Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/15/2018

Zum Plenarprotokoll

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als vor knapp zehn Jahren mein damaliger Amtsvorgänger vor diesem Hause zum Haushalt 2009 sprach, war die Weltwirtschaft in einer Krise und stand vor großen Ungewissheiten. Wir wussten nicht, wie tief diese werden würde. Nun, ein Jahrzehnt später, blicken wir auf eine Entwicklung zurück, in der es gelungen ist, aus dieser Krise herauszuwachsen – eine gemeinsame Leistung unserer Wirtschaft, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch der Politik. Manche Ökonomen behaupteten seinerzeit, eine antizyklische Wirtschaftspolitik, wie sie Deutschland richtigerweise in der Wachstums- und Beschäftigungskrise 2009 verfolgt hat, sei riskant, weil der Staat auch in guten Zeiten Begehrlichkeiten stets nachgebe und Schulden mache. Wir sehen, sie hatten unrecht. Nicht recht haben aber auch jene, die nun davon reden, in Deutschland würde eine zu strenge Sparpolitik verfolgt; denn wir nutzen unsere finanziellen Spielräume. Sowohl der Haushaltsentwurf 2018 als auch die Finanzplanung sehen, verglichen mit den Plänen des vergangenen Jahres, zusätzliche Aufwendungen in dieser Legislaturperiode in der Größenordnung von 46 Milliarden Euro vor. Seit der Steuerschätzung der vergangenen Woche wissen wir, dass wir noch einen weiteren Spielraum von etwa 11 Milliarden Euro haben. Auch den wollen wir gezielt für Investitionen in die digitale Infrastruktur und für Erleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger bei den Steuern nutzen, insbesondere im Hinblick auf die kalte Progression. Das hilft insbesondere den Steuerpflichtigen mit kleinen und mittleren Einkommen. In kurzer Zeit haben wir mehr als 50 Milliarden Euro zusätzlich mobilisiert. Wir handeln da pragmatisch und sachgerecht, und wir verehren keinen Fetisch. ({0}) Das Vorgehen der Regierung ist richtig, weil es in eine von klaren Prinzipien geleitete Haushaltspolitik eingebettet ist: Sie ist erstens solide, zweitens sozial gerecht und drittens zukunftsorientiert. Sie ist – erstens – solide, weil wir zum einen beharrlich planen, jedes Jahr ohne neue Schulden auszukommen. Wir gehen damit sehr sorgfältig mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger um. ({1}) Zum anderen haben wir in den guten Jahren die Vorkehrungen für den Fall geschaffen, dass sich die wirtschaftliche Lage verändert und das Klima eintrübt. Ein Resultat dieser Vorgehensweise: Erstmals seit 17 Jahren wird nächstes Jahr die gesamtstaatliche Schuldenquote wieder unter einen Anteil von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fallen. Auch das ist solide. ({2}) Unsere Finanzpolitik ist – zweitens – sozial gerecht, weil wir den sozialen Zusammenhalt stärken und auf der Einnahmeseite darauf achten, dass Steuern dem Prinzip der Leistungsfähigkeit folgen. Zugleich ist unsere Finanz- und Haushaltspolitik – drittens – zukunftsorientiert, weil sie mit zusätzlichen zielgerichteten Investitionen die Grundlage für den Wachstumspfad der Zukunft schafft. Bis 2022 planen wir mit Ausgaben für Investitionen von rund 180 Milliarden Euro. Das sind rund 23 Prozent mehr als in der Periode 2013 bis 2017. Allein der Haushaltsentwurf für dieses Jahr sieht eine Steigerung der investiven Ausgaben um 3 Milliarden Euro auf 37 Milliarden Euro vor. Das sind fast 10 Prozent mehr als im letzten Jahr. ({3}) Manche haben aufgeregt kommentiert, dass sich aus der Haushaltsplanung ein Rückgang der Investitionen ab dem Jahr 2020 ausmachen ließe. Das Gegenteil ist richtig; denn nicht alle Investitionen, die die Bundesregierung konkret plant, sind als solche im Haushalt oder im Finanzplan schon titelscharf abgebildet, und das ist auch völlig korrekt so. Die Mittel, die noch nicht mit konkreten Projekten unterlegt sind, sind, wie auch in früheren Jahren, noch im allgemeinen Finanzhaushalt berücksichtigt. Immer dann, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, werden diese Ausgaben konkretisiert und als Investitionen auch in den späteren Jahren des jetzigen Finanzplanungszeitraums eingestellt. Ich sage Ihnen deshalb zu: Wir werden alle Spielräume dazu nutzen, das so schnell wie möglich sichtbar zu machen. Dann werden alle sehen, dass die Investitionen in der Finanzplanung Jahr für Jahr steigen. ({4}) Neben diesem jedem bekannten Vorgehen kommt dieses Mal ein Sondereffekt hinzu. Vor einem Jahr wurde hier im Hause nach intensiven Diskussionen die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen beschlossen. Ab 2020 werden die bisher etwas über 3 Milliarden Euro Entflechtungsmittel für den sozialen Wohnungsbau, den Verkehr und den Hochschulbau über Umsatzsteueranteile an die Länder gegeben. Dann werden sie dort für Investitionen ausgegeben. ({5}) Wir sehen also: Es ist sehr wohl möglich, in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität die Investitionen deutlich zu erhöhen und gleichzeitig den Haushalt nicht mit zusätzlichen Schulden zu belasten. Deshalb macht es wenig Sinn, abstrakte Debatten darüber zu führen, ob mehr Investitionen oder mehr Schulden sinnvoll sind. Beides geht: mehr Investitionen ohne neue Schulden. ({6}) Die Debatte über den richtigen Umgang mit Staatsschulden und den Finanzmärkten hat auch die Europapolitik der letzten Jahre bestimmt. Nie wieder sollen Steuerzahler über Staatshaushalte für Fehler der Banken geradestehen müssen. Da gibt es auch heute noch viel zu besprechen und zu lösen. Bevor wir das tun, sollten wir uns hier aber über die grundsätzlichen Fragen klar werden. Europa ist für Deutschland das wichtigste nationale Anliegen. Ein starkes Europa ist im Urinteresse Deutschlands. In einer Welt, die zur Mitte des Jahrhunderts 10 Milliarden Einwohner haben wird, wird unsere Stimme nur gehört werden, wenn wir sie im Chor Europas mit seinen etwa 500 Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern anstimmen. ({7}) Als bevölkerungsreichstes Land und leistungsstarke, exportorientierte Wirtschaft in der Mitte des Kontinents sind wir auf eine erfolgreiche Europäische Union angewiesen. Alles, was in Europa geschieht, ist für uns bedeutsam, und alles, was wir in Deutschland tun oder was wir nicht tun, hat Auswirkungen auf unsere europäischen Partner. Mit dieser Verantwortung müssen wir klug und vernünftig umgehen. ({8}) Die Herausforderungen für Europa werden nicht kleiner, sondern eher größer: Kriege vor unserer Haustür und die Folgen solcher Kriege, mit denen wir umgehen müssen – Millionen von Männern, Frauen und Kindern sind auf der Flucht, suchen nach sicheren Häfen, auch in Europa –, Terrorismus und Fragen der inneren Sicherheit, die niemand ignorieren kann, der Aufstieg von Demagogen und Nationalisten, von neuen Weltmächten und Fundamentalisten, der Klimawandel – die Liste der Herausforderungen in Europa und für Europa ist lang. Das Problem, das viele Bürgerinnen und Bürger mit Europa haben, ist nicht, dass es zu stark oder dominant ist, im Gegenteil: Das Problem für viele ist, dass die EU zu schwach erscheint, zu fragmentiert. Dass Europa zu wenig Antworten auf die fundamentalen Herausforderungen anzubieten hat. In den vergangenen Jahren haben wir in der Diskussion um die EU vielleicht ein bisschen zu viel über den Binnenmarkt geredet und ein bisschen zu wenig über die politischen Herausforderungen, die nicht den Binnenmarkt berühren. Die großen politischen Fragen, die uns beschäftigen werden, haben wir vernachlässigt. Es geht um die Souveränität Europas, wie der französische Präsident Macron zu Recht sagt. Um es mit seinen Worten zu präzisieren: Es geht um „eine europäische Souveränität, die es uns ermöglichen wird, uns zu verteidigen und zu existieren“, und zwar „mit unseren eigenen Regeln und Präferenzen“. ({9}) Wir brauchen die Europäische Union, um im Verhältnis zu wirtschaftlichen Mächten wie China oder den USA auf Augenhöhe agieren zu können. Wer mag das bestreiten angesichts der Wiederkehr einer Schutzzollpolitik aus einem längst vergangenen Jahrhundert? Angesichts der Aufkündigung von internationalen Vereinbarungen wie dem für den Frieden so wichtigen Nuklearvertrag mit dem Iran? Es ist ein gutes Zeichen, dass die EU sowohl im Handelskonflikt als auch beim Umgang mit dem Iran-Abkommen zusammenbleibt. ({10}) Wir brauchen die EU aber ebenso, um unsere Werte und Interessen gegen illiberale und autoritäre Regime zu verteidigen, um vor unserer europäischen Haustür handlungsfähig zu sein, um für die nötige Entwicklung Afrikas zu sorgen und für eine Deeskalation im Nahen Osten. Ich stimme deshalb mit Präsident Macron überein: Wir dürfen die Souveränität nicht denen überlassen, die Abschottung wollen. Er hat nämlich recht, wenn er sagt, die tödliche Illusion des Nationalismus mache nicht stark, sondern schwach – und wir dürfen nicht schwach sein. Das hat er gerade in Aachen gesagt und damit vielen von uns aus dem Herzen gesprochen. ({11}) „Wir dürfen nicht warten“, sagt er auch. Und auch das ist richtig. Dabei steht fest: Vertrauen in Europa wird nicht durch Absprachen in Hinterzimmern gewonnen, sondern indem wir klar sagen, was wir vorhaben, um eine Mehrheit werben und dann tun, was wir sagen. Vertrauen in Europa entsteht in den Herzen und Köpfen seiner Bürgerinnen und Bürger, und dafür tragen wir die Verantwortung. ({12}) Im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion und zur Regulierung der Banken stehen ganz konkrete Schritte an. Das eine, was wir jetzt tun werden, ist der Ausbau des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Wir als Regierung haben festgehalten, dass wir ihn in Richtung eines Europäischen Währungsfonds weiterentwickeln wollen. Das ist für die künftige Stabilität der Euro-Zone wichtig. Vielleicht kann der ESM auch der Ankerplatz für die letzte Sicherungslinie hinter dem einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsmechanismus sein, dem sogenannten Common Backstop, der bis spätestens 2024 einzuführen ist. ({13}) Mit diesem Mechanismus, der ja schon bereitsteht, soll im Falle von Schieflagen der Banken der Rückgriff auf das Geld der Steuerzahler vermieden werden. Es soll außerdem das europäische Bankensystem widerstandsfähiger gemacht werden. ({14}) Wichtig ist, dass sowohl der europäische Bankenabwicklungsmechanismus als auch ein künftiger Backstop europäische Institutionen sind und einzelfallbezogene Entscheidungen treffen. ({15}) Wahrscheinlich macht es Sinn, diesen Weg in zwei Schritten zu gehen: Im ersten Schritt können wir den neuen ESM formen und dann in einem zweiten Schritt den veränderten ESM in das Unionsrecht überführen, parlamentarisch kontrolliert. ({16}) Das andere, was nötig ist, ist die Erhöhung der Stabilität des Bankensektors, indem die Zahl der ausfallgefährdeten, der notleidenden Kredite der Banken, der Non-performing Loans, endlich reduziert wird. Wir wollen sicherstellen, dass sich solche Kredite nicht wieder in solchen Größenordnungen in den Bilanzen europäischer Banken finden. Wir wollen dabei pragmatisch vorgehen, damit alle Euro-Länder mitgehen können. Gelingt eine Verständigung in diesen Fragen bis zum Sommer, könnte die Letztsicherung, könnte der Backstop vielleicht schon früher als 2024 eingerichtet werden. Solche Fortschritte braucht Europa jetzt. Wir werden schauen, dass wir zu klugen Lösungen kommen, die für alle funktionieren. Wir werden Lösungsansätze nicht aus der nationalen, sondern aus der europäischen Perspektive denken. Das ist genau der richtige Weg. ({17}) Das betrifft natürlich das Gespräch mit Frankreich. Es betrifft ebenso das Gespräch mit allen anderen europäischen Partnern. Alles, was wir tun, muss auch die Unterstützung unserer Partner und eine Mehrheit finden. Europa kommt voran. Die Europäische Union hat sich geändert. Unerfreulich allerdings ist die Entscheidung Großbritanniens, aus der Europäischen Union auszuscheiden. Noch wissen wir nicht, was der Austritt konkret für uns in der EU bedeutet. Klar ist allerdings: Wenn der Austritt besiegelt und vollzogen ist, werden wir einen Nettoeinzahler in den EU-Haushalt verlieren. Wir haben im Koalitionsvertrag erklärt, dass Deutschland bereit ist, nach dem Brexit mehr für den EU-Haushalt aufzuwenden. ({18}) Auch Frankreich hat seine Bereitschaft erkennen lassen, das zu tun, und das ist richtig so. ({19}) Vor zwei Wochen hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für den ersten mehrjährigen Finanzrahmen für die Zeit nach dem Brexit vorgelegt. Nun geht es darum, in den Verhandlungen zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen. Dabei dürfte klar sein, dass nicht alle Erwartungen, die mancherorts gehegt werden, erfüllt werden können. Ich habe den Eindruck, dass wir auch mit 1 Prozent der Wirtschaftsleistung des größten Handelsblocks der Welt einiges bewegen können. ({20}) Wichtig dafür ist ein EU-Haushalt, der klar auf einen größeren europäischen Mehrwert, auf die gemeinsamen Aufgaben Europas ausgerichtet ist. Wir wollen Europa dort stark machen, wo die Nationalstaaten alleine keine guten Lösungen mehr finden können, und ganz konkret auch dort, wo es den Bürgerinnen und Bürgern dient. Es wird stärker als bisher darum gehen, öffentliche Güter Europas zu finanzieren, zum Beispiel für den gemeinsamen Schutz unserer Außengrenzen, für unsere Verteidigung und zum Schutz gegen den Terrorismus. ({21}) In den vergangenen Jahren gab es eine Phase der Konsolidierung, die für manche Staaten des Euro-Raums auch schmerzhaft war. Jetzt brauchen wir eine Phase der Investitionen, übrigens auch im deutschen Interesse. ({22}) Einige Investitionen für mehr Wachstum sind bereits auf den Weg gebracht worden. Das europäische Investitionsprogramm EFSI zum Beispiel hat sich hier bewährt. Ich halte es auch für richtig, Haushaltsmittel zu bestimmen, die gezielt für wirtschaftliche Stabilisierung und Konvergenz und zur Unterstützung von Strukturreformen im Euro-Raum verwendet werden sollen. Eines ist klar: Deutschland braucht eine starke EU. Die Stärkung der Bankenunion und der mehrjährige Finanzrahmen sind wichtige Bausteine, die wir jetzt angehen müssen. Damit aber dürfen wir natürlich nicht stehen bleiben. Weitere mutige Schritte sind nötig. ({23}) So wie Deutschland ein starkes Europa braucht, braucht Europa ein starkes, engagiertes und solidarisches Deutschland. Im Bundeshaushalt und in der Finanzplanung spiegeln sich unsere Schwerpunkte. Wir wollen mit dem Haushalt 2018, aber auch den künftigen Haushalten auf vier grundlegende Entwicklungen in unserer Gesellschaft reagieren und die Weichen für die Zukunft stellen. Erstens. Wir müssen dafür sorgen, dass der wachsende Wohlstand auch bei allen ankommt. Seit Jahren erleben wir kontinuierlich gute Wachstumszahlen. Wir haben eine Wirtschaft, um die wir von vielen beneidet werden. Die Arbeitslosigkeit nimmt stetig ab – wir haben die niedrigste Quote seit der Wiedervereinigung. ({24}) Die Zahl der Erwerbstätigen, auch derjenigen, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, nimmt kontinuierlich zu. Löhne und Gehälter steigen für viele, aber nicht für alle, auch real. Das spiegelt sich in der Konjunktur und in den öffentlichen Kassen wider. Unsere Staatsfinanzen befinden sich in einer gesunden Verfassung. Das sind alles gute Nachrichten und gute Gründe, mit Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Doch zugleich wissen wir, dass die Stimmung im Lande vielerorts eine andere ist und auch einige, die den ganzen Tag einer qualifizierten Arbeit nachgehen, nicht hinreichend teilhaben. Die zweite Entwicklung ist der demografische Wandel. Wir wissen, dass wir es in Deutschland mit einer immer älter werdenden Gesellschaft zu tun haben. Es ist sehr erfreulich, dass wir immer länger leben, doch bleibt das nicht ohne Herausforderungen. In diesem Zusammenhang wird die Dynamik bei den Sozialausgaben noch steigen, und vor allem kommende Bundeshaushalte werden das schultern müssen. Der demografische Wandel zeigt sich aber auch im Wohnungsmangel in den Metropolen und der Schwierigkeit, gleichwertige Lebensverhältnisse in manchen ländlichen Regionen zu gewährleisten. Drittens befinden wir uns in der Frühphase einer technologischen Revolution ins digitale Zeitalter. Es geht hier um den Anschluss an den internationalen Wettbewerb, aber auch um die menschlichen Fähigkeiten, mit neuen Technologien emanzipiert umzugehen und einem Beruf nachzugehen. Und viertens sind wir Teil einer Welt, die leider unsicherer ist, als wir uns das wünschen. Es ist im Übrigen das Zusammenwirken aller dieser Entwicklungen, das dazu führt, dass ein Teil der Bürgerinnen und Bürger so verunsichert ist, die Welt nicht mehr versteht und den Eindruck hat, dass ihre Interessen und ihre Erfahrungen keine Rolle mehr spielen. Die Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, der überraschende Sieg von Donald Trump in den Vereinigten Staaten, das Erstarken von Nationalisten in manchen EU-Staaten, die politischen Ansichten und Äußerungen mancher in unserer eigenen Gesellschaft: Das sind auch Reaktionen auf eine Welt der Unordnung, eine Welt, in der viele fürchten, auf Dauer keinen Platz mehr für sich zu haben. Nicht wenige Bürgerinnen und Bürger haben das Gefühl, nicht mehr über ihr eigenes Leben bestimmen zu können. Das ist eine in dieser Form relativ neue Entwicklung in der Nachkriegszeit, zumindest in den wohlhabenden Gesellschaften des Westens. In den ersten Jahrzehnten unserer Republik gab es das Versprechen: Wer zur Schule geht, eine Ausbildung absolviert oder studiert, wer seiner Arbeit nachgeht, wird ein gutes Leben führen können, mit einer Beschäftigung, von der man selbst und auch die Familie leben kann. Zu viele Bürgerinnen und Bürger glauben nicht mehr an dieses Versprechen, und das trotz der guten Situation in Deutschland. Sie glauben nicht mehr, dass ihr Leben besser sein wird als das ihrer Eltern. Und das Leben ihrer Kinder besser als das eigene. Ich sehe einen maßgeblichen Grund für die Anziehungskraft von Populisten und mancherorts die Gefahr für die Demokratie: In einer Gesellschaft, in der es keinen Respekt mehr gibt vor ganz realer, physischer Arbeit, ist der Zusammenhalt gefährdet. In einer Gesellschaft, in der Arbeit an Dingen und mit Menschen weniger wert erscheint als die Arbeit an immateriellen Symbolen, gerät etwas in Schieflage. ({25}) In Deutschland sind wir noch nicht so weit. Wir sind noch sehr gut im Dingemachen und stolz auf Handwerk und Industrie. Wir werden jedoch ein großes Problem bekommen, wenn eine wachsende Zahl der Bürgerinnen und Bürger das Gefühl hat, eine Arbeit auszuüben, die nicht wertgeschätzt wird. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, den technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt anhalten. Das wollen wir auch nicht; denn er hat viel Gutes gebracht und wird das auch in Zukunft tun. Doch wir müssen unseren Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, ein gutes Leben zu führen, ohne dass sie dafür Jura, Betriebswirtschaft oder Medizin studiert haben müssen oder Apps programmieren können. Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass wir eine hoch arbeitsteilige Gesellschaft sind, in der alle aufeinander angewiesen sind und die Leistung aller honoriert werden muss. Weil wir alle Teil unserer Gemeinschaft sind und niemand auf andere herabblicken darf. ({26}) Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger sicher leben können in Deutschland. Es geht um Sicherheit in dreifacher Hinsicht: um soziale Sicherheit im Wandel von Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt, um öffentliche Sicherheit und Schutz sowie auch um emotionale Sicherheit, also um das Gefühl, Halt und Stabilität zu haben in Zeiten der Veränderung. ({27}) Das Wichtigste ist Arbeit und auch, dass jede Arbeit respektiert wird und dass man von ihr leben kann. Nur wenn das gesichert ist, wird unsere Gesellschaft Zusammenhalt nach innen und zugleich die Akzeptanz für die auf uns zukommenden Veränderungen haben. Ich zum Beispiel bin der Überzeugung, dass man bei Vollzeitarbeit einen Lohn von mindestens 2 000 Euro brutto monatlich bekommen sollte; das halte ich für möglich. ({28}) Die Finanzpolitik kann die Einkommenslage von Arbeitnehmern und ihren Familien unterstützen. Darum haben wir beschlossen, den Solidaritätszuschlag Schritt für Schritt abzuschaffen. Damit werden wir in einem ersten Schritt neun von zehn Personen, die heute den Solidaritätszuschlag zahlen, vollständig von ihm befreien. Wir haben dafür ab 2021 in der Finanzplanung eine Vorsorge von rund 10 Milliarden Euro jährlich getroffen. Weitere Schritte sind denkbar. ({29}) Aber aktuell hat Vorrang, den Solidaritätszuschlag für kleine und mittlere Einkommen abzuschaffen und für diejenigen, die mehr leisten können, vorerst noch nicht. Das haben wir vereinbart. Das entsprechende Gesetz werde ich frühzeitig auf den Weg bringen. Mit dem nach der Steuerschätzung hinzugekommenen Spielraum werden wir, wie bereits erwähnt, dafür sorgen, dass diejenigen, deren Lohn und Gehalt sich erhöht haben, ab Anfang 2019 davon mehr behalten dürfen, weil sie nicht mehr in einen höheren Steuertarif rutschen. Über die Auswirkung der kalten Progression werden wir im Herbst dieses Jahres einen Bericht vorlegen; daran werden wir uns orientieren. Davon werden dann gerade die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen profitieren. ({30}) Wir werden auch das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöhen. Wir wollen Kinderarmut reduzieren und erhöhen deshalb den Kinderzuschlag. Wir erhöhen des Weiteren das BAföG. Gerade was kleine und mittlere Einkommen angeht, müssen wir über steuerliche Maßnahmen hinausdenken. Wir werden daher auch die Beiträge in den Sozialversicherungen in den Blick nehmen. Einerseits werden wir die paritätische Finanzierung des Beitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung wiederherstellen. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte müssen dann weniger Beitrag zahlen. Andererseits werden wir den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung senken. Wir wollen zudem unser Vorhaben umsetzen, die Gleitzone der sogenannten Midijobs auszuweiten, ohne dass dies jedoch geringere Rentenleistungen zur Folge hat. Zur Sicherheit gehört auch, sein Leben planen zu können. Darum werden wir das Recht auf befristete Teilzeit bzw. die Brückenteilzeit einführen. ({31}) Leider hat die Zunahme der Fälle von sachgrundloser Befristung dazu beigetragen, dass immer weniger und vor allem junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihr Leben planen können. Ich sage ausdrücklich: Diese Praxis gibt es nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im öffentlichen Dienst. Wir wollen das Thema gesetzlich angehen. Aber es ist auch ein Thema für den Haushalt. Ich habe den Auftrag erteilt, prüfen zu lassen, wie es um sachgrundlose Befristung in der Bundesverwaltung bestellt ist, und möchte mit mehr unbefristeten Stellen dazu beitragen, dass der Anteil an Stellen mit sachgrundloser Befristung deutlich reduziert wird. ({32}) Wenn wir das Gesetz ändern, muss der Staat selbst vorbildlich handeln. Schließlich wollen wir die Perspektive für Langzeitarbeitslose in Deutschland verbessern. Dazu schaffen wir einen sozialen Arbeitsmarkt für diejenigen, die schon länger ohne Erfolg einen Arbeitsplatz suchen. ({33}) Wenn es etwas gibt, das alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes – so verschieden sie sind – verbindet, dann ist das die Erwartung, dass der Staat elementare Güter wie Bildung, Sicherheit, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur bereitstellt. ({34}) Mehr Netto vom Brutto ist zwar wichtig. Aber ebenso wichtig sind die Qualität und der Zugang zu gemeinsamen Gütern und Dienstleistungen. Auch diese leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass das Leben planbar und bezahlbar bleibt. Für das Ziel einer guten Kita stellen wir mehr Geld bereit. Damit entsprechen wir der Erwartung von Eltern an eine gute Kita. Sie soll ordentlich ausgestattet sein und möglichst auch gebührenfrei. ({35}) Unsere Bürgerinnen und Bürger müssen dort, wo sie arbeiten, auch leben können. Dazu gehört bezahlbarer Wohnraum. Wir erleben, dass immer mehr Menschen in die Städte ziehen. Eine natürliche Folge der Bewegung in die Metropolen ist ein wachsender Druck auf die Wohnungs- und Mietkosten. Wir wollen aber keine Situation wie in London, Paris oder New York, wo sich nur Reichere ein Leben in angemessenem Wohnraum in den Städten leisten können. Darum investieren wir in den kommenden Jahren 2 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau und nutzen die gleiche Summe für weitere Förderinstrumente wie das Baukindergeld. ({36}) Es geht schließlich auch um eine langfristige Verlässlichkeit des Sozialstaats. Niemand bestreitet, dass die demografische Entwicklung eine Herausforderung ist. Sie ist es. Und doch helfen uns abstrakte Diskussionen über eine vermeintliche demografische Zeitbombe nicht weiter. Entscheidend ist, dass wir eine hochproduktive Ökonomie mit hoher Erwerbsbeteiligung haben. Das ist die wichtigste Basis dafür, dass sich die Lebensleistung auch in der Alterssicherung widerspiegeln kann. ({37}) Mit den Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente, der Mütterrente und der Stabilisierung der Beitragssätze und des Rentenniveaus leisten wir dazu einen Beitrag. Das Weitere für die Zukunft werden wir in der verabredeten Rentenkommission besprechen. Das ist keineswegs nur eine Sache der fernen Zukunft: Noch in dieser Legislaturperiode wird die Finanzplanung ja auch die Jahre 2025 und 2026 umfassen. Da wird man die Entscheidung, die wir zu treffen haben, wiederfinden. All dies werden wir uns nur leisten können, wenn wir gleichzeitig in die Innovation, die Infrastruktur und somit das Wachstum von morgen investieren. Die Marke „Made in Germany“ steht weltweit für Qualität und Verlässlichkeit. Damit das so bleibt und Deutschland weiterhin zu den Spitzenreitern der Volkswirtschaften zählt, stellt der Bund bis 2022 zusätzliche 2,8 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung zur Verfügung. ({38}) Wir wollen auch die digitale Infrastruktur verbessern und ausbauen. Schnelles Internet soll nicht davon abhängen, ob man in den Städten oder auf dem Land wohnt. Wir werden einen Digitalfonds einrichten, mit dem wir den Breitbandausbau fördern: Zum Beispiel ist das Projekt „Digitale Schule“ zu nennen. Unsere Schülerinnen und Schüler können somit von einem verbesserten IT-Ausstattungsniveau profitieren. Der Fonds wird künftig über die Erlöse aus der Versteigerung von 5G-Lizenzen finanziert werden. Bis es so weit ist, werden wir den zusätzlichen Spielraum aus der aktuellen Steuerschätzung nutzen und bereits in diesem Jahr 2,4 Milliarden Euro als Anschubfinanzierung in den Fonds investieren. ({39}) Unsere Wirtschaft braucht eine solide, moderne Infrastruktur – Straßen, Wasserstraßen und Logistik. Darum erhöhen wir auch die Investitionen in die Infrastruktur unseres Landes. Um es noch einmal zu sagen: Die Investitionen des Bundes steigen in der Zukunft. Aber zugleich möchte ich darauf hinweisen, dass nicht alles, was nicht als Investition ausgewiesen wird, einfach nur konsumtiv ist. Wenn wir Familien unterstützen, kann dies auch ein Beitrag zur Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen sein. Und alles, was wir jetzt tun, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist nicht nur sozial geboten, sondern auch Teil einer Antwort auf den Mangel an Fachkräften. ({40}) Wir investieren also in den sozialen Zusammenhalt und in die Zukunft unseres Landes. Wir wollen insbesondere die Länder und Kommunen finanziell stärker unterstützen, damit sie ihren Beitrag hierzu ebenfalls leisten können. Dazu haben wir zusammen mit dem Bundeshaushalt im Kabinett Änderungen des Grundgesetzes auf den Weg gebracht. Diese Grundgesetzänderungen sind die Vorboten einer Trendwende. Bund, Länder und Gemeinden packen zentrale Zukunftsaufgaben zukünftig gemeinsam an. Damit ermöglichen wir mehr Investitionen in Schulen, in Wohnungen und in den Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs. ({41}) So kann sich der Bund direkt an der Digitalisierung und Sanierung von Schulen, am Ausbau der Ganztagsbetreuung in Schulen sowie am Bau und an der Sanierung von Schienen für U- und S-Bahn beteiligen. Wir brauchen für diese Änderung des Grundgesetzes eine Zweidrittelmehrheit. Ich bitte daher alle Fraktionen dieses Hauses um Unterstützung. ({42}) Ein sozial gerechtes Deutschland ist auch ein Deutschland, in dem Sicherheit für alle gewährleistet ist, ({43}) gerade für die Bürgerinnen und Bürger, die besonders darauf angewiesen sind. Deswegen erhöhen wir auch hier die Mittel, und wir stellen mehr Polizisten ein. Die Ausgaben für die innere Sicherheit haben wir im zweiten Entwurf für den Haushalt 2018 gegenüber dem ersten Entwurf noch einmal erhöht. Deutschland steht auch zu seiner internationalen Verantwortung. Für die Jahre 2019 bis 2022 planen wir mit Verteidigungsausgaben in Höhe von 173 Milliarden Euro. Auch die direkten Aufwendungen für die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe werden angehoben. Die ODA-anrechenbaren Ausgaben für die humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt wurden auf rund 1,5 Milliarden Euro erhöht. Damit wird die ODA-Quote 2018 voraussichtlich auf dem Niveau von 2017 gehalten, wie das von der Regierung auch beabsichtigt ist. Unsere Verpflichtungen für Sicherheit und Verteidigung bilden sich nicht nur in der Höhe finanzieller Mittel, sondern auch in den Zielen und in den Ergebnissen ab, die wir damit erreichen. Ein verteidigungspolitisches Konzept wird nicht schon dadurch gut, dass es teuer ist. ({44}) Die internationale Sicherheitspolitik ist nicht dann erfolgreich, wenn sie ständig mehr kostet, sondern dann, wenn sie Sicherheit garantiert und Verlässlichkeit schafft. Nur dann können wir auch die Bürgerinnen und Bürger überzeugen. ({45}) Klar ist, dass damit aber natürlich auch verbunden ist, dass die Aufwendungen steigen werden, wie wir es ja auch vorgesehen haben. Eine wesentliche Säule unserer Sicherheitspolitik ist eine aktive Friedens- und Entwicklungspolitik. Sie wird nicht allein mit Verteidigungsausgaben erreicht, sondern auch durch Diplomatie, Gespräche, humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe und auf der Basis des Rechts. Dazu gehören auch verlässliche und verbindliche Abkommen. Ich habe es schon gesagt: Die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch Präsident Trump gefährdet das Vertrauen in vereinbartes Recht. Sie gefährdet auch den Frieden im Nahen Osten, den wir erreichen wollen. Die Sicherheitslage wird noch angespannter, wenn Sanktionen einseitig wieder in Kraft gesetzt werden. Das hat auch Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung und die Sicherheitslage in der Region. Meine Damen und Herren, ich habe bisher vor allem über Ausgaben geredet. Wir wollen aber auch eine gerechte Gestaltung auf der Einnahmeseite. Neben der gezielten Einkommensverbesserung für Arbeitnehmer und Familien gehört zu einer sozial gerechten Finanzpolitik, dass die gemeinsamen Aufgaben gemeinsam finanziert werden und Steuern dem Prinzip der Leistungsfähigkeit folgen, natürlich ohne dabei den internationalen Wettbewerb aus dem Auge zu verlieren. Wir werden darum die steuerpolitischen Entwicklungen anderswo auf der Welt genau beobachten und zusammen mit unseren Partnern in Europa, allen voran Frankreich, die richtigen Antworten finden. Dabei schauen wir, wie wir eine gemeinsame Bemessungsgrundlage und Mindestsätze bei der Unternehmensbesteuerung hinbekommen können. ({46}) Wir wollen auch, dass es bei der Besteuerung fair zugeht. International setzen wir uns dafür ein, dass wir zu einer modernen und funktionierenden Besteuerung des digitalen Marktes kommen. Hier sind kluge Lösungen gefragt, die allerdings nicht alle auf der Hand liegen. Wir wollen die Arbeiten gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung weiter vorantreiben, international wie national. Auch das leistet einen Beitrag zum Zusammenhalt. Wie wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes und der großen Mehrheit der Unternehmen glaubhaft vermitteln, dass sie regelmäßig ihre Steuern zahlen sollen, wenn manche Wohlhabendere und manche Unternehmen ihren fairen Anteil nicht bezahlen, wenn jedes Jahr in Deutschland Milliardenbeträge am Fiskus vorbeigeschleust werden, Geld, das in eine Verbesserung des täglichen Lebens von Bürgerinnen und Bürgern hätte investiert werden können? ({47}) Bei alldem geht es nicht nur um eine Frage der Fairness; es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten Wochen und Monaten lange über die Zukunft unseres Landes debattiert. Jetzt ist es die Aufgabe, konkret zu handeln. Wenn wir den von mir vorgeschlagenen Dreiklang aus Solidität, sozialer Gerechtigkeit und Zukunftsorientierung ernst nehmen, müssen wir diese drei Prinzipien in Einklang bringen; dann helfen uns immer neue Forderungen, sei es aus Ideologie, sei es aus Partikularinteresse, nicht viel weiter. Wir müssen das, was wir tun, vor allem daran prüfen: Verbessert es die Lebenslage der Bürgerinnen und Bürger jetzt und auch in der Zukunft? ({48}) Wir müssen und werden in die digitale Zukunft investieren. Dann müssen wir aber auch die Gewinner der digitalen Wirtschaft dazu bewegen, einen Beitrag zu leisten. Und wir brauchen neue Sicherheiten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im digitalen Wandel. ({49}) Wir wollen und werden die Nettoeinkommen verbessern, vor allem der Bezieher unterer und mittlerer Einkommen. Aber wir brauchen ebenso Investitionen und Mittel, um wichtige Güter wie Bildung, Wohnraum und Infrastruktur bereitzustellen. Wir wollen und werden unsere Verantwortung in Europa und der Welt wahrnehmen. Aber wenn wir dies ernst meinen, geht das nicht zum Nulltarif. Ich bin der Überzeugung, dass die neue Bundesregierung mit diesem Haushalt und der Finanzplanung einen Weg geht, der klug und ausgewogen ist. Er ist solide, gerecht und zukunftsorientiert. ({50})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Peter Boehringer, AfD-Fraktion. ({0})

