’ – die einzelnen Nutzerinnen und Nutzer gegen die geballte Wirtschaftsmacht“. Deswegen bräuchte es „den Rechtsstaat und den Verbraucherschutz, um das Machtgefälle auszugleichen“.
Aber wo sind denn nun die wichtigen Projekte in Ihrem Haushalt? Andere Ressorts haben bereits Schwerpunkte gesetzt und aufgestockt; aber Ihre Handschrift kann ich nicht erkennen. Das ist nicht nur bedauerlich, das ist angesichts immer neuer, teils aggressivster Geschäftspraktiken, gerade im Internet, geradezu fahrlässig.
Ihre Versprechen im Koalitionsvertrag sind eine Neuauflage von Vorhaben, die in der letzten Legislatur verschludert wurden. Einzig die Musterfeststellungsklage bringen Sie jetzt auf den Weg – viel zu spät. Und dann kürzen Sie den Verbraucherschutzorganisationen auch noch das Geld -ausgerechnet dem vzbv, der die Klage für die betrogenen Dieselhalter jetzt auf den Weg bringen muss. Das müssen Sie mir erst einmal erklären.
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Ich nenne ein anderes Beispiel: explodierende Mieten. Seit Monaten reden Sie davon, die Mietpreisbremse nachschärfen zu wollen. Konkrete Vorschläge: keine. Nicht einmal eine Infokampagne, die Mieter über ihre Rechte aufklärt, ist in Ihrem Haushalt vorgesehen. Und wo bleiben Ihre Initiativen, um Verbraucher gegen Abzocke im Bereich Inkasso oder vor unerlaubter Telefonwerbung zu schützen?
Eine weitere Leerstelle gibt es beim nachhaltigen Konsum. Da setzen Sie die erfolglose Politik der Runden Tische und der Eigenverantwortung der Wirtschaft fort. Das nützt den Verbrauchern nicht, und das nützt der Umwelt bzw. den Textilarbeiterinnen in Bangladesch schon gar nicht.
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Der digitale Verbraucherschutz ist das Riesenthema, das ganz oben auf der Agenda stehen muss. In einer zunehmend digitalen Welt, in der unser Informations- und Konsumverhalten immer mehr durch Algorithmen bestimmt wird und Daten zur Währung werden, müssen die Rechte von Verbrauchern deutlich gestärkt werden. Sicher, es gibt lobenswerte Ansätze, mit denen Sie Hersteller intelligenter Haushaltsgeräte zu mehr Datenschutz verpflichten wollen; aber es braucht eben mehr: Transparenz, Interoperabilität und eine gestärkte Aufsicht. Das alles muss jetzt dringend angegangen werden.
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Stattdessen wurde der Datenschutz jahrelang ausgebremst, die Vorratsdatenspeicherung – das wurde bereits erwähnt – eingeführt und weder gegen Sicherheitslücken noch gegen Scoring oder Tracking vorgegangen. Auch die Äußerungen der Kanzlerin zu Dateneigentum oder zur Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung bereiten mir da eher Sorgen. In Brüssel blockierten Sie die E-Privacy-Verordnung. Dabei wäre das doch ein scharfes Schwert gegen die Goliaths dieser Welt.
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Der Fall Cambridge Analytica hat gezeigt, wohin es führt, wenn man Internetkonzernen einfach so freien Lauf lässt. Missbrauch und Manipulation müssen verhindert werden, insbesondere bei der politischen Meinungsbildung. Das rührt nämlich an den Grundfesten unserer Demokratie. Und da hilft übrigens auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht weiter. Ganz im Gegenteil: Es wurden bereits zahlreiche Beiträge unrechtmäßig gelöscht. Wir brauchen daher eine Überarbeitung, vor allem brauchen wir das Recht auf Wiedereinstellung.
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Nach dem Datenskandal haben Sie sich, Frau Ministerin, enttäuscht gezeigt, dass Facebook die Datenschutz-Grundverordnung nun doch nicht weltweit anwenden will. Das darf Sie doch nicht wirklich verwundern. Das Einzige, was profitorientierte Konzerne wie Facebook in die Schranken weist, ist sicher nicht ein nettes Kaffeekränzchen, sondern knallharte Regulierung. Hier hat die Bundesregierung bisher leider total versagt.
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Frau Ministerin, ich würde mich ja freuen, wenn Sie es anders machen würden als Ihre Vorgänger und Verbraucherrechte wirklich stärken würden. Das braucht Kreativität und Mut. Nur so kann David Goliath auch tatsächlich in die Knie zwingen. Daher gebe ich Ihnen gerne den Rat Hegels mit auf den Weg: „Die Wahrheit einer Absicht ist die Tat.“
Vielen Dank.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Esther Dilcher für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Dr. Barley! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren der AfD! Der Einzelplan 07 – das haben wir schon gehört – ist mit Ausgaben – ich will die Zahl auch einmal nennen – in Höhe von 782 Millionen Euro ein vergleichsweise kleiner Haushalt, der aber mit Einnahmen in Höhe von 569 Millionen Euro zugleich die höchste Deckungsquote aller Einzelpläne aufweist. Darüber hinaus ist er sehr personalgeprägt. Das heißt, 65 Prozent der Ausgaben investieren wir nur für Personal.
Ich kann die Worte der Frau Ministerin nur unterstreichen: Wir legen einen soliden und einen an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger orientierten Haushalt vor,
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einen Haushalt, der insgesamt davon profitiert, dass es uns hier in Deutschland wirtschaftlich sehr gut geht. Investitionen sind gerade in dieser Zeit richtig. Es sind richtungweisende Investitionen in die Zukunft unseres Landes. Wann, wenn nicht jetzt, lohnt es sich, neue Aufgaben und Herausforderungen tatkräftig und finanziell anzugehen? Das ist die Handschrift sozialdemokratischer Politik,
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so auch im Einzelplan 07 – Recht und Verbraucherschutz.
Die Große Koalition wird dafür Sorge tragen, zusätzliche Aufgaben – zum Beispiel durch Digitalisierung, durch die immer umfangreicheren Prüfungen von Patentanmeldungen, durch das Netzdurchsetzungsgesetz und im Zusammenhang mit den Marktwächtern – im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger zu erledigen.
Der „Pakt für den Rechtsstaat“ ist von fast jedem angesprochen worden. Auch ich möchte ihn noch einmal beleuchten: Er ist ein ausgesprochen wichtiges und meines Erachtens besonderes Vorhaben der Koalition im Bereich Recht und Verbraucherschutz, weil – das hat Frau Winkelmeier-Becker schon angesprochen – es die Zusammenarbeit von Bund und Ländern nötig macht. Das wollen wir auch unterstützen. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern zum einen transparent machen, wie wichtig ein funktionierender Rechtsstaat für unsere Demokratie ist, und zum anderen wollen wir auch das Vertrauen in unser Rechtssystem weiter stärken, insbesondere in eine unabhängige Rechtsprechung. Uns wird ja vorgeworfen, dass wir zu viel Geld für Information ausgeben. Angesichts dessen finde ich es schon sehr verwunderlich, dass wir gerade gerügt wurden, weil wir viel zu wenig darüber informieren, wie zum Beispiel die Mieterrechte gestärkt werden können. Man sollte vielleicht einmal darüber sprechen, was wir machen sollen: mehr informieren und alles transparenter machen oder weniger informieren.
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Ich begrüße es sehr, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir uns mit dem Koalitionspartner auf das Sofortprogramm „Personal“ verständigen konnten. In den Berichterstattergesprächen wird normalerweise noch keine Grundlage für den Personalhaushalt gefunden, weil da noch ganz viel auszuhandeln ist. Ausnahme ist in unserem Einzelplan das Sofortprogramm „Personal“. Es wird nicht nur zusätzliche Richterstellen bringen, sondern auch, wie wir schon gehört haben, zusätzliches Personal in der Verwaltung; mein Kollege Dr. Fechner hat sie als den „Maschinenraum der Justiz“ bezeichnet. So können wir unter anderem Verfahren beschleunigen. Die lange Verfahrensdauer ist tatsächlich etwas, was bei uns noch zu kritisieren ist. 100 Prozent werden wir nie erreichen, aber man sollte es zumindest anstreben.
„Eine moderne Gesellschaft braucht modernes Recht“ – so ist es in unserem Koalitionsvertrag formuliert. Ich möchte ein Beispiel hierfür etwas ausführlicher darstellen, vielleicht auch für die Gäste auf der Tribüne. Wir haben hier im Haus vor einiger Zeit über die Einführung des sogenannten Wechselmodells als Regelmodell im Familienrecht diskutiert. Das hieße, es würde per Gesetz angeordnet, dass sich die Eltern nach der Trennung abwechselnd um die Kinder kümmern. Wir als SPD-Fraktion wollen keine solche Festlegung im Gesetz – wir haben das hier auch ganz klar und eindeutig formuliert –; denn wir finden es gut, dass das Gesetz mittlerweile verschiedene Möglichkeiten vorsieht, die für die konkreten Konstellationen in den Familien in Betracht kommen. Die Juristenausbildung ist aber für eine solche Situation gar nicht ausgelegt. Man wird zum Juristen ausgebildet, um den Beruf eines Richters, also eines Entscheiders, auszuüben. Eine streitige Entscheidung fördert aber nicht unbedingt das Kindes- und Familienwohl, wenn sich ein Elternteil hinterher als Verlierer fühlt. In einem solchen Konflikt ist eine Vermittlung erforderlich, um die Eltern bei der Erarbeitung einer gemeinsamen Lösung zu unterstützen. Um dies zu ermöglichen, ist es erforderlich, dass wir die Fort- und Weiterbildung von Richterinnen und Richtern und anderen am Verfahren Beteiligten stärken. Deshalb freut es mich als Familienrechtlerin außerordentlich, dass umfassende Schulungen im Bereich der Justiz finanziell gefördert werden. Insgesamt ist allerdings zu überlegen – es ist im Zusammenhang mit der Richterausbildung und dem Deutschen Richtergesetz schon andeutungsweise angeklungen –, ob wir diese Ausbildung auf den Prüfstand stellen sollten.
Außerdem werden wir die Digitalisierung weiter fördern.
Alles in allem geht es bei diesem kleinen Haushalt um ganz große Herausforderungen. Ich bin überzeugt, dass die Ministerin diese beherzt und kraftvoll angehen wird, und dabei werden wir sie unterstützen. Glück auf!
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Lothar Maier.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn eine neue Bundesregierung ins Amt kommt, dann darf man erwarten, dass auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes – und darüber möchte ich sprechen – das relativ hohe Schutzniveau, das wir in Deutschland haben, nicht nur gewahrt, sondern ausgebaut und insbesondere an die sich wandelnden sozialen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten angepasst wird. Die wenigen verfügbaren Zahlen des Einzelplans 07 geben da nicht viel her, auch wenn die Ministerin heute in diesem Hause und davor im Ausschuss schon weitere Erläuterungen gegeben hat.
Aber es gibt den Koalitionsvertrag. Er enthält immerhin 15 mehr oder weniger konkrete Aussagen zur Verbraucherpolitik, die vielleicht noch nicht die Handschrift der Ministerin tragen, aber immerhin zunächst den verbindlichen Handlungsrahmen der Verbraucherpolitik der Großen Koalition bilden. Aus Zeitgründen darf ich nur ein paar wenige dieser 15 Programmpunkte herausgreifen, damit Sie sehen, in welche Richtung es geht und ob es überhaupt in irgendeine Richtung geht. Da heißt es – ich zitiere mit Genehmigung –:
Wir werden die Verbraucherrechte bei ambulanten Pflegeverträgen stärken. …
Vorfälligkeitsentschädigungen bei Immobilienkrediten müssen angemessen … sein. …
Dynamische Preisbildung muss Verbraucherinnen und Verbrauchern nach klaren Regeln transparent dargestellt werden. …
Anbieter des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs werden dazu verpflichtet, eine Schnittstelle für Portale bereitzustellen, die Information und Buchung integrierter Mobilität (wie z. B. Tickets) deutschlandweit ermöglicht. …
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Die Verbraucherzentralen werden mit der Fortsetzung der Bereitstellung von Materialkompassen … beauftragt.
Die Arbeit des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen wird fortgesetzt …
Was wir hier sehen, ist ein Flickenteppich von Einzelmaßnahmen, die in keinem inneren Zusammenhang stehen
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und die obendrein in vielen Fällen nichts weiter darstellen als die Fortführung von Maßnahmen und Projekten, die es schon seit Jahren gibt.
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Was daran neu sein soll, das müssen Sie uns noch erklären. Es mag ja sein, dass viele dieser Einzelmaßnahmen jeweils für sich genommen sinnvoll sind, aber sie stehen in keinem inneren Zusammenhang. Es ergibt sich kein verbraucherpolitisches Profil daraus. Schwerpunkte werden nicht gesetzt.
Wissen Sie, es kommt mir so vor, als ob die Große Koalition sagt: Wir basteln uns ein Verbraucherprogramm. Konzepte haben wir keines, das macht aber nichts. Wir nehmen ein paar Punkte von den Verbraucherzentralen, wir nehmen ein paar Punkte vom Deutschen Mieterbund, wir nehmen ein paar Punkte vom Bund der Versicherten, und damit es nicht so einseitig ist, nehmen wir noch etwas von der BaFin, von den Verbänden der Verkehrswirtschaft und denen der Anbieter dazu. Das Ganze verrühren wir zu einem Kessel Buntes und kleben das Etikett „Verbraucherpolitisches Programm der Bundesregierung“ drauf.
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Das ist allerdings kein Programm, meine Damen und Herren, es ist bestenfalls eine Collage aus Versatzstücken der Programme Dritter, ein Programm aus zweiter Hand. Das alleine ist schon ein Offenbarungseid.
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Kein Wort findet sich in der Koalitionsvereinbarung zu Themen, die die Verbraucher heute sehr stark beschäftigen, etwa zu den Folgen des explodierenden Onlineversandhandels und den rechtlichen Fragen, die sich daraus ergeben, zu den Fragen der Versorgungssicherheit, die damit zusammenhängen, auch gerade beim grenzüberschreitenden Onlinehandel, und zu den sich ausbreitenden elektronischen Zahlungsverfahren.
Herr Kollege, denken Sie an Ihre Zeit, bitte.
Ich komme gleich zum Ende.
Ich hoffe, Frau Ministerin, Sie orientieren sich nicht an den Collagekünstlern, sondern an Pionieren des Verbraucherschutzes. Ich denke hier an Anke Martiny und Käte Strobel. Das waren Politikerinnen aus Ihrer Partei, die Strukturen geschaffen haben, die bis heute Bestand haben. Legen Sie ein innovatives und zusammenhängendes Programm der Verbraucherpolitik vor!
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Alexander Hoffmann für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, die zwei Besonderheiten des Einzelplans 07 sind angeklungen: Zum einen ist es der kleinste Etat mit gerade einmal mit 782 Millionen Euro, aber dieser Umfang darf keinen Rückschluss zulassen auf die Bedeutung dieses Themenfeldes. Ich glaube, dass die heutige Debatte sehr deutlich gemacht hat: Rechtspolitik ist mittlerweile auch Gesellschaftspolitik.
Ich will die zweite Besonderheit gleich anfügen: Es ist – auch das ist schon angeklungen – der Einzelplan mit dem höchsten Eigendeckungsgrad. Den Ausgaben von 782 Millionen Euro stehen Einnahmen durch Gebühren in Höhe von 568 Millionen Euro – geschätzt – für dieses Jahr gegenüber, und die Einnahmen steigen. In 2017 waren es 541 Millionen Euro.
Wenn wir uns fragen, welcher Bereich den größten Beitrag zu diesen Einnahmen leistet, sehen wir: Das ist das Deutsche Patent- und Markenamt. Die Gebühreneinnahmen aus Patentanmelde- und -schutzverfahren beliefen sich in 2017 schon auf 386,5 Millionen Euro, geschätzt für 2018 sind es 410 Millionen Euro.
Wir alle wissen, dass die Zahl der Patentanmelde- und -schutzverfahren steigt. Diejenigen, die in der letzten Ausschusssitzung dabei waren, wissen, worauf ich hinaus will. Wir sollten uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den weiteren Beratungen sehr gut überlegen – Frau Ministerin, ich bin froh, dass ich in dieser Frage im Ausschuss bei Ihnen an eine offene Tür geklopft habe –, ob wir gerade beim Deutschen Patent- und Markenamt in diesem Haushalt keinerlei Stellenaufwuchs vornehmen sollten. Wir alle wollen, dass Deutschland Wirtschafts- und Forschungsstandort ist. Dann ist es nicht zeitgemäß, ich will fast sagen: nicht angemessen, wenn Anmelde- oder Schutzverfahren teilweise bis zu sechs Jahre dauern.
Rechtspolitik ist Gesellschaftspolitik. Sie ist aber auch Sicherheitspolitik.
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Deswegen bin ich froh, dass wir im Koalitionsvertrag als einen Baustein vereinbart haben, dass wir Kinder und Jugendliche im Internet besser vor sexuellen Übergriffen schützen wollen.
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Wir haben vereinbart, dass wir den untauglichen Versuch – das ist die juristische Formulierung – des Cybergroomings unter Strafe stellen wollen.
Entschuldigung, Herr Kollege. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, könnten Sie bitte etwas leiser sein und dem Kollegen zuhören, damit wir zügig zum Ende kommen?
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich will für die Zuschauerinnen und Zuschauer kurz erläutern, was sich hinter dem Begriff „Cybergrooming“ verbirgt. Das ist das Anbandeln mit Minderjährigen im Internet zum Zwecke der sexuellen Kontaktaufnahme, sei es das Austauschen von Bildern oder das Verleiten zu irgendwelchen sexuellen Handlungen oder später zu Treffen. Das fand früher, vor der digitalen Zeit, nur in Einzelfällen statt. Der Täter musste sich vor Schulen, vor Kindergärten oder vor Spielplätzen platzieren. Dort war er immer dem Risiko der Entdeckung ausgesetzt. Im digitalen Zeitalter hat sich das geändert. Diese Vorfälle haben wir heute hundertfach in deutschen Kinder- und Jugendzimmern, abends im Internet. Sie alle kennen sicher die mediale Berichterstattung dazu. Da klickt zum Beispiel eine Lisa, zwölf Jahre, auf die Internetseite einer Schülerplattform, und binnen Minuten erhält sie mehrere Kontaktanfragen von Männern, die sie verleiten wollen, Bilder zu schicken oder sich mit ihnen zu treffen.
Die Ermittler haben uns immer gesagt: Wir brauchen einen Ermittlungsansatz. Ein Beamter muss sich am Computer als Lisa, zwölf Jahre, ausgeben können, um die Chance zu haben, im Internet mit den Tätern Kontakt aufzunehmen und diese dingfest zu machen. Bisher ist das Problem, dass, wenn es zu entsprechenden Handlungen kommt, der Beamte kein taugliches Tatobjekt ist. Deshalb kann das nicht weiterverfolgt werden.
Wir haben in der letzten Legislaturperiode sehr intensiv darüber diskutiert; Sie werden sich daran erinnern. Wir haben ein Fachgespräch dazu geführt. Lange war für uns nicht nachvollziehbar, dass, obwohl aus der Praxis so eindeutige Rückmeldungen kamen, der damalige Justizminister Heiko Maas sich beharrlich geweigert hat, die Strafbarkeit solcher Handlungen in das Gesetz aufzunehmen. Deswegen sind wir jetzt umso dankbarer, dass man sich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen darauf einigen konnte. Frau Ministerin, wir hoffen inständig, dass dieses Projekt auf Ihrer Prioritätenliste weit oben steht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über Handlungsfelder im digitalen Zeitalter reden, dann sollten wir auch darauf zu sprechen kommen, wie wir – das haben wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen – Schutzlücken im Darknet konkret schließen wollen. Der Kollege Harbarth hat heute dankenswerterweise das Problem der Kinderpornografie angesprochen. Man muss wissen, dass kinderpornografisches Material mittlerweile fast ausschließlich im Darknet gehandelt wird. Das Problem der Ermittler ist, dass sie in solche Tauschbörsen nicht hineinkommen, weil man in solche Tauschbörsen im Darknet nur mit einer sogenannten Keuschheitsprobe hineinkommt. Das heißt, man muss selbst kinderpornografisches Material hochladen. Damit macht sich der Beamte, der Ermittler, aber selbst strafbar. Deshalb bin ich dem bayrischen Justizminister, Winfried Bausback, sehr dankbar, der öffentlich die Überlegung angestellt hat, ob wir hier nicht Regelungen schaffen sollten, damit Ermittler dieses Material, vielleicht auch gefälschte Kinderpornos, straffrei hochladen können, weil wir Kinderpornografie im Netz nur so effektiv bekämpfen können. Ich hoffe auf eine fruchtbare Diskussion im Bundesrat und später auch hier im Bundestag.
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Am Ende eine persönliche Bemerkung an Sie, Herr Brandner. Ich will konstatieren, dass Sie den Rechtsausschuss mittlerweile ganz vernünftig leiten.
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Aber ich will Ihnen schon auch sagen: Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ein Ausschussvorsitzender in einer Haushaltsdebatte an dieses Podium tritt und drei Minuten lang derart inhaltsleer vorträgt. Sie haben die drei Minuten vollgemüllt mit persönlichen Ressentiments gegen bestimmte Personen.
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Ich glaube, da können Sie noch besser werden.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie wirklich um Ruhe. Das ist auch eine Frage der Fairness dem Kollegen gegenüber, der der letzte Redner vor einer Abstimmung ist. Jeder von Ihnen kommt einmal in diese Situation. Ich bitte Sie wirklich, dem Kollege Markus Uhl, dem ich jetzt das Wort gebe, zuzuhören. – Lieber Kollege Uhl, bitte.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich die Aufgabe des Berichterstatters meiner Fraktion für den Einzelplan 07 neu übernommen habe, war es mir ein besonderes Anliegen, mir einen persönlichen Eindruck von der Arbeit der Behörden und der Institutionen, der Gerichte in diesem Geschäftsbereich zu verschaffen. Daher habe ich im Vorfeld dieser Beratungen fast alle Behörden persönlich besucht und bin mit den jeweiligen Leitungen intensiv ins Gespräch gekommen. Ich kann Ihnen berichten: Ich konnte mich davon überzeugen, dass in allen Behörden, in allen Einrichtungen, in allen Gerichten und im Ministerium hochmotivierte Mitarbeiter am Werk sind – Richter, Staatsanwälte, Beamte –, die sich jeden Tag aufs Neue engagiert für unseren Rechtsstaat und für den Verbraucherschutz einsetzen. An dieser Stelle möchte ich dafür ganz herzlich danken.
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Auf die Zahlen ist schon intensiv eingegangen worden. Der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ist im Vergleich zum Bundeshaushalt sehr, sehr klein; er ist der kleinste Einzelplan. Die Einnahmen steigen im Vergleich zu 2017 um 5 Prozent, und die Ausgaben sinken sogar um 6,7 Prozent. Warum ist das so? Das liegt an einem Einmaleffekt, den wir schon in der vergangenen Legislaturperiode, im Haushalt für 2017, beschlossen haben. Da haben wir nämlich das Stiftungsvermögen der Stiftung Warentest um 90 Millionen Euro erhöht. Das ist, wie ich finde, gut angelegtes Geld, meine Damen und Herren, führt dies doch dazu, dass die Stiftung Warentest noch unabhängiger agieren kann und dass wir den jährlichen Bundeszuschuss schrittweise zurückfahren können.
98 Prozent aller Deutschen kennen die Stiftung Warentest, und von diesen vertrauen ihr 82 Prozent stark oder sogar sehr stark. Die Einrichtung der Stiftung geht übrigens auf eine Initiative dieses Hohen Hauses aus dem Jahr 1964 zurück. Seitdem sind mehr als 100 000 Produkte getestet worden: nach wissenschaftlichen Kriterien, kritisch, neutral und unabhängig. Das sind Verbraucherinformation und Verbraucherschutz im besten Sinne.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte wirklich um Ruhe. Hören Sie dem Kollegen doch zu.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Auch die Vertretung der Verbraucher, der Verbraucherzentrale Bundesverband, wird durch den Bund institutionell gefördert. 11,5 Millionen Euro stehen dafür bereit. Der deutsche Verbraucherschutz findet in vielen Teilen der Welt Beachtung. Wir werden den Verbraucherschutz, wie im Koalitionsvertrag beschrieben, weiter ausbauen. Einige Beispiele wurden schon genannt. Ich möchte auf die Marktwächter hinweisen, die wir verstetigen und auf eine rechtliche Grundlage stellen wollen. Bei den Informationen für die Verbraucherinnen und Verbraucher haben wir mit 19 Millionen Euro ein, wie ich finde, sehr, sehr hohes Niveau erreicht. Dieses Niveau wird gehalten. Seit 2014 haben sich die Mittel dafür nahezu verdoppelt.
Als Haushälter sage ich an dieser Stelle aber auch: Wir werden an dieser und an anderen Stellen genau hinschauen, da im Haushaltsplan durchaus Positionen enthalten sind, bei denen die Mittel in der Vergangenheit nicht vollständig verausgabt wurden. In einem solchen Fall müssen wir darüber reden, warum das so ist.
Sie sehen: Die Koalition bekennt sich klar zu einem Verbraucherschutz auf internationalem Spitzenniveau. Das wird im Koalitionsvertrag und im vorliegenden Haushaltsentwurf deutlich.
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Das deutsche Rechtssystem steht auf sicheren Füßen. Das Justizbarometer 2017 beschreibt die Situation in der deutschen Justiz laut „Legal Tribune Online“ mit den Worten „gutes Ansehen“ und „finanziell solide ausgestattet“. Das war auch mein Eindruck bei den Vor-Ort-Terminen in den Einrichtungen, Behörden und Gerichten.
Aber machen wir uns nichts vor: In der heutigen Zeit benötigen wir mehr denn je einen starken Rechtsstaat und ein konsequentes Rechtssystem. Denn nur der Rechtsstaat verspricht Freiheit, Sicherheit, Ordnung und Gerechtigkeit. Daher haben wir im Koalitionsvertrag unter anderem den „Pakt für den Rechtsstaat“ von Bund und Ländern vereinbart; er wurde an dieser Stelle schon mehrfach angesprochen. Kern des „Pakts für den Rechtsstaat“ ist der Dreiklang von mehr Personal, besserer Ausstattung und beschleunigten, effizienteren Verfahren auf allen Ebenen der Sicherheitsbehörden. Dass wir hier entsprechend einsteigen, wird auch im vorliegenden Einzelplan 07 deutlich.
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Ein funktionierendes Rechtssystem ist heute für viele eine Selbstverständlichkeit geworden. Die historische Entwicklung, der Kampf um einen funktionierenden Rechtsstaat, ist vielen deshalb kaum noch im Bewusstsein. Ein Blick in die deutsche Geschichte lehrt, dass ein funktionierendes Rechtssystem mit freiheitlich-demokratischer Gesetzgebung und unabhängiger Justiz eben keine Selbstverständlichkeit ist. Nur eine Minderheit der Staaten weltweit hat ähnliche Standards, wie wir sie heute in Deutschland als selbstverständlich erachten.
Diese Standards sind keineswegs für immer stabil und garantiert, sondern ihre Sicherung ist eine dauerhafte Herausforderung. Daher ist es richtig, dass wir im Koalitionsvertrag unsere Unterstützung für das „Forum Recht“ in Karlsruhe als dauerhafte Einrichtung des Bundes verdeutlicht haben.
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Das „Forum Recht“ soll ein Ort sein, an dem die Geschichte des Rechts anschaulich und das vermeintlich Selbstverständliche in seiner Alltagsbedeutung und seiner Wirkung sichtbar gemacht werden. Recht und Rechtsstaatlichkeit sollen im öffentlichen Raum erkennbar werden und zur Partizipation einladen.
Die Idee des „Forums Recht“ geht auf den Initiativkreis in Karlsruhe zurück. Der Deutsche Bundestag hat dieses Projekt in der Vergangenheit immer unterstützt. Liebe Kollegen von der FDP, ich freue mich, dass auch aus Ihrer Richtung Unterstützung kommt. Damit haben wir parteiübergreifend – auch über die Grenzen der Koalition hinaus – eine Unterstützung für dieses, wie ich finde, sehr sinnvolle Vorhaben.
Als Haushälter sage ich: Es wird uns relativ einfach fallen, 150 000 Euro noch für dieses Jahr bereitzustellen. Der richtig dicke Batzen kommt dann in der Folgezeit, wenn es darum geht, die Baukosten zu finanzieren. Ich hoffe, dass dann die parteiübergreifende Unterstützung an dieser Stelle genau so bleibt, wie sie jetzt schon ist.
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Rechtssicherheit ist ein Standortfaktor. Dazu gehören auch der Innovationsschutz und der Schutz des geistigen Eigentums. Das wird in Deutschland durch das Deutsche Patent- und Markenamt in München – mein Kollege hat das eben ja schon angesprochen – sichergestellt. Wir befinden uns in diesem Bereich der Innovationen – gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen und für Start-ups – in Konkurrenz mit der ganzen Welt, insbesondere mit dem asiatischen Raum. Daher ist es wichtig, dass wir uns in diesem internationalen Innovationswettbewerb konkurrenzfähig aufstellen.
Der Arbeitsanfall in der Patentprüfung sowie die Komplexität der Prüfverfahren steigen stetig an. Daher wächst auch die Zahl der offenen Verfahren. Ich glaube, da müssen wir personell nachsteuern. Ich bin froh, dass die Bundesministerin das genauso sieht. Ich glaube, wir sollten auch in der Koalition die Weichen stellen, um den Bearbeitungsstau dort abzubauen.
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Als Haushälter fällt mir das besonders leicht, da es dort einen Überschuss von 200 Millionen Euro gibt. Von daher können wir gerne darüber reden.
Das letzte Thema, das ich ansprechen möchte, ist die Digitalisierung, eine der größten Herausforderungen, der wir uns heute, insbesondere im Justizbereich, stellen müssen. Elektronische Gerichtsakten, elektronischer Rechtsverkehr, Datenaustausch, IT-Konsolidierung: Daraus ergeben sich technische Fragen, die der besonderen Rolle der Justiz als dritter Gewalt Rechnung tragen müssen, aber auch ganz konkrete neue Fragen sowie Fragen zur organisatorischen Ausgestaltung der Arbeitsprozesse.
Es ist wichtig, diese Herausforderungen konsequent und koordiniert anzugehen und Lösungen herbeizuführen, die sich eng an der gerichtlichen, juristischen Praxis orientieren. Der Bund ist in der Pflicht, hier vorauszugehen und in der föderalen Gemeinschaft Standards zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Recht und Verbraucherschutz sind in der Großen Koalition gut aufgestellt, die entsprechenden Schwerpunkte sind gesetzt. An Stellschrauben werden wir noch drehen – kooperativ, wie in der Vergangenheit auch.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, lieber Kollege Uhl. – Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Einzelplan mehr vor.
Wir kommen nun zu einer Fülle von Abstimmungen, auf die Sie sich bitte konzentrieren mögen, damit wir zügig durchkommen.
Herr Präsident, die AfD-Fraktion möchte gerne, dass die Kollegen der anderen Fraktionen genau zur Kenntnis nehmen, worum es hier geht,
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und bittet darum, den Einspruch vorzulesen.
Der Einspruch ist verteilt worden. Die Kollegen haben davon Kenntnis genommen.
Die AfD-Fraktion verlangt namentliche Abstimmung. – Ich darf es Ihnen noch einmal erklären: Es geht um den Einspruch der Kollegin Dr. Alice Weidel. Wer dem Einspruch der Kollegin Dr. Alice Weidel stattgeben möchte, der stimmt bitte mit Ja. Wer den Einspruch der Kollegin Dr. Weidel ablehnt, stimmt mit Nein.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Alle haben abgestimmt. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich werde Ihnen das Ergebnis der Abstimmung später bekannt geben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die deutsche Wirtschaft läuft. Sie läuft rund, mit stabilem Wachstum, mit guten Basiszahlen, und zwar in einem Aufschwung, der in das neunte Jahr geht. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht, nicht nur in der jüngeren deutschen Nachkriegsgeschichte, sondern auch in der europäischen Geschichte, wo immer Sie hinschauen. Wir haben einen Aufschwung, der bei den Menschen ankommt und der von den Menschen inzwischen auch wahrgenommen wird.
Die Erwerbstätigkeit eilt von Rekord zu Rekord. Wir werden im nächsten Jahr aller Voraussicht nach die Rekordzahl von 45 Millionen Erwerbstätigen überschreiten. Das ist eine Zahl, die vor wenigen Jahren noch als völlig illusorisch gegolten hätte. Inzwischen nehmen wir sie als selbstverständlich zur Kenntnis. Die Frauenerwerbstätigkeit ist seit 2006 um 10 Prozentpunkte gestiegen.
Wir haben nach wie vor die niedrigste Jugendarbeitslosenquote in der gesamten Europäischen Union. Der Durchschnitt in der EU im ersten Quartal 2018 lag – leider – bei 15,7 Prozent; in Deutschland betrug sie 6,2 Prozent, deutlich weniger als die Hälfte des Durchschnitts. Das ist eine Zahl, auf die wir stolz sein können. Dadurch wird jungen Leuten der Weg in das berufliche Leben erleichtert und ihnen der berufliche Aufstieg ermöglicht.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich das ganz deutlich und nachdrücklich ansprechen: Weil dieser Aufschwung schon ins neunte Jahr geht und weil er zu Anfang des Jahres vorübergehend etwas an Schwung verloren hatte, ohne dass wir die Notwendigkeit haben, unsere Haushalts-, unsere Wachstumsprognosen grundlegend zu korrigieren, treten schon wieder die Ersten auf, die sagen, der Bundeswirtschaftsminister sei doch recht optimistisch; einen so langen Aufschwung gebe es doch gar nicht; wenn der Minister sage, das könne noch viele Jahre so bleiben, dann sei das ein bisschen blauäugig. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen, gerade auch von einer liberalen Partei, die sich der Wirtschaft und den Menschen in wirtschaftlicher Hinsicht verpflichtet fühlt: Wir sollten diese Erfolgsgeschichte nicht schlechtreden. Wir sollten unser Land nicht schlechtreden. Wir sollten darauf setzen, dass dieser Aufschwung die nächsten Jahre weitergeht – so wie das alle Wirtschaftsforscher für möglich halten, wenn wir die richtigen Entscheidungen treffen.
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Das, meine Damen und Herren, bedeutet, dass wir nicht einfach nur zuwarten, sondern dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen: die Voraussetzungen für mehr Mittelständler, für mehr Selbstständigkeit. Ich habe heute Morgen bei einer Mittelstandstagung angekündigt, dass wir eine Mittelstandsagenda erarbeiten werden mit konkreten Erleichterungen für das Selbstständigmachen, mit konkreten Handreichungen im Hinblick auf die Herausforderungen der Digitalisierung. Wir werden weitere Kompetenzzentren schaffen. Wir haben ein Gründerzentrum geschaffen. Und wir brauchen stabile politische Rahmenbedingungen.
Wir brauchen stabile politische Rahmenbedingungen im internationalen Bereich. In meinen Gesprächen in Washington mit meinen Kollegen Wilbur Ross und Rob Lighthizer, in meinen Gesprächen in Kiew mit dem Staatspräsidenten, dem Außenminister und vielen anderen Persönlichkeiten der Ukraine, in meinen Gesprächen in Russland mit dem Wirtschaftsminister, dem Industrieminister, dem Ministerpräsidenten und dem Energieminister ist eines deutlich geworden: Wir stehen international an einem Kreuzungspunkt. Jetzt entscheidet sich, ob wir in alte Gewohnheiten aus den 20er-Jahren zurückfallen. In der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg hat man ja geglaubt, man könne mit Handelsschranken, mit Protektionismus, mit höheren Zöllen und dadurch, dass man gegenseitig die jeweils anderen von den eigenen Märkten fernhält, irgendeinen Vorteil für das eigene Land erzielen. Das Ergebnis ist bekannt: Wir sind damals in eine weltwirtschaftliche Depression geschlittert, von der sich die Industrieländer und die Länder in Europa viele Jahre nicht erholt haben.
Heute ist die Frage: Wollen wir zusehen, wollen wir riskieren, dass wir noch einmal eine solche Trendwende erleiden durch eine Eskalation von Konflikten und Gegensätzen, indem wir schlecht übereinander reden – die einen schlecht über die Europäer, die anderen schlecht über die Amerikaner – mit allen Konsequenzen, die das hat? Oder setzen wir darauf, freie und offene Weltmärkte zu erhalten, die transatlantische Partnerschaft zu stärken, die Interessen der Ukraine auch dann zu berücksichtigen, wenn wir mit Russland über eine stärkere wirtschaftliche Kooperation sprechen, also das Positive zu sehen und nicht das Trennende in den Vordergrund zu stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren? Die Gefahren in diesem Punkt sind real vorhanden. Es liegt an uns, ob sie sich materialisieren oder nicht. Deshalb lassen Sie uns dafür eintreten, dass der freie Welthandel eine Chance behält.
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Das Zweite, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, darauf zu achten, dass wir keine falschen Signale aus der politischen Debatte geben. Vor wenigen Jahren war es eine sehr umstrittene Frage, ob man mit dem Versprechen „Wir erhöhen vier Jahre lang keine Steuern“ einen Blumentopf gewinnen kann, also ob es in der Sache richtig ist. Vor vier Jahren war es eine fragwürdige Geschichte, mit dem Angebot von Steuersenkungen in den Wahlkampf zu ziehen. Man wusste ja, wie groß der öffentliche Finanzbedarf war und wie sehr die öffentlichen Haushalte noch in den roten Zahlen steckten. Inzwischen haben wir vier Jahre ohne Steuererhöhungen, mit einer schwarzen Null und mit steigenden Investitionen hinter uns. Das ist etwas, was uns wenige zugetraut hätten und was wir selber uns am allerwenigsten zugetraut hätten. Deshalb wiederhole ich meinen Vorschlag aus der Debatte über das Regierungsprogramm an die vereinigte Opposition: Lassen Sie uns gemeinsam diese Erfolge vor die Klammer ziehen, und lassen Sie uns uns gemeinsam dazu bekennen, dass wir diese Prinzipien auch in Zukunft einhalten und beachten werden. Das wird zu einem enormen Vertrauenszuwachs in unserem Land und bei der Wirtschaft führen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir setzen mit diesem Haushalt Schwerpunkte. Wir entlasten Familien. Wir entlasten untere Einkommen. Wir stärken die Binnennachfrage. Wir stärken Forschung und Entwicklung, und wir stärken Innovationen. Wir helfen bei der Bewältigung des Strukturwandels. Wir werden die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als eine zentrale Aufgabe und als ein zentrales Instrument des Bundeswirtschaftsministeriums stärken. Wir wollen ein gesamtdeutsches Fördersystem nach 2019. All das sind keine rein technischen Maßnahmen. All das hat ein einziges Ziel, nämlich dass wir in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse herstellen, dass sich der Aufschwung, den wir haben, nicht auf die großstädtischen Verdichtungsräume beschränkt, sondern dass wir ihn auch in die ländlichen Räume tragen, in die Regionen, die vom Strukturwandel betroffen sind, in die Regionen, in denen die Wiederherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse nach der deutschen Einheit noch nicht wirklich vorangekommen ist.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns dafür sorgen, dass wir im Bereich der Wirtschafts- und Strukturpolitik – der Bundesinnenminister, der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesfinanzminister in ihrer Zuständigkeit – das klare Signal geben: Wir wollen, dass Deutschland ein lebenswertes Land bleibt, wo man in allen Teilen des Landes Lebensqualität und Selbstverwirklichung findet.
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Lassen Sie uns die Investitionsoffensive der Bundesregierung fortsetzen. Wir haben die Investitionsausgaben deutlich erhöht, auch im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums. Wir haben die Investitionen gegenüber der bisherigen Finanzplanung insgesamt noch einmal um über 7 Milliarden Euro angehoben. Der Bundesfinanzminister hat die volle Unterstützung des Bundeswirtschaftsministers, wann immer er sich für Investitionen entscheidet und nicht nur für konsumtive Ausgaben. Wir als Koalition haben eindeutige Schwerpunkte gesetzt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir konzentrieren uns im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums auf die Zukunftsbereiche. Wir haben die Investitionen in unserem eigenen Haushalt noch einmal um 20 Prozent auf über 2 Milliarden Euro gesteigert. Wir stellen für die Förderung von Forschung und Entwicklung bis 2022 insgesamt 713 Millionen Euro zusätzlich bereit. Davon werden insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen, die Selbstständigen, die Handwerker profitieren. Wir stärken Unternehmensgründungen und wollen Zukunftsindustrien wie die Mikroelektronik in Deutschland halten und neue Zukunftsindustrien ansiedeln. Wir werden eine Kommission einsetzen, die sich mit dem Strukturwandel durch den Fortgang der Energiewende beschäftigt. Wir werden in dieser Kommission darauf achten, nach vorne zu schauen. Dabei werden wir die Arbeitsplätze im Blick haben und aus Umwelt und Klima keinen Gegensatz machen, sondern dafür sorgen, dass beides in gleicher Weise vorankommt.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass wirtschaftlicher Aufschwung möglich ist, dass nachhaltiges Wachstum möglich ist, dass Umweltschutz und Klimaschutz, Energiepolitik und Energiewende keine Gegensätze sind. Lassen Sie uns daran arbeiten, dass wir einen breiten politischen Konsens haben, der all denjenigen, die zum Aufschwung beitragen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Mittelständlern, signalisiert, dass die Politik an ihrer Seite ist, dass die Politik versucht, ihnen das Leben nicht schwerer, sondern leichter zu machen. Dafür lohnt sich jeder Einsatz.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Altmaier! Sehr geehrte Kollegen! Die Bundesregierung rühmt sich für die vermeintlich so positive wirtschaftliche Lage in Deutschland. Dies ist nicht das Verdienst der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, meine Damen und Herren. Die wirtschaftliche Entwicklung wurde und wird erheblich durch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank mit Null- und Negativzinsen induziert. Das Wachstum wird durch die Notenpresse finanziert, zum Schaden der deutschen Sparer.
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Nach Berechnungen der DZ Bank hat der deutsche Sparer seit 2010 bereits rund 440 Milliarden Euro verloren. All diejenigen, die angesichts der geringen gesetzlichen Rente auf private Sparverträge und Lebensversicherungen gesetzt haben, werden ein böses Erwachen erleben, meine Damen und Herren.
