Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bildung und Forschung genießen hier im Parlament, aber auch in der Bundesregierung höchste Priorität. Deswegen haben wir in dieser Legislaturperiode auf der einen Seite strukturelle Veränderungen initiiert und gleichzeitig so viel noch nie in Bildung und Forschung investiert. Mit mittlerweile 20,8 Milliarden Euro fördern wir Maßnahmen und Programme zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Zukunftsfähigkeit unseres Innovationslandes Deutschland.
Lassen Sie mich einige Beispiele herausgreifen. Der erste in Europa zugelassene gegen das Coronavirus wirksame Impfstoff ist von BioNTech in Mainz entwickelt worden, ein Unternehmen, das das BMBF schon in der Gründungsphase gefördert hat. Dass kein anderes Land außer den USA in diesem Bereich so viel investiert, zeigt, wie viel Wert wir auf die Zukunft legen und auch auf die Entwicklung eines eigenen Coronaimpfstoffes gelegt haben.
Auch beim Grünen Wasserstoff haben wir das Potenzial früh erkannt, und wir treiben mit unserer Förderung die Technologieentwicklung voran, damit Deutschland Ausrüster der Welt für Grünen Wasserstoff werden kann. Im Konjunkturpaket haben wir deshalb auch einen ganz klaren Schwerpunkt auf Zukunftstechnologien gesetzt, zum Beispiel auf künstliche Intelligenz, Quanten- und Kommunikationstechnologien, aber eben auch auf die Batterieforschung.
Wir haben die Attraktivität von Ausbildung und Studium gestärkt: hin zu mehr Vergleichbarkeit und Verzahnung und mit einem ganz starken Fokus auf das lebenslange Lernen.
Wir erleben, dass sich die Strukturen von akademischer und beruflicher Ausbildung in der Transformationsgesellschaft stetig weiterentwickeln. Daher müssen wir in der Bildungsfinanzierung natürlich immer wieder entsprechend nachjustieren.
Wir haben in dieser Legislaturperiode die Wissenschaftspakte verstetigt. Dafür investieren Bund und Länder über die nächsten zehn Jahre 160 Milliarden Euro. So viel Freiheit und so viel Sicherheit auf der einen Seite für außeruniversitäre Forschung und auf der anderen Seite für die Hochschulen hat es noch nie gegeben.
Die Hochschulen sind natürlich genauso von der Schließung betroffen wie die Schulen. Allerdings ist die Digitalisierung der Lehre in den Hochschulen viel weiter fortgeschritten als in den Schulen. Deswegen lief von Beginn an in den Hochschulen einiges besser bei der digitalen Lehre als in den Schulen. Auch das war ein Grund, warum wir schon vor der Krise die Digitalisierung der Schulen mit dem DigitalPakt Schule vorangetrieben haben. Mittlerweile, nachdem wir ja jetzt in der Krise noch mal 1,5 Milliarden Euro draufgelegt haben, stellen wir den Ländern 6,5 Milliarden Euro dafür zur Verfügung, die Digitalisierung in den Schulen voranzutreiben. Damit sich bei der Digitalisierung der Schulen, aber auch in den Hochschulen weiterhin spürbar etwas tut, setzen wir vor allem auf diese Pakte, wobei ich mir gerade beim DigitalPakt Schule natürlich ein höheres Tempo beim Ausgeben der Mittel wünschen würde.
Um Schülerinnen und Schülern zu helfen, ihre pandemiebedingten Lernrückstände aufzuholen, erarbeiten wir aktuell mit den Ländern ein gemeinsames Nachhilfeprogramm. Deswegen ist es wichtig, dass die Länder jetzt Lernstände erheben; denn nur dann können sie gezielt nachsteuern.
Bei den Schulen unterstützen wir die Länder bis an die Grenzen des rechtlich Möglichen. Um aber die großen Herausforderungen insbesondere der digitalen Bildung meistern zu können, brauchen wir für die Zukunft neue engere Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, und zwar auf klar erweiterter Rechtsgrundlage.
Ein zweiter Punkt. Wir müssen wesentlich souveräner werden, und zwar technologisch. In Europa gilt es jetzt, technologisch souveräner und unabhängiger zu werden. Wir müssen in der Lage sein, Schlüsseltechnologien zu verstehen, sie selbst herzustellen und sie am Ende auch weiterzuentwickeln, weil wir nur so diese ganzen technologischen Entwicklungen im Sinne unserer Werte mitgestalten können. Genau deshalb werden wir auch in Zukunft in KI, Quantentechnologie, Kommunikationssysteme, Mikroelektronik und weitere Schlüsseltechnologien investieren.
In der Pandemie haben wir gesehen, wie groß die internationalen Abhängigkeiten auch in wichtigen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge sind. Deswegen ist es ein Ziel unseres Hauses, Deutschland wieder zur Apotheke der Welt zu machen. Dafür brauchen wir exzellente Forschungskapazitäten und exzellente agile Produktionsentwicklungen in Europa, auch jenseits aktueller Notwendigkeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Legislaturperiode sind viele Grundlagen für unsere technologische Entwicklung und auch für die Modernisierung der Bildung gelegt worden. Diesen Kurs wollen und werden wir fortsetzen – mutig, technologieoffen und mit einem ganz klaren Blick auf die Herausforderungen der Zukunft.
Herzlichen Dank. Jetzt beantworte ich gerne Ihre Fragen.
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Die erste Frage stellt der Kollege Dr. Götz Frömming, AfD.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Ihr Bericht klang ja ein bisschen wie aus einer anderen, besseren Zeit. Wie Sie wissen, ist die Lage an unseren Bildungseinrichtungen – nicht nur an den Schulen, sondern auch an den Hochschulen – zunehmend dramatisch. Seit einem Jahr hangeln wir uns von Lockdown zu Lockdown. Die Familien sind stark belastet. Wir hören von den Krisenzentren in Berlin, dass die Anzahl der jungen Menschen, die über Suizid nachdenken, steigt.
Meine Frage ist: Was tun Sie, was tut der Bund konkret – die Schulschließungen trägt der Bund ja mit; er treibt sie mit voran –, um unseren Schülern, unserer Jugend zu helfen, aus dieser Lage herauszukommen? Wir haben heute im Ausschuss gehört, dass jetzt, ein Jahr nach Beginn der Pandemie, offenbar Gespräche zwischen Ihnen oder Bund und Ländern begonnen worden sind.
Dazu frage ich konkret: Was ist Ihr Konzept für die Zeit bis zu den Sommerferien, damit dieses Schuljahr kein verlorenes Schuljahr wird? Wie viele Schulen wurden bereits bundesweit mit Luftfiltern ausgestattet? Wie hilft hier der Bund? Was ist Ihr Plan, um den bei den Schülern entstandenen Lernrückstand wieder aufzuholen? Es reicht ja nicht, ihn nur festzustellen, sondern wir müssen jetzt schon damit beginnen, ihn aufzuholen. Schließlich: Auch an den Hochschulen haben wir ein Problem. Die Studierenden gehen jetzt in das dritte Onlinesemester. Was tun Sie, damit auch an den Hochschulen der Lernrückstand aufgeholt werden kann?
Vielen Dank.
Herzlichen Dank für die Frage. Das war jetzt viel. Es ist, glaube ich, nicht so einfach, dies in einer Minute zu beantworten. – In den Schulen geht es erst einmal darum, ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen, also Konzepte zu entwickeln, die sicheres Lernen und Lehren in Verbindung mit Testen möglich machen. Aber wir haben auch beim Impfen die Priorisierung der Lehrkräfte im Grundschulbereich und der Erzieher im Kitabereich hochgesetzt, weil dort das Abstandhalten nicht so einfach ist. Deswegen wollen wir, dass die Lehrkräfte eher geimpft werden. Auch das trägt zur Sicherheit in den Schulen bei.
Das Thema Luftfilter ist angesprochen worden. Es gibt sogenannte S3-Leitlinien, die einen Standard des sicheren Arbeitsumfeldes ermöglichen, die einen Standard von Therapien im medizinischen Bereich ermöglichen. Diese S3-Leitlinien sind ein Konzept, das man in den Schulen umsetzen kann und bei dem man sich die einzelnen Aspekte anschaut, von der Mobilität, also von dem Weg der Schüler zur Schule, bis hin zu Wechselunterricht oder den Lüftungsanlagen. Nur ein gesamtes Konzept kann eine echte Lösung geben.
Zum Thema Nachhilfe so viel – ich habe es gerade erwähnt –: Wir sind dabei, zusammen mit den Ländern ein Konzept zu erarbeiten. Wir wollen damit aber ganz bewusst erst in das neue Schuljahr gehen. Wir wollen in den Sommerferien und auch in der Zeit danach unter hoffentlich besseren, sicheren und einfacheren Bedingungen das Thema Nachhilfe aufrufen. Wir alle merken, dass es im Moment sehr, sehr anstrengend ist. Sie haben es gerade selber angesprochen: Die Müdigkeit der Familien, die Müdigkeit der Schülerinnen und Schüler und auch der Hochschüler ist nicht wegzudiskutieren. Deswegen sollten wir ihnen jetzt nicht noch zusätzliche Aufgaben geben, sondern im Herbst das Nachholprogramm starten und vielleicht über die Sommerferien mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung beginnen, um die Teamarbeit wieder zu stärken.
Ich darf darauf hinweisen, dass wir Frage und Antwort jeweils auf eine Minute begrenzen wollen. Das wird auch durch die Ampel angezeigt. Durch das gelbe Leuchten wird schon vorzeitig gewarnt. – Sie wollen eine Nachfrage stellen? – Herr Kollege.
Danke, Herr Präsident. Sie ist dafür auch ganz kurz. – Frau Ministerin, Sie sprachen das Nachhilfeprogramm an. Der Bund hat hier einen einstelligen Milliardenbetrag zugesagt, ich glaube, es ist 1 Milliarde Euro. Die Lehrerverbände fordern das Doppelte. Andere Länder um Deutschland herum haben hierfür wesentlich mehr zur Verfügung gestellt. Können Sie sich vorstellen, hier noch etwas draufzulegen?
Die Milliarde ist daraus entstanden, dass man erst einmal gefragt hat: Welche Größenordnung braucht man überhaupt? Wir gehen davon aus, dass 20 bis 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler betroffen sind und Unterstützung brauchen. Das wird aber Unterstützung in unterschiedlicher Form sein. Die Aufgabe, die Nachhilfe langfristig und auch in Gänze zu organisieren, ist eine Aufgabe der Länder; denn Schulen sind Aufgabe der Länder. Wir wollen die Länder unterstützen, wir wollen diesen Anschub geben, wir wollen auch die Lernstandserhebungen, weil damit ganz gezielt geholfen werden kann. Aber, ich glaube, es ist richtig, wenn wir die Verantwortung dann wieder in die Hände der Länder legen.
Oliver Kaczmarek, SPD, stellt die nächste Frage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich möchte noch einmal bezüglich der Maßnahmen zum Aufholen von Lernrückständen, die Sie mit den Ländern diskutieren, nachfragen. Die sind ist ja richtig. Wir wissen, dass die Schülerinnen und Schüler mit Lernrückständen in die Schule zurückkommen werden. Aber ich frage mich, ob es jetzt das Wichtigste ist, Nachhilfe zu organisieren. Ich bin mir sicher, dass es nicht das Einzige ist, was man tun muss. Deshalb die Frage: Wie gehen Sie damit um, dass wir viele Meldungen über soziale Folgen der Coronapandemie, über psychosoziale Belastungen erhalten? Ist hier aus Ihrer Sicht eine Erweiterung denkbar?
Wir haben schon frühzeitig, auch schon im letzten Sommer, mit dem Programm „Kultur macht stark“ ganz gezielt Angebote aus unserem Haus gemacht, die dann durch Programme in den Ländern ergänzt wurden, um einen sogenannten Lernsommer zu ermöglichen. Ich habe ganz gezielt zusammen mit der Kollegin Karin Prien in Schleswig-Holstein einen Lernsommer Schleswig-Holstein auf den Weg gebracht, bei dem es ganz klar darum ging, sowohl die Persönlichkeitsentwicklung als auch die sozialen und emotionalen Aspekte in den Mittelpunkt zu stellen und nicht nur das Lernen. Natürlich muss es eine Kombination sein; denn gerade Jugendliche im heranwachsenden Alter entwickeln sich. Auch da ist bestimmt etwas auf der Strecke geblieben.
Nachfrage, Herr Kollege?
Gerne, Herr Präsident.
Bitte.
Sie haben gerade erwähnt, dass für diese Form der Zusammenarbeit von Bund und Ländern andere rechtliche Grundlagen geschaffen werden müssten, dass es eine neue Form der Kooperation geben müsste. Können Sie uns sagen, an was Sie da genau denken und warum wir das in dieser Wahlperiode nicht einfach noch miteinander besprechen? Ich würde, glaube ich, hier im Haus eine breite Mehrheit für eine Erweiterung der Kooperation von Bund und Ländern sehen.
Ja, aber eine Grundgesetzänderung hat besondere Vorschriften und hat auch besondere Zeiten, die man einkalkulieren muss, um sie von Anfang bis Ende durchsetzen zu können. Es geht uns im Bereich der digitalen Bildung darum, eine Gemeinschaftsaufgabe klein, aber fein zu definieren. Ich habe gestern zum Beispiel bei #innovationsland Deutschland ein sehr interessantes Gespräch mit einem Physiker gehabt, der sich im Bereich der Lichttechnologien bewegt. Er hat ein ganz tolles Video gezeigt. Die Möglichkeit, dieses Video inhaltlich in den Physikunterricht einzuspeisen, haben wir heute nicht, weil es um Inhalte geht und weil wir so etwas nicht zur Verfügung stellen dürfen. Da müssten wir erst langwierige Vereinbarungen mit den Ländern schließen. Genau an dieser Stelle wäre es, glaube ich, sinnvoll, wenn wir in Richtung Berufsorientierung eigene Möglichkeiten hätten, auch inhaltlich etwas zur Verfügung zu stellen.
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Dr. Jens Brandenburg, FDP, stellt die nächste Frage.
Frau Ministerin, viele Studierende leiden seit Monaten massiv unter der sozialen Isolation im Lockdown. Auch Sie persönlich haben in Interviews für mehr Öffnung an den Hochschulen plädiert.
In Ihrer konkreten Regierungsarbeit merkt man davon gar nichts. Ganz im Gegenteil: Ihre Bundesregierung hat am 3. März mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder gemeinsam detailgenaue Öffnungsschritte für Botanische Gärten, für Opernhäuser, für Fahr- und Flugschulen vereinbart, aber die Hochschulen mit ihren 3 Millionen Studierenden in Deutschland sind Ihnen nicht einmal eine Erwähnung wert. Auch in der jüngsten Gesetzesvorlage wollen Sie in vielen Landkreisen nicht einmal die Möglichkeit eröffnen, dringend notwendige Praxisveranstaltungen wie beispielsweise Labortätigkeiten oder Praktika in Naturwissenschaften überhaupt stattfinden zu lassen.
Meine Frage daher an Sie: Wann werden Sie Ihren Interviews konkrete Taten folgen lassen? Welche konkrete Öffnungsperspektive für Hochschulen wollen Sie mit Ihren Länderkolleginnen und Länderkollegen vereinbaren?