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geehrter Minister Scholz, das Fazit vorab: Dieser Haushaltsentwurf ist unvollständig und damit irreführend. Die Regierung hat keinen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt, auch wenn sie das seit Wochen medienwirksam behauptet. ({0}) In einen seriösen Haushalt gehören alle absehbaren Belastungen realistisch hinein, und das ist nicht der Fall. Die unterschlagenen Belastungen dieses Schattenbundeshaushalts summieren sich auf eine ähnliche Größenordnung wie die des offiziellen. Die Garantiesummen, die bereits heute für die Euro-Dauerrettung aufgebracht werden, werden eines Tages zu großen Teilen haushaltswirksam. Es ist unverantwortlich, dass diese Haftungsaufhäufung in der Größenordnung von 1 bis 2 Milliarden Euro pro Tag seit mindestens 2010 ungehemmt, im Haushalt unerklärt und ohne Rücksicht auf das Verfassungsrecht und ohne Referendum einfach immer weitergeht ({1}) und dass die Regierung den totalen EU-ropa-Wahn stattdessen sogar noch ausdehnt. Herr Minister Scholz, Sie haben erst vor zehn Tagen gesagt – ich zitiere –: So diskutieren wir jetzt in Brüssel und vielen anderen Orten – hier nicht, aber an anderen Orten – nicht mehr über das Ob, sondern über das Wie der Fortentwicklung der Bankenunion. Damit haben Sie unter anderem die extrem gefährliche Spareinlagenvergemeinschaftung EDIS mal eben so mitgenehmigt. Indirekt wird durch EDIS bei der nächsten südeuropäischen Bankenkrise dann auch der Bundeshaushalt betroffen sein. Ebenso ist es bei den absehbaren Abschreibungen für TARGET2: uneinbringliche 900 Milliarden Euro, die die Bundesbank – und damit der deutsche Steuerzahler – eines Tages wird abschreiben müssen. ({2}) Genau dasselbe beim deutschen Anteil an den Billionen nicht voll werthaltiger Anleihen in der EZB-Bilanz! Doch das BMF kommt nicht einmal auf die Idee, in die Haushaltsplanung auch nur eine minimale Risikovorsorge für diese riesigen Summen einzuplanen. Das alles verschleiert bewusst die wahre Lage der Finanzen dieses Landes. Ganz anders ist es dagegen auf der Einnahmeseite des Haushalts. Die geschätzten und unsicheren Steuermehreinnahmen sind bereits verplant. Zwei Drittel der 31 Milliarden Euro aus der erst vorige Woche veröffentlichten Steuerschätzung waren im vorliegenden Haushalt bereits fest eingestellt. Hier geht das Einplanen offenbar superschnell. Was fehlt sonst noch in diesem total ausgeglichenen Haushalt? Erstens: Verteidigungsmehraufwand. Angemeldet sind von der Union und der Verteidigungsministerin selber über 12 Milliarden Euro als absolutes Minimum. Angesichts der inzwischen überall zugegebenen Einsatzunfähigkeit der Bundeswehr im Inneren wäre dieses Geld in der Tat dringend einzuplanen, damit die Bundeswehr wenigstens für ihre klassische Aufgabe der Landesverteidigung im Inland wieder gerüstet wäre. ({3}) Schwieriger wird es dagegen bei den Geldern für Weltpolizeiaufgaben und völkerrechtlich fragwürdige Auslandsabenteuer. Auch diese werden absehbar, im Laufe der Woche, hier im Bundestag gefordert. Die Verteidigungsministerin wird auch für diese Nachbesserungen willige Abgeordnete finden. Das ist sozusagen eine parlamentarische Koalition der Willigen für die vielen militärischen Abenteuerkonstellationen der Willigen. Die morgige Debatte um den Bundeswehretat wird also interessant und muss differenziert geführt werden. Es ist aber in jedem Fall bereits sicher, dass Milliarden an Nachplanungen erforderlich sein werden. Zweiter Punkt: die Entwicklungshilfe. Minister Müller will ebenfalls mehr Geld. Sein Ministerium braucht 2018/19 eine knappe Milliarde Euro mehr, als in der Haushaltsplanung veranschlagt. Drittens fehlt völlig die nächste Griechenland-Rettung. Das ab Sommer kommende nächste Griechenland-Rettungspaket ist im Haushalt in keiner Weise antizipiert. Dabei pfeifen es in EU- und Finanzkreisen die Spatzen von den Dächern: Die aktuellen Propagandameldungen zum ach so tollen Status des „kaum noch verschuldeten“ griechischen Staats und seiner mirakulöserweise wieder wettbewerbsfähigen Wirtschaft und des tollen Zustands der griechischen Banken sind reine Realsatire. ({4}) Und doch wurde zu Griechenland keinerlei Risikovorsorge im Bundeshaushalt eingestellt. Die EU und die EZB machen schon heute viele Pläne, wie man diese Rettungskosten gut verstecken und zunächst von der Wahrnehmung des deutschen Steuermichels fernhalten kann. Einfach ein paar Beispiele: vorgezogene ESM-Zahlungen, geheime Eingriffe der griechischen Zentralbank, zinsfreie Kredite, extrem lange Laufzeiten griechischer Bonds, sogenannte Schlechtwetterfonds, sogenannte Kriseninstrumente, Bad Banks und weitere Bondaufkäufe durch die EZB. All das wird derzeit in Brüssel diskutiert, teilweise bereits gemacht. Das läuft wie immer nach dem bewährten Motto, auf die jede dieser Maßnahmen hinausläuft: Deutschland wird zahlen. ({5}) Oder im französischen Original: „L’Allemagne paiera.“ Wie alle französischen Präsidenten mindestens seit Mitterrand hat auch Macron genau das verlangt. In vorhersehbarer Unlogik bekommt er für diese Anmaßung und für seine ach so unsäglich großen Anstrengungen um die EU auf deutsche Kosten gar noch den inzwischen berüchtigten Karlspreis. ({6}) Dieses Spektakel von Aachen erinnerte übrigens wirklich an surreale DDR-Endzeitfolklore. Diese totalen EU-ropäer feierten sich selbst und ihren Sonnenkönig unbeirrbar. Der Zahlmeister Deutschland zeichnete den Zahlungsforderer Macron für dessen Zahlungsforderungen aus, Laudatio der Kanzlerin inklusive. Mehr Selbstaufgabe geht gar nicht. ({7}) Viertens: die Migrations- und Integrationskosten. Auch sie sind im Haushaltsentwurf oft unvollständig und intransparent deklariert. Man feiert seitens der Bundesregierung die angeblich höheren Sozialleistungen. Doch vielfach sind dies einfach nur versteckte Zuwanderungskosten. Über 50 Prozent der Hartz-IV-Empfänger haben einen Migrationshintergrund. Ähnlich sieht es im sozialen Wohnungsbau aus, dessen Mittel wegen der uferlosen Zuwanderung permanent gesteigert werden müssen. Irgendwo müssen die jährlich Hunderttausende mittellosen Bereicherer aus aller Welt ja untergebracht werden. ({8}) Auch nicht zu vergessen sind die Propagandakosten pro Migration, etwa die 100 Millionen Euro im Haushalt des sogenannten „Demokratie leben!“-Programms, das ein Programm zur Unterdrückung jeder Kritik an der Grenz­auflösungspolitik ist. ({9}) Hier wird mit öffentlichen Mitteln an linksextreme und selbst antidemokratische Vereine, wie zum Beispiel die Amadeu-Antonio-Stiftung ({10}) oder Erdogans DITIB, die öffentliche Meinung einfach gekauft. ({11}) Fünftens – auch das fehlt –: höhere EU-Beiträge. Kommissar Oettinger hat eben absurde 12 Milliarden Euro als deutschen Mehrbeitrag pro Jahr an die EU gefordert. ({12}) Auch diese Gelder haben wir in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2020 nicht gefunden. Im Übrigen wären diese 12 Milliarden ziemlich genau der Betrag, den England nach dem Brexit nicht mehr bezahlen wird. Deutschland würde damit alleine die Lücke schließen, die der Brexit reißt – ein völliger Wahnsinn! ({13}) Weiterhin fällt auf: Der Haushalt enthält einige taktisch klar geplante Wahlgeschenke schon im Hinblick auf die Bundestagswahl 2021, diese zumeist in Form von Subventionen und Ausgabenerhöhungen, leider kaum in Form von Investitionen und Steuersenkungen. Das gilt für die ganz „zufällig“ ab 2021 greifenden Förderungen des Wohneigentums für Familien, wobei das neue Baukindergeld in Höhe von 400 Millionen Euro pro Jahr noch nicht einmal die Euro-Rettungskosten von zwölf Stunden erreicht. ({14}) So viel zu den Prioritäten dieser Regierung. Auch die allgemeine Kindergelderhöhung greift voll erst ab 2021. Und auch die Veränderung beim Solidaritätszuschlag greift erstens viel zu kurz und zweitens auch erst ab 2021. Selbst 30 Jahre nach der deutschen Einheit soll der Soli immer noch nicht abgeschafft werden, zumindest nicht ganz. ({15}) Last, not least: Obwohl es eigentlich keine neue Regierungskonstellation gibt, gönnt sich die alte-neue GroKo 200 zusätzliche und gut dotierte Planstellen in den neu zugeschnittenen Ministerien: Alleine das Innenministerium bekommt 100 neue Stellen, und im BMF wird gleich ein neues sogenanntes „Vizekanzleramt“ geschaffen, eine völlig neue Teilbehörde mit 41 Stellen. Zusammenfassend: Diese Regierung ist teuer. GroKo steht für „große Kosten“. ({16}) Statt überfälliger Steuersenkungen – wir hoffen auf ein paar mehr, aber das ist bis jetzt nicht erkennbar – sehen wir im Entwurf explodierende Ausgaben, während andererseits die großen Risiken durch die Euro-Rettung schlichtweg ignoriert werden. Es ist ein Haushalt der Täuschungen und zudem ein klassisch sozialistischer: Das Verteilen von nicht nachhaltigen Einnahmen steht im Vordergrund. Man nimmt keine Rücksicht auf den deutschen Steuerzahler, dessen Fleiß die aktuelle Geldschwemme überhaupt erst ermöglicht hat. ({17}) Dieser Steuerbürger wird mit Schönwetterpropaganda beruhigt, während er gleichzeitig zahlen muss wie nie zuvor in der Geschichte dieses Landes. Herzlichen Dank. ({18})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU. ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Boehringer, wenn ich es richtig mitgezählt habe, brachten Sie im Deutschen Bundestag fünfmal die gleiche Soße, wenn ich die Sitzungen des Haushaltsausschusses noch dazuzähle – da sagten Sie das noch einmal dreimal – war es achtmal die gleiche Soße. ({0}) Ich mache Ihnen einmal einen Vorschlag: Schaffen Sie sich einen neuen Kopierer an, und halten Sie hier einmal eine sachgerechte Rede, die sich mit dem Bundeshaushalt 2018 und der Finanzplanung bis 2022 befasst. Das ist mein Vorschlag an Sie. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Bundeshaushalt mit der Finanzplanung steht in einer Kontinuität: keine neuen Schulden bis zum Jahr 2022. Er setzt Schwerpunkte für Zukunft und Wachstum, er sorgt durch Mehrausgaben für den Zusammenhalt in unserem Land, und wir werden die Bürger in dieser Legislaturperiode massiv bei Steuern und Abgaben entlasten. ({2}) Ich meine, dieser Dreiklang aus Entlastung, Solidität und Seriosität ist richtig und passt zusammen. ({3}) Allen, die eben gelacht haben, sage ich: Wir werden in dieser Legislaturperiode eine Gesamtentlastung – so ist es aktuell geplant – in Höhe von 64 Milliarden Euro bis zum Jahr 2021 vornehmen, und zwar bestehend aus Absenkungen bei den Sozialabgaben, Kindergelderhöhung, Reduzierung des Soli, Erhöhung des Grundfreibetrages und Bekämpfung der kalten Progression. Das macht allein im Jahr 2021 eine steuerliche Entlastung in Höhe von 25 Milliarden Euro und eine Entlastung bei den Abgaben insbesondere für Bezieher niedriger Einkommen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro aus. Dieses erarbeiten wir uns bis dahin im Gegensatz zu Ihnen von der AfD, die Sie den Leuten vorgaukeln, ({4}) es sei möglich, die Mehrwertsteuer um 7 Prozentpunkte zu senken und den Soli sofort abzuschaffen. Das wären 100 Milliarden Euro weniger Einnahmen für den Gesamtstaat; das hieße weniger Geld für Schulen, weniger für Polizei, weniger für sozialen Zusammenhalt. Das ist Ihre Politik! ({5}) Unsere ist eine gänzlich andere. ({6}) Das haben wir uns in einem Jahrzehnt erarbeitet; Finanzminister Scholz ist darauf eingegangen. Im Haushalt 2010 haben wir mit einer Verschuldung in Höhe von 86 Milliarden Euro bei einem Haushaltsetat von etwa 300 Milliarden Euro begonnen. Seit 2014 haben wir keine neuen Schulden mehr gemacht. Wir werden in diesem Jahr oder im nächsten Jahr im Rahmen der Maastricht-Kriterien die Schuldenstandsquote auf unter 60 Prozent bringen. Wir halten die Schuldenbremse ein. Ich meine, das ist nachhaltige Haushaltspolitik: ohne Schulden, mit Überschüssen in Wachstum und Zusammenhalt investieren. Überschüsse sind für uns kein Fetisch, sondern das Ergebnis einer nachhaltigen Haushalts- und Finanzpolitik. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss gelegentlich daran erinnern, dass nach der Steuerschätzung der Gesamtstaat 63 Milliarden Euro mehr einnimmt. Aufgeteilt sind das für den Bund knapp 30 Milliarden Euro, für die Länder etwa 25 Milliarden Euro und für die Kommunen 9 Milliarden Euro. Wenn ich mir die Steuerzuwächse anschaue, stelle ich fest, dass sie bei den Kommunen besonders stark sind, während sie bei den Ländern weniger stark und beim Bund am schwächsten sind. Schaut man sich die Steuerschätzung bis 2022 an, muss man heute schon 10 Milliarden Euro Soli abziehen und außerdem 10,5 Milliarden Euro an Kfz-Steuer für drei Jahre. Das heißt, wir werden nicht nur die Bürger entlasten, sondern auch bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen 10 Milliarden Euro mehr für Länder und Kommunen zur Verfügung stellen. Herr Minister Scholz, ich bin beim Thema Entflechtungsmittel völlig bei Ihnen. Aber ich sage Ihnen: Warum machen wir die Grundgesetzänderung im Bereich des sozialen Wohnungsbaus? Über das letzte Jahrzehnt hat der Bund für 200 000 Sozialwohnungen Geld zur Verfügung gestellt, aber es wurden nur 120 000 Sozialwohnungen von der Ländergesamtheit gebaut. Hamburg und Bayern – Herr Scholz, Sie sind ein ehemaliger Ministerpräsident, neben Ihnen sitzt noch einer; Sie gehören nicht zu den großen Sündern der Verwendung von Bundesmitteln – sind davon ausdrücklich ausgenommen; beide Länder haben einen eigenen Anteil geleistet. Angesichts der Entflechtungsmittel in Höhe von 3 Milliarden Euro und der Eigenverantwortung der Länder – und ich sehe, wo wir die Länder ohne Gegenleistung entlasten: dieses Jahr 5 Milliarden Euro für Länder und Kommunen, BAföG-Entlastung ohne Gegenleistung; ich kann das weiter fortführen –, gehört es, glaube ich, zur Gesamtverantwortung im Föderalismus, dass die Länder das vom Bund zur Verfügung gestellte Geld auch verantwortungsvoll und sachgerecht einsetzen, damit wir nicht zu Mitteln wie einer Grundgesetzänderung greifen müssen, um das Geld für den Wohnungsbau dort ankommen zu lassen, wo es hingehört. Zur Gesamtverantwortung gehören Bund, Länder und Kommunen, alle zusammen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({8}) Sie sind auch auf die deutliche Steigerung der Mittel für die innere Sicherheit eingegangen, 45 Prozent mehr seit 2013. Auch bei den Verkehrsinvestitionen ist ein deutlicher Aufwuchs zu verzeichnen. Zunehmend stoßen wir aber an Grenzen, nicht nur im Verkehrsbereich. Überhaupt nicht zufriedenstellend sind die Abflüsse beim Fonds zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen in Höhe von 7 Milliarden Euro. Überhaupt nicht zufriedenstellend sind die Umsetzungszahlen beim Budget für den Kitaausbau in Höhe von 1,7 Milliarden Euro. Im ersten Paket sind gerade einmal 700 Millionen Euro abgeflossen, 87 Prozent zweckgebunden; vom zweiten Paket ist noch gar nichts abgeflossen. Die Herausforderung der nächsten Jahre wird nicht nur sein, Geld zur Verfügung zu stellen. Die Herausforderung wird sein, endlich das Planungsrecht zu entrümpeln, damit das Geld für Infrastrukturinvestitionen, für Gebäudesanierungen, für den Neubau zügiger und besser fließen kann. ({9}) Herr Minister Scholz, ich hoffe, Sie stellen sich da an die Spitze der Bewegung. Hinzu kommt – auch das darf man nicht aus dem Blick verlieren – folgende Situation: Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern in vielen anderen Bundesländern schreiben Kommunen aus; aber es gibt keine Angebote oder nur Mondscheinangebote. Wir müssen an dieser Stelle aufpassen, dass das, was an Investitionsmitteln zur Verfügung steht, und das, was an Baukapazitäten vorhanden ist, sich in etwa die Waage hält, damit die Baupreise nicht über Gebühr steigen und wir dann nicht die Leistungen bekommen, die wir dafür eigentlich bekommen müssten. Hier muss also eine Ausgewogenheit vorhanden sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Blick auf die Länder und Kommunen ist natürlich auch die Frage zu stellen, welche Verantwortung sie für ihre originären Aufgaben wahrnehmen. Kindergärten sind keine Bundesaufgabe, Schulen sind keine Bundesaufgabe, Hochschulen sind überwiegend keine Bundesaufgabe. Die Länder hatten im letzten Jahr einen Nettoüberschuss von 12,4 Milliarden Euro, die Kommunen einen von 9 Milliarden Euro, und in diesem Jahr haben wir für die Länder eine Prognose von noch über 12,4 Milliarden Euro. Deswegen frage ich manche Ministerpräsidentin und manchen Ministerpräsidenten, die immer nur gezielt auf den Bund schauen: Was ist denn Ihre eigene Verantwortung? Wofür sind die Länder noch selber zuständig, wofür übernehmen sie mit ihrem Geld Verantwortung? Es wird meines Erachtens in dieser Legislaturperiode darauf ankommen, hier wieder Ausgewogenheit herzustellen. Verantwortungsgemeinschaft sollte eines der Ziele sein. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben der Gesamtverantwortung von Ländern und Kommunen geht es auch um den Aufwuchs im Haushalt für den sozialen Bereich. Hier sind wir mittlerweile bei 52 Prozent. Wir investieren, wir entlasten die Bürger, und dies alles ohne Schulden. Ich freue mich – ich habe das an dieser Stelle schon einmal gesagt –, meinen drei Enkeln gegenübertreten und ihnen sagen zu können: Mit dem Haushalt 2018 und in der Prognose für die nächsten Jahre laste ich euch keine zusätzliche Bürde auf. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass es dem Kollegen Alexander Müller gleich wieder besser geht. Aber ich glaube, wir sollten die Sitzung für wenige Minuten unterbrechen. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte nehmen Sie Platz. Es ist schwierig, Fotografen zu erklären, wann sie nicht fotografieren sollten, ({0}) aber es gibt Momente, wo man es wissen müsste. Damit treten wir in die unterbrochene Sitzung wieder ein. Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke, FDP. ({1})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schwierig, nach einer solchen Situation, in der wir uns alle wieder einmal bewusst werden, dass wir Menschen sind mit unseren Stärken und Schwächen, zurück zum Haushalt zu kommen, aber da der Haushalt am Ende ja das Schicksalsbuch unserer Nation ist, ist das vielleicht ein Übergang. Es ist die zwölfte Einbringung eines Haushalts, die ich erleben darf. Herr Minister, ich muss ehrlich sagen: Ich habe selten, eigentlich noch nie erlebt – bei Ihren Vorgängern war es immer anders –, dass der Finanzminister so wenig Emotionen mit diesem so wichtigen Schicksalsbuch unserer Nation verbindet. ({0}) Ich hoffe für unser Land, dass da mehr kommt; denn es geht beim Haushalt auch darum, zu kämpfen und etwas zu tun. Vorab eine Anmerkung zu formalen Dingen: Herr Minister, ich hätte mich auch gefreut, wenn Sie einmal – wie all Ihre Vorgänger in den Jahren zuvor – den Weg in den Haushaltsausschuss gefunden hätten, bevor wir hier die Debatte führen. ({1}) Ja, wir haben eine Telefonkonferenz gemacht, aber das ist bisher einfach zu wenig. Der Haushaltsausschuss hat bisher noch nicht einmal eine Ankündigung erhalten, wann der Herr Minister denn kommen wolle. Vielleicht wird es dann sein, wenn Sie Ihren eigenen kleinen Haus­etat verteidigen. ({2}) Aber ich muss schon sagen: Im Zusammenspiel zwischen Haushaltsausschuss und Bundesregierung muss da noch einiges mehr kommen. ({3}) Meine Damen und Herren, der Haushalt hat eine Linie. Die Linie heißt: Weiter so. ({4}) Wir bekommen mehr Geld, das haben wir in den letzten vier Jahren auch bekommen, das hat eigentlich ganz gut funktioniert, und wir machen weiter so. Aber was nicht zu erkennen ist, sind wirkliche Schwerpunkte; das hat man bei Ihrer Rede gemerkt: ein Gleiten durch die Welt. Für mich war das eher eine Regierungserklärung eines Vizekanzlers, der mal mehr werden will, aber es war nicht die Einbringung eines Haushaltes durch den Finanz- und Haushaltsminister. ({5}) Schauen wir es uns einmal an. Bei der Investitionsquote fällt Ihnen dann nachher auf: Oh Gott, oh Gott, die Finanzplanung zeigt wirklich, dass sie nach unten geht. – Sie setzen an Stellen, die die Zukunft bedeuten, keine Zeichen, sondern Sie lassen es gleiten. Sie machen einfach weiter so und sagen: „Es wird sich nachher schon ändern“, und das bei einer Finanzplanung – nicht bei titelscharfen Dingen –, die Sie selber festlegen, Herr Finanzminister. Meine Damen und Herren, das sendet auch ein Zeichen nach draußen. Wenn ein Staat zwar numerisch die Investitionen steigert, aber die Investitionsquote langsam runtergleiten lässt, dann fragen sich doch Privatunternehmen, die den wesentlichen Teil der Investitionen in diesem Land ausmachen: Warum sollen wir denn in Deutschland investieren, wenn selbst der Staat es nicht tut? Hier zeigen Sie erneut, dass es Ihnen nicht um Neues, um Besseres, um die Zukunft geht, sondern nur um das Gestalten der Gegenwart und das Abarbeiten der Vergangenheit. ({6}) Herr Minister, wo sind – das habe ich bei Ihren Vorgängern erlebt, und zwar egal von welcher Partei – die Dinge, bei denen Sie einmal das tun müssen, was ein Finanzminister tun muss, nämlich Nein zu sagen? Wo sagen Sie Nein? Gibt es wesentliche Ausgaben, bei denen Sie gesagt haben: „Mit mir, Scholz, gibt es das nicht, auch wenn es das mit meinem Vorgänger gegeben hat“? Wo sagen Sie bei Subventionen Nein? In Nordrhein-Westfalen läuft in diesem Jahr eine Subvention aus, die nicht leicht abzubauen war. Was machen Sie? Sie sagen: Ich mache eine neue Subvention, die nichts anderes ist als die Eigenheimzulage, die Koch/Steinbrück und eine Große Koalition unter großen Schmerzen abgebaut haben, und baue die langsam, aber sicher in Milliardenhöhe auf. Anstatt die Leute zu entlasten, gehen Sie hin und sagen: Ich verteile Geschenke, mache neue Subventionen, streiche keine Ausgaben; ich mache weiter so. – Das ist keine Haushaltspolitik. ({7}) Man könnte denken: Na ja, neun Jahre laufen gut, vielleicht gehe ich an einer anderen Stelle einmal hin und trenne mich von Dingen, die der Staat nicht unbedingt mitschleppen muss: Stichwort „Privatisierung“. ({8}) – Ja, ich weiß, privatisieren wollt ihr nicht. Ihr wollt verstaatlichen. Das ist mir auch klar. Man muss doch als Finanzminister überlegen: Warum bin ich eigentlich direkt oder indirekt noch Eigentümer eines Weltlogistikunternehmens? Warum bin ich noch Eigentümer eines Unternehmens bei der Bahn, die eine Tochtergesellschaft, DB Schenker, hat, die sich international im Wettbewerb mit dem anderen Unternehmen, das ich habe, befindet? Warum ist der Staat eigentlich noch Eigentümer eines Telekommunikationsunternehmens, das mit dreistelligen Milliardenbeträgen auf dem amerikanischen Markt eine Fusion anstrebt? Ist das die Aufgabe eines modernen Staates? Ist das ein Blick in die Zukunft? Nein. ({9}) Das, was Sie machen, ist: Hauptsache Dividenden, Hauptsache „Weiter so“. Zum Stichwort „Steigerung der Ausgaben“. Sie beziehen sich dabei immer wieder auf die Sozialquote. Ja, an der Sozialquote kann man messen, ob man eine sozialverantwortliche Regierung hat. Deswegen sage ich – Sie werden jetzt fragen: warum sagt er das für die schwarz-gelbe Regierung? –: Die höchste Sozialquote hatten wir in der Vergangenheit in den Jahren 2009 und 2010. Warum? Weil wir, als es dem Land in einer wirtschaftlichen Krise nicht gut ging, durch gezielte Injektionen in die Sozialpolitik dafür gesorgt haben, dass es wieder aufwärtsgehen konnte. Sie hingegen schrauben die Sozialquote in Jahren hoch, in denen es der Wirtschaft eigentlich sehr gutgeht. Das ist ein Weiter-so, das ist nichts Neues und nichts Besseres. ({10}) Zum Schluss: Herr Minister, ich hätte von Ihnen das erwartet, was man von einem ehrbaren Hamburger Kaufmann erwartet. Ich hätte erwartet, was einer Ihrer Vorgänger, nämlich Helmut Schmidt, bei der Einbringung des Haushalts 1974 gesagt hat: Sicherlich muss man bei jedem Haushalt auch immer den Rotstift gebrauchen, um dann andere gute Dinge zu tun. – Das kann ich bei Ihrem Haushalt nicht feststellen. Sie sind bisher leider nur Vizekanzler, aber noch nicht Finanzminister. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Johannes Kahrs, SPD-Fraktion. ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Otto, jetzt weiß ich, was ich vier Jahre lang nicht vermisst habe. Im Ergebnis ist billiger Populismus ehrlicherweise ein bisschen einfach, ({0}) und für einen Norddeutschen ist die Rede, die Olaf Scholz gehalten hat, für seine Verhältnisse relativ lebhaft. ({1}) Es gibt Menschen, die populistisch unterwegs sind, und es gibt eben Menschen, die auf der Sachebene unterwegs sind, die einen fundierten Haushalt vorlegen, der sauber durchfinanziert ist. Sie versprechen nichts, was sie nicht halten können. Sie hupen nicht laufend in der Gegend herum und sind nicht gefrustet, weil sie selber nicht regieren können. Sie erzählen nicht davon, was sie selber alles unter Schwarz-Gelb gemacht haben. Wir könnten jetzt über die missglückte Brennelementesteuer reden, die uns etliche Milliarden Euro gekostet hat. Wir könnten uns jetzt über die Luftverkehrsteuer unterhalten, die Sie als Steuererhöhungspartei eingeführt haben. Es gibt viele Dinge, über die wir reden könnten. Das Erbe der FDP ist ein bitteres. Wir reden aber über den Haushalt – da haben Sie recht – der nächsten vier Jahre. ({2}) In den nächsten vier Jahren – das hat Olaf Scholz in Absprache mit CDU, CSU und SPD hier vorgelegt – gibt es einen Haushalt, in dem wir investieren, in dem wir auf der einen Seite etwas für Familien mit Kindern tun und gleichzeitig den Staat stärken. Wir geben auch für die Polizei mehr Geld aus. Wir investieren in Bereichen, die uns wichtig sind. Europa wird mehr Geld kosten; das ist so. Das hat Herr Boehringer von der AfD zwar erwähnt, er hat aber vergessen, zu sagen, dass wir auch die Hauptprofiteure der Europäischen Union sind. ({3}) Europa ist wichtig. Europa ist gut. Europa ist unsere Zukunft. Es gilt, Europa nicht immer schlechtzureden. Es gilt, auch in schwierigen Zeiten zu Europa zu stehen und Europa zu stärken. Einzelne Staaten können die Probleme, die vor uns liegen, national nicht lösen. Man kann sie nur gemeinsam lösen. Das gilt für das Verhältnis zu den um uns herum liegenden Ländern. Das gilt für Umweltpolitik. Das gilt für Entwicklungspolitik. Das kriegen wir nicht alleine hin. Wenn man kurzsichtig denkt und sich auf seinen eigenen kleinen geistigen Horizont beschränkt, dann kommt man über die deutschen Landesgrenzen nicht hinweg. Wenn man aber eine Politik für dieses Land, für Europa, für die Menschen hier macht, dann legt man genau einen solchen Haushalt vor, wie Olaf Scholz ihn vorgelegt hat, und dann weiß man, dass dieses Land in den nächsten vier Jahren in guten Händen ist. Beide Partner wollen regieren und werden regieren; das sieht man diesem Haushalt auch an. ({4}) Wenn man über Familien mit Kindern redet, dann kann man über das Kindergeld und über das Baukindergeld reden. Wir Sozialdemokraten haben uns dafür eingesetzt, dass dieses nicht nur für Neubauten, sondern auch für Bestandsbauten gelten soll, dass es zum 1. Januar 2018 eingeführt werden soll, damit Familien mit Kindern davon entsprechend profitieren können und Eigentum gebildet werden kann, damit Menschen dieses Eigentum, von dem wir immer reden, auch als Absicherung für ihr Leben, für ihre Rente finanzieren können. Und das können die SPD, die CDU und die CSU gemeinsam. Wir haben das durchgesetzt. Es steht hier im Haushalt. Es wird kommen. Man kann als FDP natürlich sagen: Man will nicht, dass Eigentum gebildet wird. Man will Familien mit Kindern nicht unterstützen. – Das kann ich verstehen. Die Besserverdienenden machen das alles selber. Wir aber wollen, dass Familien mit Kindern eine Zukunft haben. Hier investieren wir. Deswegen ist es auch ein Investitionshaushalt, sehr geehrte Damen und Herren. ({5}) Wenn man sich anguckt, was alles in diesem Haushalt steht, dann stellt man fest, dass wir zum Beispiel im Kitabereich investieren. Wir haben eine Bundesfamilienministerin, die ein Gute-Kita-Gesetz vorgelegt hat. Dieses Gesetz wird kommen; und darin wird stehen, dass wir uns mit jedem Bundesland einzeln darüber unterhalten werden, wie wir die Situation bei den Kitas besser gestalten können – kostenlos oder bessere Qualität, beides wird kommen. Wir werden uns viel Zeit nehmen, und wir werden Geld in die Hand nehmen, um die Qualität in Kitas durchzusetzen und zu finanzieren, weil Familien, die sich auf Kitas verlassen, einen Anspruch nicht nur darauf haben, dass Kitas einen bestimmten Betreuungszeitraum abdecken, sondern auch auf Qualität. ({6}) Wir als Bund – hier hat Eckhardt Rehberg recht – sind nicht ausschließlich zuständig, aber trotzdem engagieren wir uns, Eckhardt. Ich freue mich auch über deine Unterstützung und die Unterstützung der CDU/CSU, dass wir im Kitabereich investieren können. Das ist richtig, und das ist gut so. ({7}) Natürlich ist es so, dass man über die Investitionskurve reden muss. Die Investitionskurve liegt durch unsere Investitionen 20 Milliarden Euro über dem, was für den Haushalt vorgesehen war. Gleichzeitig flacht sie am Ende etwas ab. Das liegt aber daran, dass wir Gelder noch nicht gebunden haben, weil sie ausgeplant werden. Wenn diese dann kommen, wird es eine ansteigende Kurve sein. Wir geben mehr Geld an Länder und Kommunen. Der Kollege Rehberg kritisiert das ab und an, weil die Länder und Kommunen manchmal ziemlich eigenwillig damit umgehen. Aber wir Sozialdemokraten haben in der letzten Legislaturperiode dafür gesorgt, dass Länder und Kommunen mehr Geld zur Verfügung haben. Dann wird vor Ort – in den Städten, in den Gemeinden, in den Dörfern – investiert. Dann sehen die Menschen, dass das Geld abfließt und es genau da ankommt, wo die Menschen es brauchen. Deswegen war es richtig und gut von uns Sozialdemokraten, dass wir immer darauf gedrungen haben, dass Geld auch an die Länder und Kommunen geht. Deswegen, Ecki, ist es genauso richtig und wichtig, dass wir aufpassen, dass dieses Geld vernünftig ausgegeben wird. Deswegen ist es auch gut, dass es diese Grundgesetzänderung geben wird. Wir werben dafür um Zustimmung und glauben, dass es im Ergebnis eine gute Sache ist. ({8}) Dann ist es so, dass von den Steuermehreinnahmen – jeder glaubt, der Bund hat auf einmal 60 Milliarden Euro; das hat er nicht – ein Großteil an Länder und Kommunen geht. Netto bleiben für den Bund in vier Jahren 10,8 Milliarden Euro. Mit diesem Geld werden wir auch Dinge im Bereich der Digitalisierung voranbringen, die wir richtig und wichtig finden. Wir werden durch den Abbau der kalten Progression den Bürger entlasten, und das Jahr für Jahr. Wir werden die Bürger beim Soli entlasten. 90 Prozent der Menschen werden im ersten Schritt entlastet werden. Wenn die AfD sagt, dass sie die anderen 10 Prozent auch sofort entlasten möchte, dann möchte die AfD die Besserverdienenden entlasten. Dann kann eben weniger Geld für Kitas, für Pflege und vor Ort investiert werden. Das, was die AfD hier betreibt, ist billiger Populismus. ({9}) – Da können Sie hier noch so herumkrähen, wie Sie wollen, gnädige Frau, melden Sie sich einfach, dann sind Sie vielleicht irgendwann einmal dran. – Wir jedenfalls haben diesen Unsinn satt. Jenseits der Sachebene bringt das nichts, was Sie hier treiben. ({10}) Mit billigem Populismus bringen Sie dieses Land nicht voran. Olaf Scholz, diese Koalition bringt dieses Land voran. ({11}) Wir wollen regieren. Wir regieren. Der Haushalt zeigt das. Vielen Dank. ({12})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Titel des Koalitionsvertrages lautet: „Ein neuer Aufbruch für Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“. ({0}) Aber, meine Damen und Herren, nichts, aber auch gar nichts davon ist mit diesem Haushalt eingelöst. ({1}) Das ist nicht nur eine Blamage für Olaf Scholz, sondern vor allem fatal für die Menschen in unserem Land. Sie beten weiter das Mantra von der schwarzen Null herunter. Ich frage mich, warum die SPD unbedingt das Finanzministerium übernehmen wollte, wenn sie die Politik von Wolfgang Schäuble eins zu eins weiterführen will. ({2}) Sie versuchen, den Menschen einzureden, mit der schwarzen Null wären alle Probleme gelöst. Nein, damit fangen viele Probleme erst einmal an. Wir als Linke sagen Ihnen: Wir brauchen endlich ein gerechtes Steuersystem. Die SPD hat im Wahlkampf die Einführung der Vermögensteuer gefordert, wollte Steuerschlupflöcher schließen. Davon ist nichts mehr zu hören, und das ist falsch, meine Damen und Herren. ({3}) Ich sage Ihnen: Wenn die Vermögenden nicht stärker besteuert werden, werden Armut und Vermögen in unserem Land zunehmen. Das spaltet unser Land, und das können wir nicht hinnehmen. ({4}) Sie investieren – trotz aller schönen Worte, die Sie hier gefunden haben, Herr Scholz – weniger als nötig in die Zukunft. Das ist rücksichtslos gegenüber nachfolgenden Generationen, meine Damen und Herren. ({5}) Der Deutsche Städtetag hat berechnet, dass allein in den Kommunen ein Investitionsstau von 126 Milliarden Euro herrscht. Das heißt, es müssen dringend Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Straßen, Brücken saniert oder neu gebaut werden. Dem Bürger ist es doch egal, wer für welche Aufgabe zuständig ist – er will, dass das Land funktioniert, und darauf hat er auch ein Anrecht, meine Damen und Herren. ({6}) Dieser Haushalt ist auch schlecht für Europa. In der Finanzkrise hat die Bundesregierung 280 Milliarden Euro an Zinsen eingespart. Das ist fast der Bundeshaushalt für ein ganzes Jahr. Deutschland ist damit Gewinner der Finanzkrise, und die Bundesregierung hat mit ihrer Kürzungspolitik reihenweise Verlierer produziert. Natürlich wird jetzt in Europa genau beobachtet, wie sich die Bundesregierung verhält: Investiert sie in europäische Solidarität, oder handelt sie weiter nach dem Prinzip „Jeder ist sich selbst der Nächste“? Gibt sie weiter den strengen Zuchtmeister? Wir wissen doch alle, dass die Kürzungsvorgaben der Bundesregierung die Krise in vielen europäischen Ländern verschärft hat. Das dürfen wir nicht weiter zulassen, meine Damen und Herren. ({7}) Völlig verantwortungslos ist die weitere Erhöhung der Rüstungsausgaben. 2016 gaben Sie für das Militär 35,1 Milliarden Euro aus, und innerhalb von nur neun Jahren wollen Sie die Ausgaben fast verdoppeln. Ich frage Sie: Wo ist der Feind der NATO, der im gleichen Zeitraum seine Militärausgaben verdoppeln will? Ich sehe ihn nicht, meine Damen und Herren. ({8}) Für Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall oder Airbus ist mehr Geld für die Bundeswehr natürlich ein Segen, für alle anderen ein Fluch. Denn damit bleibt Deutschland Teil des Wettrüstens; damit tragen Sie auch Verantwortung für die weitere Destabilisierung des Friedens in der Welt. Und damit muss endlich Schluss sein. ({9}) Schluss sein muss auch mit den Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien und in die Türkei. Viele haben sich ja nun aufgeregt, dass sich zwei Fußballspieler mit Erdogan fotografieren ließen – kann man machen. ({10}) – Sich darüber aufregen. – Viel schlimmer finde ich es, wenn Frau Merkel und Frau von der Leyen mit Erdogan Waffendeals abschließen und damit den Weltfrieden gefährden. ({11}) Ich sage Ihnen: Mehr Fußball und weniger Panzer, das wäre besser für uns alle. ({12}) Meine Damen und Herren, ist es wirklich so schwer, zu verstehen, dass unser Land, das extrem von Exporten abhängig ist, alles tun muss, um kalte und heiße Kriege zu vermeiden? Ist es wirklich so schwer, zu verstehen, dass die extreme Exportabhängigkeit unseres Landes in Handelskriegen zum Problem wird? Meine Damen und Herren, lassen Sie uns den Haushalt in den Haushaltsberatungen vom Kopf auf die Füße stellen. Sorgen wir für mehr Exportunabhängigkeit, sorgen wir für mehr Investitionen, sorgen wir für eine bessere Zukunft und mehr Sicherheit für unser Land. Vielen Dank. ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Scholz, ich teile inhaltlich nicht vieles in der Rede von Johannes Kahrs, aber er hat eines gezeigt: Als Norddeutscher kann man Reden halten, bei denen das Publikum nicht fast einschläft. Vielen Dank dafür, Johannes. ({0}) Guten Morgen, Herr Minister! Das ist Ihr erster Haushalt und Ihre erste Finanzplanung, die Sie heute vorlegen. Die Frage ist: Was machen Sie daraus? Sie haben eine extrem gute Ausgangslage, von der viele Finanzminister nur träumen. Und doch: So wie es aussieht, scheinen Sie das Geld lustlos und ohne Energie mit der Gießkanne zu verteilen. Das hat einen Preis. Dafür fällt vieles hinten runter. Das ist ein Haushalt, in dem die Investitionsquote sinken wird. Das ist ein Haushalt, in dem die Bekämpfung von Armut ignoriert wird. Das ist ein Haushalt, in dem die Klimakrise totgeschwiegen wird. Das ist ein Haushalt, in den bisher nichts für Europa eingestellt ist. Das ist ein Haushalt, in dem die Rüstungsausgaben drastisch steigen. Meine Damen und Herren, um es auf den Punkt zu bringen: Das ist ein Haushalt ohne Zukunft. ({1}) Haushalt heißt Entscheidungen treffen, mutig sein und Prioritäten setzen, Prioritäten setzen für Europa, für Frieden, für Gerechtigkeit, für das Klima. Aber das alles findet man im vorliegenden Haushalt nicht. Es gibt keinen Plan, kein Ziel. Man weiß nicht, wohin die Reise gehen soll. Stattdessen, Herr Scholz, verwalten Sie lustlos und ambitionslos das Erbe von Wolfgang Schäuble. Das ist kein Aufbruch, kein Politikwechsel im Finanzministerium, das ist nur ein müdes Weiter-so. Das ist ein klarer Fehlstart als Finanzminister, Herr Scholz. ({2}) Der vorliegende Haushalt braucht ein stabiles Fundament; denn die aktuell gute Lage blendet. Wir haben Probleme in der Substanz. Die großen Spielräume im Haushalt sind das Nebenprodukt einer historisch einmaligen Niedrigzinsphase in Deutschland. 162 Milliarden Euro hat der Bundeshaushalt seit 2008 an Zinskosten gespart. 162 Milliarden Euro! Das heißt konkret: Mario Draghi hat deutlich mehr für den ausgeglichenen Haushalt getan als diese Bundesregierung. ({3}) Herr Scholz, Sie setzen einfach darauf, dass es mit den guten Steuereinnahmen, mit der guten Konjunktur und mit den historisch niedrigen Zinsen weitergeht. Ich sage Ihnen: Gerade in diesen krassen weltpolitischen Zeiten, in denen so viel in Bewegung ist, ist das eine gefährliche Wette auf die Zukunft. Zum Thema Investitionen. Auch das ist gefährlich, was Sie hier vorhaben. Trotz Ihrer Ausführungen, Ihrer Ausflüchte: Es geht nicht um die nominalen Investitionen, sondern es geht um die Investitionsquote, also gemessen an den Ausgaben im Haushalt. Die Steuereinnahmen steigen, das heißt, Sie haben deutlich mehr Geld für Investitionen zur Verfügung. Selbst wenn man die Entflechtungsmittel mit einrechnet, sinkt die Investitionsquote im Finanzplan. Das ist Fakt. Wir haben in Deutschland einen großen Investitionsstau in Höhe von 126 Milliarden Euro. Das betrifft die Kommunen, die Infrastruktur, die öffentliche Daseinsvorsorge und die Verwaltung, die auf Verschleiß gefahren wird. Ich finde, für einen SPD-Finanzminister ist es ein politischer Offenbarungseid, wenn im Haushalt dann auch noch die Investitionsquote sinkt. So geht es nicht. ({4}) Damit verschulden Sie sich massiv an der Zukunft. Aber das scheint Ihr Motto zu sein: Schulden an der Zukunft. Die Mittel für die meisten Projekte auf Ihrer Prioritätenliste werden erst am Ende Ihrer Wahlperiode fällig, und das wird richtig teuer. Es handelt sich um milliardenschwere Projekte: die Abschmelzung des Solis, das Baukindergeld, die Mütterrente II und vieles mehr. Das dicke Ende kommt zum Schluss, ab 2022. Die Kosten kippen Sie dann der nächsten Regierung vor die Füße. Ich sage Ihnen: Das ist keine nachhaltige, keine solide, keine generationengerechte Haushaltspolitik. ({5}) Herr Scholz, im Koalitionsvertrag wurde ein Aufbruch für Europa versprochen. Sie als Finanzminister wären jetzt in der Verantwortung, das auch einzulösen. Aber weder im Haushalt noch in der Finanzplanung findet sich etwas dazu. Es gibt keine neuen Mittel für den europäischen Haushalt, keine Reaktion auf Macron oder auf Juncker, stattdessen sehr allgemeine Sätze und vage Ankündigungen. Sie haben gesagt, „vielleicht“ könne man Mittel beim ESM einsetzen. Das ist wenig Konkretes, und das, obwohl Europa und Frankreich seit vielen Monaten auf die Vorschläge aus Deutschland warten. Bisher kommt nur Nörgeln, Bremsen und Blockieren, nur Nein, Nein, Nein. – So geht es nicht. Ich finde das verantwortungslos. Die Bundesregierung muss endlich handeln. ({6}) Das Einzige, was Sie wirklich konkret gesagt haben, war, dass der deutsche Beitrag für den europäischen Haushalt bei 1 Prozent bleiben soll, und das, obwohl Haushaltskommissar Oettinger – von der CDU übrigens – schon 1,14 Prozent, also mehr, in Aussicht gestellt hat. Das heißt, Ihr Vorschlag liegt unter dem Niveau des Vorschlags der Kommission. Damit stärken Sie Europa nicht, damit schwächen Sie Europa, Herr Minister. ({7}) Herr Scholz, gerade wenn es um Europa geht, dann kann man als Finanzminister den Haushalt nicht nur als Verwaltungsangelegenheit behandeln. Wenn man Europa nach vorne bringen will, wenn man die Menschen für Europa begeistern will, dann braucht man Begeisterung, Mut und Leidenschaft. Man muss für Europa werben. Aber all das habe ich in Ihrer Rede leider nicht gespürt. So wird Europa nicht vorankommen. ({8}) – Da waren Sie einer der wenigen, Herr Grosse-Brömer. Herr Minister Scholz, die Frage lautet: Wollen Sie das, was Martin Schulz in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, durchsetzen, oder wollen Sie einfach nur die Agenda von Wolfgang Schäuble fortsetzen? Ich frage mich: Welche Partei stellt eigentlich gerade den Finanzminister? Ist es die SPD, ist es die CDU? Man weiß es nicht so genau. Ich fordere Sie auf, Herr Scholz: Bekennen Sie in Sachen Europa endlich Farbe! Handeln Sie endlich! Legen Sie Ihre Vorschläge vor! ({9}) Man schweigt aber nicht nur zu Europa, sondern auch bei den zentralen Fragen unseres Jahrhunderts. In Sachen Klimakrise bilden SPD, CDU und CSU ein Schweigekartell. Dieser Haushaltsplan enthält keine Antworten auf diese Jahrhundertherausforderung. Stattdessen werden über 50 Milliarden Euro für klimaschädliche Subventionen ausgegeben. Für die Klimarettung gibt man ein paar Millionen, aber für die Klimazerstörung Milliarden aus: für den schweren Dienstwagen, für den Diesel, für die Agrarindustrie, für Plastiktüten. All das kostet sehr viel Geld. All das zerstört unsere Lebensgrundlagen. Ich sage Ihnen: Diese absurde Subventionspolitik können wir uns schlicht nicht mehr leisten. ({10}) Dieser Haushaltsplan ignoriert auch die Notwendigkeit der Bekämpfung von Armut. Das ist Ausdruck der Prioritätensetzung dieser Koalition. Sie haben 10 Milliarden Euro für die Abschmelzung des Soli in den Finanzplan eingestellt. Davon profitiert derjenige, der heute in Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, gar nicht. Sie führen mit dem Baukindergeld eine neue milliardenschwere Subvention für Besserverdienende ein. Gleichzeitig gibt es aber nur Krümel für den sozialen Wohnungsbau und für Mieterinnen und Mieter. Sie verteilen das Geld bei der Mütterrente mit der Gießkanne, anstatt gezielt gegen Altersarmut vorzugehen. ({11}) – So ist es. Genau so ist es. ({12}) Die armen Kinder bekommen den kleinsten Teil vom Haushalt, während die Eltern, die viel verdienen, den Kinderfreibetrag noch obendrauf bekommen. Ich sage Ihnen: Ihre Prioritätensetzung in diesem Haushalt verringert nicht die soziale Spaltung, sondern vergrößert sie. Das muss sich ändern. ({13}) Last, but not least das Thema Rüstung: Der Bundeswehretat steigt in den nächsten vier Jahren massiv, um 16 Milliarden Euro in vier Jahren. Kein anderer Etat wird bis 2021 so stark steigen. Trotzdem will die Verteidigungsministerin noch mehr Geld für den Bundeswehr­etat. Ich sage Ihnen: Das, was die große Koalition hier aufführt, ist ein Stück aus dem Tollhaus. ({14}) Im gleichen Zeitraum sparen Sie bei den Ausgaben für Entwicklung und Diplomatie. Die Ausgaben des Auswärtigen Amts sinken laut Finanzplan sogar, und das in einer Welt, in der wir nicht weniger, sondern mehr Diplomatie und mehr zivile Einsätze brauchen. Sie machen genau das Gegenteil: Sie setzen vor allen Dingen auf das Militär. Ich sage Ihnen: Das ist die völlig falsche Prioritätensetzung. ({15}) Wir Grüne leugnen nicht die Probleme bei der Bundeswehr. Wir wollen, dass die Probleme bei der Bundeswehr gelöst werden; aber wir wissen auch, dass man riesige Strukturprobleme nicht einfach dadurch löst, dass man mehr Geld auf die alten Strukturen kippt. Das Chaos im Ministerium, die Fehlplanungen, dass viel Geld nicht ausgegeben wird, dass Rüstungsprojekte als Wahlkreisgeschenke fungieren, das alles sind Strukturprobleme der Bundeswehr, und die löst man nicht, indem man einfach mehr Geld draufkippt. ({16}) Herr Minister, wir stehen erst am Anfang dieser Haushaltsberatungen. Wir werden Ihnen in den Haushaltsberatungen konkrete Vorschläge unterbreiten, wie man die Prioritären richtig setzen kann, für Europa, für das Klima, für Gerechtigkeit, für Frieden; denn dieser Haushalt muss sich dringend ändern. Bisher ist das ein Haushalt ohne Zukunft. Danke schön. ({17})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Lothar Binding, SPD. ({0})

Lothar Binding (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Otto Fricke hat vorhin ein bisschen über die Investitionsquote schwadroniert. Ich frage einfach mal: Soll man in einer Hochkonjunktur die Investitionsquote steigern, oder soll man die Investitionsquote steigern, wenn eine Rezession droht, wenn also ein, zwei oder drei Quartale hintereinander das Wachstum sinkt? Auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort. Dann sehen wir, ob deine Kritik Substanz hat. Die Quote sagt übrigens weder etwas über die Notwendigkeit noch über die Qualität von Investitionen aus. ({0}) Es ist leicht zu erkennen, dass dieser Haushalt das richtige Maß hat und wir in die richtigen Zukunftsfelder Geld investieren. Investitionen in Schule und Bildung, für die digitale Zukunft, gegen Armut, für soziale Sicherheit, Kinder und Familien sind vernünftig. Ich will noch etwas zur FDP als Steuersenkungspartei sagen – Johannes Kahrs hat es schon erwähnt –: Mit ihr wurden die Brennelementesteuer eingeführt – sie ist verfassungswidrig; das musste eine andere Regierung wieder aufräumen –, die Luftverkehrsteuer und die Hotelsteuer. Wir sehen: Es gab sozusagen Steuersenkungen für eine spezielle Klientel und Steueranhebungen für die anderen. Das ist keine Servicepartei, sondern Servicewüste. ({1}) Gesine Lötzsch und Sven-Christian Kindler haben gesagt: Es gibt einen Investitionsstau. – Das stimmt sogar. Es ist aber gar nicht möglich, den Investitionsstau mit Geld abzubauen. Man braucht Kapazitäten. ({2}) – Beides braucht man. – Der Investitionshaushalt steigt in den vier Jahren von 120 Milliarden auf 140 Milliarden Euro. Da kann man nicht sagen: Es wird nichts investiert. Es wird nämlich viel investiert. Langfriststrategie heißt aber auch: Man braucht einen Kapazitätsaufbau. Das geht eben nicht per Schalter, und es geht nicht per Neuwahl, sondern wir brauchen auch hierfür eine Langfriststrategie. Jetzt kann man auch erkennen, warum der Haushalt klug angelegt ist, nämlich langfristig auf Solidität und Investitionen in die Zukunft, statt hektisch Geld auszugeben, damit die Preise steigen. ({3}) Aber ich bin eigentlich für die Einnahmeseite zuständig: für die Steuern, ({4}) also im Wesentlichen das, was eigentlich die Gäste oben auf der Tribüne leisten. Von uns kommt auch etwas – das stimmt –, sogar viel; denn wir verdienen auch viel. Wir haben ein Bruttoinlandsprodukt von 3 200 Milliarden Euro, und immerhin über 700 Milliarden Euro nimmt der Staat als Steuern. Also wir alle nehmen die Steuern von uns allen. Insofern gehört es auch uns allen, und wir kümmern uns nur um die vernünftige Verteilung. Dem Bund gehören ungefähr 330 Milliarden Euro, den Ländern etwas weniger, nämlich 310 Milliarden Euro, und den Kommunen 110  Milliarden Euro. Deshalb möchte ich erst einmal den Bürgern danken, dass sie alle, sofern sie ihre Steuern fair bezahlen, diesen Beitrag leisten. Das ist die eigentliche Leistung des Volkes: ({5}) die Arbeitnehmer, die die Werte schaffen, die Arbeitgeber, die helfen, das zu organisieren, und der Mittelstand. Damit habe ich alle beteiligten Bürger genannt. Das Ergebnis der gegenwärtigen Lage, die ich beschrieben habe, ist die Folge einer langfristigen Entwicklung in unserem Staat, und man muss sagen: Das ist die Politik, die lange vor dieser Zeit vollzogen wurde, nämlich in den letzten 4, 8, 12, 16 bzw. 20 Jahren. Jeder weiß, dass Wachstum in einer bestimmten Phase nicht in dem Moment entsteht, in dem man entsprechend agiert, sondern weil man zuvor die richtige Politik gemacht hat. Wir hatten Glück mit der Zinslage, den Rohstoffpreisen und dem guten Außenhandel mit einem großen Außenhandelsüberschuss infolge einer lange Zeit andauernden Situation sinkender Reallöhne. Das war ein wirkliches Opfer der Arbeitnehmer, die schweren Herzens auf einen Teil der Reallöhne verzichtet haben, und das hat unseren Außenhandel sehr befördert. Jetzt fordern manche automatisch Steuersenkungen. Diese Forderung kommt immer eilfertig daher. Jeder weiß, was mit dem Geld passiert, wenn wir jetzt Steuern senken würden: Das schafft eine zusätzliche Nachfrage in einem Markt, der nichts liefern kann. Was wir machen, ist – sehr fein ziseliert und vernünftig, wie schon immer – der Abbau der kalten Progression. Jeder weiß: Man kann sie nicht bekämpfen oder abschaffen. Das wäre so, als wollte man das Nasse vom Wasser abschaffen. Nein, wenn etwas nass ist, dann kann man es abtrocknen; aber das Wasser bleibt immer nass. ({6}) Deshalb gibt es auch immer eine kalte Progression, wenn es Inflation gibt. Insofern ist klar: Es ist klug, das jetzt zu machen. Fiskalisch kostet das jedes Jahr etwas – das ist völlig klar –; insofern ist das fiskalisch eine große Aufgabe. Für den Einzelnen ist das nicht so dramatisch. Wer das dramatisiert, sollte es einmal ausrechnen: Bei einem Einkommen von beispielsweise 50 000 Euro macht es im Monat 10 Euro aus. Das ist nicht allzu viel. Die ganz Schwachen haben davon gar nichts, weil sie keine Steuern zahlen. Die ganz Reichen haben davon ein bisschen mehr. Ich finde, die kalte Progression muss man nicht in den Mittelpunkt der Diskussion stellen. ({7}) Wichtiger ist, dass wir sagen: Wenn man die kalte Progression abbaut, dann muss man auch bei denen etwas tun, die keine Steuern zahlen; man muss sich um die Abgaben kümmern. Deshalb ist es klug, die Rentenversicherungsbeiträge beim Midijob anders zu justieren. Es ist klug, die gesetzliche Krankenversicherung wieder paritätisch zu finanzieren. ({8}) Es ist klug, die Arbeitnehmerbeiträge wieder zu senken. Und es ist klug, das Kindergeld in zwei Schritten um 10 bzw. 15 Euro anzuheben. Last, but not least ist es auch klug, in einem gewissen Zeitraum den Soli abzubauen. Wir hätten ihn gerne für alle abgebaut. Es gab, ehrlich gesagt, einen Streit mit der CDU/CSU. Denn die obersten 10 Prozent – dazu gehören auch wir; alle, die wir hier sitzen – können sich den Soli doch leisten. Weil sie sich den leisten können, müssen sie ihn auch weiterhin zahlen. Wärt ihr von der Union damit einverstanden gewesen, dass wir den Spitzensteuersatz entsprechend klug justieren, dann hätten wir den Soli komplett abgeschafft. ({9}) Aber das ging jetzt nicht. Darüber müssen wir auf jeden Fall noch einmal reden. Wir schauen einmal, wie wir die Steuerstrukturkurve, die Tarifkurve ordentlich anpassen und gut justieren. Dann kommt der Soli in der zweiten Stufe sicherlich auch noch dran; das ist eine gute Sache. Wie wir sehen, ist es klug, die langfristigen Ziele finanzpolitisch abzusichern. Deshalb sagen wir: Wir brauchen eine Anzeigepflicht bei nationaler Steuergestaltung. International gibt es schon entsprechende Vorgaben. Das bedeutet eine neue Kultur der Verantwortung bei der Besteuerung bzw. der Versteuerung und auch für den Steuerpflichtigen. Wir haben die Finanztransaktionsteuer im Blick. Es gilt, diese weiterzuverfolgen. Das ist ein schöner Anknüpfungspunkt, um mit Macron zu reden; denn Macron hat viele gute europäische Themen – auch bezogen auf den europäischen Haushalt – angesprochen, unter anderem die Unternehmensteuern und die Finanztransaktionsteuer. Das wird ein riesiges Verhandlungspaket ergeben, das man – beginnend im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit – aufnehmen muss. Wenn wir unsere Ziele mit den Zielen von Macron harmonisieren und wenn Macron seine Ziele mit den unsrigen harmonisiert, dann könnte daraus eine europäische Achse werden, die ganz Europa in eine gute Zukunft mitreißt. Hier merkt man, warum es so wichtig ist, dass wir uns in der europäischen Gesamtsituation darauf verständigen, wie wir überhaupt Steuern erheben, auf welcher Bemessungsgrundlage, in welchem Mindeststeuersystem. Nur wenn wir uns verständigen, gibt es eine harmonische Entwicklung in Europa. In der Dissonanz kann Europa keine Zukunft haben, wohl aber in der Harmonie. Der vorliegende Haushalt unterstützt dieses Ziel. ({10})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Harald Weyel, AfD. ({0})

Prof. Dr. Harald Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004932, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei so vielen sozialdemokratischen Vorrednern muss ich doch einmal eine Reminiszenz machen. Was würden die stolzen Toten vom Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, die patriotischen Sozialisten, ({0}) die gegen die Nationalsozialisten gestanden haben, zu diesem macronistischen Verrat an den deutschen Arbeitnehmerinteressen sagen und dazu, dass deutsche Sozialdemokraten heute nichts Besseres zu tun haben, als den französischen Interessen hinterherzulaufen und ein Europa mit deutschem Geld zu finanzieren, das seinen Job nicht macht? Das ist das große Ganze. ({1}) – Die große Stunde der Schreihälse! ({2}) Lassen Sie uns einmal detailliert untermauern, ({3}) welche schräge Richtung das Ganze dank Ihnen nimmt und warum es zu unseren Lasten geht. Es ist schön, dass wir in Kapitel 0603, Titel 272 02 erfahren, dass der Bundeshaushalt 103 Milliönchen aus Brüssel bekommen hat, und zwar vom AMIF, von dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds. 103 Milliönchen gab es im Jahr 2016 als Rückfluss bzw. Gegenleistung. 2017 und 2018 ist nichts eingestellt, und das, obwohl wir wegen einer gesetzesbrecherischen Kanzlerin und aus Selbstgefälligkeitsgründen seit 2015 mindestens 20 Milliarden Euro sogenannte Migrationskosten am Hals haben. Das geht inzwischen in Richtung 40 Milliarden Euro. Das ist in etwa so viel wie der gesamte Verteidigungsetat. Diese Kosten gehören eigentlich im Rahmen eines Umlageverfahrens gedeckt, zumindest anteilig übernommen von einem sinnvollen, solidarischen EU-Haushalt. Beim Wort „solidarisch“ wird mir immer etwas schlecht, weil es von gewissen Leuten genauso verwendet wird, wie ein Heiratsschwindler das Wort „Liebe“ verwendet. ({4}) Der solidarische EU-Haushalt hätte eigentlich an den Bundeshaushalt netto Geld zu überweisen und dürfte ihn nicht ständig anzapfen, wie er es seit der ersten Stunde der EU tut. Zusammen mit Mehrwertsteueranteil und Zolleinnahmen gehen mindestens 27 Milliarden Euro nach Brüssel, fast 4 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. 4 Milliarden Euro jährlich machen allein die Zolleinnahmen aus, die die traditionellen Eigenmittel der EU schon seit 1958 sind. Alle diesbezüglichen MFR-Nichtneuverhandlungsstrategien à la Oettinger, Merkel und Scholz gehen genau in die falsche Richtung. Immer mehr Geld wird für immer schlechtere Jobs verlangt. Weder Frieden noch Demokratie noch Wohlstand noch Sicherheit noch Zukunft werden aus derlei fortgesetzter Irreführung und Misswirtschaft generiert. Neue Mitglieder würden nur auf Abwege der Nichtdemokratie und Planwirtschaft gebracht – zumal das eine recht planlose Planwirtschaft wäre. In Summe ist festzuhalten, dass nach der Wiedervereinigung von 1991 bis 2014  255 Milliarden Euro nach Brüssel geflossen sind. Von Deutschland wurden also 46 Prozent aller Nettozahlungen aufgebracht – und das, obwohl Deutschland nur einen 25-prozentigen Anteil am Sozialprodukt hat. Seit 2011 müsste das bekannt sein. Das kommt vom Professor Willeke. Der Sozialdemokrat würde sagen: Das ist so ein Professor aus Heidelberg. Er kommt tatsächlich aus Heidelberg. – Dieses Missverhältnis – 46 Prozent der Nettozahlungen nach Brüssel beim alten Stand und 25 Prozent tatsächlicher Substanzanteil am Sozialprodukt der EU – müsste doch jedem auffallen. Schönen Dank. ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Ralph Brinkhaus, CDU/CSU. ({0})

Ralph Brinkhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004021, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zehn Anmerkungen zum Haushalt: Erste Anmerkung. Es geht uns gut. Seit 2014 haben wir ausgeglichene Haushalte. Die Finanzplanung ist auch ausgeglichen. Europa und die Welt beneiden uns darum; das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen, weil wir das nur allzu leicht vergessen. Herr Kollege Kindler, wenn das nur an den niedrigen Zinskosten gelegen hätte, hätte ganz Europa davon profitiert, weil alle niedrige Zinskosten hatten, nicht nur wir. ({0}) Zweite Anmerkung. Es geht nicht nur dem Bund gut, sondern es geht auch den Ländern und Kommunen gut. Im Jahr 2018 werden wahrscheinlich alle Bundesländer einen ausgeglichenen Haushalt bzw. Überschüsse erwirtschaften. Das hat auch viel mit der Bundespolitik zu tun. Das hat viel damit zu tun – der Kollege Rehberg hat es ausgerechnet –, dass wir in den letzten Jahren 150 Milliarden Euro aus unserem Haushalt an Länder und Kommunen weitergeleitet haben. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und für diejenigen, die vor dem Fernseher sitzen: Wenn der Herr Scholz 1 Euro mehr Einkommensteuer bekommt, dann bekommt er gar nicht 1 Euro. Denn von 1 Euro mehr Einkommensteuer gehen 52,5 Cent an die Länder und die Kommunen. Deswegen, meine Damen und Herren, weil jetzt wieder das Jammern von Ministerpräsidenten und anderen Vertretern einsetzt: Dass der Bund mehr zahlen muss, ist, glaube ich, an dieser Stelle falsch. ({1}) Dritte Anmerkung: der Mythos der Steuermehrschätzung von 63 Milliarden Euro und dass wir im Geld schwimmen. Von den 63 Milliarden Euro bleiben in dieser Legislaturperiode – der Finanzminister hat es ausgerechnet – nach Abzug dessen, was für Länder und Kommunen draufgeht, was schon verplant ist und was erst 2022 kommt, maximal 10 bis 11 Milliarden Euro über. Wenn man das ins Verhältnis zu 1 400 Milliarden Euro setzt – Lothar Binding, jetzt könnte ich deinen Zollstock gebrauchen –, die wir innerhalb von vier Jahren ausgeben, dann weiß man, dass das relativ wenig ist. Das ist also auf alle Fälle kein Grund, jetzt in große Fantasien über Ausgabenorgien und ähnliche Sachen zu verfallen; denn eigentlich handelt es sich um eine Reserve, die wir vorhalten sollten. Vierte Anmerkung. Wir sollten eine Reserve vorhalten, weil es nicht garantiert ist, dass die Steuereinnahmen so hoch bleiben. Das hängt mit der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Zu unserer wirtschaftlichen Entwicklung muss man eines sagen: Wir sind sehr, sehr exportabhängig. Das heißt, wenn irgendjemand auf der Welt Grippe hat – ob das jetzt im Nahen Osten, in den USA oder sonst wo ist –, husten wir mit. Unsere Industriegesellschaft steht außerdem vor Umbrüchen, die wir uns alle wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen können, und zwar durch die Digitalisierung, durch Robotik und viele, viele andere Sachen. Deswegen ist es gut, auch noch einige Reserven zu haben. Fünfte Anmerkung: das Thema Steuersenkungen. Wir senken sehr wohl Steuern. Wir gehen nicht nur gegen die kalte Progression an und fahren den Solidaritätszuschlag zurück, am Ende des Tages ist sogar das Baukindergeld eine Steuersenkung für die Mitte der Gesellschaft. ({2}) Ich kann mir schon vorstellen, dass die FDP Probleme damit hat. Denn es ist natürlich keine Entlastung für die Besserverdienenden, sondern etwas für Familien mit Kindern. ({3}) Das ist der Fokus unserer Politik. Wir machen Politik für Familien mit Kindern, und wir sind keine Klientelpartei für Besserverdienende. ({4}) Sechste Anmerkung: zu wenig Investitionen. Ja, es ist immer wichtig, auf Investitionen zu achten. Der Kollege Binding hat es erklärt: Das Geld muss auch abfließen können. Momentan ist das Problem wohl weniger, dass zu wenig Geld da ist, sondern das Problem ist einfach, dass das Geld nicht verbaut werden kann. Investitionen sind wichtig. Gerade in der Krise wird sich zeigen, wie wichtig Investitionen genommen werden. Ich habe mich ein bisschen über den Kollegen Kindler von den Grünen gewundert, der sagte: Sozialausgaben und Investitionsquote müssen hoch sein. Das ist richtig. Aber ich will doch die Sozialausgaben nicht verteufeln; das geht doch gar nicht. Siebte Anmerkung. Meine Damen und Herren, dieser Staat ist nicht nur dafür verantwortlich, eine gute Infrastruktur zu liefern, sondern auch dafür, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft erhalten bleibt. Dafür müssen wir gerade in der jetzigen Situation Geld in die Hand nehmen. Was nützen uns gute Straßen, was nützt uns eine gute digitale Infrastruktur, wenn diese Gesellschaft auseinanderbricht? ({5}) Wenn wir über Zusammenhalt reden – das führt mich zu meiner achten Anmerkung –, dann müssen wir auch über den Zusammenhalt der Generationen reden. Auch das ist in diesem Haushalt angelegt. Wir werden ja dafür verspottet – angeblich ist es ein Fetisch –, dass wir die schwarze Null halten. Nein, das ist eine Frage der Generationengerechtigkeit. Es ist eine Frage, was wir denjenigen zumuten, die hier in 20 oder 30 Jahren sitzen. Haben sie dann überhaupt noch Spielräume, oder haben sie keine, weil wir das Geld herausgejuxt haben? Darum geht es bei der schwarzen Null. Wir sind dafür, dass die Generationengerechtigkeit eine große Rolle spielt. Das ist wie im Haushalt von Wolfgang Schäuble auch im Haushalt von Olaf Scholz angelegt, und das ist gut und richtig; da sind sich CDU, CSU und SPD sehr, sehr einig. ({6}) Neunte Anmerkung. Wenn wir das mit der Generationengerechtigkeit ernst nehmen, dann müssen wir natürlich schon schauen, was wir den nächsten Generationen in den Rucksack packen. Dazu gehören einige Ziegelsteine. Natürlich ist ein großer Ziegelstein die Mehrbelastung, die wir durch die Europäische Union haben werden. Der Brexit wird für uns nicht kostenlos sein. Wir sind uns doch alle einig – zumindest fast alle –, dass die Europäische Union Aufgaben übernehmen muss, die wir als Deutsche nicht alleine übernehmen können: Das ist die äußere Sicherheit; das ist eine gemeinsame Verteidigungspolitik; das ist eine gemeinsame Außenhandelspolitik; das ist aber auch eine gemeinsame Grenzsicherung. Wir werden die Grenzen der Europäischen Union nicht alleine sichern können. Deswegen müssen wir dafür mehr Geld in die Hand nehmen. Das ist investiertes Geld, und zwar gut investiertes Geld. Dementsprechend werden wir keinen Blankoscheck dafür ausstellen, dass in der Europäischen Union zu viel Geld ausgegeben wird. Aber uns ist klar – da sind wir sehr realistisch und auch sehr, sehr ehrlich –, dass die Europäische Union zu unserem Nutzen mehr Geld kosten wird, als es in der Vergangenheit der Fall war. Zehnte Anmerkung. Meine Damen und Herren, man kann natürlich sagen: Wir brauchen mehr Mittel; deswegen müssen wir eine Vermögensteuer einführen. – Die SPD hat gerade wieder in einer Rede die Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz aus der Mottenkisten herausgeholt. Man kann über eine höhere Erbschaftsteuer und viele andere Dinge reden. Aber ich denke, wir haben noch eine andere Quelle, mit der wir uns haushalterische Mittel erarbeiten können: Das ist der Punkt Aufgabenkritik. Wir müssen doch einfach einmal hinterfragen, welches Geld in den verschiedenen Einzelplänen ausgegeben wird, ob dieses Geld sinnvoll ausgegeben wird, ob es effektiv und effizient ausgegeben wird. ({7}) – Ich nehme mit Freude wahr, dass die FDP jetzt mitklatscht. – Das ist die eigentliche Oppositionsaufgabe und im Übrigen auch eine Aufgabe von uns, den Unions- und den sozialdemokratischen Haushältern. Genau da müssen wir in den Haushaltsberatungen den Finger in die Wunde legen und gucken, wo das Geld gut ausgegeben wird und wo es schlecht ausgegeben wird. Das ist doch wesentlich besser und wesentlich interessanter, als hier populistische Thesen abzusondern. Aber es ist natürlich nicht so ganz einfach, weil es Kärrnerarbeit ist. Da muss man in die Einzelpläne hinein; da muss man in die einzelnen Positionen hinein. Da muss man auch einmal unangenehme Wahrheiten aussprechen. ({8}) Ehrlich gesagt, das ist eine Geschichte, mit der wir uns in den nächsten Wochen beschäftigen sollten. Ich glaube, in diesem Haushalt ist noch Luft. Wir können unser Geld besser ausgeben. Wir können dafür sorgen, dass wir für 1 Euro mehr Autobahnen kriegen. Wir können dafür sorgen, dass wir für 1 Euro eine bessere Betreuung von Langzeitarbeitslosen kriegen. Wir können dafür sorgen, dass wir für 1 Euro eine bessere Bildung kriegen, als es in der Vergangenheit der Fall war. Da sehe ich auch das Bundesfinanzministerium in der Pflicht, diesen Prozess von vorne zu führen, lieber Herr Minister Scholz. Wir sollten uns anschauen, wie wir mit den bestehenden Mitteln besser arbeiten können. Das ist besser, als danach zu fragen, wie wir mehr Mittel generieren können. Herzlichen Dank. ({9})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Christian Dürr, FDP. ({0})