Jetzt zu einzelnen Positionen im Haushalt. Die Mittel für die Förderung der Luft- und Raumfahrt werden um mehr als 110 Millionen Euro auf 1,7 Milliarden Euro erhöht. Der größte Teil fließt an die Europäische Weltraumorganisation, ESA, zur Finanzierung des Weltraumprogramms Ariane 6. Hier muss unbedingt wieder darauf gedrungen werden, dass die Wertschöpfung entsprechend dem Finanzierungsanteil Deutschlands in unserem Land stattfindet. Es kann nicht sein, dass Deutschland mit seinen Beiträgen die Industriepolitik Frankreichs oder anderer Länder finanziert.
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Die ideologisch motivierte Energiewende entfernt unser Land paradoxerweise von den selbstgesteckten Klimazielen mit einer Renaissance der Braunkohle zur Sicherstellung der Grundlast. Die Strompreise kennen nur einen Weg: steil nach oben. Mit dieser Energiewende gefährden wir den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist Planwirtschaft pur. Es gehört abgeschafft, meine Damen und Herren.
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Auch das CO 2 -Gebäudesanierungsprogramm gehört zu diesem Irrweg, angetrieben von einer Klimaideologie, die sich zu einem neuen Glaubensbekenntnis entwickelt hat. Insgesamt sollen die Mittel aus dem Haushalt und dem Energie- und Klimafonds 1,7 Milliarden Euro betragen. Der Grenznutzen der Gebäudesanierung geht längst gegen null. Das Verpacken von Altbauten in Styroporplatten ist ökonomisch, ökologisch und bautechnisch höchst zweifelhaft.
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Die überzogenen Bauvorschriften verteuern das Bauen und Modernisieren. Und dann wundern sich einige, dass sich viele kein Wohneigentum mehr leisten können und dass die Mieten steigen. Die AfD wird das nicht mitmachen: Wir fordern das Ende und die Streichung des CO 2 -Gebäudesanierungsprogramms.
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Der Irrweg einer ideologisch geleiteten Politik wird auch bei der Elektromobilität beschritten. Für den Kauf elektrisch betriebener Fahrzeuge steht eine Fördersumme von 600 Millionen Euro bereit. Die Batterien sind jedoch noch nicht ausgereift, und ein hinreichender Ausbau der Ladeinfrastruktur ist nicht absehbar. Subventionen für Elektrofahrzeuge lehnen wir ab.
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Der Dieselantrieb und der Verbrennungsmotor insgesamt werden mit willkürlichen Grenzwerten schlechtgeredet und mit Fahrverboten bedroht. Hier wird die Axt an unsere Automobilindustrie und damit an einen wesentlichen Teil unserer Volkswirtschaft gelegt. Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren.
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Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik muss auf realistischen Annahmen aufsetzen und wieder antizyklisch ausgerichtet werden. Die soziale Marktwirtschaft muss gestärkt werden. Planwirtschaftliche Elemente wie die Energiepolitik lehnen wir ab.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Einen schönen Tag Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, von mir. – Der nächste Redner ist Bernd Westphal für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beratungen zum Bundeshaushalt sind immer auch eine Sternstunde des Parlaments. Der am Dienstag vom Bundesfinanzminister Olaf Scholz eingebrachte Haushalt für das laufende Jahr ist ein Beleg guter Wirtschaftspolitik. Er drückt vor allem die enorme Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft aus. Das haben zunächst einmal motivierte und engagierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erarbeitet, aber natürlich auch kreative und mutige Unternehmer im Dienstleistungsbereich, Handel, Mittelstand und Handwerk, aber auch eine wettbewerbsfähige Industrie. Erst diese Erfolgsbilanz legt die finanzielle Grundlage und ermöglicht den politischen Gestaltungsspielraum.
Damit diese erfolgreiche Entwicklung so bleibt, müssen wir investieren: 37 Milliarden Euro; das sind 3 Milliarden Euro mehr als 2017. Das ist die Absicherung für die Zukunft. Das geht nicht – wie in den letzten Tagen von einigen Rednern behauptet – auf Kosten der nächsten Generationen. Im Gegenteil: Wir schaffen mit diesen Investitionen die Basis und stärken den Wirtschaftsstandort, damit Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden können.
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Innovationen, Digitalisierung, Energiewende, Einhaltung der Klimaziele und Globalisierung sind nur einige Themen, die mit kluger Politik gestaltet werden müssen. Die Menschen erwarten zu Recht Antworten im Hinblick auf zukünftige Veränderungen. Der Koalitionsvertrag ist eine gute Grundlage, unser Land erfolgreich zu entwickeln. Der vorliegende Bundeshaushalt untermauert den politischen Willen, das Vereinbarte auch umzusetzen. Herr Bundesminister Altmaier: Wir müssen gemeinsam darauf achten, dass wir das auch eins zu eins umsetzen, wie wir es im Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben.
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Da ist zum Beispiel die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Demnächst wird sie ihre Arbeit aufnehmen. In einem breiten Diskurs mit gesellschaftlichen Akteuren wird darin eine wichtige Etappe der Energiewende beraten. Es müssen Perspektiven für die Menschen und die Regionen für die Zeit nach der Kohlenutzung entwickelt werden. Wir müssen verlässliche Lösungen schaffen, um den Betroffen ihre nachvollziehbaren Sorgen und Unsicherheiten zu nehmen. Wir brauchen Zuversicht für die Reviere. Wir lassen die Kumpels und Kumpelinnen nicht allein.
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Aber auch Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie müssen auf die Tagesordnung, weil das wichtige Faktoren für wirtschaftliche Prosperität und für Fortschritt sind.
Auch bei neuen Technologien oder Industrie- und Produktionsinnovationen sind die gesellschaftspolitisch relevanten Aspekte der Digitalisierung von Bedeutung. Digitalisierungsprozesse wirken sich gleichzeitig auf mehrere Felder aus. Um das Potenzial des digitalen Wandels nutzen zu können, muss die Wirtschaftspolitik für inklusives Wachstum sorgen. Sie darf sich nicht einseitig auf technologische Entwicklungen fokussieren. Nur wenn wir die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt und auf den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft berücksichtigen, kann sich das Innovationspotenzial entfalten.
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Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik muss vielmehr auch organisatorische, gesellschaftliche und soziale Innovationen fördern. Nur so stellen wir sicher, dass alle von der digitalen Rendite profitieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Laufe der Debatte dieser Woche ist oft das Thema Europa angesprochen worden. Auch ich will das kurz thematisieren, weil für unsere weitere wirtschaftliche Entwicklung ein weltoffenes Europa von großer Bedeutung ist. Europa ist ein zentraler Innovationsstandort. Mit 28 Mitgliedstaaten und 500 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gehört die EU zum größten Binnenmarkt weltweit. Doch Europa ist mehr als ein großer Wirtschaftsraum. Ausgehend von einer Gründungsidee ist die Europäische Union ein Konzept für Frieden und Freiheit, für Teilhabe und Demokratie.
Europa ist der beste Schutz für unsere Werte, aber eben auch für wirtschaftlichen, technischen und sozialen Fortschritt; denn der ökonomische Erfolg Europas war stets in funktionierende Wohlfahrtssysteme eingebettet, die sowohl gesellschaftliche Teilhabe, soziale Absicherung und Aufstieg durch Bildung als auch die Basis für kreative Entfaltung und wirtschaftliche Freiheit bieten. Diese Orientierung muss auch für die zukünftige Gestaltung eines freien und fairen Handels im Mittelpunkt stehen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die EU mit dem in Kürze zu erteilenden Mandat für die Verhandlungen der Freihandelsabkommen mit Neuseeland und Australien zügig vorankommt.
Das ist auch unsere Antwort auf die völlig abwegige Politik des amerikanischen Präsidenten. Die Strategie der Abschottung, das Erheben von Zöllen, das Kündigen von internationalen Abkommen werden den USA massiv schaden. Da helfen auch keine Belehrungen durch den neuen amerikanischen Botschafter hier in Berlin.
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Denken Sie bitte an Ihre Redezeit?
Jawohl, Frau Präsidentin. – Wir haben in Europa eine bessere Antwort auf den globaler werdenden Handel.
Als Fazit: Der Haushalt 2018 setzt die richtigen Akzente für Fortschritt und Innovation, für die Modernisierung des Wirtschaftsstandortes und für Chancengleichheit.
Herzlichen Dank. Glück auf!
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Vielen Dank, Herr Kollege Westphal. – Nächster Redner für die FDP-Fraktion: Karsten Klein.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nichts umschreibt die Situation in Deutschland besser: Während die soziale Marktwirtschaft Wohlstand für alle gebracht hat, fallen die Feierlichkeiten für 70 Jahre soziale Marktwirtschaft geradezu spärlich aus. Im Gegenzug wird in Deutschland mit viel Pathos des 200. Geburtstages von Karl Marx gedacht,
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dessen Wirtschaftskonzept eher für wenig Wohlstand gestanden hat.
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Nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen, umschreibt die Ideenlosigkeit der Großen Koalition besser als die Tatsache, dass wir anstelle eines Digitalministeriums ein Heimatministerium bekommen haben.
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Während sich die Union noch für die Zuteilung des Wirtschaftsressorts feiern möchte, stellte die Journalistin Heike Göbel in der „FAZ“ nüchtern fest – ich zitiere –:
Spuren von echtem, freiheitlichem Verständnis von Markt und Wettbewerb, ganz zu schweigen von dem, was früher „ordnungspolitisches Denken“ hieß, muss man im Koalitionsvertrag suchen.
Ich setze hinzu: Von dem der sozialen Marktwirtschaft immanenten Leistungs- und Wettbewerbsprinzip ist bei der Großen Koalition leider nichts zu spüren. Ich finde es bedauerlich und für Deutschland ist es verheerend, dass die Union unter Angela Merkel den wirtschaftspolitischen Kompass verloren hat.
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Im Bereich Digitalisierung hemmt das Kompetenzgewirr zwischen den Ministerien das Vorankommen Deutschlands. Gestern haben wir durch die Rede der Kanzlerin noch einmal eindrücklich erfahren, dass diese Bundesregierung daran auch nichts ändern möchte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als wir in Deutschland erkannt haben, dass Umweltschutz eine der großen Herausforderungen ist, war es selbstverständlich, ein Umweltministerium zu gründen. Dies wäre beim Thema Digitalisierung genauso nötig. Im Umweltschutz sind wir heute sehr erfolgreich.
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Wir werden bei der Digitalisierung nur erfolgreich sein, wenn wir auch dabei die Kompetenzen bündeln.
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Diese Bundesregierung investiert aber zum Beispiel keinen einzigen zusätzlichen Euro in schnelle Netze. Der Bundeswirtschaftsminister darf sowieso nur von außen zusehen. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die wichtigste Zukunftschance, nämlich die Digitalisierung, hat keine Priorität bei dieser Bundesregierung.
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Dem Umbruch auf dem Arbeitsmarkt trägt diese Bundesregierung in keiner Weise Rechnung, weder das Wirtschaftsministerium noch andere Ressorts. Es mag schon sein, dass in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit Arbeitsmarktpolitik aus Sicht der Sozialpolitik gemacht werden muss; aber angesichts 1,2 Millionen offener Stellen, demografischen Wandels und der Digitalisierung ist es dringend geboten, dass die Arbeitsmarktpolitik mehr von der wirtschaftspolitischen Seite her gedacht wird.
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Ohne die sozialen Auffangböden zu vernachlässigen, ist es doch heute eher so, dass nicht der qualifizierte Arbeitnehmer unter Druck steht, sondern der Arbeitgeber, der qualifizierte Arbeitnehmer sucht. Wenn die deutsche Wirtschaft ihren Bedarf an Fachkräften nicht decken kann, dann wird es zu deutlichen Wohlstandsverlusten – wir reden heute schon von 30 Milliarden Euro im Jahr – für Deutschland, und zwar für die gesamte Gesellschaft, kommen. Das wird auch zu Einnahmeverlusten für den Staat führen. Das, liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, wird auch dazu führen, dass Sie weniger zu verteilen haben. Das ist ja das, was Sie am allerliebsten tun.
Sehr geehrter Herr Minister, es ist heute dringend nötig, dass von der Großen Koalition weniger Verteilungspolitik und dafür mehr Wettbewerbspolitik gemacht wird. Davon ist leider im Koalitionsvertrag kein Wort zu lesen. Wir fordern Sie auf, hierbei endlich tätig zu werden.
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Der Bedeutungsverlust des Bundeswirtschaftsministeriums in der letzten Legislaturperiode droht sich leider auch in dieser Periode fortzusetzen, wenn Sie, Herr Minister, bei Digitalisierung, Außenwirtschaft, Regionalförderung, Energiewende und Fachkräftemangel nicht für Klarheit sorgen. Herr Minister, seien Sie Anwalt für den Wirtschaftsstandort Deutschland, wenn es in Europa um die Frage von mehr Stabilität statt Verschuldung geht, wenn es international darum geht, für mehr Freihandel zu sorgen, und wenn es in der Großen Koalition darum geht, für wirtschaftspolitische Vernunft zu sorgen. Davon kann man leider in den letzten Monaten nichts spüren.
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Wir Freie Demokraten erwarten von Ihnen, dass Sie dieser Anwalt und Impulsgeber für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Nächste Rednerin: Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke.
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Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns also mit dem Einzelplan 09 – Wirtschaft und Energie – mit einem Budget von circa 8 Milliarden Euro. Der Minister hat es ja selbst gesagt: Das sind 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich mit den anderen Haushalten, die ich als Berichterstatterin betreuen darf, ist das schon ein Etat, der sich sehen lassen kann. Zum Bereich Energie, der in diesem Einzelplan einen Anteil von 31 Prozent und damit ein Volumen von ungefähr 1,2 Milliarden Euro ausmacht, kommen noch gut 6 Milliarden Euro aus dem EKF, also dem Einzelplan 60, dazu. Es kommen auch noch einzelne Maßnahmen aus dem Einzelplan 16, den ich ebenfalls betreue, speziell für den Klimaschutz dazu. Also, wir reden insgesamt über ungefähr 9 Milliarden Euro für den Energiebereich, die allerdings zum größten Teil nicht im Haushaltsplan abgebildet sind, sondern sich außerhalb des Haushaltsplanes befinden.
Da bin ich schon beim ersten großen Problem. Energie- und Klimapolitik, die insgesamt gesellschaftlich zusammen gedacht, ja zusammen bearbeitet werden müssen, also aus einem Guss sein sollten, wird nicht gelingen können, wenn wir mindestens drei Minister haben, die für diesen Bereich Verantwortung haben. Ich denke, dass wir an dieser Stelle gucken müssen, wie die einzelnen Minister mit diesen Themen umgehen. In der Vergangenheit haben wir dazu nicht viel Gutes erlebt.
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Die im Haushalt für 2018 abgebildeten Zahlen sind auch kein neuer Ansatz von Prioritäten, auch wenn die Zahlen größer sind als im Haushalt zuvor. Die Prioritäten, die wir gesetzt haben, sind an dieser Stelle wenig anders als in den vergangenen Jahren. Wir haben eine Menge Versäumtes aufzuholen.
Das angepeilte Zwischenziel, bis 2020 40 Prozent CO 2 einzusparen, ist bereits durch die neue alte Bundesregierung aufgegeben worden. Diese aufgesplittete Verantwortung für Energie und Klima ist ja gerade die Ursache dafür, dass das 40-Prozent-Ziel nicht mehr zu schaffen ist. Denn abgesehen von einer hier im Hohen Hause vertretenen Fraktion, die entweder noch nie etwas vom Klimawandel gehört hat oder ihn sicherheitshalber einfach leugnet, um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, sind wir anderen uns wohl einig, dass sowohl die nötige Energiewende als auch die Bekämpfung des Klimawandels elementare politische Aufgaben für die kommenden Jahre, ja Jahrzehnte sein werden.
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Diese Aufgaben hätte Die Linke schon gerne unter dem Dach eines Ministeriums gebündelt. Unter diesem Dach muss aus unserer Sicht auch nicht zwingend die Wirtschaft untergebracht sein; denn Energie- und Klimapolitik ist vom Duktus her kein pures Wirtschaftsthema. Mensch und Umwelt müssen vor wirtschaftlichen Interessen stehen, und wenn es schon kein eigenes verantwortliches Ministerium gibt, dann kann dieses Parlament wenigstens erwarten, dass die jeweiligen Ressorts so zusammenarbeiten, dass auch zusammengeht, was zusammengehört.
Noch eines: Kein Verständnis haben wir dafür, dass Sie den Einstieg in den Kohleausstieg vertagen. Damit werden wir diese Kosten weiter verteuern.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Moment hat der Herr Minister ganz andere Sorgen. Nach der US-Kündigung des Atomdeals mit dem Iran gilt es, die deutsche Wirtschaft und da vor allem kleine und mittelständische Unternehmen vor Sanktionen zu schützen und die Exportbilanz der Bundesrepublik nicht zu gefährden. An dieser Stelle zeigt sich sehr deutlich, dass Die Linke schon viele Jahre recht hatte mit ihrer Forderung, nicht zu stark auf die Außenhandelsbilanz zu bauen, sondern mehr den Binnenmarkt zu fördern; denn regionale Wirtschaftskreisläufe und Wertschöpfung sind weniger anfällig in einer zunehmend brennenden Welt.
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Bei allem Verständnis für diese schwierige Situation, vor allem, wenn es um die Auswirkungen auf gefährdete Arbeitsplätze in diesen anfälligen Exportbranchen geht, so müssen wir hier doch ganz klar die Verantwortlichen benennen. Diese neue alte Regierung hat diesen Kurs immer forciert, steuert auch heute nicht gegen und hofft weiter auf ein Wunder für deutsche Unternehmen, die im und mit dem Ausland ihr Geld verdienen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht jedes Geschäft ist am Ende des Tages auch ein gutes Geschäft gewesen. Schauen wir uns den Wirtschaftsbereich im Einzelplan 09 an, fällt auf, dass das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, um 5 Millionen Euro gekürzt werden soll. Bei einem Gesamtvolumen von 543 Millionen Euro ist das eine Kürzung um 1 Prozent. Man hat vielleicht gemeint, dass es keiner merkt, wenn 1 Prozent gestrichen wird. In diesem Programm werden aber überproportional kleine und mittelständische Unternehmen und Kleinstbetriebe in Ostdeutschland gefördert. Kürzt man nun dieses Programm, dann kürzen wir in erster Linie KMUs im Osten. Dies, meine Damen und Herren, ist aus unserer Sicht völlig falsch, und ich hoffe, dass Sie diese 5 Millionen Euro in der Bereinigungssitzung wieder drauflegen.
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Dies ärgert uns umso mehr, wenn man sich vor Augen führt – das hat mein Kollege Roland Claus an dieser Stelle gesagt –, dass die staatsnahen Monopolisten, wie zum Beispiel Airbus, sich immer mehr Millionen einverleiben, Subventionen und damit Steuergelder bekommen.
Denken Sie an Ihre Redezeit?
Ja, Frau Präsidentin. – Ich möchte nur noch einmal sagen: Das ist für uns ein Skandal. Deshalb halten wir es für erforderlich, dass diese 5 Millionen in der Bereinigungssitzung wieder eingestellt werden.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Bluhm. – Nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen: Anja Hajduk.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede deutlich gemacht, dass Sie das BMWi in erster Linie als Mittelstandsministerium verstehen. Ich würde sagen, es stimmt: Wenn wir in Zukunft nachhaltig mit erfolgreichen Produkten vorkommen wollen, dann muss der Mittelstand jetzt zur Digitalisierung forschen, ressourcenschonendere Prozesse entwickeln und auch in Energieeffizienz investieren. All das ist mit Blick auf den Mittelstand richtig.
Ich möchte Ihnen ein paar konkrete Vorschläge machen, damit Sie da handeln, wo der Schuh drückt.
Erstens. Die steuerliche Forschungsförderung ist allen bekannt, und Sie wollen sie auch einführen. Sie stand im letzten Koalitionsvertrag, ist aber nicht gekommen. Sie ist jetzt nicht etatisiert, sie gehört nicht zu den sogenannten prioritären Maßnahmen im Finanztableau. Das heißt, wenn die steuerliche Forschungsförderung nicht spätestens 2019 in trockenen Tüchern ist, müssen wir wahrscheinlich damit rechnen, dass das Projekt in dieser Legislaturperiode wieder nichts wird, und dann drückt der Schuh weiter an dieser Stelle, Herr Minister.
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Zur Forschungsförderung gehört aber auch die Projektförderung, etwa im Rahmen des Programms ZIM und der Industriellen Gemeinschaftsforschung. Sie müssen und sollten auf höherem Niveau fortgesetzt werden und dürfen jetzt nicht unter der Ankündigung der Einführung der steuerlichen Forschungsförderung leiden; aber diesen Anschein erweckt der Etat.
Besonders möchte ich hier kritisieren, dass Sie zwar auch davon sprechen, wie wichtig es ist, Start-ups und Gründer zu unterstützen, aber nicht verhindern, dass zum Beispiel das Programm EXIST, das Ausgründungen von Universitäten und Forschungseinrichtungen fördert, komplett unterfinanziert ist. Man bräuchte von der Nachfrage her eigentlich doppelt so viel, also 40 Millionen Euro mehr. Bei Ihrem großen Etat – Frau Bluhm hat es dargestellt – müsste das eigentlich locker drin sein. Ich fordere Sie auf, hier wirklich etwas zu tun.
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Herr Minister, ein zweiter großer Posten in Ihrem Haushalt ist die Luft- und Raumfahrt: 1,7 Milliarden Euro. Sie haben da in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit eigentlich schon eine Menge zu tun. Ich sage mal: Air Berlin, A380, Ariane. Man könnte witzig sagen, hier müsste an einem Triple A noch heftig gearbeitet werden. Bei Air Berlin werden wir auf einer Restschuld von 89 Millionen Euro sitzen bleiben. Der Bundesrechnungshof prüft hier zum Glück noch, ob die Bundesregierung da – auch mit Ihrer Unterstützung – wirklich rechtmäßig und richtig gehandelt hat. Ich erwarte da auch von Ihnen persönlich eine wirkliche Aufarbeitung, Aufklärung und Stellungnahme.
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Die WTO hat jüngst entschieden, dass die öffentlichen Subventionen für Airbus nicht rechtmäßig waren. Wir müssen damit rechnen, dass es zu Handelssanktionen seitens der Amerikaner kommt; Sanktionen im Umfang von 7 bis 10 Milliarden Dollar stehen da in Aussicht. Wir haben jetzt erfahren, dass der Darlehensvertrag für den A380 in Ihrem Hause ganz kurzfristig überarbeitet wird. Das wäre ja erstmal okay, aber wir werden da im Haushaltsausschuss schon wieder gedrängt. Wir wurden nicht sorgfältig einbezogen, aber sollen kurzfristig den Darlehensvertrag in einer veränderten Weise zur Kenntnis nehmen bzw. billigen. Hier geht es um mögliche Darlehensverluste von mehreren Hundert Millionen Euro. Das sind Darlehen für die Entwicklung des A380, bei dem es Absatzprobleme gibt. Man muss mit solchen Problemen vernünftig umgehen. Ich fordere Sie auf: Sorgen Sie in Ihrem Haus für Sorgfalt und Ruhe, anstatt wichtige Verträge hektisch durchzuwinken – gerade in Zeiten, in denen man so ein belastetes Verhältnis zu den Amerikanern hat. Ich kann Ihnen nur sagen: Was ich da gestern und die letzten Tage erlebt habe, war nicht in Ordnung. Kümmern Sie sich darum!
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Beim Thema Ariane 6 müssen wir auch aufpassen. Wenn wir eine teure neue Rakete bauen lassen, bei der es im Vergleich zur etwas veralteten Ariane 5 um die Hälfte billiger sein wird, zum Beispiel einen Satelliten ins All zu befördern, dann erwarte ich, dass die Ariane 6 in Zukunft auch genutzt wird. Je öfter sie anstatt der Ariane 5 eingesetzt wird, desto weniger teuer ist es für den Steuerzahler. Ich spreche das hier an, weil wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass öffentliche Auftraggeber, auch aus Deutschland, vermeintlich aus Kostengründen die Angebote amerikanischer Konkurrenten nutzen. Diese Angebote sind nur vermeintlich günstiger, denn da wird ordentlich quersubventioniert. Deswegen müssen die Bundesregierung und die Europäische Union bei der selbstentwickelten Ariane-Rakete im Sinne einer eigenen europäischen unabhängigen Raumfahrt agieren. Wir können das Projekt nur mittragen, wenn die Rakete auch zum Einsatz kommt. Sonst können wir den Traum von der eigenen europäischen Raumfahrt vergessen. Hier besteht wirklich Handlungsbedarf.
Allerletzter Punkt.
Ja.
Der kommt zum Schluss. – Zum Thema Energieeffizienz. 30 Prozent der Mittel Ihres Haushalts werden für die Förderung von Energieeffizienz eingesetzt. Dazu haben Sie aber in Ihrer Rede nichts gesagt. Das Problem ist: Es wird viel Geld für die Energieeffizienz bereitgestellt, aber die Mittel fließen nicht ab. Der Anteil von erneuerbaren Energien ist eigentlich erhöht worden, um den durch die 2015 eingeführte Kohlereserve verursachten CO 2 -Ausstoß zu kompensieren. Wenn das Geld liegen bleibt, wenn Sie sich nicht darum kümmern, dass die Mittel abgerufen werden, und Sie hier nicht einmal über das Thema reden, dann werden wir unsere Klimaschutzziele nicht erreichen können. An dieser Stelle besteht also großer Nachbesserungsbedarf. Aber, Herr Altmaier, Sie fangen in Ihrem Haus erst an.
Ja, jetzt reicht es.
Ich habe aber noch Hoffnung. Die Bilanz muss besser werden.
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Vielen Dank, Anja Hajduk. – Nächster Redner: Dr. Carsten Linnemann für die CDU/CSU-Fraktion.
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Herzlichen Dank. – Liebe Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Bezug nehmen auf die ersten Redner aus der Opposition. Die Beschreibung des Status quo ist aus volkswirtschaftlicher Sicht objektiv gesehen falsch. Das hat mit der volkswirtschaftlichen Situation nichts zu tun. Mir jedenfalls ist aus den letzten Jahren und, soweit ich gelesen habe, aus den letzten Jahrzehnten nicht bekannt, dass wir eine so lange Wachstumsphase gehabt haben. Wir haben die Situation, dass die Kapazitätsauslastung in der Industrie über Monate und zum Teil über Jahre hinweg bei knapp 90 Prozent liegt. Der Auftragseingang ist hoch. Die Kämmerer von Kommunen sprechen mich an, dass sie kaum noch Ausschreibungen durchführen, weil sie keine Handwerker finden, und der eine Handwerker, der sich meldet, ruft einen Preis auf, der 20 oder 30 Prozent oberhalb des Marktpreises liegt. Gehen Sie auf die Hannover Messe. Dort erfahren Sie, wie der Mittelstand aufgestellt ist. Ich bin der Letzte, der nicht über die Probleme der Zukunft reden will. Aber ich bitte darum, ein realistisches Bild über den Status quo der Volkswirtschaft in Deutschland zu zeichnen. Dann können wir gerne über die Zukunftsthemen streiten.
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Folgendes Thema kommt meiner Meinung nach zu kurz: Ja, wir reden über einen Haushalt mit Ausgaben in Höhe von 341 Milliarden Euro; davon fließt übrigens über die Hälfte in den Sozialstaat. Wir dürfen aber nicht so tun, als ob das unsere Leistung wäre. Die 341 Milliarden Euro fallen auch nicht vom Himmel, sondern sie werden von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in diesem Lande erwirtschaftet. Nur durch ihre Leistungsbereitschaft ist das möglich. Das muss einmal ausgesprochen werden. Wir dürfen nicht so tun, als ob wir das Geld generiert haben. Wir müssen klar sagen: Wir entscheiden hier über Geld, das durch die Leistungsbereitschaft der Menschen draußen im Land generiert wurde, von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Arbeitgebern und den Steuerzahlern. Ihnen gebührt unser Lob und Dank. Das sollte an dieser Stelle auch einmal ausgesprochen werden.
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Wir reden über Entlastung. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob der Begriff „Entlastung“ überhaupt richtig ist; denn das Geld gehört doch den Steuerzahlern. Aber dann müssen wir natürlich auch über Beiträge reden. Lassen Sie mich ein Beispiel herausgreifen, über das in den letzten Tagen diskutiert wird: die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Die Bundesagentur für Arbeit schwimmt im Geld. Wir stehen heute vor einer ganz anderen Situation als beim Abschluss des Koalitionsvertrages. Deshalb sollten wir so ehrlich sein und darüber nachdenken, ob es nicht richtig ist, noch weiter zu entlasten – auch im Bereich Weiterbildung zu investieren, liebe SPD, da haben Sie völlig recht –, und zwar nicht nur um 0,3 Prozentpunkte, sondern um mindestens 0,5 Prozentpunkte. Das entspricht einer Entlastung von 6 Milliarden Euro. Wie gesagt: Das ist nicht unser Geld, sondern das ist das Geld der Beitragszahler, und dort gehört es auch hin.
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– Ich bin dran.
Natürlich hilft die aktuelle Zinssituation.
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Sie hilft dem Bundeshaushalt; das ist doch klar.
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Aber trotzdem nutzt die Bundesregierung die Situation nicht aus und haut einfach Geld raus, so wie es manche im Süden Europas machen.
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Auch ich weiß, dass es gefährlich ist, wenn es zu lange künstlich niedrige Zinsen gibt. Das zeigt auch die Geschichte. Deshalb ist die zentrale Frage: Wie können wir uns in der jetzigen Niedrigzinsphase für den Fall wappnen – dieser Fall wird kommen –, dass die Zinsen wieder steigen, damit es, gelinde gesagt, nicht zu Komplikationen kommt? Da setzt dieser Haushalt an. Deswegen finde ich es richtig, dass wir mehr als 50 Prozent des Wirtschaftshaushalts für Innovationen ausgeben, für Bildung, für Forschung, für Entwicklung und für neue Technologien. Das ist genau der richtige Weg.
Das ZIM-Programm, das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ist eines der erfolgreichsten Programme. Sie haben völlig recht: Dieses Programm müssen wir weiter ausbauen. Das ist auch unser Plan; meine Kollegen werden gleich noch etwas dazu sagen. Dieses Programm ist im Vergleich zu vielen anderen Projekten relativ bürokratiearm. Schon nach drei Monaten wird entschieden.
Die Mittel für die Digitale Agenda werden mehr als verdoppelt. Auch das ist ein zentrales Thema. Nehmen Sie nur die Mikroelektronik, die ein wichtiges Thema bei der Digitalisierung ist. Die Mittel dafür erhöhen wir von 50 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro. Wir unterstützen die Grundlagenforschung. Darum geht es im Kern.
Eins ist klar: Was wir vor allem brauchen, ist Freiraum, Freiraum für die Unternehmer, für die Start-ups, für den Mittelstand, für Kreativität, für Innovationen.
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Apple und Google sind doch nicht entstanden, weil Washington irgendwelche Regulierungen vorgenommen hat oder eine spezifische Förderung für diese Firmen aufgelegt hat, sondern weil diese Firmen Freiraum hatten. Genau diesen Freiraum müssen wir organisieren. Diese Debatten dürfen wir nicht scheuen. Wenn ich mit jungen Gründern rede, dann sagen die mir: Natürlich brauchen wir Arbeitszeitgesetze in den Bereichen Industrie, Produktion usw.; aber dort, wo es um Kreativität geht, da müsst ihr uns mehr Freiraum geben. – Deswegen haben wir einiges zum Thema Arbeitszeitgesetz festgeschrieben. Ich bedanke mich bei der Bundeskanzlerin, die dieses Thema gestern beim Deutschen Gewerkschaftsbund angesprochen hat. Dabei geht es nicht um die Ausweitung der Arbeitszeit, sondern um mehr Flexibilität im Sinne der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber.
Die Debatten über diese Themen müssen wir jetzt, in dieser Niedrigzinsphase, führen, damit es uns auch morgen noch gut geht.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Dr. Linnemann. – Nächster Redner in der Debatte: Leif-Erik Holm für die AfD-Fraktion.
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Liebe Bürger! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede davon gesprochen, wir sollten unser Land nicht schlechtreden. Das machen wir natürlich nicht; aber wir müssen über die Probleme und über die Gefahren reden, die unserem Land drohen. Das ist einfach notwendig. Ihr Wunsch erinnert mich so ein bisschen an die Fernsehnachrichten in der DDR. Bei der „Aktuellen Kamera“ gab es auch immer nur positive Nachrichten über die wirtschaftliche Entwicklung. Das war damals weiß Gott nicht der Fall und heute leider auch nicht in allen Gebieten.
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Wir leben nach wie vor in Zeiten einer Sonderkonjunktur, und zwar infolge einer extremen Geldschwemme – Herr Linnemann hat das gerade angedeutet –, verursacht durch die EZB. Diese Phase wird zu Ende gehen. Die ersten Indikatoren zeigen das. Der ifo-Geschäftsklimaindex dreht nach unten ab. Das ist deutlich zu merken. Aber diese Regierung verteilt weiter Geld mit der Gießkanne, hier und da, vorwiegend im konsumtiven Bereich. Aber strukturelle Verbesserungen, die angesichts der Rekordeinnahmen möglich wären, haben Sie nicht erreicht. Selbst die EU-Kommission attestiert Ihnen im aktuellen Länderbericht – ich zitiere –:
Die ... Haushaltslage kaschiert, dass Chancen für Finanz- und Strukturreformen vertan wurden.
Das genau ist die Realität. Ihr Haushalt ist ein Schönwetterhaushalt. Wenn der Abschwung kommt, dann darf diese Bundesregierung direkt in den Schuldenturm einziehen. Das ist die Realität.
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Wann, wenn nicht jetzt, muss man in Bildung, Forschung, Infrastruktur investieren? Das tun Sie zu wenig. Diese Investitionen wären aber die Voraussetzung dafür, dass unsere Wirtschaft und damit unser Land gut durch die nächste Schwächephase kommt. Ich kann Ihnen aus Mecklenburg-Vorpommern berichten: Am letzten Wochenende hatten wir Megastaus wie noch nie, zum Großteil verursacht durch eine marode Infrastruktur. Es gibt zerbröselnde Brücken, selbst neue Straßen wie die A 20 halten nur noch halbtags. Das kann es nicht sein. Hier muss deutlich mehr investiert werden, damit unsere Handwerker pünktlich zu ihren Baustellen kommen und die Urlauber zu uns an die Küste. Das sind die Probleme, mit denen die Wirtschaft bei uns zu kämpfen hat.
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Wir sehen doch, dass die Investitionen im Bundeshaushalt stagnieren, anstatt zu steigen. Besserung ist auch in den kommenden Haushalten leider nicht in Sicht.
Wenn wir uns den Wirtschaftshaushalt anschauen, sehen wir viele Programme, die nichts bringen oder kontraproduktiv sind. Da werden die Mittel für den Energie- und Klimafonds fast verdoppelt, um noch mehr Geld für eine wahnwitzige Energiewende zu verpulvern.
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Diese wird bekanntermaßen sowieso scheitern. Planwirtschaft funktioniert nicht. Das sollten wir eigentlich alle langsam begriffen haben.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zweifelt mittlerweile ziemlich laut an der dauerhaften Versorgungssicherheit beim Strom. Wir bauen mehr Kraftwerksleistung ab, als neue hinzukommt. Ab 2023 dürfen wir dann wohl mit Blackouts rechnen. Das würde unsere Wirtschaft wirklich hart treffen. Sie scheitern hier auf ganzer Linie, und der Bürger muss es mit Milliarden über seinen Strompreis und über seine Steuern ausbaden. Da machen wir nicht mit.
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Ja, wir brauchen deutlich mehr Mittel für die Energieforschung, aber nicht für eine Politik, die Ideologie vor Realität stellt.
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Wir brauchen Energiesicherheit. Die bekommen wir nicht durch Zappelstrom, sondern durch grundlastfähige Kraftwerke. Mit der neuen Gaspipeline Nord Stream 2 hätten wir die Möglichkeit, verstärkt auf saubere Gaskraftwerke zu setzen. Aber hier hat man das Gefühl, dass die Bundesregierung langsam einknickt. Jedenfalls lässt das geänderte Wording der letzten Wochen dies vermuten. Heute entnehmen wir den Pressemeldungen, dass US-Präsident Trump mit Sanktionen drohe, wenn Deutschland nicht auf das bilaterale Wirtschaftsprojekt mit Russland verzichte. Das finde ich wirklich unglaublich. Hier kann und muss sich diese Bundesregierung jetzt beweisen. Also: Seien Sie souverän! Handeln Sie im Interesse Deutschlands! Nord Stream 2 ist ein absolut sinnvolles Projekt. Die AfD fordert Sie auf, hier kein Jota nachzugeben.
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Klar ist doch: Jede Pipeline, die uns Energie liefert, stärkt unsere Energiesicherheit. Russland war in dieser Hinsicht immer ein verlässlicher Partner. Wir sind eben nicht der Erfüllungsgehilfe im Hinblick auf das geopolitische Interesse anderer Länder.
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Meine Damen und Herren, unsere Wirtschaft steht im nächsten Abschwung vor Herausforderungen. Darauf müssen wir uns jetzt vorbereiten. Das Wichtigste dabei ist die Hebung des Wachstumspotenzials: durch Investitionen in unsere Infrastruktur, in Bildung und Forschung und durch eine echte Entlastung bei Steuern und Abgaben.
Denken Sie an Ihre Redezeit?
Ich bin sofort am Ende, Frau Präsidentin.
Dann ist es gut.
Dieser Haushalt aber atmet den Geist des Weiter-so. Ein Weiter-so können wir uns wirklich schon längst nicht mehr leisten.
Danke schön.
({0})
Danke schön. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Johann Saathoff.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Woche hatte ich Gelegenheit, einige Gespräche mit Mitarbeitern der Trump-Administration zu führen. Ich muss schon sagen: Das war für mich ein Stück weit beeindruckend. Natürlich gab es deutliche Differenzen zu erkennen. Ich habe eine Kurzeinführung in Twitter-Politik bekommen.
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Ich habe aber immer noch nicht verstanden, warum das Pariser Klimaabkommen aus amerikanischer Sicht infrage gestellt wird. Was ich handelspolitisch nicht verstanden habe, ist, warum man versucht, mit Strafzöllen Zölle abzubauen. Ich habe erlebt, was ich auch bei der Rede zuvor erlebt habe: Man setzt Ideologie vor Realität, tauscht beides um und meint, dann auf der richtigen Seite zu sein.
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Mittlerweile scheint auch im Deutschen Bundestag keine Einigkeit zu bestehen, was die Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels betrifft. Aber ich will an dieser Stelle deutlich machen: Für die SPD ist klar: Wir wollen die richtigen, notwendigen und wichtigen Schritte für den Klimaschutz tun. Wir verstehen Energiepolitik auch als wichtigen Beitrag zur Klimaschutzpolitik; das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden.
Dazu wird es bald eine sogenannte Kohlekommission geben. Sie wird ein Ausstiegsdatum festlegen, einen Ausstiegspfad beschreiben und sich mit dem Strukturwandel befassen. Hier haben wir Erfahrungen aus dem Bereich des Steinkohlebergbaus. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir von der SPD lassen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den betroffenen Regionen nicht allein. Darauf können sie sich verlassen.
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Auch ohne Kohleausstieg haben wir strukturschwache Regionen in Deutschland, besonders zu finden in den ländlichen Räumen. Ich halte es für unumgänglich, dass wir eine Änderung des Grundgesetzes vornehmen, und zwar zur Unterstützung dieser Regionen und zur Angleichung der Lebensverhältnisse, nicht nur zwischen Ost und West, sondern vor allen Dingen auch zwischen Stadt und Land. Dadurch können wir dem ländlichen Raum endlich wieder die Wertschätzung entgegenbringen, die er aus unserer Sicht verdient hat.
Die ländlichen Regionen sind die Regionen, in denen die Energiewende stattfindet. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, die Energiewende zu beschleunigen. 65 Prozent erneuerbare Energien wollen wir bis 2030 haben. Das ist – keine Frage – nicht im Vorbeigehen zu erreichen. Da muss richtig etwas getan werden, Kolleginnen und Kollegen. Wir brauchen mindestens 3,5 Gigawatt Zubau pro Jahr im Windbereich und im PV-Bereich wahrscheinlich sogar bis zu 5 Gigawatt, wenn man berücksichtigt, was in der Zwischenzeit noch alles abgebaut wird. Das sind große Herausforderungen, vor allen Dingen für die Stromnetze, und das auf allen Ebenen. Aber es darf auch nichts auf die lange Bank geschoben werden. Wir in Ostfriesland würden sagen: Dat Nödigste geiht vör’t Drockste. Das müssen wir jetzt anfassen, und die SPD ist dazu bereit.
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Ich höre immer wieder, dass das 65-Prozent-Ziel nur gilt, wenn sich die Netze synchron dazu entwickeln. Manche denken, das sei die Relativierung des 65-Prozent-Ziels. Das ist aber nicht so.
Genauso wichtig wie der Bau der Netze ist der Blick auf den aktuellen Betrieb der Netze. Herr Altmaier ist, glaube ich, im Moment nicht da.
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– Er muss mal.
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Er wollte sich ja Gummistiefel kaufen, um jede Stromleitung zu besichtigen. Ich hätte ihm zugerufen und schlage ihm vor: Machen Sie das nur bei ganz bestimmten Projekten, da, wo es richtig kneift, zum Beispiel beim Ostbayernring oder bei Emden/Ost–Conneforde. Mit der gesparten Zeit bei unproblematischen Leitungen versuchen Sie mit uns gemeinsam, notwendige Maßnahmen für die bessere und intelligente Auslastung des Stromnetzes auf den Weg zu bringen. Vielleicht kann ihm das ja irgendjemand irgendwann mal übermitteln.
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Wir brauchen noch in diesem Jahr ein Netzoptimierungsgesetz, das dazu beiträgt, dass unsere Netze effizienter betrieben werden können. 15 konkrete Vorschläge dazu kommen allein aus der SPD. Damit müssen wir uns beschäftigen, damit der schleppende Netzausbau in einigen Regionen nicht zum Faustpfand für die Gegner der Energiewende wird.