Ich bin seit Beginn der Pandemie mit meinen Wissenschaftsministerkollegen der Länder im direkten Austausch, weil wir uns natürlich immer kurzgeschlossen haben. Wir haben zum Beispiel auf diesem Weg besprochen: Wie geht es mit dem BAföG weiter? Wie geht es mit den finanziellen Sorgen weiter? Natürlich ist es jetzt im dritten Onlinesemester etwas anderes als im ersten. Ich habe ja gerade gesagt: Der Start der Onlinelehre an den Hochschulen war relativ gut, weil die Digitalisierung viel weiter war, weil sie viel mehr Möglichkeiten hatten. Es konnte über die ganze Zeit mehr als 75 Prozent der Lehre an den Hochschulen stattfinden. Auf der anderen Seite sind die Länder dazu übergegangen, nach dem ersten Komplett-Lockdown Bibliotheken wieder zu öffnen, auch wenn es natürlich eingeschränkte Öffnungen waren. Sie haben die Labornutzung entzerrt, haben Möglichkeiten geschaffen, Labortätigkeiten in kleineren Gruppen aufzunehmen. Auch Studienseminare finden jetzt unter der Möglichkeit des Testens schon wieder statt.
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Es ist nicht so, dass in den Hochschulen alles geschlossen ist. Aber Sie haben natürlich recht: Viele Studierende sitzen zu Hause. Gerade die, die in den kleinen Studentenwohnungen sitzen, sind natürlich schon schwer betroffen, und darauf machen wir auch aufmerksam. Wir werden uns auch damit beschäftigen, wie wir gerade den Erstsemestern, die bisher noch nicht einmal die Möglichkeit hatten, die Hochschule kennenzulernen, ermöglichen, dies im Rahmen von Modellprojekten nachzuholen.
Nachfrage, Herr Kollege?
Ja, vielen Dank. – Mit Verlaub, Frau Ministerin, ich freue mich ja, dass Sie inzwischen das Problem zumindest nicht abstreiten, dass Sie es offenbar erkannt haben. Aber es reicht ja nicht, auf die abstrakte Möglichkeit von Modellprojekten zu verweisen. Das löst das Problem in der Fläche nicht. Bisher sehe ich zumindest in den Vereinbarungen von Bundesseite – anders als in den Schulen beispielsweise; auch Bildungseinrichtungen der Länder –, dass es Ihnen nicht gelungen ist, auch nur ansatzweise gemeinsame Öffnungsschritte zu vereinbaren. Daher frage ich nicht, ob Sie in Gesprächen sind, sondern, ob Sie es in der Sache richtig finden, dass Bund und Länder sich bisher überhaupt nicht auf gemeinsame Öffnungsschritte in Bezug auf die Hochschulen einigen wollten? Welchen konkreten Handlungsbedarf sehen Sie dort?
Für die Hochschulen gilt im Wesentlichen das, was wir mit dem Infektionsschutzgesetz jetzt festschreiben: dass wir bei bestimmten Inzidenzen Möglichkeiten schaffen können, über Testen gewisse Öffnungsschritte zu ermöglichen, und dass dann, wenn die Inzidenzen zu hoch gehen, wieder komplett geschlossen werden muss. Man muss sich über eines im Klaren sein: Hochschulen sind in der Regel keine kleinen Einheiten, sondern Einheiten, in denen mehrere Tausend bis hin zu mehreren Zehntausend Studentinnen und Studenten unterwegs sind. Deswegen ist es da natürlich ungleich schwerer, Konzepte zu erstellen, die dann größere Öffnungsschritte ermöglichen. Ich glaube, wir müssen so ehrlich sein, dass wir im Moment noch alle miteinander die Zähne zusammenbeißen müssen. Ich denke, dass wir einfach auch sehr aufmerksam sein müssen, wenn es darum geht, ob jemand sehr schwer damit klarkommt oder man jemanden vielleicht auch nicht mehr erreicht. Ich denke, zum Winter sieht die Situation anders aus und dass man da auch schon die Perspektive geben kann, dass im Wintersemester wieder viel mehr stattfindet.
Stephan Albani, CDU/CSU, stellt die nächste Frage.
Herzlichen Dank, Frau Ministerin. – Ich komme zum Bereich der Forschung. Sie erwähnten in Ihren einführenden Worten die Firma BioNTech und ihren riesigen Erfolg, in weniger als einem Jahr einen Impfstoff entwickelt zu haben. Das ist ja ein großer Erfolg – keine Frage –; aber der ist ja nicht in diesem einen Jahr entstanden, sondern letzten Endes schon durch eine kontinuierliche Förderung in den 20 Jahren zuvor. Insofern ist meine Frage: Reagiert die Bundesregierung, reagiert Ihr Haus auf die nun auftretenden Mutationen mit entsprechenden Forschungsaktivitäten? Inwieweit setzen Sie sowohl auf kurzfristige als auch auf langfristige Aktivitäten in diesem Bereich, sodass wir sicherstellen können, dass so ein Erfolg nicht im Bereich des Glückes liegt, sondern im Bereich der effektiven Planung?
Es ist eine sehr wahre Feststellung, dass wir im Grunde ein bisschen Glück gehabt haben mit der Entwicklung der mRNA-Technologie durch langjährige Unterstützung aus unserem Haus heraus. Wir unterstützen die Firma BioNTech seit ihrer Gründung im Jahr 2008 immer mal wieder, um eben den Fortschritt an dieser Stelle auch systematisch möglich zu machen, und das hat in diesem Fall geklappt.
Bei den Mutanten ist es so, dass innerhalb der Unternehmen jetzt darauf geschaut wird: Helfen die Impfstoffe, oder müssen wir neue entwickeln? Gerade durch die mRNA-Technologie ist es relativ einfach geworden, relativ schnell wirksame Impfstoffe gegen Mutationen zu entwickeln. Wir haben im internationalen Bereich ein europäisches Netzwerk für Studienzentren und auch den HERA-Inkubator, die ganz gezielt die Frage der Wirksamkeit der Impfstoffe gegen Mutanten in den Fokus stellen und da die Weiterentwicklung vorantreiben.
Nachfrage, Herr Kollege?
Gerne. – Sie sprachen von Internationalität und Informationsaustausch. Aber was sich in der Pandemie auch gezeigt hat, war die Notwendigkeit konzertierten Handelns. Das heißt an dieser Stelle: Irgendeiner muss den Hut aufhaben, um letzten Endes die in den Ländern stattfindenden Aktivitäten auch so zu koordinieren, dass am Ende zielführend agiert wird. Insofern ist meine Frage, wie dies jenseits des Bildens von Plattformen und Netzwerken sichergestellt werden kann.
Was wir brauchen, ist das, was man in den USA unter dem Stichwort „BARDA“ gegründet hat, nämlich eine Förderagentur, die langfristig, bis zur Zulassung fördert. Wir haben ja bisher immer Grundlagenforschung gefördert und es dann ein Stück weit dem Markt überlassen, ob weitergefördert wird und es zur Zulassung kommt. Wir werden uns jetzt – die Diskussion führen wir gerade auf europäischer Ebene – sehr klar darauf fokussieren, dass wir eine eigene Förderagentur brauchen, die dieses sogenannte Tal des Todes aktiv überschreitet und auch die Entwicklung von Reserveantibiotika und Ähnlichem fördert; denn dafür gibt es keinen Markt. Wenn ich etwas nicht in den Markt bringen darf, das im Grunde der allgemeinen Gesundheit und auch dazu dient, sich auf mögliche Pandemien vorzubereiten oder zum Beispiel auch Resistenzen bei Antibiotika zu bekämpfen, dann muss der Staat da eintreten, dann ist das eine ganz wichtige Aufgabe, die wir zu erfüllen haben, weil das der Markt nicht kann.
Die Kollegin Katrin Staffler, CDU/CSU, möchte eine Nachfrage stellen.
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Vielen Dank. – Impfstoffentwicklungen sind ja Hochrisikoprojekte. Man weiß vorher nie, was am Ende dabei rauskommt. Mich würde daher im Zusammenhang mit der Impfstoffentwicklung interessieren: Wie ist die Bundesregierung, wie sind Sie mit diesem Risiko in der Förderung umgegangen? – Danke.
Danke für die Nachfrage. – Impfstoffentwicklungen sind Hochrisikoprojekte, und daher muss man eben auch immer Rückschläge verkraften. Deswegen haben wir im letzten Sommer immer, wenn wir gefragt worden sind, wann wir denn mit einem Impfstoff rechnen, darauf hingewiesen: Wenn wir im Sommer des Jahres 2021 einen Impfstoff haben, sind wir richtig gut. Wir wussten, weil das Risiko eben relativ hoch ist, um die Gefahr, einen Rückschlag zu erleben und dann mit einer Studie von Neuem beginnen zu müssen.
Deswegen haben wir für unser 750-Millionen-Euro-Programm ganz klare, eindeutige Meilensteine vorgegeben. Immer erst dann, wenn ein Meilenstein erreicht war, konnte der nächste Schritt der Entwicklung gemacht werden. Wir haben denen, die wir gefördert haben, niemals das ganze Geld auf einmal gegeben, sondern wir haben sie Schritt für Schritt eng begleitet. So haben wir eben für den Staat das Risiko beherrschbar gehalten.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Dr. Petra Sitte, Die Linke.
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Danke, Herr Präsident. – Frau Ministerin, da steht man morgens an der S-Bahn, guckt auf die digitalen Werbetafeln, und was ploppt plötzlich auf? Die Werbekampagne des BMBF zu „50 Jahre BAföG“. Da denke ich: Ganz schöner Hammer.
Ich habe einmal im BAföG-Gesetz von 1971 nachgeguckt. Da stand drin – wörtlich –: Ausbildungsförderung ist in einer Höhe zu leisten, dass der Lebensunterhalt und die individuellen Ausbildungskosten während der Ausbildungszeit angemessen gedeckt sind. – Es ging also damals um das soziale Versprechen, dass gute Bildung auch bessere Lebensperspektiven bieten soll.
Bei Ihrer Amtsübernahme konnten nur ungefähr 13 oder 14 Prozent der Studierenden überhaupt BAföG beziehen. Sie haben das damals auf der Basis des Koalitionsvertrages zu Recht heftig kritisiert und haben von einer Trendwende gesprochen. Jetzt liegen wir bei 11,4 Prozent, und 50 Prozent der Studierenden leben unterhalb der Armutsgrenze. Was ist aus der Trendwende geworden? Wie erklären Sie den Studierenden dieses krachende Scheitern?
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Wir haben in dieser Legislaturperiode eine BAföG-Reform vorgenommen. Wir haben insgesamt 1,3 Milliarden Euro zusätzlich in die Sozialleistung BAföG gesteckt. Ich glaube, wir können noch gar nicht abschließend beurteilen, wie diese Reform wirkt.
Aber eines muss man dazusagen: Das BAföG ist eine Sozialleistung, und vor der Krise war es einfach so, dass die Wirtschaft von Höchststand zu Höchsttand ging, die Beschäftigung sehr, sehr gut war und auch die Löhne gestiegen sind. Der Bezug von BAföG ist subsidiär, er tritt erst dann ein, wenn Eltern nicht leisten können, wenn Eltern ihre Kinder nicht bis zum Ende der ersten Ausbildung unterstützen können. Vor der Krise besaßen viele Eltern die Leistungsfähigkeit, ihre Kinder zu unterstützen.
Nichtsdestotrotz haben wir gesagt: Wir wollen die Trendumkehr. Wir wollen wieder mehr junge Leute erreichen. Wir wollen bis in die Mitte der Gesellschaft hinein fördern. – Deswegen haben wir die Reform auf den Weg gebracht mit drei Stufen. Die dritte Stufe tritt jetzt im Herbst in Kraft. Wir werden im Juli die ersten Daten bekommen für die ersten beiden Jahre, und dann werden wir weitersehen. Wenn es so noch nicht geklappt hat, können wir in der nächsten Legislaturperiode da wieder ansetzen.
Nachfrage, Frau Sitte?
Frau Ministerin, das erklärt aber immer noch nicht die Armutsrate unter den Studierenden, und es erklärt nicht die Armutsrate unter wissenschaftlichem Nachwuchs, dass Sie jetzt noch warten, bis die dritte Stufe greift. Sie haben Anträge auf BAföG bzw. auf Nothilfen von etwa einem Drittel aller Antragsteller abgewiesen. Das ist doch sozusagen das Eingeständnis Ihres eigenen Ministeriums, dass schon vorher das BAföG überhaupt nicht gereicht hat. Sie können doch den jungen Leuten in so einer Situation nicht erklären: Oh, tut uns leid, ihr kriegt jetzt keine Bewilligung eures Antrags, weil es euch ja schon vor der Pandemie schlecht ging. – Das ist doch dann auch das Eingeständnis, dass das BAföG so, wie Sie es beschlossen haben, die Erwartungen überhaupt nicht erfüllen kann.
Es gibt mehrere Wege, sich ein Studium zu finanzieren. Der eine ist eben, dass die Eltern ihre Kinder unterstützen, was in der Regel auch der Fall ist. Ansonsten tritt in der Regel das BAföG ein.
Wichtig ist, dass wir in der Zukunft einen Blick darauf werfen, dass es immer mehr atypische Bildungsverläufe gibt, die eben der klassischen Bildungsbiografie, wie wir sie kennen, zukünftig vielleicht nicht mehr entsprechen, und dass wir das Thema „Durchlässigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung“ neu in den Fokus nehmen. Ich habe eben gesagt, lebenslanges Lernen ist für uns etwas, was wir in dieser Legislaturperiode sehr, sehr stark in den Fokus gestellt haben und auch in der nächsten Legislaturperiode stellen werden.
Sie haben die Überbrückungshilfen angesprochen: Bei den Überbrückungshilfen haben wir klar Wert darauf gelegt, dass wir denen helfen, die in der Pandemie kurzfristig in Not geraten sind, damit sie eine neue Möglichkeit suchen können, einen Minijob zu finden. Genau da haben wir angesetzt. Wir haben mittlerweile 475 000 Anträge bekommen. Wir haben davon fast 70 Prozent positiv beschieden. Wir haben geholfen. Wir haben zum Beispiel auch mit der Zinsfreistellung des KfW-Studienkredits geholfen. Ich glaube, es gibt viele Wege, Unterstützung im Studium zu finden; man muss bei den ganz unterschiedlichen Bildungsbiografien nur den richtigen für sich wählen.
Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen, stellt die nächste Frage.
Frau Ministerin, die soziale und finanzielle Lage der Studierenden in unserem Land ist verheerend. Die Ausbildungs- und Studienfinanzierung ist ja ein Thema, das zu 100 Prozent in Ihrer Zuständigkeit liegt. Das BAföG ist auf einem Allzeittief gelandet; nur noch 11 Prozent der Studierenden erhalten es. Sie haben 2019 und 2020 rund 1,2 Milliarden Euro nicht an die Studierenden verausgabt – vielmehr sind diese Mittel an den Bundesfinanzminister zurückgeflossen –, obwohl diese 1,2 Milliarden Euro im Haushalt für das BAföG eingeplant waren. Ich möchte von Ihnen wissen, warum. Wieso haben Sie diese Mittel, diese immensen Summen, nicht an die Studierenden gegeben, zum Beispiel über eine BAföG-Korrektur-Novelle oder über eine Überbrückungshilfe, die auch wirklich hilft und überbrückt? Fehlt Ihnen da am Kabinettstisch, beim Bundesfinanzminister, die Unterstützung oder bei den Regierungsfraktionen?
Das BAföG ist eine Sozialleistung, und man hat einen Rechtsanspruch darauf. Wir haben eine BAföG-Reform gemacht, die sowohl die Freibeträge als auch die Fördersätze sehr stark erhöht hat. Insofern glaube ich nicht, dass man sagen kann, diese BAföG-Reform habe nicht das adressiert, was sie adressieren soll, nämlich dass man so auskömmlich sein Studium finanzieren kann, dass man nicht in Not geraten muss und dass man eben auch nicht umfangreich zusätzlich arbeiten muss.