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesfinanzminister Scholz, ich habe mich heute Morgen bei Ihrem rhetorischem Feuerwerk hier gefragt, über welchen Bundeshaushalt Sie eigentlich gesprochen haben. Herr Kollege Brinkhaus, der Schluss Ihrer Rede war ganz gut: Wenn es darum geht, bei den Ausgaben aufzupassen, dann sind wir sehr dabei. Das machen wir mit Ihnen gerne gemeinsam; schließlich geht es darum, auch da dem Bundesfinanzminister auf die Finger zu schauen. Aber auch Sie, Herr Brinkhaus, haben gesagt: Man muss jetzt vorsichtig sein. Die Lage ist gut; aber man darf nicht übertreiben. Zwei Rahmendaten zum Bundeshaushalt 2018, meine Damen und Herren: Die Steuerquote steigt, und die Investitionsquote sinkt. Das ist die Realität 2018 für den Bundeshaushalt, den Sie vorgelegt haben, Herr Scholz. ({0}) Historisch ist der tatsächlich. Wenn man sich die Finanzplanung Ihres Hauses für diese Legislaturperiode anguckt, stellt man fest: Die Steuereinnahmen werden dann insgesamt um 300 Milliarden Euro höher ausfallen als zu Beginn der Periode. 300 Milliarden Euro mehr werden die Menschen während der Regierungszeit von CDU, CSU und SPD an den Steuerstaat abgeben. Die Entlastungen, die angekündigt sind, betragen gerade mal 9,08 Milliarden Euro, meine Damen und Herren. 3 Prozent der Mehreinnahmen sind Sie bereit zurückzugeben. Das ist ein Armutszeugnis, insbesondere für die Union – um das in aller Klarheit zu sagen. ({1}) Ich will einfach mal aus dem Wahlprogramm der Union vortragen. Auf Seite 33 des Bundestagswahlprogramms der CDU steht: Wir werden dafür sorgen, dass auch die Steuerquote nicht steigt. Meine Damen und Herren, das ist das, was die Union versprochen hat. Die Realität ist: Nach Ihrer eigenen Steuerschätzung von letzter Woche wird die deutsche Steuerquote trotz Rekordbeschäftigung, trotz Rekordsteuereinnahmen, trotz minimaler Zinsausgaben weiter steigen, meine Damen und Herren. Das bedeutet: Die Belastung allein durch Steuern – von den Abgaben ganz zu schweigen – steigt stärker, als ohnehin durch die gute wirtschaftliche Entwicklung bedingt ist. Die erste Steuerschätzung der Großen Koalition ist gleichzeitig das Brechen des ersten Wahlversprechens der Union – um das in aller Deutlichkeit zu sagen. ({2}) – Herr Brinkhaus, auf diesen Vorwurf gehe ich gern ein. Erinnern wir uns gemeinsam ganz kurz an den November letzten Jahres während der Sondierung, meine Damen und Herren! ({3}) Damals haben Sie gesagt: Der Entlastungsspielraum ist nicht da, um den Solidaritätszuschlag ganz abzuschaffen. ({4}) Das war die Union. Es brauchte sogar einen sozialdemokratischen Finanzminister, um mehr Geld im Bundeshaushalt zu finden. Sie waren dazu nicht in der Lage. Das ist die Realität, über die wir an dieser Stelle sprechen. ({5}) Das ist die Realität. Erinnern wir uns mal gemeinsam daran! Die Realität ist, dass das Steuersystem in Deutschland ein Stück weit aus den Fugen gerät. Auch das zeigt die Steuerschätzung. Erinnern wir uns an den Spitzensteuersatz im Jahr 1960! Man musste 1960 das 20-Fache des Durchschnittseinkommens verdienen, um an den Spitzensteuersatz heranzukommen. Heute ist es das 1,4-Fache. ({6}) Deutschland hat die zweithöchste Steuer- und Abgabenlast unter den 35 OECD-Ländern. Das Hauptproblem, warum wir in Deutschland eher eine Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme als in den Arbeitsmarkt haben, ist: weil wir ein sehr attraktives soziales Sicherungssystem haben. Aber der Arbeitsmarkt wird immer unattraktiver, weil diese Bundesregierung nicht in der Lage ist, die Mitte der Gesellschaft, die hart arbeitenden Menschen, zu entlasten. Das ist Ihr Problem. ({7}) Ich frage mich, wo die Union an dieser Stelle bleibt, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. ({8}) Die zweite Ankündigung – zur Steuerquote habe ich aus dem Wahlprogramm der CDU zitiert –: Herr Altmaier hat am 12. Februar dieses Jahres, noch als amtierender Bundesfinanzminister, gesagt: Diese Regierung bietet die größte Steuerentlastung der Bürger seit der Wiedervereinigung. – Das ist die Ankündigung gewesen. Und was ist jetzt die Realität? Die Steuerschätzung von letzter Woche: über 60 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Vergleich zur letzten Schätzung. – Interessant ist, was in diesen Tagen medial passiert ist. Da geht die CDU-Generalsekretärin vorsichtig ins „Morgenmagazin“ und sagt: Na ja, neben all den Dingen, die wir uns vorgenommen haben, könnte man sich theoretisch auch Steuerentlastung für die Mitte der Gesellschaft vorstellen. – Am Nachmittag spricht Andrea Nahles ein Machtwort und sagt: Weitere Entlastungen sind nicht drin. – Danach: Schweigen der Union. Sie lassen sich von den Sozialdemokraten steuerpolitisch unterbuttern. ({9}) Das darf doch nicht Ihr Anspruch sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({10}) Zum Schluss: Wir hatten gestern ein Urteil des Bundesfinanzhofs, Herr Kollege Brinkhaus. Da hatte ein Ehepaar geklagt, weil die Zinsen bei Steuernachzahlung vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase, die wir nach wie vor haben, absolut unverhältnismäßig sind. Es hat recht bekommen. Die Bundesregierung hat geantwortet, das sei nicht so; man werde abwarten, was vor dem Bundesverfassungsgericht passiere. Auch dort: Schweigen im Walde. Wir sind mittlerweile vor dem Hintergrund fantastischer Steuereinnahmen und einer großen Leistungsfähigkeit der Mitte der Gesellschaft, die viel an den Staat abgibt, in der Situation, dass man den Steuerbürgern raten muss, eher vor Gericht zu ziehen, als sich an die politischen Vertreter der Bundesregierung zu wenden. Auch das, meine Damen und Herren, ist ein Armutszeugnis – um das in aller Klarheit zu sagen. ({11}) Herr Präsident, ich will zum Schluss sagen: Ein Staat – Herr Brinkhaus, vielleicht kommen wir da in einen Dialog darüber, ob dieser Bundeshaushalt wirklich in der Waage ist –, ({12}) der viermal mehr für die Rente – jedem Rentner sei eine ordentliche Rente gegönnt; keine Frage – als für die Bildung seiner jungen Menschen ausgibt, ist in Schieflage. ({13}) Auch das muss man im Rahmen des Bundeshaushaltes diskutieren. Herzlichen Dank. ({14})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Fabio De Masi, Fraktion Die Linke. ({0})

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, der Investitionsstau in Deutschland, insbesondere bei den Kommunen, ist gewaltig. Deutschland ist bei Schulen, Krankenhäusern oder digitaler Infrastruktur nur 2. Liga – so wie nun der HSV, was ich als Hamburger übrigens außerordentlich bedauere. Apropos Digitalisierung. Am schönsten fand ich ja den Vorschlag von Verkehrsminister Scheuer zur Einführung einer App zur Meldung von Funklöchern. Das Blöde ist: Diese Apps funktionieren nie, wenn man in so einem verdammten Funkloch steckt. ({0}) Die Investitionslücke beträgt laut Statistischem Bundesamt seit 2003 etwa 83 Milliarden Euro. Dieser Betrag wäre erforderlich, um nur den Verschleiß des öffentlichen Vermögens zu stoppen. Seit der deutschen Einheit ist das Nettoanlagevermögen um 30 Milliarden Euro geschrumpft. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung verfügt das reichste 1 Prozent der Bevölkerung über 20 Prozent des Nettovermögens in Höhe von über 9 Billionen Euro. Wer daher keine Vermögensteuer will, vergeht sich an unserer Infrastruktur und der Lebensleistung von Generationen. ({1}) Dann wird über öffentlich-private Partnerschaften privatisiert, was nicht bei drei auf dem Baum ist, wie bei den Autobahnen. Das ist übrigens teurer als öffentliche Kredite; denn diese sind wegen der niedrigen Zinsen aktuell fast umsonst. Die Steuerzahler müssen bei ÖPP eben auch die Renditen von Deutscher Bank und Allianz bezahlen. So etwas nennt man nicht „schwarze Null“, sondern „schwarzes Loch“. Sie verstecken Schulden und verschieben sie in die Zukunft. ({2}) Herr Scholz, Sie betonen, dass die Investitionen nicht sinken. Im Haushaltsentwurf seien die Verkehrsinvestitionen nicht eingepreist. Diese werden nun über Transfers an die Länder abgewickelt. Nicht eingepreist sei auch die Sanierung von Schulen. Das ist wahr, geht aber am Problem vorbei. Erstens. Wir schleppen einen riesigen Investitionsstau aus der Vergangenheit mit. Er wird nicht abgebaut. Zweitens. Wenn die Wirtschaft bzw. der Kapitalstock wächst, müssen auch die Investitionen wachsen, um den Verschleiß auszugleichen. ({3}) Stabile Bruttoinvestitionen bedeuten daher sinkende Nettoinvestitionen. Drittens. Die öffentliche Investitionsquote Deutschlands – das haben verschiedene Kolleginnen und Kollegen bereits angesprochen – ist im internationalen Vergleich viel zu gering. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde müsste doch den Anspruch haben, bei den Investitionen spitze zu sein und nicht schlechter als der Durchschnitt Europas. ({4}) Diese Politik ist ein Sicherheitsrisiko für die Euro-Zone und die Weltwirtschaft. Wir investieren zu wenig und verkaufen immer mehr ins Ausland, als wir von dort einkaufen. Dies hat übrigens auch mit dem mangelnden Respekt der Bundesregierung vor den Beschäftigten, vor der Arbeit zu tun; Stichwort: Leiharbeit, Befristung, Agenda 2010. Wegen unserer chronischen Exportüberschüsse drohen uns nun Strafzölle und ein Steuerkrieg mit Donald Trump. Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, droht deutschen Unternehmen, die im Iran wirtschaftlich aktiv sind. Eine Bundesregierung, die den Respekt vor dem internationalen Recht verteidigt, hätte den Botschafter doch wenigstens einbestellen müssen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Uns droht zudem ein Abschwung. Die Industriebestellungen in Deutschland sinken seit drei Monaten. Der IWF warnt vor einer neuen Finanzkrise. Investitionen aber brauchen, um die Wirtschaft zu stützen, Zeit, bis sie wirken. Deswegen muss man jetzt damit anfangen, lieber Lothar, nicht erst, wenn man in der Rezession steckt. Herr Scholz, ein Unternehmen, das nicht investiert, verliert. Diese Scholzonomics würde für eine Currywurstbude bedeuten, dass man die Stehtische verkauft, an der Soße spart und sich dann wundert, wenn die Kunden wegbleiben. Ich finde, dieses Land muss besser und darf nicht schlechter regiert werden als eine Currywurstbude auf der Reeperbahn. Vielen Dank. ({6})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Antje Tillmann, CDU/CSU. ({0})

Antje Tillmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003646, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Jahr jährt sich zum zehnten Mal der Beginn der Bankenkrise im Jahr 2008 mit der Pleite der Lehman-Bank. Zehn Jahre, die für Finanzpolitiker weiß Gott kein Zuckerschlecken waren. Von der Bankenkrise 2008 sind wir dann nahtlos in die Finanzkrise gerutscht, und 2010 hat unser ehemaliger Finanzminister Wolfgang Schäuble einen Haushaltsentwurf mit einem Defizit von 86 Milliarden Euro in der Planung übernommen. 2014 haben wir es zum ersten Mal geschafft, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, und 2019 werden wir das erste Mal die Maastricht-Kriterien, auch hinsichtlich des Schuldenstandes im Vergleich zum BIP, wieder einhalten. Da die Opposition in den nächsten Tagen – sie ist ja schon kräftig dabei – wieder alles miesredet, was in diesem Haushalt und in den letzten Jahren geschafft worden ist, denke ich, ist es Zeit, einmal innezuhalten und Danke zu sagen, dass wir diese Krisen gut überstanden haben und dass Deutschland nach zehn Jahren heute wieder gut dasteht, Danke zu sagen den Menschen in diesem Land, die das mit ihrer Arbeit erreicht haben, die in der Krisensituation Ruhe behalten haben, und Danke zu sagen auch den Kolleginnen und Kollegen, die mitgeholfen haben, dass wir jetzt wieder in einer so guten Situation sind. ({0}) – Auch an die Sparerinnen und Sparer. Ein Teil unserer Arbeit war, sicherzustellen, dass die Wirtschaft in diesem Land wieder auf die Füße kommt, und dafür zu sorgen, dass Sparerinnen und Sparer sicher sein können, dass ihr Vermögen auch in Zukunft Dividenden bringt. Wir haben diesen Stand erreicht, obwohl wir in der letzten Legislaturperiode Bürgerinnen und Bürger um 25 Milliarden Euro entlastet haben: durch einen höheren Grundfreibetrag, durch einen höheren Kinderfreibetrag, durch mehr Kindergeld, durch einen höheren Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und durch Entlastung bei der kalten Progression. Insbesondere Familien standen in den letzten Jahren im Fokus unserer Politik. Die Kindergeld- und Freibetragserhöhungen machen allein im Jahr 2018 eine Entlastung in Höhe von 2,2 Milliarden Euro aus. Diese Entlastungen setzen wir in dieser Legislaturperiode fort. Wir werden das Kindergeld um weitere 25 Euro und entsprechend auch den Kinderfreibetrag erhöhen. Wir beginnen 2019 mit einem ersten Schritt. Dadurch werden Familien weitere 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung haben. Neben Steuern und Abgaben ist das Thema Wohnen für Familien ein Kostenfaktor. Wir brauchen mehr finanzierbaren Wohnraum. Dabei ist uns ein gesunder Mix aus Eigentum und Miete wichtig. Den sozialen Wohnungsbau fördern wir schon seit Jahren: Seit 2017 sind pro Jahr 1,5 Milliarden Euro vorgesehen, und 2020/21 werden wir noch einmal 2 Milliarden Euro draufsatteln – Geld, das eigentlich in die Investitionsquote des Bundes, die heute mehrfach kritisiert wurde, mit eingerechnet werden müsste; denn auch dabei handelt es sich um Investitionen. Und Investitionen sind nicht nur gut, wenn sie vom Staat kommen, sondern auch dann, wenn sie von der privaten Wirtschaft oder von Privatpersonen getätigt werden. Aber auch die Eigentumsbildung bei Familien ist uns wichtig. Über das Baukindergeld wollen wir rückwirkend zum 1. Januar 2018 Familien helfen, die günstigen Zinsen, die es zurzeit für Kredite gibt, auszunutzen und damit Wohneigentum zu schaffen. Familien mit zwei Kindern werden 24 000 Euro Zuschuss erhalten können, und wir werden mit den Ländern in Verhandlungen treten, dass diese Entlastung noch umfangreicher wird, indem etwa bei der Grunderwerbsteuer ein Freibetrag für Familien eingeführt wird. Wichtig sind aber ebenso bezahlbare Mietwohnungen. Deshalb bin ich froh, dass angekündigt wurde, dafür zu sorgen, dass noch in diesem Jahr eine steuerliche Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau eingeführt wird. Das ist ein zweiter Anlauf, nachdem wir bereits in der letzten Legislaturperiode einen Anlauf unternommen hatten. Wir haben uns jetzt verständigt, für Bauanträge, die ab 1. September 2018 gestellt werden, steuerliche Sonderabschreibungen zu gewähren. Dabei ist nicht mehr die Rede davon, diese von einer Mietpreisbremse und einer Kappungsgrenze abhängig zu machen, und auch nicht mehr ist die Rede davon, dass diese Sonderabschreibung nur in bestimmten Ballungsgebieten gilt. ({1}) Auch das sind Investitionen; sie umfassen allein 2019  240 Millionen Euro und steigen bis 2021 auf 900 Millionen Euro. Diese Gelder gehören zum Punkt Investitionen, weil hier ja für Investitionsanreize Bundesgelder zur Verfügung gestellt werden. In dieser Legislaturperiode werden wir das Thema „bezahlbarer Wohnraum“ noch um eine wichtige Reform für die Kommunen ergänzen, nämlich die Grundsteuerreform. Es ist gut, dass alle Beteiligten, die Länder und der Bund, sich einig sind, dass wir diese Reform nicht für höhere Einnahmen nutzen wollen, sondern ausschließlich dafür, die Grundsteuer gerechter und verfassungsgemäßer zu gestalten. Wir werden dazu bis zum Ende des Jahres ein Eckpunktepapier diskutieren, um sicherzustellen, dass die Finanz- und Planungshoheit der Kommunen auch in Zukunft gewährleistet ist. Die Kommunen wurden in der Vergangenheit von uns deutlich unterstützt. Mit der Grundsteuerreform werden wir diese Unterstützung fortführen. Neben Kindergeld und Wohnung ist Bildung für Kinder und Familien ein wichtiger Aspekt. Ich habe überhaupt nicht verstanden, wie gerade die Berechnung aufgestellt werden konnte, dass für Rente das Vierfache der Aufwendungen für Bildung ausgegeben wurde. Damit können Sie eigentlich nur den Bundeshaushalt gemeint haben. Tatsächlich ist der Bund aber gar nicht für Bildung zuständig. Trotzdem investieren wir gezielt in kommunale Infrastruktur, wie Schulen, wie Kindergärten, wie Betreuung, um in diesem Bereich Kommunen und Familien zu entlasten. Liebe Kollegen Dürr und De Masi, der Investitionsstau in den Kommunen hat nichts damit zu tun, wie viel Geld wir zur Verfügung stellen; vielmehr wird im Moment das zur Verfügung gestellte Geld gar nicht hinreichend abgerufen. ({2}) Manche bedauern – das ist heute noch gar kein Thema gewesen –, dass im Koalitionsvertrag keine große Steuerreform angekündigt wurde. Aber wenn etwas nicht als Schlagwort im Koalitionsvertrag steht, heißt das ja nicht, dass es nicht gemacht wird. Wir werden diese Steuerreform vorbereiten, indem wir in mehreren Schritten vorgehen. Wir sind sehr wohl bei Präsident Macron, wenn wir sagen, wir brauchen für Europa ein gemeinsames Steuerrecht. Wir fangen mit einer konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage an. Dazu wird es im Sommer dieses Jahres ein Eckpunktpapier geben. Das ist der Grundpfeiler für eine große Steuerreform. Wir wollen die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer in Europa harmonisieren und da einen Schritt weiterkommen. Ebenso wird die steuerliche Forschungsförderung – mehrfach in der Diskussion – in diesem Jahr gestartet. Wir werden über die Projektförderung in Höhe von 825 Millionen Euro hinaus Unternehmen in die Lage versetzen, mehr zu forschen, um den wirtschaftlichen Stand, den wir erreicht haben, auch in Zukunft zu halten. Wir werden eine Digitalbesteuerung für digital erzielte Gewinne auf den Weg bringen. Dabei gilt es zu prüfen, ob der Vorschlag der Europäischen Kommission, eine Sondersteuer für digitale Gewinne einzuführen, tatsächlich der richtige Weg ist. Und – lieber Herr Kollege Dürr, das hätten Sie haben können, wenn Sie den Mut gehabt hätten, zusammen mit uns diese Regierung zu bilden – wir werden den gestrigen Beschluss des Bundesfinanzhofes zum Anlass nehmen, den Zinssatz für Steuernachzahlungen erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Die Union hatte das schon in der Vergangenheit mehrfach geplant. Vielleicht haben wir diesmal auch den Koalitionspartner an unserer Seite. ({3}) Abschließend: Mit diesem Haushalt setzen wir den Gleichklang von Schuldenreduktion, Investitionen und Entlastung der Bürgerinnen und Bürger fort. Sollte zusätzlicher Spielraum vorhanden sein, werden wir diesen – da bin ich ganz sicher – schnell für eine weitere Entlastung der Bürgerinnen und Bürger sowie für höhere Investitionen nutzen. Ich fordere Sie zu Beginn dieser Haushaltsberatungen dazu auf, daran mitzuwirken. Herzlichen Dank. ({4})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als nächster Redner spricht für die SPD Andreas Schwarz. ({0})

Andreas Schwarz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004407, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt, den Bundesfinanzminister Olaf Scholz hier dem Bundestag präsentiert, ist grundsolide. Die Welt beneidet uns um solche Zahlen. Dieser Haushalt ist ein Meilenstein in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. ({0}) Wir verzichten weiter auf neue Schulden; gleichzeitig werden wir aber deutlich mehr investieren, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war. Dieser Haushalt erfüllt somit viele Erwartungen und Hoffnungen der Menschen in unserem Land. Damit wird das Leben von Millionen Menschen in diesem Land besser und gerechter. Mit Themen wie „Abbau Soli“, „Parität in der Krankenversicherung“, „Investitionen in Bildung“, „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ wird Zukunft gestaltet. Damit kann man als Haushälter der die Regierung tragenden Fraktionen außerordentlich gut leben. ({1}) Die Investitionen steigern wir allein in diesem Jahr um 3 Milliarden Euro. Im Vergleich zur letzten Wahlperiode werden wir die Investitionen um fast 40 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren hochfahren – eine Steigerung um 23 Prozent. Wer da noch ernsthaft von Sparwahn spricht, dem kann nicht mehr geholfen werden. Dem hilft dann vielleicht unser Bildungspaket. Ich will in Richtung mancher Kritiker, die meinen, Ratschläge erteilen zu können, sagen: Wer in diesen Zeiten über neue Schulden schwadroniert, obwohl wir im Bund so viel investieren, der muss künftigen Generationen ganz genau erklären, welche Steuererhöhungen oder Entbehrungen auf sie zukommen; denn die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Der Bund – jetzt setze ich meine Brille als ehemaliger Bürgermeister einmal kurz auf – hat in der letzten Wahlperiode Ländern und Kommunen sehr viele Belastungen abgenommen, damit diese mehr Spielräume für Investitionen haben. Ich komme aus Bamberg; da werden diese Spielräume von unserem Oberbürgermeister Andreas Starke genutzt, und er ist hochzufrieden mit dem, was hier in Berlin passiert. ({2}) – Jawohl, bayerische Solidarität. Dieser Haushalt vermeidet aber nicht nur Schulden, sondern er investiert in unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ob beim Kindergeld, beim BAföG, bei der Bildung oder bei der Rente: Dieser Haushalt verbindet, dieser Haushalt führt zusammen, wo andere, auch in diesem Hohen Hause, leider nur spalten möchten. Sehr geehrte Damen und Herren, auch wenn es wehtut: Das ist sozialdemokratische Finanzpolitik im besten Sinne, was wir hier gerade vorführen. ({3}) Ich freue mich, lieber Olaf Scholz, dass wir uns auch beim Thema Zoll einig sind und zu einem echten Paradigmenwechsel kommen. In den letzten vier Jahren hieß es im Bundesfinanzministerium immer: Der Bund erfindet neue Aufgaben; erledigen muss sie der Zoll, egal wie. Der Zoll ist nicht nur für einen Großteil der Einnahmen dieses Landes verantwortlich, nein, er bekämpft auch Steuerkriminalität, Geldwäsche und Schwarzarbeit. Die Arbeit des Zolls ist somit für Deutschland und für unsere Gesellschaft unverzichtbar. Er sorgt damit auch für Steuergerechtigkeit und für Steuerehrlichkeit. Deshalb bin ich froh, dass wir an die vielen fleißigen Zöllnerinnen und Zöllner das klare Signal geben können: Jetzt seid ihr mal dran. Der Haushaltsentwurf für den Einzelplan des Bundesfinanzministeriums sieht jetzt über 42 Millionen Euro mehr im Rahmen des Sofortprogramms Personal vor. Das bedeutet circa 700 neue Stellen in diesem Jahr beim Zoll und beim Bundeszentralamt für Steuern; ob bei der Finanzkontrolle, bei der Aufdeckung von Schwarzarbeit an den Flug- oder Seehäfen oder bei der Geldwäschebekämpfung – allein bei der FIU, der Spezialeinheit zum Kampf gegen Geldwäsche, sind es 200 Stellen mehr. Das ist ein wirklich ordentlicher Anfang. Aber, Herr Minister, wir stellen uns natürlich in den kommenden drei Jahren noch deutlich mehr vor, auch bei der Zollausbildung. Allerdings wäre es fatal für einen Bundesfinanzminister, zumal einen Hanseaten, wenn er seinen Haushältern gleich zu Beginn vollumfänglich alles erfüllte und sie vollumfänglich zufriedenstellte. Dafür gibt es eine Debatte, dafür gibt es Gespräche, dafür gibt es Verhandlungen, und ich freue mich auf die weiteren Beratungen. Vielen Dank. ({4})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als nächster Redner in der Debatte spricht Alois Rainer für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004384, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Boehringer! Er ist leider Gottes als Vorsitzender des Haushaltsausschusses bei der wichtigsten Debatte nicht mehr da. ({0}) Ich wolle ihm nur sagen, dass seine Aussage zu der Förderung von DITIB so nicht mehr stimmt. DITIB erhält aus dem Familienetat seit dem 1. Januar 2018 keinen Cent mehr. Das weiß ich, weil ich hierzu Berichterstatter bin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, gegenwärtig steht Deutschland wirklich sehr gut dar. Die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen für das Jahr 2018 sind dementsprechend sehr gut. Der Aufschwung setzt sich auch positiv fort. Im Jahr 2019 könnte es eventuell eine leichte Delle geben; aber die gute Beschäftigungslage wird deutlich durch 44,3 Millionen Erwerbstätige, und die Arbeitslosigkeit weist die seit der Wiedervereinigung niedrigste Quote auf, nämlich 5,7 Prozent. Grundlage dieser Situation ist unter anderem die gute und solide, aber auch zukunftsorientierte Haushalts- und Finanzpolitik dieser Großen Koalition. Unterstützt wird dies ausdrücklich durch die Prognose des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom vergangenen Mittwoch. Wir haben gesamtstaatliche Steuermehreinnahmen von circa 63,3 Milliarden Euro zu erwarten. Das sind 63,3 Milliarden Euro konjunkturabhängige Steuermehreinnahmen. Man muss also immer auch auf die Konjunktur achten. Bund, Länder und Kommunen profitieren von den Mehreinnahmen; das ist gut so. Dem Bund stehen am Ende des Tages 10,8 Milliarden Euro zur freien Verfügung, die wir, wie heute schon mehrfach angesprochen, sehr verantwortungsvoll verwenden werden. Aber erlauben Sie mir, auf den föderalistischen Aufbau des Staates Deutschland hinzuweisen. In der heutigen Debatte hörte ich viel über Mängel bei Schulen, Krankenhäusern und in anderen Bereichen. Aber wer ist dafür zuständig? Der Bund ist nicht für die Schulen zuständig. Die Länder sind für eine ausgeglichene Finanz­ausstattung ihrer Kommunen zuständig; und deshalb müssen sie auch ihre Hausaufgaben dementsprechend machen. ({1}) In dem vorliegenden Haushaltsentwurf steht, dass sich die Investitionen für das laufende Haushaltsjahr auf 37 Milliarden Euro belaufen; das ist eine Erhöhung um 3 Milliarden Euro. Ja, man könnte darüber reden, dass es vielleicht ein bisschen mehr sein könnte. Allerdings müssen wir uns gerade im Verkehrssektor, wenn wir mehr Geld zur Verfügung stellen, ehrlich mit der Frage auseinandersetzen: Ist es möglich, diese zusätzlichen Mittel auch zu verbauen? Oder sollten wir am Ende des Tages lieber einmal an die Strukturprobleme herangehen, die dem im Wege stehen? Ich denke nicht nur an Finanzierung, sondern auch an Reglementierung. Unsere eigene Reglementierung ist in dieser Sache ein großes Problem. ({2}) Wir haben viele Investitionen geplant. Jeder kennt den Koalitionsvertrag, wo alles drinsteht. Aber lassen Sie mich noch eines sagen, weil immer gesagt wird, es würde zu wenig entlastet: Wir entlasten unsere Zukunft. Wir entlasten Familien mit Kindern, nämlich mit dem Baukindergeld, mit einer Erhöhung des Kindergeldes, mit der Verbesserung beim Kinderzuschlag, mit 2 Milliarden Euro für die Ganztagsschule, mit 3,5 Milliarden Euro für Kitas, um für Qualitätsverbesserung und Beitragsfreiheit zu sorgen, obwohl wir hier – ich habe es vorhin gesagt – nicht explizit zuständig sind. Deshalb müssen wir uns den Vorwurf, wir würden nicht genug entlasten, nicht gefallen lassen. Wir entlasten unsere Zukunft, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({3}) Mit dem Geld, das am Ende übrig bleibt, wollen wir – auch das steht im Koalitionsvertrag – die Etats des BMZ und des Bundesministeriums für Verteidigung unterstützen. Darauf werden wir ein waches Auge haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch Europa beschäftigt uns in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren. Momentan wird über den mehrjährigen Finanzrahmen diskutiert. Auf der einen Seite will Europa mehr Geld, und auf der anderen Seite will Europa mehr sparen. Wir müssen aufpassen, wo gespart wird, wo wir im Bereich der Landwirtschaft oder der regionalen Wirtschaftsförderung ansetzen. Auch hier wird ein großer Aufgabenbereich auf uns zukommen. Positiv ist noch zu erwähnen: Die gesamtstaatliche Staatsschuldenquote wird in diesem Jahr erstmals seit 17 Jahren unter den Maastricht-Grenzwert von 60 Prozent fallen. Die Herausforderung besteht nun darin, dies auch in den kommenden Jahren fortzusetzen und weiterhin eine solide Haushaltspolitik zu machen. Der neue Finanzminister führt den finanz- und haushaltspolitischen Kurs eines ausgeglichenen Haushaltes fort. Herr Finanzminister, vielen Dank. Finanzrelevante Maßnahmen müssen wir gerade im Hinblick auf die neugewonnenen Gestaltungsmöglichkeiten sorgfältig abwägen. Eine solide Finanzpolitik ist eine Frage der Generationengerechtigkeit und des Wirtschaftswachstums. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich als Mitglied des Haushaltsausschusses auf die kommenden Beratungen. Vielen Dank. ({4})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Finanzdebatte liegen nicht vor. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, Einzelplan 12. Das Wort als erster Redner hat der Bundesminister Andreas Scheuer. ({0}) Wir warten noch einen Moment, bis sich die Kollegen neu sortiert haben. – Sie haben das Wort.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verkehrswende – dieses Wort ist in aller Munde; aber ich mag es nicht. ({0}) Was soll eine Mutter denken, die morgens auf dem Weg zur Arbeit noch schnell ihre Kinder im Kindergarten oder an der Schule absetzt? Was soll diese Mutter von diesem Begriff halten? Was soll ein Rentner, der einmal in der Woche zum Einkaufen in die Stadt fährt, davon halten, wenn er hört, dass es angeblich dringend einer Verkehrswende bedarf? Was bedeutet es für die vierköpfige Familie, die mit Kinderwagen, Laufrad und vielem mehr in den wohlverdienten Urlaub fährt? Sollen diese Menschen ein schlechtes Gewissen bekommen? Ich glaube, das ist der falsche Weg. Die Menschen müssen das Auto benutzen, aber wir können ihnen Anreize geben, damit sie sich vielleicht Gedanken darüber machen, auch andere Verkehrsträger für ihre Reisen und ihre Erledigungen zu benutzen: die Bahn, das Fahrrad oder vieles andere, was wir mit diesem Ministerium möglich machen. Nein, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Auto wollen wir nicht verteufeln. Das wäre der falsche Weg; denn viele Menschen in unserem Land sind darauf angewiesen, viele Menschen, die unsere Wirtschaft so erfolgreich gemacht haben, bis hin zu den Außendienstmitarbeitern und Handwerkern. Wir wollen für alle weiterhin eine gute Mobilität, eine gute Infrastruktur und keine Verbote, keine Gängelungen. Das ist unser Weg. ({1}) Eine kluge Verkehrspolitik arbeitet daran, dass die Zahl der Menschen wächst, für die es bequeme, schnelle und günstige Alternativen gibt, und zwar sowohl in der Stadt als auch auf dem Land – Stichwort: Gleichwertigkeit der Lebenschancen. Eine kluge Verkehrspolitik arbeitet daran, dass es den Menschen eben leichter fällt, auch mal mit der Bahn oder mit dem Fahrrad zu fahren. Beides wollen wir mit diesem Haushalt massiv stärken. ({2}) Eine kluge Verkehrspolitik arbeitet daran, dass die Momente, in denen die Menschen auf ihr Auto angewiesen sind, seltener werden, eben weil es beispielsweise einen attraktiven Nahverkehr gibt. Hierfür wollen wir den Mittelansatz erhöhen. Eine kluge Verkehrspolitik arbeitet daran, dass die Strecken, die die Menschen mit dem Auto zurücklegen, kürzer werden, weil sich die Verkehrsträger vernetzen, und dass sich mehrere Menschen ein Auto teilen. Eine kluge Verkehrspolitik arbeitet auch daran, dass es Unternehmern leichter fällt, ihre Produkte mit der Bahn oder dem Schiff zu transportieren. Schlaues Verkehrsmanagement auf Anreizen und Angeboten basierend – das ist unser Weg mit diesem Koalitionsvertrag. ({3}) Nein, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist keine Verkehrswende. Eine Wende leitet man ein, wenn man in die falsche Richtung gefahren ist, ({4}) wenn man wieder dahin zurückwill, wo man hergekommen ist; aber wir wollen eben nicht zurück. Wir wollen nach vorn. Wir wollen Mobilität weiterentwickeln. Wir wollen moderne Mobilität, die die Bedürfnisse der Menschen kennt und auf sie reagiert und die Verkehrsträger vernetzt. Wir wollen eine Mobilität, bei der der Verkehr fließt, statt zu stocken, und die dabei zunehmend auf alternative Antriebsformen setzt. Kurz gesagt: eine Mobilität, die den Menschen und der Umwelt dient – das ist unser Weg. ({5}) Mit Freude habe ich am letzten Sonntag der Verleihung des GreenTec Awards beiwohnen können. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ist das Ministerium, das die meisten Projekte der Preisträger, die diese vom Namen her scheinbar etwas umweltlastige Auszeichnung bekommen haben, gefördert hat. Das zeigt, dass saubere Luft und gute Mobilität kein Widerspruch sind. Um eine höhere Mobilität zu erreichen, leiten wir im Laufe dieser Wahlperiode mehrere entscheidende Schritte ein. Dabei haben wir alle Verkehrsträger im Blick. Wir stärken Schiene, Luft, Wasser und Straße. Wir fördern den Umstieg auf alternative Antriebsformen, wir treiben die Digitalisierung in allen Bereichen voran, wir versorgen die Menschen mit schnellem Internet und stopfen die Funklöcher. Dafür plant allein mein Haus ein, bis 2021 gut 60 Milliarden Euro zu investieren. ({6}) Das ist eine gewaltige Summe, die wir in die Hand nehmen. Das verdanken wir der Unterstützung dieses Hohen Hauses. Es ist das ureigene Recht des Parlaments, uns die Möglichkeit zu geben, zu investieren und zu fördern. Wir verdanken es auch der Strategie des Investitionshochlaufs meines Vorgängers Alexander Dobrindt. Herzlichen Dank dafür. ({7}) – Es war klar, dass sich Herr Krischer nicht so ganz darüber freuen kann. ({8}) Damit haben wir mittlerweile eine gute Basis für viele dringend erforderliche Projekte. Für sämtliche Investitionen zusammen stehen uns allein in diesem Jahr rund 16,8 Milliarden Euro zur Verfügung, was gut 60 Prozent unseres Etats ausmacht. Es ist der mit Abstand größte Investitionshaushalt des Bundes, und das soll auch in den kommenden Jahren so bleiben. Dass die Lkw-Fahrer mittlerweile zunehmend für das Nutzen der Straßen bezahlen – und bald auch die Pkw-Fahrer –, ist konsequent und sichert langfristig Einnahmen in Höhe von vielen Milliarden Euro. Sie werden der Straße unmittelbar wieder zugutekommen. Meine Damen und Herren, ein Knackpunkt liegt beim Erhalt und beim Ausbau. Ja, wir wollen effizienter werden. Da ist nicht immer nur das Geld das Entscheidende, sondern auch die Kapazitäten, um dieses Geld abfließen zu lassen. Dieses Problem wollen wir mit der Infrastrukturgesellschaft angehen. Das Ziel dieser Infrastrukturgesellschaft, die im Sommer gegründet wird und bei der wir ab 2021 die bisher zwischen Bund und Ländern geteilten Kompetenzen zentral bündeln, ist, schneller zu planen, direkter zu finanzieren und bundesweit effizienter zu bauen; auch hier ist das Stichwort „Gleichwertigkeit der Lebenschancen“ zu nennen. ({9}) Wir wollen ein Gesetz zur Planungsbeschleunigung. Wir wollen mithelfen, dass das Planen und Genehmigen von Projekten effizienter wird, dass es schneller zur Investition kommt, dass das Ganze formalisierter abläuft und schneller abgeschlossen werden kann. Wir wollen die Engpässe beseitigen. Wir wollen vor allem Zeit sparen und besser investieren. Dasselbe gilt für die Mittelausstattung über die GVFG-Mittel. Diese Mittel kommen Ländern und Kommunen zugute. In der heutigen Debatte wurde schon eingehend darüber diskutiert, wie wir Länder und Kommunen unterstützen können. Dies ist die pure Investition in den schienengebundenen öffentlichen Nahverkehr mit derzeit 333 Millionen Euro. Wir lassen sie bis zum Jahr 2021 schrittweise auf 1 Milliarde Euro anwachsen. Das ist gelebte Investitionspolitik, auch zugunsten der Menschen vor Ort im Nahverkehr. Sie sehen, dass dieser Etat nah bei den Menschen ist. ({10}) Ein zentraler Baustein ist der Schienengüterverkehr. Im Haushaltsverfahren werden wir natürlich darüber diskutieren müssen, wann wir die Senkung der Trassenpreise starten. Ich denke, dass die Fachpolitiker und die Haushaltspolitiker gesteigerte Eigeninteressen haben. Ich freue mich auf diese Diskussion. ({11}) – Marianne, es ist dein Job, das richtig zum Starten zu bringen. ({12}) Davon profitieren sämtliche Betreiber von Güterbahnen, wenn wir die Trassenpreise senken. Wir wollen damit auch einen Anreiz für die Schiene setzen. Wir wollen vor allem, dass das „Sofortprogramm Saubere Luft“ auch weiterhin umgesetzt wird. 1 Milliarde Euro steht zur Verfügung. Wir haben 400 Anträge zur Elektromobilität. Wir haben über 100 Anträge im Bereich Digitalisierung von kommunalen Verkehrssystemen. Wir haben Bescheide in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro bewilligt. Wir wollen vor allem auch, dass dies zügig an den Start kommt. Allen, die sich jetzt nur auf die Hardwarenachrüstung konzentrieren, sei gesagt: Es gibt weiterhin technische, rechtliche und finanzielle Bedenken. ({13}) Dies muss man zur Kenntnis nehmen; man kann nicht immer nur schnelle Botschaften senden. Die Nachrüstung wird auch höhere Verbräuche nach sich ziehen. Die Frage, wer dafür zahlt, wird an dieser Stelle entscheidend sein. Wir vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur haben große Bedenken. Wir wissen, dass wir mit dem Maßnahmenpaket, das wir jetzt schon beschlossen haben, eine erhebliche Reduzierung der Schadstoffe erreichen – mit den Softwareupdates, mit der Umrüstung von Dieselbussen, mit dem Umstieg auf Elektromobilität und mit der Digitalisierung bei den kommunalen Verkehrsbetrieben. Das ist das richtige Rezept – nicht Investitionen in alte Autos, meine Damen und Herren. ({14}) Wir wollen vor allem beim Breitbandausbau zügig weiterkommen. Allen sei gesagt: Das Geld, das wir ausgereicht haben, liegt in den Rathäusern auf den Tischen. Wir wollen, dass es schnell zur Umsetzung kommt. ({15}) Ja, wir haben Kapazitätsengpässe, aber es liegt im Bundesministerium kein einziger Cent mehr, den wir nicht für die Projekte vor Ort ausgereicht hätten. Das muss man auch mal gesagt haben: 3,5 Milliarden Euro für die Landkreise und Kommunen sind bewilligt. Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Wir investieren mit Ihrer Hilfe, mit Ihren Finanzvorgaben in Satelliten und neue Mobilitätsformen, wir investieren in Ortsumfahrungen und Schleusen, wir machen den Wetterdienst und untersuchen das Meer. Es macht wirklich viel Freude und Spaß, in diesem Ministerium mit Tausenden von engagierten Mitarbeitern, mit vielen nachgelagerten Behörden zusammenzuarbeiten. ({16}) Ihnen sei auch mal ein herzlicher Dank gesagt. ({17}) Ich möchte mit Ihnen eine gute, konstruktive und offene Beratung über den Haushalt führen. Es gibt viel zu tun, aber wir machen auch vieles möglich. Herzlichen Dank und gute Beratungen. ({18})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist der Abgeordnete Marcus Bühl für die AfD, der heute seine erste Rede im Bundestag hält. ({0})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne und vor den Bildschirmen! Wir beraten heute über Verkehr und digitale Infrastruktur und somit über ein entscheidendes Zukunftsthema für Deutschland. 50 Megabit pro Sekunde, 100 Megabit, 1 Gigabit – Ankündigungen, Ankündigungen und abermals Ankündigungen. Darin ist die Große Koalition gut. Große Koalitionen sind in der Regel allerdings kein Ort wirklicher Innovationen und Erneuerungen. Im Koalitionsvertrag 2013 hieß es – ich zitiere –: Bis zum Jahr 2018 soll es in Deutschland eine flächendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Mbit/s geben. Nun, wie wir wissen, wurde dieses Ziel nicht erreicht, vor allem in den ländlichen Räumen unseres Landes. Die Umsetzungsschwierigkeiten in der letzten Legislaturperiode begannen laut Rechnungshof bereits im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, kurz BMVI, selbst. In seinem Bericht kritisierte der Bundesrechnungshof Anfang des Jahres 2016, dass bei der Veranschlagung der Fördermittel nicht vorher der tatsächliche Mittelbedarf geprüft wurde. Auch fehlte laut Rechnungshof „der Nachweis, dass zusätzlich 45 Planstellen und Stellen notwendig waren“. Meine Damen und Herren, wenn der Start schon derartig holprig ist, können die Ziele nicht erreicht werden. Und weil man das bisherige Ziel verfehlte, heißt es nun im neuen Koalitionsvertrag – Zitat –: Wir gestalten den Weg in die Gigabit-Gesellschaft mit höchster Priorität. Deshalb wollen wir den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025 erreichen. Herr Minister Scheuer, Sie haben jetzt die Chance, zu beweisen, dass der Breitbandausbau nicht nur angekündigt wird, sondern auch erfolgreich abgeschlossen wird. Und vielleicht gelingt es in diesem Land auch einmal, ein Ziel vor Ablauf der selbst gesetzten Frist zu erreichen. Insgesamt werden die Steuerzahler 5,4 Milliarden Euro für ein schnelles Breitband aufwenden. Alle Steuerzahler sollten auch rechtzeitig von ihrer Investition profitieren. Jedoch ist zu befürchten, dass zu wenige Kapazitäten bei der Planung und der Fachkräftemangel im Baugewerbe den Ausbau des schnellen Internets trotz genügender Bundesmittel weiter verzögern werden. Eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur ist wichtig für unsere Gesellschaft. Mit Industrie 4.0 wird die Qualität des Netzes für die Wirtschaft insgesamt zu einem Wachstumsfaktor, bei nicht ausreichend vorhandenen Strukturen gar zu einem Überlebensfaktor. Dies ist gerade für unsere mittelständische Wirtschaft, welche überwiegend in den ländlichen Räumen beheimatet ist, ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Der Ausbau mit Breitband in der Fläche muss gelingen. Unsere moderne Landwirtschaft ist digital und benötigt Bandbreite. Wir fordern, dass ausschließlich Glasfaseranschlüsse mit mindestens 1 Gigabit pro Sekunde als Basisanforderung förderfähig sind. ({0}) Die auf Kupfer angewiesene Vectoringtechnik darf nicht länger förderfähig bleiben. Funklöcher im Mobilfunk sollten zukünftig der Vergangenheit angehören. Hier sind vor allem Netzbetreiber gefordert, den Ausbau besonders in ländlichen Gegenden voranzutreiben. Unser Land besteht aus urbanen Ballungsräumen und dem ländlichen Raum. Abschließend: Es ist sehr bedauerlich, dass das bunte Wirrwarr bei den Zuständigkeiten für Digitalisierung innerhalb dieser Bundesregierung beibehalten wurde. Es fehlte der Koalition auch hier der Mut, für das Zukunftsthema Digitalisierung ein eigenes Ministerium zu schaffen. ({1}) In dem Geflecht aus unterschiedlichen Zuständigkeiten ist es nur allzu leicht, das Bild für das Große und Ganze aus den Augen zu verlieren. Herr Minister Scheuer, ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Chance auf diesem wichtigen Gebiet nutzen und sich kein Vorbild an Ihrem Vorgänger nehmen. Vielen Dank. ({2})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin für die Fraktion der SPD ist die Abgeordnete Kirsten Lühmann. ({0})

Kirsten Lühmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004101, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Sehr verehrte Zuhörende! In der letzten Legislatur hat die SPD-Bundestagsfraktion weiter an dem Thema Mobilitätswende gearbeitet. Es geht dabei nicht um das Wort, das der Minister nicht mag. Mobilitätswende bedeutet, dass wir, nachdem wir bisher davon ausgegangen waren, dass Individualmobilität mit Verbrennungsmotoren in unserem Fokus steht, jetzt festgestellt haben, dass wir daran etwas ändern müssen. Es ist gut, dass wir uns dieses Themas angenommen haben. Wir haben unter anderem zum Schienengipfel und zu Fachgesprächen über alternative Antriebsarten eingeladen. Es ist uns gelungen, viele der Erkenntnisse im Koalitionsvertrag zu verankern. Das ist auch wichtig; denn das Zeitfenster für eine Weichenstellung in diesem Bereich ist sehr eng. Gestern war ich mit Toni Hofreiter bei einer Podiumsdiskussion des BUND und hörte: Es geht alles viel zu langsam. – Wenn ich mit Kollegen und Kolleginnen des Koalitionspartners rede, höre ich manchmal: Muss das denn wirklich sein? – Wenn ich beide Aussagen zusammenpacke, dann kann ich nur sagen: Wir als SPD haben eigentlich alles richtig gemacht und das Thema vernünftig platziert. ({0}) Nicht alles, was im Koalitionsvertrag steht, ist im vorliegenden Haushalt enthalten. Als wichtigen Punkt ist das „Sofortprogramm Saubere Luft“ zu nennen. In diesem Haushalt werden wir auch die gesetzlichen Möglichkeiten dafür schaffen, dass die angekündigten 250 Millionen Euro der Automobilwirtschaft vereinnahmt und für die richtigen Ziele ausgegeben werden können. ({1}) Damit dem Wort „sofort“ bei dem Programm auch Rechnung getragen werden kann und damit das Geld auch fließen kann, haben wir bestehende Genehmigungen, also von Brüssel notifizierte Verfahren, genutzt, um Förderanträge möglichst schnell bewilligen zu können. Jetzt kommt es darauf an, dass wir die Förderrichtlinien ausweiten, zum Beispiel auf andere Techniken wie Wasserstoff oder auch auf andere Fahrzeugarten, die in den Kommunen unterwegs sind. Das muss möglichst schnell passieren, damit wir uns nicht zu sehr auf das Geld fokussieren. ({2}) Wichtig ist aber auch, die Innovationen, die die Kanzlerin von den Kommunen eingefordert hat, in unseren Förderprogrammen abzubilden; denn erforderlich sind neue Prioritäten beim Stadtumbau, zum Beispiel bei der Verteilung der Verkehrsflächen. Der Verkehrsausschuss wird dazu eine Reise unter anderem nach Kopenhagen machen. Dort hat die konsequente Errichtung von Fahrradstraßen, die baulich von den Autostraßen getrennt sind, dazu geführt, dass 60 Prozent der Beschäftigten in Kopenhagen mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Das müssen wir auch in Deutschland fördern. ({3}) Wir müssen die Förderprogramme auch ausweiten. Sie dürfen nicht auf die Kommunen der sogenannten 70er-Liste begrenzt sein. Unser Ziel muss es sein, dass die Luft überall in unserem Land sauberer wird, nicht nur in ausgewählten Städten. ({4}) Der geringe Mittelabfluss für die Digitalisierung ist schon angesprochen worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer das kritisiert, der sollte sich vor Ort einfach einmal anschauen, wie so etwas funktioniert, dann würde er das hier nicht mehr sagen. Das gesamte Budget, das in der letzten Legislatur für Digitalisierung zur Verfügung stand, wurde ausgeschöpft. Förderanträge wurden bewilligt. Wir alle, die wir auch auf kommunaler Ebene unterwegs sind, wissen aber sehr genau, dass zwischen der Bewilligung eines Antrags und dem Mittelabfluss mindestens zwei bis drei Jahre vergehen. Wir brauchen eine Ermittlung der sogenannten weißen Flecken, wir müssen einen Betreiber suchen, wir müssen Ausschreibungen machen. Insofern gehen wir davon aus, dass es ab 2019 einen vermehrten Mittelabfluss in diesem Bereich geben wird. Das Geld liegt bereit, und das ist gut so. ({5}) Der letzte Punkt, den ich heute anspreche, ist unsere Initiative für den Schienenverkehr. Das ist ein ganz wichtiger Punkt beim Thema Mobilitätswende. Unser Ziel ist es, mehr Personen und Güter auf der Schiene zu transportieren. Mit Blick auf das Mehr an Personen, die die Züge nutzen, haben wir in der letzten Legislatur im Zusammenhang mit dem Bundesverkehrswegeplan den Deutschland-Takt auf den Weg gebracht. Ein erstes Gutachten liegt vor. Noch in diesem Jahr werden wir ein zweites Guthaben erhalten und auf dieser Basis das erste Fahrplankonzept erstellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Deutschland-Takt ist auf Schiene. ({6}) Auch in Sachen Güterverkehr haben wir die Weichen gestellt. Ich nenne das 750-Meter-Netz, das Elektrifizierungsziel, die Modernisierung mit ERTMS und – der Minister hat es angesprochen – die Trassenpreissenkungen. Wir wissen, dass die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, dass dafür Genehmigungen aus Brüssel erforderlich sind. Diese Genehmigungen sollten aber bis zum Herbst vorliegen, und da dieses Projekt für unsere Politik zentral ist, sollten im Herbst dann auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen, damit wir loslegen können. Darüber sollten wir im Rahmen der Haushaltsberatungen noch einmal reden. ({7}) Lassen Sie uns also auch in diesem Bereich klarmachen: Mobilität und Umweltschutz müssen kein Gegensatz sein. Das ist das Ziel dieser Regierung. Gemeinsam werden wir das auch beweisen. Herzlichen Dank. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Christoph Meyer für die FDP. ({0})

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Regierung hat sich 220 Tage Zeit gelassen, um aus dem ersten Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2018 einen zweiten zu machen. 220 Tage sind eigentlich genug Zeit, ({0}) dass die alten und neuen Partner – das gilt gerade für das Verkehrsministerium – Schwerpunkte setzen. Das haben Sie nicht geschafft. Es ist nicht erkennbar, dass Sie hier gearbeitet haben. ({1}) – Hören Sie doch lieber einmal zu, gerade Sie von der CSU. ({2}) Lieber Herr Minister Scheuer, wenn man die Kernsätze zu Ihrem Ministerium in den Berichten des Bundesrechnungshofs aus den letzten Jahren liest, stellt man fest, dass sich – leider – immer dieselben Vorwürfe wiederholen: unwirtschaftlich, intransparent, nicht zielgerichtet, mangelhafte Evaluation, nicht nachvollziehbarer Stellenaufwuchs. Straße, Schiene, Wasserwege – überall das gleiche Bild. Dass Sie sich hierhinstellen und bei der Einbringung des Haushalts Ihren Vorgänger, Herrn Dobrindt, loben, ist wirklich peinlich, Herr Scheuer. Vielleicht können Sie das in den nächsten Jahren ein bisschen besser machen und sich von Ihrer Landesgruppe ein bisschen emanzipieren. ({3}) Sie definieren zu Recht den Erhalt und den Ausbau von Verkehrswegen als ein wesentliches Handlungsfeld. Nur leider fehlt uns nach den ersten Zahlen, die Sie uns vorgelegt haben, der Glaube, dass Sie dieser Erkenntnis Taten folgen lassen werden. Die Bewertung „wenig ambitioniert“ wäre im Bereich digitale Infrastruktur sogar noch schmeichelhaft. Der einzige Bereich, in dem in Sachen Digitales offensichtlich in der Tat etwas vorangeht, sind Ihre diversen Programme zum Thema saubere Luft, die auch noch evaluiert werden müssen. Da geht es schnell. Weil Sie die Verursacher des Dieselskandals nicht zur Verantwortung ziehen wollen, werden Programme aufgelegt. Die wahren Verantwortlichen und Verursacher, die Autohersteller, in die Pflicht zu nehmen, haben Sie aber abgelehnt. Auch da stehen Sie traurigerweise in der Nachfolge Ihres Herrn Dobrindt. ({4}) Die angekündigten Investitionen im Bereich Breitbandausbau bis 2025 entpuppen sich bei genauer Betrachtung ebenfalls als Nebelkerzen. Sie müssen sogar – weil Sie es in der Tat nicht schaffen, in der Planung voranzukommen und die veranschlagten Mittel der letzten Jahre auszugeben –, die Haushaltsansätze herunterfahren und abschmelzen. ({5}) Sie hatten in der Großen Koalition vier Jahre Zeit, die Probleme aufzulösen. Das haben Sie nicht geschafft. ({6}) Das hat die CSU nicht geschafft, das hat die CDU nicht geschafft, und das hat die SPD nicht geschafft. ({7}) Sie, Herr Minister Scheuer, sind im besten Fall für einen Verwaltungsetat verantwortlich, den wir hier beraten. Das, was Sie vorgelegt haben, ist ein Verwaltungshaushalt. Sie versuchen, mit dem Fernstraßenbundesamt eine neue Mammutbehörde aufzubauen. Alte Mammutorganisationen aus der Vergangenheit – Stichwort „Bundeseisenbahnvermögen“ – fristen jenseits von Effizienzkontrolle unter der Verantwortung von CSU-Ministern ein beschauliches Dasein. ({8}) Das Bundeseisenbahnvermögen wurde vor 25 Jahren geschaffen. Der Rechnungshof kritisiert es immer wieder. Vor 25 Jahren, in der ersten Stufe der Bahnreform, haben Sie diese Behörde geschaffen. Wir werden in den Haushaltsberatungen thematisieren und Wert darauf legen, dass Sie nach 25 Jahren zu einem anderen Umgang mit den Aufgaben kommen, die vor 25 Jahren einmal definiert wurden und in der Übergangsphase vielleicht auch berechtigt waren, statt ohne jegliche Form und ohne jeglichen Inhalt vor sich hin zu arbeiten. ({9}) – Ja. Dabei haben Sie, Herr Scheuer – lassen Sie mich das als Berliner formulieren –, an anderer Stelle bewiesen, dass Sie durchaus analytischen Verstand haben, und zwar bei Ihrer Einlassung zum Flughafen Tegel. Leider haben Sie aber offensichtlich nicht das Durchsetzungsvermögen in Ihrer Koalition oder auch in der Union – Herr Dobrindt hat es ja auch schon versucht –, um Ihren Ankündigungen zum Thema „Offenhaltung des Flughafens Tegel“ gegebenenfalls auch entsprechende Schwerpunkte in den Haushaltsansätzen folgen zu lassen. Das wäre ein Punkt, bei dem Sie, glaube ich, durchaus die Mehrheit – vielleicht die stille Mehrheit – dieses Hauses hinter sich hätten; ({10}) denn all diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die in Sitzungswochen zwei, drei oder vier Stunden längere Fahrzeiten benötigen würden, wenn der Flughafen Tegel geschlossen ist, würden gegebenenfalls Änderungen aufseiten des Bundes zustimmen. ({11}) Sie, Herr Minister Scheuer, haben die Chance, in den nächsten Jahren den Politikstil Ihrer Vorgänger – Tagespolitik nach Umfragen – abzuschütteln und sich darauf zu besinnen, dass der große Investitionshaushalt, den Sie in den nächsten Jahren verantworten, ({12}) sich als eine Art Grundlage und Bollwerk für den volkswirtschaftlichen Wohlstand in der Bundesrepublik Deutschland darstellt und nicht in einer ineffizienten Mittelverwaltung verharrt, wie es offensichtlich in den letzten Jahren unter der Verantwortung Ihres Vorgängers der Fall war. Ich danke Ihnen. ({13})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als Nächster spricht für die Fraktion Die Linke der Kollege Victor Perli, der heute seine erste Rede im Bundestag hält. ({0})