Die internationalen Folgen, die es hat, wenn die deutsche Energiewende nicht funktioniert oder ins Stocken gerät, haben wir alle miteinander erkannt, als die 2020-Ziele infrage gestellt worden sind. Aus meiner Sicht geschah das völlig zu Recht, aber die internationale Folge war, dass andere Länder dachten: Wenn schon die Deutschen die Energiewende nicht mehr ernst nehmen, dann brauchen wir das auch nicht mehr. – Leute, wir dürfen es nicht zulassen, dass die anderen Länder glauben, wir würden keine ernsthafte Energiewende betreiben wollen.
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Noch dringender als auf das Netzoptimierungsgesetz in diesem Jahr warten wir auf die Sonderausschreibungen für Wind und PV – 4 Gigawatt im 100-Tage-Gesetz.
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Die ersten Ausschreibungen im Bereich der Sonderausschreibungen müssen noch dieses Jahr erfolgen. Wir, die SPD, stehen in dieser Hinsicht zum Koalitionsvertrag.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Herr Saathoff, eine Sekunde bitte. – Ich komme aus Bayern und habe Ihren einen Satz definitiv nicht verstanden. Wie lautete er?
Frau Präsidentin, ich bitte herzlich um Entschuldigung. – „Dat Nödigste geiht vör’t Drockste“ heißt so viel wie: Das Nötigste geht vor dem Dringendsten.
Alles klar, danke schön; jetzt wissen wir es.
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Nur als kleine Nebenbemerkung: Das ist die multikulturelle Realität in unserem Land. – Vielen Dank, Herr Kollege Saathoff.
Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Reinhard Houben. – Sie haben das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß ja nicht, wo der Wirtschaftsminister im Moment ist, aber, Herr Linnemann, das war ja schon ein starker Auftritt hier.
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Ihre Fraktion hat einen entsprechenden Antrag der FDP zur Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte im Ausschuss abgelehnt. Gleichzeitig legen Sie hier einen solch vollmundigen Auftritt hin. Das ist nun wirklich nicht glaubwürdig.
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In der Hoffnung, dass mir der Wirtschaftsminister während meiner Redezeit doch noch die Ehre gibt,
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werde ich meine Rede jetzt mal ein wenig umstellen.
Lassen Sie uns als Erstes über Elektromobilität reden. Dafür sind im Haushalt 275 Millionen Euro vorgesehen. Die Bürger nehmen das Angebot aber gar nicht an. Im Jahr 2016 gab es glatte 9 044 Anträge, in 2017 waren es knapp 38 000, und auch in diesem Jahr sieht es von der Prognose her nicht besser aus. Sollten wir nicht vielleicht überlegen, diesen Haushaltspunkt ganz aufzulösen?
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Das von Herrn Gabriel gesetzte Ziel werden wir, wenn das Tempo entsprechend bleibt, in genau 23 Jahren erreichen. Für die CDU/CSU kann ich da nur sagen: Das wäre dann die zehnte Legislaturperiode von Frau Merkel. Wäre es nicht sinnvoll und sollte die Koalition nicht den Mut haben, diesen Haushaltspunkt komplett zu streichen? Man kann Elektromobilität nämlich nur dann erfolgreich im Markt durchsetzen, wenn die Produkte attraktiv sind – und nicht durch Subventionen.
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Zweiter Punkt: Luft- und Raumfahrt. Sie ist für uns eine wichtige Schlüsselindustrie und ein bedeutender Industriezweig in Deutschland, der sicherlich auch für unsere Verteidigungspolitik und Außenpolitik wichtig ist.
In diesem Bereich gibt es Unterschiede: Die europäischen Aktivitäten der ESA werden sehr stark gefördert – mit einem Plus von 13 Prozent –, der nationale Bereich für DLR dagegen nur mit einer Art Inflationsausgleich von 3 Prozent. Wenn man nach Frankreich schaut, zeigt sich: Die Franzosen nehmen dieses Thema sehr viel ernster. Sie fördern Raum- und Luftfahrt national doppelt so stark wie Deutschland.
Wir sollten in diesem Bereich durchaus mehr tun. Wenn wir auf die Subventionen für den Ausbau der Elektromobilität verzichten würden, hätten wir dafür einen sehr, sehr großen Spielraum.
({5})
Leider ist der Wirtschaftsminister immer noch nicht da. Ich darf ihn dennoch zitieren. Er hat nämlich in der Regierungserklärung vom 22. März gesagt:
… manchmal muss man auch als Wirtschaftsminister den Mut haben, weniger zu tun oder vielleicht auch gar nichts zu tun, …
Wenn ich diesen Haushalt insgesamt sehe, habe ich den Eindruck, dass der Herr Minister den entsprechenden Mut gehabt hat. Denn der Haushalt in diesem Bereich ist eigentlich nicht mehr oder weniger als eine Kopie der Haushalte der letzten Jahre.
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Aber kommen wir zu einem Punkt, den der Wirtschaftsminister aktuell aufgerufen hat.
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– Da kommt er ja gerade.
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Ich begrüße Sie in unserem Kreise.
Herzlich willkommen, Herr Minister, zu Ihrer Debatte. Es ist spannend. – Bitte.
Genau. – Herr Minister, Sie haben eben ausgeführt: Die Politik ist an Ihrer Seite. Nur, meine Damen und Herren, angesichts der aktuellen Situation – ganz aktuell zum Streit um die wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran nach Aufkündigung des Atomabkommens durch die Trump-Regierung – muss man fragen: Wo ist denn die deutsche Politik? Wo ist die Stimme des Wirtschaftsministers, wenn der VDMA-Chef, Herr Welcker, fragt: „Muss ich mir Sorgen machen, dass demnächst meine Mitarbeiter in den USA verhaftet werden, wenn wir im Iran Geschäfte machen?“? Warum sind die EU und Herr Juncker in dieser Frage entschlossener als die Bundesregierung?
Meine Damen und Herren, es genügt eben nicht, den betroffenen Unternehmen zuzusagen, dass sie eine Rechtsberatung erhalten, wie Sie zitiert werden, Herr Minister. Wir hoffen, dass Sie in Zukunft mehr Mut haben und sich nicht nur am Kabinettstisch, sondern auch im Ausland gerade gegenüber den USA deutlicher vor die deutsche Wirtschaft stellen.
Ich bedanke mich.
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Vielen Dank, Herr Kollege Houben. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Klaus Ernst.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass Sie wieder unter uns weilen, Herr Altmaier. Jetzt mal ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Können Sie erkennen, wo die Bundesregierung wirtschafts- und industriepolitisch hinwill?
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– Sie glauben auch, dass eine Pfütze der Ozean ist.
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Ich glaube, einem normalen Menschen jedenfalls ist nicht zugänglich geworden, ob es in irgendeiner Form eine bestimmte Richtung gibt, in die unsere Wirtschaftspolitik läuft. Herr Altmaier hat gesagt: Die Wirtschaft läuft und läuft und läuft. – Das haben wir schon einmal gehört, und das freut uns auch. Aber wohin, Herr Altmaier?
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Mit welcher Strategie will die Bundesregierung den Herausforderungen einer vollkommen veränderten amerikanischen Außen- und Handelspolitik, etwa den Sanktionen, begegnen? Mit welchen Sanktionen müssen wir bei den Sanktionsdrohungen gegen deutsche und europäische Unternehmen rechnen? Und zwar nicht nur im Zusammenhang mit dem Iran-Abkommen. Es gab vorher schon Probleme mit Nord Stream 2. Da war es ähnlich.
Welche Ideen hat die Bundesregierung hinsichtlich der Investitions- und Hightechoffensive Chinas?
Eckhard Cordes, ehemaliger Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, hat vor einiger Zeit im Wirtschaftsausschuss gesagt: „Ein starkes Europa ist ohne Einbeziehung Russlands nicht möglich.“ Wir brauchen endlich eine nationale und europäische Strategie, und wir müssen endlich überlegen, ob unsere Russland-Politik angesichts der transatlantischen Herausforderungen nicht prinzipiell überdacht werden muss, Herr Altmaier. Ich sage Ihnen – das habe ich gestern auch von der Kanzlerin gehört –: Das Bekenntnis zur transatlantischen Freundschaft ersetzt keine Strategie, Herr Altmaier.
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Die „Neue Zürcher Zeitung“ beschreibt am 11. Mai unter dem Titel „Der Westen agiert gegenüber China hilflos“ die Bedeutung der Industriepolitik. Beispiele sind das MITI, das Ministerium für Internationalen Handel und Industrie im Japan der 70er- und 80er-Jahre, und die staatlich verordnete Industriepolitik in den USA unter Eisenhower. Alles höchst erfolgreich! China kopiert auch da erfolgreich, wie wir sehen. In der aktuellen Ausgabe von „Le Monde diplomatique“ steht: „Das Beispiel China sollte uns dazu bringen, die Rolle des Staats in der globalisierten Welt zu überdenken.“ Herr Altmaier, bei uns wurde eine eigenständige Entwicklung der Batterietechnik verschlafen. Und selbst auf einem Longtailboot auf der Andamanensee an der Küste von Thailand ist der Internetempfang besser als auf der Strecke zwischen Berlin und Hamburg.
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– Ja, das habe ich getestet,
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allerdings nur die Strecke von Berlin nach Hamburg. Das andere hat meine Kollegin überprüft.
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Schreit diese Entwicklung nicht gerade nach einer gesamtstaatlichen Strategie und endlich ausreichenden Investitionen? China ist dabei, eine neue Seidenstraße aufzubauen, und bei uns gibt es seit 2017 einen „Koordinator der Bundesregierung für Auslandsprojekte im strategischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland“. Das verlinkte Strategiepapier dazu hat den sagenhaften Umfang von vier Seiten. Peinlich!
Auch in diesem Bundeshaushalt investieren Sie viel zu wenig. Verständlich, denn Sie wissen ja nicht recht, wo, weil die Strategie fehlt. Wir leben seit Jahren von der Substanz. Laut KfW ist allein in den Kommunen ein Investitionsstau mit einem Volumen von 126 Milliarden Euro aufgelaufen. Sie sagen nun, dass Sie 3 Milliarden Euro mehr ausgeben wollen. Das ist weniger als der Tropfen auf den heißen Stein. Jahrelang waren die Abschreibungen höher als die öffentlichen Investitionen. Wir fahren seit Jahren auf der Felge. Statt kräftig zu investieren und damit die Voraussetzungen für unsere Zukunft zu sichern, trägt Herr Scholz die schwarze Null wie eine Monstranz auf einer Fronleichnamsprozession vor sich her, genauso wie sein Vorgänger. Weiter führt uns das nicht.
Eine letzte Bemerkung zur Energie. Das Klimaschutzziel 2020 wurde de facto aufgegeben. Der Ausbau erneuerbarer Energien muss beschleunigt werden. Wir müssen aus der Kohle raus, und zwar rasch und sozialverträglich.
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Wir brauchen eine Regierung, die Verantwortung übernimmt und nicht hinter Entwicklungen herläuft. Mit diesem Haushalt werden Sie den Notwendigkeiten leider nicht gerecht.
Ich danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Klaus Ernst. – Nächster Redner in der Debatte: Mario Mieruch, der fraktionslose Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist jetzt ungefähr zehn Jahre her, dass die Bundesregierung aus Union und FDP die Energiewende beschloss. Dem waren zwölf Jahre Liberalisierung des Strommarktes vorangegangen. Die Ziele waren vielfältig. Wo stehen wir heute? Deutschland hat nach Dänemark die höchsten Strompreise der EU. Der Steueranteil, der Staatsanteil, hat sich seit 1998 mehr als verdoppelt. 24 Prozent entfallen allein auf das EEG. Jedes Jahr steigen die Preise um etwa 3 Prozent und damit um ein Vielfaches stärker als im benachbarten Ausland. Erneuerbare Energien garantieren leider noch keine Versorgungssicherheit. Bei der Nachhaltigkeit von Windrädern und des Energiepflanzenanbaus, der zu einem Nitratanstieg im Wasser führt, gibt es jede Menge Fragen und berechtigte Sorgen der Bürger. Offshorewindparks, negative Strompreise und Entschädigungen wegen Kapazitätsstillständen werden lieber erst gar nicht offen und transparent angesprochen. Das könnte nämlich das eine oder andere Schloss ins Wanken bringen.
4,2 Milliarden Euro Sondervermögen für den Energie- und Klimafonds, das ist grundsätzlich gut. Aber die entscheidende Frage lautet: Ist alles sinnvoll, was dort gemacht wird? Denn tatsächlich bezahlen die Bürger die Energiewende oft mit sehr zweifelhaften Posten und haben kaum eine Chance, zu verstehen, von wie vielen Seiten ihnen in die Tasche gegriffen wird. 2 Milliarden Euro gehen in die oft zweifelhafte Dämmung von Gebäuden. 210 Millionen Euro gibt es für Strompreiskompensationen. 150 Millionen Euro werden für Stromeffizienzwettbewerbe ausgereicht. Herr Houben hat bereits erfreulicherweise die 275 Millionen Euro Subventionen für die E-Antriebe von Fahrzeugen angesprochen. An anderer Stelle wird die Abschaffung von Dieselsubventionen gefordert, die gar keine sind.
Beleuchtet man die Treiber dieser Energiewende-Ideologie, so stößt man auf ein ziemlich interessantes Netzwerk quer durch alle Ministerien, das Umweltbundesamt, Vereine und Stiftungen. Die Krone der Selbstbedienung ist dabei, wie schon öfter mal angesprochen, die Deutsche Umwelthilfe, kurz: DUH, mit besten Verbindungen in die entsprechenden Ministerien. Wundert es da eigentlich überhaupt noch jemanden, dass ausgerechnet dort das bisher nicht veröffentlichte Wachtmeister-Gutachten im Rahmen der Dieselaffäre auftauchte?
Wenn man wissen möchte, wie Lobbypolitik funktioniert, dann muss man diese Strukturen einfach mal ein bisschen genauer betrachten. Da ist spätestens seit der Ära des grünen Umweltministers Trittin auffallend, dass da ziemlich viel Bewegung reingekommen ist. Unlängst hat man im BMWi die wohlklingende Initiative „Bürgerdialog Stromnetz“ erfunden und suggeriert dem Bürger: Ihr dürft teilhaben. Wir binden euch ein in den Stromtrassenausbau in der Energiewende. Ihr dürft mitentscheiden. – Tatsächlich entsteht der Eindruck, dass man hier nur die Einwände sammelt, um sich professionell mittels Werbeagenturen und Kommunikationsbüros entsprechend fit machen zu können. Am Ende hat der Bürger seine normalen gesetzlichen Rechte. Die kann man ihm erklären; aber dafür braucht man nicht Millionen auszugeben.
Als Parlament ist es unsere Pflicht, all diese Tätigkeiten genau auszuleuchten und zu hinterfragen. Nach dem, was wir bisher so recherchiert haben, sind die Erkenntnisse rund um die Tätigkeiten der Deutschen Umwelthilfe mehr als zweifelhaft. Angesichts des Interesses weiterer Fraktionen, die hier ebenfalls Anfragen gestellt haben, fordert Die blaue Partei dazu auf, die staatlichen Zuwendungen an die DUH einzufrieren, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Überprüfung der Vereinstätigkeiten einzusetzen und diesem Verein das Verbandsklagerecht zu entziehen. Sie haben angefragt. Bitte unterstützen Sie uns dabei, damit dieses Treiben aufhört.
Vielen Dank.
Danke, Herr Mieruch. – Nächste Rednerin: Dr. Julia Verlinden für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Altmaier! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Haushaltspolitik ist immer ein Spiegel von politischen Prioritäten. Klimaschutz gehört eindeutig nicht zu den Prioritäten dieser Bundesregierung, und er spielt auch in Ihrem Haushaltsentwurf keine nennenswerte Rolle. Auch der Energieminister hat in seiner Rede kaum etwas Substanzielles dazu gesagt. Die Klimaschutzziele sind nur mit Energiesparen und dem Umstieg auf erneuerbare Energien zu erreichen. Dazu gehört auch der Wärmesektor. Das erzählen hier alle an diesem Pult seit Jahren.
Aber ich bin es wirklich leid, diese Schaufensterreden von Ihnen zu hören.
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Im Koalitionsvertrag haben Sie noch versprochen, die energetische Sanierung von Gebäuden endlich steuerlich zu fördern. Nur findet sich dafür im Haushaltsentwurf keine Gegenfinanzierung. Das Projekt wird von der Regierung also wieder mal auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Ich fühle mich ein bisschen wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Seit Jahren hören wir hier von Ihnen die gleichen Reden: „Man müsste mal ...“ oder „Wir wollen mal prüfen ...“. – Verdammt noch mal: Handeln Sie doch endlich! Das ist unsere Aufgabe hier als Parlament.
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Im Koalitionsvertrag steht außerdem, Sie nähmen die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand bei den Bundesimmobilien ernst. Sie wollen einen Energetischen Sanierungsfahrplan Bundesliegenschaften beschließen. Ups, das habe ich doch schon mal gehört. Das klingt ziemlich nach Murmeltiertag; denn vor drei Jahren hat die Bundesregierung uns Grünen auf eine Kleine Anfrage geantwortet, dass sie diesen Energetischen Sanierungsfahrplan Bundesliegenschaften umsetzen will. Wie? Echt jetzt? Wollen reicht aber nicht. Tun Sie es endlich!
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Ich gebe Ihnen mal einen Tipp, Herr Altmaier: Sie müssen in Ihrem Ministerium nur die Schublade aufmachen, in der dieser Sanierungsfahrplan für die Bundesimmobilien liegt, und dann müssen Sie es anpacken. Dann müssen Sie allerdings auch Geld dafür in den Haushalt einstellen; aber davon sehe ich hier nichts. Liebe GroKo, falls Sie es noch nicht wussten: Machen ist wie wollen, nur viel krasser.
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Überhaupt, Stichwort „Koalitionsvertrag“: Er schien nichts mehr wert zu sein, als die Tinte darunter noch nicht mal trocken war. Da wollte die Union schon nichts mehr hören vom zusätzlichen Ausbau von Wind- und Sonnenstrom. Wie, Sonderausschreibung? Nö, so war das ja nicht gemeint. Mann, das finde ich schäbig und verlogen, was Sie da treiben.
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Anstatt CO 2 endlich einen angemessenen Preis zu geben und umweltschädliche Subventionen abzubauen – 50 Milliarden Euro sind das insgesamt –, belohnen Sie klimaschädliches Verhalten sogar. Noch immer geben Sie jedes Jahr Millionen Euro dafür aus, alte Öl- und Gasheizungen durch neue zu ersetzen. Diese neuen Heizungen laufen dann 20 oder 30 Jahre, bis sie das nächste Mal ausgetauscht werden. Damit zementieren Sie eine fossile Dinosauriertechnik für weitere Jahrzehnte. Beenden Sie endlich diese Subventionspolitik für Klimakiller!
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Die Quittung für Ihre verfehlte Haushalts- und Klimapolitik ist fatal. Die Treibhausgasemissionen sind auf demselben Niveau wie vor acht Jahren. Seit sechs Jahren stagniert der Anteil der Erneuerbaren im Wärmesektor bei mickrigen 13 Prozent. Wissen Sie was? In der EU ist Deutschland damit inzwischen auf Platz 22 abgestürzt, was den Anteil der erneuerbaren Wärme angeht. Das ist ein Desaster. Sie machen sich nur noch lächerlich, wenn Sie international weiter vom Energiewendevorreiter Deutschland schwadronieren. Das verstehen die anderen inzwischen sehr gut.
Andere Länder machen nämlich vor, wie es geht. In Dänemark dürfen längst keine neuen Ölheizungen mehr eingebaut werden, und die Niederlande wollen beim Neubau noch nicht mal mehr Erdgasheizung zulassen – und das als das bisher größte Gasförderland der EU.
Wie wollen Sie eigentlich die verbindlichen EU-Ziele für Treibhausgasminderung und Erneuerbare bis 2020 noch erreichen? Mit diesem Haushalt ohne Zukunft schaffen Sie den Umstieg auf Klimaschutz jedenfalls nicht. Schalten Sie endlich um: von Vergangenheit auf Zukunft! Ich habe echt keinen Bock mehr auf Murmeltiertag.
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Vielen Dank, Julia Verlinden. – Nächster Redner: Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man heute hier die Debatte hört, dann könnte man manchmal meinen: Wir sprechen über unterschiedliche Länder, und wir sprechen über unterschiedliche Sachverhalte. Es ist, glaube ich, unstrittig – die Zahlen sprechen eine klare Sprache –: Wir sind mittlerweile im längsten Aufschwung der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
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und dieser Aufschwung kommt an. Er kommt an bei den Arbeitnehmern in Form von höheren Löhnen; Reallohnzuwächse wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Er kommt an bei den Unternehmen, die erfreulicherweise Gewinne machen und diese Gewinne nutzen, um sie zu reinvestieren und damit für die Zukunft neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Der Aufschwung kommt an bei den Rentnern, die ebenfalls wieder kräftige Erhöhungen haben.
Wenn ich das Gerede immer höre „Es geht hier in Deutschland ungerecht zu; die Schere geht auseinander“, dann muss ich sagen: Das Gegenteil ist der Fall.
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Die Zahl derjenigen, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, geht weiter zurück, nicht nur prozentual, sondern auch absolut. Kollege Rehberg hat es bereits angesprochen: Über 7 Milliarden Euro waren es im letzten Jahr. Jetzt sind es unter 6 Milliarden Euro. Das sind Zahlen, an denen man nicht vorbeikommt. Insofern frage ich mich, auf welcher Welt Sie leben.
Wenn Sie sich anschauen, wo das Wachstum stattfindet, dann stellen Sie fest: Es ist beileibe nicht so, dass es nur im Export stattfindet. Dort hat der Aufschwung 2010 begonnen. Er ist aber mittlerweile auf drei Säulen ruhend, nämlich genauso auch auf dem Binnenmarkt, wo es in Deutschland hervorragend läuft, und auf den Investitionen, nicht nur den privaten, auch den öffentlichen, und dazu können wir etwas beitragen, indem wir auf Bundesebene – das war schon in der letzten Legislatur der Fall und ist jetzt wieder so – in allen Bereichen einen sehr hohen verstetigten Investitionshaushalt vorlegen.
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Aber es ist richtig: Wer nicht besser wird, hört auf, gut zu sein. – Wir wollen uns nicht ausruhen oder gar in Selbstzufriedenheit erstarren, sondern wir müssen weiter besser werden und jetzt die Weichen stellen.
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Ich sage mal: „Besser werden“ heißt nicht nur, mehr Geld auszugeben, sondern „besser werden“ heißt auch: Wir müssen vor allem schneller werden. Wir müssen schneller werden – in Deutschland und in Europa.
Wir müssen schneller werden beim Handel. Wir können es uns nicht leisten, Handelsverträge fünf Jahre zu verhandeln und dann sieben Jahre zu ratifizieren.
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Wir können es uns nicht leisten, bei der Forschung und Entwicklung Zeit zu vergeuden, bis wir die PS auf die Piste bringen; ich komme gleich noch darauf zu sprechen. Wir können es uns nicht leisten, bei der Digitalisierung die Anwendungen und die Infrastruktur weiterhin nur zögerlich voranzubringen. Und wir können es uns bei der Infrastruktur insgesamt nicht leisten, sie so schleppend auszubauen, wie es derzeit geschieht – auch darauf komme ich noch –, indem wir irgendwelche – –
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– Was hat man mir gesagt?
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– Ja, und die Zahlen – danke, Herr Kollege Hofreiter – sprechen in der Tat eine deutliche Sprache. Wir sind und bleiben erfolgreich, aber wir wollen ja gemeinsam noch besser werden, gerne auch jederzeit mit Ihrer Unterstützung.
Was wollen wir beim Handel machen?
Herr Pfeiffer, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Krischer?
Liebend gerne.
Echt?
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Herzlichen Dank, Herr Pfeiffer, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ihre Bemerkung, dass die Zahlen eine deutliche Sprache sprechen, veranlasst mich zu einer Zwischenfrage.
Sie haben ausweislich des „Handelsblatts“ vom 29. April die Deutsche Umwelthilfe als semikriminellen Verein bezeichnet.
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Könnten Sie mir erläutern, wie Sie zu dieser Einschätzung kommen? Sie haben in dem Artikel gesagt, für Sie sei es ein Problem, dass die Deutsche Umwelthilfe mittels Klagen die Einhaltung geltender Gesetze fordert. Wir haben heute erfahren, dass auch die EU-Kommission die Bundesregierung verklagt. Würden Sie analog dazu auch die EU-Kommission als semikriminellen Verein bezeichnen, weil sie uns aufgrund der Nichteinhaltung der Stickoxidgrenzwerte in unseren Innenstädten verklagt?
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Vielen Dank, Herr Kollege Krischer. Da kann ich Ihnen gerne weiterhelfen und werde versuchen, Ihnen zu erläutern, wie ich zu meiner Auffassung komme.
Die Deutsche Umwelthilfe ist aus meiner Sicht alles andere als unabhängig.
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Die Deutsche Umwelthilfe finanziert sich als Abmahnverein seit der Zeit, in der Sie die Verantwortung hier in Deutschland trugen; das war quasi eine Spezlwirtschaft mit der Deutschen Umwelthilfe. Schauen Sie doch einmal, wer dort Mitglied ist. Man weiß es ja nicht so recht; das ist alles so ein bisschen intransparent. Ich kenne eigentlich nur Grüne, die dort Mitglied sind. Die Deutsche Umwelthilfe jedenfalls hat man 2004 ermächtigt, Abmahnungen vorzunehmen. Bei mir im Wahlkreis ist es passiert, dass die zu einem Elektrohändler gingen, der nur alleine da war. Er sagte, dass von einer Waschmaschine das Etikett heruntergenommen wurde und er dann dafür abgemahnt wurde und bezahlen musste.
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Dafür und für anderes mehr kassieren sie Millionenbeträge aus Abmahnungen. Ich halte das nicht für seriös, um es einmal freundlich zu formulieren.
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Ich halte es auch nicht für seriös, wie der Personalaustausch bei der Deutschen Umwelthilfe erfolgt. Da ist einer Chef der Deutschen Umwelthilfe, der zuvor und danach in der Bundesregierung Staatssekretär war und sich damit selbst die Bälle zuspielen konnte. Bei anderen gibt es ähnliche personelle Verflechtungen.
Ich kann dazu unbegrenzt weiterreden.
Nein, Herr Pfeiffer, in der Regel dauert eine Antwort zwei Minuten. Jetzt haben Sie noch 30 Sekunden.
Das Wort „semikriminell“ ist noch eine vergleichsweise harmlose Beschreibung dessen,
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was die Deutsche Umwelthilfe da veranstaltet.
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Deshalb bin ich ganz klar der Meinung – ich bin noch nicht ganz fertig –, –
Aber kommen Sie bitte zum Schluss.
– dass wir uns sehr genau anschauen müssen, ob solche Vereinigungen, die nur Eigeninteressen verfolgen, dort richtig aufgehoben sind, wo es um Netzausbau und um die Beschleunigung von Verfahren in Deutschland geht.
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– Ja, ich mache bei dem, wie das abläuft, ein großes Fragezeichen. Deshalb werden wir uns das sehr genau anschauen, und ich sehe da dringenden Korrekturbedarf; denn so ein Vorgehen halte ich für überflüssig. Das können wir gerne noch weiter vertiefen.
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Ich komme jetzt aber noch einmal auf den Handel zurück. Ich war unlängst in Singapur. In Singapur können Sie keinem Menschen vermitteln, warum wir das abgeschlossene Abkommen nicht endlich ratifizieren. Die denken, sie machten irgendetwas falsch oder es gäbe irgendwelche neuen Erkenntnisse. Deshalb ist es gut und richtig – das begrüße ich an dieser Stelle ausdrücklich –, dass wir jetzt klar geregelt haben, dass im Rahmen der Aufgabenteilung die EU für Freihandelsabkommen zuständig ist, und dass das demokratisch legitimierte Europäische Parlament und die EU-Kommission mit Erteilung eines Auftrages, den ja auch wir hier über den Europäischen Rat erteilen, damit handlungsfähig sind und zukünftig nicht 15 Jahre brauchen, bis wir ein Freihandelsabkommen abgeschlossen haben.
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Wir müssen jetzt – der Minister hat es angesprochen – eine Koalition der Willigen mit denjenigen bilden, die den Freihandel, die die Multilateralität weiter voranbringen wollen, die die Globalisierung gestalten wollen.
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Deshalb wollen wir mit Neuseeland, mit Australien, mit den ASEAN-Ländern, wo das Singapur-Abkommen Modellcharakter hat, mit Mercosur, mit anderen Regionen auf dieser Welt diesen multilateralen Rahmen weiter stecken und mit ihnen über die EU schnell entsprechende Abkommen schließen.
Schnelligkeit ist hier gefragt, damit der Welthandel weiterhin die Rolle spielen kann, die er in den letzten 50 Jahren gespielt hat. Er war die treibende Kraft der Weltwirtschaft. Der Welthandel ist immer stärker als das Sozialprodukt gewachsen. Freie und offene Märkte haben zu Wohlstand für alle geführt, die daran beteiligt waren. Darüber müssen wir uns klar werden. Europa hat jetzt die Chance, an die Spitze zu kommen und Standards für die Zukunft zu setzen.
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Wir müssen im Bereich Forschung und Entwicklung schneller werden. Wir spielen die steuerliche Forschungsförderung nicht gegen die Projektförderung aus. Wir werden die Projektförderung weiter stärken. Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand hat perspektivisch ein Volumen in Höhe von 700 Millionen Euro. Darüber haben wir uns in der letzten Legislatur verständigt. Deshalb werden wir dieses Programm jetzt erhöhen und diesen Weg weitergehen.
Wir werden die Mittel für EXIST weiter erhöhen. Parallel ist das Finanzministerium aufgefordert und hoffentlich dabei, schnell einen Vorschlag zu machen, wie wir die steuerliche Forschungsförderung umsetzen können, damit sie nicht mehr nur in den Parteiprogrammen steht, wie es jahrelang, über mehrere Legislaturperioden, der Fall war. Sie stand beim letzten Mal übrigens nicht im Koalitionsvertrag; da hat sie es mal nicht geschafft. Beim vorletzten Mal stand sie im Koalitionsvertrag. Auch jetzt ist sie drin, und alle hier im Haus sind dafür. Deshalb müssen wir sie jetzt endlich umsetzen.
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Herr Pfeiffer, schnell zum Ende kommen.
Schnelligkeit ist auch bei meiner Rede geboten. – Zur Digitalisierung, zur Infrastruktur konnte ich jetzt leider nichts sagen. Aber auch auf diesen Gebieten, insbesondere bei den Netzen, müssen wir Gas geben und nicht jedem Bedenkenträger Rechnung tragen.
Wir müssen die Verfahren endlich beschleunigen, weil die Länge der Verfahren nichts mit höherer demokratischer Legitimation zu tun hat. Wenn ein Schienenverkehrsvorhaben oder die Errichtung eines Stromnetzes 15 Jahre dauert, weiß kein Mensch mehr, wann es begonnen und wann es aufgehört hat. Das höhlt die Demokratie eher aus. Deshalb müssen wir Rechtswege verkürzen und Verfahren straffen, um die Infrastruktur voranzubringen.
Herr Pfeiffer.
Dafür haben wir hoffentlich eine breite Unterstützung hier im Haus – auch Ihre, Frau Präsidentin; darauf zähle ich.
Ja, selbstverständlich.
Vielen Dank. – Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam dafür kämpfen, dass wir schneller und besser werden, damit es weiterhin gut bleibt.
Selbstverständlich, Herr Pfeiffer. – Sie haben vom Kürzen geredet. Ich muss jetzt leider Ihrem Kollegen die Redezeit kürzen.
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Nächster Redner für die AfD-Fraktion: Enrico Komning.
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Frau Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Liebe Besucher auf den Tribünen! Der hier vorgelegte Haushaltsentwurf lässt den Mittelstand im Regen stehen. Die Bundesregierung aber sonnt sich in einer vermeintlich guten Wirtschaftslage mit hohen Wachstumszahlen. Und weil die Bundesregierung so sehr mit Sonnen beschäftigt ist, tut sie nichts. Nichts von dem, was für den Mittelstand wichtig ist, nämlich Bürokratieabbau, Fachkräftemangel und digitaler Wandel, wird wirklich ernsthaft angegangen.
Ihr groß angekündigtes Nationales Reformprogramm verspricht „klare Prioritäten für Investitionen in Infrastruktur, in Vernetzungs- und Digitalisierungsstrategien sowie in Bildung und Forschung“. Im Versprechen sind Sie immer spitze. Sie sind seit Jahren an der Regierung. Nichts ist passiert. Und jetzt soll alles anders werden? Ihr vorgelegter Haushalt spricht eine andere Sprache.
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Während beinahe 140 Milliarden Euro für soziale Wohltaten ausgegeben werden, bleiben dem Mittelstand nur Kleckerbeträge. Magere 420 Millionen Euro umfasst Ihre Digitale Agenda im Wirtschaftsbereich, davon entfallen ganze 60 Millionen Euro auf die Förderung der Entwicklung digitaler Technologien. Und das soll eine Priorität sein?
Nur 27 Millionen Euro stellen Sie für die Sicherung von Fachkräften für kleine und mittlere Unternehmen zur Verfügung. Ist das Ihr Ernst? Sie sind es doch immer, die über den Fachkräftemangel jammern, und Sie wollen der deutschen Bevölkerung doch immer einreden, dass wir die ach so qualifizierten Zuwanderer aus Nordafrika brauchen. Sie versuchen erst gar nicht, unsere eigenen jährlich massenhaft auswandernden deutschen Fachkräfte zu halten.
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Ihr Nationales Reformprogramm ist Schall und Rauch. Ein Großteil Ihrer Mittelstands- und Strukturförderung, nämlich 43 Prozent der GRW-Mittel, kommt in den strukturschwachen Regionen gar nicht erst an. Das Kaputtsparen der Kommunen hat auch nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung dazu geführt, dass kaum noch ein Verwaltungsmitarbeiter da ist, der Fördermittel auskehrt.
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Sollte da doch noch jemand in den verwaisten Amtsstuben sein, dann überschüttet er den Mittelständler mit Papierkram und Auflagen.
Wir müssen endlich Geld in die Hand nehmen. Laut allen Steuerschätzungen ist doch genug Geld da. Wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, die zum Investieren anreizen, damit es überhaupt etwas zu fördern gibt. Weniger Steuern für kleine und mittelständische Unternehmen und mehr Luft zum Atmen, das wäre ehrliche Mittelstandspolitik.
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Herr Minister, schauen Sie mal nach Österreich. Dort werden den Unternehmern die Kosten für Forschung einfach und unbürokratisch von der Steuerschuld abgezogen. Das kostet Österreich wenig, bringt aber viel, nämlich jede Menge Forschungsinvestitionen deutscher Unternehmen; allerdings nicht hier, sondern in Österreich.
Meine Damen und Herren, der Mittelstand kommt mit diesem Haushalt vom Regen in die Traufe. Und was macht der Wirtschaftsminister? Er tingelt von Land zu Land und will die Welt retten. Der deutsche Mittelstand muss leider warten. Mit Ihrem vorgespielten Macher-Image, Herr Minister, ist das nicht zu vereinbaren. Sie lassen unseren deutschen Mittelstand im Stich. Nicht mit uns!
Vielen Dank.
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Nächste Rednerin: Sabine Poschmann für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zurück zur Realität. Deutschland ist die Wirtschaftskraft Europas: Das Bruttoinlandsprodukt wächst, die Binnennachfrage ist unverändert hoch, und die Wirtschaft ist mehr als ausgelastet. Die Wirtschaftsleistung 2018 soll noch einmal um 2,2 Prozent zulegen. Mit dem Haushaltsentwurf, den wir heute beraten, schaffen wir die Grundlage, dass dieser Aufschwung auch anhalten kann. Aber wir ziehen nicht mit der Gießkanne durchs Land. Wir folgen auch nicht den Rufen der Wirtschaft nach Steuerentlastungen in einer Zeit, in der sich Unternehmen vor Aufträgen kaum retten können. Es geht nicht darum, Konzerne in einer Phase der Hochkonjunktur zu entlasten; vielmehr geht es darum, die Mittel zielgerichtet einzusetzen, die Investitionskraft kleiner und mittlerer Unternehmen zu beflügeln und die Zukunftsbranchen unseres Landes zu stärken.
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Wir wollen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2025 auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigern. Das ist ambitioniert. Die 26 Millionen Euro, die wir dafür zusätzlich in den Haushalt eingestellt haben, sind ein Einstieg. Das Signal lautet also: Wir lösen die Investitionsbremse.
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Deutschland muss zukünftig zu den führenden Innovationsstandorten gehören. Wir dürfen nicht zusehen, wie uns Südkorea oder China den Rang ablaufen.
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Voraussetzung dafür ist, dass die Mittel auch sinnvoll eingesetzt werden. Ein guter Ansatz ist, den Anteil kleiner und mittlerer Betriebe an Forschung und Entwicklung deutlich zu steigern. Das muss sich dann aber auch in Förderprogrammen wie ZIM und IGF widerspiegeln. Beide beinhalten Kooperationsmöglichkeiten, und diese erzielen bekanntlich den größten Output. ZIM gilt zudem als das Best-Practice-Beispiel und erfreut sich einer ungebrochenen Nachfrage. Auch Herr Minister Altmaier hat heute in seiner Pressemitteilung ZIM sehr gelobt. Doch dann dürfen wir natürlich nicht anfangen, an dieser Stelle zu sparen und die Mittel herunterzufahren.
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Ich denke, da ist Luft nach oben.
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Im Koalitionsvertrag – das freut mich besonders – sind zum ersten Mal soziale Innovationen erwähnt und finden dort ihren Platz. Deshalb wäre es folgerichtig, mit Förderprogrammen Anreize für soziale Innovationen zu schaffen. Leider wird das Thema meiner Meinung nach immer noch stiefmütterlich behandelt. Ich würde mir wünschen, dass das BMWi die Chancen der sozialen Innovationen erkennt und hier stärker fördert.
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Auch mit der steuerlichen Forschungsförderung, die wir vereinbart haben, schaffen wir zusätzliche Anreize. Wir haben auch hier im Koalitionsvertrag zielgerichtet die kleinen und mittleren Betriebe einbezogen. Wir wollen, dass diese Betriebe die Personalkosten im Bereich der Forschung absetzen können. Das ist ein gezielter und ganz neuer Ansatz, eine Investition des Staates, damit KMUs für die Zukunft gewappnet sind.
Meine Damen und Herren, darüber hinaus sendet der Haushaltsentwurf klare Signale an die Gründerszene. Wir stocken gerade das EXIST-Programm auf und fördern junge Gründer aus dem Hochschulbereich. Wir ermöglichen mithilfe der KfW, dass für die Wachstumsphase innovativer Start-ups mehr Wagniskapital zur Verfügung gestellt wird. Hier ist eine Lücke entstanden, die oft von ausländischen Kapitalgebern gefüllt worden ist. Ich wünsche mir, dass innovatives Know-how im Land bleibt und nicht von der Silicon Valley Bank gesichert wird, die aktuell ihren Markteintritt in Deutschland vorbereitet.
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Eine unserer wichtigsten Aufgaben liegt unmittelbar vor uns – meine Vorredner haben darauf hingewiesen –: die Weiterentwicklung eines gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen. Wir haben in diesem Haus mehrfach betont, dass Fördermittel nicht länger nach Himmelsrichtungen vergeben werden, sondern gezielt in die strukturschwachen Gebiete fließen sollen. Die Zeit drängt. Ab 2020 muss das neue Programm im Einsatz sein. Mit Blick auf den kommenden Haushalt gehört für mich eine solche Strukturförderung natürlich ins Wirtschaftsministerium.
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Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf hat die richtigen Ansätze und bietet eine gute Grundlage für unsere weiteren Beratungen. Bei allem, was wir noch tun, bleibt eines klar: Wir setzen den Rahmen. Innovation und Fortschritt aber müssen letztendlich aus der Wirtschaft selber kommen.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Kollegin Poschmann. – Nächster Redner: Karl Holmeier für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wirtschaft in Deutschland ist unbestritten die schwarze Lokomotive in Europa,
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und das seit vielen Jahren. Dank unserer soliden Wirtschafts- und Finanzpolitik haben wir uns eine wertvolle finanzielle Handlungsfähigkeit erarbeitet. Ganz klar: Die schwarze Null steht. Wir tilgen Schulden.
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Die Schuldenuhr hier in Berlin läuft rückwärts.
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Die Bundesregierung erwartet laut ihrer Voraussage für das Jahr 2018 wieder ein starkes Wachstum von 2,3 Prozent. Auch im nächsten Jahr wird sich das Wachstum fortsetzen. Meine Damen und Herren, wir sind zwischenzeitlich im neunten Jahr eines Aufschwungs. Die Aussichten sind gut. Oder besser gesagt: Es sind beste Aussichten für Deutschland in den nächsten Jahren.
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Wir stehen weiterhin für die schwarze Null. Das ist ein Beleg dafür, dass unsere unionsgeführte Bundesregierung wie bisher für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Steuergeldern steht. Jetzt kommt es darauf an, den konjunkturellen Rückenwind zu nutzen und die Weichen für eine gute Zukunft zu stellen.
Die Herausforderungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind groß. Mit dem vorliegenden Haushalt tragen wir dazu bei, diese guten Aussichten für die Zukunft zu festigen. Wir fördern Innovationen. Die Innovationsförderung ist einer der Schwerpunkte im Haushaltsansatz des Wirtschaftsministeriums. Das ZIM wurde bereits angesprochen. Es wird auf einem hohen Niveau, mit einem Budget von 543 Millionen Euro, fortgeführt. Das ist grundsätzlich erfreulich und natürlich für unseren Mittelstand sehr wichtig.
Über die jetzt im Haushaltsplan vorgesehenen Reduzierungen von 5 Millionen Euro muss man noch einmal reden. Wir müssen alles dafür tun, dass da nachgebessert und der alte Zustand wiederhergestellt wird. Die Aussichten dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind gut.
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Schließlich wollen wir auch weiterhin ein kräftiges Signal für den Mittelstand senden, in der Zukunft vor allem innovativ zu sein.