Wichtig zu wissen ist, dass diese Mittel als Pauschalzuweisungen aus dem Bundeshaushalt kommen. Da man einen Rechtsanspruch darauf hat, kann man sie eben auch nur in diesem Sinne ausgeben. Ich habe eben schon darauf hingewiesen: Da die Wirtschaftslage vor der Pandemie sehr gut war und die Löhne gestiegen sind, konnten viele Eltern ihre Kinder aus eigener Kraft unterstützen. Ich halte das auch für richtig; denn wenn wir dieses System der Subsidiarität aufgeben, dann geben wir am Ende auch die Verbindung zum Unterhaltsrecht auf, die bewirkt, dass erst mal die Eltern eintreten müssen, um ihre Kinder zu unterstützen, und der Staat nachrangig unterstützt. Von der linken Seite des Hauses hören wir immer wieder, dass es darum geht, Reiche mehr zu beteiligen. Das genau ist die Beteiligung, die sie einfordert. Das sollten wir an der Stelle nicht aufgeben.
Nachfrage? – Herr Kollege.
Uns geht es darum, dass die Studierenden aus finanzarmen Elternhäusern und auch aus der unteren Mittelschicht tatsächlich in den Genuss des BAföGs kommen.
Die kriegen das auch.
Das ist nicht mehr der Fall.
Doch.
Ich möchte noch mal festhalten: 89 Prozent erhalten kein BAföG. Nach 16 Jahren CDU-Führung im BMBF – zwölf Jahre lang war die SPD dabei – liegt das BAföG in Trümmern. Das ist keine adäquate Studienfinanzierung mehr.
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Sie haben gerade gesagt, die Löhne seien gestiegen. Da müssen Sie sich mal die Statistik von 2020 angucken. Nach der sind die Reallöhne gegenüber 2019 um 1,1 Prozent gesunken.
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Und wahrscheinlich wird das aufgrund der Pandemie so weitergehen. Deshalb ist für uns eine entscheidende Frage: Wieso haben Sie in Ihrem Haushalt für das nächste Jahr schon wieder sinkende BAföG-Zahlen angenommen, wo doch die Reallöhne anfangen zu sinken und Familien weiter in einer finanzschwachen Situation sein werden? Wie passt das zusammen? Kann es sein, dass die Fördersystematik und ‑logik des BAföGs nicht mehr zur Lebensrealität der Studierenden passt?
Ich habe eben gesagt, dass wir die Verzahnung von akademischer und beruflicher Bildung und die Veränderungen von Bildungsbiografien natürlich im Fokus behalten müssen und dass wir auch immer wieder auf strukturelle Veränderungen reagieren müssen. Dass aber die Systematik des BAföG grundsätzlich nicht passt, dem möchte ich ganz ausdrücklich widersprechen. Sie haben gerade von individuellen Einkommen gesprochen; es wird aber beim BAföG das Haushaltseinkommen betrachtet. Und natürlich haben dadurch, dass vermehrt beide Elternteile einen Arbeitsplatz haben, die Haushaltseinkommen zugenommen. Wir haben die BAföG-Reform gemacht, sodass bis in die Mitte der Gesellschaft hinein, bis hin zu Einkommen, die in der Mitte der Gesellschaft verdient werden, Unterstützung beantragt werden kann. Insofern weise ich absolut zurück, dass das System nicht mehr zur Lebensrealität passt.
Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke, möchte eine Nachfrage stellen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie haben jetzt mehrfach „vor der Krise“ gesagt. Nun sind wir aber schon über ein Jahr in der Krise, und Sie werden ja nicht widersprechen können, dass Sie Ihre Politik der Krise anpassen müssen.
Haben wir getan.
Die Überbrückungshilfen von maximal 500 Euro reichen ja in den meisten Universitätsstädten – ich nenne Berlin, Hamburg, München – überhaupt nicht aus, um das Leben zu gestalten und durchs Leben zu kommen. Die Nebenjobs sind weggefallen – 800 000 Nebenjobs. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Studierenden in der Krise gut durch die Krise kommen? Von den Konzepten aus der Zeit vor der Krise müssen Sie sich doch jetzt wohl verabschieden. Oder wollen Sie mir da widersprechen?
Wir haben in der Krise sehr schnell Maßnahmen getroffen. Die erste Maßnahme war die, dass wir Aktualisierungsanträge für das BAföG möglich gemacht haben, wenn sich plötzlich das Einkommen der Eltern verändert hat oder wenn sich das eigene Einkommen verändert hat. Wir haben als Zweites die Überbrückungshilfen möglich gemacht. Wir haben ganz gezielt den Betrag von 500 Euro gewählt, weil die Einkünfte aus einem Nebenjob in der Regel 450 Euro im Monat betragen können. Ansonsten ist es ein sozialversicherungspflichtiger Job, und dann gibt es über die Hilfen des SGB andere Möglichkeiten der Unterstützung.
Wir haben sehr klar Wert darauf gelegt, dass denen, denen der Minijob weggefallen ist, eine Möglichkeit zur Verfügung steht, sich kurzfristig anderweitig zu finanzieren. Und man sieht ja: Wir haben das über die Zeit der Pandemie ausgeweitet und werden das noch bis zum September dieses Jahres weiter finanzieren, also über das ganze Sommersemester. Wir haben den KfW-Studienkredit noch mal zinsfrei gestellt, damit man auch über diesen Weg die Möglichkeit hat, sich eine zusätzliche Finanzierung zu organisieren. All das ist relativ schnell beschieden worden. Die Studierendenwerke haben sich wirklich rangehalten, kurzfristig die Nöte zu überbrücken. Insofern kann man an der Stelle vielleicht auch den Studierendenwerken einmal Danke sagen.
Herr Kollege Gehring, da die Kollegin Lötzsch zu Ihrer Frage eine Nachfrage gestellt hat, können Sie schlecht zu sich selber noch eine Nachfrage stellen. – Deswegen hat jetzt die nächste Frage der Kollege Dr. Marc Jongen, AfD.
Sehr geehrte Frau Ministerin, vor Kurzem hat sich ein Netzwerk Wissenschaftsfreiheit gegründet, dem über 400 renommierte Professoren wie Ulrike Ackermann, Jörg Baberowski, Wolfgang Streeck und viele andere angehören. In einer Pressemitteilung dieses Netzwerks von Anfang Februar ist von „einer zunehmenden Verengung von Fragestellungen, Themen und Argumenten in der akademischen Forschung“ die Rede, die zu einem Klima an den Universitäten geführt habe, „in dem abweichende Positionen und Meinungen an den Rand gedrängt und moralisch sanktioniert werden“.
Die AfD-Fraktion weist schon lange darauf hin, dass Political Correctness und Cancel Culture eine freie Debatte an deutschen Universitäten so gut wie verunmöglicht haben. Man denke nur an Lucke, Baberowski, Münkler und andere, deren Vorlesungen gestört und niedergebrüllt wurden. Auf unsere Kleine Anfrage zur Wissenschaftsfreiheit hat die Bundesregierung im Dezember 2019 noch geantwortet, dass keine Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit vorliege und sie daher auch keine Forschungsprojekte hierzu in Auftrag gegeben habe. Erkennen Sie mittlerweile an, dass hier ein massives Problem vorliegt, und, wenn ja, was gedenken Sie von Bundesseite aus für die Wahrung bzw. Wiederherstellung der Wissenschaftsfreiheit zu unternehmen?
Ich möchte für die Bundesrepublik Deutschland feststellen, dass wir sehr großen Wert auf Wissenschaftsfreiheit legen, dass wir den Wert der Wissenschaftsfreiheit sehr hoch halten. Wir haben im Rahmen unserer EU-Ratspräsidentschaft die Bonner Erklärung auf den Weg gebracht, weil wir natürlich wissen, dass Wissenschaftsfreiheit eben ein Motor ist und wir in ganz Europa Wert darauf legen. Wir sind mittlerweile so erfolgreich gewesen, dass alle, die die Bonner Erklärung unterschreiben wollten, sie am Ende auch unterschrieben haben. Damit haben wir noch mal den Fokus auf Wissenschaftsfreiheit gelenkt.
Gerade in unseren Hochschulen legen wir großen Wert auf die offene Diskussion. Ich kann das, was Sie sagen, nicht in der Breite feststellen. Es mag immer wieder mal einen einzelnen Vorfall geben. Dem wird aber nachgegangen, und dann wird eben auch dafür gesorgt, dass die Wissenschaft ihre Freiheit behält.
Nachfrage, Herr Kollege?
Ja, bitte. – Es ist ja erfreulich, dass Sie zumindest ansatzweise hier etwas zu tun gedenken, wenngleich das aus unserer Sicht noch nicht ausreicht. Sind Sie denn auch bereit, zu evaluieren, inwieweit die sogenannten Agendawissenschaften, also Genderstudies, Postcolonial Studies, Critical Whiteness Studies, die von ihrem Selbstverständnis her das Ideal der wissenschaftlichen Objektivität teils auch ganz aggressiv ablehnen, ganz massiv zu dem Klima beitragen, von dem die Wissenschaftler hier sprechen, und zu einer Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit führen? Sind Sie dann auch bereit, Konsequenzen zu ziehen und hier eben keine Sonderförderungsprogramme – Stichwort „über 200 Genderprofessuren in Deutschland“ – mehr aufzulegen?
Eines ist klar: In der Medizin – um mal die Genderforschung in den Blick zu nehmen – ist ein ganz wesentlicher Aspekt, dass zum Beispiel die Wirkung von Medikamenten bei Frauen häufig ganz anders ist als bei Männern. Vielleicht braucht es da mal einen anderen Fokus.
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Zweitens ist klar: Wissenschaftsfreiheit ist für uns ein Motor in der Wissenschaft. Deswegen halten wir aus der Wissenschaft heraus – und wir sind in engem Austausch mit all unseren Organisationen in der Wissenschaft – die Wissenschaftsfreiheit hoch. Wir können das, was Sie behaupten, nicht erkennen. Insofern gibt es da keine Notwendigkeit.
Ulrika Bahr, SPD, stellt die nächste Frage.
Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich möchte einen Bereich ansprechen, der bisher zu kurz gekommen ist: die Azubis, der Azubischutzschirm. Der Substanzverlust auf dem Ausbildungsmarkt ist schon spürbar, und er ist nicht ohne Weiteres aufholbar. Wir haben hier in der Koalition einige gute Schritte unternommen und die Maßnahmen zielgenauer ausgestaltet. Dennoch braucht es, glaube ich, noch weitere Schritte. Die Frage an Sie lautet: Was tun Sie, um das duale System zu sichern, bzw. woran erkennen Sie, dass es gesichert ist und jedem Jugendlichen ein Ausbildungsplatz garantiert wird?
Vielen Dank für die Frage. Ich will am Anfang sagen, dass die berufliche Ausbildung gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel für uns einen ganz hohen Stellenwert hat; in ganz vielen Bereichen gibt es gerade eine hohe Nachfrage nach einer beruflichen Ausbildung. Das Thema ist in der Pandemie vielleicht nicht so präsent, aber sobald die Pandemie abebbt, wird – das werden wir sehen – das Thema Fachkräftemangel bei uns wieder ganz oben auf der Agenda stehen.
Wir haben auch den Ausbildungsmarkt ganz genau im Blick; aber es gibt im Moment noch keine belastbaren Zahlen dazu. Wir haben im letzten Herbst einen großen Nachholeffekt gesehen. Wir gehen davon aus, dass es auch in diesem Jahr einen Nachholeffekt geben wird. Aber es gibt sehr, sehr viele Unbekannte. Insgesamt kann man sagen, dass der Gesamtmarkt im Ausbildungsjahr 2020 geschrumpft ist. Es wurden ungefähr 11 Prozent weniger Verträge geschlossen. Aber der Markt ist in seiner Gesamtheit geschrumpft, auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite, sodass wir nach wie vor in der glücklichen Situation sind, dass wir einem Ausbildungswilligen auch einen Ausbildungsplatz anbieten können.
Das ist genau der Punkt. Wir müssen uns mit dem Matching beschäftigen. Das Matching war auch schon vor der Pandemie die entscheidende Frage: Wie bekommen wir sowohl branchenspezifisch als auch regionenspezifisch Angebot und Nachfrage zusammen? Wir haben jetzt, in der Pandemie, auch digitale Matching-Plattformen oder Matching-Möglichkeiten unterstützt. Ich glaube, nach der Pandemie werden wir uns damit auseinandersetzen müssen, wie man das verbessern kann.
Wichtig ist mir aber auch, dass durch unsere Reformen jetzt eine ganz andere Möglichkeit besteht, den Aufstieg durch eine berufliche Ausbildung und damit auch Karriereperspektiven sichtbar zu machen.
Nachfrage, Frau Kollegin Bahr?
Gerne. – Frau Ministerin, ich bin davon überzeugt, dass ein junger Mensch – die wollen einen guten Ausbildungsplatz ergattern, und sie haben natürlich auch einen Anspruch darauf – von klein auf gefördert werden muss, ab der Grundschule. Diesbezüglich haben wir ein noch ungelöstes Vorhaben im Koalitionsvertrag stehen, nämlich die Umsetzung der Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsförderung im Grundschulbereich. Da ist meine Frage: Wie plant die Bundesregierung, die Umsetzung des Projekts voranzutreiben, zumal die Legislaturperiode dahineilt?
Vor Weihnachten habe ich zusammen mit der Kollegin Franziska Giffey den ersten Beschleunigungstopf auf den Weg gebracht, sodass die Länder mit dem Ganztagsausbau schon anfangen können, also mit kleineren Investitionen beginnen können. Wir legen ganz großen Wert darauf, dass es einen Rechtsanspruch gibt. Es soll klar sein, dass Eltern in diesem Land ihre Kinder bis zum zehnten Lebensjahr, bis zum Ende der Grundschule auf jeden Fall betreut bekommen und dass sie ein hochwertiges Bildungsangebot bekommen. Wir sind mit den Ländern im Austausch, und wir gehen davon aus, dass wir erfolgreich sein werden und das auch noch umsetzen.
Jetzt habe ich drei Nachfragen zu diesem Thema. Die erste stellt der Kollege Dr. Martin Neumann, FDP, die nächste der Kollege Gehring.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Eine Nachfrage zum Thema Berufsförderung: Mir ist über Arbeitsagenturen signalisiert worden, dass da wenig oder, ich sage mal, nahezu nichts stattfindet. Das ist sicherlich bedingt durch die aufgrund der Coronapandemie eingeschränkte Verbindung zwischen den Schulen und den Arbeitsagenturen. Was gedenken Sie da zu tun? Inwiefern beschäftigen Sie sich mit diesem Thema? Ich glaube, auch aufgrund der bereits verstrichenen Zeit gibt es da einen riesigen Nachholbedarf. Ich weiß gar nicht, ob man das aufholen kann.
Wie gesagt, es hat im letzten Sommer einen großen Nachholeffekt gegeben. Wir haben natürlich den Fokus darauf gerichtet, was wir jetzt tun können. Wir wollen zusammen mit den Anbietern, also den Kammern, den „Sommer der Berufsbildung“ durchführen, um den Fokus sehr stark dahin zu lenken, dass eine wirklich hochwertige berufliche Ausbildung, wie wir sie hier in Deutschland anbieten, eine echte Alternative zum Studium ist, weil wir einfach um den Wert der Ausbildung wissen. Das Matching habe ich angesprochen. Aber wir machen jetzt erst mal den „Sommer der Berufsbildung“, um den Fokus dorthin zu lenken. Wir haben ja auch Kampagnen zur Berufsbildung. All dies werden wir weiterführen. Wir werden auch das Thema Berufsorientierung noch mal in den Fokus stellen, sobald die Schulen wieder geöffnet sind.
Kai Gehring stellt die nächste Nachfrage.
Wir wissen hier im Hohen Haus mehr über die Studierenden als über die Auszubildenden. Das widerspricht der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung, die wir miteinander wollen. Darum will ich nachfragen: Es gibt ja die Sozialerhebung zur Situation der Studierenden und den Studierendensurvey. Warum verschließen Sie sich weiter dem Vorschlag, Daten zur Situation der Auszubildenden zu erheben, also eine Sozialerhebung für Auszubildende und einen Auszubildendensurvey zu machen? Wir brauchen in diesem wichtigen Bereich der Bildungsforschung, der auch in Ihre Zuständigkeit fällt, dringend mehr Erkenntnisse.