Victor Perli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Dieser Finanzplan ist ein Desaster für den Verkehr und das Digitale. Union und SPD organisieren den Verkehrskollaps. Sie bekommen den Breitbandausbau nicht geregelt, und sie gehen schlecht mit öffentlichem Eigentum um. ({0}) Bis 2030 sollen 50 Milliarden Euro in neue Straßen und Autobahnen fließen. Dazu kommen 66 Milliarden Euro für die Instandhaltung. Dabei weiß jeder: Mehr Straßen bedeuten mehr Verkehr, noch mehr Straßen noch mehr Instandhaltungskosten. Das ist ein Fass ohne Boden. ({1}) Wir haben jedes Jahr mehr Güterverkehr auf den Straßen. Die Staus nehmen zu. Die Innenstädte sind verstopft. Das bedeutet Stress, Lärm und schlechte Luft. Die Linke sagt: Wir brauchen stattdessen eine Verkehrswende, weil es finanziell, ökologisch und sozial geboten ist. ({2}) Das ist auch die Erwartung der Bürgerinnen und Bürger. Das zeigen zum Beispiel Studien des Umweltbundesamtes. 80 bis 90 Prozent möchten weniger auf das Auto angewiesen sein. Da können sich die Bürgerinnen und Bürger auf uns verlassen. Die Linke setzt sich ein für mehr und besseren öffentlichen Nahverkehr, ({3}) für gute Fuß- und Fahrradwege und für eine Bahn, die im ganzen Land attraktiv und bezahlbar ist. ({4}) Kommen wir zum Breitbandausbau. Hier liegt Deutschland im internationalen Vergleich sehr weit hinten. Das ist blamabel, aber auch selbst verschuldet. Die Regierung hat jahrelang diese Aufgabe dem Markt und damit den Profitinteressen der Anbieter überlassen. Die Konsequenz ist eine massive Benachteiligung vieler ländlicher Räume. Noch immer müssen Familien und Unternehmen umziehen, weil sie im Funkloch leben, weil schnelles Internet für sie ein Fremdwort ist. Dabei war es doch die Große Koalition, die versprochen hat, bis 2018 alle Haushalte mit schnellem Internet zu versorgen. Sie haben das Versprechen gebrochen. ({5}) Von den 1,6 Milliarden Euro, die in den letzten drei Jahren für den Breitbandausbau zur Verfügung standen, ist gerade einmal ein Fünfzigstel abgeflossen. Ein Fünfzigstel! Das Programm läuft schlecht, ist kompliziert, und es fehlt an Personal. Nun senken Sie im Haushaltsentwurf die Mittel, schaffen aber die Position einer Staatsministerin für Digitales. Das hilft den Leuten überhaupt nicht. Jeder fünfte Haushalt ist unversorgt. Das Land ist nicht nur sozial gespalten, sondern auch digital. Beides ist nicht hinnehmbar. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Nun zum Investitionsstau. Die Koalition geht schlecht mit dem Eigentum der Bevölkerung um. Die öffentliche Infrastruktur wird vielerorts kaputtgespart. Das hat der Bundesrechnungshof gerade erst wieder gerügt. Ich zitiere: „Schadhafte Brückenbauten schränken die Nutzbarkeit von Straßen, aber auch von Schienen und Wasserwegen ein. Der bauliche Zustand der Brücken des Bundes hat sich in den letzten Jahren erheblich verschlechtert.“ – Ja wo leben wir denn? So geht man doch nicht mit dem Eigentum der Bevölkerung um! ({6}) Das ist ein desaströses Zeugnis für die Arbeit der Bundesregierung. Aber Sie feiern sich dafür, dass Sie ohne Neuverschuldung auskommen. Dabei sind unterlassene Investitionen doch nur eine andere Form von Schulden, die Sie an die künftige Generation weiterreichen. Herr Minister Scheuer, Sie verhandeln aktuell über die Zukunft der Lkw-Maut. Seit Jahren tobt ein milliardenschwerer Streit mit den Toll-Collect-Betreibern. Die Steuerzahler mussten bereits unfassbare 250 Millionen Euro für Anwälte hinblättern. Die Linke erwartet, dass Sie sich nicht weiter über den Tisch ziehen lassen. ({7}) Im Interesse der Steuerzahler muss die Lkw-Maut einzig und allein Sache des Bundes sein. Die Gewinne gehören vollständig in die öffentliche Hand. Die Privatisierung solcher Aufgaben ist – das hat sich einmal mehr gezeigt – ein teurer Irrsinn. ({8}) Zusammenfassend: Die Große Koalition im Jahr 2018 bedeutet Verkehrskollaps, digitales Scheitern, kaputtgesparte Infrastruktur und eine Märchenstunde mit dem Verkehrsminister. Herzlichen Dank. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als Nächster spricht der Kollege Sven-Christian Kindler für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Scheuer, Sie haben sich am Anfang Ihrer Rede gegen eine Verkehrswende ausgesprochen und Ihrem Vorgänger Herrn Dobrindt gedankt. Ich will nur einmal die Bilanz von Herrn Dobrindt aufzählen: Desaster bei der Pkw-Maut, Desaster beim BER, Dieselbetrug, massive Privatisierungen durch ÖPP, Chaos bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Ich sage Ihnen: Noch nie war es so notwendig, dass es einen Politikwechsel und eine Verkehrswende im Verkehrsministerium gibt wie jetzt. ({0}) Ich habe leider keine große Hoffnung, Herr Minister, aber ich hoffe, dass nicht nur das CSU-Parteibuch Ihre Leitlinie in den nächsten vier Jahren sein wird, wie das bei Ihren Vorgängern Ramsauer und Dobrindt der Fall war. Es gibt große Herausforderungen und große Probleme, die man anpacken muss: saubere Luft in den Städten, ein guter öffentlicher Nahverkehr, Verlagerung der Güter vom Lkw auf die Schiene, Digitalisierung, Radverkehr, der Klimaschutz, der Schutz unserer Lebensgrundlagen. Die CO 2 -Emissionen sind in den letzten vier Jahren im Verkehrssektor deutlich gestiegen. Ich finde es daher erbärmlich, dass in der Rede des Verkehrsministers nicht einmal das Wort „Klimaschutz“ vorkam. So geht es nicht! ({1}) Zu den Zahlen im Haushalt 2018: Die Ansätze für die Schiene stagnieren. Es gibt keine Bewegung beim Radverkehr. Es gibt nicht mehr Geld für den ÖPNV. Milliarden für schnelles Internet werden nicht ausgegeben, weil es eine so große Bürokratie im Ministerium gibt. Was aber steigt, sind natürlich die Ausgaben für den Straßenbau. Es ist ja auch gerade Wahlkampf in Bayern; da will man viele Spatenstiche setzen. Aber mit Innovation und einer modernen Verkehrspolitik für das 21. Jahrhundert hat das wirklich nichts zu tun. Ich sage Ihnen: Das ist ein Haushalt für den Verkehr ohne Zukunft und mit Konzepten aus der Vergangenheit. ({2}) Dass Ihre Verkehrspolitik völlig ideologisch ist, sieht man auch beim Thema der öffentlich-privaten Partnerschaften. Der Ansatz für öffentlich-private Partnerschaften steigt um 140 Millionen auf 600 Millionen Euro. Dabei wissen wir: ÖPP-Projekte im Straßenbau sind extrem teuer, unwirtschaftlich und intransparent; ({3}) das hat der Rechnungshof in zahlreichen Untersuchungen sehr klar dargelegt. Von dieser Privatisierung profitieren vor allen Dingen große Unternehmen. Deswegen ist auch die mittelständische Bauwirtschaft dagegen und fordert einen Stopp von ÖPP im Straßenbau. Trotzdem wollen Sie weitere Millionen für ÖPP im Straßenbau verschwenden. Ich persönlich halte das für einen unverantwortlichen Umgang mit Steuergeldern. Wir Grüne sagen klar: ÖPP, Privatisierung im Straßenbau, muss verboten werden. ({4}) Dass Ihre Verkehrspolitik von vorgestern ist, merkt man gerade beim Umgang der CSU mit dem Thema Dieselbetrug. Jeder weiß: Wenn wir wollen, dass die Luft in den Städten wieder besser wird und nicht krankmacht, und wenn wir Fahrverbote verhindern wollen, dann führt kein Weg an Hardwarenachrüstungen vorbei; das weiß jeder. Trotzdem stellen Sie sich gegen Hardwarenachrüstungen; Sie haben es heute erst wieder getan. Das zeigt ganz klar: Sie haben aus dem Dieselbetrug nichts gelernt. Sie, Herr Scheuer, werden am Ende der Minister sein, der für Fahrverbote verantwortlich war. So sieht es aus. ({5}) Herr Minister, Sie haben hier gesagt, Sie hätten Bedenken. Kommen wir zu den Bedenken: Das Umweltbundesamt hat mit seiner wissenschaftlichen Expertise alle technischen, rechtlichen und finanziellen Bedenken ausgeräumt. Selbst Ihr eigenes Haus hat ein Gutachten in Auftrag gegeben – das wollten Sie verstecken –, und zwar bei Georg Wachtmeister, dem Inhaber des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen an der TU München, einem Freund des Verbrennungsmotors. Er hat Ihnen dargelegt, dass Hardwarenachrüstungen technisch und rechtlich und zu vertretbaren Preisen von 1 000 bis 3 000 Euro pro Auto auch finanziell möglich sind. Das heißt, Hardwarenachrüstungen sind möglich. Man muss es eben nur wollen. Und darum geht es: Sie wollen es politisch nicht. Sie wollen es nicht, weil Ihnen – das sage ich Ihnen einmal sehr hart – im Kern die Eigentumsinteres­sen der Familien Pi ë ch, Porsche und Quandt wichtiger sind als das Gemeinwohl und die Luft in den Städten. So geht es nicht, sage ich Ihnen, Herr Minister. ({6}) Zum Thema Finanzierbarkeit. BMW, VW und Daimler haben 2016/2017 insgesamt 60 Milliarden Euro Gewinn gemacht. 60 Milliarden Euro! Und Sie sagen uns, Nachrüstungen seien nicht finanzierbar. Natürlich ist das finanzierbar, und natürlich müssen die Verursacher dieses Betrugs auch dafür geradestehen. Natürlich müssen sie auch die Zeche zahlen und die Hardwarenachrüstungen finanzieren. Das ist doch das Mindeste, was wir von der Politik aus verlangen müssen. ({7}) Es ist übrigens auch so, dass die Europäische Kommission Klage gegen Deutschland eingereicht hat, weil Sie im Verkehrsministerium gegen europäisches Recht verstoßen, und das seit Jahren, da Autos mit betrügerischen Abschalteinrichtungen zurückgeordert werden und Sanktionen gegen die Automobilhersteller von bis zu 5 000 Euro verhängt werden müssen. Sie haben das in den letzten acht Jahren nicht gemacht. Auch hier muss man sich fragen, was das eigentlich für den Rechtsstaat bedeutet. Jeder kleine Falschparker wird mit einem Bußgeld belegt, aber die großen Autokonzerne können schamlos weiterbetrügen, Recht und Gesetz brechen und müssen keine Sanktionen befürchten. Ich finde es verheerend für den Rechtsstaat, was Sie im Verkehrsministerium machen. ({8}) Ich sage Ihnen: Diese Kumpanei, die es im Verkehrsministerium zwischen Politik – vor allen Dingen vonseiten der CSU – und der Autoindustrie gibt, muss endlich enden! Wir brauchen einen Verkehrsminister, der auf der Seite der Menschen in den Städten, die gesunde Luft wollen, und auf der Seite der Dieselfahrer, die betrogen wurden, steht! Wir brauchen keinen Verkehrsminister Scheuer, der auf der Seite der Autoindustrie als Lobbyminister steht! Das muss sich ändern! Vielen Dank. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als Nächstes spricht Daniela Ludwig für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Daniela Raab (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kindler, zu Ihrer Rede würde mir viel einfallen, ({0}) nur leider ist mir meine Redezeit dafür definitiv zu schade. Deswegen komme ich gerne zurück zum Ursprungsthema, zum Haushalt. Seien Sie aber versichert: Das Thema Diesel wird uns in unseren Debatten auch weiterhin beschäftigen. Heute geht es um das, womit wir Politik gestalten wollen, nämlich um eine gute Finanzierbarkeit und eine gute Ausstattung insbesondere dieses Etats, der der drittgrößte ist, den wir hier in Berlin zu verwalten haben, und der über 50 Prozent der zur Verfügung stehenden Investitionsmittel umfasst. Wir wollen uns heute darüber unterhalten, wie wir diese Mittel an genau die Stellen bringen, wo sie unserer Bevölkerung und der Wirtschaft in der Bundesrepublik dienen können. ({1}) Wir haben einen sensationellen Aufschwung. Selbst bei optimistischster Zukunftsbetrachtung wäre vermutlich keiner zu der Einschätzung gekommen, dass wir eine Arbeitsmarktlage haben, die sensationell ist, dass wir eine wirtschaftliche Lage haben, die gut ist, und dass wir bei den Steuereinnahmen eine Lage haben, von der viele andere Staaten in Europa nur träumen können. Das ist natürlich Resultat einer guten Regierung der letzten Jahre. Ich denke, das kann man an dieser Stelle auch einmal in aller Deutlichkeit sagen. ({2}) Diesen Aufschwung wollen wir natürlich fortsetzen. Grund für diesen Aufschwung ist nicht zuletzt eine gute, leistungsfähige Verkehrs- und vor allem auch Digitalinfrastruktur; das ist genau das, worüber wir uns heute unterhalten wollen. Der Investitionshochlauf, um den wir lange Jahre gekämpft haben und den ein CSU-Minister durchsetzen konnte – Gott sei Dank –, wird uns dabei helfen, mit diesem drittgrößten Etat mit 50 Prozent Investitionsmitteln erfolgreich zu sein; aber wir haben natürlich auch sehr viele Aufgaben vor uns, die zu lösen nicht immer unbedingt nur leicht sein wird. Ein Thema ist angesprochen worden – wir widmen uns diesem Thema im Koalitionsvertrag über mehrere Seiten –: Das sind die Zuwächse beim Güterverkehr europaweit. Wir müssen davon ausgehen, dass wir im Güterverkehr bis 2030 eine Steigerung von 40 Prozent zu verkraften haben werden. Das ist natürlich Bestandteil einer erfolgreichen Wirtschaft; aber auch eine erfolgreiche Wirtschaftsnation wie unsere muss damit umgehen. Wir setzen einen klaren Schwerpunkt bei der Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Auch das ist für den Wirtschaftsstandort wichtig, und auch das ist übrigens auch für die Umwelt und für die Gesundheit unserer Bevölkerung wichtig. Es wird einen großen Teil unseres Regierungs- und Parlamentshandelns in den nächsten Jahren ausmachen. ({3}) Das bedeutet, dass wir das Transportmittel, auf das wir verlagern wollen, nämlich die Schiene, attraktiver machen müssen. Liebe Frau Lühmann, Sie haben es schon angesprochen – Sie laufen hier bei den Verkehrspolitikern der Union offene Türen ein –: Das Thema „Halbierung der Trassenpreise“ erst 2019 zu behandeln, akzeptieren wir auf keinen Fall. ({4}) Da werden wir so nicht mitgehen. Ich bin mir sehr sicher, dass wir mit Ihrer Hilfe auch den Bundesfinanzminister davon überzeugen können und werden, dass wir schon im Jahr 2018 diesen ersten wichtigen Akzent in der Verkehrspolitik setzen müssen. Denn von einer Verlagerung auf die Schiene kann man nicht nur reden, sondern man muss dieses Transportmittel noch attraktiver machen. Wir haben mit den Trassenpreisen ein gutes und wichtiges Mittel dazu in der Hand, um es politisch voranzubringen. ({5}) Deswegen unsererseits ein klares Bekenntnis dazu. Natürlich setzen wir den zweiten Fokus auf den Erhalt der Infrastruktur, nicht zu sehr auf den Neubau, sondern tatsächlich auf den Erhalt. Was mir heute ein bisschen zu kurz kommt, sind unsere Wasserwege. Denn wenn wir von Verlagerung von Güterverkehr reden, spielen natürlich auch unsere Wasserwege eine nicht unerhebliche Rolle. Sie gehen in der öffentlichen Wahrnehmung ein bisschen unter, weil nicht jeder einen Wasserweg in seinem Wahlkreis hat. Deswegen werden wir auch hier für Erhalt, Ausbau und Ersatz der notwendigen Infrastruktur das entsprechende Geld in die Hand nehmen; denn es muss möglich sein, nicht nur auf die Schiene zu verlagern, sondern auch dahin, wo es sich ebenfalls anbietet: Es gilt, die Wasserwege besser für den Güterverkehr zu nutzen. ({6}) Ein dritter Punkt – er wurde heute ebenfalls schon angesprochen – sind natürlich unsere digitalen Infrastrukturen. Ihre Bedeutung nimmt alljährlich weiter zu. Wir sind dort ständigen erheblichen Veränderungen ausgesetzt. Die Politik ist aufgefordert, hier Schritt zu halten und sowohl den Wirtschaftsstandort als auch unsere Bevölkerung und vor allem unsere ländlichen Räume fit zu machen, dafür zu sorgen, dass sie den Anschluss an die digitalen Infrastrukturen bekommen. Notwendig wird leitungsgebundene, aber natürlich auch mobile digitale Infrastruktur sein. Es hat entgegen der bisherigen Darstellung in den letzten Jahren natürlich schon Fortschritte beim Breitbandausbau gegeben. Über 80 Prozent der Haushalte in Deutschland verfügen über einen Zugang zu schnellem Internet mit 50 Mbit oder mehr. Das ist, gerechnet ab dem Jahr 2013, immerhin eine Steigerung um 35 Prozent. Natürlich müssen wir hier weitermachen, und natürlich bekennen wir uns im Koalitionsvertrag zur Zukunftstechnologie Glasfaser. ({7}) Natürlich wollen wir Leitmarkt für die 5G-Technologie werden. ({8}) Wir als Regierungsfraktionen sind tatsächlich dazu entschlossen, alles dafür Notwendige, auch das notwendige Geld, in die Hand zu nehmen. ({9}) Schauen wir uns das an: in der letzten Legislatur 4,4 Milliarden Euro, erstmals ein Breitbandprogramm des Bundes. Klar: Sehr viele klamme Länder können sich selber keines leisten, also muss der Bund einsteigen. Im Übrigen: Bayern ist das einzige Land, das auch kofinanzieren kann und ein eigenes Förderprogramm hat. Ich bitte alle die, die hier groß reden, in ihren Bundesländern Verantwortung zu übernehmen und zu zeigen, dass es ihnen nicht nur in Berlin wichtig ist, über Breitband zu reden, sondern auch zu Hause. ({10}) Jedenfalls konnten wir in der letzten Legislatur 2 200 Förderbescheide für Beratungsleistungen und knapp 650 Förderbescheide für konkrete Ausbaumaßnahmen übergeben. ({11}) Die Kollegin Lühmann hat es auch schon richtig gesagt: Ein Blick in die Praxis und in die Region, bevor man hier laut wird, schadet nie. Klar ist: Wir sind im Prinzip ein bisschen Gefangene unseres eigenen Erfolges. Die Wirtschaft brummt – ich habe es am Anfang gesagt –; die Auftragsbücher sind voll. Das ist für uns jetzt gerade sozusagen ein bisschen nachteilig, wenn es um den Breitbandausbau geht. Manches dauert etwas länger, als wir uns das wünschen würden. Wenn, wie gesagt, wirtschaftlicher Erfolg und volle Auftragsbücher bei unseren Handwerkern sozusagen der Grund dafür sind, dann kann man es halbwegs verschmerzen; ({12}) aber natürlich müssen wir sehen, dass es hier vor Ort vorangeht. Immerhin: Angestoßen sind Gesamtinvestitionen von 7,8 Milliarden Euro. Das heißt, wir schließen nicht nur die Menschen ans schnelle Internet, ans Glasfasernetz an, sondern wir bringen auch den Wirtschaftsstandort noch mal weiter voran und reizen Investitionen an. ({13}) Ich kann nur sagen: Weil dies so wichtig ist, begrüße ich die Ankündigung des Bundesfinanzministers, einen Digitalfonds auflegen zu wollen. Wir haben uns auch im Koalitionsvertrag auf einen Fonds verständigt. 2,4 Milliarden Euro soll er wohl umfassen. In Anbetracht dessen, was ich gerade ausgeführt habe, nämlich dass wir noch schneller und noch besser werden müssen als in den letzten vier Jahren, darf ich davon ausgehen, dass ein erklecklicher Anteil dieser 2,4 Milliarden Euro dem drittgrößten Etat mit 50 Prozent Investitionsmitteln zufließt, nämlich dem Haushalt für Verkehr und digitale Infrastruktur. Vielen herzlichen Dank. ({14})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Dirk Spaniel für die Fraktion der AfD. ({0})

Dr. Dirk Spaniel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004899, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verkehrspolitik für eine moderne Industriegesellschaft bedeutet, dass Personen und Güter zu wettbewerbsfähigen Kosten schnell und sicher von einem Ort zum anderen kommen. Schauen wir uns die Bilanz der CSU-Verkehrspolitik an: ({0}) 2009, als Herr Ramsauer ins Amt kam, hatten wir 380 000 Staukilometer pro Jahr. Als Herr Dobrindt 2013 ins Amt kam, hatten wir 830 000 Staukilometer. 2017 hatten wir rund 1,5 Millionen Staukilometer in diesem Land. Die Staulänge auf unseren Straßen hat sich auf das Vierfache vergrößert. Das ist die Bilanz von neun Jahren CSU-Verkehrsministern. ({1}) Die Menschen, die tagtäglich im Stau stehen, erkennen: Ihre Verkehrspolitik geht an den wirklichen Problemen in diesem Land vollkommen vorbei. ({2}) Diese Probleme sind das Ergebnis ideologischer Verblendung von Rot-Grün und politischer Feigheit der bürgerlichen Parteien, ({3}) die Verkehrspolitik in diesem Land effizient zu gestalten. Diese Probleme werden Sie mit Ihren Placebomaßnahmen aus dem Bundesverkehrswegeplan auch nicht lösen. ({4}) Sie ignorieren die entscheidenden Fakten zum Thema Verkehrspolitik. 85 Prozent der Personenbeförderung und 78 Prozent der Güterbeförderung finden in diesem Land auf der Straße statt. Die Schiene ist verantwortlich für 15 Prozent der Personenbeförderung und 14 Prozent der Güterbeförderung. Selbst wenn wir mit gigantischem finanziellen Aufwand die Transportleistung der Bahn um 30 Prozent erhöhen könnten, fielen bei der Straße gerade mal 6 Prozent weg – das ist halt Prozentrechnung –; es änderte sich gar nichts an den Staus, überhaupt nichts. Vergleichen wir die geplanten Investitionen in die Bahn und die Straße, dann kommen wir zu dem Schluss, dass die Schiene gegenüber der Straße bei den Investitionen im Verhältnis zur Transportleistung um ein Vielfaches bevorzugt wird. ({5}) „Mut zur Wahrheit“, das heißt eben auch, zu sagen: Jeder Euro für die Straßeninfrastruktur rechnet sich vielfach besser als jeder Euro für die Bahn. Meine Damen und Herren, wir dürfen uns nicht wundern, dass wir auf unseren Straßen dauernd im Stau stehen und dass die Brücken bröseln. Wir, die Alternative für Deutschland, fordern, dass die Investitionen in die Verkehrsträger Straße und Schiene ideologiefrei und rational verteilt werden. ({6}) Kommen wir mal zu den von Ihnen fahrlässig herbeigeführten Themen Fahrverbote und Luftschadstoffe. Das „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 – 2020“, das einseitig teure Elektroautos fördert, erschließt sich niemandem, der die Zusammenhänge mit klarem Menschenverstand analysiert. ({7}) Wenn unser Strom zu 50 Prozent aus Braun- und Steinkohle produziert wird, bleibt die angeblich saubere E-Mobilität komplette Augenwischerei. ({8}) Die ideologisch begründete und pauschale Ablehnung der Verbrennungsmotoren erinnert mich nur an Esoterik. ({9}) Die Softwaremanipulation einiger Hersteller ist ein völlig anderes Thema. Pikanterweise ist diese Softwaremanipulation genau in dem Unternehmen aufgetreten, in welchem eine SPD-geführte Landesregierung im Aufsichtsrat sitzt. ({10}) Da haben Sie einmal Verantwortung und versagen total. ({11}) Herr Bundesminister, wir werden Sie daran messen, ob es Ihnen gelingt, die Investitionen in Autobahnen und Bundesstraßen so zu erhöhen, dass die Mobilität für unsere Bürger und unsere Unternehmen wieder sichergestellt wird. Wenn Ihnen das nicht gelingt, werden Sie wie Ihre CSU-Vorgänger am und im Stau scheitern. Dann wird es eben noch ein bisschen dauern, bis wir als Alternative für Deutschland auch dieses von Ihnen geschaffene Problem lösen werden. ({12}) Vielen Dank. ({13})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist Sebastian Hartmann für die Fraktion der SPD. ({0})

Sebastian Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004291, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD hat sich entschieden, politische Verantwortung auf Bundesebene zu übernehmen. Wir haben das mitgliederoffen entschieden. Wir haben das entlang belastbarer Vereinbarungen und auf eine Zeit begrenzt entschieden. Sie merken schon an der heutigen Debatte, dass es durchaus Unterschiede gibt – das ist in einer parlamentarischen Demokratie auch gut so, auch bei Koalitionsfraktionen –, die wir hier herausarbeiten werden. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich natürlich so manches mehr gewünscht, aber am Ende zählt auch der Kompromiss. Wir werden dafür umso mehr Punkt für Punkt auf die Umsetzung der belastbaren Vereinbarungen achten. Wir wollen, dass dieser Verkehrsetat tatsächlich ein Investitionsetat ist. Bei den Investitionen fangen wir nicht bei null an. Wir haben bei den Investitionen in den vergangenen Jahren tatsächlich für einen „Hochlauf“ gesorgt, wie es die CSU nennen würde. ({0}) – Wir müssten uns einmal darum kümmern, warum die CSU jetzt vielleicht besser nicht klatschen sollte; denn die Investitionen müssen deswegen so hoch sein, weil Sie in der Vergangenheit viel zu wenig investiert haben. Das ist das Problem. Deswegen müssen wir nämlich jetzt mit einem besonderen Phänomen kämpfen. ({1}) – Ich denke, dass sich das auch bis nach Bayern he­rumsprechen wird. Lassen Sie mich auf folgenden Punkt eingehen. Ja, wir können mehr in die Infrastruktur investieren. Aber tatsächlich kommen wir jetzt an einen Punkt, an dem die Kapazitäten in der Bauwirtschaft gar nicht mehr gegeben sind, um all das Geld zu verbauen. Das, was wir zusätzlich investieren würden, würde möglicherweise zu einem Preisanstieg führen. Darauf, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir ein besonderes Augenmerk legen. Wir müssen eine dauerhaft hohe Investitionsquote erreichen, um dafür zu sorgen, dass entsprechende Kapazitäten wieder aufgebaut und dauerhaft erhalten werden. ({2}) Schauen wir auf die Realität – ich schaue einmal auf die Tribünen –, auf das, was wir Tag für Tag erleben. Wir stehen tatsächlich im Stau. Tatsächlich ist es in der Bahn oder im Bus eng. Die Plätze sind belegt, man steht. Hier muss man ansetzen, wenn man Modernität und Mobilität zusammenbringen will und auch in den Metropolräumen mobil bleiben möchte. Wir haben mit Blick auf die Vergangenheit einiges nachzuholen. Ich denke da an die kommunale Infrastruktur. Da wird der Bund auch in dieser Wahlperiode ordentlich Verantwortung übernehmen, indem wir zum Beispiel die Mittel für das GVFG-Bundesprogramm deutlich erhöhen, nämlich von 333,6 Millionen Euro auf 1 Milliarde Euro, um die erforderlichen Investitionen nachzuholen. Das wird in dieser Wahlperiode kommen. ({3}) Wir hatten in meiner Heimat Nordrhein-Westfalen zum Beispiel die Situation, dass für den Bau der Schienen der U79, der vom Düsseldorfer Stadtgebiet bis nach Duisburg verlaufenden Linie, neben der Stadt Düsseldorf auch die Duisburger Seite ihren Beitrag zur Finanzierung einbringen sollte. Mithilfe des kommunalen Verkehrsverbundes VRR wurde eine Lösung gefunden. Aber die Aufgabe wird nicht kleiner. Wenn wir an die Mobilität auf der Straße denken, dann stellen wir fest, dass das Bruttoanlagevermögen von Jahr zu Jahr sogar gesunken ist. Wir müssen dort deutlich mehr investieren. Wir müssen aber auch bei den Fakten bleiben: Ja, die Investitionen in die Infrastruktur bedeuten auch Baustellen. Mit Blick auf Nordrhein-Westfalen muss ich sagen: Willy Brandt hat einmal vom blauen Himmel über der Ruhr gesprochen. Ich erinnere mich an den letzten Landtagswahlkampf: Da hat der jetzige Ministerpräsident Armin Laschet das Blaue vom Himmel versprochen. Wenn die Menschen in Nordrhein-Westfalen aber in diesem Moment die Staunachrichten hören, dann erleben sie gerade das blaue Wunder. ({4}) Denn Nordrhein-Westfalen steht bei den Staukilometern mit 454 000 Kilometern Stau auf Platz 1. Das sind 35 Prozent aller Staukilometer. Man hat versprochen, dass das in kürzester Zeit, ja in Rekordzeit abgebaut werden soll. Wir werden nun von Bundesseite dafür sorgen. Der Bund wird seine Verantwortung wahrnehmen und die alten Zusagen einhalten, nämlich dass 20 Prozent der Mittel nach Nordrhein-Westfalen fließen, und zwar im Wesentlichen in die Sanierung. Das hat die SPD-Bundestagsfraktion durchgesetzt. ({5}) Die Rahmenbedingungen sind günstig. Dafür sorgt auch die Nutzerfinanzierung in Form der Lkw-Maut. Diese ist übrigens eine sinnvolle Nutzerfinanzierung im Gegensatz zu anderen Nutzerfinanzierungsarten, die hier im Haus auch immer mal wieder aufs Tapet gebracht werden. Aber mit der Erfahrung einer Wahlperiode sage ich, meine Damen und Herren: An die Pkw-Maut glaube ich bis heute nicht. Wenn der Herr Scheuer da weitermacht, wo Herr Dobrindt aufgehört hat, dann kommt die Maut sicher nicht. ({6}) Das neue Wegekostengutachten zur Lkw-Maut wird uns also in die Lage versetzen, mehr Geld denn je in die Infrastruktur zu investieren. Wir werden über 5,12 Milliarden Euro im laufenden Haushalt einnehmen. Wir werden darüber hinaus aber weitere 500 Millionen Euro zusätzlich investieren können. Wichtig ist uns, dass wir diese Investitionen tatsächlich verstetigen; denn über die Verstetigung der Investitionen schaffen wir das eigentlich Entscheidende: Wir sorgen damit dafür, dass in der Wirtschaft jetzt wieder Kapazitäten aufgebaut werden, um endlich dazu zu kommen, dass dauerhaft alle Baustellen auch abgearbeitet werden, und dass das Gute, was wir mit dem Bundesverkehrswegeplan versprochen haben, auch tatsächlich umgesetzt wird. Das wird die große Herausforderung sein; denn nur so schaffen wir es, Mobilität tatsächlich in unserem Land auch zu organisieren. Für die SPD bleibt eines klar: Moderne Mobilität ist sozial gerecht, weil sie ökologisch ist, weil sie ökonomisch ist, weil sie fair finanziert ist und niemanden von der Teilhabe in diesem Land ausschließt. Herzlichen Dank. ({7})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als Nächstes spricht für die FDP-Fraktion der Kollege Oliver Luksic. ({0})

Oliver Luksic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004102, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir merken es beim Thema Rastatt, wir merken es beim Thema A 20: Die Infrastruktur bröckelt, sie zerfällt teilweise. Es nimmt nicht nur die Zahl der Schlaglöcher, sondern auch die der Funklöcher zu. Da hilft dann auch eine App relativ wenig. Das ist das Ergebnis von vier Jahren Großer Koalition. ({0}) Innovative Mobilität müssen Sie ermöglichen. Nur brauchen wir dafür eben die digitale Infrastruktur, bei der wir viel zu langsam vorankommen. Wir brauchen den Rechtsrahmen, und Sie erwähnen eben nicht – wir sprechen ja jetzt über den Haushalt –, dass die konsumtiven und die Sozialausgaben schneller steigen als die Investitionen, auch in der mittelfristigen Finanzplanung, und dass Sie die Investitionen gar nicht alle verbaut bekommen. 2017 wurden 3 Milliarden Euro an Investitionen weder abgerufen noch verbaut. Das zeigt: Die Investitionslücke in Deutschland wird nicht kleiner, sie bleibt groß. Und das ist auch Ihre Schuld. ({1}) Ja, es ist richtig und gut, dass Sie jetzt die Auftragsverwaltung reformieren wollen; das unterstützen wir. Aber was haben Sie da für einen handwerklichen Murks gemacht. Jetzt müssen Sie schon wieder das Grundgesetz ändern. Erst wurde die Kompetenz an den Bund gegeben, jetzt wollen die Länder wieder etwas zurückhaben. Im Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz steht das in § 3 Absatz 3 noch drin, aber nicht im Grundgesetz. Das war Murks. ({2}) Das verzögert diese wichtige Reform. Das ist eines der Probleme, vor denen wir stehen. Ein weiteres ist die Planungsbeschleunigung, die laut Ankündigung noch vor der Sommerpause beschlossen werden sollte. Dieses Vorhaben ist jetzt verschoben worden. Wir merken das – es wurde eben schon zu Recht angesprochen – sowohl beim Ausbau des Gotthard-Zubringers, wo unsere internationalen Partner auf uns warten, wie auch bei der Fehmarnbeltquerung. Da könnten die Dänen jetzt schon bauen, warten aber schon seit Jahren auf die deutsche Seite. Das zeigt: Wir müssen dringend günstiger, schneller und innovativer bauen. Da muss es endlich schneller hier im Land vorangehen. ({3}) Bei den Großprojekten gibt es weiterhin Risiken. Der Verkehrsminister duckt sich weg. Bei BER, bei Stuttgart 21 bestehen riesige Risiken. Da, wo man anpacken müsste, beispielsweise beim Flughafen München – ich würde doch von einem bayerischen Minister erwarten, dass er hier ein Signal für den Luftverkehr, für die Infrastruktur setzt –, wird gebremst. Das ist der falsche Weg. ({4}) Wir brauchen innovative Mobilität, wir brauchen Technologieoffenheit und Wettbewerb, aber es wird zu viel Status quo verwaltet, statt auf die Infrastruktur zu setzen. Da muss der Staat ran. Bei den alternativen Antrieben werden einzelne Sachen subventioniert, beispielsweise die E-Mobilität. Wir halten es für falsch, dass die Automobilindustrie Subventionen bekommt. Warum muss die Anschaffung eines Tesla S subventioniert werden? Das halten wir für einen falschen Schritt. ({5}) Sie haben beim Thema „saubere Luft“ das Sofortprogramm angesprochen. Das Abrufen von Fördermitteln für E-Busse hält sich in Grenzen. Die sind auch nicht das Problem beim NO x ; nur zu 4 Prozent kommt der Ausstoß von Bussen. Sie müssen verantworten, dass dieses Problem seit 2015 bekannt ist und nichts getan wurde. Das Programm wird zu spät wirken. Es kommt in verschiedenen Städten zu Fahrverboten, weil Sie nicht handeln. Deswegen: Schaffen Sie endlich den Rechtsrahmen für die Nachrüstung! Gehen Sie das Problem an! Es kann nicht sein, dass Millionen Dieselfahrer enteignet werden. Sorgen Sie in Brüssel dafür, dass es ein Moratorium bei der Umsetzung der NO x -Richtlinie gibt, sonst müssen Sie verantworten, dass es zu Fahrverboten in Deutschland kommt. ({6}) Stattdessen wird Symbolpolitik gemacht. Es wird ein Phantom gefördert: der E-Lkw, den es in Deutschland quasi nicht gibt. Er soll von der Maut ausgenommen werden. Das widerspricht übrigens Ihren eigenen subventionspolitischen Leitlinien; wahrscheinlich wird es trotzdem gemacht, weil es ihn einfach nicht gibt. Das zeigt: Beim Thema „innovative Mobilität“ fehlt es am Rechtsrahmen, es fehlt an der Umsetzung. Die Mittel im Haushalt für Luft- und Raumfahrt wurden im letzten Jahr nicht abgerufen. Das Gleiche gilt beim Thema Straße. Im Bereich Wasserstraße und Schiene tut sich zu wenig – Stichwort: digitale Koppel. Wir brauchen eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes, um die Umsetzung dieser innovativen Mobilitätsformen zu ermöglichen. Frau Bär hat zu Recht das Flugtaxi als Innovation angesprochen. Es wird aber in Dubai auf den Markt kommen, weil man in Deutschland damit gar nicht starten und landen kann. Gehen Sie diese Themen an! Sorgen Sie dafür, dass wir im Bereich 5G endlich besser werden! Beim Breitbandausbau fahren Sie das Geld noch zurück. Wir müssten die Postaktien verkaufen, um hier mehr zu investieren. ({7}) Schiene und Wasserstraße. Bei der Trassenpreisfrage – es wurde eben angesprochen – passiert nichts, ebenso bei der Befahrensabgabe. Stattdessen wird über die Maut der Güterverkehr massiv verteuert. Sie sorgen dadurch für einen falschen Anreiz beim Thema Euro-6-Lkw, der jetzt in Relation zu Euro 4 unattraktiv wird; also ein völlig falscher Anreiz. Wir können uns als eine Nation, die auf Innovation setzt, keine Schlaglöcher und Funklöcher leisten. Wir brauchen eine Trendwende in der Verkehrspolitik hin zu mehr Investitionen, die ankommen, die verbaut werden und zu mehr Innovation führen. Sie verwalten leider nur den Status quo. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ingrid Remmers für die Fraktion Die Linke. ({0})

Ingrid Remmers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004134, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Dieser Bundesregierung fehlt die Orientierung darauf, dass wir in der Mobilität vor großen Veränderungen stehen. Herr Minister Scheuer, Deutschland ist auch verkehrspolitisch kein Heimatmuseum und will auch keins werden. ({0}) Es stehen extrem wichtige Themen auf der Tagesordnung. Wir müssen den Ausstoß von Klimagasen senken, die Infrastruktur selektiv erhalten, aber auch umbauen, Mobilität für alle bereitstellen und damit Arbeitsplätze sichern. Als ich Ihnen zugehört habe, Herr Minister Scheuer, konnte ich leider nicht heraushören, dass Sie sich der Komplexität dieser Aufgaben bewusst sind. ({1}) Statt den Interessen der Automobillobby zu folgen, muss die Bundesregierung den umfassenden Umbauprozess des Verkehrs steuern und moderieren. Das wäre Ihre Aufgabe. ({2}) Auf einige Bereiche möchte ich kurz eingehen. Der Verkehr ist der einzige Sektor, dessen Beitrag zur Klimaerhitzung weiter steigt; wir haben das eben schon einmal gehört. Sie lähmen die Entwicklung eines umweltfreundlichen Verkehrs, weil Sie keine klaren Anforderungen wie deutliche CO 2 -Vorgaben oder Tempolimits stellen. Ich sage Ihnen klar und deutlich: Die schützende Hand der Bundesregierung über die Chefetagen der Automobilindustrie heute schafft die Krisen von morgen. ({3}) Auch beim Thema Infrastruktur setzen Sie vollkommen einseitig auf den Ausbau der Straßen und wollen mit einer Erhöhung um 11 Prozent auf insgesamt 6,8 Milliarden Euro weitere Rekordsummen investieren. Wir brauchen aber nicht mehr Straßen und Autobahnen. Stattdessen sollten Sie endlich das von Ihnen selbst proklamierte Ziel „Erhalt geht vor Neubau“ wirklich umsetzen. ({4}) Beim Thema Bahn kommen Sie ebenfalls nicht von der Stelle. Statt die Mittel für den Ausbau zu erhöhen, wie gerade noch im Koalitionsvertrag versprochen, kürzen Sie sie allein in diesem Haushaltsjahr um ganze 5,5 Prozent – es ist nicht so, wie Sie eben behauptet haben, dass sie gleich blieben –, nachdem bereits im letzten Jahr 12 Prozent dieser Mittel gar nicht erst ausgegeben wurden. So jedenfalls wird es auch in Zukunft keine Fortschritte bei der Bahn geben. Das ist verkehrspolitischer Unsinn. ({5}) Kommen wir zu unserem Dauerthema, der ungelösten Dieselkrise. Sie hatten mehr als zweieinhalb Jahre Zeit, Lösungen zu finden. Das Ergebnis? Die Autos vergiften weiter die Luft, die Täter laufen frei herum und betrügen ungestraft weiter. Die betrogenen Autobesitzer bleiben auf ihrem Schaden sitzen und Sie, Herr Minister Scheuer, täuschen die Öffentlichkeit, indem Sie Softwareupdates als die beste Lösung präsentieren und gleichzeitig Ihr eigenes Regierungsgutachten seit mehr als vier Monaten zurückhalten, das genau zu diesen Hardwarenachrüstungen rät. Wir Linke erinnern Sie mit den Worten der Deutschen Umwelthilfe gern daran, dass Sie einen Eid auf das Wohl der Bürgerinnen und Bürger geschworen haben und nicht etwa auf die Profitmaximierung der Automobilkonzerne. ({6}) Zum Thema Steuerverschwendung durch ÖPP haben wir ja heute schon einiges gehört. Anders als Sie, die Bundesregierung, haben wir als Linke mit unserem Konzept eines sozialen und ökologischen Umbaus eine klare Orientierung hin zur Zukunft der mobilen Gesellschaft. Mobilität ist wichtige Grundlage gesellschaftlicher Teilhabe. Wie eben schon mein Kollege Victor Perli ausgeführt hat, wollen rund 80 bis 90 Prozent der Menschen im Land lieber weniger auf das Auto angewiesen sein. Deshalb muss das Herzstück einer Mobilität für alle ein attraktiver Umweltverbund aller Verkehrsträger sein. Mit diesem Umweltverbund aus Elektrofahrzeugen, mehr und bezahlbaren Bahnen, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr können die Bürgerinnen und Bürger, unterstützt durch die Möglichkeiten der Digitalisierung und den Trend des Teilens, die für sie jeweils passende Fortbewegungsart selbst wählen; sie schonen damit Umwelt und Gesundheit und mindern den Ressourcenverbrauch. ({7}) Hören Sie endlich auf, allein auf den Straßenverkehr zu setzen, und schaffen Sie endlich die längst überfällige echte Verkehrswende! Vielen Dank. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner für Bündnis 90/Die Grünen ist der Kollege Cem Özdemir. ({0})

Cem Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002746, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einem deutschen Manager in der Automobilindustrie drohen in den USA nun bis zu 25 Jahre Haft. Man stellt sich die Frage, wo wir gelandet sind. Ich kann es Ihnen von der CSU nicht ersparen: Wenn man über den Dieselskandal redet, wenn man über Funklöcher redet, wenn man über langsames Internet redet, dann muss man auch über acht Jahre CSU-geführtes Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur reden. ({0}) Dafür tragen Sie maßgeblich Verantwortung, sehr geehrte Damen und Herren. ({1}) Klar, ein neuer Minister hat immer erst einmal verdient, dass man ihm eine Chance für einen Neubeginn gibt, für einen neuen Ansatz. Doch ich muss nach dieser Rede und nach den Interviews schon sagen: Im neuen Minister steckt mir immer noch zu viel Alexander Dobrindt. ({2}) Folgendes kann ich, glaube ich, im Namen aller hier sagen: Es ist in Deutschland kein Kompliment, lieber Kollege, wenn man mit Alexander Dobrindt verglichen wird, auch in Bayern nicht. ({3}) Den größten Applaus bekomme ich immer dann, wenn der Name Alexander Dobrindt fällt, und da habe ich den Satz noch gar nicht zu Ende gebildet. ({4}) Das gilt auch für die Anhänger Ihrer Partei. Wenn Sie ehrlich sind, geben Sie mir recht und wissen, dass es so ist, dass ein Vergleich mit Alexander Dobrindt – über Ramsauer brauchen wir gar nicht zu reden – nun wirklich nicht gerade etwas ist, womit man sich in dieser Republik schmückt. ({5}) Nein, meine Damen und Herren, es geht um etwas Ernstes. Es geht um unser „Made in Germany“, auf das wir alle in Deutschland zu Recht stolz sind. Ich will es als jemand, der aus dem mittleren Neckarraum kommt und seinen Wahlkreis in dem Bundesland hat, ({6}) in dem das Auto erfunden worden ist, wo wir zu Recht auf die großartigen Produkte unserer Region stolz sind, hier klar sagen: Dieses „Made in Germany“ darf niemand kaputtmachen, weder diejenigen, die in der Automobilindustrie getrickst haben, noch diejenigen in der Politik, die acht Jahre weggeschaut haben. Damit gefährden wir den Standort, damit gefährden wir hervorragende deutsche Produkte, sehr geehrte Damen und Herren. ({7}) Auf die Frage nach der Mobilität der Zukunft sagte Bundesminister Scheuer kürzlich im „ Handelsblatt“ , dass offen ist, wie die Mobilität in 20, 30 Jahren organisiert wird. ({8}) Nun, ich will ein bisschen nachhelfen. Zur Mobilität in 30 Jahren, also im Jahre 2050, kann man heute schon einiges sagen. Dazu muss man einfach nur das lesen, wozu sich die Große Koalition im Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet hat. Wenn man die Unterschrift, die ja dort nicht für Parteien, sondern für unser Land geleistet wurde, ernst nimmt, dann heißt das: Bis zum Jahre 2050 muss die Mobilität weitgehend emissionsfrei auskommen. Ich hätte mir gewünscht, hier etwas darüber zu hören, wie wir dieses Ziel erreichen. Davon habe ich nichts gehört. ({9}) Der Verkehrssektor hat seinen Beitrag zum Klimaschutz bislang leider nicht geleistet. Statt auf die Zukunft zu setzen, gehen die Investitionen – wir haben es bereits gehört – in den Bereichen Schiene einerseits und Straße andererseits noch weiter auseinander. Wo sind eigentlich die versprochenen Mittel für die Aufstockung im Bereich des Radverkehrs? Wo ist die zugesagte Absenkung der Trassenpreise für die Schiene? Wir haben die Ankündigungen hier gehört. Wir werden Sie beim Wort nehmen und sind gespannt, wann etwas kommt. Zusammengefasst kann man sagen: zu wenig, zu spät. Wir drohen den Anschluss an die Zukunft zu verpassen. Die Konkurrenz aus China und anderen Ländern schläft nicht. Wenn ich mich mit Forschern oder den großartigen Entwicklern der Unternehmen aus dem Mittelstand und der Industrie treffe, dann reden wir über autonomes Fahren, Mobilitäts-Apps und -plattformen, E-Mobility und Sharing Economy. Ich würde mir von einem deutschen Verkehrsminister wünschen, dass er hier über diese Themen spricht und keinen Retrohaushalt vorlegt, der viel über die Vergangenheit sagt, aber wenig über die Zukunft der Mobilität in der Bundesrepublik Deutschland. ({10}) Fragen Sie einmal die Kollegin Bär, wie viele Straßenkilometer man eigentlich für Flugtaxis braucht. Zum Schluss: Eigentlich ist das Ressort, das Sie, lieber Herr Kollege Scheuer, haben, das eigentliche Heimatministerium dieser Republik; denn hier, im Rahmen dieser Debatte, entscheiden wir darüber, ob die Lebensverhältnisse der Menschen, die auf dem Lande leben, mindestens so gut sind wie die Verhältnisse derer, die in der Stadt leben. Ich sage: Auch die Menschen auf dem Lande haben schnelles Internet verdient. Auch die Menschen auf dem Lande haben ein Funknetz ohne Funklöcher verdient. Auch die Menschen auf dem Lande haben es verdient, dass nicht der einzige Bus, der kommt, der Schulbus ist. Daran werden wir Sie messen. Herzlichen Dank. ({11})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist der Kollege Reinhold Sendker für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Reinhold Sendker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004153, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Verkehrshaushalt des Bundes hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. Im letzten Jahr, 2017, war es der Haushalt der Rekorde. Die Investitionssumme – das haben wir heute gehört – steigt weiter an. Verehrter Herr Kollege Bühl, das ist kein holpriger Start. Das ist ein Start nach Maß für die neue Koalition. Wir danken unserem Verkehrsminister und unserem Finanzminister und allen, die daran mitgewirkt haben, dass wir so starten können. Vielen herzlichen Dank dafür. ({0}) Wir wollen die Mobilität unserer Gesellschaft und damit das Fundament volkswirtschaftlicher Prosperität von Arbeit und Wohlstand stärken. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart, und so wollen wir es auch umsetzen. Dabei haben wir in den letzten vier Jahren gemeinsam schon viel erreicht. Der Investitionshochlauf war wichtig, um dringend notwendige Erhaltungsinvestitionen tätigen zu können. Die Engpassbeseitigung auf unseren Autobahnen im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans ist prioritär. Dafür wird zusätzliche Planungskapazität benötigt, die dann allerdings regional fehlt. Aber die Engpassbeseitigung auf unseren Autobahnen hat für uns mit Blick auf die gewaltigen Staus absolute Priorität; sie ist richtig und dringend erforderlich. ({1}) Eine der zentralen Aufgaben in dieser Wahlperiode, die daraus folgt, ist die deutliche Verbesserung der Planungskapazitäten. Mit einem Planungs- und Beschleunigungsgesetz wollen wir eine neue Dynamik erreichen. Wir hoffen auf eine entsprechende Vorlage noch in diesem Jahr. Noch in der 18. Wahlperiode haben wir die Schaffung einer Bundesinfrastrukturgesellschaft beschlossen: mit der Integration unserer VIFG, der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, ihrer hohen Kompetenz im Bereich des Finanzmanagements. Die notwendigen Organisationsentscheidungen, die jetzt zu treffen sind, mit der Einbindung der Gewerkschaften und Personalräte, sind eine gute Basis, um 2021 an den Start gehen zu können. So dient auch die Infrastrukturgesellschaft Autobahnen dem Ziel, die Planung zu stärken. Lassen Sie mich das an dieser Stelle noch einmal ganz besonders betonen: Es war völlig richtig, diese Neustrukturierung im Verkehrswesen Deutschlands rechtzeitig auf den Weg zu bringen. ({2}) Die Überjährigkeit der Haushaltsmittel im Sinne von Haushaltswahrheit und -klarheit dient im Übrigen der Planungs- und Finanzierungssicherheit. Und weil das so ist, werden wir auch konsequent daran festhalten. ({3}) Erfreulich ist ferner, dass für die Straßenbauinvestitionen durch die Ausweitung der Lkw-Maut zum 1. Juli 2018 2,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stehen. Was die alternative Beschaffungsvariante ÖPP anbelangt, so wurden bekanntlich mit dem Rechnungshof Regularien abgestimmt. Sie bilden die Grundlage für einen transparenten Nachweis der Wirtschaftlichkeit und damit für die Realisierung der noch nicht fertiggestellten Projekte der sogenannten ersten bis dritten Staffel. Werter Herr Kollege Kindler, Sie haben hier von „unverantwortlich“ gesprochen: Ich bitte Sie daher, sich einmal die Landkarte anzuschauen; denn das, was in Deutschland in den letzten Jahren nicht termingerecht, kostengerecht und mit hoher Qualität auf unseren Autobahnen verwirklicht worden wäre, nenne ich unverantwortlich. ({4}) Zum Thema „saubere Luft“ hat der Minister im Ausschuss seine Vorschläge gemacht; diese muss ich hier nicht wiederholen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Förderprogramme aus Bund und Ländern und vor allem ein veränderter Ordnungsrahmen bilden die Basis, um mit den Ländern und Kommunen eine deutliche Verbesserung der Luftqualität zu erreichen. Die Verbesserung der Luftreinhaltung, die Vermeidung von Fahrverboten sollten wir hier nicht kleinreden und endlos diskutieren, sondern gemeinsam konsequent umsetzen. Ferner steht die Lärmminderung bei Straße und Schiene weiter ganz oben auf unserer Agenda. Auch die Bahn AG ist beim Thema Lärmminderung auf einem guten Weg und hat mittlerweile über die Hälfte der 65 000 Güterwagen mit der sogenannten LL-Sohle ausgestattet. Auch hier war es zielführend, nicht auf die anderen in Europa zu warten, so wie es uns die EU-Kommissarin Frau Bulc seinerzeit in Brüssel vorgeschlagen hatte, sondern im Interesse schnellerer Lärmminderung bei den Güterwagen in Deutschland voranzugehen. Dabei liegen wir in Europa vorn, und das ist gut so. ({5}) Die klare Forderung nach noch mehr Förderung im Schienenbereich richtet aber nicht nur den Blick auf die Digitalisierung der Schieneninfrastruktur und auf die Zielsetzung, bis 2025 70 Prozent des Schienennetzes in Deutschland zu elektrifizieren, sondern auch auf den Umbau weiterer kleinerer Bahnstationen zu barrierefreien Bahnhöfen, der auch die Sanierung der Bahnhofsgebäude ausdrücklich miteinbezieht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Investitionen sind dringend geboten. Sie schaffen deutlich mehr Attraktivität und Akzeptanz für die Schienenverkehre, und deswegen werden wir sie auch konsequent fortsetzen. ({6}) Meine Damen und Herren, in der vergangenen Ausschusssitzung war unser Kollege Gero Storjohann wie auch einige andere Kolleginnen und Kollegen begeistert – das war meine Wahrnehmung – vom Vorschlag des Ministers, für die Förderung der Radverkehre eine Stabsstelle einzurichten. Lieber Herr Bundesminister Andi Scheuer, das ist genau das richtige Signal, um die Förderung der Radverkehre in unserer Republik weiter zu intensivieren. Wir unterstützen das gerne. Vielen Dank dafür. ({7}) Auch die Breitbandförderung generiert sich sehr erfreulich. Für unser großes Ziel, überall im Land Glasfaserversorgung herzustellen, können vom Bundesfinanzminister jetzt, früher als geplant, beträchtliche Finanzmittel in den Digitalfonds eingestellt werden. Schließlich befindet sich unsere Infrastruktur genauso wie andere Bereiche auch in einer fundamentalen Umbruchphase. Meine Damen und Herren, genau wie in diesem so wird es auch in den folgenden Jahren darum gehen, unseren Verkehrssektor weiter digitalisiert, nachhaltig und globalisiert aufzustellen und dabei vor allem eine hohe Leistungsfähigkeit des Gesamtnetzes zu erreichen und sicherzustellen. Dafür werden wir uns konsequent und proaktiv einsetzen. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als Nächster spricht der Kollege Wolfgang Wiehle für die AfD. ({0})