Wir fördern die regionale Wirtschaft. Die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ werden auf dem bisherigen Niveau fortgeführt. Wir schaffen verlässliche Rahmenbedingungen im Energiebereich. Energie muss sicher und bezahlbar bleiben. Das gilt sowohl für unsere Bürgerinnen und Bürger als auch für unsere Wirtschaft. Mit den Reformen des EEG in der vergangenen Legislaturperiode haben wir bereits einiges auf den Weg gebracht. Und im neuen Koalitionsvertrag haben wir uns weitere wichtige Ziele gesetzt, um den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter voranzubringen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Erfolg in unserem Land gibt uns recht. Das Wirtschaftswachstum wird in Deutschland im Jahr 2018 bei etwa 2,3 Prozent liegen. Für das nächste Jahr liegt die Prognose bei 1,9 bis 2,1 Prozent. 44,46 Millionen Menschen in unserem Land sind zurzeit in Arbeit; das ist ein neuer Rekordwert, der die Erfolgszahlen der Vorjahre noch einmal übersteigt, und zwar um 598 000 gegenüber dem letzten Jahr. Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist gestiegen.
Der unter der Verantwortung der Union eingeschlagene Weg aus Wachsen, Konsolidieren und Reformieren ist richtig und wird fortgesetzt.
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– Der Union und der Koalition natürlich. – Mit dem vorliegenden Bundeshaushalt 2018 gehen wir unseren Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien, der konsolidierten Staatsfinanzen und in Richtung Vollbeschäftigung in unserem Land entschlossen weiter. Darauf, meine Damen und Herren, können wir stolz sein, genau wie auf unsere Wirtschaft,
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die wir auch weiterhin kräftig unterstützen und stärken werden.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Karl Holmeier. – Nächster Redner: Falko Mohrs für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist noch gar nicht so lange her, da haben Sie von der Opposition – Ihre Kritik am Haushalt ist ja erwartbar – hier bejammert, wie gering der Stellenwert der Digitalisierung im Sondierungspapier und im Koalitionsvertrag ist.
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– Ja, warten Sie mal ab; ich sage gleich etwas zu Ihrer Digitalisierungskompetenz. – Man muss tatsächlich sagen: Mit diesem Haushalt treten wir den Gegenbeweis an. Wir haben allein im Bereich Digitale Agenda – und ich komme gleich zu weiteren Punkten – 422 Millionen Euro vorgesehen. Wir haben im Bereich Innovationen im Mittelstand weitere 825 Millionen Euro vorgesehen. Wir haben – Herr Komning, vielleicht lesen Sie mal den Haushalt insgesamt, auch über die eine Position hinaus – über 150 Millionen Euro dafür vorgesehen, innovative Unternehmensgründungen zu unterstützen oder auch im Rahmen des ERP-Sondervermögens weitere Vergünstigungen zu bieten.
Weil die Erinnerung vielleicht nicht immer so weit trägt, erinnere ich Sie daran, dass wir vor nicht allzu langer Zeit auch 790 Millionen Euro aus dem ERP-Sondervermögen dafür bereitgestellt haben, Innovationen und Unternehmensgründungen voranzutreiben, um damit über 6,7 Milliarden Euro an Hebelwirkung zu erzielen.
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Und dann stellen Sie sich hierhin und sagen, dass das alles nicht ambitioniert sei, dass wir nichts für Innovationen und Unternehmen tun. Im Gegenteil: Wir haben die Zukunft im Blick; wir setzen die richtigen Prioritäten, indem wir im Bereich der Digitalen Agenda und im Bereich der Innovationsförderung einen riesengroßen Schwerpunkt setzen. Und wenn Ihnen das noch nicht reicht, dann weise ich darauf hin: Wir haben 300 Millionen Euro im Bereich der Mikroelektronik vorgesehen, einer Schlüsselindustrie für die Digitalisierung in Deutschland und die Standortsicherung der deutschen Industrie.
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Kurz zu Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP: Ihr Vorsitzender, Christian Lindner, hat gestern als Beleg, dass wir bei der Digitalisierung nicht vorankommen würden, angeführt, dass wir die Versteigerung der 5G-Frequenzen und ‑Lizenzen bei der BNetzA, also der Bundesnetzagentur, nach hinten verschieben würden. Vielleicht richten Sie ihm einfach aus: Die Frequenzen, über die wir hier reden, sind die, die erst im Jahre 2022 und 2025 frei werden. Wir reden jetzt davon, dass die Versteigerung der Frequenzen nicht Ende 2018, sondern Anfang 2019 stattfindet. Vielleicht könnte Herr Lindner zur Kenntnis nehmen, dass dort überhaupt kein Verzug zu erwarten ist und
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deswegen auch kein Verzug beim digitalen Ausbau dieser Infrastruktur zu erwarten ist.
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– Warten Sie es ab, keine Sorge. Ich habe Ihnen ja gerade den Zeitrahmen aufgezeigt. Das, denke ich, sollte klappen.
Vielleicht auch noch etwas zu den Themen „richtige Prioritäten“ und „Zukunft“: Wir werden auch in diesem Haushalt 600 Millionen Euro in die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur investieren. Ich sage Ihnen das als jemand, der aus dem Wahlkreis Helmstedt kommt, einem ehemaligen Zonenrandgebiet mit einem Strukturwandel in der Braunkohle – ein Hinweis für all diejenigen, die immer so schnell aussteigen wollen –: Wir müssen an dieser Stelle den Ausstieg zwar schaffen. Wir müssen es aber auch schaffen, dass wir dort eine wirtschaftliche Alternative für die Menschen aufbauen, dass wir den Kommunen weiterhin Steuereinnahmen sichern, dass Menschen dort Arbeitsplätze haben. Dann geht es nicht um Blackouts, Herr Holm. Ehrlicherweise muss ich zugeben: Diese Blackouts haben wir in den letzten Tagen an anderer Stelle erlebt.
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An dieser Stelle geht es darum, dass wir den Menschen Perspektiven bieten. Deswegen ist genau diese Veränderung notwendig und richtig. Wir setzen also auf Innovation und Zukunft. Hier gehen wir den richtigen Weg.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Falko Mohrs. – Der letzte Redner in dieser Debatte: Andreas Mattfeldt für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Altmaier, als letzter Redner ist es immer so eine Sache. Wenn man dazu auch noch Hauptberichterstatter ist, dann darf man auch einmal Danke sagen für eine, wie ich meine, sehr interessante und sehr sachlich geführte Debatte.
Ja, meine Damen und Herren, unsere Wirtschaft ist in bester Verfassung. Manche würden sogar sagen, sie sei in allerbester Verfassung. Anscheinend wurde im Bereich der Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht. Nun ist aber wichtig, dass wir mit diesem Haushalt den Grundstein für eine weitere gute Entwicklung legen; denn wir alle wissen, diese fällt nicht einfach vom Himmel.
Dieser Entwurf mit einem Aufwuchs von fast 5 Prozent und einem Ansatz – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – von 3,8 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ist gut, aber, Herr Minister Altmaier, ich sage Ihnen als selbstbewusster Parlamentarier ganz ehrlich: Wir haben natürlich auch den Anspruch, dass wir diesen Haushalt an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen besser machen.
Meine Damen und Herren, bemerkenswert und richtig ist, dass wir mit 1,7 Milliarden Euro die Luft- und Raumfahrt unterstützen. Ob es die neue Ariane-6-Trägerrakete ist, die wir gerade entwickeln – dabei müssen wir sicherstellen, dass wir auch den Mittelstand partizipieren lassen –, oder ob es die Gerst-Mission ist, bei der unter dem Kommando unseres deutschen Astronauten Alexander Gerst demnächst im Auftrag der ESA auf der ISS geforscht wird: Es ist und bleibt von strategischem und wirtschaftlichem Interesse, dass Europa seinen eigenständigen Zugang zum All beibehält.
Wenn wir aber schon – hier schaue ich die Kollegin Hajduk an; ich glaube, da gehen wir im Tandem – ganz viel Geld für den Bau der Ariane 6 ausgeben, dann sollten wir unsere eigenen Satelliten, die wir vom Bund in Auftrag geben, auch mit unserer Ariane ins All befördern und nicht, wie geplant, auf subventionierte amerikanische Produkte zurückgreifen.
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Nur mit einer Steigerung der Anzahl der Arianestarts können wir die Fixkosten senken.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt im Haushalt des Wirtschaftsministeriums – wie übrigens in allen anderen Haushalten – ist der Bereich der Digitalisierung. Hierfür stellen wir in vielen Titeln über 113 Millionen Euro bereit. Wir wollen damit gerade kleineren und mittelständischen Unternehmen helfen, im Bereich der Digitalisierung fit für die Zukunft zu werden.
Allerdings, Herr Minister Altmaier – das darf ich Ihnen sagen –, fehlt mir bei den zahlreichen Titeln, die wir hier haben, ein roter Faden. Wir müssen Schwerpunkte setzen, und wir müssen entscheiden, welches Ministerium hier in welchem Bereich den Hut aufhaben soll. Wir dürfen uns nicht verzetteln. Ich glaube, hier ist noch ein wenig Luft nach oben.
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Luft nach oben scheint es mir auch bei der Gründerkultur zu geben. Unser Programm EXIST, das bereits mehrfach angesprochen wurde und die Förderung von Start-ups unterstützt, ist so gut, dass circa 75 Prozent der neu gegründeten Unternehmen heute noch erfolgreich am Markt sind und eine erhebliche Zahl von Arbeitskräften eingestellt haben. In Deutschland muss es wieder mehr Gründergeist geben,
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und wir alle wissen, das kostet Geld. Hier sollten wir gegebenenfalls auch mit Blick auf die Folgejahre schauen, ob wir nicht mehr Mittel bereitstellen können.
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Meine Damen und Herren, kommen wir zu einem Titel, der mir besonders wichtig ist: der Bereich Außenhandel. Hier komme ich ganz speziell auf Afrika zu sprechen. Mit der Initiative „Pro! Afrika“ wollen wir die Zusammenarbeit mit und in Afrika vertiefen. Ich sage hier ganz deutlich, dass erfolgreiche Entwicklungspolitik immer auch gute Wirtschaftspolitik ist. Wir dürfen Afrika nicht nur als Dauerpatienten sehen, sondern müssen der deutschen Wirtschaft zeigen: In Afrika können wir Geld verdienen. – Nur dann wird der Außenhandel mit Afrika über die fast schon beschämenden 2 Prozent des Außenhandelsvolumens hinauswachsen. Ich darf auch sagen: Unsere Auslandshandelskammern, die wir weiter ausbauen, werden unsere mittelständischen Betriebe auch hierbei ganz aktiv unterstützen.
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Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle anregen: Wenn wir in diesen Haushalt und in den folgenden Haushalten mehr Geld für Afrika einstellen, so müssen diese Mittel, die ja die sogenannte ODA-Fähigkeit mitbringen sollen, nicht zwangsläufig nur im Entwicklungshilfe- oder im Außenministerium angesiedelt sein; sie können auch – ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dies erfolgreich wäre – im Wirtschaftsministerium eingesetzt werden. Mit seinen pragmatischen Lösungen, seinen guten und gewachsenen Verbindungen zu Unternehmen und seiner Ausrichtung auf Leistung und Gegenleistung kann das Wirtschaftsministerium dazu beitragen – da bin ich sicher –, dass mehr Menschen auf dem afrikanischen Kontinent langfristig in Beschäftigung gebracht werden. Ich bin überzeugt, das ist der richtige Weg.
Meine Damen und Herren, ich wäre jetzt ganz gerne noch auf Energie, künstliche Intelligenz, Mittelstandsförderung und Tourismus eingegangen.
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Doch dafür – die Lampe leuchtet hier schon – reichen fünf Minuten Redezeit leider nicht aus. Ich bin aber ganz sicher, wir werden darüber in den kommenden Wochen noch zahlreiche Beratungen haben. Ich lade Sie alle herzlich ein, sich aktiv daran zu beteiligen. Ich bin ganz gespannt, wie dieser Haushalt in der zweiten und dritten Lesung aussehen wird. Ich bin sicher, es wird ein guter Haushalt werden.
Herzlichen Dank für eine gute Debatte.
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Vielen Dank, Herr Kollege Mattfeldt. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir knacken dieses Jahr im Einzelplan des Bundesfamilienministeriums zum ersten Mal die 10-Milliarden-Euro-Marke; denn unser Budget wächst im Vergleich zum Vorjahr um 681 Millionen Euro auf rund 10,2 Milliarden Euro an.
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Mit diesem Geld wollen wir Familien in Deutschland spürbar stärker machen: mit gesetzlichen Leistungen, die bei den Familien ankommen, mit Mitteln zur frühkindlichen Bildung, für die Jugendarbeit und für die Stärkung von Frauen, mit Mitteln für Seniorinnen und Senioren, um den demografischen Wandel mitzugestalten, und mit Mitteln, die der Zivilgesellschaft zur Verfügung stehen und bei konkreten Projekten vor Ort ankommen.
Wir nehmen mit dem Haushalt wichtige Weichenstellungen vor, zum Beispiel, indem wir Armutsrisiken von Kindern und Familien bekämpfen. Besonders häufig sind Familien von Armut bedroht, wenn Eltern alleinerziehend sind. Berufstätig zu sein und Kinder zu betreuen, ist gerade für diese Familien eine riesige Herausforderung. Die große Mehrheit der Alleinerziehenden sind Frauen. Sie müssen wir unterstützen. Ich bin überzeugt: Frauen können alles.
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Sie können ihre Kinder erziehen, sie können auf eigenen Beinen stehen und beruflich ihren Weg gehen, und sie können sich auch aus Gewaltsituationen befreien. Aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Dafür müssen wir sorgen.
Mit der Reform des Unterhaltsvorschusses, mit der nicht nur Kinder bis 12 Jahren, sondern bis 18 Jahren unterstützt werden, haben wir schon viel für die Alleinerziehenden getan. Die Inanspruchnahme ist deutlich höher als gedacht, und das ist gut so.
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Das zeigt, wie notwendig diese Leistung ist und dass es richtig war, den Unterhaltsvorschuss zu reformieren. Über 550 Millionen Euro zusätzlich ist uns das konkret im Haushalt wert. Das ist Geld, das bei Müttern und Vätern ankommt und ihnen wirklich weiterhilft.
Es ist gut, dass sich immer mehr Väter mit dem Elterngeld Zeit für die Familie nehmen. 270 Millionen Euro sehen wir im Haushalt zusätzlich dafür vor. Das ist gut investiertes Geld in partnerschaftliche Vereinbarkeit. Und partnerschaftlich heißt: Nicht nur Frauen können alles, Männer auch.
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Es ist ganz klar: Das Armutsrisiko von Kindern ist nachweislich dann am geringsten, wenn beide Eltern arbeiten gehen und sich Erwerbs- und Familienarbeit nach ihren Vorstellungen aufteilen können. Dafür leistet das Elterngeld als eine der bekanntesten Familienleistungen in Deutschland einen wichtigen Beitrag, in diesem Jahr mit 6,67 Milliarden Euro.
Überall in Deutschland ist eines nötig und wird dringend gebraucht: mehr Kitaplätze. Wer Vollbeschäftigung will – wir haben gerade über die Wirtschaftskraft des Landes gesprochen –, der muss für Vereinbarkeit sorgen. Deshalb ist es richtig, in diesen Bereich zu investieren, und es ist auch richtig, wenn sich der Bund weiter und auch stärker engagiert.
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Mit dem Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ fließen in diesem Jahr 400 Millionen Euro in zusätzliche Kitaplätze in Deutschland. Dazu kommen Mittel für die gute Qualität in der Kindertagesbetreuung durch die Programme „KitaPlus“ und „Sprach-Kitas“, insgesamt über 260 Millionen Euro.
Eine Frage habe ich an Sie: Kennen Sie den Film „Fack ju Göthe 3“?
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In diesem prämierten Kinofilm gab es eine Szene, in der 250 Euro für den Anti-Mobbing-Workshop an der Brennpunktschule fehlten. 250 Euro! Wir setzen in diesem Jahr 20 Millionen Euro für Anti-Mobbing-Profis an deutschen Schulen ein.
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Wir sind intensiv in den Vorbereitungen. Ich habe vor ein paar Tagen die Fachkräfte besucht, die sich derzeit im Zuge einer Fortbildung darauf vorbereiten, im neuen Schuljahr ihre Arbeit aufzunehmen. Das ist gut; denn das Thema Mobbing ist in ganz Deutschland ein Thema. Wir müssen uns deshalb auch vonseiten des Bundes darum kümmern, dass Schulen Rückendeckung bekommen und im Kampf gegen Mobbing unterstützt werden.
Den Weg, Kinder und Jugendliche und Familien zu stärken, will ich auch im nächsten Jahr weitergehen. Mit dem Gute-Kita-Gesetz für mehr Qualität und weniger Gebühren wird sich der Bund ab 2019 erstmals dauerhaft und verlässlich an der Verbesserung der Qualität in der Kindertagesbetreuung beteiligen.
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Wenn wir das erreichen wollen, eine gute Qualität in der Kita und in der Kindertagespflege, dann ist eines sonnenklar: Wir brauchen mehr Fachkräfte. Wir brauchen die Aufwertung der sozialen Berufe, bessere Arbeitsbedingungen, bessere Ausbildungsbedingungen und bessere Bezahlung. Deshalb werden wir vom Bundesfamilienministerium im nächsten Jahr eine Fachkräfteoffensive des Bundes im Bereich der Erzieherinnen und Erzieher, aber auch im Bereich der Pflegekräfte starten. Das bereiten wir bereits in diesem Jahr vor.
Wir werden Familien stärken, indem wir die unterstützen, die kleine Einkommen haben, die arbeiten gehen und trotzdem nicht viel haben. Wir werden den Kinderzuschlag erhöhen, ihn für Alleinerziehende weiter öffnen, ihn verbessern und vereinfachen. Daran arbeiten wir, weil wir Familien dabei unterstützen wollen, aufzusteigen. Wir wollen Kinderarmut dadurch entgegenwirken, dass Eltern gute Arbeit haben.
All das wird erst im nächsten Haushalt stehen. Aber wir legen mit dem vorliegenden Einzelplan für 2018 die Basis dafür. Der Haushalt 2018 ist unsere Startrampe. Die Richtung stimmt. Wir investieren in gute, faire und aussichtsreiche Chancen für alle Kinder, damit alle Talente gefördert werden und Träume fliegen lernen, damit es jedes Kind packt, egal ob aus armen oder aus reichen Elternhäusern.
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Deshalb ist es genau richtig, dass wir ab dem Jahr 2019 3 500 Millionen Euro in eine gute Kindertagesbetreuung und in die Fachkräfte investieren, die für ihren wichtigen Beruf mehr Anerkennung verdient haben, und dass wir das klare Signal setzen: In der frühkindlichen Bildung fängt es an, und wir kümmern uns um die, die sich um andere kümmern. Wir kümmern uns um die Kümmerer, egal ob sie ehrenamtlich oder in sozialen Berufen unterwegs sind.
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Wir investieren in starke Familien, in starke Frauen und Mütter, in Männer und Väter, die alles können: Familie und Beruf zusammen. Ich will das noch einmal unterstreichen: All das sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Noch nie hat der Bund so viel investiert wie in diesem und im nächsten Jahr. Das ist richtig so. All denjenigen, die darüber nachdenken, ob das gut angelegtes Geld ist, sage ich einen meiner Lieblingssätze: Nothing you do for children is ever wasted. – Nichts, was du für Kinder tust, ist jemals verschwendet.
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Wenn wir das Geld, das wir haben, nutzen, um Menschen stark zu machen, dann sorgen wir dafür, Sie und wir gemeinsam, dass unser Land für zukünftige Aufgaben gut gerüstet ist. Wir geben nicht nur Geld aus, wir investieren in die Zukunft. So machen wir Deutschland spürbar stärker.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Dr. Giffey. – Nächster Redner in der Debatte: Volker Münz für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey! Sehr geehrte Kollegen! Der Schwerpunkt des hier zu diskutierenden Haushaltsplans liegt in der Förderung der Familie. Das ist ein Thema, das auch uns als AfD-Fraktion außerordentlich am Herzen liegt. Die Familie aus Vater, Mutter und Kindern ist die Keimzelle der Gesellschaft.
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Jeder Euro, der für die Förderung der Familien ausgegeben wird, ist gut investiertes Geld.
Diese Regierung rühmt sich, weil sie 7,8 Milliarden Euro für die Förderung der Familien ausgibt. Dies hört sich nach viel Geld an. Es ist auch viel Geld. Aber um einmal eine Relation deutlich zu machen: Gleichzeitig werden laut Sachverständigenrat 50 Milliarden Euro pro Jahr für die Unterbringung und Betreuung der 1,7 Millionen Asylbewerber ausgegeben, die seit 2014 gekommen sind und zu einem großen Teil zurückgeführt werden müssen.
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Hier sind es 7,8 Milliarden Euro, da 50 Milliarden Euro. Ich will nur einmal die Relation deutlich machen.
Wir sind für eine Willkommenskultur,
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für eine Willkommenskultur für Kinder, meine Damen und Herren.
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Eine solche Willkommenskultur für Kinder lässt sich gewiss nicht allein mit Geld etablieren, wohl aber unterstützen, wenn das Geld an den richtigen Stellen investiert wird. Echte Familienfreundlichkeit bedeutet unter anderem auch: Eltern sollen die freie Wahl haben, ob sie ihr Kind selbst betreuen oder in Fremdbetreuung geben.
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Viele Mütter und Väter können diese Entscheidung aber gar nicht treffen, weil sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation gezwungen sind, ihr Kind nach einem Jahr in Fremdbetreuung zu geben.
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Es ist allemal besser, wenn Kinder von den eigenen Eltern betreut werden.
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Die Bindung der Kleinkinder zu den Eltern ist ungemein wichtig: für das emotionale Wohlergehen, für den Spracherwerb – nicht umsonst heißt es „Muttersprache“ – und für das soziale Verhalten. Wir wollen keine Kinderaufbewahranstalten.
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Bevor wir aber darüber reden, was der Staat für die Familien ausgibt, müssen wir erst einmal darüber reden, was der Staat den Familien an Steuern und Abgaben wegnimmt.
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Wir fordern deshalb eine spürbare Steuerentlastung für Eltern, meine Damen und Herren,
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zum Beispiel durch eine deutliche Anhebung der Kinderfreibeträge über die von Ihnen angekündigte Erhöhung hinaus. Denn die von Ihnen vorgesehene Erhöhung bedeutet nur die schon lange geforderte Steuerfreistellung des Existenzminimums des Kindes.
Ein weiterer Schwerpunkt im Haushalt sind Mittel für den Ausbau der Kindertagesstätten und die Qualifizierung der Betreuer. Hier ist zu berücksichtigen, dass ein großer Teil des Qualifizierungsprogramms auf Maßnahmen zur Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, insbesondere des Neuzugangs seit 2015, entfällt. Eine weiter andauernde ungeregelte Zuwanderung
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wird uns zum Einsatz immer höherer finanzieller und personeller Ressourcen zwingen. Statt mit einer echten Anhebung der Betreuungsqualität wird man zunehmend damit beschäftigt sein, die Integrationskonflikte halbwegs unter Kontrolle zu halten. Die Schulen und jetzt auch die Kindergärten müssen die Folgelasten einer nach wie vor falschen Einwanderungs- und Asylpolitik tragen. Das lehnen wir ab, meine Damen und Herren.
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Es ist eine starke Zunahme von Ausgaben für Maßnahmen zur Stärkung von – wie es so schön heißt – Vielfalt, Toleranz und Demokratie zu verzeichnen: von 47 Millionen Euro im Jahr 2016 über 105 Millionen Euro im Jahr 2017 auf über 115 Millionen Euro im Jahr 2018, also auf mehr als das Doppelte innerhalb von zwei Jahren. Dabei warfen verschiedene Experten der Bundesregierung schon letztes Jahr eine Förderung ohne Sinn und Verstand vor. Da werden Geldtöpfe aufgestellt, aus denen sich jeder bedienen kann. Es ist längst bekannt, dass Geld zum Beispiel auch an gewaltbereite Linksextremisten weitergeleitet wurde, die damit gegen Rechtsextremisten kämpfen sollten – oder gegen solche, die sie dafür hielten.
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Es werden Steuergelder verschwendet und die Falschen gefördert. Hier ist deutlich zu kürzen. Außerdem muss die Demokratieklausel wieder eingeführt werden.
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Außerdem sollten wir uns einmal fragen, was dieser gesamte Bereich eigentlich mit Familie zu tun hat. Sollte die Bekämpfung von Extremisten jeglicher Art nicht eher eine Aufgabe des Innenministeriums sein?
Meine Damen und Herren, zur Förderung der Familien kann man noch viel mehr tun, vor allen Dingen zielgerichteter. Lassen Sie uns darüber in den Ausschüssen konstruktiv beraten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Danke. – Nächste Rednerin: Nadine Schön für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen und Wochen gab es viele Diskussionen, Fernsehbeiträge und Artikel zum Thema Einsamkeit. In Großbritannien gibt es ein eigenes Ministerium dafür, und mein Kollege Marcus Weinberg hat zu Recht gefordert, dass das Thema auch in Deutschland aus der Tabuzone kommt. Von manchen Experten wird die Einsamkeit sogar als Krankheit eingestuft. Sie ist schmerzhaft, ansteckend und tödlich. Sie betrifft alle Altersklassen und alle Teile unserer Gesellschaft.
Wir denken natürlich an die Witwe, die in ihrem viel zu großen Haus auf dem Land wohnt und sich freut, wenn der Mittagstisch in zwei Minuten das Essen abgibt. Wir denken aber genauso an den jungen Mann, der für seinen ersten Job in die Großstadt geht und sich, obwohl er in einer Kanzlei arbeitet und 1 200 Facebook-Freunde hat, isoliert und einsam fühlt.
Unabhängig davon, ob es vielleicht nur ein Hype ist, adressiert die Diskussion doch ein wichtiges Thema, das über das Phänomen Einsamkeit hinausgeht; denn im Kern geht es bei der Diskussion um die Erosion der Bindungskräfte in unserer Gesellschaft. In einer globalen, digitalen Welt, in der Institutionen nicht mehr identitätsstiftend und Bindungen oft nicht nachhaltig sind, verliert der Einzelne schnell an Halt, und die Konsequenz sind Einsamkeit, aber auch Rücksichtslosigkeit, Gewalt, Radikalisierung und Islamismus. Das alles sind Themen, mit denen wir uns als Familien- und Gesellschaftspolitiker tagtäglich beschäftigen.
Wir als Politik sind gefordert, eine Antwort auf diese Entwicklung zu geben. Unsere Antwort muss in meinen Augen sein, dass wir das stärken, was uns als Gesellschaft stark macht und zusammenhält, und das sind vor allem die Familien in unserem Land.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe den Eindruck, dass das in der politischen Debatte in den letzten Jahren ein bisschen aus den Augen verloren wurde. Die ganz normale Familie, die dafür sorgt, dass Kinder gut und gesund aufwachsen, dass Werte vorgelebt werden und dass Zusammenhalt tagtäglich gelebt wird, die vielen Tausend Familien, die jeden Tag an einem Strang ziehen und Verantwortung übernehmen, kommen in den politischen Debatten oft gar nicht mehr oder nur viel zu selten vor, und ich bin der Meinung, das müssen wir ändern.
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Ich bin der Meinung, dass wir diese Familien viel mehr in den Mittelpunkt auch der politischen Debatte stellen müssen; denn sie sind eine Antwort auf diese gesellschaftliche Entwicklung, auf den Verlust der Bindungen. Deshalb müssen wir gerade diese Keimzelle des gesellschaftlichen Zusammenhaltes stärken.
Deswegen haben wir als Union dafür gekämpft, dass wir in dieser Legislaturperiode alle Familien entlasten. Wir haben dafür gekämpft, dass das Kindergeld bzw. der Kinderfreibetrag für alle Familien erhöht wird. Wir haben dafür gekämpft, dass der Kinderzuschlag erhöht wird; denn der Kinderzuschlag kommt denjenigen Familien zugute, die arbeiten und am Ende des Monats trotzdem so wenig Geld haben, dass sie ihre Lebenshaltungskosten nicht decken können und wegen der Kinder in die Sozialhilfe zu fallen drohen. Der Kinderzuschlag soll gerade dazu motivieren, dass sie arbeiten gehen und Kinder erziehen. Mit dem steigenden Kinderzuschlag wollen wir gerade diese Familien stützen und ihnen helfen.
Deshalb werden wir auch das Baukindergeld einführen; denn Kinder und Familien brauchen ein Zuhause. Auch der Rechtsanspruch auf eine Nachmittagsbetreuung ist wichtig; denn Familien brauchen Verlässlichkeit.
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Wir werden unsere Zeitpolitik fortsetzen. Wir arbeiten daran, dass die Familien Zeit haben und sich ihr Familienleben so gestalten können, wie es für sie am besten ist – und nicht nach staatlichen Vorgaben.
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Liebe Kollegen der AfD, Sie sagen zwar, Sie stellen die Familie in den Mittelpunkt Ihrer Politik, aber ich habe keinen einzigen Satz dazu gehört, wie Sie sich eine Familienpolitik vorstellen. Herr Münz, zum Thema Familienpolitik habe ich in Ihrer Rede leider nichts gehört.
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Die zweite Antwort, die wir als Politik auf diese gesellschaftliche Entwicklung geben, ist, dass wir als Staat ein Netz für die schaffen müssen, die verloren zu gehen drohen, bei denen die familiären und gesellschaftlichen Strukturen versagen, Bindungen reißen und der Zusammenhalt erodiert. Deshalb setzen wir in den verbleibenden drei Jahren ebenfalls einen Schwerpunkt auf die Themen Kinderschutz und Schutz vor Gewalt.
Wir unterstützen etwa auch diejenigen, die von ihrem Partner im Stich gelassen werden, Stichwort „Unterhaltsvorschuss“. Diejenigen Alleinerziehenden – meist Frauen –, bei denen der Partner das, wofür er verantwortlich ist – den Unterhalt für das gemeinsame Kind –, nicht zahlt, unterstützen wir staatlicherseits mit einem Vorschuss, und wir helfen dann auch dabei, das Geld bei dem Partner einzutreiben. Denn – auch das will ich an der Stelle sagen – das ist kein Ersatz für die Unterhaltsleistung des Mannes, sondern es ist nur ein Vorschuss. Wir müssen die Verantwortlichkeiten benennen und die säumigen Zahler bei der Verantwortung packen und die Gelder bei denjenigen wieder eintreiben.
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Wir legen – und das ist der dritte Punkt – ebenfalls als Antwort auf die gesellschaftliche Entwicklung einen starken Schwerpunkt auf das Thema Ehrenamt. Verbände, Vereine und das nachbarschaftliche Engagement sind der Kern unseres Zusammenlebens. Auch das lässt nach. Vereine klagen über Mitgliederschwund. Viele sagen: Für Projekte lassen sich noch Leute begeistern, aber für die kontinuierliche Arbeit in einem Verein lassen sich zu wenige begeistern. Deshalb müssen wir gerade Vereine, Verbände und Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, besser unterstützen und ihnen helfen, auch in der tagtäglichen Arbeit und auch mit digitalen Möglichkeiten.
All das haben wir uns für diese Legislaturperiode vorgenommen. Unsere Antwort auf die Fragen der Einsamkeit, des Extremismus und der Gewalt ist, dass wir den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken wollen. Wir wollen die Familien und das ehrenamtliche Engagement stärken. Diesem Anspruch wird der Haushalt gerecht. Deshalb freue ich mich auf die gemeinsamen Beratungen in den nächsten Wochen.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes für die Fraktion der Freien Demokraten der Kollege Christoph Meyer.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Minuten auch von Ihnen, Frau Giffey, viele gute Ansätze und viel zu den wichtigen Themen für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gehört. Wir sind aber in den Haushaltsberatungen, und deswegen sollten wir, glaube ich, dazu zurückkommen, über die Effizienz der Mittelverwendung zu reden. Dazu haben Sie leider in Ihrer ganzen Rede keinen einzigen Satz verloren.
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Ich mache Ihnen persönlich keinen Vorwurf, Frau Giffey. Sie sind seit zwei Monaten im Amt und hatten nicht wirklich Gelegenheit, diesen Etat mitzugestalten. Dementsprechend ist dieser Etatentwurf natürlich auch ein Abbild der Versäumnisse Ihrer Vorgängerinnen.
Deswegen ist die Erwartungshaltung – das möchte ich zu Beginn der Beratung dieses Einzelplans für das Jahr 2018 sagen –, dass das 2019 bei der Einführung des Etats anders wird.
Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass 80 Prozent der Ausgaben auf Leistungsgesetzen beruhen. Wir müssen aber feststellen, dass wir eine Art Dickicht, fast einen Urwald, an Förderprogrammen, Förderungen und Subventionen bei den ehe- und familienbezogenen Leistungen haben, die an sich vielleicht alle gut gedacht, aber in der Umsetzung einfach mangelhaft sind.
({1})
Es hat eine umfassende Gesamtevaluation der ehe- und familienpolitischen Maßnahmen und Leistungen des Prognos-Instituts für die Jahre 2009 bis 2014 gegeben. Leider ist diese Evaluation nicht wirklich in die Aufgaben- und Förderkritik eingeflossen. Vielleicht können Sie das in der laufenden Legislaturperiode noch einmal auflegen.
Der beste Beweis dafür, dass gerade in diesem Einzelplan doch sehr lax – wie gesagt, bei allen guten Absichten – mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umgegangen wird, ist die Rechnungshofkritik an diesem Einzelplan und der Mittelverwendung. Die Kritik zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Einzelplan. Es gibt eigentlich kein Kapitel in diesem Einzelplan, zu dem der Rechnungshof nicht berechtigte Kritik äußert. Ein Beispiel ist das Elterngeld, das zwar in der Tat ein Erfolg ist, aber der Rechnungshof kritisiert zu Recht, dass Sie als Haus Ihre Aufsichtspflicht bei der Ausreichung des Elterngelds vernachlässigt haben und kontinuierlich weiter vernachlässigen, dass Sie keine Rückforderungen von zu viel gezahlten Mitteln geltend machen und dass Sie bei den Rückforderungen keine Mindeststandards haben. Das alles sind Beispiele, die zeigen, dass Sie mit Steuergeld nicht umgehen können.
Beim Unterhaltsvorschuss verhält es sich ähnlich. Der Verwaltungsaufwand, der dort produziert wird, ist offensichtlich deutlich zu hoch. Auch hier könnten Sie etwas verändern.
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– Dennoch bleibt es richtig.
Schauen wir uns die einzelnen Bereiche an. Zum Familienpflegezeitgesetz und zum Pflegezeitgesetz haben Sie nichts gesagt. Über 6,4 Millionen Euro wurden zu Beginn ins Schaufenster gestellt. Der Mittelabfluss liegt bei 11,7 Prozent. Sie senken den Titel nun auf 2,5 Millionen Euro ab. Aber der Abfluss liegt trotzdem unter 1 Million Euro. Statt solche Luftschlösser weiter zu finanzieren, wäre es vielleicht sinnvoller, dass Sie zu einer Aufgabenkritik kommen und eventuell den ganzen Ansatz zur Disposition stellen.
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Wenn man sich die einzelnen Titel genauer anschaut – Kinder- und Jugendpolitik, Stärkung der Zivilgesellschaft, sonstige Bewilligungen –, dann stellt man fest, dass Sie durchgängig Mittel zu viel verausgaben oder Mittel, die eventuell zu viel verausgabt wurden, nicht zurückfordern. So haben Sie 40 000 Euro Zinsen nicht zurückgefordert. Ein weiteres Beispiel ist ein Honorarvertrag in Höhe von 130 000 Euro für ein ehrenamtlich tätiges Vorstandsmitglied bei einem der Wohlfahrtsverbände. Das alles sind zwar kleinteilige Summen. Aber diese machen insgesamt eine Menge aus. Dementsprechend möchte ich von Ihnen in den Haushaltsberatungen das eine oder andere klärende Wort hören wollen, ob Sie in der Lage und willens sind, nicht nur gute Projekte anzuschieben, sondern auch die angeschobenen Projekte entsprechend zu evaluieren und zu kritisieren.
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Wir fordern von Ihnen hier deutlich transparentere Entscheidungsstrukturen.
Zum letzten Punkt, Stichwort „befristete Beschäftigung“. Auch dazu haben Sie nichts gesagt. Ihr Haus ist führend bei der befristeten Beschäftigung. Angesichts der Tatsache, dass die SPD in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen hat, dass die böse Wirtschaft eine viel zu hohe Quote an sachgrundlosen Befristungen aufweist, ist es schon ein Armutszeugnis, dass gerade Ihr Haus das Gleiche macht und Sie offensichtlich nicht in der Lage sind, hier zu einem Abbau zu kommen. Damit sollten Sie sich als neue Ministerin in den nächsten Wochen und Monaten befassen.
Ich danke Ihnen.
({5})
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Michael Leutert für die Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, wir sprechen hier über einen Etat mit einem Volumen von 10,2 Milliarden Euro. Darin sind Leistungen enthalten wie der Unterhaltsvorschuss, der Kinderzuschlag und die Förderung von Kitas. Insbesondere beim Unterhaltsvorschuss und beim Kinderzuschlag handelt es sich um soziale Leistungen, die wir alle für sinnvoll und richtig halten und die genau für diejenigen vorgesehen sind, die sie benötigen, die nicht so viel haben. Ich halte es für falsch, pauschal zu sagen, diese oder jene Leistung brauchen wir nicht. Wir brauchen eine Entlastung der Familien. Wenn es sich noch nicht herumgesprochen hat: Es gibt sowohl arme Familien als auch reiche Familien. Reiche Familien möchte ich nicht unbedingt entlasten. Vielmehr müssen sie belastet werden. Deshalb halte ich es für falsch – darüber haben wir schon einmal diskutiert –, dass der Solidaritätszuschlag teilweise abgeschafft werden soll. Der dadurch verursachte Einnahmeausfall beläuft sich exakt auf 10 Milliarden Euro. Das entspricht ungefähr dem, was Ihrem Ministerium zur Verfügung steht. Gerade der Solidaritätszuschlag wird von denjenigen gezahlt, die viel haben. Aber diejenigen, die die in Rede stehenden Leistungen benötigen, zahlen gar keinen Solidaritätszuschlag. Das ist eine Fehlentwicklung.
({0})
Kinder tauchen zwar im Titel Ihres Ministeriums nicht auf. Aber sie spielen eine zentrale Rolle. Es wurde beschlossen – obwohl Sie das nicht federführend zu verantworten haben, haben Sie sicherlich ein Mitspracherecht –, in der diesjährigen Legislaturperiode das Kindergeld um 25 Euro anzuheben. Das begrüßen wir erst einmal. Allerdings möchte ich noch einmal darauf hinweisen – das habe ich schon in der letzten Legislaturperiode getan –: Warum wird zwischen dem zweiten und dem dritten bzw. zwischen dem dritten und dem vierten Kind differenziert? Wir sind der Meinung: Alle Kinder sind gleich viel wert. Wenn ab dem vierten Kind Kindergeld in Höhe von dann 250 Euro gezahlt wird, dann sollte das auch für das erste, zweite und dritte Kind gelten. Bitte beachten Sie das bei der Kindergelderhöhung. Vielleicht kann man das noch korrigieren.
({1})
Im Übrigen, was die Kinderfreibeträge betrifft, ist das Ganze ein bisschen absurd. Sozialleistungen sollen eigentlich für diejenigen da sein, die sie wirklich benötigen. Warum werden die Familien oder Personen mit hohem Einkommen über Freibeträge noch besser gestellt als diejenigen, die weniger Einkommen haben und auf das Kindergeld angewiesen sind? Auch das ist eine Schieflage, die noch beseitigt werden muss.
({2})
Sie haben in Ihrem Etat einen ganz wichtigen Titel, eine Perle. Ich bin der Meinung, dass wir in letzter Zeit viel zu wenig für diesen Bereich getan haben, obwohl die Mittel dafür von 30 Millionen auf über 100 Millionen Euro angestiegen sind – was wir gut finden. Ich meine das Programm „Demokratie leben!“, das sich gegen Menschenfeindlichkeit und Rassismus einsetzt.
({3})
Wie wichtig es ist, dass wir diese Gelder zur Verfügung stellen, das sehen wir nicht nur neuerdings hier im Bundestag,
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sondern eben auch täglich, wenn wir in die Zeitung schauen. Ich meine zum Beispiel den „Echo“-Preis, der dieses Jahr an zwei Antisemiten verliehen worden ist. Deshalb gibt es diesen Preis jetzt nicht mehr. Aber ich möchte auch an den arabischen Israeli erinnern, der am helllichten Tag im Prenzlauer Berg angegriffen und verprügelt wurde. Das zeigt uns, dass wir diese Gelder benötigen, um gegenzusteuern.
Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Amadeu-Antonio-Stiftung eine ausführliche Berichterstattung darüber vornimmt. Ich möchte dieser Stiftung an dieser Stelle für ihr Engagement gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ganz herzlich danken.
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– Ja, ich sage Ihnen was: Ich habe immer noch die Hoffnung, dass Bildung und Aufklärung dazu führen, dass man Hass in einer Gesellschaft vermindern kann.
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Dass das nicht immer hilft, sehen wir ja bei Ihnen; das ist klar.
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Aber dafür gibt es die Zivilgesellschaft, die sich entgegenstellen kann, und wenn das nicht hilft, gibt es noch den Staatsanwalt.
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Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir mit konkreten und guten Programmen hier in der Gesellschaft wieder ein besseres Klima erreichen, dass wir tatsächlich eine Willkommenskultur haben und dass die jungen Menschen, die auch noch über andere Titel gefördert werden, zum Beispiel über die Mittel für den Kinder- und Jugendplan, die Chance haben, zu erlernen, wie Demokratie funktioniert, was Rechtsstaatlichkeit ist und dass das alles auf dem Grundsatz der Toleranz beruht.
Vielen Dank.
({9})
Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Katja Dörner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich erinnere mich noch sehr gut an den Jubel der SPD, weil sie im neuen „GroKöchen“ das Finanzministerium ergattert hat – das zentrale Ministerium mit Gestaltungsspielraum, hieß es. Und jetzt? Gestaltung – Fehlanzeige! Das merkt man leider auch ganz klar im Etat der Ministerin.