Da die Auszubildenden ein vertragliches Verhältnis eingehen, das wesentlich enger und konkreter ist als im Studierendenbereich, haben wir sehr viele Informationen über die Auszubildenden. Wir wissen eine Menge über die Auszubildenden. Wir werden aber in den nächsten Jahren – wir mussten das aufgrund der Coronapandemie verschieben – noch mal eine große Untersuchung machen: Was bewegt die jungen Leute? Wo möchten sie hin? Warum präferieren viele doch das Studium und nicht die Ausbildung?
Ich kann das an dieser Stelle nur wiederholen: Diese hochwertige berufliche Ausbildung, die wir hier in Deutschland anbieten, ist ein Pfund, das kaum ein Land in der Welt hat und worum uns die Welt beneidet. Ich kann nur immer wieder betonen und empfehlen, sich auch in dem Bereich umzuschauen. Gerade im Bereich der technologisch innovativen Betriebe hat sich in den letzten Jahren viel getan. Da ist der Ausbildungsmarkt übrigens sehr offen. Ich kann jungen Leuten nur empfehlen, sich auch das genau anzuschauen.
Norbert Müller stellt die dritte und letzte Nachfrage zu dieser Frage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Karliczek, ich möchte gern an die Frage von Ulrike Bahr anschließen, weil ich die Frage für überaus bedeutsam halte. Im Koalitionsvertrag haben die regierenden Fraktionen an zwei Punkten wortwörtlich festgehalten – per Copy-and-paste ist der Satz gleich zweimal eingefügt worden; daran sieht man, wie wichtig er war –:
Wir werden einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter schaffen.
Ich bin davon ausgegangen, das war auf diese Wahlperiode gemünzt und nicht auf eine perspektivisch nachfolgende. Da diese Wahlperiode abläuft und wir immer noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen haben und Sie mit federführend sind, ist meine erste Frage: Wann wird der Gesetzentwurf zum Rechtsanspruch in den Deutschen Bundestag eingebracht werden?
Zweitens. Im Koalitionsvertrag hat man ja ein Hintertürchen eingebaut. Darin steht die schöne Formulierung, dass der Rechtsanspruch nur kommen wird, wenn ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen. Jetzt wissen wir, dass die gar nicht zur Verfügung stehen. Was wird die Bundesregierung tun, nachdem Sie die Fachkräfteoffensive im Kabinett wieder abgewürgt haben, damit ausreichend Fachkräfte da sind, wenn der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung irgendwann vielleicht einmal kommt?
Einen Rechtsanspruch soll es ab 2025 geben. Ich habe es gerade gesagt: Wir sind mit den Ländern in einem guten Gespräch, sodass wir davon ausgehen, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Aber der Rechtsanspruch selbst kommt ab 2025. Insofern gibt es noch genügend Zeit, Personal anzuwerben und Personal auszubilden, um qualitativ gute Angebote machen zu können.
Britta Dassler, FDP, stellt die nächste Frage.
Werte Frau Ministerin Karliczek, meine Frage geht in Richtung Alphabetisierung und AlphaDekade. Ich würde gerne von Ihnen wissen: Haben Sie und damit Ihr Ministerium und auch die ganze Bundesregierung Kenntnis davon, dass Träger der Alphabetisierung hilfesuchende Menschen aufgrund der coronabedingten Schließungen der Bildungsinstitutionen im Bereich der Basiskompetenz – ich denke da an Volkshochschulen, ich denke an Mehrgenerationenhäuser – derzeit nicht weitervermitteln können, weil es – so haben wir es gehört – keine adäquaten digitalen Angebote gibt? Dann ist die Frage: Welche Maßnahmen wurden im Rahmen der AlphaDekade 2016 bis 2026 seit Ausbruch der Pandemie ergriffen, um für diese Menschen ganz schnell Ersatzangebote zu schaffen, damit wir gerade die gering literalisierten Menschen in der Pandemie nicht alleine lassen? Denn aus der Coronakrise darf keine Bildungskrise werden, und diese Menschen sind sowieso schon benachteiligt.
Die Coronapandemie hat alle Bildungsinstitutionen im ersten Moment kalt erwischt, sodass sie sich erst einmal aufstellen mussten, um entsprechende Angebote zu schaffen. Aber zum Beispiel die Volkshochschulen hatten schon im Vorfeld sehr niedrigschwellige digitale Angebote auch für die Alphabetisierung. Oft liegt es auch an der Nachfrageseite, dass die Personen den Zugang dazu nicht finden. Das ist natürlich ein Problem, das sich in der Pandemie durch die mangelnde oder verringerte Möglichkeit, Menschen zu erreichen, noch verschärft hat. Aber die Angebote sind da, und man kann sie niedrigschwellig erreichen.
Ich habe mit der Bundeskanzlerin die Initiative „Digitale Bildung“ gestartet, in deren Rahmen wir auch eine sehr niedrigschwellige App für die digitale Bildung auf den Weg gebracht haben. Wir werden diesen Weg fortsetzen und die Angebote immer wieder anpassen, auch so anpassen, dass sie für jeden zugänglich sind.
Nachfrage? – Frau Kollegin.
Das finde ich gut, wichtig und richtig. Aber ist es genug, Frau Ministerin? Wir reden im Bildungsausschuss immer davon, dass Digitalisierung im Moment das Wichtigste auf dem Bildungssektor ist, damit wir nach vorne kommen. In welchem Umfang wurden denn von Ihrem Ministerium jetzt Maßnahmen ergriffen? Von welchem monetären Faktor reden wir, der da zur Verfügung gestellt wurde?
Wir haben mit der App zur digitalen Bildung „Stadt Land DatenFluss“ im Grunde ein Projekt umgesetzt, das schon im Koalitionsvertrag stand, das wir geplant hatten und für das wir auch Mittel eingeplant hatten. Mit dem „Digitalen Bildungsraum“ schaffen wir jetzt eine digitale Infrastruktur, um das ganz systematisch auch sichtbar und für jeden zugänglich zu machen.
Ist das genug? Mit der Alphabetisierungskampagne und den unterschiedlichen Instrumenten haben wir es im ersten Schritt geschafft, von 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland auf 6,2 Millionen zu kommen, und es ist ein langer und kein ganz einfacher Weg, immer wieder gute Zugänge zu schaffen. Diesen Weg werden wir weitergehen, und wir werden den ganzen Prozess, die passenden Zugänge zu finden, immer wieder eng begleiten.
Es ist nicht immer nur eine Frage von Geld, es ist häufig auch eine Frage der Erreichbarkeit. Deswegen ist die Frage „Was entwickeln wir da?“ das eine. Das andere ist, wie wir die Menschen dahin bekommen, diese Angebote zu nutzen,
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und wie wir niedrigschwellig klarmachen können: Wir freuen uns über jeden, der – auch im fortgeschrittenem Alter – diese Chance nutzt und sich dadurch ein Stück Freiheit im Leben verschafft.
Birke Bull-Bischoff, Die Linke, möchte dazu eine Nachfrage stellen.
Ich würde gerne das Thema „Grundbildung, Alphabetisierung“ meiner Kollegin aufgreifen. Wir brauchen dazu motivierte Beschäftigte. Das hat mit Arbeitsbedingungen, das hat mit Einkommensstrukturen zu tun. Ich halte das für eine ganz problematische Baustelle gerade in diesem Bereich. Deshalb meine Frage: Welche Instrumentarien wollen Sie nutzen – auch was den Blick auf Kabinettskollegen betrifft –, um an dieser Stelle bessere Arbeitsbedingungen, bessere Honorar- und Einkunftsmöglichkeiten für die Kolleginnen und Kollegen in der Weiterbildung zu schaffen?
Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren viel getan, um die Arbeitsbedingungen in allen Bereichen Schritt für Schritt zu verbessern. Man kann da den Bildungsmarkt nicht ausnehmen. Wir haben gerade im Hochschulbereich überall da, wo es um befristete Arbeitsverhältnisse ging, dafür gesorgt, dass da, wo es möglich ist, die Befristung abgeschafft oder zumindest heruntergefahren werden kann, um eben auch Stabilität zu geben. Das gilt natürlich auch für diese Bereiche.
Katrin Staffler, CDU/CSU, stellt die nächste Frage.
Ja. Vielen Dank. – Wir haben jetzt viel über die Auswirkungen der Pandemie gesprochen, über Studierende, über die Schulen, auch über die berufliche Bildung. Ich würde gerne noch einen anderen Punkt in den Fokus nehmen, auf den die Pandemie deutliche Auswirkungen hat, und zwar das deutsche Wissenschaftssystem, das ja durchaus unter Druck gerät. Deswegen meine Frage: Was tut denn die Bundesregierung, was tun Sie dafür, das deutsche Wissenschaftssystem, das wir nach der Krise mehr denn je brauchen werden – auch um gut aus der Krise zu kommen –, zu unterstützen?
Wir haben schon vor der Pandemie drei Wissenschaftspakte verabschiedet. Wir leben in einer Transformationszeit, wo wir wissen, dass wir auf Unterstützung aus Wissenschaft und Hochschuleinrichtungen angewiesen sind. Wir legen großen Wert darauf, diesen Transformationsprozess zu gestalten. Viele Innovationen kommen in diesen Tagen aus dem Hochschul- und Wissenschaftssystem. Deswegen haben wir den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit den drei Wissenschaftspakten vor der Krise rechtzeitig finanzielle Sicherheit gegeben.
Wir haben mit dem Zukunftsvertrag „Studium und Lehre stärken“ jährlich 4 Milliarden Euro sicher zur Verfügung gestellt. Damit schaffen wir mehr Dauerstellen und bessere Arbeitsbedingungen für die Wissenschaftler. Mit der Stiftung Innovation in der Hochschullehre haben wir die Erneuerung, die Innovierung des Hochschulsystems selbst in Angriff genommen. Das ist übrigens weltweit einmalig; das gibt es in keinem anderen Land der Welt. Und auch über die Exzellenzstrategie stärken wir in den nächsten zehn Jahren dauerhaft universitäre Spitzenforschung. Das sind genau die Beiträge, genau die Veränderungen, die wir in den letzten Jahren vorgenommen haben, um für diesen Transformationsprozess, der gerade wahnsinnig an Fahrt aufnimmt, gut aufgestellt zu sein und damit auch in der Lage zu sein, die großen Herausforderungen, die großen Veränderungen zu stemmen.
Nachfrage?
Vielen Dank. – Sie haben die Nachfolge des Qualitätspakts Lehre, also die Stiftung, angesprochen. Wir merken in der Pandemie, dass das Thema „Digitalisierung der Lehre“ eine riesengroße Rolle spielt, wo wir schnell noch mehr an Fahrt aufnehmen müssen. Deswegen die Frage: Ist das ein Thema, das in dieser Stiftung entsprechend abgebildet wird?
Wir hatten schon in dem alten Pakt, dem Qualitätspakt Lehre, das Thema „Digitalisierung der Hochschulen“ in den Fokus gestellt. Das war genau der Grund, warum in den Hochschulen viel besser durchgestartet werden konnte, als der Präsenzbetrieb der Hochschulen geschlossen wurde. Das wird jetzt weitergehen; denn am Ende geht es um onlineunterstützte Lehre, also darum, Präsenzlehre und Onlinelehre zusammen zu denken, um im Grunde richtige Lerntools zu entwickeln, aber auch darum, den Zugang und die Unterschiede in der Art des Lernens sowohl im Hochschul- als auch im Schulbereich besser angehen zu können. Das ist es übrigens, was zu Chancengerechtigkeit für jeden und zu individuellen Bildungswegen führt. Und das ist ein Fortschritt, den wir, glaube ich, in diesen Tagen sehr gut brauchen können.
Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke, stellt die nächste Frage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie haben Ihren Vortrag mit dem Thema Impfstoffe begonnen; darauf möchte ich zurückkommen. Es sind ja viele Millionen Euro – auch in der Krise – in diese Impfstoffentwicklung gesteckt worden. Warum hat die Bundesregierung nicht von Anfang an vertraglich gesichert, dass der Patentschutz eingeschränkt bzw. – besser noch – aufgehoben wird? Ich finde, das ist das Gebot der Stunde.
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Das Wichtigste, was wir leisten mussten, ist, in sehr kurzer Zeit motivierte Unternehmen zu finden, die in der Lage sind, kurzfristig bei dieser Impfstoffentwicklung zum Erfolg zu kommen.
Unsere Förderung gehört ins Zuwendungsrecht, und dem, was wir damit tun können, sind klare Grenzen gesetzt. Wir können uns zum Beispiel keine Kaufkapazitäten sichern; das ist immer wieder diskutiert worden. Wir geben durch die Zuwendung und durch eine enge Begleitung die Möglichkeit, viel schneller zum Ziel zu kommen. Man hat gesehen, dass das erfolgreich war. Die Beschaffung und alle weiteren Regularien, die man dann vornimmt, liegen in der Verantwortung anderer Häuser, aber nicht bei uns.
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Nachfrage?
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich erlaube mir erst einmal die Bemerkung, dass ich davon ausgehe und hoffe, dass es Menschen gibt, bei denen die Motivation nicht allein am Gelde hängt; aber das nebenbei.
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Sie haben vorhin im Zusammenhang mit den Impfstoffen die Impfung von Lehrerinnen und Lehrern erwähnt. Warum haben Sie sich nicht dafür eingesetzt, dass in die Impfpriorisierung auch die Berufsschullehrerinnen und ‑lehrer aufgenommen werden?
Wir haben bei der Hochstufung der Priorisierung für Lehrkräfte und Erzieher ganz klar Wert darauf gelegt, diejenigen hochzustufen, bei denen das Abstandhalten nicht so einfach ist, weil sie mit kleineren, mit spontaneren Kindern zusammen sind. Wir alle wissen genau, wie spontan das Geschehen in der Kita ist; auch in der Grundschule ist das im Wesentlichen noch der Fall. Deswegen haben wir die Hochstufung der Priorisierung von Lehrerinnen und Lehrern wie bei den Erzieherinnen und Erziehern ganz klar danach ausgerichtet, wo wir sicher sind, dass es schwieriger ist, Abstand zu halten. Bei Erwachsenen gehe ich davon aus, dass man gute Konzepte finden kann, um Sicherheit und Abstand zu gewährleisten, an die sich dann auch alle halten können.
Ich möchte noch etwas zu dem sagen, was Sie angesprochen haben: Motivation und Geld. Es ging ja gar nicht darum, dass die Motivation nur am Geld hängt. Aber wenn ich nicht in der Lage bin, Studien in einer Größenordnung von 40 000 Probanden und mehr zu gewährleisten, dann hilft mir die beste Motivation nichts, an der Stelle brauche ich auch Geld. Deswegen hat das eine sehr wohl etwas mit dem anderen zu tun. Aber die Motivation hängt nicht allein am Geld.
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Dr. Rainer Kraft, AfD, hat eine Nachfrage dazu.
Ja. – Vielen Dank, Frau Minister. In Ihrem Eingangsstatement hatten Sie ja auch erwähnt, dass Sie darauf hinarbeiten möchten, eine Wiederansiedlung von pharmazeutischer Produktion in Deutschland zu gewährleisten. Grundvoraussetzung dafür ist natürlich die Existenz einer chemischen Industrie, die diese Grundstoffe für die pharmazeutische Industrie zurückstellt.
Ich muss an dieser Stelle aber feststellen, dass das Ziel der Regierung derzeit ist, die chemische Industrie in Deutschland durch eine Klimapolitik in ihrer Arbeit, in ihrer Wirtschaftlichkeit zu behindern. Das zeigt sich auch in Ihren Absichten, den Zugang zu Stoffen auf dem nichteuropäischen Markt durch die Carbon Border Tax, das heißt durch das Besteuern von Stoffen, auch von chemischen Produkten, die nicht unter CO2-neutralen Bedingungen hergestellt worden sind, zu begrenzen. Das steht ja wohl Ihrem Anliegen, in Deutschland wieder eine chemisch-pharmazeutische Produktion aufzubauen, diametral entgegen.