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Überlastete Strecken im Nah- und Fernverkehr und genauso das Desaster mit fehlenden Umleitungen nach dem Einbruch der Rastatter Tunnelbaustelle zeigen es: Wir haben großen Nachholbedarf bei der Eisenbahninfra­struktur in Deutschland, und das, obwohl – der Kollege Dr. Spaniel hat es gesagt – die Investitionen des Bundes in die Schienenwege gemessen am Straßenbau gut dotiert sind. ({0}) Ein Ausbau ist dort sinnvoll, wo er praktisch gesehen durchführbar ist und wo die Nachfrage auch vorhanden ist. ({1}) Nun lesen wir im Koalitionsvertrag in wolkigen Worten von einer angestrebten Verdoppelung des Fahrgastaufkommens bis 2030. ({2}) Durch mehr, schnellere, sauberere und pünktlichere Züge lässt sich sicher einiges erreichen, zugunsten der Bürger und der Umwelt gleichermaßen. ({3}) Aber eine Verdoppelung? Was passiert, wenn dieser großspurige Zwölfjahresplan an die Grenzen der Realität stößt, wenn geplante Maßnahmen städtebaulich fragwürdig sind, wenn es zu teuer wird oder wenn einfach die Fahrgäste nicht umsteigen wollen? Dann, meine Damen und Herren, wird es spannend. Wer wird gewinnen: die Realität oder der Plan? Wird der Bundeshaushalt bluten müssen für volkswirtschaftlich zweifelhafte Megaprojekte? Wird es, im Fahrwasser der rot-grünen Verkehrspolitik seit den 90er-Jahren, neue Schikanen der Autofahrer geben, um den Plan dann mit Zwang zu erreichen? ({4}) Ich verspreche Ihnen: Die AfD wird hier äußerst wachsam sein. ({5}) Eine neue Welle des Ökodirigismus werden wir im Sinne der Bürger unseres Landes mit aller Schärfe bekämpfen. ({6}) Realismus und Transparenz sind auch bei schon laufenden Projekten von zentraler Bedeutung, zum Beispiel bei Stuttgart 21. Es wäre nicht vertretbar, die schon verbauten Milliarden wegzuwerfen, wie es manche aus dem linken Spektrum im Endeffekt gerne hätten. Der Deutsche Bundestag muss aber genau wissen und kontrollieren können, welche Bundesmittel in dieses Projekt fließen. Das kann er im Moment nicht, und das hat der Bundesrechnungshof bereits im Jahre 2016 deutlich kritisiert. Die laufenden Mittel für Stuttgart 21 sind nämlich in einem Sammelansatz verborgen. Der Bundestag kann nicht überwachen, ob hier Gelder, die für ganz andere Zwecke gedacht sind, in die Projektfinanzierung mit einfließen. Deshalb schließt sich die AfD der Forderung des Bundesrechnungshofes an, einen eigenen Haushaltstitel für Stuttgart 21 auszuweisen. ({7}) Der Güterverkehr auf der Schiene muss gestärkt werden, nicht zuletzt der internationale, ({8}) um die Autobahnen von der wachsenden Anzahl von Transit-Lkw zu entlasten. Letztes Jahr wurde angekündigt, die Trassenpreise im Schienengüterverkehr zu halbieren, also das Gegenstück zur Lkw-Maut, die ausgeweitet wird. Daraus wurde jedoch nichts. Das wurde schon in zwei Redebeiträgen angesprochen. Die Halbierung der Trassenpreise wurde, so heißt es heute, auf 2019 verschoben. Für den Bundeshaushalt ist das bequem. Aber: Wo bleibt die Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen? Auf eine solche reine Ankündigungspolitik kann doch niemand bauen. Die AfD fordert, dass das gegebene Versprechen auch eingelöst wird. ({9}) Realismus, Transparenz und Verlässlichkeit – diese drei zentralen Werte wird die AfD bei der Beratung des Verkehrshaushaltes in den Mittelpunkt stellen. Wir werden nur zustimmen, wenn der Haushalt diesen Werten genügt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als Nächster spricht der Kollege Udo Schiefner für die Fraktion der SPD. ({0})

Udo Schiefner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004397, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen am Beginn der Haushaltsberatungen. Auch für diesen Haushaltsentwurf gilt sicherlich das Struck’sche Gesetz: Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist. – Wir werden sehen, wie der Haushalt Anfang Juli dann aussehen wird. Vieles wurde bereits angesprochen, der Bereich Güterverkehr, Transportlogistik jedoch nur am Rande. Ich möchte in meiner Rede mein Augenmerk auf die Arbeits- und Wettbewerbsbedingungen im Straßengütertransport richten. Da können wir mit relativ geringen Haushaltsmitteln, wie ich finde, vieles bewegen. Wir haben im Koalitionsvertrag verabredet, dass wir Sozialdumping und Sozialbetrug auf unseren Straßen bekämpfen wollen. Dabei spielen Kontrollbehörden, auch das Bundesamt für Güterverkehr, sicherlich eine zentrale Rolle. ({0}) Wir haben im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir diese Behörde besser ausstatten wollen. ({1}) Transport und Logistik vor allem auf der Straße haben als Wirtschaftsfaktoren und mit Blick auf Arbeitsplätze eine enorme Relevanz für unsere Volkswirtschaft, und die Branche wächst stetig. Das Wachstum des Straßengüterverkehrs liegt seit Jahren über dem Wirtschaftswachstum in Deutschland. Allein 2017 nahmen die Transportleistungen auf der Straße um 2,6 Prozent zu. Von diesem Wachstum profitieren vor allem auch im Ausland ansässige Speditionen. Die Verkehrsleistung deutscher Lkws wuchs 2016 um 0,6 Prozent, 2017 um 1,2 Prozent. Zum Vergleich: Ausländische Mitbewerber legten gleichzeitig um knapp 3 Prozent bzw. 5 Prozent zu. Die Verkehrsleistung aus Kabotage stieg in Deutschland 2016 im Vergleich zum Vorjahr sogar um über 30 Prozent. Noch vor zehn Jahren hatten zwei von drei Lkws auf deutschen Straßen ein einheimisches Kennzeichen. Heute liegt der Anteil der ausländischen Lkws bei 45 Prozent, und fünf von sechs dieser Lkws stammen aus unseren osteuropäischen Nachbarländern. Nun kann man sagen, das sei in einem europäischen Binnenmarkt mit freiem Marktzugang normal, die osteuropäischen Anbieter seien eben wettbewerbsfähiger. Selbstverständlich – und dies betone ich – will niemand vernünftigerweise den Binnenmarkt infrage stellen. Wir brauchen ihn. Allerdings dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, dass osteuropäische Speditionen mit Dumpingpreisen arbeiten. Sie zahlen keine fairen Löhne und führen auch keine Sozialabgaben ab, die mit unseren vergleichbar wären. Die Speditionen arbeiten mit undurchsichtigen Geschäftsmodellen, und das alles auf dem Rücken ihrer Fahrerinnen und Fahrer. Die Fahrerinnen und Fahrer sind teilweise wochen- und monatelang unter menschenunwürdigen Bedingungen unterwegs. Der mit diesen Mitteln geführte Wettbewerb überlastet Personal und Material massiv. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass auch die Verkehrssicherheit leidet, mit fatalen Folgen. Schreckliche Bilder von Unfällen auf Autobahnen haben wir alle vor Augen. Die geschilderten Missstände im Straßengütertransport, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht und werden wir Sozialdemokraten zukünftig auch nicht hinnehmen. ({2}) Daran werden wir auch auf europäischer Ebene arbeiten. Wir müssen faire und sozialverträgliche Arbeits- und Wettbewerbsbedingungen schaffen. Doch auch die besten Regeln, wie wir sie gerade in der EU neu diskutieren, bleiben nutzlos, wenn ihre Einhaltung nicht effektiv kontrolliert wird. ({3}) Von den Fernfahrern auf den Parkplätzen höre ich immer wieder: Gesetze bringen doch eh nichts, man kontrolliert ja nicht. – Im März wurden in Deutschland zum Beispiel knapp 3 Milliarden mautpflichtige Kilometer gefahren. Beim Bundesamt für Güterverkehr sind derzeit 231 Mitarbeiter im Straßenkontrolldienst beschäftigt. Rein statistisch müsste jeder Mitarbeiter mehr als 800 Lkws am Tag kontrollieren. Das ist nicht möglich und sicherlich am Ende auch nicht nötig; denn eine 100-prozentige Kontrolle gibt es nicht. Aber von effektiven Kontrollen sind wir noch ein Stück weit entfernt. Darum wünsche ich mir – darüber müssen wir diskutieren, und ich bin davon überzeugt, dass wir es erreichen werden –, dass wir das Bundesamt für Güterverkehr deutlich besser aufstellen und auch schon im Rahmen der Haushaltsberatungen 2018 für eine entsprechende personelle und technische Ausstattung sorgen. ({4}) Meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Rüdiger Kruse für die Fraktion der CDU/CSU. ({0})

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schöne, zum Schluss einer Debatte zu reden, ist: Man kann sich aussuchen, auf wen man eingeht. ({0}) – Ich habe „zum Schluss“ gesagt, ich habe nicht gesagt, dass ich der oder das Letzte bin; das würde ich niemals sagen. ({1}) Ich möchte auf zwei Kritiker eingehen, auf Herrn Meyer und Herrn Hartmann. Herr Meyer, als FDP-Politiker ist die Rolle des oppositionellen Kritikers die Ihre. Das haben Sie zum Beispiel mit dem Kollegen Kindler von den Grünen gemein. Das ist Ihr Schicksal. Der Unterschied ist: Bei Ihnen ist es selbstgewähltes Schicksal. An der langen Zeit der Nichtregierungsbildung haben Sie doch großen Anteil gehabt. Es ist daher schon recht verwegen, das zu kritisieren. Ich habe mit Liberalismus immer auch Pragmatismus verbunden, aber davon haben Sie sich ja wohl verabschiedet. Pragmatisch ist es in der Politik, zu sagen: Lieber 70 Prozent erreichen, als gar nichts erreichen. ({2}) Aber das ist Ihr Problem. Unter diesen Folgen dürfen Sie nun die gesamte Legislaturperiode bis zum Ende leiden. ({3}) Es ist richtig und gut, wenn auch aus Kreisen der Regierungskoalition kritische Anmerkungen gemacht werden. Wir sind unterschiedlich. Wir als Parlamentarier haben eine Aufgabe und wollen nicht einfach alles abnicken. Aber Herr Hartmann, ich wäre schon vorsichtig: Seit 1998, also seit 20 Jahren, hat die SPD bis auf vier Jahre immer mitregiert oder sogar führend regiert. ({4}) – Ja, habe ich mich über die Leistung der Regierung beschwert? Auch hier würde ich sagen: Wir haben sehr vieles erreicht, aber längst nicht alles. Unser Auftrag ist: Wir müssen uns darauf konzentrieren, was kommen soll. Haushaltspolitik ist nicht zweckfrei. Wir haben einen Auftrag; denn mit der Verabschiedung des Haushaltes gestalten wir die Zukunft unseres Landes. Für diese Zukunft ist es wichtig – ich glaube, da sind wir uns alle einig –, unser Land nachhaltig zu machen. Die Haushaltspolitik der vergangenen Jahre hat eine wesentliche Grundlage für Generationengerechtigkeit geschaffen, indem wir nicht mehr über unsere Verhältnisse leben und keine neuen Schulden machen. Das ermöglicht uns jetzt im Übrigen auch, zu sagen, wo wir Akzente setzen wollen. In dieser Hinsicht ist das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur besonders interessant; denn es ist eigentlich das Bundesinvestitionsministerium. Kein anderes hat eine so hohe Quote von Investitionsmitteln, und mit Investitionen entscheide ich natürlich am stärksten über die Zukunft des Landes, weil ich jedes Projekt prüfen kann, und das müssen wir hier auch tun. Der Sektor „Verkehr und Infrastruktur“ ist natürlich bei weitem nicht alles, wenn es darum geht, ob unser Land nachhaltig wird, aber ohne diesen Sektor wird man das nie hinbekommen. Schienen, Wasserwege und Straßen sind wie das zentrale Nervensystem, wie die Blutbahnen in unserem Körper: Sie sind auch nicht alles, aber ohne sie wäre alles nichts. Schauen wir uns einen großen Brocken an: die Bahn. Wir haben in der Vergangenheit eine Bahnreform durchgeführt. Das ist jetzt eine Generation her. Ohne diese Reform gäbe es die Bahn vielleicht nicht mehr. Wir hätten ganz andere Bedingungen. Niemand in Europa hat so viel Schienennetz wie wir. Das heißt, niemand in Europa hat so viele Verpflichtungen, aber auch so viele Möglichkeiten, etwas zu tun. Jetzt geht es darum, die neuen technischen Möglichkeiten zu nutzen und damit die Bahn als wesentliches Rückgrat der Nachhaltigkeit zukunftsfähig zu machen. Das ist unsere Aufgabe. Dafür werden wir in den Haushalten der Zukunft die Mittel bereitstellen müssen. Es ist gut, dass wir gesagt haben: Wir wollen als Parlament mehr Kontrolle und Steuerfunktion, damit die Verkehrsinfrastruktur ausgebaut werden und der Leistungsträger Bahn seine Aufgabe auch in der Fläche erfüllen kann. Es ist ziemlich egal, wer in den Ländern regiert: Bei den nächsten Landtagswahlen wird das Thema Verkehr eine zentrale Rolle spielen. Es gibt noch einen wichtigen Aspekt. Sie alle sind umweltfreundliche Nutzer der Bahn. Man denkt sich: Selbst wenn das Auto genauso schnell ist, nehme ich die Bahn, weil ich während der Fahrt noch arbeiten kann. Mancher guckt sich auch etwas auf Instagram an. Aber wenn die autonom fahrenden Autos kommen – und darüber reden wir ja immer –, dann zählt dieses Argument nicht mehr. Auf der Rückfahrt von einer erfolgreichen Koalitionsverhandlung oder irgendetwas anderem Schönen, ({5}) gönnen Sie sich entweder ein Glas Rotwein oder eine Cola light und sind nicht darauf angewiesen, dass es a) den Speisewagen gibt und er offen hat und b), dass er das Produkt Ihrer Wahl hat, sondern Sie gehen an Ihren Kofferraum, schenken sich etwas ein und fahren ohne Probleme über die Autobahn nach Hause. ({6}) Eine solche Veränderung ist eine Herausforderung, und wir müssen sie schon heute mitdenken, wenn wir Investitionen tätigen. Das heißt, wir müssen den Vorteil, die Convenience, des Produktes Bahn deutlich vergrößern. Alle Redner der Koalitionsfraktionen haben das hier angesprochen. Es kommt darauf an, den Grad der Zuverlässigkeit zu erhöhen und Modernität zu schaffen. Wir müssen auch ganz klar sagen: Die einzige digitale Bahn darf nicht Ihre Modelleisenbahn von Märklin oder einem anderen Anbieter sein, sondern auch die echte Bahn muss in Zukunft digital sein, damit wir die Herausforderungen bewältigen können. ({7}) – Herr Özdemir, Ihre Rede hat deutlich gemacht, dass eine Koalition mit Ihnen und der FDP funktioniert hätte. Die Nachhaltigkeitskriterien, die wir heute einführen, sind natürlich mit einem guten Leben vereinbar. Zu meiner Schulzeit war es noch so, dass fair gehandelter Kaffee einem ein Loch in die Magenschleimhaut gebrannt hat. Dieser Kaffee war zwar revolutionär, aber auch ein bisschen bitter. Das ist heute alles anders. Von daher müssen wir die Entwicklung prägen. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch die technischen Innovationen fördern. Natürlich tun wir das für unser Land. Das hört aber nicht an den Grenzen dieses Landes auf. Das ist vielmehr eine hervorragende Möglichkeit für grenzübergreifende Zusammenarbeit. Wir diskutieren derzeit intensiv über die ein, zwei Punkte, an denen sich unsere Vorstellung von Politik von der Macrons unterscheidet. Schauen wir doch lieber auf das, was wir gemeinsam machen können. Verkehrspolitik ist grenzübergreifend, weil die Infrastruktur und die Warenflüsse grenzübergreifend sind. An dieser Stelle können wir etwas erreichen. Die Menschen sagen: Wenn ihr in diesem Bereich etwas erreicht, dann tut ihr etwas für uns. Und das ist unser Auftrag. Danke. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank, Herr Kollege Kruse, für Ihre visionären Betrachtungen zur Rolle des Rotweins im Straßenverkehr der Zukunft. ({0}) Man merkt Ihnen an, dass Sie bisher Berichterstatter für den Bereich Kultur gewesen sind. ({1}) Als letzter Redner in der Debatte über den Einzelplan des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur hat Uwe Schmidt für die SPD-Fraktion das Wort. ({2})

Uwe Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004878, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kruse, auch ich bin nicht der oder das Letzte. Ich bin aber der letzte Redner zu diesem Thema. Der Norden kommt jetzt noch einmal zu Wort; Sie kommen ja auch aus Hamburg. Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Scheuer, ich möchte jetzt einen anderen Aspekt beleuchten. Am 1. Mai hat Verdi zur bundesweiten Kampagne „Digital Muss Sozial“ aufgerufen. Ziel ist es, den Belegschaften, den Arbeitgebern und der Politik aufzuzeigen, welche Auswirkungen Automatisierung und Digitalisierung haben, wenn sie nicht arbeitnehmerfreundlich gestaltet werden. Das Motto lautet: Keine Automatisierung ohne Tarifvertrag. Die Automatisierung und ihre Folgen gehören zu den größten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen unserer Zeit. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen den Veränderungsprozess proaktiv mitgestalten können. Dazu gehören starke Gewerkschaften und Betriebsräte. ({0}) Nur wenn wir diese einbinden, können wir eine faire und tarifgebundene Beschäftigung sichern und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhalten. Allerdings müssen wir uns auch die Frage stellen: Was ist uns die menschliche Arbeit in Zukunft noch wert? Die Große Koalition hat die Verantwortung und die Pflicht, die Weichen so zu stellen, dass der Wert der Arbeit gesichert wird; mein Kollege Schiefner hat gerade davon gesprochen. Als SPD wollen wir die neue Arbeitswelt sozial, fair und mit Fokus auf arbeitnehmermitbestimmte Lösungen gestalten. Als Berichterstatter meiner Fraktion für Seeverkehr und Maritimes sage ich: Deutschland soll weiterhin ein starker maritimer Standort bleiben. ({1}) Die maritime Wirtschaft sichert bundesweit über 400 000 Jobs. Jeder zweite Arbeitsplatz in Deutschland ist abhängig vom Export. Über deutsche Seehäfen laufen 60 Prozent des Außenhandels. Sie sind damit der Ausgangspunkt für die langen, weltweiten Lieferketten. Als gelernter Hafenfacharbeiter weiß ich, dass viele Entwicklungen im Bereich Automatisierung in unseren Seehäfen längst stattgefunden haben. Die Seehäfen sind wichtige Drehkreuze für den Umschlag der Güter und die effiziente Verlagerung auf die nationalen Wasserwege, Schienen und Straßen. Wir brauchen eine solide Finanzierung der Hafeninfrastruktur, um weiterhin international wettbewerbsfähig zu bleiben. Hier muss der Bund die Länder und Kommunen finanziell entlasten. Die öffentliche Finanzierung der standortsichernden Infrastruktur muss Vorrang vor den Interessen privater Investoren haben. ({2}) Nur so bewahren wir Einfluss und Steuerungsmöglichkeiten bei den wichtigen Aufgaben der deutschen Seehäfen. Stellvertretend will ich zwei Punkte aus dem Haushalt nennen: Das Förderprogramm für Innovative Hafentechnologien, kurz: IHATEC, soll wieder 11 Millionen Euro und damit insgesamt 64 Millionen Euro bis 2021 erhalten. Zum anderen investieren wir in die Hafenhinterlandanbindungen sowie in Ausbau und Instandhaltung der Verkehrswege. 1,6 Milliarden Euro für Investitionen in die Schienenwege des Bundes: ein Aufwuchs von mehr als 240 Millionen Euro und eine richtige Entscheidung. Mit diesen Mitteln finanzieren wir unter anderem das Programm Seehafen-Hinterlandverkehr. Das begrüße ich natürlich außerordentlich. Ich bin jedoch der Auffassung, dass bei allen Entwicklungen weiterhin der Mensch im Mittelpunkt stehen muss. Es stehen knapp 58 Millionen Euro als Finanzbeitrag für das Maritime Bündnis für Ausbildung und Beschäftigung, also die Sicherung der Arbeitsplätze der deutschen Seeleute und des seemännischen Nachwuchses, zur Verfügung. Herr Minister Scheuer, unser gemeinsames Ziel muss es sein, das deutsche maritime Know-how zu sichern und die Seeschifffahrt international wettbewerbsfähig aufzustellen. Dafür ist es aber entscheidend, dass alle Beteiligten – also auch die Arbeitgeberseite – ihrer Zusage zum Erhalt der Arbeitsplätze in der maritimen Wirtschaft nachkommen. Zum Schluss möchte ich noch betonen, dass der Verkehrssektor seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten muss. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, umweltfreundliche Antriebe für Schiffe zu etablieren. Die Luft unserer Hafenstädte ist durch den Zuwachs an Kreuzfahrtschiffen und Handelsschiffen aus Drittländern stark mit Emissionen belastet.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie zum Schluss, freundlicherweise.

Uwe Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004878, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das mache ich. – Da müssen wir besser werden, auch in der Kontrolle, ob die bestehenden Regelungen eingehalten werden, Herr Minister; darüber haben wir schon gesprochen. Hier werden wir den umweltfreundlichen Landstrom für Schiffe gegenüber dem Dieselmotorbetrieb im Hafen wettbewerbsfähig machen. Wir als SPD-Fraktion werden in den Beratungen darauf hinwirken, dass dieser Haushalt 2018 die solide Grundlage bietet, um den Wandel der Arbeitswelt systematisch zu gestalten und unsere Strategie ins richtige Fahrwasser zu lenken: sozial, fair und arbeitnehmerfreundlich. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Einzelplan 16 . Das Wort hat zunächst für die Bundesregierung die Bundesministerin Svenja Schulze. Frau Ministerin, bevor Sie Ihre Rede beginnen, warten wir einen Moment ab, weil es noch Bewegung im Haus gibt. – Ich bitte, dann aber freundlicherweise auch zügig Platz zu nehmen oder Platz zu geben. – Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sie wissen es vielleicht noch: Früher gab es einmal eine Vision, nämlich dass der Himmel über der Ruhr wieder blau werden sollte. Diese Vision ist später dann auch Wirklichkeit geworden. Heute sollten wir uns die Frage stellen: Was sind eigentlich unsere gegenwärtigen Visionen? Was wollen wir eigentlich erreichen – für uns und dafür, dass Umwelt und Natur wieder besser geschützt werden? Aus meiner Sicht gehört dazu ganz klar, dass der Klimawandel gestoppt werden muss, dass wir die Artenvielfalt erhalten und auch wieder erhöhen müssen, dass alle Menschen eine intakte Umwelt mit sauberer Luft, sauberem Wasser und sauberen Böden vorfinden und dass nicht, im Gegenteil, die Gesundheit von Menschen durch schmutzige oder giftige Stoffe im Wasser, in der Luft oder im Boden mitunter großen Schaden nimmt. Oftmals ist es heute so, dass wir die Natur nicht nur schützen müssen, sondern dass wir sie retten oder wiederherstellen müssen. Sie alle kennen die dramatische Situation, die vor kurzem öffentlich geworden ist: Über zwei Jahre lang sind millionenfach Plastikteile in die Schlei geleitet worden. Die Aufräumarbeiten, die dort jetzt anstehen, sind äußerst anstrengend, weil dieser Plastikmüll über viele, viele Kilometer verteilt ist und manche Teilchen so winzig klein sind, dass sie im Boden oder im Schilf festhängen. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Diese Beispiele illustrieren, dass alle unsere Bemühungen, sei es Mülltrennung, Recycling oder Verwertung, oft immer noch nicht ausreichen, um unsere Umwelt vor Zerstörung zu schützen. Das ist aber etwas, das den Menschen wirklich auf den Nägeln brennt. Eine aktuelle Umfrage besagt, dass sich über 70 Prozent der Befragten Sorgen machen, ob bei der Herstellung von Produkten wirklich auf die spätere Entsorgbarkeit geachtet wurde, und fordern ein, dass darauf geachtet wird. Ja, es ist richtig – das höre ich immer wieder –, es wird schon eine Menge getan. Aber wir müssen die Prozesse bis zu ihrem sprichwörtlichen Ende denken. Wir müssen noch besser werden und von Einweg- und Wegwerfgewohnheiten wirklich wegkommen. Mein Teil dieser Vision ist, dass Umweltschutz eine Sache ist, bei der jeder und jede mitmachen kann. Ich bin fest davon überzeugt: Umweltpolitik darf kein Elitenprojekt sein, bei dem der eine mit erhobenem Zeigefinger herumläuft und vorgibt, was andere zu tun und zu lassen haben. Aber genauso wenig reicht es – das sage ich klar und deutlich –, wenn Umweltschutz von der breiten Masse auf eine kleine Gruppe abgewälzt wird, die man anschließend als Ökos verunglimpft. Umweltschutz braucht eine breite gesellschaftliche Akzeptanz, aber nicht nur Akzeptanz. Wir brauchen die Unterstützung der gesamten Gesellschaft. Wir alle können zumindest Teilzeitheilige in Sachen Klima- und Umweltschutz werden. ({0}) Das gilt für den Landwirt genauso wie für den Autofahrer oder den Häuslebauer. Wenn alle mitmachen, können wir dem Ziel einen großen Schritt näherkommen. Genau das ist es, wofür ich mich einsetzen werde. ({1}) Die Idee mit dem Teilzeitheiligen, muss ich vielleicht noch sagen, ist nicht von mir, sondern von Hubert ­Weinzierl. Ich finde sie aber noch immer sehr bestechend. ({2}) Der blaue Himmel über der Ruhr, den wir heute wieder haben, war nicht das Ergebnis eines industriellen Stilllegungsprogramms. Das war ein Erfolg, den wir mittels neuer Technologien erzielt haben. Die Luft ist dort sauberer geworden durch Investitionen in Innovationen, mit einem weiteren schönen Nebeneffekt: Man möchte fast sagen, im gleichen Atemzug sind neue Branchen mit neuen Arbeitsplätzen und neuen Wertschöpfungsketten entstanden. Dadurch ist der Wandel letztendlich allen zugutegekommen. Darum geht es in der Umweltpolitik auch: Es geht um Deutschlands Zukunftschancen. Wir sind auf Innovationen angewiesen bei den Umwelttechnologien, in der Mobilität, in der Landwirtschaft und natürlich auch bei der Energie. Mit diesen Innovationen werden wir unsere Zukunft sichern. ({3}) In den 70er-Jahren waren Kohlendioxidemissionen noch nicht das vordringliche Problem. Das hat sich vor dem Hintergrund des Klimawandels absolut geändert. Wir werden mit der Strukturwandelkommission dafür sorgen, dass der Ausstieg aus der Kohlenutzung mit einer guten Regionalentwicklung verbunden ist; denn es geht heute genauso wie damals um neue Technologien und neue Perspektiven für die betroffenen Regionen. Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass diese Kommission einen nahezu historischen Auftrag hat, weil sie ein Enddatum für die Kohlenutzung festlegen soll. ({4}) Ich bin für mehr Fluglärm, und zwar für den Fluglärm von Insekten über unseren Äckern, Wiesen und Gärten. Dieser Soundtrack einer gesunden Umwelt ist jetzt endlich auch auf der Playlist der Bundesregierung. Ich würde mich freuen, wenn das viele Kolleginnen und Kollegen vor allen Dingen im Bundeslandwirtschaftsministerium genauso sehen würden. Deswegen dränge ich so darauf, dass das Aktionsprogramm für den Insektenschutz nun zügig vorankommt. Die Eckpunkte habe ich bereits vorgelegt. Wir müssen beim Pflanzenschutz weiterkommen. Wir müssen den Blick über Glyphosat und Neonikotinoide hinaus richten. Wir brauchen ganz generell einen sorgsameren Umgang mit Pflanzenschutzmitteln. Aber das kann nur der Anfang sein. Wir brauchen eine neue Ackerbaustrategie. In den Eckpunkten für ein Aktionsprogramm „Insektenschutz“ habe ich sowohl für den Bereich der Pflanzenschutzmittel als auch für den Ackerbau erste Überlegungen vorgelegt. Wir müssen den Weg zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft endlich freimachen. Wir brauchen eine zukunftsfähige Landwirtschaft im vitalen ländlichen Raum. Die Landwirtschaft muss im Einklang mit Natur und Umwelt betrieben werden und übrigens mit einer stärkeren regionalen Wertschöpfung auch wieder mehr Jobs für die Regionen schaffen. ({5}) Es gibt eine Menge zu tun. Ich möchte, dass wir gemeinsam einen modernen, einen umweltfreundlichen Industriestaat entwickeln. Wir müssen uns an die Beantwortung der Fragen machen, wie wir es schaffen, dass die Industrie treibhausgasneutral ist. Für mich ist klar: Gesunde Umwelt und die Gesundheit der Menschen gehören zusammen, und deshalb setze ich mich natürlich auch weiter für eine bessere Luftqualität ein. Wir alle wissen, dass die Pkws zu viele Stickstoffdioxide ausstoßen. Wir brauchen aber sauberere Autos. Da kann ich den Herstellern nur empfehlen, auch die Hardware ihrer Autos nachzurüsten. Das wäre ein Gewinn für die Menschen und die Umwelt. Außerdem würde es helfen, Fahrverbote zu vermeiden und den Wertverlust von Dieselfahrzeugen zu stoppen. ({6}) Sie sehen: Bei der Mobilität ist es genauso wie beim Kohleausstieg oder in der Landwirtschaft: Aus der scheinbar grünen Frage ist schon lange eine rote Frage geworden. ({7}) – Sorry für die Kollegen bei Bündnis 90/Die Grünen. Es geht auch um die Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Es ist unsere Verantwortung als Umweltpolitikerinnen und -politiker, dass Menschen und – ich füge hinzu – vor allen Dingen Menschen mit geringem Einkommen ökonomisch und ökologisch nicht zusätzlich belastet werden. ({8}) Das ist mir als sozialdemokratischer Umweltministerin ein wichtiges Anliegen und ein Anliegen, für das ich in dieser Koalition auch wirklich eintrete. Zu einer ökologischen Industriepolitik zählen das Klimaschutzgesetz und die Maßnahmenprogramme, mit denen wir das Klimaziel 2030 erreichen werden. Diese langfristige und verlässlich angelegte Politik ist ein Modernisierungstreiber für die gesamte Wirtschaft. Apropos Verlässlichkeit: Verlässlichkeit ist ein ganz hohes Gut – gerade in einer Koalition. Zu Verlässlichkeit gehört, dass man sich an Vereinbarungen hält. Die Vereinbarungen zu den Sonderausschreibungen im Koalitionsvertrag sind eindeutig: Wir wollen Sonderausschreibungen von 4 Gigawatt für Windenergie und Photovoltaik, mit denen 8 bis 10 Millionen Tonnen CO 2 eingespart werden. ({9}) Der vom Bundeswirtschaftsminister vorgelegte Gesetzentwurf enthält leider null Ausschreibungen. Damit würde der bisher einzig gesicherte Beitrag zur Minderung der Klimaschutzlücke entfallen. Das ist nicht akzeptabel, und deshalb habe ich auch der Versendung des Gesetzentwurfes an die Länder und an die Verbände widersprochen. Wir bestehen darauf, dass der Koalitionsvertrag eins zu eins umgesetzt wird. ({10}) Die Menschen müssen sich auf diese Koalition verlassen können, und das geht nicht, wenn sich Teile der Union gleich bei den ersten Projekten in die Büsche schlagen. Das werden wir hier nicht zulassen. Wir setzen insgesamt mit dem Einzelplan 16 die richtigen Signale. Wir werden den Umwelt- und Naturschutz weiter stärken und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass das Atomzeitalter sicher zu Ende gebracht wird. Damit tragen wir in ganz erheblichem Maße zur Lebensqualität und zum wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes bei. Für die Politikfelder des Umweltbereiches ist im Regierungsentwurf ein Mittelzuwachs in Höhe von 371 Millionen Euro vorgesehen. Das ist ein Plus von 23 Prozent. Wir investieren mit einem Plus von über 50 Millionen Euro mehr in den internationalen Klimaschutz. Wir machen sehr, sehr deutlich: Umweltpolitik ist Industriepolitik, ist Arbeitsmarktpolitik, ist Zukunft. Mit Umwelttechnik und Ressourceneffizienz können wir unsere Wirtschaft umfassend modernisieren. Diesen Weg der Modernisierung wollen wir mit dem Bundeshaushalt 2018 aktiv gehen. Dafür werbe ich hier noch einmal um Ihre Unterstützung. Ganz herzlichen Dank. ({11})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Als Nächstes für die AfD-Fraktion der Kollege Martin Hohmann. ({0})

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine kurze Vorbemerkung aus gegebener Veranlassung: Es hat sich in dieser 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages so eine Art Ritual herausgestellt: Viele Abgeordnete der Altparteien fühlen sich verpflichtet, einen Teil ihrer Redezeit für das verbale Einprügeln auf die Neupartei, auf die AfD, zu opfern. ({0}) Dieses AfD-Bashing ist geradezu zu einem Running Gag geworden. Der Duden bezeichnet das als wiederkehrendes Element der Komik und des Humors. Komik? Na ja. Es ist eher Ausdruck von Frust und riesiger Enttäuschung. ({1}) Die kleineren Parteien hatten gehofft, sie könnten von den sich abzeichnenden Verlusten der Altparteien, zum Beispiel der CDU, der CSU, profitieren; aber es gab nur minimale Zuwächse. Das nagt natürlich. ({2}) – Ein bisschen Geduld. – Das rumort, und das ist noch nicht abgehakt. Manchmal bricht es halt heraus, und dann wird richtig draufgehauen – auf die AfD als unvermutete, unerwartete Oppositionsführerin. Daher gibt es Überlegungen einer kleinen Gruppe von theateraffinen AfD-Abgeordneten, diese Leistungen nicht ohne Würdigung zu lassen. Als Auszeichnung stellen wir uns die „Blaue Zitrone“ vor. Sie soll jährlich einmal in drei Stufen verliehen werden. Ich verrate kein Geheimnis: Zu den heißen Anwärtern gehören Cem Özdemir und Britta Haßelmann. ({3}) Britta Haßelmann ist eine sehr sympathische Kollegin, wenn sie nicht gerade das Rumpelstilzchen gibt. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, es wäre gleichwohl schön, Sie würden zur Sache, zum Thema kommen – bei aller Wertschätzung für Ihre humoristische Einlage.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

So eine Art AfD-Bashing hat auch beim Katholikentag stattgefunden. Volker Münz hat uns dort gut vertreten. Und was hat man dort erlebt? Es waren geradezu so eine Art „Münz-Festspiele“. Die selbsternannten Toleranten haben wieder mal auf die angeblich Intoleranten eingeschlagen. Na ja, gut. Frau Ministerin, entschuldigen Sie diese kleine Vorbemerkung; aber die Ausschreibung für den neuen Kleinkunstpreis musste mal kurz offiziell notifiziert werden. ({0}) Bei aller Mühe, Frau Ministerin, die Sie sich mit dem Entwurf für den Einzelplan 16 gegeben haben, lautet doch das Urteil: Fehlinvestitionen, Ressourcenverschwendung. Warum? Das Falsche wird durch Fortsetzung nicht richtig. ({1}) Was ist falsch an der äußerlich schwarz-roten, innerlich jedoch links-grünen Energie- und Umweltpolitik? Sie geht von falschen Voraussetzungen aus und kommt daher, nicht verwunderlich, zu falschen Ergebnissen. Erstens. Der Klimawandel ist nichts Ungewöhnliches, im Gegenteil. Die Wissenschaft sagt uns: Über die verschiedenen Erdzeitalter, wortwörtlich: seit unvordenklichen Zeiten hinweg gab es nie ein konstantes Klima. ({2}) Klimawandel ist das einzig Beständige. Wenn wir jetzt in einer relativen Warmzeit leben, dann sollten wir dankbar sein. Kaltzeiten waren Notzeiten, geprägt von Missernten, Hunger und Kriegen. Gleichwohl: Die AfD spricht sich natürlich für einen schonenden Umgang mit nur einmal vorhandenen Energieressourcen aus. ({3}) Die im Ansatz falsche Energiepolitik müssen deutsche Stromkunden und Mittelständler ohne Befreiungsmöglichkeiten seit Jahren mit Milliardensummen finanzieren. Die AfD will das im Ansatz falsche Erneuerbare-Energien-Gesetz ganz abschaffen. ({4}) Zweitens. In dem Weltuntergangsszenario, in das wir angeblich hineinschlittern, haben Sie, Frau Ministerin, dem Kohlendioxid die Rolle des Weltenzerstörers zugewiesen – Kohlendioxid als Killergas. Der Erde steht angeblich der Hitzetod bevor, wenn der CO 2 -Ausstoß nicht drastisch reduziert wird. So trommeln Sie, Ihr Ministerium und die Hilfstruppen vom Weltklimarat seit Jahren. Wie steht es wirklich um das CO 2 ? Kohlendioxid ist kein Schadstoff. Es ist ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens. Für die Pflanzen ist Kohlendioxid der wichtigste Baustoff, ein unersetzliches Lebensmittel. Ohne CO 2 geht die Pflanze ein, wortwörtlich, wie eine Primel. ({5}) Besser gesagt, ohne Kohlendioxid fängt sie gar nicht erst an, zu wachsen. Drittens. Bei der klimapolitischen Entscheidung hin zu den erneuerbaren Energien und weg von der Atomenergie hat die Kanzlerin mit falschen, mit gezinkten Karten gespielt. Sie hat hier den Klimaengel gegeben, weil sie wusste, sie kann sich auf die Nachbarn mit ihren Atomkraftwerken fest verlassen. ({6}) Sonst hätten wir nämlich schon im ersten Winter danach einen Hungerwinter, einen Kältewinter gehabt – ähnlich wie 1945/1946. ({7}) Ich komme zum Schluss. Mein Appell: Wir brauchen Atomkraft als Brückentechnologie. Schluss mit den Windkraftmonstern! Sie zerstören unsere Landschaft und unsere Tierwelt. ({8}) Schluss mit den überteuerten Stromkosten! Ja zum Energiekonzept der AfD, – ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

– einem Konzept auf echter wissenschaftlicher Grundlage, ohne Horrorszenarien, preisgünstig und zukunftssicher. Danke schön. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Als Nächstes erteile ich der Kollegin Marie-Luise Dött für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Marie Luise Dött (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003070, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Legislaturperiode stehen wir umweltpolitisch weiter vor großen Herausforderungen. Der Schutz des Klimas, die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft und der Erhalt von Natur und Biodiversität werden die zentralen Handlungsfelder in dieser Legislaturperiode sein. Diese Schwerpunkte haben wir im Koalitionsvertrag verankert und vielfach bereits mit konkreten Maßnahmen unterlegt. Und diese Schwerpunkte sind im Entwurf des Einzelplans 16 auch abgebildet. Mit einem Umfang von 2 Milliarden Euro ist das Volumen des Haushalts im Vergleich zum ersten Regierungsentwurf um fast 100 Millionen Euro erhöht worden. Und, meine Damen und Herren: Umweltschutz wird nicht nur im Einzelplan 16 finanziert. Umweltpolitik ist und bleibt ein Querschnittsthema. Über alle Ressorts summieren sich die Ausgaben für den Klima- und Umweltschutz auf über 9 Milliarden Euro. Das ist eine wirklich stattliche Summe, und meine Damen und Herren, es ist gut angelegtes Geld. Ganz besonders wichtig ist es, dass der internationale Klimaschutz auch weiterhin hervorragend ausgestattet ist. Mit diesen Mitteln können wir Klimaschutz und die Bekämpfung von Fluchtursachen gleichzeitig angehen. – Auf den Klimaschutz wird die Kollegin Weisgerber später noch ausführlich eingehen. Meine Damen und Herren, ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt, ist die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft. Unsere Unternehmen sind im Bereich Kreislaufwirtschaft technologisch führend. Wir setzen in Deutschland Maßstäbe beim Sammeln und Sortieren von Abfällen. Für Verpackungen, Elektrogeräte, Batterien, Baustellenabfälle haben wir den politischen Rahmen für Sammlung und Verwertung von Abfällen weiterentwickelt. Entsorgungsunternehmen und insbesondere die vielen mittelständischen Recyclingunternehmen haben mit enormem Engagement Technologien und Logistik weiterentwickelt und für eine große Dynamik in diesem Bereich gesorgt. Die Entwicklung hat ein Niveau erreicht, dass wir jetzt prüfen müssen, wie die gesammelten und sortierten Recyclingmaterialien stofflich besser genutzt werden können. Wir müssen dafür sorgen, dass Recyclingmaterialien besser für hochwertige Produkte eingesetzt werden. Hier stehen wir vor drei Herausforderungen: Erstens geht es um die stoffliche Reinheit der Abfälle, also die Sortierqualität. Zweitens geht es um Anreize für die Verwendung von Recyclingmaterial bei der Herstellung hochwertiger neuer Produkte. Drittens geht es um die Überprüfung von Zielkonflikten zwischen Chemikalien- und Stoffrecht und dem Einsatz von Rezyklaten in Produkten. Dass im Haushaltsplan 8 Millionen Euro für Forschungen im Bereich Kreislauf- und Abfallwirtschaft sowie 10 Millionen Euro für die Chemikaliensicherheit eingeplant sind, ist die richtige Antwort auf diese Herausforderungen. Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf einen letzten Punkt eingehen, der mir sehr wichtig ist, nämlich die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hierzu haben wir uns im Koalitionsvertrag ebenfalls einiges vorgenommen, und das ist auch erforderlich. Die auch aus Umweltsicht dringend erforderliche Modernisierung unserer Verkehrsinfrastruktur beispielsweise wird nur gelingen, wenn investiert werden kann. Die erforderlichen Ressourcen- und Energieeffizienzfortschritte unserer Unternehmen werden dann erfolgen, wenn wir ein gutes Klima für Investitionen schaffen. Um das ganz klar zu sagen: Es geht nicht um die Einschränkung von Bürgerbeteiligung oder der Nutzung von Rechtsmitteln. Hier haben wir klare nationale, europäische und internationale Vorgaben, an denen nichts zu rütteln ist. Ich erinnere an die Diskussion um die Aarhus-Konvention. Gleichwohl ist festzustellen, dass unsere Verfahren zu lange dauern. Wir müssen Möglichkeiten finden, Planungs- und Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. Investitionshemmnisse können wir uns nämlich nicht leisten. ({0}) Es geht um den Abbau von Bürokratie, die ohne Mehrwert für Bürger und Umwelt ist, um den Abbau von Bürokratie, die den Umbau unseres Landes als umweltpolitische Herausforderung hemmt. Es ist aus meiner Sicht dringend erforderlich, dass beim Einsatz der Mittel für Forschung und Entwicklung im Umweltetat ein besonderer Schwerpunkt auf die Planungsbeschleunigung gesetzt wird. Das Thema wird übrigens auch ein Schwerpunkt der Klausurtagung der Umweltpolitiker der Unionsfraktion sein. Sie sehen also, meine Damen und Herren: Wir nehmen das Thema sehr ernst. Frau Ministerin, der Haushaltsentwurf ist eine gute Basis für die kommenden Beratungen. Aber eine Sache möchte ich Ihnen noch mit auf den Weg geben: Auch wenn wir jetzt die erneuerbaren Energien schnell ausbauen wollen, um die Klimaziele noch schneller zu erreichen: ({1}) Wir müssen die erneuerbaren Energien auch in den Markt bringen können. Das heißt, wir koppeln deren Ausbau mit dem Ausbau von Netzen, sonst macht es keinen Sinn. – Ich freue mich auf gute und konstruktive Beratungen. Vielen Dank. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes für die Freien Demokraten die Kollegin Ulla Ihnen. Es ist ihre erste Parlamentsrede. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr verehrter Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt 2018 ist für das Umweltministerium ein ganz besonderer: ein Haushalt der Umstrukturierungen, der Neuorganisation, dazu eine Ministerin, die frisch im Amt ist. Man könnte meinen, die Zeit für eine grundlegende Revision im Haushaltsplan für das Umweltministerium wäre gekommen. Dann allerdings sieht man sich den Haushaltsentwurf an, und man wird bitter enttäuscht; denn nichts ändert sich. Im Gegenteil: In Ihrem Haushalt ist lediglich ein Weiter-so der bisherigen Politik abgebildet – ohne eigene Ideen und ohne eigene Akzente. ({0}) Fangen wir doch mit dem größten Brocken im Haushalt an, der kerntechnischen Entsorgung. 730 Millionen Euro sind hierfür veranschlagt, eine stolze Summe und mehr als ein Drittel Ihres Haushalts. Nun fehlt mir aber die Transparenz dazu, auf welcher Grundlage die Abrechnungen mit dem Entsorgungsfonds stattfinden. In diesem Bereich muss unbedingt Klarheit und auch die Möglichkeit der Kontrolle durch das Parlament geschaffen werden. Ihr Haus, Frau Ministerin, war leider nicht in der Lage, die Erläuterungen zum Haushalt des Umweltministeriums vor der ersten Lesung zu übersenden. Deshalb bleiben im jetzigen Stadium viele Fragen zum Haushalt offen. Sie können mit vielen Nachfragen der Freien Demokraten in den kommenden Beratungen, gerade zu den Themen „End- und Zwischenlagerung von radioaktivem Müll“, rechnen. Ein weiterer Schwerpunkt Ihres Hauses liegt im Bereich des Klimaschutzes. Doch fließen die Mittel, die Sie dafür vorgesehen haben, wirklich in sinnvolle Projekte? Werden Ressourcen sinnvoll, also im Sinne der Steuerzahler, deren Sachwalter wir ja sind, genutzt? Wir haben da unsere Zweifel. ({1}) Insgesamt drei Initiativen zum Klimaschutz unterhalten Sie, die größte davon mit der Internationalen Klimaschutzinitiative. Hier stellt sich dringend die Frage – die Kollegin Dött hat das ja, wenn auch in anderem Sinne, angesprochen – nach durchaus kostspieligen Doppelstrukturen mit den Ressorts Entwicklung, Landwirtschaft und dem Außenressort. Was Sie aber mit der Nationalen und der Europäischen Klimaschutzinitiative bewirken wollen, bleibt schleierhaft. Es mag ja eine nette Idee sein, Schulgebäude in Athen für fast 1 Million Euro energieeffizienter zu machen oder Quartiersanierungsmanager in Litauen auszubilden. Ich denke, der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass es bessere Wege gibt, das Klima zu schützen, und bessere Wege, das Geld einzusetzen. ({2}) Man fragt sich doch an dieser Stelle: Warum finanziert das Deutschland und nicht die EU? Bevor Sie also noch mehr mit dem Füllhorn winken, sorgen Sie doch bitte erst einmal in Ihrem Ressort dafür, dass bei Ihren Projekten die Mittel auch wirklich abfließen; denn der Mittelabfluss im Umweltressort war in den letzten Jahren einfach katastrophal. Wenn die Gemeinden Ihre Mittel nicht annehmen, wenn die nicht abfließen, können Sie das doch nicht mit noch mehr Fördermöglichkeiten erzwingen. ({3}) Man hat es als Umweltministerium natürlich nicht einfach, wenn in der eigenen Regierung so viel Konkurrenz beim Klimaschutz besteht. Wenn sich Wirtschafts-, Entwicklungshilfe- und Umweltministerium gegenseitig mit immer neuen Projekten in die Parade fahren, wenn jedes Haus sein eigenes Süppchen kocht, wie soll Deutschland dann jemals eine koordinierte Klimaschutzstrategie aus einer Hand bekommen? Das ist doch der springende Punkt, und das ist Ihre Aufgabe, Frau Ministerin. ({4}) Schließlich sucht man ein Thema vergeblich in Ihrem Haushaltsentwurf: Was ist in Ihrem Ressort eigentlich mit der Digitalisierung? Dabei hat es Ihr Haus schwarz auf weiß, welche Möglichkeiten sich für Umwelt- und Klimaschutz bieten könnten, würde man gezielt in die Digitalisierung investieren. Eine von Ihrem Haus 2016 in Auftrag gegebene Studie sagt bis zu 50 Millionen Tonnen CO 2 -Einsparung bis 2025 durch den Einsatz modernster Informations- und Kommunikationstechnologie voraus. ({5}) Worauf warten Sie dann eigentlich noch? Jeder Tag, an dem solche Technologien unsere Ressourceneffizienz nicht nach vorne bringen, ist doch ein verlorener Tag. ({6}) Wir Freie Demokraten erwarten, dass Digitalisierung zu einem Schwerpunkt Ihres Ressorts in den kommenden Monaten und Jahren wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Freie Demokraten fordern in erster Linie drei Dinge für diesen Haushalt: Wir fordern Transparenz bei der kerntechnischen Entsorgung, wir fordern den klugen Einsatz von Investitionen, und wir fordern, dass die Chancen der Digitalisierung genutzt werden. Der vorliegende Haushaltsentwurf spiegelt aus unserer Sicht leider nur die Ziellosigkeit deutscher Umweltpolitik wider, frei nach dem Motto: irgendwie, irgendwo, irgendwann. Gelder müssen zielgerichtet und übersichtlich fließen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir Freie Demokraten als Serviceopposition werden genau hinsehen und Sie gerne konstruktiv begleiten. Vielen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes für die Fraktion Die Linke die Kollegin Heidrun Bluhm. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zur vergangenen Wahlperiode haben wir es jetzt wieder mit einem lupenreinen Umweltministerium zu tun. Dadurch fällt natürlich der haushaltäre Blick unverfälscht auf dieses Politikfeld und kann nicht mehr von anderen Themen abgelenkt werden, so wie es Ihrer Vorgängerin in den vergangenen Jahren immer wieder ergangen ist. Ich sehe dies als Chance, sich konsequent auf die originären Themen der Umwelt zu konzentrieren und Themen wie zum Beispiel Insektenschutz – das haben Sie, Frau Ministerin, eben selbst angesprochen – sehr schnell voranzubringen, da man nicht schon im eigenen Haus mit Kompromissforderungen konfrontiert ist. Wir Linken finden allerdings, dass das Umweltministerium angesichts seiner zukunftsweisenden Bedeutung insgesamt zu klein ist und auch angesichts eines Gesamtbudgets von rund 2 Milliarden Euro mit zu wenig Geld ausgestattet ist. ({0}) Wenn man den Einzelplan 16 inhaltlich betrachtet, also Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit als die wichtigsten Aufgaben sieht, ist darüber hinaus festzustellen: Es fehlt noch die konsequente Linie in diesem Ministerium. Um das zu verdeutlichen, möchte ich einige Punkte herausgreifen, die Sie, Frau Ministerin, zum Teil selbst eben oder schon früher öffentlich angesprochen haben. Erstens: die CO 2 -Abgabe. Ich finde es gut und mutig, dass Sie diese ankündigen. Wir wissen ja, dass Sie da bei anderen Kollegen im Kabinett auf Widerstand stoßen werden. Diese Kohlendioxidabgabe etwa im Verkehrsbereich ist aus meiner Sicht, aus Sicht unserer Fraktion ausgesprochen wichtig. ({1}) Emissionen im Stromsektor nehmen ab, aber im Verkehrsbereich nehmen sie zu. Wir müssen also Energie- und Verkehrswende zusammen denken. Ich finde es daher schade, dass Herr Minister Scheuer gegangen ist, nachdem Sie Ihre Rede zu Ende gebracht hatten; denn ich war davon ausgegangen, dass er sich unsere Debatte noch anhören wird. ({2}) Sie haben angekündigt, den Koalitionsvertrag in Bezug auf die CO 2 -Bepreisung eins zu eins umzusetzen. Ich sage Ihnen: Wenn Sie das wirklich tun, dann werden Sie Mieterinnen und Mieter treffen, dann werden Sie Verbraucherinnen und Verbraucher treffen, die diese Umlage zu zahlen haben. Nicht die Produzenten von CO 2 und die Steuerzahler werden sie am Ende aus ihrem Portemonnaie bezahlen, sondern die Nutzerinnen und Nutzer. Das möchte Die Linke natürlich keinesfalls. Bei diesem Thema werden wir Ihnen auf die Finger gucken. ({3}) Zum Naturschutz sei nur kurz erwähnt: Wir denken, dass Naturschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist, und würden Sie gerne mit einem Antrag unterstützen. Wir halten 50 Millionen Euro zusätzlich für den nachhaltigen Schutz des nationalen Kulturerbes für notwendig. Wir würden Sie hier unterstützen, wenn Sie dieses Geld haben wollen. ({4}) Sie haben eben Dieselfahrverbote angesprochen, Frau Ministerin – ich denke, die sind unausweichlich –, und gesagt, dass die Autohersteller haften müssen. An dieser Stelle bin ich noch nicht so sicher. Die Linke befürchtet, dass Sie im eigenen Kabinett großen Widerspruch bekommen werden, mindestens vom Verkehrsministerium. Eines kann aber nicht sein: dass am Ende doch wieder Autofahrerinnen und Autofahrer, Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ihr Portemonnaie zücken müssen, um diese Zeche zu bezahlen. Wir fordern stattdessen die schrittweise Einführung eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs ({5}) mit höherer Kapazität sowie eine Ausbauoffensive für den Rad- und Fußverkehr. ({6}) Wenn Sie hier neben dem Verkehrsministerium Kompetenzen im Hause aufbauen, wollen wir Sie dabei gerne unterstützen. ({7}) Zum Thema Pestizideinschränkungen. Auch dazu haben Sie eben Hoffnungsvolles vorgetragen, Frau Ministerin. Ich denke auch, dass das unbedingt erforderlich ist. Frau Klöckner, die heute nicht da sein kann, hat gesagt, dass auch ihr das ein Anliegen ist, und bereits angekündigt, Sie hier zu unterstützen. Ich hoffe, dass die beiden Frauen in dieser Frage endlich etwas auf die Reihe bekommen, und kündige an, dass wir Linken an ihrer Seite stehen. Der Ausstieg aus der Nutzung von Glyphosat in dieser Wahlperiode ist angekündigt. Sie haben aber deutlich gemacht, Frau Ministerin, dass der Verzicht von Glyphosat alleine nicht ausreicht. Auch im Zusammenhang mit den Neonikotinoiden sind drei Mittel angesprochen worden, die vom Markt sollen. Ich denke, wir müssen insgesamt einen Pestizidausstieg angehen. Sie haben das angekündigt; aber das umzusetzen, ist eine weitere Schwierigkeit. Wir wünschen Ihnen dafür viel Kraft. Gleichzeitig muss im Umweltministerium der Schutz der Biodiversität ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Was dafür noch fehlt, ist eine umfassende Strategie gegen das Insektensterben. Auch in diesem Bereich sollten Sie liefern. ({8}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nach der späten Regierungsbildung und den damit erst jetzt stattfindenden Haushaltsberatungen ist klar, dass im Umweltbereich noch inhaltliche Lücken vorhanden sind. Wir werden Sie an dieser Stelle unterstützen und diesen Prozess mit eigenen Anträgen mitgestalten. Herzlichen Dank. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Steffi Lemke. ({0})