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Es reicht eben nicht, das Kapitel zur Kinder- und Familienpolitik im Koalitionsvertrag nach vorne zu ziehen, wenn man eben nicht bereit ist, endlich Butter bei die Fische zu geben – bei der Bekämpfung der Kinderarmut, beim Kitaausbau. Es geht auch darum, Familien mehr Zeit für ihre Kinder zu ermöglichen. Das passiert mit diesem Haushalt alles nicht. Deshalb beraten wir einen Haushalt ohne Zukunft, und er darf auf keinen Fall so bleiben.
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Frau Giffey macht auf mich einen zupackenden Eindruck; das finde ich gut. Deshalb: Packen Sie sich Olaf Schäuble! Erklären Sie ihm, dass er Scholz heißt,
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dass er von der SPD kommt, dass er gefälligst ordentlich in die Kitas zu investieren hat! Das erwarten wir von Ihnen, Frau Ministerin.
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Stichwort „Kita“: Ich finde, ein Qualitätsentwicklungsgesetz gut, weil die Standards bundesweit sehr unterschiedlich sind und weil wir auf Bundesebene Wege beschreiben müssen, wie wir zu guten einheitlichen Standards kommen. Aber die eierlegende Wollmilchsau, die die Ministerin jetzt verspricht, ist mit 3,5 Milliarden Euro, auf die gesamte Legislatur bezogen, doch überhaupt nicht zu haben.
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Was alles passieren soll: bessere Personalstandards, Leitungszeit, Sprachförderung und auch noch Gebührenfreiheit. Da sind doch 3,5 Milliarden Euro ein schlechter Witz. Das Gesetz soll jetzt „Gute-Kita-Gesetz“ heißen. Es heißt so, laut Frau Giffey, damit die Leute verstehen, was gemeint ist. Ich sage Ihnen: Die Leute verstehen ganz schnell und ganz gut, wenn in einem Gesetz nicht drin ist, was draufsteht, und dann ist der Schaden sehr groß.
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Deshalb sage ich noch mal, Frau Giffey: Packen Sie sich Herrn Scholz!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr Zeit für Familie ist offensichtlich kein Thema für diese Koalition. In den letzten Jahren hat es hier einen Wettbewerb gegeben. Wir Grüne haben unsere KinderZeit Plus vorgeschlagen. Die SPD hat eine Familienarbeitszeit vorgeschlagen. Durchgesetzt hat sich leider die Union mit: kein Konzept; alles bleibt, wie es ist.
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Das, liebe Kolleginnen und Kollegen vom „GroKöchen“, wird Ihnen auf die Füße fallen; denn mehr Zeit für Familie ist ein ganz zentrales Thema für viele Eltern, und deshalb werden wir weiter für unsere KinderZeit Plus werben.
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Ich hoffe, viele von Ihnen haben am Montag die ARD-Dokumentation „Wenn Eltern ihre Kinder misshandeln“ gesehen. Ich finde, die Studie der Universität Koblenz, wonach in den Allgemeinen Sozialen Diensten 16 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Kinderschutz fehlen, muss uns alle aufrütteln.
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Ich weiß, wir sind da nicht unmittelbar zuständig. Aber auch der Bund muss im Kinderschutz seine Hausaufgaben machen. Das heißt: Kinderrechte ins Grundgesetz, und zwar mit einer Formulierung, die im Sinne der Kinder einen echten Unterschied macht.
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Wir brauchen endlich eine Fortbildungsverpflichtung für Familienrichter und Familienrichterinnen, und wir brauchen eine Reform mit Blick auf die Belange der Pflegekinder, die die Kinder endlich in den Blick nimmt und ihnen ein gutes Aufwachsen in Stabilität und Kontinuität ermöglicht.
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Diese Bundesregierung ist im Bereich Kinderschutz massiv gefragt, und ich hoffe sehr, dass da mehr kommt als das, was der Koalitionsvertrag vermuten lässt.
Frau Ministerin, Sie haben eben erneut von „Fack Ju Göhte 3“ geschwärmt; das haben Sie im Ausschuss auch schon getan. Ich will Ihnen ebenfalls einen Film ans Herz legen. Schauen Sie sich „Suffragette“ an! Dieses Jahr haben wir 100 Jahre Frauenwahlrecht, aber der Anteil der Frauen im Deutschen Bundestag ist beschämend gering, und das liegt nicht an uns Grünen.
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Frauen finden keine Plätze in Frauenhäusern.
Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.
Das Rückkehrrecht in Vollzeit klebt schon wieder im Kabinett fest, und die SPD – das muss ich leider sagen – ist beim § 219a StGB aufs Peinlichste vor der Union eingeknickt.
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Frau Kollegin, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. – Wir Grüne werden in den nächsten Jahren ganz genau aufpassen, dass diese Legislaturperiode nicht zu verlorenen Jahren für die Frauen in diesem Land wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Dörner.
Frau Kollegin von Storch, ich bin darüber unterrichtet worden, dass Sie anlässlich der Rede des Kollegen Leutert eine Handbewegung vor Ihrem Gesicht ausgeführt haben. Ich gehe zu Ihren Gunsten davon aus, dass Sie eine Fliege haben verscheuchen wollen.
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Als Nächstes für die SPD-Fraktion die Kollegin Svenja Stadler.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Ich bin nicht nur Haushälterin der SPD-Bundestagsfraktion, sondern ich bin auch, wie man erkennen kann, eine Frau, und ich bin Mutter. Wenn ich mir als Haushälterin, als Frau und als Mutter den Haushaltsplan des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend anschaue, dann kann ich nur sagen: Ein großartiger Etat!
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Denn in 2018 investieren wir 10,2 Milliarden Euro. Das sind 680 Millionen Euro mehr als 2017, noch unter Wolfgang Schäuble als Bundesfinanzminister. Das sind 10,2 Milliarden Euro für wichtige Gestaltungsaufgaben. Wir reden hier nicht über den Etat irgendeines Ministeriums; nein, wir reden über den Etat des Gesellschaftsministeriums. Von der Gleichstellung über Chancen für unsere Kinder, Partnerschaftlichkeit in der Familie bis hin zur Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements und eines aktiven, selbstbestimmten Alterns – all diese Themen verbergen sich im Einzelplan 17. Es sind Themen, die von unschätzbarem Wert und von hoher Bedeutung für unser Land und unsere Gesellschaft sind.
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Über 80 Prozent des Haushalts geben wir für wichtige gesetzliche Leistungen wie Elterngeld, Kinderzuschlag oder Unterhaltsvorschuss aus. Nehmen wir das Elterngeld: 6,67 Milliarden Euro stellen wir bereit. Damit geben wir Eltern die Möglichkeit, frei zu entscheiden, wie sie ihr Leben organisieren; denn wir wollen, dass Arbeit und Familie zusammenpassen. Mit dem Elterngeld und dem Elterngeld Plus gelingt uns das. Als ehemalige Arbeitnehmerin und als Mutter kann ich bestätigen: Es ist ein guter Beitrag und hilft tatsächlich.
Auf der einen Seite wollen wir also die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie. Auf der anderen Seite wollen wir eine gute Bildung für unsere Kinder. Das schaffen wir mit dem Gute-Kita-Gesetz, zu dem unsere Ministerin ja bereits ausgeführt hat. 3,5 Milliarden Euro nehmen wir also in den kommenden Jahren in die Hand, 3,5 Milliarden Euro für mehr Qualität und weniger Gebühren, 3,5 Milliarden Euro – das müssen Sie sich doch einmal auf der Zunge zergehen lassen –, einen Haushaltsansatz, den wir als SPD-Haushälter gerne unterstützen. Ich glaube, die Union tut das auch.
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Wie Sie wissen, gilt seit dem Sommer 2017 der ausgeweitete Unterhaltsvorschuss. Das heißt, wenn Unterhaltszahlungen für Kinder ausbleiben – in der Regel trifft es übrigens die Frauen –, dann springt der Staat jetzt länger ein. Die Rückmeldungen aus den Kommunen zeigen: Die Zahl der Anträge steigt. Deshalb enthält der Haushalt 2018 auch notwendigerweise mehr Mittel: Für den Unterhaltsvorschuss sind nun 866 Millionen Euro veranschlagt.
Dann gibt es noch den Programmbereich. Im Programmbereich sieht der Haushaltsentwurf des BMFSFJ – ich kürze jetzt einmal ab – viel Altbewährtes vor, das wir auf jeden Fall auch weiterführen wollen. Wir stocken auch an der einen oder anderen Stelle die Gelder auf, und natürlich verstetigen wir auch hier und da die Mittel. Das trifft zum Beispiel auf die Mehrgenerationenhäuser zu: 17,5 Millionen Euro für ein Erfolgsprojekt,
({3})
17,5 Millionen Euro nicht nur 2018, nein, für die kommenden Jahre. Das gibt Planungssicherheit und stärkt das bürgerschaftliche Engagement vor Ort.
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Wir haben im Koalitionsvertrag unter anderem auch vereinbart, die erfolgreichen Programme zur Demokratieförderung und Extremismusprävention auszubauen – und das machen wir natürlich auch. „Demokratie leben!“ ist das einzige Bundesprogramm, das Präventionsarbeit gegen alle Formen des Extremismus leistet. Wenn wir also nachhaltige Präventionsarbeit wirklich erfolgreich leisten wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann nehmen wir diese 115,5 Millionen Euro nicht nur 2018 in die Hand, sondern auch in den nächsten Jahren.
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Jetzt spreche ich als Frau. Ich begrüße, dass die Ministerin und ihr Haus sich schwerpunktmäßig mit dem Thema „Gewalt gegen Frauen“ befassen wollen. Natürlich müssen die entsprechenden Vorhaben auch mit Geldern unterlegt werden. Der runde Tisch dazu – falls das einer noch nicht weiß – startet übrigens in diesem Jahr. Wir warten einmal die Ergebnisse ab und sehen dann weiter.
Was soll ich also sagen? Der vorliegende Entwurf des Bundesfinanzministers für den Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend steht für Investitionen in gesellschaftlichen Zusammenhalt, er stellt gleichsam ein Sicherheitspaket mit Potenzial dar, einen Entwurf, der Lust auf Gestalten macht. Packen wir es an! Ich freue mich jetzt auf die kommenden Beratungen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Stadler. – Als Nächster für die AfD-Fraktion der Kollege Martin Reichardt.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorgestellte Haushalt enthält zweifellos einzelne Punkte, die auch wir als AfD-Fraktion in unserem Bestreben um die Förderung von Kindern und Familien unterstützen. Ich nenne hier das Elterngeld und auch die Gelder zur Verbesserung der Kitaversorgung. Diese Übereinstimmung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Familienhaushalt unzureichend ist. Dies gilt für seine Ziele, dies gilt auch für seine Budgethöhe.
Frau Weidel ist in ihrer gestrigen Rede auf die Folgen der demografischen Katastrophe eingegangen. Der aktuelle Haushalt leugnet diese Katastrophe und erkennt vielmehr die „Chancen des demografischen Wandels“ – eine Wendung, die zwar immer wieder gebetsmühlenartig zitiert wird, aber trotzdem unsinnig bleibt.
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Finanzminister Scholz hat in seiner blutleeren, dafür plattitüdenreichen Rede einen Satz formuliert, der ebenfalls das Zeug zum Klassiker hat, indem er nämlich vor einer abstrakten Diskussion über eine demografische Zeitbombe warnte. Damit wollte Herr Scholz gleich zu Beginn der Haushaltsdebatte die wahren Probleme in Deutschland und die wahren Probleme der Familienpolitik unter den Teppich kehren, um gleich danach einen Fachkräftemangel zu beklagen, der durch die berufliche Förderung von Flüchtlingen auszugleichen sei. Aber, meine Damen und Herren, der Mangel an einheimischen Arbeitskräften, zum Beispiel in der Pflege und im Handwerk, ist zu einem erheblichen Teil dem dramatischen Geburtenrückgang seit 1970 geschuldet und nichts anderem.
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Herr Finanzminister, ich fürchte, dass der Fachkräftemangel bereits die Sozialdemokratie erreicht hat und dass Sie mangels Alternativen einen Redenschreiber beschäftigen müssen, der Ihnen derartigen Unsinn in die Reden schreibt, meine Damen und Herren.
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Die Bundesregierung will die Notwendigkeit einer gezielten Förderung einheimischer Geburten und einheimischer Kinder kleinreden, um den Deutschen die Masseneinwanderung schmackhaft zu machen. Der Bund gibt dieses Jahr offiziell 21,39 Milliarden Euro für sogenannte Flüchtlinge aus, bis 2021 jährlich mindestens 15 Milliarden Euro.
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Dem steht ein Familienhaushalt gegenüber, der, wie wir hier gehört haben, enorm wichtig und großartig ist und dessen Gesamtvolumen 10 Milliarden Euro beträgt. Dies zeigt eindrucksvoll, meine Damen und Herren, dass für die Bundesregierung die Masseneinwanderung vor der Förderung deutscher Familien steht. Das ist mit uns nicht zu machen.
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Bei angemessener Verteilung wäre es möglich gewesen, ein starkes Zeichen der Wertschätzung für unsere Kinder und Familien zu setzen. Diese historische Chance hat die Bundesregierung vertan und versucht nun, die magere Steigerung um 7 Prozent als eine soziale Wohltat zu verkaufen. Das mag hier im Parlament vielleicht bei dem einen oder anderen gelingen, beim Volk draußen wird es fehlschlagen.
Ich bitte Sie, Frau Ministerin Giffey: Erinnern Sie sich des Mutes zur Wahrheit Ihres einstigen Mentors Heinz Buschkowsky. Wollen Sie die SPD erneuern? Dann schauen Sie nach Dänemark. Treten Sie den Einwanderungsideologen in Ihrer eigenen Partei entgegen. Kämpfen Sie für die Kinder! Kämpfen Sie für die Familien! Es ist viel mehr möglich als das, was in diesem Haushalt bereitgestellt worden ist. Wir sind bereit, mit Ihnen den Kampf für Kinder und Familien in Deutschland aufzunehmen.
Vielen Dank.
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Als Nächstes erteile ich das Wort für die CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen Marcus Weinberg.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So eine Haushaltsdebatte ist immer schön, weil man eine allgemeine Debatte hat und man klar erkennt, wer in der Familienpolitik eigentlich wo steht. Die einen machen Familienpolitik nach Herkunft, die anderen nach Effizienz, die Dritten wollen nur umverteilen. Ich glaube – das spiegelt dieser Haushalt wider –, wir machen Familienpolitik für die Familien; das ist uns wichtig.
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Ich greife gerne den Faden von Nadine Schön bezüglich der Einsamkeit auf. Familien zu fördern, ist uns wichtig, weil Familien Verlässlichkeit und Verantwortungsübernahme fördern und – das ist in diesen Tagen und Monaten wichtig – den Zusammenhalt stärken.
Richtig ist, dass der Etat mit seinen 10,2 Milliarden Euro jetzt die 10-Milliarden-Euro-Grenze überschritten hat. Nun ist Geld nicht alles; tatsächlich muss geprüft werden, wo die Gelder ankommen. Im Namen der Union will ich noch einmal deutlich betonen: Es gibt viele einzelne wichtige Punkte. Übrigens, Frau Dörner, stehen alle wichtigen Punkte im Koalitionsvertrag wie beispielsweise Bekämpfung der Kinderarmut und Kinderschutz.
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Im Kern geht es uns schlicht und einfach um die Förderung der einfachen, normalen Familie; denn auch die gibt es in Deutschland noch, auch die hat unsere Wertschätzung verdient.
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Es sei außerdem betont: Wer steht für eine gute Familienpolitik? 2005 hatte der Etat gerade mal ein Volumen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro; jetzt sind es über 10 Milliarden Euro. Seit 2005 hat sich also die Wertschätzung für Familien verändert. Ich glaube, das ist auch der Regierungsübernahme von Angela Merkel zu verdanken.
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Für die Union gilt der Grundsatz: Familienpolitik muss früh wirken. Sie muss zielgenau sein und bedarfsorientiert wirken. Daran werden wir uns messen. Die Freiheit der Familien steht im Vordergrund. Familien wollen nicht bevormundet werden, sondern sie brauchen unterstützende Hilfe. Das hat schon Richard von Weizsäcker formuliert.
Es war klug, dass wir seit 2005 vom Dreieck der Familienpolitik sprechen, das Infrastruktur, Zeit und finanzielle Unterstützung umfasst. Im Namen meiner Fraktion will ich sagen: Das Thema Anerkennung sollte dieses Dreieck unterstützen.
Blickt man zurück auf die letzten Jahre, stellt man fest, dass wir mit Blick auf das Dreieck in weiten Teilen die Familien in Gänze und insbesondere einzelne Gruppen gestärkt haben. Wir haben das Kindergeld um 120 Euro jährlich erhöht und die Freibeträge erhöht; davon profitieren alle Familien. Wir haben endlich den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende um 600 Euro erhöht, ebenso haben wir den Kinderzuschlag und das Unterhaltsvorschussgesetz geändert. Sie sehen also: Familienpolitik muss einzelne Gruppen in den Blick nehmen, aber auch die Familien in Gänze. Daran werden wir weiter arbeiten.
Zeit ist die Ressource der Zukunft. Mit dem Elterngeld, der Familienpflegezeit und natürlich den großen Investitionen in die Infrastruktur schaffen wir in den nächsten vier Jahren mehr Zeit für Familien; das können Sie im Koalitionsvertrag nachlesen.
Ich finde schon, Frau Dörner – wir diskutieren ja kontrovers; und man kann immer sagen: statt 3,5 Milliarden Euro für Qualität könnte man auch 35 Milliarden Euro zur Verfügung stellen –, gerade weil wir eine Verantwortung für Familien haben, müssen wir das Thema Schulden bzw. keine Neuverschuldung im Sinne der Familien so lösen, dass nicht unsere Kinder die Schulden tragen. Deswegen sollte man mit Forderungen sehr sorgsam umgehen.
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3,5 Milliarden Euro sind für die Bereiche Qualität und Beiträge vorgesehen. Die Union setzt ihren Schwerpunkt mehr auf Qualität, andere mehr auf die Beiträge; so hat jeder seine einzelnen Schwerpunkte abgedeckt. Das Thema Baukindergeld wurde schon angesprochen. Damit wollen wir Familien in ihrer Souveränität stärken. Die 2 Milliarden Euro für das Programm „Ganztagsschule/Ganztagsbetreuung“ stehen übrigens nicht im Familienbereich bei den 12 Milliarden Euro, sondern im Bildungsbereich. Das ist, glaube ich, gut angelegtes Geld.
Ein weiterer Schwerpunkt – da stimme ich Ihnen zu – ist das Thema Kinderarmut. Für uns als Union und in der Koalition ist es nicht hinnehmbar, dass jedes fünfte Kind von Armut bedroht ist oder in Armut lebt. Deswegen gibt es einen Maßnahmenmix, der mit mehr als 1 Milliarde Euro unterlegt ist. Wir schauen sehr genau hin, wie wir den Kindern damit helfen können. Hierzu gehört einerseits der Kinderzuschlag, andererseits natürlich auch die Frage der Beteiligung am gesellschaftlichen Leben.
Frau Dörner, Sie haben zu Recht das Thema Kinderschutz angesprochen. Wenn Sie in den Koalitionsvertrag schauen, dann stellen Sie fest, dass Ihre Forderungen erfüllt werden: Weiterbildung und -qualifizierung der Familienrichter, Verfahrensbeistände. Wie sieht es bei den Gutachten aus? Wie sieht es in der Kinder- und Jugendhilfe aus, auch im Hinblick auf die Fehlentwicklungen, über die wir gemeinsam mit den Ländern diskutieren werden? Was läuft bei dem Thema ASD und Jugendämter falsch? Auch wenn wir in diesem Bereich keine originäre Aufgabe haben, sollten wir gemeinsam mit den Ländern zumindest darüber nachdenken, wie wir diese Fehlentwicklungen korrigieren können. Der gesamte Bereich sexualisierte Gewalt bildet einen Schwerpunkt im Koalitionsvertrag; das wissen Sie ganz genau. Wir als Union sagen ganz deutlich: Wir wollen die Erfahrungsberichte aus der Kinder- und Jugendhilfe einfließen lassen und den Eltern eine Anlaufstelle bieten; denn, ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, dass wir das Thema SGB-VIII-Reform noch einmal aufrufen.
Ein letzter Punkt: Demokratie fördern. Ja, es ist zutiefst beunruhigend, nein, es ist nicht hinnehmbar, dass eine jüdische Zweitklässlerin von ihren Mitschülern angepöbelt wird. Es ist auch nicht hinnehmbar, dass mitten in Berlin jemand, der eine Kippa trägt, bedroht wird. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Zahlen von links- und rechtsextremistischen Straftaten steigen; und es ist auch nicht hinnehmbar, dass es Salafisten immer noch gelingt, junge Menschen anzuwerben. Deswegen ist dieses Demokratieprogramm wichtig. Wir brauchen zum einen Prävention und zum anderen Repression.
Wir haben damals vereinbart, 100 Millionen Euro für das Thema Extremismusprävention zur Verfügung zu stellen; 55 Millionen Euro aus dem Familienministerium. Ich möchte zwei Dinge ganz deutlich ansprechen. Wir wollen natürlich keine Überkontrolle, aber wir als Union wollen schon sehen – das ist mein erster Punkt –, wo die Mittel hinfließen, was mit den Mitteln passiert, und wen sie erreichen. Zweitens – ich komme wieder zu den Prinzipien der Kinder- und Jugendhilfe zurück –: Wir brauchen für die Bereiche Kita und Schule eine zielgenaue und bedarfsorientierte Maßnahme; das leistet das Demokratieprogramm. Darüber werden wir mit den Ländern sprechen. Deswegen brauchen wir eine Fachkommission mit Vertretern aus Bund und Ländern, in der wir diese präventiven Maßnahmen miteinander besprechen. Die Länder tragen auch eine Verantwortung. Das Spiel „Der Bund übernimmt das finanziell, und die Länder ziehen sich raus“ wird es nicht geben. Wir sagen ganz deutlich: Wir müssen die Kinder dort erreichen, wo sie durch Extremisten gefährdet sind. Das sind die Schulen und Kitas. Deswegen muss es dort ein gemeinsames Bestreben geben.
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Herr Kollege kommen Sie zum Schluss.
Herr Präsident, weil Sie mich so freundlich an die Zeit erinnert haben – ,
Sie sind schon deutlich über der Zeit.
– schließe ich mit den Worten Joachim Gaucks ab:
Unser Gegenentwurf zum Fundamentalismus der islamistischen Gewalttäter heißt: Demokratie, Achtung des Rechts, Respekt voreinander, Wahrung der Menschenwürde. Das ist unsere Lebensform.
Dafür werden wir uns einsetzen.
Vielen Dank.
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Als Nächstes für die Fraktion der Freien Demokraten der Kollege Grigorius Aggelidis.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Weinberg, gestatten Sie mir einen Hinweis. Wann, wenn nicht in der Haushaltsberatung, spricht man über Effizienz? Ihr Humor ist wirklich interessant.
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Am vergangenen Montag haben Sie, Frau Ministerin, beim Empfang im Familienministerium „Stark im Beruf“ betont, wie wichtig die Vorbildfunktion der Eltern ist. Besonders beeindruckt hat mich eine Teilnehmerin, die sehr eindrücklich hervorhob, sie wolle von niemandem abhängig sein, weder vom Staat noch von anderen Menschen. Das finde ich sehr bewegend. Das zeigt, dass wir alle Hebel dafür in Bewegung setzen müssen, dass Familien so weit befähigt und entlastet werden – ich weiß, viele in diesem Haus hören nicht so gerne „entlastet werden“ –, dass sie starke und unabhängige Familien sind und es auch bleiben.
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Mit Blick auf die aktuellen Haushaltsberatungen allerdings bin ich sehr ernüchtert. Ich weiß, Sie sind neu im Amt. Aber immerhin: Die Koalitionsfraktionen haben in den letzten Jahren das Familienministerium geprägt. Die Bundesregierung kommt in wesentlichen Bereichen seit Jahren nicht vom Fleck, und jetzt gibt es wieder ein leider nur routiniertes Weiter-so, diesmal allerdings mit höherer Dosis.
Eine umfassende Evaluation aller familienpolitischen Leistungen – das wurde hier schon genannt – liegt Ihnen seit 2014 vor. Wesentliche Empfehlungen, vor allem des Bundesrechnungshofes, setzen Sie leider nicht um.
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Diese Evaluation war für das Gesamtverständnis wichtig. Sie verdeutlicht unter anderem aber auch, wie absurd kompliziert und widersprüchlich die Familienleistungen konzipiert sind. Es fehlt eine Priorisierung. Im Dickicht verlieren sich allzu viele Familien, die an sich einen Anspruch auf Leistungen hätten. Familienleistungen müssen endlich vereinfacht, vernetzt und vor allem zielorientiert umgesetzt werden.
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Bei der Zielorientierung und der Priorität will ich Ihnen gerne helfen. Am Allerwichtigsten sind starke Familien, die auf eigenen Beinen stehen und damit genau das richtige Umfeld und die richtige Basis für starke Kinder bieten, um allen, den ganz Jungen bis hin zu den ganz Alten, die Teilhabe an und das Einbringen in unsere Gesellschaft zu ermöglichen.
Grundsätzlich brauchen wir dafür eine flächendeckende und wirksame Infrastruktur für Familien. Wir müssen Familienzentren in unseren Fokus nehmen und ihre wichtige Arbeit unterstützen und vernetzen: von Familienhebammen über Familienförderung und -beratung, der Jugendhilfe bis hin zur Familienhilfe, abgestimmt, vernetzt, zusammen mit Haupt- und Ehrenamtlern als ein grundsätzliches Umfeld für die Familien in unserem Land.
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In einzelnen Ländern und Regionen gibt es dazu bereits erstklassige Ideen. Hier erwarten wir allerdings endlich ambitionierte Ziele und ehrgeizige Initiativen aus Ihrem Familienministerium. Dafür müssen Sie, Frau Ministerin, alle relevanten Akteure auf Bundesebene, gegebenenfalls auch auf Landes- und kommunaler Ebene, zusammenbringen. Gleichzeitig müssen wir bestehende Leistungen so sehr vereinfachen und verbessern, dass erstens Familien diese einfach überschauen und beantragen können und zweitens diese Leistungen so lange dort wirken, wo sie sinnvoll sind. Unser Vorschlag für ein vernetztes Kindergeld 2.0 ist exemplarisch für ein ganzheitliches Konzept in diesem Bereich, das einfach ist und gleichzeitig Leistungen wirkungsvoll bündelt.
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Aber wir wollen auch einen Beitrag für dringende Korrekturen, gerne auch mit Ihnen gemeinsam, für Familien angehen, und zwar im Hier und Jetzt, beispielsweise die BuT-Sicherung für Kinder, wenn Eltern den Anspruch auf den Kinderzuschlag verlieren, beispielsweise bei der Verbesserung des Zeitkorridors beim Elterngeld Plus und den Partnerschaftsmonaten. Hier wird es noch vielen Familien und vor allem Alleinerziehenden so schwergemacht.
Realitätssinn und Ehrlichkeit sind meiner Überzeugung nach gefragt, statt Erwartungen zu wecken, die zu Enttäuschungen werden. Ich weiß, dies ist der Haushalt für 2018. Ich hoffe, der Haushalt für 2019 sieht besser aus.
Ich komme zum Gute-Kita-Gesetz als ein Beispiel für eine aus meiner Sicht – so will ich es nennen – unrealistische Herangehensweise. 3,5 Milliarden Euro sind, absolut gesehen, viel Geld. Aber betrachten wir die Ziele: Eltern sollen entlastet werden, der Betreuungsschlüssel soll verbessert werden, die Qualifikation von Erziehern soll verbessert werden, der Mangel an Erziehern soll verringert werden, und insgesamt soll das eben eine gute, eine bessere Kita bringen. Nachgerechnet: 3,5 Milliarden Euro machen bei 3,6 Millionen Kitaplätzen pro Platz über die gesamte Legislaturperiode pro Werktag unglaubliche 96 Cent.
Frau Ministerin, versprechen Sie den Familien bitte nur das, was Sie, was der Bund auch halten kann. Versprechen Sie den Familien nicht etwas, für das die Kommunen im Zweifel bei Klagen den Kopf hinhalten müssen.
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Wenn Sie einen wesentlichen Schritt, beispielsweise bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf machen wollen, dann packen Sie es mit uns an und setzen Sie sich für die richtigen Rahmenbedingungen ein: für mehr digitale Arbeitsplätze, für flexiblere Arbeitszeitmodelle, für die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten und für eine flexiblere Kinderbetreuung, vor allem auch zu Randzeiten. Packen wir es gemeinsam an!
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Aggelidis. – Als Nächstes für die Fraktion Die Linke die Kollegin Sabine Zimmermann.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Die Studie der Deutschen Kinderhilfe, die am Montag erschienen und heute schon erwähnt worden ist, sagt: Die Jugendämter stehen unter Druck, zu wenig Personal, zu wenig Zeit für Sozialarbeit und zu wenig Geld. Die Leistungsfähigkeit leidet. Verfahren werden verzögert.
Nun sagt Herr Weinberg: Das ist Aufgabe und Zuständigkeit der Kommunen. Aber diese Zustände, meine Damen und Herren, sind ein Alarmsignal dafür, was in der Bundespolitik falsch läuft. Hier muss etwas verändert werden.
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Die Städte und Landkreise mit der größten Kinderarmut haben die höchsten Ausgaben für Kinder- und Jugendhilfe. Zugleich haben sie aber die geringsten Einnahmen. Wie soll das denn funktionieren, meine Damen und Herren? Niedrige Löhne und hohe Kinderarmut sind das Ergebnis bundespolitischen Versagens in den letzten Jahren.
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Ich sage Ihnen: Durchbrechen Sie endlich diesen Teufelskreis! Die Linke fordert, dass der Bund sich stärker an diesen Ausgaben beteiligen muss.
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Sie müssen das Problem an der Wurzel packen. Kinderarmut ist da. Fast 3 Millionen Kinder sind betroffen; das können Sie nicht einfach wegdiskutieren.
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Es kann nicht sein, dass Kinder hungrig in die Schule gehen und sich kein Mittagessen leisten können. Das darf es, denke ich, in einem so reichen Land nicht geben.
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Auch Ihr Bildungs- und Teilhabepaket zeigt kaum Wirkung. Es ist neben den Anträgen zu Hartz IV das größte Bürokratiemonster und gehört abgeschafft, meine Damen und Herren.
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Die Leistungen für Kinder müssen aus unserer Sicht deshalb grundlegend neu strukturiert werden. Das ist etwas ganz anderes als die Vorstellungen der Bundesregierung, die in diesem Haushaltsentwurf enthalten sind. Die Linke fordert eine Kindergrundsicherung, eine Leistung, die für jedes Kind in Deutschland die Teilhabe an dieser Gesellschaft ermöglicht. Das muss bei diesem Haushalt drin sein, meine Damen und Herren.
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Zu guter Familienpolitik gehört natürlich mehr. Die Arbeit der Jugendverbände zum Beispiel ist unverzichtbar, und ich möchte den Jugendverbänden an dieser Stelle ausdrücklich danken für ihre Arbeit, die sie vor Ort leisten.
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Sie werden aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans gefördert; aber bislang orientiert sich die Höhe der Mittel nicht an den tatsächlichen Kosten, die die Jugendverbände zu tragen haben. Um die Kostensteigerungen der letzten Jahre auszugleichen, fordert die Linke eine deutliche Anhebung und künftig eine dynamische Förderung.
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Familien brauchen auch eine gute Infrastruktur, insbesondere Kitaplätze. 300 000 davon fehlen bundesweit für Kinder unter drei Jahren. Viele Eltern benötigen für ihre Kinder auch eine Betreuung in Randzeiten. Wie stellen Sie es sich denn vor, dass eine alleinerziehende Verkäuferin ihre Kinder versorgen kann, wenn Ladenöffnungszeiten immer noch mehr ausgeweitet werden, selbst auf spätabends und auf Sonntage? Dafür braucht es ein sicheres Betreuungsangebot, wenn solche Öffnungszeiten verändert werden.
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Die Kita ist auch ein Ort der Bildung. Das erfordert gut ausgebildetes Personal, das man auch gut bezahlen muss. Für 3,5 Milliarden Euro ist das alles nicht zu haben. Das sagen wir Ihnen ganz deutlich. Dieses Gute-Kita-Gesetz wird ein Tropfen auf den heißen Stein bleiben. Meine Damen und Herren, Geld ist genug in diesem Haushalt. Investieren Sie es in Kinder statt in Kriegsbereitschaft!
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Ich könnte noch viel mehr aufzählen, was in Ihrer Familienpolitik falsch läuft. Frauenhäuser sind chronisch überbelastet und unterfinanziert. Senioren warten auf verlässlich finanzierte Angebote zur Erhaltung ihrer Selbstständigkeit. Wir brauchen Projekte gegen Rechtsextremismus und für die Stärkung der Demokratie. Für Die Linke ist klar: Wer für Familien, Senioren, Frauen und Jugend nur schöne Worthülsen übrig hat, statt zu investieren, schreibt einen Großteil der Menschen in diesem Land ab. Das lassen wir nicht zu.
Danke.
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Als Nächste für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Ekin Deligöz.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als im Jahr 2016 sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, wurde ein Kind gefragt: Gibt es bei dir in der Kindergartengruppe auch Flüchtlinge? – Das Kind antwortete: Nein, bei uns gibt es nur Kinder.
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Dieses Kind war geistig reifer und weiter als mancher Abgeordnete in dieser Debatte, wie wir heute gehört haben.
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Liebe Frau Ministerin, zu Ihrem Etat muss man sagen: Zwei Punkte in der Debatte werfen ihren Schatten voraus. Der eine ist die Kinderbetreuung, der andere ist die Kinderarmut. Leider befürchte ich, dass Sie Ihrer Verantwortung zu diesen zwei großen Themen nicht gerecht werden. Warum? Nicht, weil das Geld zu knapp ist und Sie zu wenig Geld ausgeben, sondern weil Sie keine Prioritäten setzen. An Ihrem Etat und Ihren Ausführungen sieht man: Es gibt einen Koalitionsproporz. Sie müssen für alle ein bisschen was machen. Also haben Sie ein Sammelsurium an Maßnahmen. Ich zähle sie Ihnen einmal auf: ein bisschen Freibetrag, ein bisschen Kindergeld, Baukindergeld, Kitamittel, Kinderzuschlag, ein bisschen etwas zur Mütterrente, dann kommen die Schulkinder, das Modellprogramm xyz – füllen Sie es selber aus. Dann gibt es noch irgendwelche Versprechungen zum Teilhabepaket, dann wollen Sie die Jugendhilfe reformieren, auch hier wissen wir – und Sie – nicht, wie.
Liebe Kollegen, das ist doch keine Strategie.
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Das ist ein Sammelsurium von Maßnahmen, die man gerne hätte. Man weiß aber nicht, wie man sie umsetzen soll. Damit es nicht so sehr auffällt, dass Sie keine Strategie haben, garnieren Sie das alles noch mit wunderbaren Sätzen. Sie füllen das Ganze auf. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Qualitätsgesetz für Kitas. Super, das unterstützen wir, das halten wir für wichtig. Aber was schreiben Sie in dieses Gesetz? Sie wollen mehr Kitaplätze, mehr Qualität, Gebührenfreiheit, Schulkinderbetreuung und dann sollen noch die Erzieherinnen besser bezahlt werden, wie Sie es in Ihrer Rede gesagt haben. Wie wollen Sie das denn mit den 3,5 Milliarden Euro auf eine Wahlperiode machen? Wie soll das denn funktionieren? Ich fürchte, am Ende werden die Kommunen die Leidtragenden sein, weil sie das Ganze irgendwie auffangen müssen, da das Geld vorne und hinten nicht ausreicht, um alles zu finanzieren.
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Nehmen Sie einmal den Kinderzuschlag. Das ganze Instrument ist bürokratisch, schwerfällig. Es gibt sehr viele Kinder, die einen Anspruch auf diese Leistung haben, sie aber wegen der Bürokratie nicht in Anspruch nehmen. Sie könnten hier einen richtig großen Wurf machen. Sie könnten den Alleinerziehenden das Leben erleichtern und Kinderarmut bekämpfen. Was machen Sie? Sie machen nur ein bisschen was, weil das Ganze im geplanten schwarz-roten Tarif keinen Platz hat.
Das Teilhabepaket hat bei Ihnen keine Priorität. Der ganze Bereich Kinderregelsätze – neu berechnen, endlich einmal dem Bedarf anpassen – lässt sich bei Ihnen überhaupt nicht finden. Er kommt in Ihren Reden nirgends, auch nicht im Ansatz, vor. Was ist denn mit den betroffenen Kindern, Frau Ministerin? Fällt Ihnen etwas auf? Arme Kinder erwähnen Sie in Ihren Reden überhaupt nicht.
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Sie können es natürlich nicht, weil Sie, um Armut in diesem Land wirklich zu bekämpfen, die Themen im Zusammenhang betrachten müssten. Was machen Sie stattdessen? Sie verteidigen das Baukindergeld. Glauben Sie denn wirklich, dass mit dem Baukindergeld eine einzige alleinerziehende Mutter einen bezahlbaren Wohnraum in den Städten finden wird? Glauben Sie denn wirklich, dass Sie damit eine einzige Familie aus der Familienarmut herausholen werden? Sie werden nur die Bauindustrie fördern. Ist das Ihre Antwort in der Familienpolitik, Frau Ministerin? Das kann ja wohl nicht wahr sein.
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Dann kommen wir zum Unterhaltsvorschuss. Ja, das Gesetz war richtig. Es hat erst einmal aufgezeigt, wo die Schwächen liegen, warum wir das Geld in die Hand nehmen müssen. Aber gleichzeitig haben wir beschlossen, dass wir auch Kinderrechte durchsetzen und das Geld von den säumigen Eltern wieder zurückholen, weil es ein Anspruch des Kindes ist.
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Diese Zahlen gehen zurück. Sie machen hier Laisser-faire-Politik. Bleiben Sie konsequent! Verteidigen Sie die Rechte der Kinder! Das ist die Bringschuld, die wir Politiker den Kindern gegenüber erfüllen müssen. Das ist eine Prinzipienfrage.
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Als Letztes nenne ich den Bundes- und Jugendfreiwilligendienst. Sie wollen hier Feinjustierungen. Okay, aber: Wieso schaffen Sie es nicht, die Nachfrage der jungen Menschen tatsächlich zu bedienen? Die Nachfrage nach entsprechenden Plätzen ist zwei- bis dreimal höher als die Zahl der angebotenen Plätze. Anstatt zu sagen: „Mensch, das ist toll, wir wollen diese aufrechten Jugendlichen, das ist für die Gesellschaft etwas Hervorragendes, also schaffen wir diese Chance“, nehmen Sie eine Feinjustierung vor. Eine Feinjustierung ist nicht die Antwort darauf, dass die Nachfrage zwei- bis dreimal so hoch ist wie die Zahl der angebotenen Plätze.
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Mit Feinjustierung bleiben Sie weit hinter dem zurück, was Sie können. Sie wollen eine Macherin sein, Frau Ministerin. Dann seien Sie eine Macherin! Wenn Sie all das nicht umsetzen würden, dann wären es nur leere Versprechen von Ihnen, und das wäre für dieses Themengebiet doch sehr schade.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Sylvia Pantel.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei all den negativen Anmerkungen, die wir gerade gehört haben, wissen wir sehr wohl: Jeder von uns hat nur begrenzte Zeit. Wir haben einen bunten Strauß an Maßnahmen und gehen damit in der Familienpolitik genau auf die Punkte ein, die Sie gerade angemerkt haben.
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Nach all den negativen Punkten habe ich mal was Positives: Die gute Nachricht ist, dass die Geburtenrate bei uns in Deutschland nachhaltig steigt. Die Zahl der in Deutschland geborenen Kinder ist stetig gestiegen und hat das Niveau von 1996 erreicht. Es wurde ja sonst immer gesagt, die Steigerung sei nur punktuell, sie ist aber nicht punktuell; die Geburtenzahl geht stringent nach oben.
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Wie groß die Bedeutung der Familie für unsere Jugendlichen ist, belegt auch die letzte Shell-Jugendstudie. Das Ergebnis dieser Studie zeigt, dass mehr als 90 Prozent der Jugendlichen die Familie als höchstes Gut betrachten. Auch den Jugendlichen sind Flexibilität und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ein großes Anliegen. Genau dafür haben wir in den vergangenen Jahren viel getan.
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So sind über 90 Prozent der befragten Jugendlichen der Meinung, dass Familie und Kinder neben dem Berufsleben keinesfalls zu kurz kommen dürfen.
Auch bei der Aufstellung dieses Haushaltes hat die Regierung darauf geachtet, dass keine neuen Schulden gemacht werden, um den nachfolgenden Generationen keine Schuldenberge zu hinterlassen. Wir beraten heute den fünften ausgeglichenen Haushalt in Folge, was wir als CDU/CSU ausdrücklich begrüßen.
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Als verantwortliche Politiker und Politikerinnen setzen wir gute Rahmenbedingungen, damit unsere jungen Menschen in Deutschland ein gutes Klima für Familien vorfinden, in dem sie gerne eine eigene Familie gründen wollen. Die Familien sollen in die Lage versetzt werden, sich zu entscheiden, wie sie mit ihren Kindern leben wollen.
Auch in diesem Jahr haben wir wieder Verbesserungen für unsere Familien erwirkt, und das nicht im Klein-Klein. 581 Millionen Euro wurden für das Kindergeld und den Kinderzuschlag veranschlagt. Die Alleinerziehenden werden durch die Veränderungen beim Unterhaltsvorschuss um 866 Millionen Euro entlastet. Hier kann man nicht so tun, als ob wir nichts dafür täten. Bis zum Jahr 2022 sind für das Kindergeld und den Kinderfreibetrag 5,2 Milliarden Euro vorgesehen; sie werden in zwei Stufen erhöht.
In unserem Familienhaushalt belaufen sich die Ausgaben für das Jahr 2018 auf über 10,2 Milliarden Euro. Im Vergleich zum vorigen Haushaltsplan ist das eine Erhöhung um rund 674 Millionen Euro und nicht, wie es sich eben anhörte, eine Verminderung. Für Familienpolitiker ist das ein Grund zur Freude und nicht ein Grund zur Klage.