Das sehe ich überhaupt nicht so. Wir sind mit der chemischen Industrie im Gespräch, weil wir natürlich um die Herausforderungen wissen, denen sie gegenübersteht. Auf der anderen Seite stelle ich gerade in der chemischen Industrie und in dem Innovationsökosystem, das wir mittlerweile in diesem Bereich haben, sehr wohl fest, dass bei allen die Bereitschaft besteht, sich unter dem Prinzip „Energie muss bezahlbar und effizient bleiben“ auf den Weg zu machen, um den Klimawandel am Ende bewältigen zu können.
Da bin ich sehr, sehr froh, weil das nicht immer so gewesen ist. Aber wir haben in den letzten Jahren an Netzwerken gearbeitet, um zum Beispiel beim Thema Wasserstoff und bei all den Fragen, die natürlich auch für die chemische Industrie interessant sind, hinterher in der Praxis voranzukommen. Wir haben sehr viele Forschungsprojekte in dem Bereich dazu, um das Ganze auch machbar zu machen.
Natürlich ist das eine Aufgabe, und natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Aber ich bin froh, dass heute die Bereitschaft besteht, sich mit der Industrie gemeinsam auf den Weg zu machen.
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– Das ist ja auch eine Sicht auf Unternehmen.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Christmann.
Herzlichen Dank. – Es war ja jetzt heute schon häufiger vom verheerenden Scheitern die Rede. Das bringt mich zu meinem Thema, der Forschungsfertigung Batteriezelle, über die wir uns ja in diesem Haus schon häufiger ausgetauscht haben.
Jetzt war nicht ganz überraschend zu lesen, dass sich die Umbauten und Gebäudeerstellungen statt bis 2022 bis 2026 hinziehen werden; das sind also vier Jahre Verspätung. Wir erinnern uns an ausführliche Diskussionen über den Vergabeprozess, bei dem gerade Ihr Haus das Kriterium der schon bestehenden Gebäude, um schnell loslegen zu können, nach hinten gerankt hatte, also Sie mit dazu beigetragen haben, dass es ein Standort geworden ist, an dem es noch keine Gebäude gibt.
Wir sehen jetzt: Das führt zu erheblichen Verzögerungen, und das in einer Welt, in der Tesla und andere längst weiterarbeiten. Deswegen möchte ich Sie fragen: War das nicht ein Scheitern mit Ansage? Hat Ihr Haus nicht sehr viel dazu beigetragen, dass wir erst sehr verspätet an diesem Standort zur Batteriezellenforschung beitragen werden können?
Liebe Frau Christmann, das weise ich entschieden zurück, weil wir in der Batterieforschung schon heute einen wirklich substanziellen Beitrag leisten. Wir bauen die Batterieforschung seit dem ersten Jahrzehnt der 2000er-Jahre wieder auf. Wir haben eine sehr leistungsfähige Batterieforschung in Deutschland.
Wir stellen auch fest, dass durch die Diskussionen und durch unsere Initiativen mittlerweile auch die industrielle Seite sehr bereit ist, wieder eine eigene Batterieproduktion aufzubauen. Ich denke schon, dass das im Wesentlichen darauf zurückzuführen ist, dass wir über unsere Initiativen, über unsere langfristigen Maßnahmen wesentlich zu dieser Aufbruchstimmung beigetragen haben. Ich kann mich noch an erste Diskussionen erinnern: Da wollte keiner auf der Industrieseite an das Batteriethema so richtig ran. Insofern ist doch eine Menge passiert, auch abseits der Forschungsfertigung Batteriezelle.
Die Forschungsfertigung Batteriezelle ist im Laufe der Zeit, in der diese kleinteilige Konzeptionierung stattgefunden hat, erweitert worden. Deswegen haben wir jetzt das ganze Bauprojekt in zwei Teile geteilt: Der erste Abschnitt wird pünktlich zu 2022 in den Betrieb gehen, und der zweite Teil wird bis 2025 fertiggestellt. Er sollte ursprünglich bis 2026 fertiggestellt werden. Wir sind also sogar ein Jahr früher dran. Wir haben jetzt nur zwei Teile aus dem Projekt gemacht, weil es größer wird, weil mittlerweile auch das Land Nordrhein-Westfalen 180 Millionen Euro dazu beisteuert.
Sie haben noch eine Nachfrage.
Ja. – Vielen Dank. Mir scheint, Sie haben da eine andere Wahrnehmung als die, die wir der Presse entnehmen können, in der ja auch Vertreter von Unternehmen sagen, dass eigentlich kein Unternehmen mehr der Forschungsfertigung noch positiv gegenüberstehe. Da sind Forderungen im Raum, die Reißleine zu ziehen und das Geld doch an anderer Stelle vielleicht sinnvoller auszugeben.
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– Das ist in verschiedenen Pressestimmen zu lesen.
Es hieß auch, es sei eine Zäsur, dass das Projekt jetzt so nach hinten geschoben werde. Deswegen möchte ich Sie noch mal fragen: Sie nehmen jetzt zur Kenntnis, dass sich dieser Prozess länger hinzieht, haben aber nicht vor, das Geld in der Zwischenzeit anders zu investieren? Wird das dann überhaupt wie geplant abfließen können?
Wie gesagt, wir liegen mit den Planungen im Zeitplan. Wir aus unserem Haus, aber eben auch das Land Nordrhein-Westfalen, das im Grunde die Gebäudeerstellung begleiten muss, begleiten dieses Projekt sehr eng.
Das, was in der Zeitung kolportiert wird, kann ich so nicht feststellen. Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor, dass man die Zweiteilung des Projektes nicht so sieht, wie wir sie denn planen. Vielleicht müssen wir da noch ein bisschen Aufklärung leisten.
Ich habe exakt noch drei Wortmeldungen zu Nachfragen. Wenn sich alle disziplinieren, was die Einhaltung der Frage- und Antwortzeit betrifft, lasse ich auch alle drei zu. – Die erste stellt der Kollege Sattelberger.
Frau Ministerin, ich möchte meine Kollegin Christmann unterstützen. Mir bekannte Industrievertreter und nicht die Medien haben mich darüber informiert, dass das Projekt extrem marktfern geplant wird und dass das, was Sie als Teil eins benennen und jetzt früher fertig werden soll, der kleinere Teil des Projektes ist und der Teil zwei eigentlich die ursprünglich geplante große Lösung gewesen ist.
Ich kann Ihnen auch gerne die Namen der Industrievertreter, die direkt am Projekt beteiligt sind, unter vier Augen nennen. Aber da brauchen Sie keine Aufklärungsarbeit zu leisten, sondern das sind Akteure, die direkt involviert sind. Bitte nehmen Sie dazu Stellung.
Scheinbar ist es doch so, dass wir an dieser Stelle noch Aufklärung leisten müssen. Es ist immer so gewesen, dass der erste Teil der kleinere Teil ist, weil natürlich am Ende die Gebäudeerstellung der größere Teil ist, der dann eben in der zweiten Phase geplant ist.
Nichtsdestotrotz bleibt es dabei, dass wir mit unseren Zahlungen und mit den Unterstützungen, die wir geben, im Zeitplan liegen, dass der erste Teil passend fertiggestellt wird und der zweite sogar ein Jahr eher als geplant.
Die nächste Nachfrage stellt der Abgeordnete Spaniel.
Frau Ministerin, wir haben also gerade gelernt, dass die in Deutschland geplante Batteriezellenforschung deutlich verspätet in Aktion tritt.
Nein.
Doch, das haben wir gerade gehört, zumindest von den anderen Kollegen hier. Und 2026 ist ja doch etwas später als 2022. Also vollständig erst 2026.
Jetzt zur Frage, die ich Ihnen stelle, und das ist eine tatsächlich offene Frage. Wir nehmen hier Steuergelder in die Hand, um mit diesen Steuergeldern in Deutschland hinterher Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu schaffen, um eine Batteriezellenfertigung hier in Deutschland zu ermöglichen. Was sind denn die aktuellen Schätzungen in Ihrem Haus? Wie viel Prozent der in Deutschland gefertigten elektrischen Fahrzeuge werden denn tatsächlich mit Batterien, die auch in Deutschland hergestellt werden, ausgeliefert werden? Wie groß ist ungefähr der Weltmarktanteil der Batterien, die wir hier in Deutschland fertigen wollen?
Es geht doch darum, in der Batteriezelltechnologie wieder an der Leistungsspitze mitzuspielen. Wir waren in den 80er- und in den 90er-Jahren die Leistungsträger im Bereich der Entwicklung von Batteriezelltechnologien. Es geht um Speichertechnologien für die Zukunft. Es geht doch gar nicht nur um Autos. Es geht um ganz viele Bereiche, in denen wir Speichertechnologien brauchen.
Wir müssen uns, wenn wir wieder einen substanziellen Anteil an der Wertschöpfung gerade in diesen innovativen Technologien haben wollen, technologisch an die Spitze setzen. Deswegen ist nicht die Frage, wie viel, sondern: Sind wir in der Lage, weil wir nach den 90er-Jahren zurückgefallen sind und wir weder Batterieforschung noch substanzielle Batterieproduktion in Deutschland hatten, das wieder aufzuholen und uns wieder an die Spitze der Technologieentwicklung zu setzen? Das ist unsere Aufgabe, und das ist der Spirit meines Hauses.
Die letzte Nachfrage stellt der Abgeordnete Steier.
Frau Ministerin, Sie haben eben zu Recht ausgeführt, dass die Batterie ja ein sehr komplexes Gebilde ist. Aus meiner Erfahrung und aus meinem Leben vor dem Bundestagsabgeordnetenmandat – ich habe im Batteriebereich Sensoren mitentwickelt – weiß ich sehr genau, dass hier entlang dieser Fertigungskette neue Erkenntnisse erlangt werden können.
Da hätte ich eine Frage an Sie: Ist es nicht jetzt schon aufgrund der aktuellen Gebräuchlichkeiten, aber auch aufgrund der aktuellen Infrastruktur, die schon errichtet wurde, möglich, neue Erkenntnisse entlang dieser einzelnen Produktionskette zu gewinnen, und wie können wir die entsprechend umsetzen?
Wir haben ja ein Dachkonzept zur Batterieforschung, und in dieser Batterieforschung, von der jetzt hier gerade die Rede ist, ist die Forschungsfertigung der letzte Baustein zur Skalierung industrieller Produktion.
Was all die vorgelagerten Teile angeht, haben wir in Deutschland verschiedene Forschungseinrichtungen, quer durch Deutschland verteilt, mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten, die im Bereich der Batterieforschung schon sehr gut auf dem Weg sind. Und bei der Forschungsfertigung geht es einzig und allein darum, industrielle Produktionsskalierung von innovativen Batteriekonzepten möglich zu machen und das sozusagen in einem Forschungsrahmen auszuprobieren. Deswegen hat natürlich die Industrie großes Interesse daran.
Das ist übrigens gerade auch für ausländische Batteriezellanbieter ein wesentlicher Faktor, warum sie sich eben auch gerne in Deutschland niederlassen.
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Wir sind damit am Ende der Befragung der Bundesregierung. – Danke, Frau Ministerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Oktober letzten Jahres hatte ich das Privileg, die junge somalische Friedensaktivistin Ilwad Elman zu treffen. Sie hat hier in Berlin den Deutschen Afrika-Preis erhalten, unter anderem für ihr mutiges Eintreten für die Überlebenden sexualisierter Gewalt. Ich erinnere mich gut an einen Satz, den Frau Elman damals gesagt hat: Gleichstellung ist der Inbegriff von Wandel. – Dieser Satz ist für mich so etwas wie die Überschrift für die Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit; denn darum geht es: um gesellschaftlichen Wandel, um die Überwindung überkommener Rollenbilder und Strukturen, die Frauen von Entscheidungsprozessen ausschließen, sie in ökonomischer Abhängigkeit halten und zu Opfern von Gewalt werden lassen. Wir treten ein für Gleichberechtigung; denn sie ist tatsächlich der Wandel.
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Wir sehen aber auch, dass Frauenrechte an vielen Stellen dieser Welt immer stärker unter Druck geraten. Corona hat diese Entwicklung verstärkt. Manche sprechen inzwischen von einer Schattenpandemie, die Vereinten Nationen sprechen gar von einer Pandemie der Femizide. Ich unterstütze die Forderung der Sonderberichterstatterin der VN, dass alle Staaten hierzu jetzt auch verlässliche Daten sammeln sollen. Und ausgerechnet zu einem solchen Zeitpunkt ist die Türkei im Begriff, aus der Istanbul-Konvention auszutreten, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Das wäre ein schwerer Fehler.
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Es braucht mehr Schutz für Frauen und nicht weniger.
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Ich habe vor Kurzem mit einer türkischen Frauenrechtsaktivistin gesprochen, und sie sagte mir: Es gibt in der Türkei über 160 Frauenhäuser, aber nicht alle davon sind wirklich ausschließlich für Frauen offen. Ich möchte von hier aus sagen: Wir stehen an der Seite der Mädchen und Frauen in der Türkei und weltweit
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und an der Seite derjenigen, die die Rechte von Frauen und Mädchen verteidigen und sie stärken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei einer Reise mit dem Bundespräsidenten Steinmeier nach Kenia – das ist jetzt schon über ein Jahr her – haben wir in einem Flüchtlingslager Frauen an großen Töpfen über offenem Feuer kochen sehen. Das war auf den ersten Blick ein eindrucksvolles Geschehen, auf den zweiten leider ein sehr tödliches; denn Hunderttausende Frauen sterben jedes Jahr an dem Rauch, dem sie dabei ausgesetzt sind. Inzwischen hat die Welthungerhilfe an diesem Ort eine Solarküche ermöglicht. Das zeigt: Auch mit kleinen Maßnahmen können wir viel erreichen, wenn wir nicht genderblind sind.
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Deswegen ist die feministische Außenpolitik, die Umsetzung der Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit so wichtig.
Unser Aktionsplan bietet eine Strategie dazu, über alle Ressorts hinweg die Rechte von Frauen zu schützen und Frauen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen, Konfliktschlichtung und den Wiederaufbau einzubeziehen. Das bleibt auch 20 Jahre nach der Verabschiedung das Ziel. Als Auswärtiges Amt fördern wir im Kongo Projekte zur Unterstützung Überlebender sexualisierter Gewalt. In Afghanistan haben wir ein „Safe House“ für Menschenrechtsverteidigerinnen und Frauenhäuser an verschiedenen Orten des Landes eingerichtet. Und in Traditionsländern wie dem Sudan sorgen wir durch unsere Unterstützung dafür, dass Friedensaktivistinnen und Menschenrechtsverteidigerinnen bei politischen Prozessen mitreden.
Rund 700 solcher Projekte und Maßnahmen haben wir allein in den letzten vier Jahren umgesetzt, in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft; denn oft sind es gerade die Frauenorganisationen, die den Wandel tatsächlich voranbringen. Dazu fördern wir auch als Geber des Women’s Peace & Humanitarian Fund die Beteiligung von Frauen an Krisenpräventionen und auch an Friedensprozessen. Und mit der Resolution 2467 haben wir die Unterstützung von Überlebenden sexualisierter Gewalt und die Strafverfolgung der Täter verbessert.
Es gilt aber auch, die Agenda in unseren eigenen Köpfen und Strukturen noch besser zu verankern. Wir benennen erstens noch bis zum Sommer die ersten Focal Points für Frauen, Frieden und Sicherheit an unseren Botschaften. Das Thema wird zweitens noch stärker in unserer Diplomatenaus- und ‑fortbildung verankert. Schließlich machen wir auch im Auswärtigen Amt weiter Fortschritte in Sachen Geschlechtergerechtigkeit. Und ja – das wissen Sie auch –, da gibt es noch eine Menge zu tun. Im Sommer werden immerhin 40 Prozent unserer Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter und Beauftragten Frauen sein.