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Ministerin, bei Ihrer Rede stellte sich mir die Frage, ob man Ihnen gesagt hat, welches Amt Sie übernehmen, als Sie das Bundesumweltministerium übernommen haben. Das ist eine Regierungsinstitution einer der größten Industrienationen dieser Welt. Mich stört es nicht, wenn Sie Visionen haben oder Teilzeitheilige berufen wollen; das ist nicht mein Problem. Was ich als Bürgerin und als Parlamentarierin von Ihnen erwarte, ist Regierungshandeln und keine Märchenstunde. ({0}) Wir haben im Umweltbereich vier gravierende Probleme, bei denen die planetaren Grenzen überschritten sind: Das sind die Klimakatastrophe, das Artensterben, die Stoffeinträge von Phosphat und Stickstoff und die Landübernutzung. Ich glaube, dass man inzwischen als fünftes Problem die Plastikvermüllung hinzuzählen muss. Zur Lösung dieser Probleme haben Sie zum Auftakt der Haushaltsberatungen keine einzige konkrete Aussage gemacht. Das kreide ich Ihnen zu Beginn Ihrer Amtszeit an. ({1}) Die Probleme sind Ihnen alle bekannt – es liegt nicht am mangelnden Wissen –, die Fakten sind vorhanden. Sie haben die planetaren Grenzen und ihr Überschreiten im Jahr 2016 in die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung übernommen. Sie wissen, dass es da fünf nach zwölf und nicht zehn vor zwölf ist. Sie wissen auch, was die relevanten Instrumente wären, um das zu ändern. Den blauen Himmel über der Ruhr, den Sie hier vorhin beschworen haben, gibt es doch nicht aufgrund technischer Innovation, sondern wegen der Gesetzgebung auf Bundesebene, ({2}) weil es ein Bundes-Immissionsschutzgesetz gegeben hat, das die Industrie und das Handwerk zum Umsteuern gezwungen hat, nicht aber, weil hier schwadroniert worden ist und schöne Dinge an diesem Rednerpult erzählt wurden. ({3}) Angesichts der Umweltprobleme, die wir haben – ich habe es gesagt: Klimakatastrophe und Artensterben als die beiden herausragendsten; aber auch Plastikvermüllung kann man inzwischen jeden Tag an jedem Fluss, an jedem See auch in Deutschland sehen –, bin ich nicht bereit, 50 Millionen Euro mehr für den internationalen Klimaschutz im Umweltetat und gerade einmal 5 Millionen mehr für den Naturschutz in 2018 als Erfolg zu akzeptieren, ({4}) während Sie weiter Milliarden an Steuergeldern in die Verschärfung von Klimakatastrophe, Artensterben und Plastikvermüllung stecken; es sind mehr als 50 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen pro Jahr im Bundeshaushalt, wovon keine einzige Milliarde abgebaut wird. Das Problem bei Ihrem Haushalt ist, dass Sie nur einige wenige Millionen zur Verfügung haben, um Umweltschutz, Naturschutz und Klimaschutz zu betreiben, dass Sie den größten Teil Ihres Haushalts für die Altlastenbeseitigung der Atomkraftnutzung ausgeben müssen und dass parallel – ich habe es gesagt – mehr als 50 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen ausgereicht werden. Wenn Sie als Große Koalition weiter der schwarzen Null huldigen, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie aufhören, im Umwelt- und Klimaschutzbereich weiter eine rote Null zu produzieren. ({5}) Unter einem Ihrer Vorvorgänger, Sigmar Gabriel, wurden 2007 Klimaschutzziele und Biodiversitätsziele verabschiedet. Die Klimaziele 2020 haben Sie mit Ihrem Koalitionsvertrag zu den Akten gelegt. Dafür tragen Sigmar Gabriel, Norbert Röttgen, Peter Altmaier und Barbara Hendricks sowie Angela Merkel als Regierungsvertreter Verantwortung. Wenn Sie nicht als diejenige Ministerin in die Annalen der Geschichte des Umweltministeriums eingehen wollen, die die Verantwortung dafür trägt, dass die Klimaziele Deutschlands 2030 ebenfalls gerissen werden, dass die Biodiversitätsziele 2020 gerissen und auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden, dann müssen Sie anderes Handeln vorlegen, als Sie das mit diesem Haushaltsentwurf tun. ({6}) Gabriel hat damals versprochen, das Artensterben erst bis 2010 und dann bis 2020 zu stoppen. Seitdem erleben wir eine so massive Verschärfung des Artensterbens – Sie haben es selber gesagt: Insektensterben, Vogelsterben –, dass inzwischen ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten in unserer Umwelt gefährdet sind. Der Verlust solcher Arten aufgrund des Insektensterbens beträgt in den letzten 30 Jahren bis zu 75 Prozent. In Deutschland sind bereits zig Wildbienenarten unwiederbringlich ausgestorben. Wir verzeichnen zwei Drittel der deutschen Biotoptypen, die gefährdet sind. Es laufen 15 Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland im Umweltbereich. 93 Prozent der Flüsse in Deutschland sind in keinem guten ökologischen Zustand, 74 Prozent der Seen in mäßigem bis schlechtem Zustand. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen. Wenn Sie auf all diese Probleme, auf all diese sich anbahnenden Katastrophen weiter mit einem solchen Schwadronieren wie in Ihrer Rede reagieren wollen, dann werden Sie in uns eine sehr harte Opposition finden; denn das ist angesichts der Tatsache, dass Ihr Haus, Ihr Ressort für die Bewahrung der Lebensgrundlagen von uns allen, vor allem unserer Kinder und Enkel, zuständig ist, nicht akzeptabel. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Lemke. – Als Nächstes für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion der Kollege Carsten Träger. ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Werter Herr Hohmann, Sie haben ja recht, wenn Sie sagen, man sollte nicht zu viel Zeit mit der AfD verschwenden. Aber bei Ihrer Rede ist mir ein Gedanke in den Kopf gekommen, den ich jetzt aussprechen muss. Ihre Rede teile ich in zwei Hälften. In der einen Hälfte haben Sie uns viel Unsinn erzählt, in der anderen Hälfte haben Sie über blaue Zitronen gesprochen. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir den ersten Haushalt eines sozialdemokratischen Finanzministers seit 2009. Das ist gut so; denn schon auf den ersten Blick wird klar, was sich ändert in dieser Republik. Die Investitionen steigen auf 37 Milliarden Euro und damit um 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit schaffen wir wichtige Voraussetzungen für die wichtigen Projekte des Koalitionsvertrags: mehr Geld für Familien, Bildung, Soziales, Infrastruktur – und den Umweltschutz; hier steigen die Mittel um 23 Prozent. Ich bin unserer Umweltministerin Svenja Schulze dankbar dafür, dass sie mit diesem Regierungsentwurf schon vieles erreicht hat, dass wir gute und notwendige Projekte für den Klimaschutz und Naturschutz anpacken und sie mit mehr finanziellen Mitteln ausstatten können. Das sind gute Nachrichten für die Umwelt. ({0}) Ich möchte an erster Stelle den Kampf gegen das Artensterben nennen. Ich danke allen, die mitgeholfen haben, dass das Bienen- und Insektensterben mittlerweile ganz oben auf der politischen Agenda steht. Die Lage ist wirklich dramatisch; wir haben die Zahlen gerade gehört. Hier geht es nicht nur um die Insekten selbst. Sie sind Teil der Nahrungskette und von Ökosystemen, und nach den Insekten sterben die Singvögel. Wir können es bei jeder Autofahrt an den Windschutzscheiben sehen. Erinnern Sie sich noch, wie viele Insekten früher daran klebten? Heute ist davon nicht mehr viel zu sehen. Für mich ist das ein Alarmzeichen. Ich bin deshalb stolz auf unsere Umweltministerin, dass sie dieses Thema gleich als Erstes angeht und Eckpunkte für ein Aktionsprogramm Insektenschutz vorgelegt hat. Es kommt jetzt darauf an, Frau Lemke, zu handeln. Vorwürfe reichen nicht; Vorschläge in Ihrer Rede wären schön gewesen. ({1}) Mit unserer klaren Haltung zum Verbot von Bienenkillern, den Neonikotinoiden, haben wir den Anfang gemacht, und auch den Einsatz anderer Neoniks und Pestizide wollen wir reduzieren. Es bringt ja nichts, ein Pestizid durch ein anderes zu ersetzen. Wir müssen die Landwirte unterstützen, die Zeit und Energie in naturverträgliche Anbaumethoden stecken, was mitunter mit weniger Ertrag verbunden ist. Das müssen wir ausgleichen. ({2}) Ich will die Landwirte, die diesen Weg schon gehen, fördern. Das bedeutet viel Überzeugungsarbeit, auch in Brüssel. All das kann man nicht übers Knie brechen, und all das kommt nicht von heute auf morgen. Aber wir müssen uns heute gemeinsam mit den Landwirten auf diesen Weg machen; denn nur so wird es funktionieren. Weniger Pestizide, weniger Dünger, mehr Vielfalt auf den Äckern – all dies wird Inhalt des Aktionsprogramms Insektenschutz sein. Wichtiger Bestandteil wird auch das Bundesprogramm Biologische Vielfalt sein. Es ist schon heute ein Riesenerfolg. Wir haben hier in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Aufwuchs erreicht. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir noch eine Schippe drauflegen, gezielt zum Schutz der Insekten. Kolleginnen und Kollegen – auch wenn Sie von der AfD es nicht hören wollen –: Deutschland bleibt verlässlicher Partner in der globalen Klimaschutzpolitik. Deshalb ist es richtig, dass wir bei unseren Anstrengungen in der Entwicklungshilfe auch Projekte für den internationalen Klimaschutz aktiv mitfördern. Damit leisten wir gleichzeitig einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung einer zukünftigen Fluchtursache, dem Klimawandel. Hier, in Deutschland, brauchen wir schnell ein wirksames Klimaschutzgesetz mit Verpflichtungen für alle Sektoren. Deshalb setzen wir noch vor der Sommerpause die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung“ ein. Sie wird einen Plan zur schrittweisen Beendigung der Kohleverstromung erarbeiten, einschließlich eines Ausstiegsdatums aus der Kohle und entsprechenden wirtschaftlichen und sozialen Begleitmaßnahmen. Das wird nicht einfach; aber das Versprechen gilt: Wir Sozialdemokraten lassen keine Kumpel ins Bergfreie fallen; wir lassen die Kohlereviere nicht im Stich. Genauso klar ist aber auch: Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren beim Kampf für den Klimaschutz. Herzlichen Dank. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes für die AfD-Fraktion der Kollege Karsten Hilse. ({0})

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeder Haushaltsentwurf muss laut Grundgesetz den Regeln der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechen. Es ist schließlich das Geld der Abgaben- und Steuerzahler, das Sie hier ausgeben wollen, also des Volkes, das ja laut Herrn Habeck von den Grünen gar nicht existiert. Deswegen für alle hier, auch für Herrn Habeck: Das deutsche Volk, zumindest ein Teil dessen, hat Sie in dieses Parlament gewählt, und es ist Ihre Pflicht und Schuldigkeit, zuvorderst die Interessen dieses deutschen Volkes zu vertreten. ({0}) Das Geld des Volkes aber existiert für Herrn Habeck und alle hier; sie nehmen und verschwenden es gerne. Schauen wir dazu in den Etat des Umweltministeriums. Er wurde zwar um 3,6 Milliarden Euro gekürzt, aber nicht etwa, um zu sparen und endlich die Ausgaben für den sogenannten Klimaschutz zurückzufahren, sondern weil der Bereich „Wohnungsbau und Stadtentwicklung“ an Herrn Seehofer abgegeben wurde. Der Rest blieb nicht etwa gleich oder wurde vermindert, sondern zum Teil kräftig erhöht: bei den total unsinnigen Ausgaben für den sogenannten Klimaschutz mal eben um schlappe 50 Millionen Euro. Dann gibt es noch einen Riesenposten namens Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ in Höhe von rund 4,2 Milliarden Euro, der fast achtmal größer ist als die offiziellen Ausgaben für den sogenannten Klimaschutz. Was sollen diese vielen Milliarden bewirken? Laut Definition der Weltorganisation für Meteorologie ist Klima der statistische Mittelwert lokaler, also örtlicher, Wetterdaten, die über mindestens 30 Jahre erhoben und ausgewertet werden. Es gibt danach nur Klimazonen ähnlichen Klimas. Ein wie auch immer gestricktes Weltklima gibt es also nicht. Das wäre auch absurd. ({1}) Es wurde vom IPCC unter tätiger Mithilfe lautstarker Professoren aus Potsdam frei erfunden, ({2}) das allein zu dem Zweck, dem westlichen Menschen die Schuld an der geringen Erwärmung, die es seit der kleinen Eiszeit in vielen Gegenden der Welt gegeben hat, über seine CO 2 -Emissionen nachzuweisen. ({3}) – Stellen Sie doch einfach eine Zwischenfrage, Herr Hofreiter. ({4}) So steht es jedenfalls in der Gründungsakte des IPCC ({5}) mit dem einzigen Ziel, den entwickelten Staaten sehr viel Geld aus der Tasche zu ziehen und es im großen Stil an die teilweise höchst korrupten Regime vieler unterentwickelter Staaten umzuverteilen. Das ungesagte Nebenziel dabei ist, deren Konkurrenz auf den Weltmärkten so klein wie möglich zu halten, indem man ihnen den Zugang zu billiger, jederzeit verfügbarer Energie vorenthält, die Voraussetzung jeder Entwicklung und jeglichen Wohlstands ist. Das sind heutzutage vor allem fossile Energien, in höher entwickelten Ländern zunehmend auch die Kernenergie. Genau davon sollen sie gemäß dem Pariser Abkommen ferngehalten werden, was die Armut besonders in Afrika zwangsläufig zementiert und die Fluchtursache Nummer eins erhält und nicht bekämpft. Die schon länger hier Sitzenden bemühen sich seit Jahrzehnten, genau dieses Ziel zu erreichen, natürlich unter dem Vorwand, die Welt als Ganzes zu retten. Mittel zum Zweck sind der Klimaschutzplan 2050 und die große planwirtschaftliche Transformation der Gesellschaft, die dieser anstrebt. Entsprechend sind auch die Mittel im Etat des BMU gewichtet. Umwelt- und Naturschutz – eigentlich die primären Aufgaben der Ministerin – bekommen zusammen nur 43 Prozent der Mittel, die für den Irrsinn Klimaschutz vorgesehen sind. Dafür sollen allein knapp 530 Millionen Euro ausgegeben werden. Doch auch in den Kapiteln Umwelt- und Naturschutz stecken jede Menge Ausgaben für sogenannten Klimaschutz. Das sind grob geschätzt insgesamt 600 Millionen Euro, plus gigantischem Sondervermögen von 4,2 Milliarden Euro versteht sich. Wie wirkt sich diese Irrsinnssumme auf das Klima aus? Praktisch gar nicht. Die weltweiten CO 2 -Emissionen steigen. Die deutschen Emissionen sinken nicht. Wenn man sie mit aller Gewalt auf null brächte, würde das nach der Formel des IPPC – wenn man an dessen Religion glaubt – die prognostizierte weltweite Erwärmung irgendwann in ferner unbekannter Zukunft um 0,000653 Grad Celsius mindern. Das ist faktisch nichts. ({6}) Für 0,000653 Grad Celsius Milliarden Euro zu verschleudern, ist Steuerverschwendung in Reinform und fast schon ein Verbrechen am deutschen Volk, ({7}) vor allem an den zukünftigen Generationen. Laut Klimaideologen ist das Klima für nahezu alles verantwortlich. Frau Scheer von der SPD behauptete am 25. April allen Ernstes, dass die hierzulande leider vorkommenden Ernteausfälle und Hochwasserschäden – mehr hat sie nicht genannt – zu den Klimafolgeschäden gehörten. Doch sie verwechselt dabei wie so viele, die schon länger hier sitzen, mal wieder Wetter und Klima. Alles, was Sie aufgezählt haben, und noch vieles mehr gehört zum Wetter und nicht zum Klima. ({8}) Um das herauszufinden, genügt schon eine solide Schulbildung und ein wenig Recherche. Selbst der notorisch klimaalarmistische Deutsche Wetterdienst muss zugeben, dass es keine signifikante Zunahme im Trend von extremem Wetter gibt – nicht in Deutschland und auch nicht weltweit. Das musste auch das IPCC in seinem letzten Bericht, dem AR5, feststellen. Alles andere ist reine Spekulation. Die AfD lehnt diesen Etat des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ab. Er verletzt die Regeln der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit und ist reine Klientelpolitik für den ökoindustriellen Komplex. Machen Sie sich endlich an die Beseitigung der riesigen Natur- und Umweltschäden, die allein die desaströse Energiewende verursacht! Das wäre eigentlich Aufgabe Ihres Ministeriums. An der Arbeit daran werden wir uns tatkräftig beteiligen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Als Nächstes für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Dr. Anja Weisgerber. ({0})

Dr. Anja Weisgerber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004440, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Haushaltsentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit geht es um wichtige Themen für die Menschen in unserem Land, ja sogar auf der ganzen Welt. Es geht um Nachhaltigkeit, es geht um Umwelt- und Artenschutz, es geht um Klimaschutz und um nukleare Sicherheit. Zu all den Themen gibt es konkrete Inhalte und Arbeitsaufträge im Koalitionsvertrag. Es kommt nicht nur auf die Anzahl der Seiten im Koalitionsvertrag an, sondern auch auf den Inhalt. Dieser Inhalt ist auch finanziell unterlegt. Dies spiegelt der Haushalt wider, der knapp 2 Milliarden Euro für diese Themenbereiche vorsieht. Marie-Luise Dött hat bereits einige Themen angesprochen. Ich möchte mich auf den Klimaschutz konzentrieren, einen Schwerpunkt im Haushalt des Bundesumweltministeriums. Im Koalitionsvertrag haben wir es festgehalten: Wir bekennen uns ganz klar zu den nationalen, europäischen und internationalen Klimazielen. National werden wir die Handlungslücke zur Erreichung unseres Klimaziels 2020 so schnell wie möglich schließen, und auch das Klimaziel 2030 wollen wir in jedem Fall erreichen. Dies schaffen wir nur, wenn alle Sektoren einen angemessenen Beitrag leisten: die Industrie, die Energiewirtschaft, der Gebäudesektor, der Verkehr und die Landwirtschaft. Ja, es ist kein Geheimnis, dass auch die Kohle einen nennenswerten und substanziellen Beitrag zur Erreichung dieser Klimaziele leisten muss und leisten wird. Auch deshalb haben wir die Strukturwandelkommission. Sie wird in den nächsten Wochen die Arbeit aufnehmen und bis Ende des Jahres ein Aktionsprogramm mit konkreten Maßnahmen zur Erreichung unserer Ziele vorlegen, die dann in ein Gesetz einfließen werden. Sie wird auch einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung vorlegen, einschließlich eines Abschlussdatums. Wir werden diesen Strukturwandel gestalten. Sie sehen also, dass wir allen Unkenrufen zum Trotz anpacken und die Themen „Klimaschutz“ und „Reduzierung der Kohleverstromung“ angehen. Das ist gut so, meine Damen und Herren. ({0}) Dabei zählt der Beitrag jedes Einzelnen. Mit der nationalen Klimaschutzinitiative werden wir Kommunen, Unternehmer und private Verbraucher dabei unterstützen, ihren ganz persönlichen Klimaschutzbeitrag zu leisten; denn nur so können wir unsere Klimaziele wirklich erreichen. Der Haushaltsentwurf sieht gut 65 Millionen Euro für Projekte im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative vor, die den Klimaschutz im Kleinen voranbringen. So wird zum Beispiel die Erstellung von Klimaschutzplänen der Kommunen finanziell unterstützt. Die Kommunalrichtlinie, die das regelt, erfreut sich großer Beliebtheit. Immer mehr Kommunen geben sich solche Klimaschutzpläne. Das ist auch gut so; denn die Klimaziele können wir nur erreichen, wenn lokal, in den Kommunen in allen Sektoren die Potenziale gehoben werden. Deshalb ist dieses Programm so wichtig. Ebenso gefördert werden innovative Klimaschutzprojekte von Kommunen und Unternehmen, der Einbau energiesparender Kälte- und Klimaanlagen und von Mini-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder der Austausch von energiesparender LED-Beleuchtung in Kommunen. Das, meine Damen und Herren, ist der richtige Weg. Wir wollen Anreize. Wir setzen nicht auf Zwang und Ordnungsrecht, meine Damen und Herren. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Verlinden?

Dr. Anja Weisgerber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004440, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Frau Weisgerber, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben einen ganz wichtigen Punkt angesprochen, nämlich den Klimaschutz in den Regionen vor Ort, in den Kommunen. Das BMU fördert schon eine ganze Weile Masterplan-Kommunen, die sich zum Ziel gesetzt haben, bis zum Jahr 2050  100 Prozent klimaneutral zu sein, 100 Prozent erneuerbare Energien umzusetzen. Genau diese Kommunen – so wurde es an mich herangetragen, unter anderem in meinem Wahlkreis – stehen vor Ort immer wieder vor der Herausforderung, diese Ziele, zu denen sie einen wichtigen Teil beitragen wollen, zu erreichen, und zwar, weil die Bundespolitik nicht die richtigen Rahmenbedingungen setzt. Diese Kommunen sagen mir: Ja, das ist alles wunderbar, wir erarbeiten diese Pläne, wir haben sehr engagierte Menschen in der Region, die ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen; aber es nützt nichts, wenn wir nicht genug Geld haben, um öffentlichen Personennahverkehr zu finanzieren. – Sie sagen auch: Es nützt nichts, wenn die Rahmenbedingungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes so sind, dass sich Bürgerenergiegenossenschaften beispielsweise nicht mehr an großen Solarenergieprojekten beteiligen. Es nützt nichts, wenn wir all diese tollen Pläne entwickeln, aber vor Ort daran scheitern, dass die Bundespolitik nicht die richtigen Anreize setzt. Inwiefern können Sie den Kommunen Mut machen, dass sie ihre eigenen Ziele vor dem Hintergrund der Rahmengesetzgebung auf Bundesebene, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem CO 2 -Preis, erreichen? Im Augenblick ist es so, dass die bundespolitischen Rahmenbedingungen genau das Gegenteil von dem bewirken, was die Kommunen vor Ort eigentlich möchten.

Dr. Anja Weisgerber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004440, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass all die Kommunen, die mutig Klimaschutzpläne aufstellen, eine ganz wichtige Arbeit machen; denn sie bilden ab, wie die Maßnahmen in den Bereichen Verkehr, Gebäudeenergieeffizienz und Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort umgesetzt werden. Jetzt möchte ich auf die konkreten Vorwürfe und Themen eingehen, die Sie genannt haben, zum Beispiel auf den ÖPNV. Wir haben ein Sofortprogramm aufgelegt, um die Luftqualität zu verbessern. Das Verkehrsministerium unterstützt ganz gezielt eine Reihe von Projekten in den Kommunen, bei denen der ÖPNV auf Elektromobilität umgestellt wird. Ähnliche Projekte gibt es zum Beispiel für Polizeifahrzeuge. Ich weiß, dass Verkehrsminister Scheuer bei vielen Projekten vor Ort ist und die Förderbescheide ausgibt. Was das Thema Energiegenossenschaften anbelangt, wissen Sie, dass wir die Rahmenbedingungen auch im Rahmen der EEG-Reform so gesetzt haben, dass sie weiterhin arbeiten können, dass wir auf ihre Belange eingegangen sind. In ihrem Sinne ist es natürlich immer noch nicht optimal, aber wir sind im Rahmen der EEG-Reform durchaus auf die Kritikpunkte eingegangen. Sie haben die CO 2 -Abgabe angesprochen. Wir haben ein europäisches Instrument, den Emissionshandel. Das ist unser Klimaschutzinstrument. Wir haben gerade eine Reform des Emissionshandels vorgenommen. Diese Reform bewirkt übrigens gerade, dass sich der Preis pro Tonne mehr als verdoppelt hat. Der Markt antizipiert also die Reform, die eigentlich erst später greift. Ich setze nach wie vor auf den Emissionshandel und hoffe, dass wir ihn international ausweiten und auch andere Staaten der Welt dazu bringen können, eine CO 2 -Bepreisung im Sinne eines marktbasierten Instruments einzuführen. Wir werden auch auf europäischer Ebene weiter darauf hinwirken. Ich möchte jetzt mit meiner Rede fortfahren. Dass meine Redezeit schon weiterläuft, habe ich gesehen. Die Wahrheit ist – da kann ich unmittelbar anknüpfen –: Der Klimawandel macht nicht an den Ländergrenzen halt. Werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, allein können wir unsere Klimaziele in Deutschland nicht erreichen; wir brauchen auch die anderen Staaten der Welt. Ich möchte es noch einmal in Erinnerung rufen: Deutschland steht für nur 2 Prozent aller weltweiten Emissionen, die USA für 16 Prozent der globalen Emissionen, China sogar für 28 Prozent. Wir können die Klimaziele letztendlich nur erreichen – da setze ich auch auf die europaweiten und die weltweiten Ziele, die im Rahmen des Paris-Abkommens gesetzt wurden –, wenn wir die Entwicklungs- und Schwellenländer dabei unterstützen, ihre Wirtschaft von Anfang an klimafreundlich aufzubauen. Wir haben in der internationalen Klimapolitik die Rolle eines Taktgebers. Wir sorgen dafür, dass diese Länder erst gar nicht in dem Maße emittieren, wie sie es ohne unsere Hilfe wahrscheinlich tun würden. Wir helfen diesen Ländern im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative. 437 Millionen Euro sind hier für die Förderung der erneuerbaren Energien, des Einsatzes alternativer Kraftstoffe und des Waldschutzes in diesen Ländern vorgesehen; denn der Wald ist eine wichtige Kohlenstoffsenke. Wir fördern auch den emissionsarmen Seeschiffsverkehr. Wir müssen in diesem Bereich unglaublich aufpassen und dort ansetzen. Damit und mit noch mit weiteren wertvollen Projekten unter anderem unseres Entwicklungshilfeministers Gerd Müller zeigen wir, dass wir Verantwortung in der Welt übernehmen. Dies ist ein wichtiges Signal an unsere Partner in der Welt. Gerade im Hinblick auf die Klimakonferenz in Kattowitz im Dezember wird es darum gehen, was die Staatengemeinschaft und die einzelnen Vertragsstaaten leisten müssen und leisten können. Die Entwicklungs- und Schwellenländer brauchen unsere Unterstützung. Nur wenn wir diesen Weg weltweit konsequent weitergehen, werden wir unser Ziel, den Klimawandel einzudämmen, auch wirklich erreichen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Frau Dr. Weisgerber. – Im Zuge des ressourcenschonenden Umgangs mit der Zeit wird die Uhr natürlich nur so lange angehalten, wie Frage und Antwort dauern. Dann läuft sie weiter. ({0}) – Also, aus Sicht des Präsidiums schon, und die Fragestellerin hat sich auch hingesetzt. Das ist für uns ein Zeichen, dass sie zufriedengestellt ist. ({1}) Als Nächstes der Kollege Dr. Köhler für die FDP. ({2})

Dr. Lukas Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004786, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin Schulze, es geht doch nicht darum, heilig zu werden. Dieser Ausdruck moralinsaurer Umweltpolitik ist exakt das Gegenteil davon, wie man Verantwortung im Umweltbereich lebt. In der Umweltpolitik muss es um Vernunft, um Wissenschaft, um Ziele gehen. ({0}) Mit Ihrem vorliegenden Haushaltsentwurf beweisen Sie, was Sie schon im Koalitionsvertrag gezeigt haben: Dieser Bundesregierung fehlt es nicht an Aufgaben und Problemen, sondern an Lösungen und Ideen. Vor allem fehlt es an einer abgestimmten Strategie, an den großen Leitlinien zur Ausrichtung der Umweltpolitik und an erkennbaren Zielen. Die zu formulieren, ist Ihre Aufgabe, Frau Ministerin, und diese sind im Haushaltsplan nicht erkennbar. ({1}) Stattdessen wird das Geld wahllos ausgegeben und je nach politischer Stimmungslage hin- und hergeschoben. So wird zum Beispiel aus den Mitteln für die nationalen Klimaschutzmaßnahmen das Sofortprogramm „Saubere Luft 2017 – 2020“ finanziert, obwohl es dabei explizit um Stickoxide und Feinstaub und nicht um Treibhausgase geht. ({2}) Frau Schulze, Sie haben es eben als Erfolg verkauft, dass der Etat für die Umweltpolitik in diesem Jahr erneut gestiegen ist. Aber: Mehr Geld auszugeben, ist doch kein Selbstzweck. Entscheidend ist nicht, wie viel Geld Sie ausgeben, sondern was die Maßnahme bringt. Sie finanzieren Maßnahmen, die noch nicht einmal vernünftig evaluiert werden. Sie wissen also nicht, welche Maßnahme was bringt. Klimapolitik sieht bei Ihnen leider so aus: 10,3 Millionen Euro fließen in sogenannte klimawirksame Verhaltensänderungen, also in die staatlich finanzierte Umerziehung von Bürgerinnen und Bürgern. ({3}) Sie fördern alles, was sich irgendwie nach Klimaschutz anhört, zum Beispiel KLAK, das Klimaaktionskino, mit 639 000 Euro oder MEKKI, ein Programm für mehr Klimaschutz im Kiez Steglitz, mit 128 000 Euro. Nutzen Sie die sprudelnden Steuerquellen doch lieber, um Bürgerinnen und Bürger zu entlasten; ({4}) denn dem Klima wäre damit sicherlich mehr geholfen, als wenn Sie weiterhin nur teure Symbolpolitik betreiben und den Menschen mit einer falschen Energiepolitik zusätzlich Milliarden aus der Tasche ziehen. ({5}) Gerade in den unteren Einkommensklassen mangelt es nicht am Bewusstsein dafür, dass Klimaschutz wichtig ist; vielmehr mangelt es am Geld, um sich zum Beispiel den energieeffizienten Kühlschrank zu kaufen oder die Heizungsanlage umzurüsten. Doch statt diesen Menschen mehr von ihrem hart erarbeiteten Geld zu überlassen, planen Sie doch schon längst die nächsten Belastungen: Ich rede von der CO 2 -Steuer. Die Idee einer CO 2 -Steuer breitet sich momentan gefühlt in der Koalition aus. Aber wenn Sie die Diskussion über diese Steuer schon führen, dann seien Sie wenigstens ehrlich und erklären Sie den Menschen, worum es dabei geht. Denn mit dieser Steuer treffen Sie vor allem Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen. Wenn eine solche Steuer die gewünschte Lenkungswirkung haben soll, um wirklich zu sinkenden Emissionen zu führen, dann muss sie so hoch sein, dass individuelle Mobilität zum Luxusgut wird. Wenn Sie von einer CO 2 -Steuer reden, müssen Sie der Rentnerin auf dem Land erklären, dass sie es sich nicht mehr leisten kann, selbst mit dem Twingo zum Einkaufen zu fahren. Genauso müssen Sie dem Azubi erklären, dass er noch mehr von seinem hart verdienten Ausbildungsgehalt in den Sprit für sein Mofa stecken soll, um zum Betrieb zu kommen. ({6}) Diese Menschen treffen Sie mit einer CO 2 -Steuer am allermeisten. Also lassen Sie lieber die Finger davon, und sorgen Sie endlich auch im Verkehr für einen effizienten und sozialverträglichen Klimaschutz! Meine Damen und Herren, die Umweltpolitik dieser Bundesregierung ist wirklich ein Armutszeugnis. Die Zeche zahlen am Ende die Bürgerinnen und Bürger. Die aber haben es verdient, dass mit ihrem hart erarbeiteten Geld vernünftig umgegangen wird. Sie können die Menschen entlasten. Sie können den Menschen dabei helfen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie können ihnen die Chance geben, umweltpolitisch vernünftig zu handeln. Dazu müssten Sie diese Menschen aber entlasten. Doch in diesem Haushalt sehe ich das leider nicht. Die Menschen haben es verdient, dass mit ihrem hart erarbeiteten Geld vernünftig umgegangen wird. Also machen Sie Schluss mit Ihrer teuren Symbolpolitik! Hören Sie auf, Nähcafés und Lastenfahrräder zu finanzieren! Hören Sie auf, NGOs dafür zu bezahlen, dass sie bei der Bundesregierung Lobbyarbeit betreiben, ({7}) und sorgen Sie dafür, dass den Menschen genug von ihrem Einkommen bleibt, um sich ein umwelt- und klima­freundliches Leben leisten zu können! Vielen herzlichen Dank.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Dr. Lukas Köhler. – Als Nächstes Hubertus Zdebel für Die Linke. ({0})

Hubertus Zdebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004449, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir haben beim Umweltetat ein strukturelles Problem. Das wurde in den letzten Jahren immer deutlicher. Erst wurde dem Umweltministerium im Zuge der Regierungsbildung 2013 der Bereich Energiepolitik abgenommen und jetzt auch noch das Ressort Bauen und Wohnen. Damit sind wichtige Bausteine des Klimaschutzes nicht mehr im direkten Zugriff des Umweltministeriums. Das Umweltministerium ist damit zumindest in wichtigen Teilbereichen zu einem nachgeordneten Reparaturbetrieb degradiert worden, der hier und da flicken kann, was eine auf Konzerninteressen ausgerichtete Wirtschaftspolitik an Schäden hinterlässt. Das ist die Wahrheit. Das ist das, was wir leider erleben. ({0}) Das machen auch Ihre Personalentscheidungen für die Kohlekommission deutlich. Man muss sich nur anschauen, wer den Vorsitz übernehmen soll. Das zeigt sehr deutlich, dass die GroKo vorhat, die Konzerne zu schützen und nicht das Klima. ({1}) Wir Linke bleiben dabei: Klimaschutz muss mit einem Investitionsprogramm für die sozialverträgliche Abschaltung der 20 schmutzigsten Braunkohlekraftwerke bis 2020 beginnen. ({2}) Vor dieser Aufgabe stehen wir. Das müssen wir leisten, um die Klimaziele erreichen zu können. Ein weiteres Thema im Haushaltsentwurf ist das Fracking. Fracking ist nach wie vor eine unbeherrschbare Risikotechnik. Trotzdem haben Union und SPD mit ihrem Fracking-Erlaubnis-Paket vom Juni 2016 den Weg für Fracking in Tight-Gas-Reservoirs, vor allen Dingen in Niedersachsen, freigemacht und damit die Gaskonzerne reich beschenkt. ({3}) Auch das Fracking im Schiefergestein ist nicht so tot, wie Sie es immer behaupten. Das wissen wir spätestens seit den Äußerungen von Niedersachsens CDU-Wirtschaftsminister Althusmann in der vergangenen Woche, der ebendort Probebohrungen zu Testzwecken ins Spiel gebracht hat. Das ist sehr ernst zu nehmen; denn in diesem Jahr wird die aus unserer Sicht einseitig besetzte, frackingfreundliche Expertenkommission eingesetzt, die vier wissenschaftliche Bohrungen begleiten soll. 2021 soll das Frackingverbot für Schiefergestein neu verhandelt werden. Es steht zur Disposition und droht zu fallen. Wir Linken fordern Sie deswegen erneut auf, endlich ein Frackingverbot ohne Ausnahmen zu verabschieden. Das wäre im Interesse der Umwelt und der Gesundheit der Menschen. ({4}) Ein völliges Desaster ist auch weiterhin der ganze Bereich Atompolitik – zum Schaden der Bürger und der Umwelt. Noch immer sind sieben AKWs in Betrieb und erzeugen weiterhin Atommüll. 50 Jahre nach dem Beginn des Atomprogramms gibt es immer noch kein Endlager für diesen Müll. Das strahlende Atomerbe wird von einer Zwischenlösung zur nächsten verschoben. Klar ist, dass die Kosten für die langfristige Atommülllagerung weiter steigen werden. Das zeigen Beispiele wie die Asse. Umso mehr haben die Atomkonzerne Ende 2016 gefeiert, dass Union, SPD und Grüne sie gegen die Stimmen meiner Fraktion für eine verhältnismäßig kleine Einmalzahlung von rund 24 Milliarden Euro endgültig von der Haftung für die finanziellen Risiken der Atommülllagerung befreit haben. Jetzt entspricht ein Großteil der Mittel an Steigerungen im Umweltetat genau den Mitteln, die in diesen Fonds eingezahlt worden sind. Es ist nur schwierig, das en detail nachzuvollziehen, weil bisher die Erläuterungen fehlen. Wir sehen aber immerhin, dass es im Bereich hochradioaktiver Atommüll Änderungen beim Suchverfahren gibt. Trotz immer neuer Verzögerungen und Kostensteigerungen hält die Bundesregierung weiterhin an Schacht Konrad fest. Wir sind der Meinung, Sie sollten endlich damit aufhören, diesen Unsinn weiterzutreiben. Starten Sie endlich ein vernünftiges Suchverfahren, gerade auch was den leicht- und mittelradioaktiven Atommüll angeht! ({5}) Ich komme zum Schluss. Erneut wollen Sie von der GroKo veraltete Industriezweige mit Milliardensubventionen päppeln, statt konsequent in erneuerbare Energien zu investieren und alternative Wirtschaftsformen zu fördern. Wir Linken werden Ihnen diese Politik im Interesse der Konzerne nicht durchgehen lassen und fordern stattdessen einen Kurswechsel hin zu einem sozial-ökologischen Umbau. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Als Nächstes für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Lisa Badum. ({0})

Lisa Badum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004659, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Umweltministerin Schulze! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns den Haushalt kurz anschauen. Wir sehen – die Kollegin Lemke hat es erwähnt –, die Klimakrise spitzt sich jeden Tag zu, aber die Bundesregierung tritt angesichts dieser Bedrohung einfallslos auf der Stelle: Stillstand bei der Nationalen Klimaschutzinitiative, beim Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 und beim Klimaschutzplan 2050. Auch dort bleiben die Mittel bei 8 Millionen Euro stehen. Der Klimaschutzplan wäre übrigens ein guter Plan, wenn Sie ihn denn umsetzen würden. ({0}) Aber wir sehen nicht nur Stillstand, sondern mit Blick auf den Energie- und Klimafonds sogar Rückschritte. Das sind Milliarden Euros, die wir sofort für Energieeffizienz und erneuerbare Wärme einsetzen könnten. Und was machen Sie? Sie lassen dieses Geld einfach ungenutzt liegen. Dieser Stillstand und dieser Rückschritt machen nicht einmal haushaltspolitisch Sinn. Sie spielen mit dem Feuer. Über uns hängen drohend die europäischen Strafzahlungen für das Nichterreichen der deutschen Klimaschutzziele. Sie haben das auf meine Anfrage hin zugegeben. Sie haben es im Umweltausschuss zugegeben. Die Bürgerinnen und Bürger werden in Zukunft zahlen müssen. Wir reden hier von einer Summe zwischen 200 Millionen und 1 Milliarde Euro. Dieser Haushalt birgt Stagnation, Rückschritt und Gefahren. Und warum? Weil Sie als Regierung in Sachen Klimaschutz der Gesellschaft hinterherhinken. Die Handwerkerin baut Solarmodule aufs Schuldach. Die Bürgergenossenschaft plant einen Windpark. Man könnte jetzt meinen, die Industrie in Deutschland sei der größte Hemmschuh beim Klimaschutz. Aber nein: Sie sind es. Selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie sagt, dass die Einhaltung der Klimaziele uns Wirtschaftswachstum bringt. Einzelne Unternehmen fordern, dass endlich die belohnt werden, die weniger CO 2 ausstoßen, die sich etwas einfallen lassen und effizienter sind. Sie fordern Wettbewerbsanreize. Man muss sich das als Marathon vorstellen. Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und große Teile der Wirtschaft sehen die Chancen des Klimaschutzes und laufen für ihn heiß. Und die Bundesregierung steht am Rand auf der Zuschauertribüne und schaut sich das an. Und nicht nur das: Sie wirft den Laufenden auch noch Hindernisse in den Weg. – Frau Ministerin, jetzt werden Sie sagen: Ich laufe doch mit. Ich habe doch die Vorschläge gemacht, beispielsweise zu einer CO 2 -Abgabe. – Wissen Sie, mein grünes Herz schlägt ja höher, wenn Sie sich grüne Forderungen aneignen: Sie wollen eine CO 2 -Abgabe einführen. Sie sind für die Nachrüstung der Diesel­skandalautos. Sie sind für die Nachrüstung aller Schiffsmotoren. Sie brennen ein Feuerwerk an Forderungen ab, und dann werden Sie von Ihren eigenen Kollegen – ja, was eigentlich? – nicht einmal ausgebremst: Es hört Ihnen einfach keiner zu, leider. Wo Sie selbst handeln können, federführend im Umweltministerium, da haben Sie teilweise etwas getan. Das eigentlich für 2020 angekündigte Programm zur Entkarbonisierung der Stahl- und Zementindustrie werden Sie vorziehen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber bitte unterstützen Sie nicht nur die Industrie, sondern auch die Verbraucherin und den Verbraucher, ({1}) die Sie interessanterweise für unvernünftig halten. Im Bericht zu den gestiegenen Treibhausgasemissionen im Verkehr schreiben Sie: Im Personenverkehr kann dies auch auf den Trend zu leistungsstärkeren und schwereren Pkws zurückgeführt werden. – Einfach ausgedrückt: Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind schuld. Sie fahren mehr SUVs. Sie kaufen weiterhin Benzinautos. Das tun sie zwar. Aber haben Sie schon einmal Ihre Energiebesteuerung genauer angeschaut? Wer schmutzige Energie tankt und verheizt, wird vom Staat sogar noch belohnt. Wenn der Staat schon mitverdient am Energieverbrauch der Bürgerinnen und Bürger, dann doch für den Klimaschutz und nicht für dreckige Energie. ({2}) Unterstützen Sie den Marathonlauf für den Klimaschutz, indem Sie CO 2 einen Preis geben und endlich den Kohleausstieg vollziehen! Kümmern Sie sich darum, dass wir unsere Klimaziele erreichen! Dann können wir uns Strafzahlungen an die EU sparen. Unterstützen Sie die Gesellschaft, und setzen Sie sich nicht an das Ende, sondern an die Spitze der Klimabewegung! Vielen Dank. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Karsten Möring. ({0})

Karsten Möring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004356, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den ersten Abschnitt meiner Rede, den ich mir überlegt hatte, muss ich streichen; denn entgegen meiner Erwartung war die „gefährliche Atomenergie“ bisher kein Thema. Liebe Grüne, lernfähig! Vielen Dank! ({0}) – Ich habe schon zugehört. Aber, Frau Lemke, bei den Punkten, die Sie aufgezählt haben, war dieses Thema nicht dabei. ({1}) Trotzdem ist es wichtig, und deswegen rede ich auch darüber. Bekanntlich ist Deutschland das einzige Land, das aus den Katastrophen verschiedener Kernkraftwerke die Konsequenz gezogen hat, aus der Atomenergie auszusteigen, obwohl diese Katastrophen nicht in unserem Land stattgefunden haben, sondern in anderen Ländern. Der Haushalt, mit dem wir uns heute in erster Lesung befassen, bildet das, was wir vorhaben, in deutlicher Form ab. Wir haben in der letzten Legislaturperiode mit der Endlagersuchkommission und den Ergebnissen Voraussetzungen für eine neue Struktur geschaffen. Dabei ging es um die Frage, welche Gesellschaften und welches Amt wofür zuständig sein sollten, um das Ganze langfristig zu regeln. Wir haben mit dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit, BfE, eine Aufsichtsbehörde sowie mit der BGZ und der BGE zwei Gesellschaften, die sich mit der Frage der Zwischenlagerung und – noch wichtiger – mit der Frage der Endlagerung befassen. Bei dieser Gelegenheit vielen Dank an meinen Vorgänger Steffen Kanitz, der so gute Vorarbeit geleistet hat, dass ich mich als Berichterstatter in dieses neue Thema sehr schnell einarbeiten konnte. Er hat seine Arbeit gut gemacht. ({2}) Die neue Organisationsstruktur ist die Grundlage für den gesamten Prozess zur Endlagererrichtung, aber auch zur Regelung der Zwischenlagerproblematik. Die größte Steigerung im Finanzplanungszeitraum 2019 bis 2022 entfällt auf diesen Sektor. Die Zwischenlagerung und die Endlagerung der radioaktiven Abfälle sowie das Verfahren zur Ermittlung eines Standorts für eine Anlage zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle sind das Ziel dabei. Dazu haben wir das Nationale Begleitgremium gebildet, das auch mit Mitteln ausgestattet wird. Gestatten Sie mir einen kleinen Ausflug. Wir haben heute Morgen den Jahresbericht dieses Gremiums entgegengenommen. Dabei wurde uns das eine oder andere Problem bekannt, mit dem wir uns befassen müssen. Wir haben feststellen müssen, dass die Besetzung der Geschäftsstelle des Nationalen Begleitgremiums seit langer Zeit unvollständig ist. Angesichts der Bedeutung eines transparenten Verfahrens und der Begleitung dieses Verfahrens sollten wir uns umgehend darum kümmern – liebe Frau Ministerin, vielleicht auch ein Hinweis an Sie –, dass diese Geschäftsstelle arbeitsfähig gehalten wird. Das muss in unserem gemeinsamen Interesse liegen. ({3}) Ein weiteres Problem ist: Es gibt eine offene Frage bei der Verwendung der Geodaten. Wir haben es in der letzten Legislaturperiode noch nicht geschafft, zu regeln, mit welchen Daten das BfE arbeiten soll und welche Daten öffentlich genutzt werden können. Meiner Ansicht nach ist es dringend notwendig, dieses Problem so schnell wie möglich zu lösen, weil das Nationale Begleitgremium auf Transparenz setzt. Wenn der Eindruck entsteht, dass es Informationen gibt, die nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind, dann ist das schädlich für diesen Prozess. Es sollte auch im Interesse der Länder liegen, dieses Problem zu lösen. Die Länder müssen die entsprechenden Daten liefern. Wenn sie dafür von Dritten Rechte erwerben müssen, dann müssen sie das tun, und zwar in einer Form, dass diese Daten öffentlich zugänglich werden. Sonst hilft uns der ganze Prozess nicht. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass hier Informationen für die Öffentlichkeit, die sich im Nationalen Begleitgremium widerspiegelt, nicht zugänglich sind. ({4}) Zur Finanzierungsstruktur der ganzen Frage der nuklearen Sicherheit und Entsorgung gehört eine Arbeitsteilung. Wir haben für die Finanzierung der Stilllegung, des Rückbaus und der fachgerechten Verpackung der radioaktiven Abfälle nach wie vor die Verantwortlichkeit der Unternehmen. Wir als Bund sind aber für die Finanzierung der Zwischenlagerung und letztlich auch der Endlagerung der radioaktiven Abfälle verantwortlich. Zu diesem Zweck haben wir den schon angesprochenen Entsorgungsfonds gegründet, der seine Arbeit inzwischen aufgenommen hat und wesentliche Kosten der kerntechnischen Entsorgung finanziert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht auch um die Sicherheit, und ich sage: Für uns ist wesentlich, dass, auch wenn wir aus der Kernkraft aussteigen, unsere Kompetenz in der Nukleartechnologie – im Know-how und auch in der dazugehörigen Ausbildung entsprechender Fachkräfte – im Wesentlichen erhalten bleibt; denn es kann nicht unser Interesse sein, bei dieser Frage außerhalb Deutschlands nicht mehr mitreden zu können. Lassen Sie mich abschließend sagen: Der Haushalt, den wir hier verabschieden wollen, steht für die bestmögliche Sicherheit und die Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technik auf diesem Gebiet. Mit den im Haushalt zur Verfügung gestellten Mitteln können wir das auch erreichen. Für die CDU/CSU-Fraktion sage ich – –

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, bitte Ihren letzten Satz.