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Mit den veranschlagten 6,67 Milliarden Euro jährlich bleibt das Elterngeld im Familienhaushalt die wichtigste und größte familienpolitische Leistung für unsere jungen Eltern. Dieses Geld kommt direkt bei den Eltern an und gibt ihnen ein Stück finanzielle Absicherung, wenn sie sich entschlossen haben, sich in der ersten Zeit selbst um ihren Nachwuchs zu kümmern. Frau Dörner, wir vertrauen erst einmal auf die Erziehungsleistung unserer Eltern,
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sehen aber sehr wohl Kindeswohlgefährdungen und andere Probleme.
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Die Flexibilisierung des Elterngeldes erhöht die Wahlfreiheit der Eltern und erweitert die Spielräume bei ihrer Berufstätigkeit. Zu einem zufriedenen Familienleben gehört aber auch eine zufriedenstellende Wohnsituation. Deshalb brauchen wir neben den zusätzlichen Mietwohnungen Angebote, die die Eigentumsförderung für unsere Familien verbessern. Ich freue mich sehr über die geplante Eigentumsförderung der CDU/CSU für Familien mit Kindern, deren konkrete Ausgestaltung bald vorgestellt wird. Diese Leistung ist zwar nicht im Familienhaushalt enthalten, aber durch sie werden unsere Familien direkt unterstützt.
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Die Familie sollte ein Ort der Geborgenheit, der Fürsorge und der Verantwortung sein. In den meisten Fällen ist das auch der Fall. Aber zu unseren Aufgaben gehört auch, Hilfsangebote und Schutzangebote im Blick zu haben. Mit dem Hilfetelefon gegen Gewalt und dem neuen Internetangebot gegen Gewalt hat der Bund bereits wichtige niederschwellige Angebote installiert.
In der letzten Legislaturperiode haben wir uns auch mit der Thematik Frauenhäuser und deren unterschiedlichen Finanzierungen beschäftigt. Leider ist das Angebot nicht überall ausreichend vorhanden. Viele Frauenhäuser sind maßlos überlastet. Wir alle wissen, dass die Finanzierung und Ausgestaltung der Frauenhäuser zu den Aufgaben der Länder gehören und nicht zu unseren Aufgaben und dass die Länder ihre Aufgaben unterschiedlich erfüllen. Aber jede Frau, die den Mut gefasst hat, Hilfe zu suchen, und aus der häuslichen Gewaltsituation flieht, sollte Unterstützung erfahren. Es darf nicht sein, dass sie für sich und ihre Kinder keinen Platz findet und wieder in die häusliche Gewaltsituation zurückmuss.
Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir uns in dieser Legislaturperiode näher mit dem Thema „Bekämpfung von Gewalt gegenüber Frauen und Kindern“ beschäftigen werden. Um aber schnelle und konkrete Hilfe anbieten zu können, sollten wir schon einmal mit einer digitalen Informationsplattform beginnen. Bei allem Wohlwollen sind dabei aber vor allem die Länder in der Pflicht, und diese können sich, so wie wir auch, über Steuereinnahmen freuen.
Wir haben viele gesellschaftspolitische Herausforderungen zu meistern. Leider ist die Zahl der extremistischen Verhaltensweisen und Straftaten gestiegen.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Gut. – Deshalb müssen wir bei der Bereitstellung der 115 Millionen Euro für die von mir genannten Programme sehr wohl darauf achten, wie die Programme ausgestaltet sind, damit wir nicht die Falschen fördern.
Ihr letzter Satz, bitte.
Mein letzter Satz ist: Es wäre noch eine Menge zu sagen. Ich finde, wir haben einen tollen Haushalt vorgelegt.
Herzlichen Dank.
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Frau Kollegin Pantel, nicht dass Sie das falsch verstehen. Ihre Fraktion kann mehr Redezeit für Sie anmelden.
Als Nächstes für die Fraktion der Sozialdemokraten der Kollege Sönke Rix.
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– So steht das bei mir.
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– Oh, ich bitte vielmals darum, die Verwechslung zu entschuldigen.
Als Nächstes für die Fraktion der AfD der Kollege Thomas Ehrhorn.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey, wir haben Ihnen in der letzten Ausschusssitzung gut zugehört, als Sie darüber berichteten, dass es ein Projekt gibt, welches Ihnen ganz besonders am Herzen liegt und welches Sie auch künftig in besonderer Weise fördern und auch ausbauen wollen: das Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Für dieses Projekt sind im Haushalt 115,5 Millionen Euro eingeplant.
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So ist es vermutlich auch zu erklären, dass eine Integrationsbeauftragte meiner Heimatstadt Celle, die im Übrigen hoffnungslos pleite ist, sich unlängst wie folgt äußerte. Sie sagte, im Rahmen von „Demokratie leben!“ könne man zurzeit gar nicht genug neue Projekte ins Leben rufen, da die Mittel hierfür fast grenzenlos zur Verfügung stehen und das Geld dafür praktisch auf der Straße liegt. Das ist Grund genug, sich einmal anzusehen, was sich eigentlich hinter diesen Projekten verbirgt, über denen unser Steuergeld mit dem Füllhorn ausgeschüttet wird.
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So fördert „Demokratie leben!“ zum Beispiel die NaturFreunde Deutschlands,
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die sich laut ihrer Satzung dem demokratischen Sozialismus verpflichtet fühlen.
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– Dem demokratischen Sozialismus, jawohl. So kann man „Demokratie leben!“ natürlich auch verstehen.
Auch die weiteren Projekte haben mit Demokratie im üblichen Sinne, ehrlich gesagt, eher wenig zu tun. So fließt das Geld unserer Steuerzahler zum Beispiel auch direkt in die Kassen diverser Islamverbände, zum Beispiel DITIB. Der Vorsitzende eines Moscheevereins in Hamburg, der zu DITIB gehört, postet:
Demokratie ist für uns nicht bindend, uns bindet … der Koran.
Zitat Ende. Gefördert werden NeMO und das Bündnis „Reichtum Umverteilen“. Umverteilen, das kommt uns irgendwie bekannt vor. Gefördert wird Ufuq. Ufuq will den „aufgeregten Debatten“ über „Parallelgesellschaften“ und eine angebliche Islamisierung mutig entgegentreten;
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ich nehme an: weil wir alle wissen, dass es in großen deutschen Städten gar keine Parallelgesellschaften gibt.
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Es werden – wie könnte das fehlen? – gefühlt 75 Projekte, die sich mit dem allgegenwärtigen Kampf gegen rechts befassen, gefördert.
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Inzwischen ist das ein Kampf gegen alles, was nicht explizit links ist.
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Diese Projekte werden nicht selten durchgeführt von Organisationen, die den Boden der Rechtsstaatlichkeit schon lange verlassen haben.
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Aber seit Abschaffung der Extremismusklausel muss man sich in diesem Land ja auch nicht mehr zu den Prinzipien unseres Rechtsstaates bekennen, um mit Millionenbeträgen gepampert zu werden. Es reicht, dass man die richtige Gesinnung hat.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.
Die muss auch nicht unbedingt demokratisch sein. Sie muss nur links genug sein.
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Sie haben jetzt noch einen letzten Satz, Herr Kollege.
So ist aus dem Kampf gegen rechts längst ein Kampf gegen die Wiederherstellung des Rechts geworden. Aus der Bedeutung des Wortes „Demokratie“ wird langsam eine Farce und aus Volksvertretern eine politische Klasse –
Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.
– jawohl –, die offenbar inzwischen bereit ist, die Steuergelder ihrer Bürger zu veruntreuen, um missliebige Meinungen zu unterdrücken und politische Gegner zu bekämpfen. Wir fordern die sofortige, ersatzlose Streichung dieser Mittel.
Herr Kollege, bitte, Sie haben bereits 1 Minute und 20 Sekunden überzogen.
Danke schön.
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Nun, lieber Kollege Sönke Rix, erteile ich Ihnen das Wort für die SPD-Fraktion.
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Vielen Dank, Herr Präsident. Ihnen als Schleswig-Holsteiner ist der Fehler zu verzeihen. Ich hoffe, Sie haben mich nicht aus Versehen der falschen Fraktion zugeordnet.
Das war keine Absicht.
Das war keine Absicht. Das wissen wir. – Vielen Dank, dass ich jetzt zu meiner Rede kommen kann.
Eine Bemerkung vorweg. Im Namen der SPD-Fraktion und, wie ich glaube, im Namen der allermeisten Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause danke ich zunächst einmal allen, die sich zivilgesellschaftlich für Demokratie und gegen Extremismus engagieren,
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in der katholischen und in der evangelischen Kirche, in Gewerkschaften, bei der Amadeu-Antonio-Stiftung
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und in all den kleinen gesellschaftlichen Gruppen vor Ort und überall. Sie brauchen diese Fördermittel dringend.
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Wenn es so ist, dass aktuell sehr viel Geld da ist, dann ist diese Förderung gut und richtig. Denn das ist eine Antwort auf eine gesellschaftliche Entwicklung und bitter nötig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Insbesondere die Redner der Koalition haben sich heute darüber gefreut, dass wir die 10-Milliarden-Euro-Grenze überschritten haben und damit deutlich machen, wie wichtig uns die Familienpolitik ist. Ich will an dieser Stelle aber auch sagen – das war schon Bestandteil einiger Redebeiträge hier –: Natürlich sind familienpolitische Leistungen nicht nur in diesem Etat zu finden, sondern überall, zum Beispiel im Etat des Gesundheitsministeriums und im Etat des Ministeriums für Arbeit und Soziales. Es wurde bereits über das Bildungs- und Teilhabepaket und viele andere Maßnahmen gesprochen. Es sind weit über 150 Milliarden Euro, die wir für Familien, Kinder und Jugendliche insgesamt über die familienpolitischen Leistungen ausgeben. Das ist gut angelegtes Geld, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Bestandteil dieser Debatte war auch das Kitagesetz, obwohl die Ministerin heute gar nicht großartig darauf eingegangen ist. Ich will dazu ein, zwei Sätze sagen. Zunächst: Natürlich kann man immer sagen, dass das zu wenig Geld ist, selbstverständlich.
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Pauschal würde auch ich sagen: Unser Etat ist viel zu klein, ich hätte gerne das Doppelte oder Dreifache. Zum Kitagesetz will ich aber zwei Dinge sagen: Erstens sind das zusätzliche Mittel für Aufgaben, die normalerweise die Länder und Kommunen zu leisten haben. Wir nehmen zusätzliches Geld in die Hand. Das sollte man an dieser Stelle betonen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Zweitens ist das Geld zusätzlich zu den Mitteln, die wir im Rahmen des Sondervermögens sowieso für den Kitaausbau zur Verfügung stellen. Es kommt außerdem zu sämtlichen Kitaförderprogrammen noch hinzu. Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann ja sagen, dass das zu wenig ist. Aber man darf sich auch einmal darüber freuen, dass wir diese Mittel zusätzlich in die Hand nehmen.
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Natürlich kann man sagen: Der Katalog ist viel zu breit. Was soll man alles bezahlen? Aber erstens ist das, wie gesagt, zusätzliches Geld. Zweitens wollen wir die Länder und Kommunen gar nicht einschränken und ihnen vorschreiben, wie genau sie die zusätzlichen Mittel in den jeweiligen Kitas verwenden sollen. Es kann sein, dass das in Hamburg etwas ganz anderes ist als in Schleswig-Holstein. Deshalb ist es gut, dass das breit gefächert ist. Wenn wir dieses Gesetz verabschieden, haben die Länder dieses Geld für jeweils erforderliche Maßnahmen zur Verfügung. In dem einen Fall kann es um den Fachkraft-Kind-Schlüssel gehen, in einem anderen Fall um die Absenkung der Beiträge, in noch einem anderen Fall vielleicht um eine andere Maßnahme. Insofern ist die Grundidee des Gute-Kita-Gesetzes richtig und wichtig. Wir begrüßen es ausdrücklich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Viele sagen: Mehr geht immer. – Ich habe mich dieser Forderung schon angeschlossen; das sage ich in Richtung aller Fraktionen. Auch Frau Giffey wird sich niemals dagegen wehren, mehr Mittel zur Verfügung gestellt zu bekommen. Aber wenn man mehr Geld fordert, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss man auch sagen, woher es kommen soll. Das finde ich nach wie vor richtig.
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Ekin Deligöz – sie ist gerade nicht da – hat vorhin aufgezählt, wo überall Mittel angeblich nicht effizient oder effektiv genug eingesetzt werden, und gesagt, es gebe an der einen oder anderen Stelle angeblich keine klare Strategie. Aber sie hat nicht gesagt, wo in dem Etat ihrer Meinung nach zu viel ausgegeben worden ist und was sie stattdessen streichen will. Das ist uns zu einfach.
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Genauso einfach, liebe Kolleginnen und Kollegen – das sage ich jetzt in Richtung der Union –, ist es, zu klatschen, wenn mehr Geld für die Verteidigung gefordert wird, aber dann zu behaupten, im Bereich Familie müsse es gegenfinanziert werden. Ich hätte eine Idee zur Gegenfinanzierung: Man könnte steuerpolitisch noch einiges unternehmen.
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Dazu ist die Union leider nicht bereit. Aber ich finde, auch diese Möglichkeit ist in Erwägung zu ziehen, wenn man an der einen oder anderen Stelle mehr fordert.
Ein letzter Satz zu den KJP-Mitteln. Wir alle haben uns darüber gefreut, dass für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mehr Geld zur Verfügung steht. Aber das bedeutet, dass auch die Beschäftigten bei den Trägern von Maßnahmen mehr Geld bekommen. Das wiederum bedeutet, dass zum Beispiel Jugendverbände höhere Personalkosten haben. Deshalb appelliere ich an alle hier im Haus, bei zukünftigen Haushalten und in den aktuellen Beratungen daran zu denken: Wenn man Jugendverbände tatsächlich stärken und sie nicht nur in Sonntagsreden loben will, dann müssen sie auch mit genügend Mitteln ausgestattet werden.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Rix. – Als Nächster für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Torbjörn Kartes.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Debatte heute verfolgt hat, konnte man hören, wie schlecht unsere Familienpolitik sein soll und wie schlecht die Prioritäten waren, die in den letzten Jahren gesetzt worden sind. Angesichts dessen will ich darauf hinweisen – das ist nicht ganz unwichtig –, dass in Deutschland wieder mehr Kinder geboren werden. Die Geburtenrate ist gestiegen, und sie steigt weiter. Das klingt heute so selbstverständlich, ist es aber längst nicht.
Wenn man einen Blick auf die Zahlen wirft, stellt man fest: So viele Kinder wie heute kamen zuletzt in den 70er-Jahren in Deutschland auf die Welt. Das ist eine tolle Entwicklung, und das nicht nur deshalb, weil unsere Sozialsysteme auch zukünftig Beitragszahler brauchen und weil wir in den nächsten Jahrzehnten eine Vielzahl an Fachkräften brauchen werden. Nein, Kinder sind ein Geschenk für jedes Paar und im Übrigen auch für unsere Gesellschaft. Wir als Union möchten alles dafür tun, dass sich noch mehr Paare entscheiden, Kinder zu bekommen.
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Was heißt das konkret? Dazu gehört vor allem, dass wir gemeinsam weiter daran arbeiten, den Alltag von Familien zu erleichtern. Beruf und Familie müssen gut miteinander vereinbar sein. Die finanzielle Belastung für eine Familie darf nicht zu hoch sein, und die Kinder müssen gut betreut und ausgebildet werden.
Die Ministerin und auch meine Vorredner haben die wichtigsten Maßnahmen für diesen Haushalt bereits genannt:
Wir stellen 3,5 Milliarden Euro für eine Qualitätsoffensive an den Kitas zur Verfügung. Ich will das noch mal ganz deutlich sagen: Das ist ein großer Schritt, und wir sollten das hier auch nicht kleinreden. Wir werden das Thema nur gemeinsam mit den Ländern und Kommunen angehen können, und wir glauben, dass das ein großer Schritt in die richtige Richtung ist.
Wir geben 2 Milliarden Euro für die Ganztagsschulbetreuung aus. Hinzu kommen finanzielle Verbesserungen für jede einzelne Familie, wie zum Beispiel die Erhöhung des Kindergeldes.
Dabei steht für uns ein Prinzip im Vordergrund, auf das ich heute auch noch einmal eingehen möchte, nämlich die Wahlfreiheit. Wahlfreiheit bedeutet in der Familienpolitik für uns: Der Staat gibt kein Erziehungsmodell vor, sondern ermöglicht es den Familien, ihr Leben so zu leben, wie sie es möchten.
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Ich erlebe folgende Diskussion in dem Zusammenhang immer wieder: Es gibt die einen, die sagen: Wie kann es sein, dass die Kita schon um 17 Uhr zumacht, freitags vielleicht sogar schon deutlich früher? Sie müssten doch eigentlich bis 20 Uhr aufhaben, gerade, wenn ich im Schichtdienst arbeite. – Andere entgegnen dann empört: Was sind das für Rabeneltern? In den ersten drei Jahren gehört das Kind nach Hause, zu den Eltern.
Ich weiß, dass es für Zweijährige ein verdammt langer Tag in der Kita sein kann, wenn sie von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr dort sind. Ich weiß aber auch, dass man jedes Kind individuell betrachten sollte und dass Kinder damit ganz unterschiedlich klarkommen. Wir glauben immer noch daran, dass Eltern in summa am besten wissen, was für ihr Kind gut ist.
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Tatsache ist auch, dass viel mehr Eltern – denken Sie nur an die alleinerziehende Mutter – darauf angewiesen sind, ganztags zu arbeiten, und nicht jeder hat das große Glück, noch Großeltern um die Ecke zu haben, die unterstützen können.
Um das noch einmal ganz deutlich zu sagen: Wir haben nicht die Aufgabe, Eltern zu erziehen oder zu belehren. Eine Mutter, die in Vollzeit arbeiten will, muss das tun können. Sie muss sich dafür ebenso wenig rechtfertigen wie der in Vollzeit erwerbstätige Vater. Dasselbe gilt für ein Elternteil, das sich aus Überzeugung eine berufliche Auszeit von drei Jahren nimmt und sich um das Kind kümmert. Wir geben keinen Weg vor, und wir sollten aufhören, immer mit dem Finger auf das jeweils andere Modell zu zeigen.
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All diese Eltern verdienen Respekt und Wertschätzung, und alle müssen sich darauf verlassen können, die notwendigen Bedingungen hierfür vorzufinden. Das verstehen wir als Union unter Wahlfreiheit, und unsere Politik muss so sein, dass sie die erwähnten beiden Wege gleichberechtigt ermöglicht.
Was sind nun diese Bedingungen? Woran werden wir in dieser Wahlperiode arbeiten, um Wahlfreiheit noch besser zu ermöglichen? Hier in der Debatte ist schon einiges gesagt worden. Deswegen möchte ich mich entsprechend kurzfassen.
Erstens. Wir müssen uns für bessere Kinderbetreuung einsetzen. Noch in diesem Jahr – das ist bereits gesagt worden – bringen wir das Gute-Kita-Gesetz mit einer bedarfsgerechten Förderung für die Länder auf den Weg. Wir werden im Übrigen auch einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen beschließen.
Zweitens. Wir müssen die sozialen Berufe dringend weiter aufwerten – auch, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Drittens werden wir uns weiter – um das ganz kurz zu sagen – für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf starkmachen. Hier ist ein echtes Umdenken in der Arbeitswelt erforderlich. Das ist ein echter Kulturwandel, und das bedeutet im Übrigen auch, dass wir uns für mehr Frauen in Führungspositionen starkmachen sollten – im Übrigen auch in Teilzeit. Wir werden uns deshalb für familienfreundliche Strukturen in Unternehmen – etwa durch mehr betriebliche Kinderbetreuung – einsetzen.
Wichtig ist uns auch – wir haben an anderer Stelle schon darüber gesprochen –, dass wir uns um neue Arbeitszeitmodelle und die Förderung von Homeoffice-Lösungen kümmern. Das hilft nicht jedem – das weiß ich auch; in der Debatte wird dann immer entgegnet, dass nicht jeder so arbeiten kann –, aber für diejenigen, die so arbeiten können, wo das möglich ist, sollten wir auch die rechtlichen Voraussetzungen schaffen.
Unser gemeinsames Ziel muss es sein: Die Geburt eines Kindes darf für ein Elternteil nicht gleichbedeutend mit dem Ende der Karriere sein. Nur wenn uns das gelingt, werden wir noch mehr Paare dazu ermutigen können, Kinder zu bekommen, und das wäre wirklich gut für uns alle.
Vielen Dank.
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Herzlichen Dank, Herr Kollege Kartes. – Als letztem Redner erteile ich das Wort für die CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen Alois Rainer.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Münz von der AfD, Sie haben eine Zahl genannt: 50 Milliarden Euro Flüchtlingskosten. Ich weiß nicht, woher Sie die Zahl haben.
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– Vom Sachverständigenrat. – Die aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2017 belegen etwas ganz anderes: Die Kosten, die der Bund trägt, belaufen sich auf 21 Milliarden Euro. Und zieht man davon noch die Kosten für die Bekämpfung der Fluchtursachen ab, sind wir bei 15 Milliarden Euro. Die 50 Milliarden Euro stimmen so meines Erachtens nicht, und das dann schließlich mit dem Etat des Familienministeriums zu vergleichen, ist meines Erachtens nicht richtig. Sie sind mit mir Mitberichterstatter. Wir werden uns einmal bilateral austauschen müssen und die Zahlen entsprechend richtigstellen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den wesentlichen Zielen der Familienpolitik gehört es, Menschen, Familien und Kinder wirksam zu unterstützen und zu fördern. Seit 2005 – seit Beginn der Unionsregierung – haben sich die familienpolitischen Leistungen von rund 4,5 Milliarden Euro auf jetzt 10,2 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.
Schon 2017 konnten wir feststellen, dass der Bund noch nie so viel für Familien bereitgestellt hatte, und für den vorliegenden Haushaltsentwurf haben wir den Ansatz noch einmal erhöht. Es ist angesprochen worden: Es ist eine Erhöhung um 661 Millionen Euro. Der Schwerpunkt liegt beim Elterngeld mit 6,7 Milliarden Euro; das haben wir nochmals erhöht, und zwar um 270 Millionen Euro. Beim Unterhaltsvorschuss liegen wir jetzt bei 866 Millionen Euro.
Ich will das Unterhaltsvorschussgesetz in keinster Weise kritisieren – es war absolut notwendig, dass wir hier Verbesserungen vorgenommen haben –, aber uns wurden andere Zahlen genannt. Das muss an dieser Stelle einfach auch einmal gesagt werden. Ich hoffe, dass man die Rückholquote entsprechend verbessern kann, wenn man auf das bayerische Modell umsteigt. Wir haben eine Rückholquote von über 30 Prozent. Ich empfehle das allen anderen Bundesländern.
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Kommen wir zum Programm „Demokratie leben!“. Ja, es ist höchst umstritten. Ich sage immer: Wir wollen keinen Extremismus, ob er links, rechts oder religiös ist – egal.
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– Wir wollen keinen Extremismus. Ich habe nirgendwo hingedeutet. Da müssen Sie aufpassen. Wir wollen keinen Extremismus, und deshalb stehen wir auch dahinter. Ich sage Ihnen eines: Wir werden genau darauf schauen, wer aus diesem Programm Geld kriegt.
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Es ist schon verbessert worden, und in Zukunft werden wir noch mehr darauf schauen. Wenn wir jetzt 115 Millionen Euro zur Verfügung stellen, werden wir sehr genau darauf schauen, wofür dieses Geld verwendet wird.
Wir haben absolut Verständnis dafür, dass man frühzeitig – schon im Kindesalter – mit der Präventionsarbeit beginnen muss. Das ist richtig, wichtig und notwendig; denn wir haben kürzlich auch Berichte über Gewalt in den Grundschulen usw. zur Kenntnis nehmen müssen. Dagegen muss man angehen.
Die prioritären Maßnahmen im Koalitionsvertrag betreffen natürlich auch das Familienministerium. Es freut mich, dass wir bei der Qualitätsverbesserung und bei der Gebührenfreiheit der Kitas Unterstützung leisten können. Der Kollege Sönke Rix hat richtigerweise gesagt, dass das zusätzliche Mittel sind, und ich werde nicht müde zu sagen: Wir leben in einem föderalistisch aufgebauten Staat und haben als Bund in diesem Bereich eigentlich keine Zuständigkeit. Wie dem auch sei: Diese 3,5 Milliarden Euro sind gut angelegtes Geld. Darüber, wie das am Ende verteilt wird, lässt sich natürlich ein Stück weit streiten. Darüber werden die Familienpolitiker streiten; wir werden das nicht im Detail diskutieren müssen.
Ich finde, alle diese Investitionen in die Familien, in unsere Zukunft und in unsere Kinder sind gute Investitionen, und ich denke, wir alle stehen dahinter.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Haus heißt „Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“. Ich bin wie schon in der letzten Legislaturperiode ein großer Freund und Verfechter der Mehrgenerationenhäuser.
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Ich freue mich, dass schon aus der einen oder anderen Ecke Unterstützung angekündigt wurde. Wir werden die Mehrgenerationenhäuser weiterhin mit aller Kraft unterstützen. Hier werden wir mit Sicherheit zusammenarbeiten können.
Ich bedanke mich bei allen Verbänden – Jugendverbände, Seniorenverbände usw. –, die aus diesem Etat unterstützt werden. Es ist eine große Zahl. Ein herzliches Dankeschön an die vielen Hilfetelefone, die vom Familienministerium unterstützt werden. Es ist unglaublich wichtig, dass unterdrückte Menschen Hilfe erhalten.
Der vorliegende Haushaltsentwurf ist eine gute Grundlage, auf der man arbeiten und aufbauen kann. Ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen. In der kurzen vor uns liegenden Beratungszeit ist noch einiges zu tun. Dann geht es schon bald mit dem Etat für das Haushaltsjahr 2019 weiter.
Vielen herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Rainer. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor.
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Ich glaube, ich gebe den Kollegen noch etwas Zeit.
Frau Bundesministerin, gestatten Sie eine kleine Pause – Sie dürfen dann neu starten –, bis die Kolleginnen und Kollegen, die neu hinzugekommen sind, und diejenigen, die gehen wollen, ihre herzlichen Begrüßungen abgeschlossen haben? – Darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen? – Hallo, Frau Teuteberg!
Frau Bundesministerin, wir starten noch einmal neu. Sie bekommen die volle Redezeit von zehn Minuten, die angemeldet war. – Bitte beginnen Sie.
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben eine Zeit der Gegensätze. Unsere Wirtschaft boomt. Innovationen aus Deutschland verkaufen sich in der ganzen Welt. Junge Menschen haben so gute Zukunftsaussichten wie in keinem anderen europäischen Land.
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Gleichzeitig gibt es viele sorgenvolle Menschen, die sich angesichts von Migration und einer rasanten technologischen Entwicklung herausgefordert fühlen. Wie können wir in einer solchen Situation unser Zusammenleben gestalten?
Ein Schlüssel für gutes Zusammenleben ist eine gute Bildungs- und Forschungspolitik. Gute Bildung ermöglicht allen Menschen, ihre individuellen Fähigkeiten zu entfalten. Sie ermöglicht ihnen, ihr berufliches und gesellschaftliches Leben zu gestalten. Forschung ermöglicht Innovationen, die unser aller Leben besser machen. Für eine solche Bildungs- und Forschungspolitik, die konsequent vom Menschen ausgeht, steht diese Bundesregierung. Dafür setze ich mich ein: in den Schulen, in den Berufsschulen, in den Hochschulen, in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in den Unternehmen. Heute möchte ich Ihnen drei Eckpunkte meiner Politik skizzieren.
Erstens. Für eine gute Bildung müssen alle, die Verantwortung tragen, an einem Strang ziehen.
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Ich möchte, dass Bildung von Bund, Ländern, Kommunen, Eltern, Lehrern und Schülern zusammen gedacht wird, unabhängig davon, wer im Detail die Verantwortung trägt. Ein zentraler Testfall für diese Zusammenarbeit ist der DigitalPakt. Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir – diesen Spruch kennt jedes Kind. Eine Schule, die auf das Leben vorbereitet, muss aufgreifen, wenn sich das Leben verändert, zum Beispiel durch die Digitalisierung. Digitale Medien gehören in jede deutsche Schule, einerseits um den Unterricht zu besser zu machen und um Kinder individueller zu fördern. Andererseits ist die Schule eine Vorbereitung auf das Leben. Die Nutzung digitaler Instrumente gehört mittlerweile zu unserem Alltag. Das muss sich auch in der Schule widerspiegeln. Den Umgang mit digitalen Medien unter pädagogischer Anleitung zu erlernen, das ist das Ziel.
Wir wollen viel Geld in die Hand nehmen, um unsere Schulen zu modernisieren, insgesamt 5 Milliarden Euro und davon allein 3,5 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode.
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Wichtig ist, dass wir jetzt zügig die Grundlage dafür schaffen und gemeinsam hier im Deutschen Bundestag und mit den Ländern das Grundgesetz ändern – im Interesse unserer Kinder. Mein Ziel ist, dass alle Kinder in unserem Land gute Bildungschancen haben, egal in welchem Teil Deutschlands sie aufwachsen, und auch, wenn sie mal umziehen müssen. Die Menschen müssen die unterschiedlichen Bildungsstrukturen in unserem Land vergleichen können,
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und sie müssen transparent sein.
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Zudem haben wir unseren Wohlstand auch deshalb, weil unser Land über viele gut ausgebildete Köpfe verfügt. Neben Transparenz und Vergleichbarkeit ist deshalb auch weiterhin eine hohe Qualität unseres Bildungswesens von entscheidender Relevanz. Ein Nationaler Bildungsrat kann hier gute Dienste leisten. Deswegen werden wir einen Nationalen Bildungsrat ins Leben rufen.
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Bei den wichtigsten Bildungsthemen wird er Bund und Länder dabei unterstützen, gesamtstaatliche Strategien zu entwickeln, auf der Grundlage neuer Erkenntnisse aus der Bildungsforschung einerseits und des Wissens von Menschen aus der Praxis andererseits. Denn dabei ist klar: Schulbildung muss nah an den Menschen bleiben; nur dann wird sie auch erfolgreich sein.
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Nah bei den Menschen, das ist auch die berufliche Bildung. Damit bin ich bei meinem zweiten Eckpunkt. Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass die berufliche Bildung wieder die Wertschätzung erhält, die ihr zusteht.
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Gerade in einer Zeit der schnellen Veränderungen ist die enge Verknüpfung von theoretischer und praktischer Bildung ein enormer Vorteil. Wir werden deshalb die berufliche Bildung gerade auch für Leistungsstarke wieder hochattraktiv machen; denn bei uns sind berufliche und akademische Bildung gleichwertige Bildungswege, und dieses Bewusstsein will ich fest in den Köpfen verankern.
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Mit dem Berufsbildungspakt, der Nationalen Weiterbildungsstrategie und der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes werden wir die Attraktivität der beruflichen Bildung weiter erhöhen. Wichtig ist, dass jeder junge Mensch seine Chancen im Leben bekommt; denn am Ende zählt weniger die Art des Abschlusses als das, was jemand daraus macht: ob jemand bereit ist, sich anzustrengen, sich weiterzuentwickeln und immer wieder Neues zu erlernen.
Eine Erstausbildung ist dabei ein wichtiger Startpunkt für ein gutes Leben. Lebenslanges Lernen aber ist der Schlüssel für Erfolg in Arbeitswelten, die sich rasant verändern. Neue Fähigkeiten werden gebraucht. Neue Berufe entstehen. Andere werden verschwinden. Ich verstehe auch gut, dass sich Menschen Sorgen darüber machen; aber ich bin zuversichtlich: Wenn wir es richtig machen, ist auch Vollbeschäftigung machbar.
Dazu müssen wir alle anpacken. Jeder Einzelne ist gefragt, sich selbst weiterzubilden, nicht nur auf eine Qualifikation zu setzen, sondern flexibel zu bleiben. Nur so werden wir den großen Fachkräftebedarf decken können. Mein Ministerium schafft die Voraussetzungen dafür. Wir werden die Aus- und Weiterbildung auf die Geschwindigkeit des modernen Lebens und Arbeitens ausrichten.
Aber natürlich geht es auch ums Geld; deswegen stehen wir ja heute hier. Wir unterstützen junge Menschen, die nach Bildung streben, und machen auch keine Unterschiede zwischen beruflicher und akademischer Bildung. Wir werden das BAföG für angehende Akademiker genauso stärken
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wie das Aufstiegs-BAföG für die berufliche Fortbildung.
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Das ist eine logische Konsequenz aus der Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung. Aber nur wenn wir die Chancen jedes Einzelnen wichtig nehmen, gewinnt die Gesellschaft als Ganzes.
So komme ich zu meinem dritten Eckpunkt. Ich möchte, dass Forschung die Menschen stets im Blick behält und dass ihre Ergebnisse den Menschen dienen.
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Selbstfahrende Autos, intelligente Haustechnik oder auch Hörgeräte, die sich auf den Sender konzentrieren: Es gibt heute schon viele Beispiele aus der Forschung, die zeigen, dass Dinge in unserem Alltag möglich sind, die wir vor einigen Jahren nur aus Science-Fiction-Filmen kannten. Wir wollen dieses enorme Potenzial nutzen, um unser aller Leben zu verbessern, um Krankheiten zu heilen, um Verkehrsströme zu lenken, um unser Lebensumfeld nachhaltiger zu gestalten.
Natürlich geht es auch darum, dass Deutschland weiterhin wirtschaftlich stark bleibt. Unser Wohlstand – unser gutes Leben – ist abhängig davon, dass wir im weltweiten Wettbewerb immer einen Schritt voraus sind. Dafür erarbeiten wir gerade eine neue Forschungs- und Innovationsstrategie, basierend auf dem Erfolgsmodell der Hightech-Strategie, die Sie schon kennen.
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Es geht weiterhin um die großen globalen Herausforderungen: Digitalisierung, Gesundheit, Klima, Energie, Mobilität, Sicherheit und Zukunft der Arbeit.
Einen wichtigen Schwerpunkt wird die Förderung von Schlüsseltechnologien bilden, insbesondere die künstliche Intelligenz. Die künstliche Intelligenz stellt uns vor eine Riesenaufgabe, sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich. Gesellschaftlich bewegen wir uns zwischen Faszination und Furcht. Wir freuen uns, wenn uns Maschinen langweilige und gefährliche Arbeit abnehmen. Aber was ist, wenn der Computer demnächst schlauer ist als wir? Wer trifft dann die Entscheidungen? Wir müssen darüber offen und breit diskutieren und einen rechtlichen und ethischen Rahmen setzen.
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Es geht dabei auch um die deutsche Wirtschaftskraft; denn wir stehen in einem harten Konkurrenzkampf, insbesondere mit den USA und China. Wer am Ende die Nase vorn hat, kann Maßstäbe und Standards setzen und sichert wertvolle Arbeitsplätze in seinem Land. Das ist eine Frage von strategischer Bedeutung. Unsere zukünftige technologische Souveränität hängt maßgeblich davon ab. Deswegen wollen wir unsere Forschung weiter ausbauen und vernetzen, unter anderem durch eine deutsch-französische Kooperation.
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Wir haben in Deutschland in den letzten 30 Jahren für dieses Forschungsgebiet, die künstliche Intelligenz, eine gute Basis aufgebaut.
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Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz ist weltweit das umsatzstärkste. Auf dieser Grundlage müssen wir jetzt noch mehr Dynamik erzeugen, besonders beim Transfer von Forschungsergebnissen in innovative Produkte. Das braucht mutige neue Unternehmer, gerade auch aus der Wissenschaft heraus.
Mein Ziel ist, dass Deutschland sich traut, noch größere Innovationssprünge zu unternehmen. Dazu muss auch der Staat mehr Freiräume und Risikobereitschaft zulassen. Ich möchte dafür eine Agentur für Sprunginnovationen einführen, die staatlich finanziert und mit außergewöhnlichen Freiheitsgraden ausgestattet ist. Ich appelliere heute an Sie, mich zu unterstützen, wenn wir mit der geplanten Agentur ambitioniert neue Wege gehen wollen; denn was wir von Forschung und Wirtschaft verlangen, das müssen wir auch für uns, die Politik, gelten lassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir investieren in diesem Jahr gut 17,5 Milliarden Euro in Bildung und Forschung. Das ist der viertgrößte Etat der Bundesregierung. Eine solide Politik, wie sie gestern von Christian Lindner eingefordert wurde, schafft erst solide Konzepte und beginnt dann, sie mit Geld zu unterfüttern;
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siehe künstliche Intelligenz. Auch hier erarbeiten wir erst ein schlüssiges Konzept, nämlich in 2018, und für 2019 und die folgenden Jahre haben wir dann 100 Millionen Euro für die Umsetzung eingeplant.
Im Haushaltsjahr 2019 planen wir weitere Aufwüchse, die unsere solide Arbeit für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes mit Geld unterlegen.
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Schon jetzt senden wir aber mit diesem Haushaltsentwurf das klare Signal: Bildung und Forschung bleiben eine verlässliche Priorität dieser Bundesregierung. Wir werden sie mit Leben erfüllen, zum Wohl jedes Einzelnen, zum Wohl des Zusammenhalts unserer Gesellschaft.
Vielen Dank.
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Herzlichen Dank, Frau Bundesministerin. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Götz Frömming für die AfD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über die sachgerechte Verwendung des uns vom deutschen Steuerzahler anvertrauten Geldes. Bildung und Forschung sind für die Zukunft dieses Landes von zentraler Bedeutung; darüber sind wir uns einig. Deshalb ist es gut, wenn wir über 17 Milliarden Euro in diesen Bereich investieren. Allerdings verbergen sich im vorliegenden Entwurf zahlreiche ideologisch eingefärbte Posten, über deren Höhe und Berechtigung man geteilter Meinung sein kann.
Brauchen wir tatsächlich eine Bundesförderung für Bildung für nachhaltige Entwicklung?
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Brauchen wir vom Bund geförderte europäische Schulen?
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Muss die empirische Bildungsforschung vom Bund mit über 2 Millionen Euro zusätzlich gefördert werden?
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Und schließlich: Brauchen wir einen Nationalen Bildungsrat, und wenn ja, welche Kompetenzen sollte dieser haben? Da gab es ja schon, Frau Ministerin, ordentlich Gegenwind aus den Ländern. Dies sind nur einige Beispiele.
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Welche Forschung und welche Bildung braucht dieses Land wirklich, um auch in Zukunft noch wettbewerbsfähig sein zu können? Hier gehen die Meinungen offenbar auseinander. Das ist auch gut so. SPD, Linke, Grüne und auch Teile der CDU streben ein Einheitsschulsystem an, mit dem eine weitere Absenkung des Niveaus einhergeht.
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– Lachen Sie nur! – Die AfD setzt sich hingegen für den Erhalt des klassischen und seit 200 Jahren in seinen Grundzügen bewährten leistungsorientierten, gegliederten Bildungssystems ein.
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Meine Damen und Herren, wir werden genau beobachten, wie sich die CDU in dieser Frage positioniert. Wenn der Bund sich künftig mehr in die Bildungspolitik der Länder einmischen will – und das wollen Sie ja offenbar –, sollten Sie dem Wähler auch verraten, wohin die Reise geht. In Baden-Württemberg hat sich die CDU ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert und sich von den Grünen über den Tisch ziehen lassen. Die Ergebnisse sprechen für sich.
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An den Grundbedingungen des Lernens und Lehrens wird sich übrigens auch durch den Einzug digitaler Techniken an unseren Schulen nichts ändern. Bei dem Hype, der in diesem Haus um das Thema getrieben wird, hat man ja fast den Eindruck, das Internet sei gerade erst erfunden worden.
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Digitalisierung und digitale Bildung darf „kein Selbstzweck“ sein; das hat der Kollege Thomas Rachel zu Recht in einer Debatte zum gleichen Thema am 24. November 2016 – so lange reden Sie schon darüber – in diesem Hause gesagt. Die Antwort auf die Frage, was Sie mit einer digitalen Bildung aber genau meinen und erreichen wollen, haben bisher weder er noch Frau Wanka und auch nicht Frau Ministerin Karliczek in ihrer an Phrasen reichen Rede eben gegeben.
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Sie dürfte Ihnen auch schwerfallen; denn schon Ihre Grundannahme ist falsch, dass es eine digitale Bildung gäbe.
Bildung ist seit Sokrates und Platon analog und wird es auch bleiben, da sich Bildung immer auf den Menschen bezieht und beziehen muss.
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Wer das versteht, den wundert dann auch nicht mehr, was wissenschaftliche Studien zu dieser Frage – oft zur Überraschung der Auftraggeber – zutage gefördert haben. Die OECD-Studie „Students, Computers and Learning“ von 2015 hat ergeben, dass eine verstärkte Investition in digitale Medien nicht zu besseren Leistungen führt.
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, dass Sie alle miteinander auch deshalb so gerne über Digitalisierung reden, weil Sie dann nicht über die wirklichen Probleme in diesem Land und insbesondere an unseren Schulen sprechen müssen.
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Aber jetzt sind wir ja da, um Sie daran zu erinnern.
An unseren Schulen bahnt sich nämlich eine Katastrophe an. Deutschland braucht nach Berechnungen von Bildungsforschern bis 2025 105 000 neue Grundschullehrer. Es stehen aber im selben Zeitraum nur 70 000 Absolventen von Universitäten zur Verfügung. Wo sollen die 35 000 fehlenden Lehrer herkommen? Keine Antwort. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat die Gesamtkosten für die Instandsetzung maroder Schulen in Deutschland auf 34 Milliarden Euro beziffert. Wie viel haben Sie davon in Ihrem Haushalt eingeplant? – Sie müssen nicht antworten, das war eine rhetorische Frage.
Viele Schulen in Deutschland sind inzwischen nur noch dem Namen nach das, was wir uns unter einer Schule vorstellen. Immer wieder haben Schulleiter, Lehrer und Eltern sich in Brandbriefen an die Politik gewandt. In der „Berliner Zeitung“ von heute steht:
Eine unbegrenzte … Integration von verhaltensauffälligen … Kindern kann … nicht gelingen.
Kleinere Klassen wären hilfreich, schreiben die Kollegen. Stattdessen werden die Klassen größer, auch dank der konzeptlosen Einwanderungspolitik, die Sie betreiben.
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In einem Hilferuf von Lehrern aus Saarbrücken heißt es, dass physische und verbale Gewalt gegen Mitschüler und Lehrer, Messerattacken, Sachbeschädigungen, Drogen und Alkohol zum Schulalltag gehören.