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Zum Abschluss, liebe Kolleginnen und Kollegen: Eine Schattenpandemie gibt es nur dann, wenn wir es zulassen, dass die Situation von Frauen im Schatten bleibt. Wir brauchen Aufmerksamkeit und Bewusstsein. Dann lässt sich auch etwas ändern. Das machen wir alles nicht aus einer Ideologie heraus, sondern beim Thema Geschlechtergerechtigkeit geht es um politische und um ökonomische Vernunft, um Gerechtigkeit, um Demokratie, um Menschenrechte.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Michelle Müntefering. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Anton Friesen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Bürger! In der Außenpolitik geht es nicht um Heilige gegen Sünder, sondern um Sünder gegen Sünder. – Diesen Satz von Reinhold Niebuhr, amerikanischer Politikwissenschaftler und Theologe, sollte sich diese Bundesregierung dringend zu Herzen nehmen. Stattdessen verschwendet sie über 2 Milliarden Euro deutsches Steuergeld für ideologische Umerziehung in Deutschland und der Welt, für die Zerstörung von Ehe und Familie, für die Förderung von Abtreibung und den Gendertotalitarismus.
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Gender: Ein Konzept, das die angebliche soziale Konstruktion des Geschlechts betont, das hat rein gar nichts mit Frauenrechten zu tun.
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Im Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der Resolution 1325 geht es eben nicht um Frauen, Frieden und Sicherheit. Diese Resolution selbst – sie wurde im Jahr 2000 beschlossen – hat durchaus richtige Ansätze, zum Beispiel bei der Bekämpfung von sexualisierter Gewalt oder bei der Berücksichtigung der Perspektive von Frauen in Konflikten. Das, was diese Bundesregierung in ihrem Aktionsplan daraus macht, ist dagegen ein Frontalangriff auf stabile traditionelle Gesellschaften.
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Die Bundesregierung kämpft mit dem Geld des normalen arbeitenden Steuerzahlers für ideologische Irrsinnsprojekte, die traditionelle Rollenbilder, sogenannte Geschlechterstereotype, zerstören sollen. Die LGBTI-Lobby wird in der Ukraine, in Russland und weltweit gefördert. Die Einstellungen und Präferenzen der einheimischen Bevölkerungen tritt diese Bundesregierung kulturimperialistisch mit Füßen. In Polen, in Ungarn, in Russland, in China und anderswo auf der Welt hält die übergroße Bevölkerungsmehrheit an der traditionellen Ehe zwischen Mann und Frau fest und lehnt den Mord an ungeborenem Leben ab.
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Doch man braucht nicht in die Ferne zu schweifen. Tatsächlich ist das, was diese Bundesregierung in Deutschland selbst anstellt, nicht besser. Die meisten Maßnahmen des Aktionsplans werden in unserem Land durchgeführt. So wird beispielsweise die Vergewaltigung der deutschen Sprache, besser unter dem Namen „gendergerechte Sprache“ bekannt, über die Internetseite genderleicht.de mit fast 300 000 Euro gefördert. Die faktische Frauenquote, in den Ministerien als Bevorzugung von Frauen getarnt, sorgt dafür, dass unsere Beamten nicht nach Eignung, Befähigung und Leistung, sondern nach ihrem Geschlecht ausgewählt werden.
Erstaunlicherweise findet sich in diesem Aktionsplan immerhin im Zusammenhang mit Corona ein einziges Zitat, dem ich vorbehaltlos zustimmen kann – ich zitiere –:
Leider ist weltweit zu beobachten, dass autoritäre Staaten die Krise nutzen, um ihre Macht zu konsolidieren und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu unterhöhlen: … ein vermehrter Einsatz von Militär und Sicherheitskräften bei der Durchsetzung von Notstandsregelungen und starke Beschränkungen des zivilgesellschaftlichen Raums werden unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung legitimiert …
Wer mag dabei nicht an Deutschland denken?
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Es gibt also viel zu tun für diese Bundesregierung, nicht weltweit, sondern hier bei uns in Deutschland, vor allem die Beendigung des Coronanotstandsregimes.
Vielen Dank.
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Danke schön. – Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Ursula Groden-Kranich.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir leben in einer turbulenten Zeit, die Zahl der Krisenherde ist nicht kleiner geworden, und die bestehenden Krisen werden durch Covid-19 noch verschärft. Genau da setzt die UN-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit an. Frauen sind bei vielen leider nicht die erste Assoziation, wenn es um erfolgreiche Außenpolitik geht. Sie sollte es aber viel, viel öfter sein. Man denke nur an die Vermittlerrolle unserer Kanzlerin in Krisenherden weltweit.
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Denn viele relevante Studien zur Resolution 1325, auch die Erfahrung der Bundesregierung mit ihren Aktionsplänen zur Umsetzung der Resolution, belegen eindeutig: Geschlechtergerechtigkeit hilft quantitativ und qualitativ dabei, internationale und nationale Krisen zu bewältigen oder gleich zu verhindern. Umgekehrt ist Geschlechterungerechtigkeit sehr oft die Ursache für Konflikte oder verschärft sie.
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Frauenrechte sind Menschenrechte und stehen als solche unter dem Schutz der internationalen Gemeinschaft. Aber ich warne ausdrücklich davor, Frauen, Frieden und Sicherheit als reine Freundlichkeit oder Akt christlicher Nächstenliebe zu betrachten. Nein, es geht um handfeste außenpolitische, sicherheitspolitische und wirtschaftliche Interessen, die wir hiermit vertreten und unterstützen.
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Wenn wir aktuell nach Belarus oder Myanmar schauen, ist es auffallend: Gerade Frauen sind die engagiertesten Verfechterinnen von Demokratie und Menschenrechten. Sie treten absolut furchtlos für Frieden und Rechtsstaatlichkeit ein, was wir als internationale Staatengemeinschaft nur unterstützen können.
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Die größte Bedrohung für diese enorm positiven Kräfte ist Gewalt gegen Frauen, und zwar Gewalt in ihrer gesamten Bandbreite: von häuslicher Gewalt und kulturell verankerter Gewalt wie Kinderehe und Beschneidung bis hin zur Gewalt gegen Frauen als systematisches Kriegsmittel und in Fluchtkontexten. Wenn es uns also gelingt, Gewalt gegen Frauen effektiv einzudämmen, setzen wir damit quasi automatisch die positiven Kräfte frei oder verstärken sie, die von Frauen gerade in Krisenregionen nachweislich ausgehen.
Besonders eindrücklich zeigt sich das für mich in der humanitären Hilfe, die ja auch einen eigenen Schwerpunkt im vorliegenden Dritten Aktionsplan der Bundesregierung bildet. Aber auch im Übergang von der humanitären Hilfe zur Entwicklungszusammenarbeit und in der Entwicklungszusammenarbeit sind Frauen wichtige Akteure.
Als ich einmal die Gelegenheit hatte, in Afrika Projekte des BMZ zu besuchen, habe ich gesehen, dass vor allem die Frauen mit einem hohen Maß an Verlässlichkeit und Kontinuität für sich und ihre Familien sorgen. Ich fand es und finde es nach wie vor extrem beeindruckend, auf welch bescheidene – man möchte sagen: geräuschlose – Art und Weise diese Frauen zwar kleine, aber sehr nachhaltige Gewinne und Verbesserungen erzielen. Und salopp gesagt: Die Frauen leisten genau das, was die mitunter für Korruption anfälligen männlichen Machthaber tun sollten: nämlich ihr Land aufbauen, stabilisieren und an die kommenden Generationen denken.
Denn ganz wichtig ist: Wer Frauen stärkt, stärkt Familien als kleinste Zelle des Gemeinwesens. Sie sind das Fundament für Dörfer, Städte und letztlich Staaten. Da Frauen meist den größten Einfluss auf die Kindererziehung haben, geben sie dieses Empowerment an die nächste Generation weiter – oder eben nicht. Das gilt für wirtschaftliche Errungenschaften genauso wie für Bildung, Werte und Ideen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es steht außer Frage: Friedensprozesse, Stabilität und Wohlstand, ob innerhalb oder zwischen Staaten, sind dauerhaft ohne die aktive Beteiligung und das Mitdenken von Frauen nicht hinzukriegen. Darum sind die Resolution 1325 und die Aktionspläne der Bundesregierung so wichtig und verdienen weiterhin die volle Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Ursula Groden-Kranich. – Nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion Gyde Jensen.
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Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frauen spielen weltweit eine elementare Rolle, wenn es um Friedenssicherung, Krisenprävention oder Krisenbewältigung geht. Davon sind wir Freie Demokraten fest überzeugt und eben auch die bedeutende Mehrheit dieses Hauses. Deshalb erwarten wir von der Bundesregierung eine ambitionierte Umsetzung der Nationalen Aktionspläne Frauen, Frieden und Sicherheit und der UN-Resolution 1325.
Wir sind von den Zielen der Resolution 1325 überzeugt, weil wir glauben, dass diejenigen, deren Rechte, deren Sicherheit in Krisen und Konflikten als Erstes unter die Räder kommen – das sind in der Regel Frauen, Kinder und auch Ältere –, in ihren Bedürfnissen berücksichtigt werden müssen.
Wir sind davon überzeugt, weil diese Initiativen der erste Schritt hin zu einer Außenpolitik sind, die vom Individuum ausgeht. Wir Liberale denken Außenpolitik von der Konsequenz für jeden Einzelnen, für die Rechte und Freiheiten eines jeden Einzelnen.
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Damit das gelingt, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir Menschen mit unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten in genau diese Prozesse einbinden.
Schließlich sind wir von den Zielen der Resolution 1325 überzeugt, weil uns die Zahlen sagen, dass wir richtig liegen, wenn wir in der internationalen Politik mehr denn je auf Frauen setzen. Diese Zahlen kann man nicht oft genug wiederholen, und deswegen möchte ich das gerne machen. Laut UN Women waren in Friedensprozessen zwischen 1992 und 2019 6 Prozent der Mediatoren, 6 Prozent der Unterzeichner, 13 Prozent der Verhandler weiblich. Dem stellen wir eine weitere Statistik an die Seite: Wenn Frauen am Friedensprozess beteiligt sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Einigung mindestens 15 Jahre hält, um 35 Prozent. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können uns also quasi ausrechnen, wieviel mehr Erfolg wir in der internationalen Friedenspolitik hätten und damit in der Außenpolitik insgesamt, wenn wir mehr Frauen eine Stimme geben würden.
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Die Bundesregierung nimmt dieses Thema sehr ernst. Das zeigt der Umsetzungsbericht mit den tollen Projekten, die im Kleinen, aber auch im Großen einen echten Unterschied machen. Aber ich werde dennoch ein bisschen diesen Eindruck nicht los, dass die Spitzen der Häuser, insbesondere des Auswärtigen Amtes, für diese wichtige Arbeit nicht das allerbeste Aushängeschild sind.
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Nehmen wir zum Beispiel die Personalpolitik: Laut Zahlen des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze vom Stand Juni 2020 hat Deutschland bisher 16 Missionsleiter für GSVP-Missionen gestellt – alles Männer. Im neuen Aktionsplan bleibt die Bundesregierung uns diese Zahlen oder konkrete Kriterien gänzlich schuldig, an denen Sie sich selber evaluieren und an denen wir Sie theoretisch dann auch messen können müssen.
Und all die guten Projekte, die helfen natürlich nicht, wenn der Außenminister dann in entscheidenden Momenten mit so viel Symbolkraft – ich denke zum Beispiel an den Austritt Erdogans aus der Istanbul-Konvention – nicht die richtigen Worte findet und den Eindruck erweckt, er verharre hier politisch tatenlos.
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Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Dass der Außenminister in dem Moment, als er davon hörte, dass Erdogan aus der Istanbul-Konvention austreten wolle, das nüchtern kommentierte, sendet – in Klammern – nicht das richtige Signal. Daran wollen wir hier im Bundestag arbeiten.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Gyde Jensen. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Kathrin Vogler.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die UN-Resolution 1325 aus dem Jahr 2000 ist ein wichtiges Dokument zur Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen. Sie sollen vor allem durch Prävention vor Gewalt und sexueller Ausbeutung geschützt und an Friedensprozessen angemessen beteiligt werden. So weit die Theorie. Die Praxis sieht jedoch noch anders aus.
Zum Glück sind allerdings die Zeiten vorbei, in denen die Bundesregierung die Erhöhung des Frauenanteils in der Bundeswehr für die wichtigste Maßnahme zur Umsetzung dieser Resolution hielt. Mädchen und Frauen in Kriegsgebieten haben nämlich gar nichts davon, wenn Frauen statt Männer Kriege führen.
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Insofern stellt diese dritte Auflage des Aktionsplans schon eine erhebliche Verbesserung dar. Aber um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Der wirksamste Schutz von Frauen vor Krieg und sexualisierter Gewalt ist es, keine Krieg zu führen und auch keine Kriege zu unterstützen.
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Und dieser Einsicht verweigert sich die Bundesregierung bis heute hartnäckig.
Diejenigen, die die Zivilbevölkerung mit Krieg überziehen, haben ihre Waffen aus Rüstungsexporten auch aus Deutschland. Was nimmt sich die Bundesregierung jetzt vor? Sie will bei den Rüstungsexporten das Risiko bewerten – Zitat –, „ob mit den beantragten Rüstungsgütern schwerwiegende Akte sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt oder schwerwiegende Gewalt gegen Frauen und Mädchen verübt werden könnten“. Klingt kompliziert. Ist es auch. Viel einfacher und wirksamer wäre es doch, alle Rüstungsexporte zu verbieten, wie das Die Linke fordert.
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Überhaupt muss Deutschland international viel, viel mehr für Abrüstung tun und dabei selbst vorangehen. Das fängt bei den Kleinwaffen an und hört lange noch nicht bei den Atomwaffen auf, die zum Beispiel in Büchel gelagert sind. Von deren Auswirkungen sind zum Beispiel aufgrund der ionisierenden Strahlung Frauen und Mädchen unverhältnismäßig betroffen. Das steht zum Beispiel im Atomwaffenverbotsvertrag der UNO. Aber das kann Oberfeminist Heiko Maas nicht in seinen Aktionsplan reinschreiben, weil er dann ja den Beitritt der Bundesrepublik zum Atomwaffenverbotsvertrag auf den Weg bringen müsste, was wir als Linke hartnäckig fordern.
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Eine umfassende Friedenspolitik würde auch bedeuten, alle Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden, weil sie nicht zur Friedenswahrung beitragen, und endlich auf die ausschließlich zivile Bearbeitung von Konflikten zu setzen.
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Last, but not least wäre es auch wichtig, im eigenen Land durchzusetzen, was man von anderen Ländern fordert. Frauen, die vor Krieg und Gewalt flüchten mussten, meine Damen und Herren, leben hierzulande in AnkER-Zentren und Massenunterkünften, unter katastrophalen Bedingungen, ohne Zugang zu Gesundheitsversorgung und psychologischer Versorgung, und sie sind auch nicht geschützt vor sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Da nützt ein schöner Aktionsplan mit vielen warmen Worten nichts. Hier muss gehandelt werden!
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Vielen Dank, Kathrin Vogler. – Nächste Rednerin: für Bündnis 90/Die Grünen Agnieszka Brugger.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Schwerpunkt soll die Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit sein. Dieses Versprechen hat Außenminister Maas vor drei Jahren verkündet, als Deutschland sich um einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bewarb. Wenn man sich jetzt die Bilanz von Herrn Maas in der Realität drei Jahre später anschaut, muss man schon feststellen: Die ist mehr als dürftig.