Karsten Möring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004356, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Auf dem nicht immer leichten Weg, dies zu erreichen, werden wir die Regierung konstruktiv begleiten. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank. – Als Nächster für die SPD-Fraktion der Kollege Andreas Schwarz. ({0})

Andreas Schwarz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004407, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf heute in meiner neuen Rolle als Haushälter zu Ihnen sprechen und freue mich sehr, dass es um den Haushalt unserer auch neuen Bundesumweltministerin Svenja Schulze geht. Nach den Verschiebungen der Mittel für den Städte- und Wohnungsbau in den Etat des Bundesinnenministers handelt es sich bei dem Einzelplan 16 zwar nicht mehr um einen der größten, aber doch um einen sehr wichtigen Haushalt, den wir heute hier beraten. Auch wenn Horst Seehofer nun den Begriff „Heimatschutz“ an seinem Haus stehen hat, findet der eigentliche Heimatschutz im Bundesumweltministerium statt. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen das auch begründen. Ich komme aus dem wunderschönen Bayern, wie man vielleicht hört. Erst letzte Woche erreichten uns neue Zahlen zu den schmelzenden Gletschern in den Bayerischen Alpen. Mehr als die Hälfte der Gletscherflächen ist in unserer Heimat bereits geschmolzen. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen sind sich der Verantwortung bewusst, die auf ihren Schultern lastet. Die ehemalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem Klimaschutzplan große Schritte zur Erreichung unserer Klimaschutzziele getan. Die SPD-Bundestagsfraktion wird Sie, Frau Ministerin, weiter dabei unterstützen, dass wir diesen Weg konsequent weitergehen und die Klimaziele 2030 erreichen, ({1}) nicht zuletzt in Zeiten, in denen die USA nicht nur beim Klimaschutz als Partner scheinbar ausfallen. Dabei geht es mir um eine sozialdemokratische Klimapolitik, die soziale Belange nicht außer Acht lässt. Der Haushalt für das Jahr 2018 unterstreicht das und kann sich sehen lassen, auch wenn es immer wieder Nörgler geben wird, denen es zu schnell oder denen es zu langsam geht. Den einen ist die Umwelt egal, den anderen ist egal, wer es bezahlen soll. Wir haben mit dem Haushaltsentwurf einen sehr guten Weg gefunden. Allein der Blick auf die Zahlen lohnt sich. Obwohl das Haus den Baubereich abgeben musste, steigen die Investitionen in den Klima- und den Umweltschutz und damit auch die Investitionen in unsere Zukunft und die Zukunft nachfolgender Generationen. Im Vergleich zum Vorjahr steigt das Ausgabevolumen im Umwelthaushalt um 371 Millionen Euro – immerhin ein Plus von 23 Prozent. Die Ausgaben beim internationalen Klimaschutz steigen um 50 Millionen Euro auf gut 437 Millionen Euro. Nach den beschlossenen Eckwerten werden wir in den kommenden Jahren noch einmal 100 Millionen Euro mehr in diesen Bereich investieren. Außerdem werden wir 2019  10 Millionen Euro für den Wildnisfonds bereitstellen, mit dem wir 2 Prozent der Fläche Deutschlands wieder in Wildnisgebiete umwandeln werden. Das ist eine sehr gute Investition in den Schutz bedrohter Arten und für die Artenvielfalt in unserem Land. Ich freue mich nun auf die anstehenden Beratungen in den nächsten Wochen. Vielen Dank. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Schwarz, herzlichen Dank an Sie. – Als Nächstes für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Dr. Klaus-Peter Schulze. ({0})

Dr. Klaus Peter Schulze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004406, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ist um 23 Prozent angestiegen. In dem Bereich, mit dem ich mich als Erstes befassen möchte – biologische Vielfalt –, haben wir einen Zuwachs von 25 Prozent. Ich erinnere daran, dass für diesen Bereich im Jahr 2005  29,2 Millionen Euro zur Verfügung standen. Mit Beginn der letzten Legislaturperiode waren es immerhin schon 61 Millionen Euro. Wir haben jetzt mit 76,4 Millionen Euro für den Bereich Naturschutz einen guten Wert erreicht. Aber ich glaube, für die Zukunft und die Dinge, die schon heute von einer Vielzahl von Rednern vorgetragen wurden, werden wir uns künftig noch um weitere Millionen bemühen müssen. Der maßgebliche Grund für den Anstieg im Einzelplan 16 im Bereich Naturschutz ist die Erhöhung im Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Die Mittel hierfür sind von 20 Millionen auf 25 Millionen Euro angestiegen. Vor sieben Jahren waren es nur 15 Millionen Euro hierfür. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass die Erhöhung, die uns mit diesem Haushaltplanentwurf vorliegt, nicht ausreichen wird, um die Biodiversitätsziele, die auch schon angesprochen wurden, im Jahr 2020 zu erreichen. Gerade bei diesem Thema, würde ich sagen, sollten wir mehr Realismus einziehen lassen und uns ehrlich machen: So wie die Klimaschutzziele leider nicht erreicht werden können, werden wir auch die Biodiversitätsziele nicht erreichen. Darüber sollten wir offen diskutieren. Wir sollten in diesem Bereich aber auch einmal schauen, was für Programme wir umsetzen. Es ist wenig hilfreich, Steuermittel einzusetzen, um Artenschutzprojekte für verschiedene Fischarten auf den Weg zu bringen, wenn wenige Kilometer weiter die Prädatoren warten und am gedeckten Tisch, den wir mit Steuermitteln finanziert haben, richtig zuschlagen können. Hier muss man an der einen oder anderen Stelle wirklich genau hinschauen. Kommen wir mal zum Personal; dazu ist noch gar nichts gesagt worden. Ich bin einigermaßen überrascht, dass 21 neue Stellen für internationale Arbeit im Umweltministerium geschaffen werden sollen. Ich glaube, wir sollten, was den Stellenaufwuchs betrifft – das ist nicht nur beim Umweltministerium so, sondern auch bei den anderen Ministerien –, genau hinschauen: Was ist dringend notwendig? Denn die sehr positive Haushaltssituation, die wir im Augenblick zu verzeichnen haben, ist nicht von Gott gegeben. Sie kann sich ändern. In Zeiten, wo die Haushalte enger sind, hat man dann einen erhöhten Personalbestand. ({0}) Das heißt aber, dass wir in den Bereichen, in denen wir Personal dringend benötigen, sehr stringent vorgehen sollten. Ich erinnere an das Thema „Zulassung von Pflanzenschutzmitteln“. Hier ist es dringend erforderlich, dass das Umweltbundesamt die entsprechende Ausstattung bekommt bzw. durch Umstrukturierung und Überprüfung der Verwaltung zu sehen, welche Reserven selbst genutzt werden können. Es kann nicht sein, dass wir ständig die vorgegebenen Ziele der Europäischen Union hinsichtlich der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nicht erreichen. ({1}) Ein zweiter Punkt – den haben wir in der letzten Legislaturperiode auch schon angesprochen –: Nach langen Diskussionen hat es unsere damalige Umweltministerin Barbara Hendricks geschafft, die Managementpläne und die Schutzprogramme für die Meeresschutzgebiete in der AWZ auf die Reihe zu bringen. Ich habe damals schon gesagt: Hier müssen wir auch den Vollzug sichern. – Deshalb ist es aus meiner Sicht notwendig, dass auch im Bundesamt für Naturschutz die entsprechenden Stellen vorgesehen werden. Abschließend möchte ich noch zu dem Thema Insektensterben kommen. Wir müssen in den nächsten Jahren dieses Thema weiter bearbeiten, und ich warne davor, zu glauben, dass wir mit dem Verbot von Insektiziden die Ziele erreichen können. Wir haben nicht nur eine aus geräumte Landschaft, was das Thema Strukturelemente betrifft, sondern wir haben auch eine auf geräumte Landschaft. Heutzutage ist es wichtig, dass der Rasen ganz kurz geschnitten ist. Ich gebe da ehrlich zu: Als Bürgermeister meiner schönen Heimatstadt habe ich mich immer dafür eingesetzt, dass die Grünanlagen besonders gepflegt sind. Aber vielleicht sollten wir an der einen oder anderen Stelle umdenken und können damit, ohne viel Geld einzusetzen – vielleicht sparen wir sogar noch ein bisschen –, für den Insektenschutz einen kleinen Mosaikstein hinzufügen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schulze. – Als letztem Redner zu diesem Einzelplan erteile ich das Wort dem Kollegen Ingo Gädechens. ({0})

Ingo Gädechens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004036, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fast 2 Milliarden Euro umfasst der Einzelplan 16. Im Vergleich zum Umfang der übrigen Einzelpläne und des Gesamthaushalts mag der Eindruck entstehen, hier handele es sich um ein weniger wichtiges Politikfeld. Ganz im Gegenteil: Gerade der Umwelt- und Naturschutz hat für die Union und für die Bundesregierung einen erkennbar hohen Stellenwert, der sich auch im Koalitionsvertrag wiederfindet. ({0}) Dort heißt es unter anderem: Wir stehen für eine Umwelt- und Klimapolitik, die die Bewahrung der Schöpfung und den Schutz natürlicher Ressourcen mit wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Verantwortung erfolgreich verbindet. Meine Damen und Herren, aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage konnte der Etat des Umweltministeriums nicht nur in der Vergangenheit stetig aufwachsen; auch 2018 werden mehr Mittel für Umwelt- und Naturschutz, für die Bekämpfung des Klimawandels und Fragen der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes bereitgestellt. Dass die Große Koalition diesem Themenfeld großes Gewicht beimisst, belegt ein Vergleich mit dem Haushalt 2017. Die Ausgaben steigen um 371 Millionen Euro. Das ist eine Erhöhung um 23 Prozent; Kollege Schwarz von der SPD erwähnte es bereits. Auch die Finanzplanung für die kommenden Jahre weist in dieselbe positive Richtung. Darüber hinaus sei der Hinweis gestattet, dass Ausgaben für Umwelt- und Klimaschutz nicht nur im Einzelplan 16 veranschlagt sind; in vielen weiteren Einzelplänen kann man diesbezüglich Aufwendungen ausmachen. Von besonderer Bedeutung – das hat die Debatte gezeigt – ist hier auch das Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“, aus dem unterschiedliche Maßnahmen zur Förderung von Klimaschutzprojekten finanziert werden. Natürlich gibt es immer wieder die Forderung nach einer noch stärkeren Erhöhung des Etats. Die Union folgt auch hier einer Politik mit Augenmaß. Die CDU/CSU-Fraktion wird konsequent darauf achten, dass es auch in den kommenden Jahren zu keiner Neuverschuldung kommt. Gerade der Grundgedanke der Nachhaltigkeit – Umweltpolitiker reden über Nachhaltigkeit – wird hier deutlich; denn genauso wie bei der Nachhaltigkeit – wir müssen uns für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen – geht es bei der Politik der schwarzen Null um das Vorhaben, den nachfolgenden Generationen ein lebenswertes und lebensfähiges Umfeld zu hinterlassen. ({1}) Was im Bereich der Umweltpolitik richtig ist, gilt auch im Bereich einer soliden Finanzpolitik. Meine Damen und Herren, da die Redezeit nicht ausreicht und viele inhaltliche Aspekte bereits benannt wurden, möchte ich nur noch auf einige Schwerpunkte des Entwurfs eingehen. Wie schon in den vergangenen Jahren liegt ein besonderes Gewicht auf Maßnahmen zum Schutz des Klimas. Knapp 530 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Ein Großteil davon entfällt auf die Internationale Klimaschutzinitiative, die einen deutlichen Mittelaufwuchs erfährt. Mit diesem Geld können beispielsweise Maßnahmen zur Minderung von Treibhausgasemissionen und zur Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern finanziert werden. Es ist nur folgerichtig, dass auch im Eckwerteplan für die kommenden Jahre ein weiterer Aufwuchs – die Ministerin nannte es – von insgesamt 100 Millionen Euro vorgesehen ist. Neben dem internationalen Klimaschutz wird auch die Finanzierung der Nationalen Klimaschutzinitiative sowie verschiedener Maßnahmen des Umwelt- und Naturschutzes im Haushalt verankert. Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Bereich der Ausgaben für die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle. Mit Wirkung vom 25. April letzten Jahres ist – das wurde von den Vorrednerinnen und Vorrednern schon benannt – die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH gegründet und damit die Standortsuche für ein Endlager radioaktiver Abfälle sowie Fragen der Zwischenlagerung und Finanzierung organisatorisch neu geregelt worden. Im Ergebnis findet sich nun ein eigenes Kapitel für einige etwas undurchschaubare Aufgaben – wir werden sie durchschauen –, welches insgesamt 727 Millionen Euro umfasst. Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich noch auf eine weitere tiefgreifende Veränderung des Einzelplans 16 eingehen, welche bei einigen anscheinend für Verwirrung gesorgt hat. So fällt im direkten Vergleich zwischen den Jahren 2017 und 2018 auf, dass anders, als ich es gerade versucht habe aufzuzeigen, der Etat des Umweltministeriums um 3,5 Milliarden Euro reduziert wurde. In den sozialen Netzen habe ich dazu einige Kommentare gelesen, die belegen, dass auch Zahlen interpretiert werden müssen und nicht selbsterklärend sind. Dort hat ein Kollege aus der grünen Fraktion sich folgendermaßen geäußert: Die Antwort von CDU und SPD auf dem Klimawandel ist eine Etatkürzung im Bundesumweltministerium von über 60 %. Im Gegensatz dazu fordere die CDU vehement die Erhöhung des Verteidigungsetats. – Meine Damen und Herren, da ich nicht nur Haushälter bin, sondern auch Obmann meiner Fraktion im Verteidigungsausschuss, darf ich dazu erläutern, dass die Forderungen nach mehr Mitteln im Verteidigungsetat vollkommen berechtigt sind, der Vorwurf hinsichtlich einer angeblichen Senkung der Mittel für den Klimaschutz hingegen absolut falsch. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die einschneidendste Veränderung des Einzelplans 16 ist einzig und allein dem Wechsel der Zuständigkeit für den Bereich der Baupolitik geschuldet, die nun in den Aufgabenbereich des Innenministeriums fällt. Bei einem Blick allein auf die Aufgaben ohne den Baubereich erkennen Sie eine kontinuierliche Erhöhung im Bereich Umwelt um, wie bereits gesagt, 23 Prozent. Unsere Umwelt bewahren, die Natur schützen und den negativen Klimawandel bekämpfen: Diese Ziele verfolgen die Union und die Große Koalition konsequent. Auf diesem Weg, Frau Ministerin, werden wir Sie tatkräftig unterstützen. Herzlichen Dank. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor. Wir kommen schließlich und endlich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Einzelplan 10. Das Wort für die Bundesregierung hat zunächst der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel. ({0})

Hans Joachim Fuchtel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000616

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Bundesministerin Julia Klöckner musste heute aus familiären Gründen überraschend nach Hause fahren. Deswegen habe ich es als der zuständige Staatssekretär übernommen, die Rede zu halten. Vorweg ein Wort zu den Besorgnissen: Der erste Haushaltsentwurf und seine Daten gelten jetzt nicht mehr. Wir haben durch eine Anhebung im zweiten Entwurf einen Etat von über 6 Milliarden Euro zur Verfügung. Ich möchte daher dem Finanzministerium, liebe Bettina Hagedorn, danken. Die Verhandlungen waren hart, aber fair und erfolgreich. ({0}) Jetzt können wir Projekte von hoher Priorität voranbringen. Wir haben mehr Geld für die Entwicklung und Stabilisierung der ländlichen Räume. Wir haben mehr Geld für Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation; ein Aufwuchs von immerhin 62 Millionen Euro. Wir haben Geld für Pflanzenzüchtungen, Biodiversität und Insektenschutz. Wir haben zusätzliche Finanzen für Ernährungsbildung und Lebensmittelsicherheit und für neue Schwerpunkte, insbesondere Digitalisierung und Tierwohl. Im Koalitionsvertrag sind für die Förderung der ländlichen Räume und der Landwirtschaft zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für die nächsten Jahre vorgesehen; Geld, das wir in unserem Haushalt dringend brauchen, um etwa angekündigte Einschnitte im EU-Agrarhaushalt zu kompensieren und in Zukunft noch viel mehr für den ländlichen Raum zu tun. Wir brauchen gleichwertige Lebensverhältnisse. Es geht um nicht weniger als den Zusammenhalt der Gesellschaft und gegen noch mehr Polarisierung. Die Politik Julia Klöckners ist dabei erstens ausgerichtet auf Ideologiefreiheit, zweitens auf eine Politik – ich sage das ausdrücklich –, die auf wissenschaftliche Erkenntnisse setzt, und drittens auf eine Politik, die Neuerungen und Modernisierungen mit digitaler Dimension zu verbinden. In der öffentlichen Debatte spielt zurzeit gesunde Ernährung eine besondere Rolle. Wir nehmen den Lebensstil als Ganzes und die verschiedenen Lebensphasen noch stärker in den Blick. Wir wollen, dass sich die über 80 Millionen Menschen in Deutschland in jeder Lebenslage gut ernähren. Deshalb ist für den Etat des Ernährungsinstituts, des Max-Rubner-Instituts, zur Weiterentwicklung der Gesamtkonzeption ein Aufwuchs um immerhin fast 12 Prozent vorgesehen. Wir bauen auch die Beschäftigung mit Kinderernährung in einem Institut tatkräftig aus, meine Damen und Herren. ({1}) Die meisten Ernährungsentscheidungen werden die Menschen selbst treffen, jeder von uns. Deshalb ist Ernährungsbildung, auch klare Kennzeichnung wichtig. In den Rezepturen muss der Anteil von Zucker, Fetten und Salz sinken. Dazu stehen wir bereits mit Wirtschaft und Wissenschaft und dem Verbraucherschutz im direkten Gespräch. Wir haben sie bereits an den Tisch geholt. Die Botschaft ist klar: Ministerin Klöckner wird nicht auf Zeit spielen. Sie möchte auch keine Reduktionsstrategie light; das wird es mit ihr nicht geben. Sie will Ergebnisse sehen mit konkreten Zahlen, mit nachprüfbaren Verpflichtungen oder, auf einen Punkt gebracht, Reduktion durch Innovation. ({2}) Die klare Zielrichtung lautet: nicht verbieten, sondern informieren und Angebote machen – auf wissenschaftlicher Basis und ohne Ideologie. ({3}) Wir wollen starke ländliche Räume. Niemand soll sich hier abgehängt fühlen. Wir werden deswegen weiterhin 55 Millionen Euro in das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ investieren. Hier geht es um Projekte, die ganz konkret vor Ort mitgestaltet und mitgetragen werden. Das ist das Neue. Die Leute mitwirken zu lassen bei der Entwicklung im ländlichen Raum, das steht hier als Perspektive dahinter. ({4}) Gemeinsam mit den Bürgern wollen wir neue Impulse setzen in Sachen Digitalisierung, für Kultur, demnächst auch für das Ehrenamt. Wir haben auch ein weiteres Programm, den Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“. Auch hier gibt es weite Möglichkeiten, die Spielräume der Förderkulisse zu erweitern. Das wollen wir in guter Zusammenarbeit mit dem Kollegen Seehofer tun. Nochmals: Damit verhindern wir, dass sich unsere Gesellschaft weiter polarisiert. In diesen Zusammenhang gehört auch die Weiterentwicklung unserer Waldstrategie 2020. Ich kündige an, dass wegen der Bedeutung des Waldes ein Kompetenz- und Informationszentrum „Wald und Holz“ eingerichtet werden wird. Wir brauchen eine moderne und wettbewerbsfähige Landwirtschaft, die man auch arbeiten lässt. Auch das möchte ich hier unterstreichen, meine Damen und Herren. ({5}) Wir brauchen eine Atmosphäre, in der sich junge Leute für den ländlichen Raum interessieren, sich damit identifizieren und gerne einen Beruf in der Landwirtschaft ergreifen. ({6}) Wir sorgen auch dafür, dass unsere Landwirtschaft ordentlich abgesichert ist. Das tun wir mit der agrarsozialen Sicherung. Wir setzen immerhin – die Zahl muss man einfach immer wieder nennen – in einem Haushalt von 6 Milliarden Euro fast 4 Milliarden Euro für diese agrarsoziale Sicherung ein. ({7}) Insgesamt wollen wir eine Versöhnung der Verbraucher mit der modernen Landwirtschaft. Das geht nicht mit alten Rezepten, sondern mit denen von morgen. Da geht es um die Einsparung von Pflanzenschutzmitteln und Dünger sowie um die Erhaltung und Steigerung unserer Wettbewerbsfähigkeit, um Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelkette und vieles mehr. Deswegen erhöhen wir den Ansatz für Forschung und Innovation insgesamt. Das Programm für Energieeffizienz in Landwirtschaft und Gartenbau wird fortgesetzt und die Digitalisierung in der Landwirtschaft wird systematisch entwickelt. Das unterstreiche ich hier in diesem Rahmen nochmals, auch auf besondere Bitte des Koalitionspartners. ({8}) Der ökologische Landbau hat dabei einen festen Platz in der Landwirtschaft und soll den in Zukunft noch stärker bekommen. Deswegen werden die Mittel des Bundesprogramms um 50 Prozent erhöht. ({9}) Noch ein Wort zum Tierwohl. Wir werden unseren Bauern Planungssicherheit geben. Deswegen entwickeln wir eine Ackerbaustrategie. Wir haben eine nationale Nutztierhaltungsstrategie vorgelegt, die den Umweltschutz, die Emissionen aus der Tierhaltung und das Tierwohl in den Blick nimmt. Und – das möchte ich gleich sagen, weil es dazu nachher wieder Wortmeldungen geben wird –: Ein Baustein ist hier die Tierwohlkennzeichnung. Ich sage: Sie kommt – und das ohne Fragezeichen. ({10}) Wer allerdings eine verpflichtende Kennzeichnung fordert, ({11}) sollte eines auch sagen: Das muss auf europäischer Ebene geregelt werden. Das braucht Zeit. Wir sind der Meinung: Diese Zeit haben wir nicht. Wir müssen jetzt eine Weichenstellung vornehmen. ({12}) Meine Damen und Herren, damit möchte ich es bewenden lassen. Für die weitere Beratung im parlamentarischen Verfahren bitte ich um Ihre Unterstützung. Sie wissen, ich bin neu in diesem Ministerium und sage gerade aus dieser Sicht: Es lohnt sich, für diese Arbeit hart zu kämpfen und noch mehr Mittel einzusetzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Ich habe gerade vernommen, dass auf der Tribüne eine Delegation unserer französischen Kollegen aus der Assemblée nationale Platz genommen hat. Bonjour! ({0}) Als nächste Rednerin für die AfD die Kollegin Dr. Birgit Malsack-Winkemann. ({1})

Dr. Birgit Malsack-Winkemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004813, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Im Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, kurz: BMEL, findet vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit und der Forschung ein massiver, explosionsartiger Anstieg der Ausgaben statt. Auf den ersten Blick scheinen die geplanten Ausgaben des BMEL für Öffentlichkeitsarbeit mit einem Haushaltssoll in 2018 in Höhe von über 1 Million Euro nicht allzu hoch zu sein. Wenn man es jedoch genau betrachtet, stellt man fest: Das BMEL hat im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit eine Spitzenstellung. Berücksichtigt man nämlich alle Haushaltstitel des BMEL, die werbewirksame Maßnahmen betreffen, wie Informationen für Verbraucher, Messen, Ausstellungen und Fachinformationen, summieren sich diese auf mehr als 50 Millionen Euro und damit auf mehr als bei den meisten anderen Ministerien. Im Forschungsbereich findet an 17 verschiedenen Stellen des Einzelplans eine Förderung mit Ausgabensteigerungen um teilweise 500 bis 1 300 Prozent im Vergleich zu 2016 statt. Dabei hat das BMEL keine zusätzlichen Aufgaben übernommen. Im Gegenteil: Die Verbraucherpolitik wurde im Jahre 2013 an das Justizministerium abgegeben, der Aufgabenbereich damit also kleiner. Dennoch besteht beim BMEL ein ineffizientes und hochgradig intransparentes Geflecht von externen Forschungsaufträgen, ministeriumseigenen Bundesforschungsinstituten und zusätzlichen institutionell geförderten Forschungseinrichtungen außerhalb der Bundesverwaltung. Vor allem die ministeriumseigenen Bundesforschungsinstitute haben kräftige Ausgabensteigerungen. So verzeichnet zum Beispiel das Bundesinstitut für Risikobewertung neben einer Kostensteigerung von 80 Prozent für Öffentlichkeitsarbeit von 2016 bis 2018 im selben Zeitraum eine Ausgabensteigerung von 55 Prozent bei den Beamten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung ist nur ein Beispiel für die Maßlosigkeit der Ausgabensteigerung bei den bundeseigenen Forschungsinstituten; denn bei den anderen verhält es sich genauso. Obwohl das BMEL mit seinen eigenen Forschungsinstituten über eine äußerst großzügige Ausstattung für Forschung verfügt, unterstützt es darüber hinaus außerhalb der Bundesverwaltung zusätzliche Forschungseinrichtungen mitsamt ihren kompletten Institutionen mit zig Millionen Euro. Besonders die massiven Ausgabensteigerungen beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, einer selbstständigen Bundesoberbehörde, fallen insoweit auf. Auch hier steigen die Ausgaben für Beamte von 2016 bis 2018 um fast 70  Prozent, und für IT und bei sogenannten vermischten Verwaltungsaufgaben verdreifachen sie sich sogar. Auch hier steht diese Institution nur als Beispiel für die anderen. Eine weitere Aufzählung erspare ich mir; denn ich denke, Sie alle haben verstanden, was hier passiert. Und als wenn das alles nicht genug wäre, leistet sich das BMEL darüber hinaus teure Forschungsprogramme, deren Sinn und Umsetzung zumindest zweifelhaft sind. ({0}) Ein Paradebeispiel hierfür ist das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“, im Jahre 2018 mit einem Plansoll von 55 Millionen Euro. Abgesehen davon, dass hier schon fraglich ist, ob der Bund überhaupt berechtigt ist, an dieser Stelle auf die Kofinanzierung der Länder zu verzichten, wozu er bei Aufgaben, die direkt in Landeszuständigkeiten eingreifen, nach dem Grundgesetz generell verpflichtet ist, hat ein Modul dieses Bundesprogramms den schönen Namen „Landaufschwung“, wovon sich das BMEL neue Impulse für das Leben, Arbeiten und Miteinander in ländlichen Regionen verspricht. Praktisch gibt es hier für junge Sauerländer nach den Recherchen des Bundes der Steuerzahler die „HEIMVORTEIL2Go“-Box, die Produkte aus der Heimat enthalten soll. Laut Initiative befinden sich darin unter anderem eine Luftpumpe, ein USB-Stick sowie eine Dose Bier einer regionalen Brauerei, und in Sachsen werden davon unter anderem Kaninchenställe für den örtlichen Kaninchenzüchterverein sowie die Instandsetzung eines historischen Traktors finanziert. Mit dem Steuergeld sollen passgenaue Zukunftskonzepte vorangebracht werden, wie das BMEL hierzu auf Nachfrage des Bundes der Steuerzahler mitgeteilt hat. Wo aber ist hier das Zukunftskonzept? ({1}) Diese Art Förderung von 13 Modellregionen zuzüglich dreier Sonderprojekte und einer Begleitforschung kostet uns Steuerzahler insgesamt rund 31 Millionen Euro. Ursprünglich sollte diese Förderung Mitte 2018 auslaufen. Jetzt aber wird bis Mitte 2020 großzügig gefördert.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Birgit Malsack-Winkemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004813, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Nein. – Zur Begründung heißt es, die angelaufenen Projekte benötigten eine längere Laufzeit, um komplett umgesetzt zu werden. Wir, die AfD, können verstehen, dass Unternehmer und Initiativen vor Ort dieses Förderangebot gerne annehmen. Sinnvoller wäre es aber, bundesweit alle Steuerzahler zu entlasten, indem man solcherart Programme auslaufen lässt. ({0}) Gute Geschäftsideen müssten sich dann aus eigener Kraft durchsetzen, wie es einer sozialen Marktwirtschaft entspricht. Das wäre ein Zukunftskonzept, das allen Regionen zugutekommt. Danke schön. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank. – Als Nächstes für die SPD-Fraktion die Kollegin Ursula Schulte. ({0})

Ursula Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004404, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einer der größten Widersprüche unserer Zeit ist für mich der Hunger und das Elend in einem Teil und der Überfluss und die gigantische Lebensmittelverschwendung im anderen Teil unserer Welt. ({0}) 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel vernichten wir jedes Jahr weltweit. Das wirft nicht nur ethische Fragen auf, sondern ist auch ökologisch ein Irrsinn; ({1}) denn wir verbrauchen sowohl für die Produktion als auch für die Vernichtung der Lebensmittel wichtige Ressourcen wie Wasser und Energie. Ich stelle diese Tatsache an den Beginn meiner Rede, weil Lebensmittelverschwendung auch eng mit dem Thema Ernährungs- und Verbraucherbildung zusammenhängt. Innerhalb der EU stammen 42 Prozent der Lebensmittelabfälle aus Privathaushalten. Hier ist jeder von uns gefordert, bewusst einzukaufen, Lebensmittel richtig zu lagern und Reste weiter zu verwerten. Ich freue mich, dass diese Themen im Landwirtschaftsministerium endlich einen höheren Stellenwert bekommen, und ich freue mich auch darüber, dass das Max-Rubner-Institut mehr Geld bekommt. ({2}) Das ist sinnvoll ausgegebenes Geld. Sinnvolle Vorschläge vermisse ich bei der AfD. Sie haben zwar mächtig über die Ausgaben geschimpft, aber Sie haben keine Alternativen aufgezeigt. Das ist wirklich billig. Ernährungs- und Verbraucherbildung sollte zwingend in den Kitas und Schulen beginnen. Auch darüber sind wir uns eigentlich alle einig. Um das hinzubekommen, müssen wir die Länder mit ins Boot nehmen. Das haben wir noch nicht so ganz geschafft. Ich denke, ein freundschaftlicher Druck in Richtung Länder ist allmählich bitter notwendig, damit Ernährungs- und Verbraucherbildung endlich in die Lehrpläne einziehen kann. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft hat von den Mitgliedsländern mehr Aufmerksamkeit für die gesunde Ernährung von Kindern gefordert. Da reicht es nicht aus, auf die Schulmilch- und Schulobstprogramme hinzuweisen. Natürlich ist die Ernährung von Kindern in erster Linie Aufgabe der Eltern. Aus dieser Verantwortung will ich sie auch nicht entlassen; aber Fakt ist auch: Viele Kinder verbringen immer mehr Zeit in Schulen und Kitas und nehmen natürlich dort auch ihre Mahlzeiten ein. Daher ist es sehr wichtig, dass wir endlich einheitliche Qualitätsstandards hinbekommen, für Kinder, Senioren und Menschen, die ihre Mahlzeiten in Kantinen zu sich nehmen. „Hauptsache billig“ kann doch nicht länger unsere Prämisse sein. Die Wortmeldung von Frau Klöckner hat mir gut gefallen, in der sie gesagt hat: Fleisch darf doch nicht zur Ramschware werden. – Das muss doch unser aller Meinung sein. ({4}) Die Mahlzeiten sollten zudem ausgewogen sein. Sie müssen schmecken, und die Portionen müssen an die jeweiligen Bedürfnisse der Menschen angepasst werden. Auch so vermeiden wir im Übrigen Lebensmittelabfälle. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die ländlichen Räume weiterentwickeln. Wenn das unser Ziel ist, dann sind die Wertschöpfungsketten von der Erzeugung bis zur Verarbeitung zu stärken. Kooperationen zwischen Landwirten, Schulen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen müssen nach unserer Ansicht finanziell gefördert werden. Es ist mehr Geld im Haushalt vorhanden – das hat der Herr Staatssekretär gesagt –, also dürfte diese Idee doch auch schnell zu realisieren sein. ({5}) In Frankreich ist es zum Beispiel derzeit angesagt, regionale Produkte frisch zu vermarkten und den Fleischanteil mehr und mehr durch frisches Gemüse zu ersetzen. Das muss doch auch hier in den Kitas, Schulen und stationären Einrichtungen wieder selbstverständlicher werden. Der Duft von frisch gekochtem Essen oder selbst gebackenem Kuchen ist auch ein Stück Lebensqualität, und es ist auch ein Stück Zuhause. ({6}) Das Wissen über Ernährung geht leider auch bei immer mehr Erwachsenen verloren. Davon sind vor allem Menschen betroffen, deren finanzieller Spielraum oft eng ist und die auf den Einkauf bei den Tafeln angewiesen sind. Hier setzen wir mit unserer Idee an, die ich mit Frau Landgraf von der CDU besprochen habe, Ernährungswissen und Verbraucherbildung niedrigschwellig anzubieten. In jedem Bundesland sollte wenigstens eine Tafel gefunden werden, die bereit ist, gemeinsam mit ihren Kunden zu kochen, Kochfertigkeiten zu vertiefen und Wissen über gesunde Ernährung bis hin zur Verwendung von Lebensmittelresten zu vermitteln. Selbstverständlich müssen wir die Tafeln finanziell unterstützen. 47 Prozent der Tafeln unterstützen bereits ihre Kunden. Das wollen wir weiter ausbauen, um diese Spirale zu beenden: ungesunde Ernährung, geringere Lebenserwartung. Das darf es im 21. Jahrhundert nicht mehr geben. ({7}) Kochen soll heute vor allen Dingen schnell gehen. Der Griff zu Fertigprodukten wird immer selbstverständlicher. Deswegen ist der Blick auf den Zucker-, Salz- und Fettgehalt dieser Produkte mehr als gerechtfertigt, vor allem wenn wir an die Kosten denken, die falsche Ernährung im Gesundheitsbereich verursacht – dazu gehören zum Beispiel Fettleibigkeit und Diabetes –: 100 Milliarden Euro, sagen die Experten, kostet uns das jährlich. Gut, dass wir die Reduktionsstrategie im Koalitionsvertrag fest miteinander vereinbart haben. Die Ministerin nennt das jetzt Innovationsstrategie. Das soll mir recht sein, weil wir uns im Ziel einig sind: Wir wollen weniger Fett, weniger Salz und weniger Zucker in den Produkten. ({8}) Dass unsere Forderung richtig ist, beweisen die Aussagen von Krankenkassen und Ärzten. Die Industrie hat jetzt noch die Chance, die Reduktion freiwillig anzugehen. Bei Getränken könnte sie zum Beispiel sehr schnell handeln; die Veränderung der Rezeptur ist da nicht ganz so schwierig. Da erwarte ich ein schnelles Aktivwerden der Hersteller. Ansonsten kann ich persönlich mir gesetzliche Regelungen gut vorstellen. Die Zuckersteuer könnte dann doch ein Thema werden. Ich will den Menschen damit nicht den Zugang zu bestimmten Produkten verwehren. Ich will einfach, dass die Menschen gesunde Produkte kaufen können. Dazu brauchen sie vor allen Dingen anständige Löhne und auskömmliche Renten. ({9}) Auch Koffein, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann für Kinder unter Umständen gesundheitsschädigend sein, wenn sie zum Beispiel Energydrinks im Übermaß zu sich nehmen. Aldi und Lidl haben in Großbritannien den Verkauf von Energydrinks an unter 16-Jährige gestoppt. Warum das nicht in Deutschland, warum das nicht europaweit geschieht, kann ich mir nicht erklären. Ich appelliere an Aldi und Lidl, das auch hier zu tun. ({10}) Wir wollen im Haushalt mehr Geld bereitstellen, um eine Studie zu den gesundheitlichen Folgen des übermäßigen Konsums von Energydrinks auf den Weg zu bringen. Uns fehlen einfach valide Daten. Das hat auch das Expertengespräch beim Bundesamt für Risikobewertung im Jahr 2017 ergeben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, gesunde Produkte muss man leicht erkennen können. Das geht am leichtesten mit der Nährwertampel, am besten EU-weit. Ärzte, Krankenkassen, Verbraucherinnen und Verbraucher fordern diese Ampel. Unser Koalitionspartner und die zuständige Ministerin tun sich mit dieser Forderung ein bisschen schwer. Immerhin haben wir ein Nährwertkennzeichnungssystem im Koalitionsvertrag miteinander vereinbart. Bis zum Sommer 2019 soll es auf den Weg gebracht werden. Ich hoffe, dass dieses System dann auch seinen Namen verdient und den Menschen hilft, Kaufentscheidungen zu treffen. Vielleicht ist es am Ende doch die Ampel. Ich würde mich darüber freuen. Jetzt hätte ich Ihnen noch so viel zu sagen, aber meine Zeit läuft ab. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({11})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als nächste Rednerin spricht Ulla Ihnen für die Fraktion der FDP. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Antworten auf die Fragen zu geben, was bei uns auf den Teller kommt, wie und wo es hergestellt wurde und ob wir eine ausgewogene und sichere Ernährung für jeden in diesem Land gewährleisten können, ist sicherlich eine zentrale Aufgabe Ihres Ressorts, Herr Staatssekretär. Ebenso zentral ist die Aufgabe, Berufe in der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft auch für kommende Generationen als attraktive Berufe zu erhalten. Dazu gehört sicherlich eine ganze Menge. Der Schutz und der Erhalt unserer Land- und Forstwirtschaft wie auch die Sicherstellung einer gesunden Ernährung muss uns allen sicherlich einiges wert sein. Doch wir müssen uns auch die Frage stellen dürfen, ob mit den verfügbaren Mitteln wirklich immer das beste Ergebnis erreicht wird. Genau daran krankt aber der Haushaltsentwurf. Aus unserer Sicht hat er eklatante Schwächen; denn Sie stellen immer wieder die Quantität der Mittel über die Qualität der Maßnahmen. ({0}) Das kann nicht im Interesse der Landwirte, der Verbraucher und der Steuerzahler sein. Da gibt es zum Beispiel die exorbitant teuren Informationskampagnen, ein Feigenblatt vielleicht für eigene Untätigkeit in den Bereichen der Lebensmittelverschwendung oder der ökologischen Landwirtschaft. Der Nutzen dieser Kampagnen ist alles andere als erwiesen. Ihre Kampagne „Zu gut für die Tonne!“ sieht zwar wirklich nett aus – das gebe ich zu –; allerdings hat sie den Steuerzahler seit Bestehen Millionen gekostet. Und können Sie mir sagen, ob auch nur eine Tomate weniger im Müll gelandet ist? Das viele Geld aus dem Haushalt könnte der Landwirtschaft direkt zugutekommen. ({1}) Bedauerlicherweise scheinen Sie teure PR-Agenturen zu bevorzugen. Besonders kritisch sehen wir Liberalen auch die Ausgaben für die zahlreichen Auslandsaktivitäten, die den Steuerzahler jährlich viele Millionen kosten. Ihr Haus fördert beispielsweise ausgewogene Ernährung in Subsahara-Afrika mit einem enormen Betrag. Da fragen wir uns: Ist dafür nicht eigentlich das Entwicklungshilfeministerium zuständig? Oder trauen Sie ihm nicht zu, gesunde Ernährung in der Subsahara zu propagieren? Was wir nicht brauchen, sind kostspielige Doppelstrukturen, die Ressourcen und Personal an der falschen Stelle binden. ({2}) Ich nenne auch das Stichwort „Exportfördermaßnahmen“. Dafür sind jährlich 3 Millionen Euro vorgesehen, die so wenig Nachfrage fanden, dass Ihr Haus von genau diesem Geld eine Agentur bezahlt hat, die Werbung für die Ausschöpfung dieser Mittel macht. Was soll denn das mit einer vernünftigen Haushaltspolitik und Sparsamkeit zu tun haben? ({3}) Eigentlich schafft man eine solche Maßnahme dann einfach ab. Daneben sehen wir mit großem Unbehagen, wie Titel mit zusätzlichem Geld aufgestockt werden, obwohl hier in den letzten Jahren die zur Verfügung stehenden Mittel bei weitem nicht ausgeschöpft wurden. Ich nenne da nur das Instrument der Innovationsförderung. Mehr Geld heißt eben nicht automatisch mehr Innovation. ({4}) Unser Augenmerk gilt auch der zivilen Notfallreserve. Diese verschlingt jedes Jahr Millionen an Euro. Das Konzept stammt aber aus den 1960er-Jahren, also aus der Zeit des Kalten Kriegs, und ist nach Expertenmeinung heute im wirklichen Notfall nutzlos. Was nützt denn dem Bürger ein Sack Linsen, wenn er kein Wasser hat? Hier fehlt die in Ihrem Koalitionsvertrag angekündigte „Dynamik für Deutschland“ völlig. Dynamisch wäre es, sich von überholten Dingen zu trennen oder sie zu modernisieren und neue Wege zu beschreiten. Zum Schluss: Die Digitalisierung zu gestalten, ist die große Herausforderung unserer Zeit. Den Stellenwert der Digitalisierung in Ihrem Haushalt finden wir aber einfach nur traurig. Nur mit einem geringen Titel ausgestattet und mit vorgesehenen Maßnahmen wie Experimentierfeldern gehen Sie diese Herausforderung an. Das geht an der Lebenswirklichkeit in der Landwirtschaft nun wahrlich vorbei. ({5}) Das finden wir schade und fordern den Mut, das anzugehen; denn hier liegt doch noch so viel Potenzial brach. Alles in allem: Ihr Haushaltsentwurf geht keines der wirklich drängenden Probleme an. Er trägt nur die Handschrift des Weiter-so. Die Überprüfung von Subventionen, Bürokratieabbau, Digitalisierung, eine effizientere Forschungsförderung, eine gute und auskömmliche Umwelt für die Land- und Forstwirtschaft und die Sicherstellung einer gesunden Ernährung sind nur einige unserer Punkte. Wir erhoffen uns dafür ein offenes Ohr des Ressorts und der Ministerin. Wir Freien Demokraten, wir als Serviceopposition, ({6}) werden konstruktive Änderungsvorschläge in die Haushaltsberatungen einbringen. Vielen Dank. ({7})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin ist Heidrun Bluhm für Die Linke. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan für Ernährung und Landwirtschaft weist insgesamt circa 6 Milliarden Euro aus. Das hört sich viel an. Wir haben vorhin den Einzelplan 16 behandelt, dort sind es nur knapp 2 Milliarden Euro. Insofern könnte man glauben, wir schwimmen im Geld, wenn es um Landwirtschaft geht. Dem ist aber nicht so, auch wenn Herr Fuchtel hier vorträgt, dass wir circa 12 Prozent Aufwuchs haben. Denn von diesen 6 Milliarden Euro sind 4 Milliarden Euro für die landwirtschaftlichen Sozialsysteme vorgesehen. Wir Linke finden das okay und kritisieren es nicht. Es ist notwendig, aber es ist auch ein Zeichen dafür, dass Landwirtschaft – überall, wo wir hingucken, ist das der Fall – nicht mehr ohne Subventionen funktioniert. ({0}) Damit stehen im Einzelplan 10 nur 2 Milliarden Euro zur Verfügung, um andere Themen der Landwirtschaft und den gesundheitlichen Verbraucherschutz zu finanzieren und zu organisieren. Landwirtschaftliche Investitionsförderung und Forschung, Agrar- und Küstenschutz, Tierwohl, Herdenschutz, Forstwirtschaft, institutionelle Förderung und die Förderung der ländlichen Räume sind mit diesen 2 Milliarden Euro auszufinanzieren. Ein Bespiel: Die Förderung der ländlichen Entwicklung innerhalb der GAK mit 765 Millionen Euro ist der zweitgrößte Posten des Landwirtschaftsetats. Man könnte wieder glauben, das sei sehr viel Geld; aber leider stagniert dieser Posten. Die Länder kritisieren zu Recht den Bund – auch auf der jüngsten Agrarministerkonferenz – für die fehlende Flexibilität bei der Auszahlung dieser Mittel und fordern, die volle Verfügbarkeit der GAK-Bundesmittel für 2018 spätestens jetzt zu gewährleisten. ({1}) Wenn wir wollen, dass auch neue Maßnahmen im ländlichen Raum in diesem Jahr angegangen werden können, müssen wir den Ländern jetzt über Verpflichtungsermächtigungen die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen, sonst wird bei dieser Position in diesem Jahr gar nichts mehr passieren. Hier widersprechen sich Wirklichkeit und Realität im Handeln der Bundesregierung. Dafür muss sie sich auch kritisieren lassen. Das Thema Heimat wird plötzlich für so wichtig erklärt, dass sogar ein Ministerium damit betitelt wird. Doch viel wichtiger als die Frage, welches Etikett auf ein Ministerium geklebt wird, und im Übrigen auch die Frage, wie man Heimat definiert, ist die Frage, wie die Menschen in der Heimat heute leben. Da ist die Politik der Großen Koalitionen der letzten Jahre leider nicht vorangekommen. Und genau das ist es, was die Menschen im Land ja auch spüren und was sie zu Recht wütend macht. Dringend notwendig wäre, die Mittel für den ländlichen Raum den Ländern schnell zur Verfügung zu stellen, die GAK grundlegend zu reformieren, sodass auch ELER und andere Programme aus Europa umfassend umgesetzt werden können. Wir brauchen größere Flexibilität und mehr Handlungsspielraum für die Länder und Kommunen, um die Mittel, die zur Verfügung stehen, wirklich einsetzen zu können. Wir Linke sagen: Wenn wir in den ländlichen Räumen wirklich etwas verändern wollen, dann dürfen nicht 10 Millionen Euro draufgelegt werden, wie es in diesem Haushalt der Fall ist, sondern wir brauchen mindestens 200 Millionen Euro, um auch antidemokratische Prozesse und das Sich-abgehängt-Fühlen im ländlichen Raum schneller überwinden zu können. ({2}) Den ländlichen Raum nur als einen Ort der Landwirtschaft zu begreifen – nichts anderes sagt auch der Titel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ –, ist aus unserer Sicht rückwärtsgewandt. Wenn wir uns nicht blamieren wollen, dann müssen wir mindestens in der Bereinigungssitzung bei dem Posten für die Entwicklung des ländlichen Raums etwas drauflegen. Wenn wir die 200 Millionen Euro nicht finden, dann sollten wir aber auf jeden Fall mehr als 10 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Ich denke – da appelliere ich an die Koalitionäre –, dass da noch was gehen muss. ({3}) Ein anderes Thema, das ich ansprechen möchte. Die Zahlen des Thünen-Instituts zeigen, dass schon mehr als ein Drittel der ostdeutschen Agrarbetriebe nicht mehr ortsansässige Betriebe sind. 70 Prozent aller aktuellen Verkäufe verlaufen zugunsten nichtortsansässiger Eigentümer, und 40 Prozent der Ostbetriebe sind sogar an Investoren verkauft worden, die gar nichts mehr mit der Landwirtschaft zu tun haben. Dagegen müssen wir dringend etwas tun. Hier muss Politik eingreifen, wenn uns dieser Prozess nicht aus den Fingern gleiten soll. ({4}) Wir müssen die Spekulation mit Böden und Agrarbetrieben beenden. Ein letzter Punkt, den ich noch nennen möchte. Wenn Monokulturen und Riesenställe das Landschaftsbild weiter prägen, dann schadet das der ländlichen Entwicklung, dann schadet es aber auch den Ländern, in die wir unsere auf Masse, Rendite und Billigstpreise erzeugten Lebensmittel exportieren, dann schadet es unseren Böden, die mit Glyphosat und Nitrat verseucht werden, dann schadet es auch unserem Grundwasser. Denn unsere Trinkwasserpreise steigen deshalb – das war eine aktuelle Debatte der vergangenen Woche –, weil wir Stickstoff und Nitrat teuer aus dem Trinkwasser herausfiltern müssen. Auch deswegen hinterfrage ich diese Agrarpolitik. Ich komme zum Schluss. Ich wünsche der Ministerin für ihre Amtszeit eine gute Hand. Herr Staatssekretär, richten Sie ihr das bitte aus. Ich wünsche uns allen, dass wir aus dem Ankündigungsmodus des ehemaligen Ministers Schmidt rauskommen und in dieser Legislatur, so wie Frau Klöckner es verkündet hat, ein echtes Lebensministerium gestalten können. Wir Linke sind dabei. Danke schön. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner für Bündnis 90/Die Grünen ist Friedrich Ostendorff. ({0})

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Im März musste die Berliner Milcheinfuhr-Gesellschaft leider Insolvenz anmelden. An dieser Stelle will ich der Ministerin für ihr schnelles, unkompliziertes Handeln danken, das rund 1 000 Betrieben bei der Milchabnahme und bei der Liquiditätserhaltung geholfen hat. Schnell und öffentlichkeitswirksam zu handeln, ist das eine. Aber die Landwirtschaft hat noch viele andere schwere Probleme. Da braucht es mehr als kleine Reparaturen. Es braucht eine schonungslose Analyse. Es braucht entschlossenes Handeln. Die Bauernfamilien brauchen endlich verlässliche Orientierung, sie brauchen qualifizierte Vorschläge. Sie wollen endlich wissen, wohin die Reise geht. Wo aber ist diese Orientierung in diesem Haushalt? Da ist nichts. Im Haushalt bleibt alles beim Alten – ein Pinselstrich hier, etwas Lack dort, aber unter der Oberfläche sitzt der Rost und frisst sich immer tiefer ins Gerüst. ({0}) „Weiter wie gehabt“ kann nicht die Botschaft an Landwirtschaft und Gesellschaft sein. Das versteht doch niemand mehr. Vier Jahre Ankündigungsweltmeister Christian Schmidt sind nun wirklich genug. 1,5 Milliarden Euro will die Große Koalition angeblich innerhalb von vier Jahren in die Landwirtschaft und den ländlichen Raum investieren. Wo aber finden wir diese 1,5 Milliarden Euro im Haushalt? In Ihrem Haushalt jedenfalls nicht. Um 35 Millionen Euro soll der Haushalt steigen. Das ist bei einem 6‑Milliarden-Euro-Budget sehr übersichtlich, und es ist angesichts des Finanzbedarfs, der aufgrund des nötigen Umbaus der Tierhaltung im Sinne von mehr Artenvielfalt, Ökologie, Klima- und Naturschutz besteht, völlig unzureichend. Der Wissenschaftliche Beirat hat immerhin schon vor drei Jahren sein Gutachten zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung vorgestellt. Passiert ist seitdem gar nichts. Also: Holen Sie endlich das Gutachten aus der Schublade, und entstauben Sie es! Allein dieser Umbau der Tierhaltung kostet 3 bis 5 Milliarden Euro jährlich. Welchen Beitrag leistet Ihr Haushalt dazu? Keinen. Sie doktern weiter an den Symptomen herum, während der Patient eine grundlegende Therapie braucht. 7 Millionen Euro für ein freiwilliges Tierwohllabel und 15 Millionen Euro für ein neues Bundesprogramm Nutztierhaltung – das sind Tropfen auf den heißen Stein. Die Gesellschaft, der Handel und große Teile der Landwirtschaft wollen eine verbindliche staatliche Haltungskennzeichnung. Verbindlich, meine Damen und Herren; das ist hier gefordert. ({1}) Für den Umbau zu einer gesellschaftlich akzeptierten, artgerechten Tierhaltung, zu einer nachhaltigen Landwirtschaft braucht es viel mehr Geld. Das ist ein entscheidendes Thema, das Sie angehen müssen. Anderes Thema. Die EU-Kommission hat angekündigt, dass der Finanztopf für die Landwirtschaft im mehrjährigen Finanzrahmen kräftig schrumpfen soll, leider vor allem in der zweiten Säule. Aber auch die sehr wirksame Hilfe der ersten 46 Hektare droht unter die Räder zu kommen. Was für ein Irrsinn! Die Erfahrungen der Vergangenheit und die Ankündigungen für die Zukunft lassen das Schlimmste befürchten. Ihre Antwort darauf: Alles halb so schlimm; kann durch zusätzliche Mittel und Umschichtung ausgeglichen werden. – Aber wo sind denn diese Haushaltsmittel, auf die Sie verweisen? Was sagt denn Olaf Schäuble – ach nee, Scholz – zu der notwendigen Aufstockung? ({2}) Immerhin: Sie wollen Landwirte fördern und nicht Hedgefonds oder industrielle Investoren. Das ist richtig. Aber dann setzen Sie sich doch endlich für eine Reform des Grundstückverkehrsgesetzes und für das Ende von Anteilsverkäufen ein. Das kann doch nicht so schwierig sein. ({3}) Bei der Verteilung von Grund und Boden muss Bauernfamilien geholfen werden und nicht Großinvestoren. Sie wollen den Ökolandbau fördern – mit einer Aufstockung der Mittel um 10 Millionen Euro. Ist das 20-Prozent-Ziel damit zu erreichen? Wir glauben: Nein. Wie sollen Probleme in den ländlichen Räumen gelöst werden? Etwa mit mickrigen 10 Millionen Euro für einen Sonderrahmenplan „Ländliche Entwicklung“? Stärkt das den ländlichen Raum? Wir sagen: Es wird nicht reichen. Wir brauchen endlich eine soziale und verantwortungsvolle Ernährungspolitik für unsere Kinder. ({4}) Statt regionale und gesunde Schulernährung und Gemeinschaftsverpflegung zu fördern, knicken Sie erst einmal vor der Lobby der Zuckerindustrie ein. Was ist denn das für ein Signal, meine Damen und Herren? Zu guter Letzt möchte ich auf den Milchmarkt zurückkommen. Milcherzeuger brauchen endlich eine wirksame Milchmengenregulierung in Krisenzeiten. Das sah selbst die Ex-Ministerin von Nordrhein-Westfalen so. Handeln Sie endlich, meine Damen und Herren! Es wird Zeit. Schluss mit der Besitzstandswahrung. Die Bäuerinnen und Bauern, die Gesellschaft und die Umwelt haben es satt. Wir brauchen eine zukunftsfähige bäuerliche Landwirtschaft, die Boden, Pflanze und Tier, die die Artenvielfalt und unser Klima schont. Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle ausdrücklich im Namen der Fraktion zum Tod des Vaters der Ministerin kondolieren.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Dem schließen wir uns an und fahren fort mit der nächsten Rednerin: Gitta Connemann, CDU/CSU. ({0})

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Uns schickt der Himmel“, so lautet das Motto der Katholischen Landjugendbewegung – zu Recht; denn die Jugendlichen bewegen mit ihren Aktionen die Dörfer, und zwar ehrenamtlich. Sie schickt der Himmel. Im Alltag aber verblasst dieser Ruhm. Überörtlich erhält die Landjugend eher das Etikett „provinziell“. Mit diesem Vorurteil entlarven sich Überheblichkeit oder Unwissenheit. Das Land ist weder Idylle noch Niemandsland. Was sind die Fakten? Mehr als die Hälfte der Deutschen lebt auf dem Land. Es ist die Heimat des Mittelstandes. Familien können sich ein Eigenheim leisten. Die Natur ist nah. Nirgendwo gibt es mehr Ehrenamt als auf dem Land. ({0}) Aber es fehlen auch Hebammen, Läden, Busverbindungen, Handyempfang. Häuser stehen leer, Grundschulen schließen, Vereine lösen sich auf. Diese Erkenntnisse sind nicht neu, aber die Aufmerksamkeit der Politik lag bisher mehsr auf den Ballungszentren. Für die ländlichen Regionen interessierten sich nur wenige Fraktionen, so wie wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. ({1}) Wir haben uns immer für die Menschen auf dem Land starkgemacht, auch heute. ({2}) Wir wissen: Investitionen in die ländlichen Räume sind Investitionen in die Zukunft von ganz Deutschland. Nur wenn ländliche Regionen attraktiv bleiben, wird Landflucht gestoppt und damit übrigens auch der Zuzug in Großstädte. Und genau hier setzt dieser Haushalt an. Im Mittelpunkt stehen die Menschen auf dem Land. ({3}) Dafür danke ich Frau Ministerin Julia Klöckner, die heute nicht bei uns sein kann. Mit 6 Milliarden Euro ist der Etat des Ministeriums so hoch wie noch nie. Dafür sagen wir: Respekt! ({4}) Über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ und den Sonderrahmenplan können wir mit 820 Millionen Euro Initiativen in den ländlichen Regionen fördern, und zwar gezielt. Das ist wichtig. Wir brauchen maßgeschneiderte Lösungen. Ländliche Räume sind nicht per se hilfsbedürftig, sie sind auch nicht per se stark. In Franken werden Fachkräfte gesucht, aus der Westpfalz wandern diese ab. Bei den einen boomt es, und die anderen fühlen sich abgehängt. Deshalb fordert übrigens auch der Sachverständigenrat Ländliche Entwicklung den Mut zu regionalen Lösungen. Dafür brauchen wir Experimentierklauseln und Geld. In dieser Wahlperiode soll es 1,5 Milliarden Euro zusätzlich für Landwirtschaft und ländliche Räume geben. Wir sagen an dieser Stelle: Dieses Geld muss spätestens ab 2019 zu 100 Prozent unserem Lebensministerium zur Verfügung stehen: ({5}) für den flächendeckenden Ausbau des Glasfasernetzes und die flächendeckende Versorgung mit 5G-Mobilfunktechnik, die Förderung von Existenzgründern, gute Betreuungsangebote, die Sicherung von Fachkräften, Diskobusse, Gesundheitszentren, Dorfläden und für unsere Vereine, 600 000 an der Zahl. ({6}) 23 Millionen Ehrenamtliche packen in Deutschland mit an. Für uns sind sie Helden. ({7}) Auf dem Land ist ohne das Ehrenamt kein Staat zu machen. Die Engagierten sichern die Daseinsvorsorge und damit das Überleben so mancher Ortschaft: in der Feuerwehr, im Sozialverband, in Chören oder Sportvereinen. Sie erwarten keinen Lohn, aber sie haben Anspruch auf Unterstützung. ({8}) Mit den BULE-Mitteln können Programme für dieses Netzwerk des Guten finanziert werden, wie zum Beispiel Land.Digital und LandKULTUR. Außerdem brauchen wir ein Programm „Hauptamt hilft Ehrenamt“. „Uns schickt der Himmel“ – was wäre die Landjugend ohne die Kinder von den Höfen? Ohne sie läuft nichts, und dennoch fühlen sie sich ausgegrenzt und sind es manchmal auch. Mobbing von Bauernkindern ist heute leider bittere Realität. Ein Grund dafür ist die Entfremdung zwischen Verbrauchern und Landwirtschaft. Heute wissen viele nicht mehr, wie ein Stall von innen aussieht. Deswegen fördert das BMEL Hofbesuche, aber auch Organisationen wie die Landfrauen. Mit dem aid-Ernährungsführerschein bringen sie die Ernährungskompetenz in die Schulen, und das ist gut so, Frau Kollegin Schulte. Wir wissen, dass Information bitter nottut, übrigens auch Information durch Bundesbehörden. Wir setzen auf Information statt auf Reglementierung. Die Alternative wäre nämlich Reglementierung. Das wäre der AfD, die diese Arbeit kritisiert hat, offenkundig lieber. Dazu kann ich nur sagen: Armes Deutschland. – Information tut nun einmal not, insbesondere angesichts verzerrter Bilder in der Öffentlichkeit. So mancher macht aus der Skandalisierung ein Geschäftsmodell. Und dann gibt es noch die Aktivisten. Sie dringen in Ställe ein, versetzen Tiere in Panik, filmen dort heimlich und verbreiten dann Aufnahmen – oft erst Monate später. Familien werden an den Pranger gestellt und haben kaum eine Chance, sich zu wehren. Das sind klare Straftaten, aber dennoch bleiben die Täter straffrei. Die Entscheidungen deutscher Gerichte kommentiere ich nicht, sage aber: Wer über Wochen Filmmaterial sammelt, die zuständigen Behörden nicht umgehend informiert, sondern vorrangig die Medien bedient, dem geht es nicht um das Wohl der Tiere. ({9}) Häufig geht es nur um die eigene Spendenkasse. Ich sage sehr deutlich: Hier müssen wir die Frage nach der Gemeinnützigkeit stellen, auch bei der Deutschen Umwelthilfe. ({10}) Dieser Abmahnverein hat jetzt Kinder von Tür zu Tür geschickt, um Spenden zu sammeln. Es ist gut, dass Baden-Württemberg diesem Spuk schnell ein Ende gemacht hat. Es zeigt sich aber ein grundsätzliches Problem. Dieses müssen wir angehen – für unsere Vereine, die sich an die Regeln halten, und nicht zuletzt für unsere Bauernfamilien. Sie sind das Herzstück und das Gesicht des ländlichen Raums. Sie stehen für den wirtschaftlichen Motor, die Land- und Ernährungswirtschaft auf dem Land. Deshalb stärken wir diese Betriebe, zum Beispiel durch eine weitere Beitragsentlastung bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, immerhin in Höhe von 178 Millionen Euro. Das ist tatsächlich einen Applaus wert. Denn am Ende sorgt es für die soziale Sicherung, und welchen Gesamtumfang diese einnimmt, hat auch Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fuchtel eindrucksvoll dargestellt. Weil wir wissen, wie wichtig diese Höfe mit vor- und nachgelagerten Bereichen für unsere ländlichen Regionen sind, halten wir als Union übrigens auch an den Direktzahlungen im Rahmen der GAP fest. Sie sind als Basisabsicherung unverzichtbar. Damit sorgen wir gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für Verlässlichkeit, ({11}) die übrigens die Menschen auf dem Land jeden Tag leben: auf dem Feld, in der Gemeinde oder aber im Ehrenamt. Sie schickt uns der Himmel. Vielen Dank. ({12})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als nächsten Redner rufe ich Johannes Huber für die AfD auf. ({0})