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In Berlin wurde jüngst ein Fall bekannt, bei dem ein jüdisch gläubiger Junge die staatliche Schule verlassen und auf einer Privatschule Zuflucht suchen musste. Meine Damen und Herren, das ist eine Schande für dieses Land und nicht der Hinweis auf diese Missstände.
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Sagen Sie jetzt bitte nicht, das alles sei doch Ländersache.
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Wer sich mit einem Leuchtturmprojekt wie dem DigitalPakt schmücken und dafür sogar das Grundgesetz ändern will, der sollte vor den Problemen, die ich angesprochen habe, nicht die Augen verschließen. Was tun Sie, um den Ländern bei der Bewältigung dieser historischen Aufgaben zu helfen?
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Ach ja, richtig, es gibt vielleicht ein paar Computer mit Internetanschluss, für deren Installation, Software und Wartung die Länder auch noch selbst aufkommen dürfen. Frau Ministerin, das reicht nicht!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Dr. Karl Lauterbach für die sozialdemokratische Fraktion das Wort.
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Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In unserem Bildungs- und Forschungssystem gibt es strukturelle Probleme, die wir seit vielen Jahren kennen, aber nicht wirklich gut in den Griff bekommen. Dazu gehört – das muss man ehrlicherweise einräumen –, dass der Bildungserfolg in Deutschland mehr als in anderen europäischen Ländern von der Herkunft der Kinder abhängt. Das heißt, der wahrscheinliche Bildungserfolg eines Kindes, das sich seine Eltern ja nicht aussuchen kann, ist durch seine Herkunft geprägt. Das ist ungerecht. Das ist eine enorme Verschwendung von Ressourcen, von Talent, unserer einzigen Rohstoffquelle, was langfristig die Demokratie aushöhlen kann, weil es niemandem zu erklären ist, weder den Betroffenen noch den Eltern. Insofern glaube ich, dass wir den Schwerpunkt unserer Arbeit zunächst auf eine bessere Förderung der Kinder legen müssen; denn die Kinder sind diejenigen, die langfristig darüber bestimmen werden, ob wir eine Zukunft haben, ob das Land sich gut oder schlecht entwickelt.
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Das Bildungssystem hat am Anfang und am Ende Schwächen. Ich bin selbst Wissenschaftler und lese jeden Tag wissenschaftliche Studien; ich gehe nach wie vor meiner wissenschaftlichen Leidenschaft nach. In den Bereichen der Biotechnologie und der Medizin ist es traurigerweise so, dass ich bei meiner oft viele Stunden dauernden Lektüre nicht auf eine einzige deutsche Studie treffe; das ist seit vielen Jahren so. Der Abstand zum Beispiel zu den Vereinigten Staaten ist größer geworden. In der Medizin und in der Biotechnologie ist keine deutsche Universität unter den 40 am häufigsten zitierten und am höchsten gerankten wissenschaftlichen Einrichtungen. Die Charité, die größte deutsche Universitätsklinik in der Hauptstadt, belegt lediglich den 300. Rang. Das heißt, wir sind in vielen Bereichen abgeschlagen. Der Abstand wird größer. Das ist ein Thema, das man ernsthaft und ehrlich thematisieren muss.
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Wenn wir dem begegnen wollen, dann brauchen wir das, was bei Frau Karliczek schon zur Sprache kam. Es ist vielleicht etwas abstrakt formuliert, aber wir brauchen einen nationalen Bildungsneubeginn, einen nationalen Bildungspakt. Wir brauchen nationale Bildungsstandards. Wir müssen uns in allen Bereichen die Frage stellen: Wie können wir das nationale Bildungs- und Forschungsniveau weiterentwickeln, um langfristig konkurrenzfähig zu sein?
Das beginnt mit der Schule. Ich bin mit Ihnen, Herr Frömming, einer Meinung. Die Studie, die Sie eben zitiert haben, hat gezeigt, dass der Leistungserfolg der Schüler nicht von der Bildung abhängt. Darum geht es aber auch nicht. Es geht darum, mit der Digitalisierung die Kinder auf die Nutzung digitaler Produkte, Technologien, künstlicher Intelligenz und Robotik vorzubereiten.
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Das heißt: Man darf den sokratischen Ansatz nicht gegen die Digitalkenntnis ausspielen. Wir brauchen den DigitalPakt; dafür haben wir auch gekämpft. Es war problematisch, dass die Mittel nicht etatisiert waren. Aber es ist ein Erfolg, dass sich Olaf Scholz hier bewegt hat und wir jetzt die 2,4 Milliarden Euro aus dem Digitalfonds nutzen können. Wir werden sie nicht komplett für die Schulen einsetzen können; aber wir können einen entschleunigten Einstieg wagen. Das ist sehr wichtig, weil wir sonst in diesem Bereich nicht weiterkommen werden.
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Wir müssen aber auch diejenigen fördern, die das Bildungssystem bereits durchlaufen haben. Künstliche Intelligenz und Robotik werden dazu führen, dass viele Berufe zwar nicht verschwinden, aber durch die Unterstützung dieser Methoden ein Phänomen erleben, das man „Deskilling“ nennt. Das heißt: Ich muss weniger qualifiziert sein, weil mir die künstliche Intelligenz hilft. – Das führt zu einem massiven Qualifikations- und auch Einkommensverlust, weil mit weniger Qualifikation die gleiche Arbeit geleistet werden kann. Das betrifft alle Berufe, sogar den Beruf des Radiologen. Mittlerweile ist die künstliche Intelligenz einem erfahrenen Radiologen bei einigen Tumorerkrankungen überlegen; denn ein erfahrener Radiologe sieht den Tumor vielleicht 20- oder 30-mal im Laufe eines Monats, aber das Programm der künstlichen Intelligenz sieht ihn 10 000-mal beim Anlernen und danach jeden Tag und wird jedes Mal besser. Das werden wir in jedem Beruf erleben.
Wenn wir dem begegnen wollen, wenn wir den Vorteil, den wir derzeit haben, behalten wollen, der darin besteht, dass wir um unser duales System international beneidet werden und es wettbewerbsfähig ist, dann müssen wir diejenigen, die jetzt im System sind, aufwerten. Diese Aufwertung ist nur möglich, wenn wir in Weiterbildung, in Meisterschulung, in Meister-BAföG und Ausbildungsprogramme investieren. Wir dürfen diejenigen, die das Bildungssystem bereits durchlaufen haben, nicht zurücklassen. Nur so werden wir langfristig den Anschluss behalten und unser gutes System verteidigen können.
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Ich komme zum Schluss. Bei der Forschungsproblematik, über die ich am Anfang gesprochen habe, spielt eine gewisse Rolle, dass wir einen großen Teil der Forschungsmittel, die wir zur Verfügung haben, institutionell vergeben. Wir vergeben sie nicht für große, zukunftsorientierte Projekte, sondern an Einrichtungen. Ich bringe ein Beispiel: In England gibt es das UK-Biobank-Projekt, ein Projekt, das sich mit Gentechnik und Proteomik beschäftigt. Allein in dieses Projekt fließen jährlich 500 Millionen Euro, über einen Planungshorizont von zehn Jahren. Das ist nur möglich, weil dort große Mittel zur Verfügung stehen, die projektbezogen an Spitzeneinrichtungen verteilt werden können und nicht Institutionalisiert vergeben werden müssen. Darüber müssen wir nachdenken. In dem Bereich brauchen wir mehr Transparenz.
Ich bin selbst Forscher und stehe sozusagen eher am annehmenden Ende.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Die Art und Weise, wie die Mittel vergeben werden, ist für uns Forscher derzeit intransparent. Dort müssen wir Transparenz schaffen. Wir müssen mehr Mittel für langfristige Forschungsprojekte zur Verfügung stellen. Wir müssen in jedem Bereich unseres Bildungssystems unter den Aspekten Gleichheit und Spitzentechnologie investieren.
Vielen Dank.
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Als Nächstes für die Fraktion der Freien Demokraten der Kollege Christoph Meyer.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Lauterbach, ich bin überrascht – zu Beginn meiner Rede diese Anmerkung –, dass ich Ihnen recht geben muss, dass wir in Deutschland ein Problem haben, was die soziale Durchlässigkeit beim Bildungserfolg angeht. Aber wer ist denn dafür verantwortlich? Ich komme aus Berlin. In den letzten 20, 30 Jahren trägt die Sozialdemokratie in Berlin die Verantwortung dafür, dass die Teilhabe am Bildungserfolg nirgendwo anders so undurchlässig ist, selbst in den Ländern nicht, die von der Sozialdemokratie regiert werden. Deswegen: Sprechen Sie einmal mit Ihren Genossen!
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Ich habe versucht, der Rede der Ministerin zuzuhören. Sie haben drei Schwerpunkte genannt, unter anderem gute Bildung, gesamtstaatliche Strategie, Nationaler Bildungsrat. Das klingt alles sehr gut. Es klingt ein bisschen so, als wollten Sie bei der Abschaffung des Kooperationsverbotes über die Finanzströme hinausgehen. Seien Sie einmal mutiger, dann hätten Sie vielleicht auch die Sozialdemokratie an Ihrer Seite, uns als FDP auf jeden Fall.
Als zweites Lippenbekenntnis, das Sie hier genannt haben, ist die Modernisierung der beruflichen Bildung für Sie ein Schwerpunkt. Die Wahrheit ist doch, dass der Etatansatz, Titelgruppe 20, in Ihrem Haushalt 2018 um 200 000 Euro auf 540 Millionen Euro reduziert wird und die Mittelausschöpfung dieser Titelgruppe auch nur bei 86 Prozent liegt. Deswegen sind die Probleme, die Sie hier dargestellt haben, hausgemacht. Da können Sie sich bei Ihrer Vorgängerin beschweren. Der Punkt, über den wir hier sprechen müssen, ist, dass Sie zwar die neue Ministerin sind, die politische Verantwortung dafür aber seit mehreren Jahren die Große Koalition bzw. die Union trägt.
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Beim Thema Forschung habe ich Sie nicht ganz verstanden. Zu Beginn sagten Sie, der Mensch müsse im Mittelpunkt der Forschung stehen. Am Ende haben Sie aber die Kurve bekommen und gesagt, dass es auch um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und unserer Wirtschaft gehe. Angesichts des Haushaltsplans 2018 passt das nicht zur Realität. Da werden die Mittel im Kapitel „Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Innovationssystems“ nämlich um 454 Millionen Euro abgeschmolzen.
Wir sehen: Sie haben viele gute Ideen und viele gute Ansätze, bei denen wir theoretisch Ihrer Meinung wären. Aber das wird in diesem Haushalt leider nicht abgebildet. Die Wahrheit ist: Bildung kommt im Haushalt 2018 schlecht weg. Es gibt weniger anstatt mehr Geld für Bildung,
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und das Ganze bei 10 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen im Bund bis 2020. Kein Schwerpunkt bei Investitionen in Zukunftsprojekte, nicht bei Forschung, nicht bei Hochtechnologie!
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Ein Blick auf die Mittelverwendung zeigt, dass wir hier dasselbe Problem haben wie bei anderen Einzelplänen: Es fehlt die systematische Kontrolle, was die Vorhaben angeht. Das gilt sowohl für laufende als auch für abgeschlossene Projekte. Der Rechnungshof bemängelt das zu Recht. In diesem Einzelplan stehen 7 Milliarden Euro an Projektmitteln, allerdings ohne ausreichende Erfolgskontrolle und vor allem ohne klare Zielsetzung.
Sie haben den DigitalPakt Schule angesprochen. Frau Ministerin, Sie haben am 2. Mai in einem Statement bei der Bundespressekonferenz formuliert, Digitalisierung finde nun doch recht schnell statt. Darum müsse der Ausbau der Infrastruktur zügig vorangehen. Angesichts der Zahlen werden Sie mit einer Bund-Länder-Vereinbarung, einer Programmaufstellung, einem Richtlinienerlass und einer Ausschreibung frühestens Ende 2019 vorankommen. Das ist ein Armutszeugnis für diese Koalition. Sie reden viel, umsetzen tun Sie wenig.
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Im Etat sind viele Titel – das muss ich an dieser Stelle einmal sagen –, auch schön formuliert. Was dahintersteckt, wissen wir leider nicht genau,
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weil Ihr Haus uns Haushältern die Fibel mit weiteren Informationen zu den einzelnen Titeln erst in den letzten zwei Stunden zur Verfügung gestellt hat. Das werden wir in den nächsten Tagen nachvollziehen können.
Was bleibt, ist die Feststellung: Es gibt aufwachsende Ausgabenreste in Ihrem Etat, auch aufwachsende Selbstbewirtschaftungsmittel der Forschungseinrichtungen, die bald die 1-Milliarde-Euro-Grenze knacken. Es gibt in Ihrem Haus einen Stellenaufwuchs von 16 Prozent in den letzten zwei Jahren, und offensichtlich – auch das kritisiert der Rechnungshof – haben wir es mit einer Unschärfe zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Fachinformationen zu tun. Alles in allem eine ganze Menge an Baustellen für ein Schwerpunktressort, das das Ressort „Bildung und Forschung“ sein soll!
Wir werden Ihnen als Serviceopposition in den Haushaltsberatungen und darüber hinaus in dieser Legislatur eine ganze Menge Vorschläge an die Hand geben, was MINT-Investitionen, frühkindliche Bildung und effektive Digitalisierung angeht. Ich hoffe, dass wir da zusammenkommen.
Ich danke Ihnen.
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Herzlichen Dank, Herr Kollege Meyer. – Nun für die Fraktion Die Linke die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 4. Oktober 1957 ereilte die USA etwas, was in die Geschichte als Sputnik-Schock eingegangen ist. Was war geschehen? Der damaligen Sowjetunion war es gelungen, ein unbemanntes Raumschiff, den Sputnik, ins All zu schicken. Niemand in den USA hatte das der Sowjetunion zugetraut. Die Schlussfolgerungen in den USA waren allerdings bemerkenswert und sind für uns noch heute lehrreich. Es wurde nämlich ein breites Stipendienprogramm aufgelegt, und zwar ausdrücklich für Kinder aus Nichtakademikerfamilien. Man hatte erkannt, dass es nicht reicht, wenn sich die Eliten nur aus sich selbst rekrutieren. Ich finde, diese Idee müssen wir aufgreifen, meine Damen und Herren.
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Die Bildungsmauer zwischen oben und unten in unserem Land ist hoch, unverantwortlich hoch. Von 100 Kindern aus Akademikerfamilien beginnen, statistisch gesehen, 79 ein Hochschulstudium. Bei Nichtakademikern schaffen gerade einmal 27 von 100 Kindern den Sprung an die Hochschule. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. An der Ungleichverteilung der Aufstiegschancen hat sich in den letzten elf Jahren kaum etwas verändert. Frau Ministerin, es ist Ihre Aufgabe, diese Bildungsmauern endlich niederzureißen.
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Für Eltern, die wenig Geld haben, bedeutet ein Studium der Kinder ein großes Risiko. Das darf nicht sein. Darum fordert Die Linke ein elternunabhängiges BAföG. Wir können das finanzieren, wenn wir uns von der roten Null verabschieden und Reichtum endlich gerecht besteuern.
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In der Wissenschaft selbst und in der Gesellschaft insgesamt wird über eine Glaubwürdigkeitskrise der Wissenschaft diskutiert. Ja, wir müssen Wissenschaft neu denken. Frau Ministerin, Sie haben in mehreren öffentlichen Veranstaltungen die Wissenschaft aufgefordert, stärker zu kommunizieren und zu erklären. Doch ich glaube, wir haben nicht nur ein Kommunikationsproblem. Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten an dieser Stelle den Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber zitieren.
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Er schreibt in der Auseinandersetzung mit Donald Trump und den Leugnern des Klimawandels
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– ja, da melden sich die Richtigen zu Wort –:
… die Gründungsväter der Aufklärung erklärten … mit Nachdruck, dass Erkenntnis ohne Ethik wertlos ist. Diese Ethik stellt an Forscher zwei Ansprüche. Nämlich sich bei der Suche nach der Wahrheit nicht von Interessen beeinflussen zu lassen. Und die aufgefundenen Wahrheiten nach Maßgabe der humanistischen Werte in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Das bedeutet, Mitverantwortung für die Nutzung … der eigenen Erkenntnisse zu übernehmen.
Dem kann ich nur voll zustimmen, meine Damen und Herren.
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Im Augenblick muss sich die Wissenschaft gegen Falschmeldungen wehren; sie muss sich aber auch gegen einen großen Verwertungsdruck wehren. Wir müssen hier als Politikerinnen und Politiker an ihrer Seite stehen und die Wissenschaft davor schützen, von Konzernen immer mehr in ihren Dienst gezwungen zu werden.
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Was für VW oder BASF gut ist, muss automatisch auch für die Gesellschaft gut sein! Wir wissen doch alle, meine Damen und Herren, dass dem nicht so ist. Wir brauchen keine Appelle der Bundesregierung an die Wissenschaft. Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hangeln sich von einer befristeten Stelle zur nächsten; das darf so nicht weitergehen.
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Sie sind gezwungen, wertvolle Zeit mit endlosen Projektanträgen und für die Einwerbung von Drittmitteln zu verschwenden.
Im Grundgesetz steht:
Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.
Aber – das muss ich hinzufügen –: nicht frei von den Gesetzen des Kapitalismus. Mein Appell: Verteidigen wir das Grundgesetz, und zwar in seinem Wortlaut!
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Dr. Lötzsch. – Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Kai Gehring.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ministerium für Bildung und Forschung müsste eigentlich das Gerechtigkeits- und Innovationshaus schlechthin sein.
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Die Wirklichkeit ist leider eine ganz andere: Bildung und Forschung haben keine Priorität bei der kleinen GroKo. 46 Milliarden Euro wollen Union und SPD per Gießkanne in dieser Wahlperiode zusätzlich ausgeben. Nur kümmerliche 6 Milliarden Euro davon sind für Bildung und Forschung, Hochschulen und Digitalisierung vorgesehen. Was für ein Armutszeugnis!
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Wir wollen, dass Deutschland bei Investitionen in Bildungsgerechtigkeit, Forschung und Innovation spitze wird.
Wir sagen: Zukunft darf nicht von Herkunft abhängen.
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Ich möchte beispielhaft drei Fragen ansprechen, die Sie beim Thema Bildungsgerechtigkeit nicht beantworten.
Erstens. Beim BAföG geht es weiter bergab. Knapp 20 Millionen Euro weniger sind in Ihrem Haushalt dafür eingeplant. Das zentrale Instrument für Bildungsaufstieg verkümmert Jahr um Jahr mehr. Das ist blamabel. Noch in diesem Haushalt muss endlich die Trendwende kommen. Das BAföG muss zum Wintersemester rauf!
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Zweitens. Ministerin Karliczek schweigt zum Megathema „Integration durch Bildung“. Wir alle, Länder, Kommunen, Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Ehrenamtler vor Ort, ackern weiter daran, dass Integration gelingt. Die Programme für Geflüchtete an Hochschulen sind ein Erfolg, der Freude macht. Aber es braucht mehr Sprachkurse und Integrationsförderung von der Kita bis zur Uni. Je entschlossener wir in Chancen für alle investieren, desto mehr Erfolgsgeschichten schreiben Menschen, die Deutschland ihre alte und neue Heimat nennen. Bildung ist das A und O für Integration. Also anpacken und weiterfinanzieren, Frau Ministerin!
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Drittens. Nichts vorzuweisen hat Frau Karliczek, wie sie die duale Ausbildung konkret stärken will. Dabei wachsen Ausbildungslosigkeit, Ausbildungsabbrüche, Vertragslösungsquoten und Warteschleifen, nicht aber die Finanzmittel für Berufsbildung. Es braucht mehr als schöne Worte über Ausbildung. Jugendliche brauchen eine Offensive, damit mehr Betriebe ausbilden und alle einen guten Ausbildungsplatz finden.
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Stillstand auch beim DigitalPakt Schule, verkündet 2016. Nun wollen Union und SPD erst einmal unser Grundgesetz ändern, bevor überfällige digitale Mittel fließen können. Legen Sie endlich einen Zahn zu, liebe GroKo, und sprechen Sie mit der Opposition, wie wir unsere Verfassung gemeinsam für beste Bildung fit machen; denn nur mit uns gibt es die erforderliche Zweidrittelmehrheit.
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Wir sagen: Bund und Länder sollen hürdenfrei zusammenarbeiten dürfen zum Wohle der Chancen aller Kinder durch verlässliche dauerhafte Finanzierung, mehr Qualität und Vergleichbarkeit.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, rund 17,5 Milliarden Euro sollen in diesem Haushalt für Bildung und Forschung ausgegeben werden. Mehr als doppelt so viel geht schon jetzt für Waffen, Rüstung und Verteidigung drauf. Anstatt den Verteidigungsetat weiter aufzublähen, müssen wir mehr investieren, unter anderem in multilaterale Diplomatie, zivile Krisenprävention, in Friedens- und Konfliktforschung. Deutschland muss Wissenschaftsnation und Friedensmacht sein. Das muss sich im Forschungsetat niederschlagen,
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erst recht, weil selbst Bündnispartner krasse Irrwege einschlagen. So hat US-Präsident Trump in diesen Tagen das NASA-Klimaprogramm gestrichen, das Daten zum Ausstoß von Treibhausgasen aufzeichnet. Das findet nur die AfD gut. Aber das ist doch ein völlig irres Motto: Wenn du dein Fieber loswerden willst, wirf einfach dein Thermometer weg! – Wir erwarten von der Bundesregierung Widerspruch und beherztes eigenes Handeln. Dem wissenschaftsfeindlichen Kahlschlag der USA müssen wir mit einem forschungspolitischen Aufbruch hierzulande kontern.
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Damit meine ich nicht Ihren neuen Haushaltstitel für künstliche Intelligenz, für den Sie null Euro – null Euro! – in diesen Haushalt eingestellt haben. Ich meine, als kreatives Land der Wissenschaft müssen wir unsere leistungsstarke Landschaft universitärer und außeruniversitärer Forschung deutlich stärken. Als Grüne im Bundestag fordern wir mehr Forschung zur Lösung großer globaler gesellschaftlicher Herausforderungen, technologieoffen und im Einklang mit den nachhaltigen Entwicklungszielen und Klimaschutzzielen. Also, los Frau Ministerin!
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz bester Ausgangslage kommen Investitionen in Bildung und Forschung einfach zu kurz. Ich habe Zweifel, dass die kleine GroKo ernst macht, wirklich 3,5 Milliarden Euro des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben. Es ist auch ein großer Fehler, dass Sie sich im Koalitionsvertrag vom 7-Prozent-Ziel für Bildung verabschiedet haben. Unseren Kindern können wir ein unterfinanziertes Bildungssystem nicht zumuten.
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Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.
Das mache ich gerne. – Wir wollen, dass Deutschland endlich aufrückt zu den Spitzenländern bei Bildungsinvestitionen und ‑gerechtigkeit. Wir wollen höhere Investitionen, um Pionierland für technische, soziale und ökologische Innovationen zu werden. Alles andere ist ein Haushalt ohne Zukunft.
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Vielen Dank. – Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Albert Rupprecht für die CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Herr Frömming, ich habe Verständnis dafür, dass man, wenn man neu ist im Parlament, 100 Tage braucht, um sich einzuarbeiten. Aber nach inzwischen 235 Tagen sollten Sie zumindest verstanden haben, welche Aufgaben wir hier im Deutschen Bundestag haben. Sie reden bei jeder Debatte und auch im Ausschuss von der Schulbildung. Das ist der einzige Bereich, für den wir nicht zuständig sind. Dafür sind die Länder zuständig. Sie sollten sich entscheiden, ob Sie im Deutschen Bundestag, im Berliner Abgeordnetenhaus oder im Sächsischen Landtag mitarbeiten wollen.
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Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, der Haushalt 2018 liegt in der Tradition der Linie seit 2005, als wir die Regierung übernommen haben. Herr Meyer – das richte ich an Sie –, ich habe durchaus Verständnis, wenn man neu ist, kennt man nicht die gesamte Historie und weiß nicht, mit jedem Paket sofort etwas anzufangen und einzuschätzen, welche Bedeutung es hat. Aber ich nenne Ihnen noch einmal die Zahlen.
Was haben wir seit 2005 gemacht? Wir haben die Mittel in diesem Bereich dramatisch, massiv erhöht. Wo Sie auch auf der Welt unterwegs sind, wird das wertgeschätzt, und es wird gesagt: Deutschland ist in Wissenschaft und Forschung wieder in der Weltspitze dabei. Die Entwicklung der Zahlen seit 2005: Der BMBF-Haushalt ist um 132 Prozent gestiegen. Das ist eine beeindruckende Zahl, das ist ein Spitzenwert, sehr geehrte Damen und Herren.
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Nicht nur die Zahlen sind gestiegen. Wir haben vonseiten des Bundes Strukturreformen in Bereichen angestoßen, in denen wir auch die Zuständigkeit hatten. Wir haben eben nicht über Themen diskutiert, die in der föderalen Struktur nicht in unsere Zuständigkeit fallen. Wo wir die Zuständigkeit haben, haben wir Strukturreformen angestoßen, die das gesamte Wissenschaftssystem auf eine neue architektonische Grundlage gestellt haben, beispielsweise mit dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz – ein weitreichender Beschluss –, der Hightech-Strategie – sie ist tiefgreifend, alle Ressorts arbeiten zusammen –, der Exzellenzinitiative und der Exzellenzstrategie – ein Meilenstein historischer Dimension für die Hochschulen in Deutschland –
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sowie den Hochschulpakten. Wissen Sie, welcher Betrag im Rahmen des Hochschulpakts zur Verfügung gestellt wird? Es wurde gesagt, da würde nichts gemacht. Ja, wo sind wir denn? Die Mittel, die der Bund von 2007 bis 2023 im Rahmen des Hochschulpakts zur Verfügung stellt – nur das Bundesgeld –, betragen summa summarum 20,2 Milliarden Euro.
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Das sind Beiträge, die der Bund leistet, obwohl es nicht seine Hauptaufgabe gewesen wäre; in der Tat ist es primär Länderaufgabe. Wir haben es aber mit angeschoben, um Entwicklungen anzustoßen. Beispielsweise ist die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Hochschulen seit 2007 um 48 Prozent gestiegen. Auch das ist ein Ergebnis der Leistungen, die wir gemeinsam erbracht haben.
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Noch eine Zahl: Beim Pakt für Forschung und Innovation – für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen – gibt es einen verlässlichen Aufwuchs von 3 bzw. 5 Prozent. Wo auf der Welt gibt es solch eine Verlässlichkeit? Fahren Sie einmal zu den großen Einrichtungen in den USA. Sie sagen: Geld haben wir viel, aber es wird immer weniger, und Verlässlichkeit haben wir keine. – Unsere Einrichtungen haben Verlässlichkeit, und es gibt eine Steigerung. Seit 2005 wurden die Mittel um sage und schreibe 207 Prozent gesteigert.
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Das ist alles viel Substanz, und das ist alles viel Holz, sehr geehrte Damen und Herren. Das wäre ohne das Engagement der von uns seit 2005 geführten Bundesregierungen – in Zeiten der Regierung gemeinsam mit der FDP bzw. der SPD – in keiner Weise möglich gewesen.
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Auch mit dem Haushalt dieses Jahres und den Haushalten der nächsten Jahre dieser Legislatur gehen wir genau diesen Weg weiter. Wenn man sich die Zahlen genau anschaut und nicht bloß oberflächlich drübergeht, wenn man nämlich den Effekt herausrechnet, der sich durch die doppelten Abiturjahrgänge ergeben hat – der Hochschulpakt ist ausfinanziert –, dann erkennt man: Der Haushalt ist in diesem Jahr faktisch um 569 Millionen Euro gestiegen, um gut eine halbe Milliarde Euro in einem Jahr. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist Substanz, das ist eine Menge Holz, und damit kann man was machen.
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An dieser Stelle Gratulation an die neue Ministerin, dass sie das – gemeinsam mit dem Finanzminister – gleich umgesetzt und hingekriegt hat!
Die guten Zahlen ändern nichts daran, dass es etwas zu tun gibt. Ich wollte eigentlich drei Bereiche ansprechen;
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aber die Ministerin hat mir ein paar Minuten meiner Redezeit geklaut. Deswegen muss ich mich kürzer fassen; ich mache es ein Stück weit im Stakkato.
Erstens: das Thema Transfer. Wir geben der Wissenschaft massiv mehr Geld. Wir erwarten im Gegenzug aber auch massiv mehr Ergebnisse, und zwar nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch Anwendungen, Produkte, Dienstleistungen – Transfer eben. Wenn uns das EFI-Gutachten sagt, dass wir zwar mehr Geld geben, aber die Innovationskraft des Mittelstandes dramatisch sinkt, dann stimmt da etwas nicht, dann können wir uns damit nicht zufriedengeben. Wenn uns der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft im Ausschuss sagt, es sei ein großer Erfolg, dass die Zahl der Ausgründungen inzwischen auf 17 pro Jahr angestiegen ist – 17 bei einer Organisation mit 38 000 Mitarbeitern, sehr geehrte Damen und Herren! –, dann ist das, mit Verlaub gesagt, viel, viel zu wenig – um es nur an einem Punkt aufzuzeigen.
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Wir müssen uns am internationalen Maßstab orientieren, an Standorten wie Boston, Stanford, Tel Aviv usw., bei denen man sieht, welche Ergebnisse für die Bevölkerung bei einer guten Vernetzung und einer guten Struktur mit wissenschaftlichen Erkenntnissen erzielt werden können. Ich bin außerordentlich froh, dass die Ministerin einen ihrer Schwerpunkte auf dieses Thema legen möchte – ebenso auf das Thema berufliche Bildung, das ein weiterer Punkt meiner Rede gewesen wäre, den ich jetzt aber streichen muss. Da liegen wir auf derselben Linie.
Unsere Position ist im Übrigen, dass das Bildungs- und Forschungsministerium zukünftig eigentlich „Bundesministerium für Forschung, Bildung und Transfer“ heißen sollte. Unser Vorschlag war in den Koalitionsverhandlungen nicht mehrheitsfähig. Aber wir arbeiten weiter an diesem Thema.
Bei all den Pakten, die in den nächsten Jahren verlängert werden, insbesondere der Pakt für Forschung und Innovation, darf der Aspekt des Transfers nicht als 16. Spiegelstrich genannt werden, sondern er muss im Zentrum verankert sein. Wir Fachpolitiker werden haushalterisch Ihnen bei der Verlängerung der Pakte die Hand nur reichen, wenn der Gedanke der substanziellen Stärkung des Transfers zentral, wirkungsvoll und auch kontrollierbar in den Verträgen verankert ist.
Lassen Sie mich in aller Kürze ein weiteres Thema ansprechen. Es geht um die Diskussion über eine Verfassungsänderung im Zusammenhang mit dem Kooperationsverbot. Es ist eine weitreichende Diskussion. Ich finde, wir sollten nun die oberflächlichen Begrifflichkeiten hinter uns lassen und in die Tiefe des Themas einsteigen. Der Begriff „Kooperationsverbot“ ist ein, ich sage mal, genialer linker Kampfbegriff; ich frage mich, wieso die FDP auf diesen Zug aufspringt. In der Sache ist er falsch, und er ist gefährlich, weil der Eindruck erweckt wird, wir brauchten bloß das üble Kooperationsverbot abschaffen und dann gäbe es riesige Qualitätssprünge in unserem Bildungswesen. Das ist eine ideologische Verkürzung, die grottengefährlich und vollkommen falsch ist und die der Komplexität unseres Bildungswesens in keiner Weise gerecht wird.
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Der Präsident blinkt hier schon.
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Lassen Sie mich noch zwei Punkte in aller Kürze darstellen. Es gab noch nie so viele Kooperationen wie im Jahr 2018. 2002 lag der Betrag, mit dem Bund und Länder gemeinsam die Wissenschaft unterstützt haben, bei 4,8 Milliarden Euro. Im Jahr 2015 – das sind die Zahlen, die uns abschließend vorliegen – haben wir 13,4 Milliarden Euro. Das ist eine Verdreifachung der Mittel.
Nun gibt es irgendwelche Leute, die den Nonsens von sich geben, es gäbe ein Kooperationsverbot, es würde nicht kooperiert. Es gibt Kooperationen, nur mit klaren Zuständigkeiten. Wenn wir die Verfassung ändern, dann müssen wir sauber darauf achten, dass das so bleibt. Wir werden eine entsprechende Änderung mittragen, aber es muss geklärt sein, dass Subsidiarität und Dezentralität weiterhin gegeben sind.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Ich weiß. Entschuldigung. – Der Bund soll das machen, wo er substanziell einen mehrwertigen Beitrag leisten kann. Darüber hinaus ist es zum Glück in der föderalen Struktur weiterhin Aufgabe der Länder, Schulpolitik zu betreiben.
Danke schön.
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Der Kollege Dr. Michael Espendiller von der AfD ist der nächste Redner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Liebe Grüninnen! Wir haben heute schon so einiges von den großartigen Segnungen des vorliegenden Bildungsetats gehört.
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– Da kommt gleich noch etwas Besseres. – Wir reden über 17,5 Milliarden Euro. Die Bundesregierung erhebt damit den Anspruch, dass unser Land – Zitat – „die beste Bildung für unsere Kinder“ bekommt. Wird das mit diesem Haushaltsentwurf erreicht?
Im Haushaltsplan gibt es einige gute und einige schlechte Ansätze. Ein positives Beispiel: 331 Milliarden Euro sollen in die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung fließen. Das begrüßen wir ausdrücklich. Ein negatives Beispiel: Finanziert wird ebenfalls das Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam, das maßgeblich am Klimaschutzplan 2050 mitgewirkt hat.
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Eine Mitarbeiterin – nennen wir sie Frau E. – bezeichnete Windkraftgegner und Kritiker der Energiewende als – Zitat – „Wissenschaftshasser“. Frau E. muss es wissen; denn schließlich hat sie die geballte Kompetenz als Umweltsoziologin.
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Eine kurze Erklärung, warum ich das kritisiere. Schauen Sie sich an, wie Klimamodelle funktionieren.
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Das ist ein komplexes System von gewöhnlichen, ordinären Differenzialgleichungen. Für Kritik fehlt einer Umweltsoziologin hierfür das Rüstwerkzeug. Das bekommt sie im Detail nicht hin. Aber dann eine solche Kritik zu üben, das ist unwissenschaftlich. Kritiker werden diffamiert, und das lassen wir nicht zu. Dieses Institut soll jetzt mit 250 000 Euro zusätzlich gefördert werden. Wir sagen: Es ist zu unwissenschaftlich. Weg damit!
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Ein anderes Thema ist das Verhältnis von beruflicher und akademischer Bildung; Frau Karliczek hat es angesprochen. Fast 60 Prozent eines Jahrganges beginnen ein Studium. Handwerker und Kleinunternehmer beklagen sich über immer geringeres Interesse an Ausbildungsberufen.
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– Ich bin promovierter Mathematiker. Deswegen kann ich über Differenzialgleichungssysteme und Klimamodelle reden.
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Die Ausbildungsberufe genießen eine immer geringere Wertschätzung. Es herrscht oft die Meinung, dass man ohne Studium weniger wert ist. Das ist so fatal wie falsch; denn das treibt zu viele junge Menschen in die Universitäten. Damit beginnt ein Verdrängungswettbewerb, bei dem der studierte Betriebswirt nachher den gelernten Kaufmann ersetzt. Diese Fehlentwicklung erkennen wir. Wir erkennen allerdings im Haushaltsentwurf keine ernsthaften Bemühungen, das zu ändern.
Ich habe mir einmal angesehen, welche Fördermaßnahmen wir für Studenten haben und welche für Auszubildende: Für Studenten kommt man auf circa 4 Milliarden Euro, für Ausbildungsberufe sind das nur drei Positionen mit insgesamt 400 Milliarden – Entschuldigung, 400 Millionen Euro.
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Die Begabtenförderung im Bereich der Handwerksberufe macht 50 Millionen aus, bei den Studenten 260 Millionen – Faktor 5. Frau Karliczek, ich zitiere Sie: Es ist Ihnen ein „persönliches Anliegen, dass die berufliche Bildung wieder die Wertschätzung erhält, die ihr zusteht“. – Das ist in dem Haushaltsentwurf nicht sichtbar.
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Es bleiben viele Fragen offen. Die größte bildungspolitische Herausforderung haben wir heute noch viel zu wenig erwähnt. Das ist die Migration.
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– Natürlich. – Um Sie mit etwas Realität zu konfrontieren: Die Autorin Ingrid Freimuth, Diplom-Pädagogin, hat 40 Jahre an Haupt- und Realschulen gelehrt. Sie hat letztens ein Buch mit dem Titel „Lehrer über dem Limit. Warum die Integration scheitert“ herausgebracht. Die „FAZ“ hat vor ein paar Tagen darüber berichtet. Ich zitiere aus diesem Artikel, was Frau Freimuth kritisiert:
... eine immer schwierigere und heterogene Schülerschaft in überfüllten Klassen mit … unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, in denen einige Alpha-Exemplare der männlichen Schülerschaft den Ton angeben. Ihnen ist mit deeskalierenden verbalen Mitteln nicht beizukommen, sie verstehen nur das Prinzip der Rangordnung und das Recht des Stärkeren.
Das sagt eine Lehrerin. Sie hat Erfahrung. Sie kriegt das vor Ort mit. Weiter heißt es in dem Artikel:
„Die sozialstaatliche Verhätschelung, mit der einer bestimmten Klientel systematisch Leistungsbereitschaft und Eigeninitiative abtrainiert wird“, reiche weit über die Schule hinaus, stellt Freimuth fest und wirft Politikern vor, die Lehrerschaft mit dem Problem alleinzulassen.
Wie gesagt, das sagt eine Lehrerin, die 40 Jahre Erfahrung hat.
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Auch in diesem Haushaltsentwurf gibt es keine Lösung für dieses Problem. Wir lassen im Prinzip unsere Lehrer alleine. Frau Freimuth setzt sich für ihre Schüler ein. Sie will Verantwortung übernehmen. Sie hat in ihrer Freizeit Nachhilfe gegeben. Sie war wirklich bemüht, den Kindern etwas beizubringen; aber – wir haben es gerade gehört – das kriegt sie nicht mehr hin. Die Probleme werden hier in Berlin nicht gehört. Dazu muss ich sagen: Frau Karliczek, es ist sicherlich keine Lösung, Tablets und Whiteboards für die Schulen zu kaufen. Digitalisierung hilft hier nicht weiter. Wir müssen die Ursache der Probleme angehen.
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Um noch einmal kurz auf die Grünen einzugehen: Sie haben gerade die Integrationskurse erwähnt. Sehen Sie sich einmal die Zahlen des Bundesamtes für Migration an. Wir geben 600 Millionen Euro für Integrationskurse aus. Circa die Hälfte der Teilnehmer kommt nicht durch. Sie kommen zum Teil gar nicht mehr hin. Das heißt, diese Maßnahme funktioniert nicht. Da müssen wir mit mehr Zwang ran; das muss man ganz klar sagen. Wer diese Integrationskurse nicht besucht, dem gehören die Leistungen gekürzt.
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Diese Probleme werden hier ignoriert.
Denken wir an Frau Freimuth, die Lehrerin. Wie wollen wir von diesen Problemen überhaupt hören? Leider werden zu den Ausschusssitzungen nur Präsidenten großer Forschungseinrichtungen eingeladen, um über ihre Arbeit zu berichten. Kleine Leute finden dort kein Gehör. Wir freuen uns, dass wir das bald ändern können. Ich freue mich, wenn Sie Ihre Denkblockade bald lösen, damit bessere Bildung für unsere Kinder tatsächlich ermöglicht wird. Wir sind das unseren Kindern schuldig.
Herzlichen Dank.
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Der nächste Redner ist der Kollege Swen Schulz für die SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es freut mich sehr, erneut Berichterstatter im Haushaltsausschuss für den Etat Bildung und Forschung zu sein. Es ist ein Vergnügen, gerade in diesem so wichtigen Bereich immer wieder neue Initiativen zu unterstützen.
So sieht der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD wichtige haushaltsrelevante Maßnahmen vor. Stichworte sind: frühkindliche Bildung, Programm Ganztagsschule und Ganztagsbetreuung, DigitalPakt Schule, Nachfolge des Hochschulpaktes, deutliche Erhöhung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung – 3,5-Prozent-Ziel –, Verbesserung des BAföGs für Schüler und Studierende sowie des Meister-BAföGs für den Bereich der beruflichen Bildung und manches mehr. In der Summe sind das, lieber Kai Gehring, über 15 Milliarden Euro – über 15 Milliarden Euro! –, die in dieser Legislaturperiode zusätzlich für Bildung und Forschung ausgegeben werden. Das ist eine Kraftanstrengung, mit der wir auch im internationalen Vergleich blendend dastehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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So fällt die Kritik, die Finanzplanung der Bundesregierung sehe zu wenig für Zukunftsinvestitionen vor, in sich zusammen. Keine Regierungskoalition in der Geschichte der Bundesrepublik hat je so viel für Bildung, Wissenschaft und Forschung getan, wie es diese tun wird. Keine Bundesregierung!
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In Abwandlung eines berühmt gewordenen Berliner Spruches sage ich: Der Etat des Ministeriums für Bildung und Forschung ist reich und sexy
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– sexy, weil so viele gute und spannende Maßnahmen gefördert werden.
Ich bin ja Berliner Abgeordneter – eigentlich Spandauer, aber das will ich jetzt nicht vertiefen –
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und sehe in Berlin – das lässt sich auf viele Städte und Regionen übertragen –, wie wichtig die Hochschul-, Wissenschafts- und Forschungslandschaft ist. Die Investitionen in Bildung und Forschung lohnen sich.
Es werden immer wieder Debatten über die außerordentlich starke wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands geführt. Woher kommt diese Stärke? Es gibt da sicher viele Faktoren. Einen wichtigen Beitrag haben die Investitionen in Bildung und Forschung geleistet. Seit Rot-Grün 1998 haben die verschiedenen Regierungen einen Schwerpunkt darauf gelegt. Das Ergebnis sehen wir im Wirtschaftswachstum, in der Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, in besseren Chancen für die Bürgerinnen und Bürger. Politik für Bildung und Forschung ist Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gerechtigkeitspolitik erster Güte und bleibt darum auch für die nächsten Jahre Hauptthema.