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Und wenn er nicht weiß, wie es geht: Wir Grüne haben in einem umfassenden Antrag hier im Bundestag vor über zwei Jahren sehr viele konkrete Vorschläge aufgezeigt. Denn es geht um Repräsentanz, es geht um Rechte und Ressourcen, um wichtige Perspektiven und wertvolle Potenziale.
Die Resolution 1325 der Vereinten Nationen zu Frauen, Frieden und Sicherheit aus dem Jahr 2000 ist ein historischer Meilenstein und doch zugleich aktueller denn je – in Zeiten, in denen eine Pandemie bestehende Ungerechtigkeiten gerade für Frauen und marginalisierte Gruppen massiv verschärft und ihre Rechte von vielen Seiten unter Beschuss genommen werden. Solche Angriffe müssen wir als das erkennen, was sie sind: eine Attacke auf die Rechte und Chancen von allen Menschen, die wir nicht hinnehmen dürfen.
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Damit eine solch wegweisende Resolution aber mehr ist als schöne Worte auf Papier, gibt es das Instrument des Nationalen Aktionsplans. Und der vorliegende Plan geht in vielen Punkten durchaus in die richtige Richtung, auch gerade dank vieler kluger Impulse aus der Zivilgesellschaft und aus der Wissenschaft. Auch im Auswärtigen Amt gibt es engagierte Menschen und tolle Einzelprojekte. Feministische Außenpolitik ist aber nicht nur ein Thema für hippe Social-Media-Kampagnen, kluge Papiere und schöne Worte. Wer es ernst meint, muss auch im konkreten Regierungshandeln und auch im Handeln des Ministers an die harten Fragen von Machtstrukturen und Geld ran!
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Stichwort „Personal und Repräsentanz“: Wir wissen doch, wie wichtig weibliche Sicherheitskräfte und Ansprechpersonen für Frauen in Krisenregionen sind. Beim deutschen Personal bei den Friedensmissionen lag der Anteil Ende 2020 nur bei rund 7 Prozent. Wer es ernst meint, muss mit Quoten und gezielter Förderung dafür sorgen, dass es mehr Frauen in der Außen- und Sicherheitspolitik gibt!
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Stichwort „Strukturen“: Wer möchte, dass feministische Außenpolitik nicht nur unter „ferner liefen“ stattfindet, sondern von Anfang an überall mitgedacht wird, muss sein Ministerium auch so aufstellen. Wo bleibt denn ein eigenes Referat zur Koordinierung im Auswärtigen Amt?
Oder Stichwort „Geld und Ressourcen“: Noch immer gibt es im Haushalt keine festen Quoten für die Mittelverwendung, ja nicht einmal eine übersichtliche Markierung. Wer es ernst meint mit seinen Worten vom Schwerpunkt, der lässt all diese Themen nicht irgendwo liegen, der macht Turbo und Tatkraft statt Schneckentempo und Schlenderei!
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, es ist wichtig, dass es mehr weibliche Botschafterinnen gibt, und es ist wichtig, dass bei der Münchener Sicherheitskonferenz nicht nur vornehmlich Männer sitzen. Aber eine echte feministische Außenpolitik ist so viel mehr als das. Sie denkt die verschiedenen Formen von Diskriminierung zusammen und nimmt sie nicht hin. Sie versteht Sicherheit nicht nur als Sicherheit von Staaten, sondern stellt Menschen mit ihren Rechten und Bedürfnissen in den Mittelpunkt. Sie gibt denen eine Stimme, die zu wenig gehört werden, und sie nutzt die Potenziale aller Gruppen – ein Ansatz, von dem nicht allein Frauen profitieren, sondern ein Anspruch, der am Ende ein Gewinn für alle ist.
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Denken Sie an die Redezeit, bitte.
Ich komme zu meinem letzten Satz. – Meine wunderbare Kollegin Claudia Roth fasst es immer perfekt zusammen: Es geht nicht darum, Frauen zu zählen, sondern dafür zu sorgen, dass ihre Perspektiven zählen.
Vielen Dank.
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Dem ist nichts hinzuzufügen. Danke schön. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Andreas Nick.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unverändert gilt, dass Frauen in besonderer Weise von den Auswirkungen gewalttätiger Konflikte betroffen sind bis hin zum systematischen Einsatz sexueller Gewalt, einer besonders abscheulichen Menschenrechtsverletzung. Frauen bedürfen daher auch weiterhin eines besonderen Schutzes. Frau Vogler, Sie können ja die Jesidinnen mal fragen, ob sie auf den militärischen Schutz vor der sexuellen Gewalt des IS gerne verzichtet hätten. Das war schon zynisch, was Sie hier vorgetragen haben.
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Dabei dürfen wir aber natürlich nicht stehen bleiben. Denn Frauen sind in erster Linie Akteurinnen, wenn es darum geht, gerechten und nachhaltigen Frieden in Gesellschaften zu erreichen. Es ist doch wie überall: Nur wenn alle Betroffenen an der Verhandlung, Ausarbeitung und Umsetzung von Prozessen teilhaben können, werden diese langfristig erfolgreich sein.
Mit der im Jahre 2000 verabschiedeten Resolution 1325 hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen deshalb die Rolle von Frauen in Friedensprozessen und in der Krisenprävention gestärkt. Dies betrifft alle Ebenen der Beteiligung und alle Phasen eines Konflikts oder der Konfliktbewältigung. Von diesem Leitgedanken ist auch der neue Aktionsplan der Bundesregierung zur Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit geprägt.
Dabei geht es nicht nur, aber auch um die Prägung von Vorbildern in Politik und Diplomatie, etwa mit einer langjährigen erfolgreichen Bundeskanzlerin, einer zweiten Verteidigungsministerin, aber auch unseren erfolgreichen Botschafterinnen an wichtigen Standorten wie in den USA und Kanada, in Israel und der Ukraine und künftig auch bei den Vereinten Nationen in New York und in Genf.
Es geht uns aber auch um die Stärkung der Rolle von Frauen in Friedensprozessen vor Ort. So hat sich die Bundesregierung im Aktionsplan verpflichtet, eine Analyse der strukturellen Barrieren zur Erhöhung des Frauenanteils bei Militär, Polizei und Zivilpersonal in europäischen und internationalen Friedenseinsätzen vorzunehmen. Und diese Hindernisse gilt es auch entschlossen abzubauen; dann werden wir sicherlich auch bei den Führungspositionen Veränderungen sehen.
Aber es ist richtig: Hindernisse bestehen auch auf internationaler Ebene. Manche Beobachter sprechen gar von einem patriarchalen Backlash. Der Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention ist angesprochen worden. Er wird uns ja auch im Europarat noch beschäftigen.
Aber auch im UN-Sicherheitsrat sind wir dem mit klarer Haltung entgegengetreten: Während unserer Mitgliedschaft haben wir 21 Vertreterinnen der Zivilgesellschaft als sogenannte Brieferinnen in den UN Security Council eingeladen, und es ist gelungen, neue Resolutionen zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt in Konflikten und zur Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit zu verabschieden. Möglich war dies nur im engen Schulterschluss mit unseren europäischen und gleichgesinnten Wertepartnern weltweit, und diesen Geist gilt es mit Mut auch für die Zukunft weiterzuentwickeln.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Dr. Nick. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dr. Daniela De Ridder.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten“ – dies forderte schon die Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Olympe de Gouges Ende des 18. Jahrhunderts. Ihren Kampf um Frauenrechte bezahlte sie mit dem Leben. Sie starb während der Französischen Revolution unter dem Fallbeil der Guillotine.
Heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es nicht minder gefährlich, für Geschlechtergleichstellung einzutreten. Ja, ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen: In unserem Grundgesetz sind Frauen und Männer gleich. – Das wurde im Übrigen hart erkämpft – von Frauen. Zumindest in westlichen Staaten gibt es eine Art Ladies’ Agreement, dass Menschenrechte immer auch Frauenrechte sind. Besser wäre es dennoch, dies würde auch global gelten.
Femizide, sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, Demütigungen, Stock- und Peitschenhiebe: Gewalt gegen Frauen scheint keinerlei Grenzen zu kennen, nicht einmal im eigenen Zuhause. Und daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es eine Schande, wenn manche Staaten – wie etwa die Türkei – erklären, die Istanbul-Konvention, die all dies ächtet, gelte für sie nicht mehr.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Krisen beweist sich der Charakter – das hat Helmut Schmidt bereits 1962 gesagt. Dies gilt umso mehr für Coronazeiten und den Pushback in Gleichstellungsfragen. Die Resolution 1325 und der dritte Aktionsplan sind auch deshalb so wichtig, weil hier Bewusstsein geschaffen wird für die Rolle von Frauen in Kriegs- und Krisengebieten und vor allem für ihre Qualitäten als Moderatorinnen und Agentinnen des Wandels und des Friedens.
Ich danke dem Außenminister Heiko Maas, Staatsministerin Michelle Müntefering und dem Auswärtigen Amt für die Umsetzung der Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit; denn diese Agenda sucht die Lösung von Konflikten in einer Beteiligung und Stärkung von Frauen. Gehört und gesehen werden, Lösungen herbeiführen, Alltagssexismus und Alltagsrassismus bekämpfen, Empowerment betreiben also – das ist das Gebot der Stunde. Denn davon profitieren nicht nur Frauen, sondern wir alle, so auch Sie, Herr Friesen. Der einzige Beitrag, den die AfD und andere Sexisten in Sachen Gender leisten, ist ein erbärmlicher Krieg gegen Gendersternchen.
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Bleiben wir also entschieden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und da, wo Sie es noch nicht sind: Werden Sie feministisch. – Die Umsetzung der Resolution 1325 muss täglich errungen werden. Kämpfen wir also solidarisch weiter.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Dr. Daniela De Ridder. – Die letzte Rednerin in dieser Debatte: Elisabeth Motschmann für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich traf zweimal im letzten Jahr Swetlana Tichanowskaja. Und ich sage an dieser Stelle: Diese Frauen sind die Hoffnung dieser Welt. Diese mutigen Frauen – ich nenne stellvertretend noch Marija Kolesnikowa, die auch zu diesen mutigen Frauen in Belarus gehört – sind große Vorbilder bei dem, was wir mit der Resolution erreichen wollen. Und ich hoffe, Frau Staatsministerin, dass diese Frauen den Wandel in dem Land einleiten können.
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Wir wissen – und das ist hier auch angeklungen –: Wenn Frauen aktiv an Friedensverhandlungen beteiligt sind, steigt die Wahrscheinlichkeit eines dauerhafteren Friedens. Das ist nicht irgendeine politische Wunschvorstellung; das ist inzwischen längst auch wissenschaftlicher Fakt. Trotzdem haben wir nur 13 Prozent Frauen – meine Kollegin von der FDP hat es erwähnt – an den Verhandlungstischen, und das ist zu wenig. Frauen müssen an die Verhandlungstische, wenn es um Krieg und Frieden geht.
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Leider ist das Ergebnis der vielfältigen Bemühungen weltweit noch mager. Immer noch sind nur 19 von 193 Staatschefs weiblich, nur 17 von 193 Außenministern sind Frauen. Das ist das Problem. Über 700 Projekte auf der ganzen Welt listet der Umsetzungsbericht auf. Das sind alles tolle Projekte – gar keine Frage –, aber das Ergebnis müssen wir uns angucken. Es ist richtig, Schutzräume, Bildungsangebote für Frauen zu schaffen. So können wir Frauen überhaupt erst eine Teilhabe an den Entscheidungsprozessen ermöglichen. Und das ist keine Ideologie, Herr Friesen – wirklich nicht. Da müssen Sie noch viel dazulernen.
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Viele Frauen auf der Welt sind aber nach wie vor in Abhängigkeiten gefangen: Abhängigkeit von Männern, Abhängigkeit vom politischen System, finanzielle und wirtschaftliche Abhängigkeit. Umso bitterer ist es, dass die Coronapandemie diese Abhängigkeiten zusätzlich verstärkt hat. Gegen diesen Pushback müssen wir gemeinsam ankämpfen, und zwar überall auf der Welt. Daher bleibt die Umsetzung der Resolution 1325 weiterhin eine Herkulesaufgabe.
Der Umsetzungsbericht beschreibt auf 194 Seiten sehr, sehr viel. Angesichts der Vielzahl der Seiten versinken aber – das ist etwas das Problem – die wirklich konkreten Probleme von Frauen: Hunger, Armut, sexualisierte Gewalt, fehlender Zugang zu Bildung, Unterdrückung. Die Probleme und Abhängigkeiten von Frauen müssen wir sehen, anerkennen und bekämpfen.
Von einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen sind wir immer noch meilenweit entfernt. Sie ist aber eine zentrale Voraussetzung für Frieden, Stabilität und Sicherheit in der Welt.
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Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja, ich habe nur noch ein Zitat, Frau Präsidentin, das ich gerne noch vortragen würde,
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von Hillary Clinton nämlich; ausnahmsweise gehen wir mal zu ihr. Sie hat gesagt:
Menschenrechte sind Frauenrechte. Frauenrechte sind Menschenrechte … Solange Diskriminierung und Ungleichheit … an der Tagesordnung sind – solange Mädchen und Frauen geringer geschätzt sind, … überarbeitet, unterbezahlt, nicht ausgebildet und Gewalt im eigenen Heim unterworfen sind –, kann das Potenzial der Menschheit zur Schaffung einer friedlichen … Welt nicht voll entfaltet werden.
So weit Hillary Clinton. Und das müssen wir uns zu Herzen nehmen.
Frau Kollegin, das war jetzt aber eine lange Hillary.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
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Vielen Dank, Elisabeth Motschmann. – Damit schließe ich die Aussprache.
Frau Präsidentin! Die sogenannte Alternative für Deutschland präsentiert uns heute einen Antrag: Kernreaktoren der IV. Generation als vermeintliche Zukunft der Energieversorgung in Deutschland. Wenn es nach der AfD geht, dann bauen wir morgen ein paar Flüssigsalzreaktoren auf, und alle Probleme sind gelöst.
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Ich bin, ehrlich gesagt, ein großer Freund eines technologieoffenen Ansatzes. Wir müssen es vermeiden, Pfadabhängigkeiten zu schaffen. Das heißt beispielsweise, wir sollten an E-Fuels und Biokraftstoffe denken. Das heißt, wir sollten die Brennstoffzelle und die Batterie im Auge behalten.
Ich bin allerdings auch davon überzeugt, dass diese von der AfD propagierten Kernreaktoren der IV. Generation nicht annähernd so erfolgversprechend und verheißungsvoll sind.
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Woran mache ich das fest?
Erstens. Ein Flüssigsalzreaktor produziert, wie andere radioaktive Reaktoren ebenfalls, radioaktiven Abfall. Zwar zerfällt der Abfall von Thorium-Reaktoren bereits nach einigen Hundert Jahren, aber sie strahlen eben sehr erheblich, sehr intensiv. Gammastrahlen gilt es abzuschirmen. Meine Damen und Herren, wir alle in diesem Haus wissen, wie schwierig es ist, das Endlagerproblem zu lösen. Ehrlich gesagt, hier bleibt die AfD schon im Ansatz eine Antwort, einen Vorschlag schuldig.
Zweitens. Kernenergie ist keine wirtschaftliche Energiequelle,
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erst recht nicht, wenn es um den Neubau von Reaktoren geht. Das DIW hat dazu umfangreiche Studien vorgelegt. Schauen wir auf das Kraftwerk Hinkley Point C in Großbritannien: Für 19 Milliarden Euro waren 3,2 Megawatt installierter Leistung geplant. Heute sehen wir: Das Projekt ist fast ein Jahrzehnt in Verzug, und die Kosten sind auf über 26 Milliarden Euro angestiegen. Es gibt weitere Beispiele wie das AKW Vogtle, USA. Das ist noch gar nicht am Netz. Geplant waren 14 Milliarden Dollar Kosten, nach kurzer Zeit stehen in den Büchern aber schon tatsächliche Kosten in Höhe von 29 Milliarden Dollar, und die enormen Kosten für die Endlagerung sind insgesamt unberücksichtigt.