Johannes Huber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004764, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Stephan Protschka, von dieser Stelle alles Gute! Sehr geehrter Herr Staatssekretär, so bemüht Ihre Ausführungen auch waren, leider lässt die Politik im Landwirtschaftsministerium eine echte Perspektive für die Zukunft der deutschen Landwirtschaft vermissen. Eine Strategie für den Ackerbau gibt es nicht. Eine längst überfällige Lösung für die Milchbauern: Fehlanzeige! Zukunftsaussichten für die Ferkelerzeugung in Deutschland: schwarz wie die Nacht. Der vierten Regierung Merkel fehlen also nicht nur innovative Lösungen, sondern auch die notwendige Gestaltungskraft auf dem Feld der deutschen Landwirtschaft. Statt eigene Lösungen zu erarbeiten, wartet man bequem ab, was die EU vorgibt. Die Quittung sind aberwitzig hohe zusätzliche Forderungen an Deutschland von bis zu 18 Prozent höheren Beiträgen bei gleichzeitig sinkenden Zahlungen aus Brüssel für deutsche Bauern: bis zu 10 Prozent minus bei landwirtschaftlichen Ausgleichszahlungen. Da kann es keinen verwundern, wenn unsere Landwirtschaft einer starken europäischen Konkurrenz ausgesetzt ist, auch weil Franzosen, Dänen oder Holländer weniger Einschränkungen als die Deutschen bewältigen müssen. Logisch wäre es, der deutsche Staat würde seine eigene Landwirtschaft stärken. Die Regierung Merkel belastet aber lieber die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Betriebe mit Sonderwünschen zum Tierwohl und zum Tierschutz. Und warum das Ganze? Um internationalen Lebensmittelriesen ihre Marktmacht zu sichern. Das muss aufhören. ({0}) Mit dieser Politik, Herr Staatssekretär, wird das Höfesterben durch ein quasi Antilandwirtschaftsministerium munter befeuert. Da hilft leider auch kein Heimatministerium mehr. Die AfD-Fraktion setzt sich natürlich für den Schutz und das Wohl der Tiere ein. Auch wir wollen Lebendtiertransporte über Tausende von Kilometern unterbinden, bei denen vielfach die Geschöpfe Gottes unter grausamen Umständen qualvoll zugrunde gehen müssen, nur weil es an Frischwasserversorgung und ausreichender Kühlung fehlt. Andererseits müssen wir bei aller Tierliebe beachten, dass die deutschen Bauern überleben müssen. Höfe sollen nicht sterben, sondern in Deutschland neu entstehen. Wem aber nutzen bürokratische Tierwohlstandards in deutschen Betrieben, wenn die Verbraucher dann billiges Fleisch aus Dänemark oder günstige Eier aus Holland beim Discounter kaufen? Herr Staatssekretär, so erreichen Sie nur, dass die Bauern in Deutschland ihre Familien nicht mehr ernähren können. ({1}) Wir wollen deshalb eine Aktualisierung der Milchlieferverordnung. Es ist schädlich und zeugt von einer überregulierten Agrarpolitik, wenn Milchbauern ihre gesamte Milch nur an eine Molkerei liefern dürfen und bei der Ablieferung oft gar nicht wissen, welchen Preis sie dafür erzielen. ({2}) Wir sprechen für die deutschen Bauern, die keine Russland-Sanktionen wollen. Damit ist den Lebensmittelerzeugern aus Deutschland einer der drei größten Absatzmärkte genommen worden. Dank der Merkel-Regierung muss unsere Landwirtschaft das jetzt alleine kompensieren. In den kommenden Jahren werden auch nach Einschätzung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft besonders kleine und mittlere Ferkelerzeuger ihren Betriebszweig aufgeben müssen. Das wird ein Strukturbruch in ganz Süddeutschland werden. Wollen wir das? Ich glaube nicht. ({3}) Herr Staatssekretär, bitte richten Sie Ihrer Ministerin auch aus: Setzen Sie sich im Landwirtschaftsministerium für die deutsche Landwirtschaft ein, und diskutieren Sie weniger über die Farben des Tierwohllabels! Reformieren Sie endlich die Rentenversicherung für Landwirte! Die Hofabgabeklausel ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Novellieren Sie vor allem die Agrarsubventionen! Kleinere Betriebe sollen einen größeren Anteil der Fördergelder bekommen, mit denen aktuell noch die Agrarindustrie gemästet wird. ({4}) Schaut man sich die Medienberichte an, stellt man fest, dass einige der größten finanziellen Nutznießer der alten Agrarsubventionen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sitzen. Sie haben dieses Hohe Haus zu einem Selbstbedienungsladen gemacht. ({5}) Damit muss jetzt Schluss sein. ({6}) Deutschland hätte mit der Einführung einer Subventionsobergrenze bei 150 000 Euro – Sie müssen zuhören – ({7}) allein im Jahr 2016  220 Millionen Euro einsparen können. Gerade die Kollegen der Bündnisgrünen schweigen auffällig häufig, wenn es um den Umbau dieser Förderung geht. ({8}) Warum eigentlich? Dabei ist doch der beste Naturschutz eine kleinräumige, familiär geprägte Landwirtschaft. Dafür stehen wir als AfD ein. Ich danke. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als Nächste spricht Susanne Mittag für die Fraktion der SPD. ({0})

Susanne Mittag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Als Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion habe ich den Haushalt auf tierschutzrelevante Dinge – das war die erste Aufgabe – und im Hinblick auf den Koalitionsvertrag durchgescannt. Der Koalitionsvertrag stellt schließlich die Arbeitsgrundlage und den Arbeitsauftrag für das Ministerium und die Ministerin dar. Wenn man den Haushalt durchliest, sieht man natürlich Licht und Schatten. Ich fange mit etwas Positivem an. Wir haben sehr gute Ansätze für das Tierwohl gefunden; das ist schon einmal eine feine Sache. Diese stammen aus dem Koalitionsvertrag. Es geht um die Weiterentwicklung einer nationalen Nutztierstrategie einschließlich des mehrstufigen Aufbaus einer staatlichen Kennzeichnung anhand verbindlicher Kriterien für Fleisch aus besserer Tierhaltung – also das Tierwohllabel – und die Verbesserung des Tierwohls in der Nutztierhaltung. Dabei sollen die Landwirte unterstützt und der Mehraufwand honoriert werden; das alles lässt sich schließlich nicht alleine organisieren. Das ist festgeschrieben und vereinbart und lässt sich in einem kleinen Teil dieses Haushalts wiederfinden. ({0}) – Ganz entspannt! Ministerin Klöckner hat sich dazu schon positiv öffentlich geäußert; das ist immer gut. Wir haben in den letzten vier Jahren sehr oft auf Entscheidungen gewartet. Aber nun scheint es eine positive Grundhaltung zu geben. Die Landwirte sollen bei dem Sprung in die Zukunft unterstützt werden. Es geht also um alle Landwirte; das ist eine feine Sache. Das Verramschen von Fleisch ist – das hatten Sie schon erwähnt – ethisch nicht vertretbar; das ist richtig. In diesem Fall können wir alle im Plenum zustimmen. Darüber reden wir schon länger. Nun muss es endlich verändert werden. ({1}) Darauf haben allerdings die Landwirte in ihrer jetzigen Lage relativ wenig Einfluss. Daher ist eine umgehende Festschreibung des Tierwohllabels erforderlich. ({2}) Zwar sind noch einige Verhandlungen offen, aber diese werden sicherlich in nächster Zeit geführt. Das Tierwohllabel umfasst nun das ganze Tier, von vorne bis hinten. Dem gesamten Tier soll es bei der Haltung besser gehen. Das wirkt sich auch auf die Qualität des verarbeiteten Fleisches aus. Wir reden nicht nur über 20 Prozent, sondern über 80 Prozent des Fleisches. Es geht also um das ganze Tier. Das wird in den Diskussionen gern nicht erwähnt, auch nicht in den öffentlichen. Aber das ist ganz entscheidend für die Glaubwürdigkeit des Labels und für die Landwirte, damit sie planen können. Weil alle Tiere es verdient haben, dass es ihnen besser geht, bis sie schließlich geschlachtet werden, und weil es keine Glückssache sein soll, in welchem Stall die Tiere stehen, ist ein verpflichtendes Label notwendig. ({3}) Wenn man sich mit Landwirten unterhält, stellt man fest, dass diese das genauso sehen. Wenn das Label nicht verpflichtend ist, besteht wie in den Jahren zuvor wieder die Gefahr, dass die Landwirte gegeneinander ausgespielt werden und keine Einwirkungsmöglichkeiten haben. Das Verpflichtende ist also sehr wichtig. Hierfür stehen im Haushalt erstmalig 15 Millionen Euro zur Verfügung; das ist ein Einstieg in ein sehr kurzes Haushaltsjahr. Es ist nicht so viel, aber wir haben ja, wie gesagt, ein sehr kurzes Haushaltsjahr, und daher finde ich das schon in Ordnung. Für das Marketing stehen 7 Millionen Euro zur Verfügung. Davon kann man nun halten, was man will, und sich fragen, warum das so viel sein muss, da das Label noch nicht einmal feststeht. ({4}) Für vier Jahre sind 70 Millionen Euro geplant. In diesem Verhältnis muss für die nächsten drei Haushaltsjahre erheblich mehr in die Unterstützung der Landwirte und die Umsetzung dieses Labels investiert werden. Das Interesse der in der konventionellen Tierhaltung tätigen Landwirte daran ist sehr, sehr groß. Diesen Erwartungen sollten wir entsprechen. Kommen wir nun kurz zu einer Schattenseite dieses Haushalts: Im Koalitionsvertrag sind weitere Handlungserfordernisse in diesem Bereich festgeschrieben worden, unter anderem in den Bereichen illegaler Welpenhandel, Tierheime, Wildtier- und Exotenhandel. Das ist zwar eine ganz andere Richtung, passt aber auch. Ja, grundsätzlich ist die Unterbringung der Tiere Ländersache; so wird immer sofort reflexartig argumentiert. Aber diese Vereinbarung ist schon etwas in die Jahre gekommen. Die Zeiten haben sich geändert. Der illegale Welpenhandel blüht und gedeiht – leider besonders in Süddeutschland; die wissen ihr Leid zu klagen. Verkäufe über das Internet gab es in dem Rahmen früher auch nicht. Die Zahl illegaler Tierbörsen hat zugenommen. Importe – legal oder illegal – sind in jeder Menge möglich. Tiere werden hier gezüchtet und an jedermann – das ist in Deutschland leider relativ frei gestaltbar – von überforderten, verantwortungslosen und laienhaften Züchtern und Haltern verkauft. Es besteht die Notwendigkeit verbesserter, aber auch speziellerer Haltungsbedingungen. Hunde, Katzen oder Schuppentiere werden nicht mehr wie vor 20 Jahren gehalten. Die Anforderungen sind höher geworden und überfordern Kommunen, Tierheime und Ehrenamtliche – das darf man auch einmal sagen –, die sich für den Tierschutz ganz massiv einsetzen, die zu jeder Tages- und Nachtzeit unterwegs sind und sich sehr verlassen fühlen, weil auch die Spendenbereitschaft der Menschen da massiv gesunken ist. Ich möchte mich bei den Ehrenamtlichen noch einmal ganz herzlich dafür bedanken, dass sie trotz dieser mangelhaften finanziellen Verhältnisse noch immer dabei sind. Für diese Ehrenamtlichen können Sie ruhig einmal klatschen. ({5}) Vor diesen Problemen kann der Bund die Augen nicht verschließen. Es sind nicht nur Veränderungen im Tierschutzgesetz erforderlich – das kommt noch –, auch der Umgang mit invasiven Arten in Deutschland ist Thema beim Bund; auch dazu kommen wir noch. Aber: Wie sieht es denn bundesseitig mit dem Tierwohl außerhalb der Nutztierstrategie aus? Da ist – leider, leider – trotz positiver Anknüpfung überhaupt nichts im Haushalt zu finden. Das ist sehr schade, aber Frau Klöckner als Ministerin ist diesen Dingen gegenüber ganz positiv eingestellt. Daher hoffe ich, dass wir da nachverhandeln können. Dass man dieses Thema im Haushalt komplett ignoriert, kann ich nicht nachvollziehen. Herzlichen Dank. ({6})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Gero Hocker für die FDP. ({0})

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Fuchtel, ich habe mich gemeinsam mit meiner Fraktion darüber gefreut, dass Sie eben erklärt haben, dass Sie die Lebensbedingungen in Stadt und Land anzugleichen beabsichtigen. Wir unterstützen Sie in diesem Ansinnen ausdrücklich. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür muss auf der einen Seite dann auch Geld in die Hand genommen werden bei den sinnvollen und wichtigen Investitionen. Auf der anderen Seite möchten wir Ihnen in den Haushaltsberatungen demonstrieren, dass man das Ziel – die Angleichung der Lebensverhältnisse – mit weniger Geld erreichen kann, und das werde ich Ihnen bei den Haushaltsberatungen in den nächsten Wochen deutlich machen. ({0}) Wir glauben, dass es unredlich ist, einerseits ständig die Einhaltung neuer und immer höherer Standards von unserer Landwirtschaft einzufordern – ich nenne nur die Düngeverordnung –, während auf der anderen Seite immer weniger Verbraucher bereit sind, hierfür auch einen angemessenen Preis zu zahlen. Am allerschlimmsten ist, dass die Landwirte dann auch noch systematisch von den Technologien abgeschnitten werden, die sie aber bräuchten, um diese neuen Herausforderungen auch bewältigen zu können. ({1}) Da sage ich Ihnen ganz konkret, meine Damen und Herren, verehrter Herr Kollege: Im Landwirtschaftsministerium sind im letzten Jahr 50 Millionen Euro an Personalmitteln nicht ausgegeben worden. Wir möchten Sie dafür gewinnen, dass davon Mittel in Höhe von 30 Millionen Euro umgewidmet werden und endlich den Zulassungsbehörden zugutekommen, die genehmigen dürfen, dass neue Technologien und neue Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft angewendet werden können. Den Rest des Geldes können Sie gern für die Schuldentilgung verwenden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, um unsere Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen. ({2}) Herr Kollege Fuchtel, der Koalitionsvertrag formuliert es in den Zeilen 3 912 und 3 913, dass Sie – ich darf das mit der Zustimmung des Präsidenten kurz zitieren – „nachfrageorientiert“ den „Ökolandbau weiter ausbauen“ möchten. Sehr geehrter Herr Staatssekretär, das ist in unseren Augen ein Widerspruch in sich. Das erkennt man, wenn man sich gleichzeitig anguckt, wie die tatsächlichen Konsumsituationen aussehen: Im Jahr 2017 wurden ganze 8 Prozent der Nahrungsmittel mit dem Biosiegel versehen, während über 90 Prozent aus konventioneller Herstellung stammen. Hier von einem gesellschaftlichen Wunsch nach Strukturveränderungen zu sprechen, ist, das sage ich Ihnen, an den Haaren herbeigezogen. Wir sind der Ansicht, Herr Kollege, dass es eben der Verbraucher ist – und nicht der Staat –, der entscheidet, ob er zur Fußball-WM eine konventionelle oder eine Biobratwurst verzehrt. ({3}) Es ist nicht Ihre Aufgabe als Regierung, darüber zu entscheiden. ({4}) Dieses Geld – die zusätzlichen 10 Millionen Euro, die Sie da investieren wollen, ein Aufwuchs von 50 Prozent von 2017 auf 2018 – wäre besser angelegt, wenn Sie endlich in die Digitalisierung im ländlichen Raum investieren würden. ({5}) Unser Fokus liegt darauf, Geld in die Zukunftsbereiche von Landwirtschaft und ländlichen Räumen umzuschichten. Dazu gehört ausdrücklich auch, die Diskussion darüber zu führen, wie man eine noch schonendere Bodenbearbeitung hinbekommen kann, wie man es hinbekommt, dass noch weniger Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden – es waren in den letzten Jahren schon historisch niedrige Zahlen –, und wie man es letzten Endes auch hinbekommt, dass freiwillige Initiativen für mehr Transparenz in Sachen Tierwohl auch tatsächlich auf den Weg gebracht werden können. Mir sagen Landwirte in Niedersachsen: Wir würden uns so gerne eben nicht mehr als Opfer von irgendwelchen Tierrechtsorganisationen sehen, die des Nachts in Ställe einbrechen, die Videoaufnahmen machen und häufig manipulieren und sie dann häufig genug meistbietend an irgendwelche Fernsehsender verkaufen, sondern wir möchten das gerne selber in die Hand nehmen. Wir möchten dafür sorgen, dass Transparenz herrscht, dass in unseren Ställen vielleicht eine Kamera aufgehängt wird, damit der Verbraucher tatsächlich eins zu eins 24 Stunden am Tag nachprüfen kann, wie es den Tieren bei uns geht und ob wir tatsächlich alle Tierwohlbestimmungen akribisch einhalten. – Aber diesen Leuten muss ich sagen: Das geht leider nicht; denn bei dir in Niedersachen auf dem Land gibt es keine Breitbandversorgung. Du kannst diesen Livestream gar nicht ins Internet stellen. ({6}) Da muss das Geld investiert werden, und da reißen Sie leider die Latte. Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten setzen alte, aber auch neue Schwerpunkte. Neben einer leistungsfähigen Landwirtschaft liegt uns auch das Tierwohl in besonderer Weise am Herzen. Wir werden in den nächsten Wochen Initiativen auf den Weg bringen, die unter anderem thematisieren werden, wie man es denn hinbekommt, dass ab 2019 endlich nicht mehr 50 Millionen männliche Küken, unmittelbar nachdem sie geschlüpft sind, getötet werden, weil es für sie keine industrielle Verwendung gibt. Das sind Zustände, die wir verändern wollen, weil wir glauben, dass wir moralisch dazu verpflichtet sind. ({7}) Wenn ich mir daneben den Haushaltsentwurf von Union und SPD angucke und mir vergegenwärtige, dass es sich bei dem Landwirtschaftsministerium um ein Haus handelt, das von der Union geführt wird, dann muss ich sagen, dass sich das fortschreibt, was wir in den letzten vier Jahren gesehen haben: Sie sind an vielen Stellen sehr „durchgegrünt“, indem sie teilweise sogar Wordings, Vokabeln übernehmen, die eigentlich von einer anderen politischen Partei stammen. ({8}) Ich kann nur hoffen, dass das Landwirtschaftsministerium die Chuzpe hat, dieser offensichtlichen Strategie Ihrer Partei, der CDU, die ihr Wählerpotenzial künftig eben nicht mehr so sehr in den ländlichen Regionen, sondern eher in dem urbanen Milieu sieht, etwas entgegenzusetzen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank, Herr Hocker. – Nächste Rednerin ist Amira Mohamed Ali für die Fraktion Die Linke. ({0})

Amira Mohamed Ali (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004823, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Vorrednerin aus meiner Fraktion, Heidrun Bluhm, hat damit geendet – ich beginne damit –: Die Ministerin Klöckner hat in ihrer Regierungserklärung gesagt, das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft sei das Lebensministerium. ({0}) Das hat mich erst mal gefreut; denn es betont die Bedeutung, die diese Themen für die Menschen haben. Es geht um unser Essen, um gesunde Ernährung. Es geht um die Frage, ob wir die Agrarwende auf den Weg bringen, unsere Landwirtschaft zukunftsfähig machen. Es geht um den Schutz unserer Tiere, unserer Böden und der Gesundheit der Menschen. Ich frage mich allerdings, wie ernst Sie es mit dem „Lebensministerium“ meinen; denn nur 3 Prozent des Gesamtbudgets, also rund 167 Millionen Euro, sind für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und für die Ernährung eingeplant. Das erscheint mir zu wenig. ({1}) Zum Vergleich: Alleine der Verteidigungshaushalt soll in diesem Jahr mehr als 38 Milliarden Euro verschlingen. Sind Ihnen die Lebensmittelskandale der letzten Jahre entgangen? Bekommen Sie nicht mit, dass immer mehr Menschen aufgrund ungesunder Ernährung ernsthafte gesundheitliche Probleme haben? Für Die Linke ist klar: Wir brauchen in der Lebensmittelpolitik bessere Kon­trollen. Es nützt nichts, das nur zu sagen; dafür muss man auch Geld in die Hand nehmen. ({2}) Stichwort „Geld“: Immer mehr Menschen fehlt das Geld, um sich gesund ernähren zu können. Die Ministerin hat genau das vor kurzem abgestritten. Aber, ich denke, da verschließen Sie die Augen vor der Realität. Wir haben eine Zwei-Klassen-Ernährung in unserem Land. Jedes vierte Kind in Deutschland ist inzwischen von Armut betroffen. Wissen Sie, wie viel im Hartz-IV-Regelsatz am Tag für Essen und Trinken für ein zwölfjähriges Kind zur Verfügung steht? Das sind keine 3 Euro. ({3}) Dafür können Sie kein Kind im Wachstum ausreichend und gesund ernähren. Ich finde das unerträglich. Die Linke akzeptiert das nicht. ({4}) Das Problem, die eigenen Kinder nicht gesund ernähren zu können, betrifft nicht nur Eltern in Hartz IV. Es betrifft immer mehr Familien, die von hohen Mieten und Energiekosten erdrückt werden, die im Niedriglohnsektor arbeiten, zum Beispiel im Lebensmitteleinzelhandel. Auch darum fordert Die Linke kostenlose Schulverpflegung mit frischem, gesundem Essen. Es geht um einen guten Start ins Leben, und den verdienen alle Kinder. ({5}) Kolleginnen und Kollegen von der Regierung, ich weiß ja, dass Sie Hartz IV gut finden, den Niedriglohnsektor nicht eindämmen wollen, dass Sie also die notwendigen Schritte nicht gehen wollen, um die Situation der Eltern zu verbessern. Aber ich bitte Sie: Gehen Sie doch wenigstens diesen einen Schritt für die Kinder! Stimmen Sie unserem Antrag zu! ({6}) Für Rüstung und Verteidigung wollen Sie mehr als das Sechsfache dessen ausgeben, was gesundes Essen in Schulen kosten würde. Setzen Sie bitte die richtigen Prioritäten! Ich komme zu einem weiteren Thema. Die Regierung plant 7 Millionen Euro ein, um ein Tierwohllabel einzuführen. Aber ich bin, offen gesagt, etwas skeptisch, was die Ernsthaftigkeit Ihrer Absichten zum Tierwohl angeht. Was in diesem Haus zu diesem Thema gerade schon gesagt wurde, hat mich darin bestärkt. Im Koalitionsvertrag steht – ich zitiere –: Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden. ({7}) Als Juristin möchte ich Ihnen dazu sagen: Einbruch auf fremdem Grund und Boden ist bereits strafbar. ({8}) Aber Sie wollen einen extra Straftatbestand schaffen. Worum geht es hier? Warum ist das notwendig? Das Landgericht Magdeburg und das Oberlandesgericht Naumburg haben jüngst in bestimmten Fällen Tierschützer, die in Ställe eingedrungen sind, um dort die furchtbaren Missstände zu dokumentieren und zur Anzeige zu bringen, freigesprochen. Begründet wurde das mit der vorhandenen Notstandssituation; denn die Behörden sind aktuell nicht gut genug ausgestattet, um die Betriebe hinreichend zu kontrollieren. ({9}) Die Behörden werden auch erst aktiv, wenn handfeste Beweise für Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vorliegen. – Herr Kollege, Sie sprechen von Anarchie. Das sind Gerichtsentscheidungen. ({10}) Jetzt wollen Sie unser Strafrecht ändern, damit die Gerichte die Tierschützer nicht mehr freisprechen können, um sie davon abzuhalten, die Tierquälerei ans Tageslicht zu bringen. ({11}) Sie wollen Einbrüche in Tierställe effektiv ahnden. Ahnden Sie lieber die Verstöße gegen das Tierschutzgesetz effektiv! ({12}) Sorgen Sie dafür, dass die Veterinärbehörden mit den notwendigen Mitteln und Befugnissen ausgestattet werden, das Tierschutzgesetz durchzusetzen! Dann endet auch die Notstandssituation. ({13}) Weil morgen der islamische Fastenmonat beginnt, möchte ich die Gelegenheit, heute hier sprechen zu können, dafür nutzen, aus dem Deutschen Bundestag allen Musliminnen und Muslimen in diesem Land einen guten Ramadan zu wünschen. Danke. ({14})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist der Kollege Harald Ebner, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Connemann, man muss nicht hinter allem stehen, was diverse NGOs machen; aber wenn man die Gemeinnützigkeit von Verbänden und Tierschutzorganisationen infrage stellt, dann stellt sich für mich die Frage: Warum kritisiert man nicht zuallererst die Tat, sondern diejenigen, die die Tat aufdecken? ({0}) Warum kritisieren Sie dann nicht diejenigen, die nicht richtig kontrollieren? Darum geht es doch an dieser Stelle. ({1}) Herr Staatssekretär Fuchtel – er ist noch da –, Sie haben viele schöne Worte über den Haushalt verloren. Ihre Worte höre ich wohl: 1,5 Milliarden Euro zusätzlich. Ich finde dieses Geld aber nicht im Haushaltsentwurf. Deshalb: Ihre schönen Worte höre ich wohl. Allein, mir fehlt der Glaube. Seit 2005 ist das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unionsgeführt. Es kommt nun darauf an, dass man nicht mehr lange redet und nicht mehr lange abwartet, Kollege Stegemann, sondern es geht darum, dass Butter bei die Fische kommt und nicht erst 2021 irgendetwas fertig wird. Sie liefern stattdessen Überschriften. Große Projekte der Koalition? Nicht im Haushalt! Endlich eine Agrarwende? Fehlanzeige! Mit dem Haushalt wird einfach so wie bisher weitergemacht: Volle Kanne in die Sackgasse! Die Ministerin hat die Bienen als Lieblingsthema entdeckt. Das ist schön. Am Sonntag ist Weltbienentag. Am Donnerstag weiht das Bundesministerium im Innenhof Blüten und Blumen ein. Schön! Das geht immerhin schon über die reine verbale Aufgeschlossenheit hinaus. Aber soll das alles sein? Reicht das aus? Ich sage mal: Das ist reine Kosmetik, aber das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Ein Verbot von Neonikotinoiden: ein schöner Anfang, aber nur der erste Schritt. Wer Bienen als Indikator und als Bestandteil unserer Existenzgrundlage, der Ökosysteme, retten will, der muss mehr liefern. ({2}) Der muss in Alternativen zu Pestiziden investieren, in die Nutzung von Nützlingen, in die Kombination Digitalisierung und Mischkulturen, in die Züchtung vor allem von Kulturen, die nicht so weit verbreitet sind. Da kann man viel für die Blütenvielfalt tun. Das bildet sich aber nicht im Haushalt ab, Herr Staatssekretär. Im Gegenteil: Das Bundessortenamt muss wieder einen weiteren Verlust von 1 Million Euro verzeichnen. Ihre Antwort auf das Insektensterben? Beschleunigte Zulassungsverfahren von neuen Pestiziden. ({3}) Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass wir mit dem Teufel- und Beelzebub-Spiel immer weitermachen. ({4}) Ansätze gäbe es genug. Eine Ackerbaustrategie wurde genannt. Das Bundesprogramm „Ökologischer Landbau“ erfährt einen Aufwuchs um 50 Prozent. Aber das liegt immer noch bei 50 Prozent dessen, was der Deutsche Bauernverband fordert. Da ist Luft nach oben, zumal in der Forschung. Für die Ackerbaustrategie stehen null Euro im Haushalt, Herr Staatssekretär. Sie verwalten hier den Status quo. Sie blicken nicht auf die Zukunft. Aber die Zukunft hat auch eine globale Perspektive. Der FDP rate ich, in die Ressortverteilung zu schauen. ({5}) Darin stehen beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft das Recht auf Nahrung und die Welt­ernährung. ({6}) Deshalb ist es richtig, dass sich das BMEL um dieses Thema kümmert. Das wünsche ich mir wirklich, Herr Fuchtel. Auch da gibt es keinen Aufbruch. Staatssekretär Stübgen hat gesagt: Das ist ein handlungsleitendes Motiv. – Aber wo denn, bitte, findet sich das im Haushalt? Die Ministerin erklärt den Export zum Markenkern der deutschen Agrarwirtschaft. Aber der Export ist kein Mittel gegen den Welthunger. Die Frage ist nicht: „Wie ernähren wir die Welt?“, sondern die Frage ist: Wie ernährt sich die Welt? ({7}) Ernährungssouveränität beginnt bei den Menschen und Kleinbauern in den Hungerländern. Für dieses Thema stellen Sie 5 Millionen Euro zusätzlich bereit. Chapeau! Chapeau! Chapeau? 5 Millionen Euro bei einem Haushalt von 6 Milliarden Euro – das ist doch ein Minitropfen auf ganz viele heiße Steine. Wir werden sehr genau schauen, was damit passiert. ({8}) Wir werden auch schauen, was beim Thema Ernährung passiert. 2007 – das ist mein letzter Punkt – hat der damalige Gesundheitsminister Seehofer 70 Milliarden Euro an Folgekosten aus der Fehlernährung identifiziert. Wo stehen wir heute? Die Ministerin redet von Reduktionsstrategie, schließt aber sofort alle anderen Lösungen aus und verweigert den Blick in die Nachbarländer, in denen Limosteuer und Ampelkennzeichnung ausprobiert werden. Da sage ich: Das ist zukunftsvergessen. Lasst uns schauen, was die besten Lösungen sind. Die Nachbarn haben vielleicht auch etwas drauf. In diesem Sinne: Mehr Zukunft in diesen Haushalt! Danke schön. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist Artur Auernhammer für die CSU. ({0})

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Geschätztes Präsidium! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Beste, was momentan der Landwirtschaft passiert, ist draußen der Regen. Das sei nur nebenbei zu manchem Kollegen bemerkt, der hier schon gesprochen hat. Ein Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in Höhe von rund 6 Milliarden Euro und eine Erhöhung um 5,6 Millionen Euro sind ein starkes Signal dieser Bundesregierung für unsere heimische Landwirtschaft. Im vorigen Punkt hatten wir die Diskussion um den Umwelthaushalt. In dieser Debatte – einige der jetzt anwesenden Kollegen waren ja dabei – wurde auch sehr viel über Landwirtschaft diskutiert. Genau das zeigt uns, dass zwischen Landwirtschafts- und Umweltpolitik Diskussionsbedarf besteht. Ich bin unserer Bundesministerin Julia Klöckner sehr dankbar, dass sie diese Diskussion in Zukunft stärker führen und diese Diskussion auch wieder auf eine sachliche Grundlage zurückführen will. Herzlichen Dank dafür. ({0}) Gerade wenn es um solche Themen geht wie die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, um den Umgang mit dem Wolf oder andere Fragen, die uns in der Landwirtschaft beschäftigen, haben wir enormen Diskussionsbedarf. ({1}) Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, stehen auch vor einer großen Herausforderung. Auch wenn nicht jede Fraktion in diesem Hause dieser Meinung ist: Der Klimawandel stellt eine Herausforderung für die Landwirtschaft dar, weil wir Landwirte, weil alle, die in der Land- und Forstwirtschaft arbeiten, davon betroffen sind. Wir sind nicht nur Verursacher, vielmehr sind wir in erster Linie Betroffene; wir haben aber auch Lösungsansätze parat, wie man das Klima schützen und mit dem Klimawandel in Deutschland umgehen kann. Das sollten wir auch dementsprechend würdigen, und das geschieht auch mit dem vorliegenden Haushaltsansatz. Es ist deshalb auch wichtig, dass wir den Wald im Fokus behalten, auch wenn er im Namen des Bundesministeriums nicht mehr erwähnt wird. Wald- und Forstwirtschaft ist grundlegend für unser Land – gerade wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass über ein Viertel der Fläche Deutschlands aus Wald besteht und forstwirtschaftlich genutzt wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist bereits sehr viel über die Förderung des Ökolandbaus gesprochen worden. Es ist gut, dass wir in diesem Bereich einen Aufwuchs der finanziellen Mittel um 50 Prozent haben, aber allein die Förderung des Ökolandbaus ist nicht entscheidend. Entscheidend ist auch, dass der Verbraucher bzw. die Verbraucherin bereit ist, für Ökolebensmittel zu zahlen. Dazu erklärt man sich gerne vor Mikrofonen bereit. In den Supermärkten und Discountern ist eine entsprechende Bereitschaft aber nicht in dem Maße vorhanden. Da ist vielleicht noch etwas Aufklärungsarbeit zu leisten. Ökolandbau braucht auch vernünftige Erzeugerpreise. Es kann nicht sein, dass wir eine Zielmarke vorgeben, dass es soundso viel Prozent Ökolandbau in Deutschland geben soll. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Bäuerinnen und Bauern entsprechende Verdienstmöglichkeiten haben. Das muss eigentlich die Grundlage unseres politischen Handelns hier sein. Meine sehr verehrten Damen und Herren, viel wird zurzeit über Tierwohl und über andere Dinge, die die Landwirtschaft leisten soll, diskutiert. Gleichzeitig stimmen hier viele das Hohelied der kleinbäuerlichen Strukturen an. Wir müssen aufpassen, dass wir mit zusätzlichen Diskussionen nicht den Strukturwandel beschleunigen. Es muss unser Ansatz sein, ausgewogen zu handeln und auch die kleinbäuerlichen Strukturen bei den Umstellungsprozessen mitzunehmen. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg. Ich würde mir wünschen, hierfür noch etwas mehr Finanzmittel zur Verfügung zu haben. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landwirtschaft hat irgendwann einmal von Pferden und Kühen als Zugtiere auf Traktoren umgestellt. Die nächste große Herausforderung ist der gesamte Komplex der Digitalisierung. Ich selbst bin ein Freund der Digitalisierung. Für mich als Franken ist aber zumindest von der Aussprache her die digitale Traktorentechnologie eine Herausforderung. ({3}) Wir müssen diesen Prozess jedenfalls konstruktiv begleiten. Wir dürfen das Heft des Handelns nicht irgendwelchen ausländischen Technologiekonzernen in die Hand geben. Das muss bei uns in der Politik bleiben. ({4}) Deshalb finde ich es wichtig, dass wir eine entsprechende Rahmengesetzgebung machen, bei der auch das Thema Datenschutz eine Rolle spielt. Der angedachte Ansatz in Höhe von 10 Millionen Euro im Haushalt dafür ist richtig. Ich danke auch dafür, dass dem Thema „soziale Sicherung“ in diesem Bundeshaushalt ein hoher Stellenwert zukommt. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung wird nach wie vor kräftig unterstützt. Herzlichen Dank dafür. Eine Kürzung, die vielleicht angedacht war, würde über 30 Prozent höhere Beiträge für unsere landwirtschaftlichen Betriebe nach sich ziehen. Das wurde verhindert. Das ist ein wichtiges Signal für unsere Bäuerinnen und Bauern. ({5}) Wir werden auch in dieser Legislaturperiode eine Diskussion über die zukünftige Agrarpolitik in Europa haben – wie wir sie gestalten, wie wir sie ausführen. Es wird sicherlich eine spannende Diskussion, weil wir im Blick haben müssen, welche Betriebe wir fördern. Es ist schon angesprochen worden: Gerade die erste Säule ist einkommensrelevant. Sie ist eine wichtige Säule für das Einkommen unserer Bäuerinnen und Bauern. Die müssen wir weiter ausgestalten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Rahmen der zweiten Säule haben unsere Bundesländer sehr viele Möglichkeiten, etwas für die Landwirtschaft zu tun. Ich kann nur die Bundesländer dazu ermuntern, sich wieder ihrer Verantwortung bewusst zu werden und die Mittel der zweiten Säule zu nutzen, wie es der Freistaat Bayern zum Beispiel macht. ({6}) Wir könnten hier noch viel mehr Geld einsetzen. Lassen Sie uns das weiterhin für unsere Bäuerinnen und Bauern nutzen. Zum Schluss noch ein Satz. Bei all der Diskussion, die wir zur Landwirtschaft, zur Agrarpolitik führen, sollte eines nicht zu kurz kommen: die Wertschätzung für die Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern, die täglich dafür arbeiten, dass wir gesunde und ausreichende Lebensmittel zur Verfügung haben, und die damit eine Zukunftsperspektive für unsere Landjugend bieten. Vielen Dank. ({7})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als nächsten Redner rufe ich Johann Saathoff für die Fraktion der SPD auf. ({0})

Johann Saathoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004393, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haben Sie auch gerade vernommen, was sozusagen vom rechten Rand des Parlaments hinsichtlich der Entwicklung ländlicher Räume von sich gegeben wurde? Ich übersetze das mal mit meinen Worten: einfach freien Wettbewerb zulassen statt Förderprogramme für ländlichen Raum. Förderprogramme für ländlichen Raum – so habe ich es gerade verstanden – sind Verschwendung von öffentlichen Mitteln. Ich will an dieser Stelle kein wirtschaftspolitisches Grundsatzreferat halten; das erspare ich Ihnen. Aber wenn das ginge, was Sie sich vorstellen, dann hätten wir keine unterschiedlichen Lebensbedingungen im ländlichen Raum und in den städtischen Bereichen. Stadt und Land haben jedoch ganz unterschiedliche Ausgangsszenarien. Handeln nach dem Motto: „Pech gehabt, wer auf dem Land lebt“, entspricht dem, wo sich der rechte Rand des Parlaments vermeintlich wiederfindet. Wir von der SPD-Bundestagsfraktion jedenfalls lassen die Menschen im ländlichen Raum nicht einfach so im Stich, sondern wir kämpfen für Förderprogramme für ländlichen Raum. ({0}) Dabei ist das BULE eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wer die 1,5 Milliarden Euro sucht, Kollege Ebner, der muss in den Koalitionsvertrag gucken. ({1}) Damit meinen wir es schon ernst. Es geht um Infrastruktur: Straßen, Wege, Plätze. Es geht um Breitbandausbau und nicht nur um das Projekt „Schöner Wohnen auf dem Land“, sondern vor allen Dingen um schöner und besser Wirtschaften auf dem Land. 1,5 Milliarden Euro, meine Damen und Herren – das ist eine Menge Geld, aber in Ostfriesland würde man sagen: Kummt man over de Hund, kummt man ok over de Steert. ({2}) Wenn wir schon über die Entwicklung ländlicher Räume reden, dann wollen wir auch über die Energiewende reden; denn die Energiewende findet im ländlichen Raum statt. Dazu habe ich heute noch nichts gehört. Ich will an dieser Stelle deutlich sagen, dass zur Energiewende keine Bauernmaut gehört – Entschuldigung, ich hätte fast „Bayernmaut“ gesagt, aber es heißt „Bauernmaut“ –; ({3}) denn darüber freut sich nur der Grundstückseigentümer. Die Landwirte sind dadurch eher zusätzlich belastet als entlastet. Wenn jemand in Süddeutschland eine Entlastungsmöglichkeit oder eine zukünftige Einnahmemöglichkeit für Landwirte sucht, dann sollte man ihm empfehlen, in erneuerbare Energien zu investieren und die eigene bayerische Landesregierung darauf hinzuweisen, dass die Abstandsregelungen vielleicht mal überdacht werden müssten. ({4}) Das ist ein vernünftiger Weg. Dann ist eine dritte Ernte möglich, dann wird das auch was. Aber nein, stattdessen werden die Stromnetze infrage gestellt. Keine Frage: Stromnetze sind der Flaschenhals der Energiewende; darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Aber wer Widerstand gegen die Netzausbauten leistet und meint, der Widerstand würde der Energiewende helfen, der täuscht sich gewaltig; denn letzten Endes brauchen wir die Netze, um die Entwicklung der Energiewende fortzusetzen und damit auch die Entwicklung für die Menschen im ländlichen Raum ein Stück weit voranzubringen. ({5}) Wenn ich schon über Netze rede, will ich noch ein Thema ansprechen, das mit Netzen zu tun hat, nämlich das Thema Fischerei. Wir haben ein großes Problem im Bereich der Fischerei. ({6}) – Ja, lieber Oliver, da staunst du, oder? Elegante Übergänge sind auch wichtig. – Wir haben Probleme in der Krabbenfischerei durch das Anlandungsgebot. Wer glaubt, das sei nur eine Nische, die keine Rolle spiele, der denkt nicht an die ländlichen Räume. Die Fischerei hat eine Menge Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu bieten, ganz junge Existenzgründer, und die Ausnahme vom Anlandungsgebot muss für die Fischerei unbedingt erhalten bleiben. Davon einmal abgesehen haben wir große Auswirkungen aufgrund des Brexit zu befürchten, nämlich dergestalt, dass wir in der Nordsee massiv Fanggebiete verlieren. Die deutschen Nordseeheringe werden komplett in britisch-deutschen Gebieten gefangen. Aus meiner Sicht ist es ganz besonders erforderlich, dass wir dazu in den Brexit-Verhandlungen eine vernünftige Lösung im Sinne unserer Fischerei finden. Wer glaubt, dass Fischerei kein so zentrales Thema sei, der sollte sich dessen bewusst sein, dass die Fischer­orte eine ganz enge Verbindung zum Tourismus haben. Ich komme aus der Gemeinde Krummhörn, wo es den Hafenort Greetsiel gibt. Eines der zentralen touristischen Elemente in Greetsiel sind die Krabbenfischer und die dort liegenden Krabbenboote. ({7}) Deshalb hat auch Fischereiförderung etwas mit Entwicklung ländlicher Räume und auch etwas damit zu tun, dass Tourismus sich entwickeln kann. ({8}) Sie sehen, wir haben in allen möglichen Bereichen Herausforderungen zu bewältigen. Das geht nicht, indem man einfach alles liegen lässt und sagt: „Das entwickelt sich über den Markt“, sondern das geht nur, indem wir als verantwortliche Regierung hier alles in die Hand nehmen, um eine vernünftige Strategie zur Entwicklung der ländlichen Räume bereitzustellen. In diesem Sinne: Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist Christian Haase für die CDU/CSU. ({0})

Christian Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004286, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als zuständiger Berichterstatter für das Lebensministerium wird mir die Ehre zuteil, für unsere Fraktion heute die Schlussworte zu sprechen. Wie bereits einige meiner Vorredner betont haben, ist es richtig und wichtig, dass wir im Gegensatz zum ersten Regierungsentwurf das Gesamtbudget auf über 6 Milliarden Euro halten konnten. Das spiegelt meines Erachtens auch symbolisch die Bedeutung unseres Ministeriums wider; denn eines ist klar: Wir lernen in der Politik, wir erkennen neue Herausforderungen und Aufgabenfelder, und das heißt natürlich auch, dass wir dafür Geld zur Verfügung stellen müssen. Da nenne ich als Beispiel die Schaffung eines Bieneninstituts, welches als Pars pro Toto für die Bedeutung und unsere Verantwortung für Insekten steht. Mit dem geplanten Bieneninstitut hat das Ministerium einen bedrohlichen Trend erkannt. Noch können wir rechtzeitig reagieren, um die Bienen und andere Insekten zu schützen. ({0}) Albert Einstein soll einmal gesagt haben: Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. – Ich glaube, das war nicht von Albert Einstein, sondern wird ihm nur zugeschrieben. Das ändert aber nichts daran, dass er im Grunde recht hat. Das Ökosystem ist komplex, und wir wissen: Wenn wir einen Stein herausbrechen, kommt das System ins Wanken; vielleicht bricht es sogar und fällt um. ({1}) – Da sind wir bei. ({2}) Wir wissen, dass zum Beispiel in China schon mit Hand bestäubt werden muss. Das wollen wir in Deutschland nicht erleben. Es freut mich, dass unsere Ministerin diesen Trend erkannt hat, dass sie neue und frische Ideen hat. Wir wollen demnächst auf den Dächern der Ministerien Bienenstöcke installieren. Ich weiß, das ist nur ein kleiner Anfang; aber wo ein kleiner Anfang ist, wird auch einmal ein großes Ende sein. ({3}) Wir alle müssen uns einmal selbst fragen, was wir an dieser Stelle tun. Ich habe zum Beispiel in meinem Garten schmetterlingsfreundliche Büsche angepflanzt, damit die Schmetterlinge auch zu anderen Zeiten noch etwas haben. Ich habe zusammen mit meinen Nachbarn eine Weide gepachtet. ({4}) Dort werden wir eine Wildwiese einrichten. Ich glaube, jeder kann bei diesem Thema etwas tun. ({5}) Meine Damen und Herren, eines der wichtigsten Themen in unserer Wahlperiode ist für mich die Unterstützung der ländlichen Regionen in unserem Land. Alle reden von der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Wir setzen demnächst eine Kommission ein. Sie wird sicherlich richtige und wichtige Ergebnisse finden. Aber ich glaube, wir können schon jetzt etwas tun. Deshalb ist es gut und richtig, dass im Koalitionsvertrag 1,5 Milliarden Euro für die Landwirtschaft und für die ländlichen Räume eingeplant sind. Für diejenigen, die es nicht gefunden haben: 750 Millionen Euro sind jetzt schon im Haushalt – Einzelplan 10 – eingeplant, 750 Millionen Euro sind auch im Einzelplan 60 und werden mit dem Haushalt 2019 in unseren Haushalt umgeplant. Da ist dieses Geld meines Erachtens auch gut und richtig aufgehoben, zum Beispiel in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Dafür sind wieder 765 Millionen Euro vorgesehen, und mit den 10 Millionen Euro für den Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“ machen wir auch deutlich, dass dies kein Thema nur für den Bund ist, sondern dass wir das zusammen mit den Ländern gestalten wollen. Viel Erfolgspotenzial sehe ich weiterhin im Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“. Ich will Ihnen einmal beispielhaft erzählen, was mit diesem Geld passiert. In meinem Heimatkreis, dem Kreis Höxter, erhalten 17 innovative Projekte aus den verschiedenen Modulen Fördergelder in Höhe von ungefähr 2 Millionen Euro. Damit aktivieren wir bei uns im Kreis 10 000 Menschen im ländlichen Raum zur Mitarbeit. Wir haben vor Ort 500 junge Menschen durch Projekte zur Partizipation, Mobilität und Kultur angesprochen. Wir erzeugen damit im ländlichen Raum Bindungseffekte; denn wenn sich jemand für seine Heimat einsetzt, dann ist die Chance wesentlich höher, dass er anschließend dort bleibt. Wir unterstützen 250 ältere Menschen durch systematische Nachbarschaftshilfe. 140 Mitbürger haben sich zu sogenannten Dorfdigitalexperten weiterbilden lassen. Sie programmieren Apps, um Mitfahrgelegenheiten, Lieferdienste und Einkäufe besser zu koordinieren. Damit fördern wir auch 50 kleine Unternehmen und Direktvermarkter beim Vertrieb und der Logistik. Insgesamt sind neue Wertschöpfungsketten entstanden, und wir haben die Produktqualität erhöht. Auch wenn Frau Malsack-Winkemann seit einigen Stunden nicht mehr bei uns ist, möchte ich ihr sagen: Wenn Sie diese Programme abschaffen – das will die AfD –, dann lassen Sie die Menschen im ländlichen Raum im Stich. Das kann nicht die Politik des Bundes sein. ({6}) Ich glaube, wir können hier von einer Win-win-Situation sprechen. Wir fördern nicht nur die Menschen und die Region, sondern wir sind natürlich auch Vorbild und Blaupause für andere Regionen in unserem Land. Ich unterstütze den Vorschlag des Ministeriums an dieser Stelle sehr, aus diesem Programm demnächst auch Start-ups zu fördern; denn wir müssen gerade jungen Menschen im ländlichen Raum eine berufliche Perspektive bieten, wenn wir sie dort halten wollen. Erfolgreiche Jungunternehmer sichern ja nicht nur ihre eigene Existenz, sondern schaffen auch Arbeitsplätze für andere. Ich freue mich, dass die Ministerin hier innovativen Ansätzen folgt. Ich betone noch einmal, wie viel Initiativen vor Ort tatsächlich bewegen können, wenn sie denn Unterstützung des Bundes bekommen. Ich will abschließend beispielhaft den Bundesverband der Regionalbewegung e. V. erwähnen, den das BMEL mit diesem Haushalt zum ersten Mal institutionell fördert. Der Verein versteht sich als Dachverband für die vielfältigen Akteure der regionalen Wirtschaft. Zu seinen Aufgabenbereichen gehören neben der Nahversorgung mit Lebensmitteln des täglichen Bedarfs auch die regionale Schulentwicklung, regionale Finanzdienstleistungen und das regionale Handwerk. Bei mir im Wahlkreis sorgen Kulturland Kreis Höxter und Lippequalität e. V. mit großem Erfolg dafür, uns unsere liebens- und lebenswerte Region besser ins Bewusstsein zu rufen. Nur so kann es gehen, meine Damen und Herren. Nur wenn wir regionale Wertschöpfung erhalten und stärken, wenn wir Bleibeperspektiven für die Menschen in den ländlichen Regionen schaffen, werden unsere Kulturlandschaften in Deutschland erhalten bleiben. ({7}) Dass das BMEL diese Initiativen fördert, heißt, dass es verstanden hat. Die große Politik muss nicht alles vor Ort lösen wollen; es reicht hier Hilfe zur Selbsthilfe. Ich kann nur sagen: Das ist gut so! Weiter so! ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Budde für die Fraktion der SPD. Wenn ich es richtig sehe, ist das ihre erste Rede im Deutschen Bundestag und zugleich die letzte Rede unserer heutigen Haushaltsberatung. – Frau Budde. ({0})

Katrin Budde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004686, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht nur die erste Rede, es ist mir eine Ehre, auch das letzte Wort heute bei diesem Einzelplan zu haben. Das muss man mit der ersten Rede erst einmal schaffen. Immerhin. Der Haushalt des Bereichs Ernährung und Landwirtschaft ist nicht unbedingt der größte Haushalt. Es ist ein großer, aber vieles – wir haben es gehört – ist im Bereich der sozialen Sicherungssysteme angesiedelt. Es ist auch nicht der, der immer die lauteste Auseinandersetzung hervorruft. Aus 27 Jahren Landespolitik weiß ich, dass es unter den Bäuerinnen und Bauern dann doch immer viel Einigkeit gibt. Vielleicht sollte er aber doch ein Haushalt mit einer großen Auseinandersetzung sein, nicht weil wir in den Fragen und Inhalten so zerstritten sind, sondern weil es der Haushalt ist, der einen entscheidenden Teil unseres Lebens abbildet. Landwirtschaft, Forst- und Ernährungswirtschaft sind entscheidende Säulen unserer Wirtschaft. Sie haben Einfluss auf das Essen, die Gesundheit, die Umwelt und die Umgebung, in der wir leben. 80 Prozent der Bundesrepublik sind ländliche Räume. Sie sind sehr differenziert und unterschiedlich, aber es sind ländliche Räume. Genau deshalb muss die Politik für ländliche Räume sichtbarer, effektiver und wirkungsvoller werden. Dies muss ein Kernthema des Ministeriums in dieser Legislatur sein. Ich erhoffe mir – das, Herr Fuchtel, geht jetzt sozusagen an Ihre Chefin – durch den Führungswechsel an der Spitze des Ministeriums auch etwas mehr Empathie und Fingerspitzengefühl. Der weibliche Blick für das Wesentliche und für Nachhaltigkeit, also Verantwortung für gegenwärtige und folgende Generationen, ist ja meist – und das schon seit Jahrtausenden – etwas geschärfter, und das kann sehr gut sein. Wenn man über ländliche Räume redet, meine Damen und Herren, dann trifft man ja im Grunde immer wieder auf gute alte Bekannte, nämlich Themen wie Mobilität, Gesundheitsinfrastruktur, Bildungsinfrastruktur, Versorgung. Es wird immer über diese Dinge geredet, wenn wir über ländliche Räume sprechen. Daneben schiebt sich aber seit einigen Jahren, in den letzten Monaten noch einmal verstärkt, das Thema Digitalisierung als ein neues Querschnittsthema der Daseinsvorsorge dazwischen – nicht nur in Ballungszentren, sondern insbesondere in ländlichen Räumen. ({0}) Erreichbarkeit in der digitalen Welt bzw. über die digitale Welt ist auch als Schlüssel für neue, andere, zusätzliche und interessante Arbeitsplätze unerlässlich. Einfach alles in der heutigen Welt ist von Erreichbarkeit und Schnelligkeit abhängig. Manchmal mag man darüber auch denken: leider. Das denke ich auch oft; aber man braucht sie. Doch um die wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raumes zu stärken, benötigen wir auf der einen Seite schnelles Internet, auf der anderen Seite brauchen wir aber auch eine größere regionale Wertschöpfung, regionale Verarbeitung und regionale Vermarktung. Das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ ist gut. Die Verstetigung der Mittel im Bundeshaushalt ist richtig und wichtig. Dass sie noch nicht alle vollständig abgerufen werden, zeigt, dass noch viel Arbeit vor uns liegt. Eingeplante und dennoch verfallene Mittel helfen weder den Menschen vor Ort, den Bäuerinnen und Bauern, noch denjenigen, die in der ländlichen Region etwas aufbauen wollen, oder der gesamten Gesellschaft. Also müssen wir erreichen, dass die Mittel abgerufen werden. Wir halten an unserem Ziel der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse fest. Die Haushaltsmittel sind dabei nur Mittel zum Zweck; wir müssen etwas daraus machen. ({1}) Ein entscheidender Punkt ist dabei – das wurde schon oft gesagt und ist deshalb nicht falsch, sondern umso wichtiger – die regionale Wertschöpfung. Regionale wirtschaftliche eigenständige Strukturen, die tragen, sind gesund und umweltfreundlich. Regionalität ist nicht das Zauberwort, das alle Probleme löst, ist aber entscheidend. Regionalität ist der Schlüssel, um dem Ziel, unseren Regionen vor Ort wieder Lebenskraft zu geben, ein wenig näherzukommen. Deshalb können wir uns auch gut vorstellen, eine Ergänzung vorzunehmen und ein Modul für regionale Wertschöpfung und Vermarktung im Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ aufzunehmen. Geld ist ja ganz offensichtlich da; wir müssen es nur sinnvoll ausgeben können. Auch die Gründung des Kompetenzzentrums Ländliche Entwicklung mit ressortübergreifendem Ansatz ist ein solcher Baustein für integrative Politik, für Zusammenarbeit und gegen Ressortdenken. Begleitforschung ist dabei übrigens immer wichtig, meine Damen und Herren von der AfD, und nicht ein notwendiges Übel. ({2}) Ein Thema, das ich noch zum Schluss ansprechen möchte, mir extrem wichtig ist, aber nicht unmittelbar mit dem Haushalt zu tun hat, ist der drohende Ausverkauf von Grund und Boden an Finanzinvestoren oder an Gesellschaften, die mit Grund und Boden handeln oder Grund und Boden als Geldanlage sehen. Wir brauchen die bodengebundene, die inhabergeführte, die bäuerliche Landwirtschaft. Egal ob es große, kleine oder mittlere Betriebe sind – es muss eine gute Mischung geben. Wir brauchen die Bäuerinnen und Bauern als Eigentümerinnen und Eigentümer in der Region, in der sie arbeiten und wohnen. Sie kennen ihr Land. Sie kennen ihre Region. Sie kennen die Witterungsbedingungen. Sie wissen, was zu machen ist. Sie wissen, was Verantwortung für die nächste Generation heißt. Und auch wenn dies kein zentrales Haushaltsthema ist, muss es hier doch einmal angesprochen werden. Wir müssen helfen, Lösungen zu finden – im Haushalt und außerhalb des Haushalts. Es ist gerade ein akutes ostdeutsches Problem; aber ich habe gelernt: Es macht vor anderen, westlicheren Bundesländern nicht halt. Ich habe aus Baden-Württemberg gehört, dass es auch dort Probleme gibt. Also, zum guten Schluss: Perspektiven für ländliche Räume schaffen, heißt Arbeiten, Wohnen und das Gesundheitssystem fördern, heißt Infrastruktur für Mobilität auf Straße, Schiene und im Netz ausbauen, heißt Schulen, Kitas und Horte finanziell besser ausstatten, heißt Studium und Facharbeiterausbildung in der Fläche ermöglichen, Familiengründung und Modern-leben-Können fördern, heißt, die Abwanderung der klugen, jungen Frauen stoppen. Wir können auch Traktoren und Krane fahren. Wir können all das, was die Männer können; aber ohne kluge junge Frauen in der Region wird es ein wirkliches Problem geben. Das heißt, wir müssen ihre Abwanderung stoppen. Heimat ist mehr als das Aufhängen von Kreuzen. Das sage ich, auch wenn ich selbst katholisch bin. Vielen Dank fürs Zuhören. ({3})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Wir sind damit am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 16. Mai 2018, 9 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Feierabend und sage abschließend: Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.24 Uhr)