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Nun sind wir ja eine Koalition aus verschiedenen Parteien. CDU, CSU und SPD eint ein gemeinsames Arbeitsprogramm für Bildung und Forschung, auf das wir uns im Koalitionsvertrag verständigt haben. Aber natürlich setzen wir an einigen Stellen unterschiedliche Akzente. Aus SPD-Sicht will ich hervorheben – auch ganz persönlich nach jahrelangem Einsatz dafür hier im Bundestag –: Endlich, Herr Rupprecht, haben wir eine Initiative zur Streichung des Kooperationsverbotes in der Bildung vereinbart. Endlich!
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Ich werbe dafür, dass es hier im Bundestag und dann im Bundesrat eine Mehrheit für eine entsprechende Grundgesetzänderung geben wird.
Bildung ist die wichtigste Ressource, die stärkste Kraft dieses Landes. Wir alle müssen zusammenarbeiten – Kommunen, Länder und eben auch der Bund –, um die Bildung zu stärken;
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Karl Lauterbach hat auf diese Notwendigkeit hingewiesen. Immer wieder höre ich – gerade aus den Reihen von CDU und CSU –: Der Bund ist nicht zuständig für die Schulen, sondern die Länder, Stichwort „Föderalismus“.
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– Ja, klar. – Aber die Bürger wollen doch nicht hören, wofür wir nicht zuständig sind, sondern, was wir machen, welche Probleme wir lösen, was wir erreichen.
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Es gibt genug zu tun. In der letzten Legislaturperiode haben wir schon die Förderung von Schulsanierungen in finanzschwachen Kommunen vereinbart und 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
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Jetzt legen wir weitere Programme auf: 2 Milliarden Euro für die Ganztagsbetreuung, 3,5 Milliarden Euro in dieser Wahlperiode und 5 Milliarden Euro insgesamt für den DigitalPakt Schule. Ja, der DigitalPakt Schule wird endlich realisiert. In der letzten Wahlperiode wurde nur darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass die Schulen den digitalen Wandel nicht verpassen. Aber die Finanzierung wurde nicht gesichert. Jetzt machen wir Nägel mit Köpfen. Unser Bundesfinanzminister, Olaf Scholz, hat sogar zusätzliche Mittel für den Digitalfonds noch in diesem Jahr vorgeschlagen – ein starkes Signal. Wir schalten die Ampel endlich auf Grün. Frau Ministerin, Sie haben jetzt freie Bahn. Machen Sie etwas daraus!
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Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten liegt die soziale Bildungsfinanzierung seit jeher besonders am Herzen. Bildung darf nicht am schmalen Geldbeutel scheitern. Darum ist es auch so gut, dass wir uns in der Koalition gemeinsam eine erneute BAföG-Reform für Schüler und Studierende vorgenommen haben. Gleichzeitig ist uns die berufliche Bildung genauso wichtig, weswegen wir auch das sogenannte Meister-BAföG weiter stärken und in die Bildungsstätten und die Berufsorientierung investieren werden.
Wir fördern internationale Spitzenforschung, aber wir kümmern uns auch um die Kitas. Wir unterstützen Wissenschaftler, gerade auch Nachwuchswissenschaftler, aber eben auch diejenigen, die Probleme mit dem Schreiben, dem Lesen und dem Rechnen haben. Es geht uns in der Forschung um Hochtechnologie, Gesundheit, Umwelt, Mobilität, Sicherheit wie auch um Geisteswissenschaften. Das ist eine faszinierende Vielfalt. Wenn das nicht sexy ist, Kolleginnen und Kollegen!
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Möglich wird das alles nur durch das großartige Engagement und die hellen Köpfe derjenigen, die lehren, ausbilden und forschen. Das sind Menschen, denen wir alle Dank schulden – und eben auch Unterstützung, wenn es um ihre Arbeitsbedingungen geht.
Gute Arbeit und Anerkennung von der Kita bis zur Forschungseinrichtung ist unser Anspruch, und dafür werden wir auch weitere Initiativen ergreifen.
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Kolleginnen und Kollegen, ich bin auf die weiteren Beratungen gespannt. Schließen möchte ich mit dem, was Bundesfinanzminister Olaf Scholz gesagt hat: Der Haushalt ist solide, gerecht und zukunftsorientiert. – Für diesen Einzelplan betone ich noch einmal: Er ist auch sexy.
Herzlichen Dank.
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Für die FDP-Fraktion spricht die Kollegin Katja Suding.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Sie und natürlich auch Ihre Ministerkollegen wollen die Ausgaben für Sozialleistungen bis 2022 um 23 Milliarden Euro erhöhen, aber die Investitionen in Bildung und Forschung in diesem Jahr kürzen.
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Sie können sagen: „In diesem Jahr schrumpft das nur ein bisschen, und dann geht es irgendwann auch wieder bergauf“, aber genau das ist doch schon ein riesengroßes Problem. Über Jahrzehnte hinweg haben alle regierungstragenden Fraktionen die Bildungsausgaben erhöht. Mal ging das schneller, mal langsamer, aber es ging immer nach oben, und das musste auch so sein. Sie bringen es jetzt aber fertig, sich irgendwo in der Mitte auf einem Plateau auszuruhen, obwohl wir ganz dringend zur Spitze aufschließen müssten.
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Es geht nämlich um alles oder nichts. Nur mit einer gewaltigen Kraftanstrengung in Bildung und Forschung kann dieses Land seinen Wohlstand verteidigen. Der wichtigste Faktor in der Wirtschaft von morgen sind weder Arbeit noch Rohstoffe noch Kapital. Wissen entscheidet über das Schicksal ganzer Volkswirtschaften und jedes Einzelnen. Nur Wissen eröffnet Chancen. Deshalb ist Bildung die alles entscheidende Frage unserer Zeit, und das muss sich auch im Haushalt abbilden.
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Für die Rente gibt es ja bald schon 100 Milliarden Euro jährlich,
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für den DigitalPakt Schule stellen Sie in diesem Jahr aber nicht einen einzigen Cent ein – nicht die versprochenen 5 Milliarden Euro, nicht die reduzierten 3,5 Milliarden Euro. Ihr Finanzminister hat nun ganz vage einen Fonds von 2,4 Milliarden Euro für die Digitalisierung ganz allgemein angekündigt. Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Rede versäumt – sie war ja eigentlich lang genug –, ganz konkret zu sagen, was das denn für die Schulen überhaupt heißt.
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Wir haben da noch eine ganze Menge Fragen: Wie viel Geld von diesen 2,4 Milliarden Euro soll denn überhaupt in die Bildung gehen? Wofür kann das Geld tatsächlich investiert werden? Am wichtigsten: Wann geht es denn endlich los?
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Wir brauchen viel, viel Geld für die Digitalisierung in den Schulen, und zwar nicht nur einmal, sondern auf Dauer. Frau Karliczek, Ihre Vorgängerin wurde vom Finanzminister ausgebootet. Passen Sie auf, dass Ihnen nicht das Gleiche passiert. Setzen Sie die Chancen unserer Kinder nicht aufs Spiel.
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Auch in die berufliche Bildung investieren Sie nicht. Sie spielen auf Zeit. Anstatt endlich zu handeln, lassen Sie nun eine Enquete-Kommission diskutieren. Wissen Sie, wie lange sie im Durchschnitt braucht? Sie braucht vier Jahre. Wir brauchen aber jetzt eine Exzellenzinitiative für die berufliche Bildung. Wir brauchen jetzt die Unterstützung von Berufsschulen und Betrieben bei digitalen Ausbildungsangeboten.
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Wir brauchen jetzt Berufsbilder für das digitale Zeitalter. Wir müssen jetzt Weiterbildungsangebote zertifizieren und ein Midlife-BAföG einführen. Da sind Sie einfach viel zu langsam, Frau Ministerin.
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Auch in Wissenschaft und Forschung haben Sie keinen Ehrgeiz. Viel zu viele unserer talentiertesten Forscher, Doktoranden, Postdocs und Professoren sehen und nutzen bessere Chancen im Ausland.
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Die Besten der Welt bleiben doch nicht wegen des schönen Wetters oder der tollen Strände bei uns. Wir müssen ihnen die besten Bedingungen und die größten Freiheiten bieten, gerade bei Schlüsseltechnologien wie künstlicher Intelligenz; denn jeder Vierte, der geht, der kommt nicht zurück. Wir müssen weitaus größere Anstrengungen unternehmen, um die talentiertesten Köpfe aus aller Welt für Deutschland zu begeistern. Wir brauchen eine ganz neue Anwerbungs- und Willkommenskultur für Wissenschaftler.
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Was glauben Sie eigentlich, warum mittlerweile über 80 000 Deutsche im Silicon Valley arbeiten? Sie sind da, weil sie dort mit wissenschaftlichen und technologischen Durchbrüchen wirtschaftlich erfolgreich sein können. Machen Sie das auch in Deutschland möglich! Geben Sie Mittel frei für eine deutsche Transfergemeinschaft nach dem Vorbild der Deutschen Forschungsgemeinschaft! Setzen Sie Ihre Ankündigungen zur Gründung einer Agentur für Sprunginnovationen um! Dass Sie diese Idee aufgreifen, findet Zustimmung in Fachkreisen – auch bei uns übrigens –, aber es findet keinen Niederschlag im Haushaltsentwurf. Entfesseln Sie endlich unser Potenzial in der Wissenschaft für unseren Wohlstand!
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Meine Damen und Herren, wir brauchen Tempo. Hören Sie auf, darüber zu diskutieren, ob Hartz IV oder das bedingungslose Grundeinkommen die bessere Antwort auf den technologischen Wandel ist! Machen Sie die Menschen fit für eine Arbeitswelt der Zukunft, in der sich jeder Wohlstand durch eigene Leistung aufbauen kann! Smart Schools, exzellente berufliche und hochschulische Bildung, Forschungstransfer in die Wirtschaft und ein klares Bekenntnis zu Innovation und Forschungsfreiheit: Das sind Ihre Aufgaben, und nur so verteidigen wir alle gemeinsam unseren Wohlstand und die Chancen jedes Einzelnen.
Vielen Dank.
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Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin Birke Bull-Bischoff.
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Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Ministerin! Deutschland ist ein digitales Entwicklungsland, und wir sind alle miteinander weit davon entfernt, dass Schülerinnen und Schüler selbstbestimmt und kompetent mit Chancen und Risiken in einer digitalisierten Umgebung umgehen können. Ich will drei Punkte nennen, die für uns wichtig sind.
Erstens. Es braucht – man möchte sagen: endlich – Infrastruktur und Ressourcen. Aber, mit Verlaub, 3,5 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode – drei Jahre haben wir noch – ist alles andere als eine Kategorie, die einen zum Weltmeister macht.
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Die Bertelsmann-Stiftung geht von 2,8 Milliarden Euro nur für die digitale Ausrüstung von Schulen aus, und das pro Jahr.
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Man kann sich zwar feiern, Herr Kollege Schulz; das können Sie aber nur, weil in den vergangenen Jahren so gut wie nichts gelaufen ist.
Entscheidender finde ich jedoch: Wir müssen uns in Deutschland von einem sehr technikorientierten Tunnelblick verabschieden. Es geht eben nicht nur um Technik, und es geht auch nicht nur um den Arbeitsmarkt. Es geht um weit mehr als darum, mit Exceltabellen rechnen zu können, mit Word zu schreiben und mit PowerPoint vernünftige Vorträge zu halten. Bildung in einer digitalen Gesellschaft meint mündige und kompetente Leute, die hinter die digitalen Kulissen schauen und sie mitgestalten können, statt von ihnen beherrscht zu werden.
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Dazu gehört, mit unterschiedlichen Betriebssystemen umgehen zu können, selbst programmieren zu können und nachvollziehen zu können, was digitale Prozesse hervorbringen können und was eben nicht. Wir brauchen Open Educational Resources statt Hard- und Software von Monopolisten.
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Dafür braucht es offene Quellcodes für Schülerinnen und Schüler, um ebenjene auch weiterentwickeln zu können. Wir brauchen eine Kultur des Tauschens und des Teilens, meine Damen und Herren, weil Wissen mehr wird, wenn man es teilt.
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Kinder und Jugendliche brauchen soziale Kompetenzen, um ein Gefühl dafür zu bekommen und Wissen darüber zu haben, was das Aufhalten in digitaler Lernumgebung mit unserem sozialen Miteinander macht. Man braucht Kontraste. Die Arbeit am Rechner braucht die Entwicklung aller Sinne. Wir brauchen Denkstrukturen eben nicht nur in 0 und 1, sondern vielfältige Arten und Weisen des Denkens. Und, meine Damen und Herren: Medienkompetenz heißt auch, ausschalten zu können.
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Nicht zuletzt brauchen junge Menschen Kenntnis und Achtsamkeit, was mit ihren Daten passiert und wie man sich schützen kann und muss.
Aber das Problem in Deutschland derzeit ist: Junge Leute wollen endlich loslegen, sind ausgehungert und nehmen demzufolge, was sie kriegen können. Also kommen logischerweise Apple und Microsoft und bieten eigene Hard- und Software an, meistens geschlossene Systeme – und dann erklären Sie einmal den Leuten, warum das keine so gute Idee ist: weil man auf diese Art und Weise bestenfalls nutzerorientierte Anwenderkompetenzen entwickelt, aber keine selbstbestimmten vielfältigen Medienkompetenzen.
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Auch die Gefahren digitaler Spaltung müssen wir im Blick haben. Das ist natürlich zunächst eine Frage der technischen Ausrüstung: Können sich Familien ein leistungsstarkes Gerät leisten? Können sie sich einen guten Internetanschluss leisten? Aber gleichermaßen müssen wir im Blick haben, alle Kinder mitzunehmen, auch die Kinder aus den sogenannten schwer erreichbaren Familien.
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Digitale Bildungsangebote sind und bleiben Werkzeuge. Die entscheidende Frage ist: Was fangen wir mit diesen Werkzeugen an? Uns, der Linken, geht es dabei vor allem um den Abbau sozialer Ungerechtigkeit, um mehr demokratische Teilhabe, um mehr Demokratie und um Geschlechtergerechtigkeit. Deutschland ist ein digitales Entwicklungsland. Momentan ist die Bundesregierung noch Ankündigungsweltmeisterin. Der Bundesbildungshaushalt ist – das haben bereits mehrere vor mir gesagt – noch weitgehend eine Nullnummer. Das darf nicht so bleiben. Machen Sie sich endlich auf die Strümpfe!
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Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Margit Stumpp.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein Koalitionsvertrag ist Absichtserklärung. Ein Haushalt ist Wahrheit. Die Wahrheit, die sich im Haushalt für Bildung und Forschung abbildet, ist: Diese Regierung hat keinerlei Ambitionen, die vollmundigen Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag zügig und wirksam umzusetzen. Das zeigt sich an folgenden Beispielen. Beispiel eins: DigitalPakt Schule. Geplant waren 5 Milliarden Euro. Im Koalitionsvertrag sind nur noch 3,5 Milliarden Euro für diese Legislaturperiode vorgesehen.
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Im Haushalt 2018 findet sich nichts, nada, null.
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– Sie meinen doch nicht etwa das bisschen Geld für Digitalfonds, Breitband und digitale Bildung, oder?
Vor zwei Jahren wurde der DigitalPakt vollmundig angekündigt. Bis heute hat keine Schule von ihm profitiert.
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Das zeigt: Der fehlende Ansatz wird noch eine ganze Weile bleiben. Zwei Jahre sind im IT-Bereich eine Ewigkeit. Die IT kennt das Moore’sche Gesetz: Alle zwei Jahre verdoppelt sich – vereinfacht formuliert – die Zahl der Schaltkreise auf einem Chip.
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Diese Koalition kennt das Merkel’sche Gesetz: Alle zwei Jahre verdoppelt sich die Zahl der Ankündigungen. Umsetzung? – Fehlanzeige!
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Beispiel zwei: Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Auch der Ganztagsanspruch ist im Haushalt 2018 nicht hinterlegt. Die angekündigten 2 Milliarden Euro reichen höchstens für eine Handvoll Schulen. Der Städte- und Gemeindebund geht von einem Finanzbedarf von 18 Milliarden Euro aus. Offensichtlich verlässt sich diese Regierung darauf, dass viele Städte und Gemeinden trotz der enormen finanziellen Lasten schon lange auf dem Weg sind, weil sie im Gegensatz zum Bund die Zeichen der Zeit früh erkannt haben. Außerdem: Es geht um Bildung, nicht um Betreuung. Nur ein rhythmisiertes Tages- und Wochenkonzept kann gleiche Bildungschancen für alle Kinder gewährleisten.
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Für gute Bildung findet sich weder im Koalitionsvertrag noch in diesem Haushalt irgendein Ansatz.
Frau Karliczek, nichts in Ihrem Aufgabenbereich ist drängender, als endlich gleiche Bildungschancen für alle Kinder sicherzustellen.
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Es ist eine Schande, dass Deutschland bei Bildungsausgaben weiterhin unter dem Schnitt aller europäischen Länder bleibt und das 7‑Prozent-Ziel mit mickrigen 5 Prozent am Bruttoinlandsprojekt weit verfehlt. Wenn Sie Ihrem Amt gerecht werden wollen, dann lösen Sie sich endlich vom Merkel’schen Gesetz, und gehen Sie diese Herausforderung an.
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Beispiel drei: Berufsschulprogramm. Haushalt ist Wahrheit. Auch die bitter notwendige Offensive zur Ausstattung beruflicher Schulen konnten wir im Haushalt beim besten Willen nicht finden. Nicht ein Euro ist für berufliche Schulen vorgesehen, und dies angesichts des um sich greifenden Fachkräftemangels und großer Integrationsherausforderungen. Freilich, Bildung ist kein Allheilmittel. Dr. Espendiller ist das schlagende Beispiel, wie Integration in eine offene, demokratische Gesellschaft trotz Bildung scheitern kann.
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Dennoch: Wem die beruflichen Schulen als tragende Säule des dualen Systems keinen Cent wert sind, der kann kaum glaubwürdig von der großen Bedeutung der Aus- und Weiterbildung sowie ihrer Wertschätzung reden.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Espendiller von der AfD?
Nein, für AfD-TV ist mir meine Redezeit zu schade.
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Vorgestern sagte Kollegin Tillmann: „Tatsächlich ist der Bund aber gar nicht für Bildung zuständig.“ Gestern sagte die Kanzlerin, dass die Bürgerinnen und Bürger das Leben „nicht aus der Perspektive betrachten: Wer ist gerade für was zuständig?“. Heute erklärt Kollege Rupprecht erneut: Der Bund ist nicht zuständig.
Ich sage Ihnen: Sie haben immer noch nicht begriffen: Es geht nicht um Zuständigkeit; es geht um Verantwortung. Diese Koalition, diese Kanzlerin, Sie, Ministerin Karliczek, tragen Verantwortung für Bildung, und dies nicht zu knapp.
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Stellen Sie sich endlich dieser Verantwortung! Kümmern Sie sich um eine sachgerechte Änderung des Grundgesetzes! Reden Sie mit uns. Wenn Sie sicherstellen können, dass Bildung die Investitionsförderung erhält, die sie angesichts der Herausforderungen braucht – stetig und dauerhaft –, werden wir uns nicht verweigern.
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Alles andere ist wie der vorliegende Haushalt ohne Zukunft.
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Für eine Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Espendiller.
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Guten Tag, Frau Stumpp! Sie haben mich gerade als Negativbeispiel für schlechte Ausbildung genannt usw. usf. Ich möchte ganz kurz darauf eingehen. Sie selber sind ja Ingenieurin. Wir reden ganz kurz über die Klimamodellierung, die ich eben erwähnt habe. Man braucht dazu Mathematiker, Informatiker.
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– Ja, natürlich. Das sind partielle Differenzialgleichungssysteme.
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– Ja, ein bisschen habe ich damit herumgespielt, natürlich.
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Jetzt meine Frage, auch an Herrn Röspel: Ein Differenzialgleichungssystem hat das Problem der Robustheit. Wissen Sie als Ingenieurin, was das ist, und wissen Sie, was für Auswirkungen das auf die Klimamodellierung hat?
Wir arbeiten hier mit einem Fundament auf Sand. Wir geben 50 Milliarden Euro aus. Wenn die Modelle zur Lösung dieses Problems nicht taugen, was passiert dann? Das ist meine zweite Frage an Sie.
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Wollen Sie antworten, Frau Kollegin? – Nein.
Dann erteile ich das Wort dem Kollegen Tankred Schipanski von der CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So sicher wie die „MS Wissenschaft“ gegenwärtig auf der Spree in Reichstagsnähe liegt, so sicher und so gut ist der Haushalt des BMBF für das Jahr 2018, den wir heute hier debattieren.
Darüber hinaus sehen wir den Eckwertebeschluss des Haushaltes 2019 und den Finanzplan bis 2022. Es zeigt sich, dass alle prioritären Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag vollständig ausfinanziert wurden. Das nenne ich solide Haushaltsführung.
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Die Nebelkerzen der Opposition sind eben nur Nebelkerzen und keine Leuchtfeuer. An dieser Scheindebatte um ein angebliches Kooperationsverbot, das nun auch gar nicht zur Debatte steht, werde ich mich an dieser Stelle auch nicht beteiligen. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Finanzierung von Ganztagsschulen ist im Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung, verankert. Ähnliches gilt für den DigitalPakt. Ich verweise auf den geplanten Digitalfonds, der mit 2,4 Milliarden Euro ausgestattet ist. Liebe Grüne, das sind keine Peanuts. 2,4 Milliarden Euro muss man erst einmal erwirtschaften und dann ordentlich investieren.
Kolleginnen und Kollegen, ich kann es nicht mehr hören, dass wir den Ländern noch mehr unter die Arme greifen sollen. Länderminister werden in den Medien schon als Dagobert Duck bezeichnet, die förmlich im Geld schwimmen. Der Bund hat auch für Länder, die unter rot-rot-grüner Finanzherrschaft stehen, wie Thüringen, eine gute Politik betrieben. Ich habe die Thüringer Zahlen schon das letzte Mal dargeboten: 2015 48 Millionen Euro Mehreinnahmen, 2016 237 Millionen Euro Mehreinnahmen, 2017 348 Millionen Euro Mehreinnahmen;
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für 2018 bis 2020 sind 400 Millionen Euro Mehreinnahmen da, und das durch soziale Marktwirtschaft und nicht durch Kapitalismus, den die Frau Lötzsch hier beschimpft hat. Bei solchen Zahlen erwarte ich, dass die Länder ihre Verantwortung auch wahrnehmen und nicht ständig nach dem Bund rufen.
Damit bin ich beim Thema DigitalPakt. Der Popanz, der hier um den DigitalPakt gemacht wird, ist einfach lächerlich. Jedes Bundesland kann damit sofort loslegen. Sie haben die Zahlen von einem so armen Land wie Thüringen gehört. Jedes Bundesland kann sofort mit der digitalen Bildung starten: Lehrerfortbildung, Qualifizierung der Lehrkräfte. Es gibt Lehrerfortbildungsinstitute. Man kann Freistellungen erteilen. Das alles ist im Zuständigkeitsbereich der Länder.
Stichwort „Infrastruktur“: Jedes Land kann sofort investieren. Wir haben als Bund in der letzten Legislatur sogar Förderprogramme aufgelegt, die ermöglichen, dass jede Kommune ihre Schule an das ersehnte Breitband anschließen kann.
Stichwort „Aufbereitung von digitalen Lehrinhalten“: Jedes Land kann damit sofort loslegen. Niemand hindert ein Bundesland daran.
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Das Gleiche gilt für Medienkunde als Schulfach. Es bedarf des Bundes dazu in keiner Weise.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lenkert, Herr Kollege?
Nein, ich führe bis zum Ende aus, und dann freue ich mich auf die Intervention meines Thüringer Kollegen.
Wir haben im Jahr 2016 als Bund den DigitalPakt auf den Weg gebracht, weil die Bundesländer nichts getan haben. Jedes Gutachten mahnte dringendes Tätigwerden an, und die Bundesländer haben geschlafen. Wir haben sie auf dem Digital-Gipfel 2016 in Saarbrücken mit dem Vorschlag unserer damaligen Ministerin Wanka aufgeweckt, und das war gut. Wir werden die KMK und diese Bundesländer damit auch weiter wachrütteln.
Ich sage aber auch ganz offen: Wir werden vonseiten des Bundes nur Gelder geben, wenn es da keine Kleinstaaterei gibt, wenn da keine kleinen Insellösungen kommen. Wir wollen vielmehr Interoperabilität, wir wollen Anschlussfähigkeit, und wir wollen professionelle Administration.
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Auf noch etwas werden wir achten, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich dass diese Gelder vom Land weitergereicht werden. Auch zur Richtigstellung hier in der Debatte: Der Bund hat in den letzten Haushalten den Ländern Milliardenpakete für Schulsanierung zur Verfügung gestellt. Es erstaunt mich, dass ich in einer Thüringer Zeitung vom 28. April 2018 lese, dass eine linke Landrätin ihren linken Ministerpräsidenten kritisiert, dass er noch immer nicht die Bundesmittel für Schulsanierungen weitergereicht hat: Das Bundesprogramm sei vor zwei Jahren beschlossen worden, und es seien noch keine Mittel dort angekommen. So sieht die Realität bei den Linken aus, insbesondere auch in der Frage, welche Gelder die Länder an ihre Kommunen weiterreichen.
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Das Jammern der Linken über diesen Bundeshaushalt kann ich noch weniger nachvollziehen, wenn ich mir bei solchen Steuermehreinnahmen und bei einem linken KMK-Präsidenten die Zahlen zum Unterrichtsausfall ansehe. In einer Woche im November 2017 sind in Thüringen 17 000 Schulstunden ausgefallen; im Monat März 2018 25 600 Unterrichtsstunden. Es verbietet sich, dass die Linken diesen Haushalt hier in irgendeiner Art und Weise kritisieren, wenn man mit so viel Ländermitteln so dilettantisch Bildungspolitik macht.
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Es ist richtig, dass wir mit dem Bundeshaushalt und in der öffentlichen Debatte die Bildung, insbesondere die berufliche Bildung, in den Mittelpunkt rücken. Die föderale Struktur, das ideologische Herumexperimentieren in vielen Bundesländern hat zu einer sehr hohen Unzufriedenheit der Menschen mit der Bildungspolitik in den Ländern geführt. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ am 12. Mai dieses Jahres zu Recht die falschen Entwicklungen im deutschen Föderalismus beklagt. Diese Mahnung sollte insbesondere die KMK, sollten aber auch die Ministerpräsidenten ernst nehmen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zur Forschung sagen. Auf Bundesebene stehen wir insbesondere für eine solide Forschungspolitik. Dieser Haushalt zeigt, dass wir zu diesem Markenkern auch weiterhin stehen. Die Zahlen sprechen für sich, insbesondere auch beim Thema KI, bei der Hightech-Strategie, bei dem, was meine Vorredner bereits ausgeführt haben. Ich kann Ihnen sagen: Auf den Bund ist weiter Verlass.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Für eine Kurzintervention erhält das Wort der Kollege Lenkert.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege, ein paar Zahlen für Sie: Unter der schwarz geführten Landesregierung in Thüringen wurden keine 60 Millionen Euro in einer Legislaturperiode für Schulsanierungen bereitgestellt. Wir stellen in dieser Legislaturperiode über 200 Millionen Euro für die Schulsanierung bereit.
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Da Sie die Baubehörden dermaßen geschröpft haben und dort abgebaut haben, ist es dem Bundesland Thüringen nicht mehr möglich, die Planungen so schnell durchzuführen, dass die zusätzlichen Bundesmittel innerhalb eines halben Jahres hätten mitverbaut werden können. Aber ich versichere Ihnen: Wir werden sie in dieser Wahlperiode noch sicher in den Schulen unterbringen.
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Der zweite Punkt. Sie sagen: Die Thüringer Landesregierung macht nichts. – Die Mittel für Forschung und Technologie sind im Bund um 3 Prozent aufgewachsen; das ist sehr gut. Thüringen steigert die Mittel für seine Hochschulen jährlich um 4 Prozent – verbindlich bis 2019 festgelegt. Das ist eine Leistung.
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Herr Kollege, was Lehrermangel angeht, stimme ich Ihnen vollkommen zu: In allen Bundesländern in der Bundesrepublik fehlen Lehrerinnen und Lehrer. Jetzt frage ich Sie: Wie lange braucht man für die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern? Wir sind in Thüringen jetzt seit dreieinhalb Jahren in der Landesregierung. Die Lehrerausbildung haben wir hochzufahren versucht. Leider schaffen wir es bei fünf Jahren Ausbildungszeit nicht, die Versäumnisse aus den 24 Jahren Ihrer Lehrerausbildungspolitik so schnell zu beseitigen.
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Möchten Sie antworten, Kollege Schipanski? – Das ist nicht der Fall.
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Dann erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Manja Schüle für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die uns zuhören! Wie in jeder Haushaltsdebatte so ist auch heute wieder viel gelobt worden. Die Ministerin lobt sich für ihren Etat, die Opposition lobt sich für ihre Ideen, und ich möchte heute einmal uns loben:
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Fünf von sechs Fraktionen hier in diesem Hohen Hause haben sich heute sehr eindeutig für die Bedeutung und für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ausgesprochen, fünf von sechs Fraktionen – das ist kein schlechter Schnitt in Zeiten, in denen Wissenschaftsfeindlichkeit global um sich greift.
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Lieber Herr Gehring, da haben wir es nicht nur mit Donald Trump zu tun, der am Sonntag einen Teil des NASA-Klimaschutzprogrammes aufgekündigt hat, weil er keine Emissionen mehr messen will, sondern da haben wir es auch mit dem Ungarn Viktor Orban zu tun,
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der seine Hochschulen so reformieren will, dass er missliebige Privatuniversitäten ins Aus treiben kann.
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Da haben wir es auch mit verfolgten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Türkei zu tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier und heute geht es eben nicht nur um Zahlen, sondern hier und heute geht es auch um Werte, die hinter diesen Zahlen stecken. Wofür und für wen wollen wir Bildung, Wissenschaft und Forschung stärken? Eigentlich ist es ganz banal: Ohne Bildung keine Wissenschaft, jedenfalls keine gute. Ohne Wissenschaft können wir weder den Klimawandel verhindern noch den demografischen Wandel gestalten. Und ohne Bildung und Wissenschaft ist der Arbeitsmarkt der Zukunft definitiv nicht vorstellbar.
Wir Parlamentarier beraten schon heute unsere Gesetze ausschließlich auf der Grundlage von wissenschaftlichen Daten, Studien und Zukunftsszenarien. Diese Herangehensweise ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir sie niemals in Frage stellen würden, wohl wissend, dass es nicht die eine Wissenschaft, wohl wissend, dass es nicht die eine Wahrheit gibt, aber wohl wissend, dass es ein Ziel gibt, nämlich das Leben der Menschen in unserem Land besser zu machen und sie auch im besten Sinne des Wortes zu befähigen, selbstbestimmt und ökonomisch abgesichert leben zu können.
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Unser Grundgesetz sagt: Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. – Unser Koalitionsvertrag sagt: Wissenschaft, Forschung und Lehre haben Priorität. – Und ich sage zum vorliegenden Haushalt 2018: Wissenschaft, Forschung und Lehre brauchen und bekommen in den nächsten Jahren auch mehr Geld. Dabei setze ich auf Ihr Verhandlungsgeschick, Frau Ministerin. Uns, die SPD, haben Sie da an Ihrer Seite. Liebe Frau Ministerin, das ist kein leeres Versprechen, das wissen Sie, sondern das ist ein Milliardenversprechen; denn kein Geringerer als Olaf Scholz ist da eingesprungen, wo Ihre Vorgängerin leider erfolglos geblieben ist. Er stellt jetzt 2,4 Milliarden Euro für den DigitalPakt zur Verfügung.
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Folgen Sie ihm, folgen Sie uns. Unsere Kommunen, unsere Länder und auch unsere Schülerinnen und Schüler werden es Ihnen und uns danken.
Gefolgt sind Sie uns jetzt bei der Aufhebung des Kooperationsverbotes, auch wenn der Kollege Rupprecht noch ein paar Bauchschmerzen zu haben scheint und das als ideologischen Firlefanz abwertet:
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Wir stehen heute am Vorabend einer Grundgesetzänderung. Wenn Sie noch ein bisschen Beratung brauchen: Wir können Ihnen gerne gute Argumente liefern; denn die meisten Ihrer Kollegen scheinen wir immerhin überzeugt zu haben. Beharrlichkeit und gute Argumente setzen sich also durch.
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Wir dürfen investieren, wir dürfen echte Bildung machen – und das ist unser Projekt Zukunft. Unser Projekt Zukunft ist uns bis 2025 mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes wert. Darüber hinaus werden sich aber auch die kommenden Haushalte daran messen lassen müssen, dass die von uns verhandelten Vorhaben genügend Geld bekommen. Das betrifft nicht nur die betriebliche Ausbildung und das BAföG, das betrifft auch den europäischen Austausch über Erasmus+ oder die europäischen Forschungsrahmenprogramme. Das betrifft schließlich genauso die Unterstützung strukturschwacher Regionen, denen es an unternehmerischer Innovationskraft fehlt. Auch die brauchen passgenaue Förderinstrumente.
Die Agentur für Sprunginnovationen haben wir gefordert;
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das war unsere Idee. Jetzt müssen wir sie gemeinsam zum Laufen bringen, und das wird Geld kosten.
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Und ja, auch ich bin davon überzeugt, dass steuerliche Forschungsförderung neue Potenziale freisetzen wird. Sie wird kleine oder mittelständische Unternehmen animieren, selbst zu forschen oder Forschung in Auftrag zu geben.
Was wir aber dringend brauchen, ist auch eine neue Innovationskultur. Der Kreativität Raum geben, aber gleichzeitig das Risiko des Scheiterns in Kauf nehmen – auch das muss unsere Forschungspolitik auszeichnen. Scheitern ist nämlich nur der erste Versuch, beim zweiten kann es klappen.
Wissenschaft und Forschung sind nicht allein von Markt, Verwertung oder Angebot bestimmt. Wissenschaft ist auch Grundlagenforschung, und in diesem Bereich wird es bereits in diesem Haushalt mehr Geld geben, nämlich für hervorragende Forschung an Hochschulen, so für die zweite Säule des Hochschulpaktes 2020, für die Exzellenzstrategie, für die sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung und für die Förderinitiative „Innovative Hochschule“.
Wie man all dies sehr gut zusammenbinden kann – Achtung, das ist jetzt ein Werbeblock für meinen Wahlkreis –, zeigt Potsdam. In der letzten Woche haben wir ein 5,8 Millionen Euro schweres Projekt gestartet: „GO:UP“. Innerhalb von fünf Jahren soll der Transfer von Forschungsergebnissen aus dem Bildungscampus, aus dem Technologiecampus und aus dem Gesellschaftscampus verbessert werden – in die Wirtschaft, die Gesellschaft, immer offen und frei; im Mittelpunkt steht immer der Mensch.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Antworten auf Wissenschaftsfeinde oder antiintellektuellen Populismus sind Offenheit und Freiheit. Eine kurze Entschuldigung an Herrn Spahn; er ist gerade nicht da, deswegen darf man hier Englisch reden – unsere Antwort ist: open science, open innovation, open to the world und open to the future.
Herzlichen Dank.
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Die letzte Rednerin ist die Kollegin Kerstin Radomski von der CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Debatte verfolgt; ich bin die letzte Rednerin. Ich muss sagen: Ich bin froh, dass uns eins eint – das konnte ich allen Reden entnehmen –: Wir sind alle der Auffassung, dass Bildung und Forschung in unserem Land wichtige Dinge sind, die vorangebracht werden müssen.
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Wir als Koalition statten diesen Haushalt im Jahr 2018 mit rund 17,5 Milliarden Euro aus. Ich muss sagen: Das ist viel Geld. Die Bundesregierung investiert dort. Ich denke, das ist Geld, das unseren Kindern ebenso zugutekommt wie der Fortbildung und Forschung, die für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland wichtig ist.
Als verantwortliche Politiker – das sind wir alle im Parlament – können wir in diesem Einzelplan wichtige Weichenstellungen vornehmen, von denen ich jetzt einige hervorheben möchte.
8 Millionen Euro sind im Einzelplan für Leistungswettbewerbe und Preise für den wissenschaftlichen Nachwuchs angesetzt. Unter anderem werden dort MINT-Wettbewerbe für Schülerinnen und Schüler, zum Beispiel die Physik- oder die Chemieolympiade und „Jugend forscht“, gefördert.
Zur Förderung der MINT-Bildung gibt es ein Beispiel aus meiner Heimat. Dort wird ein Forschungsprojekt an der Hochschule Niederrhein mit rund 200 000 Euro gefördert, um belastbare Informationen für die Entwicklung einer MINT-App zu gewinnen, die mit Rätseln und spielerischen Elementen dazu beitragen soll, dass sich Schülerinnen und Schüler für die Naturwissenschaften begeistern können.
Betrachtet man den weiteren Bildungsweg, könnte man auf das BAföG blicken. Zu diesem Thema haben wir heute viel gehört. Ich möchte zum BAföG so viel sagen: Wir geben dafür jährlich 3 Milliarden Euro aus. Auch das ist viel Geld. Den Länderanteil – wir haben gerade in der Debatte viel über Bund-Länder-Finanzbeziehungen gehört – haben wir in den letzten Jahren übernommen. Das entlastet ebenfalls die Forschungsetats der Bundesländer um rund 1 Milliarde Euro jedes Jahr.
Wer heute noch denkt, dass BAföG nur etwas für Studenten ist: Nein, dem ist nicht mehr so. Nicht nur Studenten können BAföG beantragen, auch in der beruflichen Weiterbildung – für Techniker, Meister, Fachwirte – ist eine Beantragung von BAföG möglich.
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– Und ja, Schüler. – Wir wollen in diesen Bereich noch viel investieren, weil uns die duale Ausbildung wichtig ist. An dieser Stelle möchte ich unsere Bundesbildungsministerin Anja Karliczek unterstützen, die die nichtakademische Bildung und berufsbegleitende Qualifizierung stärker in den Blick nehmen wird.
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Mehr als die Hälfte eines Altersjahrgangs beginnt eine Ausbildung. Die Zahl der Auszubildenden liegt stets bei über 1 Million Menschen. Die Zahl der Ausbildungsverträge ist in den letzten Jahren ebenfalls erneut gestiegen. Es ist deshalb wichtig, Mittel in Höhe von 72 Millionen Euro für Berufsbildungsstätten bereitzustellen. Auf der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses wurde beschlossen, dass wir 10 Millionen Euro mehr für Digitalisierung in diesen überbetrieblichen Berufsbildungsstätten ausgeben. Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Ansatz, der ebenfalls in den Bereich Digitalisierung gehört, auch wenn viele Redner heute nur über den DigitalPakt gesprochen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, blicken wir auf Forschung und Entwicklung, die unsere heutige Welt prägen. Sie sichern unsere weltweite Wettbewerbsfähigkeit und auch die Arbeitsplätze der Zukunft; da bin ich mir sicher. Insgesamt werden rund 8 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung fließen; das ist fast die Hälfte des Einzelplans. Ein Teil dieses Geldes – 30 Millionen Euro – wird der Förderinitiative „Innovative Hochschule“ zugutekommen. Für meine Heimat bedeutet das, dass die Hochschule Niederrhein für fünf Jahre eine Fördersumme von 6,3 Millionen Euro erhält. Wofür ist das Geld da? Das Geld ist dafür da, dass der Technologietransfer zwischen der Hochschule und der heimischen Wirtschaft verbessert werden kann.
Als weiteres Beispiel nenne ich die Krebsforschung. Über 1 300 Wissenschaftler arbeiten im Deutschen Krebsforschungszentrum, um zu erfahren, wie Krebs entsteht. Sie entwickeln Strategien, wie Krebs verhindert werden kann. Die Forschung soll helfen, neue Methoden in der frühzeitigen Diagnostik zu finden, damit die Erkrankung eine bessere Aussicht auf Heilung hat. Mit fast 200 Millionen Euro unterstützt das BMBF – und natürlich auch wir als Parlamentarier – die Krebsforschung, wie wir es im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, um gezielt gegen diese Volkskrankheit anzugehen.
In diesem Einzelplan finanziert der Bund auch die Arktisforschung. In der Arktis wird Klimaforschung mit einem deutschen Forschungsschiff ermöglicht. Auch hier wollen wir Akzente für die Zukunft setzen. Vieles, was bisher noch in und unter der Eisdecke des arktischen Meeres verborgen ist, kann der Wissenschaft helfen, das Klima unserer Erde besser zu verstehen. Um die Forschungsflotte zu erneuern, sind wir im Jahr 2018 bereit, rund 28 Millionen Euro einzustellen. Das Nachfolgeschiff „Polarstern II“ soll im Jahr 2020 aus der Werft auslaufen; es hat unter anderem die Aufgabe, unsere Expeditionen vor Ort zu versorgen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt viel über Ausgaben gesprochen, und ich habe Ihnen einige Beispiele genannt. Aber ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir alle auch Verantwortung für die Grenzen dieses Haushaltes tragen. Wenn ich an meine beiden Töchter oder an andere Kinder, Jugendliche und Erwachsene denke, dann erkenne ich, dass es auch unsere Aufgabe ist, den nachfolgenden Generationen, die wir gut ausbilden wollen, nicht gleichzeitig weitere Schulden aufzubürden. Vor diesem Hintergrund müssen wir alle daran denken, dass wir eine Verantwortung haben; das wurde hier oft genannt.
Ich bitte Sie – ich bin die letzte Rednerin; wir gehen jetzt aus dem Plenarsaal hinaus –, einmal darüber nachzudenken, welche Verantwortung wir als Bundespolitiker haben. Ich habe heute viele Reden gehört, die eigentlich mit Landespolitik zu tun haben. Ja, mir liegt Bildung sehr am Herzen; aber mir liegt es auch am Herzen, dass jeder seine Aufgaben erledigt. Das ist in einer funktionierenden Partnerschaft und in vielen anderen Bereichen erforderlich. Wir sollten uns auf die Aufgaben des Bundes konzentrieren und nicht immer weitere Begehrlichkeiten bei den Ländern produzieren.
Vielen Dank.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, 18. Mai 2018, 9 Uhr, ein.
Nutzen Sie die Zeit. Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 18.03 Uhr)