Das dritte große Problem. Von einer Marktreife der Flüssigsalzreaktoren sind wir noch Jahrzehnte entfernt. Wir haben durch eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages mitgeteilt bekommen, dass es bisher noch nicht einmal einen Demonstrationsreaktor dieser propagierten Technik gibt. In Norwegen – und Norwegen kann man nun tatsächlich nicht vorwerfen, konventioneller Energieerzeugung besonders kritisch gegenüberzustehen – ist schon vor Jahren die Entwicklung eines Prototyps aufgegeben worden. Was war die Begründung? Zu störungsanfällig, zu teuer, Abfall zu strahlungsaktiv. Die Dinge, die ich eben aufgezählt habe.
Jetzt weiß man tatsächlich nie ganz genau, wie sich eine Technologie entwickelt, wenn man noch in der Erforschung begriffen ist.
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Deswegen ist es möglicherweise richtig, dass Deutschland über die Europäische Atomgemeinschaft weiterhin im Generation IV International Forum, GIF, vertreten ist. Das heißt also, wir haben das Thema noch im Augenwinkel, betreiben es aber nicht aktiv, und das ist meines Erachtens richtig.
Die AfD propagiert hier eine vollkommen unsichere Wette auf die Zukunft. Meine Damen und Herren, was ich besonders bedenklich finde, ist, dass hier so getan wird, als wenn die Energieversorgung Deutschlands in Gefahr wäre.
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Auch das ist schlicht falsch. Es gibt kein anderes nationales Stromnetz, das so störungsfrei, so sicher durchläuft wie das deutsche,
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und das trotz eines nennenswert hohen, eines erfreulich hohen Anteils regenerativer Energien. Ehrlich gesagt, diese Kernenergie der IV. Generation ist absolut keine Lösung für die energiepolitischen Herausforderungen der Zukunft.
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Wie immer befindet sich die AfD auf einem energiepolitischen Irrweg. Im Übrigen ist es sehr interessant, dass es Ihnen nicht bei einer einzigen Sachverständigenanhörung der jüngeren Vergangenheit gelungen ist, für Ihre abwegigen Gedanken Sachverständige zu gewinnen – das letzte Mal heute im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Für Ihre kruden Thesen gibt sich kein ernsthafter Wissenschaftler her.
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Meine Damen und Herren, was brauchen wir? Wir brauchen eine umfassende Reform des Abgaben-, Steuer- und Umlagensystems; daran arbeiten wir als Union. Wir brauchen eine Novelle des Energiewirtschaftsrechtes. Wir brauchen die Unterstützung des Pfades der deutschen Industriegesellschaft in die Wasserstoffwirtschaft. Damit sind wir voll dabei. Ich kann mir auch noch ein bisschen mehr Mut vorstellen, beispielsweise wenn es um die Förderung und um die Regulatorik für Speicher geht. Meine Damen und Herren, diesen Weg wollen wir beschreiten. Das ist die deutlich bessere Alternative, und die finden Sie bei der Union und dieser Bundesregierung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Carsten Müller. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Götz Frömming.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Müller, Sie haben sich eben selbst als Freund eines technologieoffenen Ansatzes bezeichnet. Also, wenn das, was Sie da vorgestellt haben, ein technologieoffener Ansatz sein soll und dafür die CDU steht, dann wird es wirklich Zeit, dass diese Partei einmal abgelöst wird und eine andere Partei an die Regierung kommt, die wirklich technologieoffen ist.
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Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal vor, es gebe ein technologisches Verfahren, um die Hinterlassenschaften herkömmlicher Kernenergieanlagen oder sogar abgerüsteter Atomwaffen so zu behandeln, dass sie weniger stark und weniger lang strahlen und damit das Problem der Endlagerung weitgehend aufgelöst wäre. Stellen wir uns weiter vor, dass die dafür notwendige Anlage so gebaut wäre, dass das Risiko einer Kernschmelze technisch ausgeschlossen wäre. Stellen wir uns weiter vor, dass man mit dieser Anlage auch noch kostengünstigen Strom produzieren könnte.
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Immerhin haben wir in Deutschland inzwischen die höchsten Strompreise weltweit. Stellen Sie sich schließlich vor, falls für Sie der Beitrag des Menschen zum Wandel des Klimas ein Problem darstellen sollte, dass diese Technik eine ähnlich positive CO2-Bilanz hätte wie die Windenergie. – Meine Damen und Herren, wenn das alles möglich erscheint, dann sollte man doch zumindest die Forschung zu einer Technik fördern.
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Zahlreiche hochentwickelte Industrieländer tun das auch. Es ist eben nicht so, Herr Kollege Müller, wie Sie das dargestellt hatten, dass nur die – in Anführungszeichen – „Spinner von der AfD“ so etwas vorhätten. Ich nenne Ihnen mal die Länder, die an dieser Technik forschen: Darunter sind die USA, China ist dabei, Russland ist dabei, Japan und Südkorea sind dabei – alles unsere Freunde, alles AfD-Länder scheinbar –, Großbritannien und Frankreich sind in Europa dabei, natürlich noch zusätzlich zu Euratom; das, was Sie hier machen, reicht natürlich bei Weitem nicht. Sie alle unterstützen die Forschung und Entwicklung zu Kernreaktoren der vierten Generation und haben sich dazu in einem internationalen Forschungsverbund, dem GIF, zusammengeschlossen.
Nur Deutschland, meine Damen und Herren, ist nicht dabei. Warum? Weil dieser Bundestag nach der Erdbebenkatastrophe von Fukushima im Jahre 2011, der eine Nuklearkatastrophe folgte, eine von Angst, Panik und Populismus getriebene Entscheidung getroffen hat, und zwar die, aus der Kernenergie und auch der Forschung komplett auszusteigen. Der frühere Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt, SPD, hat es jüngst in der Zeitschrift „Cicero“ sehr anschaulich beschrieben. – Lachen Sie nur! – Damals, meine Damen und Herren, haben Sie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet; denn diese Entscheidung richtete und richtet sich nicht nur gegen ältere Reaktoren, sondern auch gegen die weitere Forschung auf diesem Gebiet.
Wir haben 2019 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Sie antwortete uns – ich zitiere, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin –:
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Die Forschung zur Entwicklung neuer Reaktorkonzepte wird seitens der Bundesregierung nicht unterstützt.
Damit, meine Damen und Herren, droht Deutschland den Anschluss an eine wichtige Zukunftstechnologie komplett zu verlieren. Gleichzeitig auch noch aus allen konventionellen Verfahren der Energiegewinnung auszusteigen, das, meine Damen und Herren, ist in der Tat ein politisches und wirtschaftliches Harakiri, wie Fritz Vahrenholt zu Recht formuliert hat.
({4})
Schon zu oft, meine Damen und Herren, haben wir Deutschen uns für klüger gehalten als alle anderen und auf Sonderwege begeben. Es waren ja eben gerade keine rationalen Entscheidungen – ich sagte es schon –, die übrigens auch 2015, bei der Öffnung der Grenzen,
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und 2011, nach der Katastrophe in Fukushima, getroffen worden sind.
({6})
Heute, meine Damen und Herren, diese Entscheidungen als historische Fehlentscheidungen zu erkennen, bedarf einer gewissen Intelligenz – den Fehler zuzugeben, charakterlicher Größe und Mut. Beides können Sie heute beweisen.
Nun ist es nicht so, meine Damen und Herren, dass wir die Risiken der Nutzung der Kernenergie verkennen.
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Ich habe selbst vor vielen Jahren, als junger Mensch, gegen Waldsterben und Atomtod demonstriert. Einige reifen, werden vielleicht vernünftiger im Verlauf des Lebens, andere bleiben stehen.
Risiken gibt es auch bei den Reaktoren des neuen Typs,
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sie sind aber kalkulier- und beherrschbar. Und Risiken haben auch alle anderen Techniken der Energiegewinnung. Wenn wir daran denken, was Sie unserer Landschaft antun mit den gigantischen Windindustrieanlagen, die Sie bauen wollen
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auf den Höhenzügen des Taunus, jetzt im Schwarzwald, in der Ostsee, in der Nordsee, wenn wir sehen, wie Sie gigantische Stromtrassen für Ihre Wahnsinnsidee durch unser Land ziehen, wenn wir sehen, wie Sie Alpentäler unter Wasser setzen, wenn wir sehen, wie Sie Natur und Heimat zerstören, dann sagen wir als Partei der Natur- und Heimatschützer:
({10})
Da hätten wir doch lieber moderne Gas- und Kohlekraftwerke kombiniert mit sicheren, modernen Kernenergieanlagen der vierten Generation, meine Damen und Herren.
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Unser Motto als AfD-Fraktion ist: Forschen statt flüchten. Sie sind auf der Flucht; Sie flüchten vor der Zukunft. Andere Länder gehen den richtigen Weg. Wir sollten uns ihnen anschließen. Kehren Sie zurück von diesem deutschen Sonderweg; er führt in die Irre.
Ich danke Ihnen.
({12})
Danke schön, Dr. Frömming. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Timon Gremmels.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich Herrn Dr. Frömming eben habe reden hören, da musste ich – ich komme ja aus einer Gebrüder-Grimm-Region – unweigerlich an das Märchen vom Goldesel denken. Sie erinnern sich: der Esel, aus dessen Hinterteil Gold kam. So stellen Sie hier gerade die Atomenergie dar: als allein selig machende Energieform – ein Märchen aus den 50er-Jahren, das keinem Praxistest standgehalten hat.
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Ich sage Ihnen ganz klar: Ich bin stolz darauf, einer Partei anzugehören, die mit den Grünen zusammen sowohl 2001 den Atomausstieg beschlossen hat als auch, nach der Rolle rückwärts von Schwarz-Gelb, 2011 das noch einmal beschlossen hat. Ich bin froh und ich freue mich darauf, dass die letzten Atomkraftwerke Ende nächsten Jahres vom Netz gehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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Das ist für die Sozialdemokratie ein Freuden- und ein Festtag, weil wir Alternativen haben, und zwar nicht abstrakt irgendwann in der Zukunft, wenn ein Prototyp Ihres Kraftwerks der vierten Generation vielleicht irgendwann einmal für Milliarden Euro gebaut werden kann; denn die Zukunft ist doch schon allgegenwärtig, wir haben Alternativen, und zwar die erneuerbaren Energien, die preisgünstigen Strom
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ohne Altlasten, ohne Atommüll auf den Weg bringen können.
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Wind und Sonne, Biomasse sind doch da, sind verfügbar; wir müssen sie für uns doch nur nutzen. Und das Schöne an Sonne und Wind ist: Es gibt keine Endlagerkosten, keine Folgekosten für die nächsten Generationen,
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sondern es gibt Mehrwert und Arbeitsplätze und Wohlstand, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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Das ist doch richtig.
Kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Strompreis! Das ist doch völliger Humbug, was Sie hier erzählen. Warum ist denn der Strompreis für Atomstrom immer so preiswert gewesen? Weil wir die Mehrkosten – anders als beim EEG – nicht über die Stromrechnung ausgewiesen haben, sondern über Steuermilliarden. Das müssen Sie doch mit einrechnen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
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Es gibt Studien, die deutlich gemacht haben: Wenn man die Folgekosten von Atom und Kohle in den Strompreis eingerechnet hätte,
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dann hätte der Preis für Atomstrom ein Vielfaches über dem heutigen Strompreis gelegen, dann lägen wir bei 10 Cent zusätzlich pro Kilowattstunde. Das ist doch die Wahrheit; das muss man auch der AfD deutlich sagen.
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Herr Müller, Sie haben den größten Applaus heute von mir bekommen; Ihre Fraktion war ja sehr zurückhaltend.
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Ich fand, Sie haben alles richtig gesagt. Und, ja, ich fand es auch bedenklich, aber wir sind in der Sache sehr nahe beieinander. Mein Wunsch wäre dann aber, dass Sie einmal zu Ihren Kollegen ins Europäische Parlament gehen; denn dort ist es ja nicht so, dass da die CDU und die CSU gegen Atomkraft sind. Ich habe hier einmal das Ergebnis einer Abstimmung aus dem letzten Jahr mitgebracht. Da ging es um „Atomkraft und Klimaziele“. Welche deutschen Europaabgeordneten haben dafürgestimmt? 20 CDU/CSU-Abgeordnete haben für die Atomkraft gestimmt.
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Also auch im Europäischen Parlament müssen Sie noch Überzeugungsarbeit leisten; denn Atomkraft kann keine Zukunft haben.
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Wie die AfD darauf kommt, dass das eine Zukunftstechnologie ist, kann ich mir nur so erklären: Sie hatten ja im letzten Jahr einen Bundesparteitag am letzten Standort einer „modernen“ Atomkraftvision, in Kalkar. Wissen Sie, was aus dem Schnellen Brüter von Kalkar geworden ist? Ein Vergnügungspark – und eine Tagungsstätte für die AfD, meine sehr verehrten Damen und Herren. So sehen Ihre Zukunftskonzepte aus. Dafür darf es aus unserer Sicht kein Geld, keine Steuermittel geben!
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Ich bin 1986 politisch sozialisiert worden. Zehn Jahre war ich alt, als die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl passierte. Als Kind musste ich dreimal am Tag duschen, durfte nicht draußen spielen. – Erinnert ein bisschen an die Pandemie von heute. – Und was noch viel schlimmer war: Wir mussten Milchprodukte aus Trockenmilch trinken. Wenn ich als Kind die Tagesschau geguckt habe, hatte ich Angst um die Zukunft, weil ich nicht wusste, was passiert. – Das war meine politische Sozialisation.
Deswegen ist es ein Freudentag, wenn wir am 31. Dezember nächsten Jahres komplett aus der Atomkraft aussteigen werden. Und sie wird nicht wiederkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren; das verspreche ich Ihnen, so wahr ich hier stehe.
Danke Ihnen.
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Vielen Dank, Timon Gremmels. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Martin Neumann.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute um die Energieversorgung in Deutschland und den Weg, den wir diesbezüglich zukünftig einschlagen wollen.
Im letzten Jahrzehnt wurde durch eine Reihe ordnungspolitischer Maßnahmen der Grundstein für eine neue, eine andere Energiewelt in Deutschland gelegt; „Atomausstieg“, „Kohleausstieg“, „Brennstoffemissionshandel“ usw. sind die Stichworte. Es waren Maßnahmen um Maßnahmen, die allesamt nicht über den nationalen Tellerrand hinausgehen, aber den Anspruch haben, die große Suppe der globalen Klimaerwärmung auslöffeln zu wollen.
Aber was für einen Effekt hat das alles? Atom- und Kohleausstieg reißen in den nächsten Jahrzehnten eine klaffende Lücke in die deutsche Energieversorgung. Trotz teilweise zehnjähriger Vorbereitungszeit, die sie mit den politischen Entscheidungen erhalten hat, hat es die Regierung nicht geschafft, überhaupt einen wirklich sicheren, adäquaten Plan für geeigneten Ersatz zu finden. Wir spielen also Nachhaltigkeit, zu der auch eine sichere Energieversorgung gehört, gegen Klimaschutz aus. Was ist das für eine paradoxe Situation! Wir stellen also fest: Es gibt viele Ausstiege, aber keinen Einstieg. Das Sprichwort im Volksmund heißt ja: Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich irgendwo eine andere. – Das hat die Bundesregierung irgendwo ausgehebelt.
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Jetzt komme ich zu dem Antrag der AfD; sie möchte den Einstieg in die Kernkraft der vierten Generation. Wir haben aber hier einen Antrag vorliegen, der an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten ist.
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Denn entgegen allem, was die AfD in dieser Hinsicht fordert, heißt es im Protokoll des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – ich darf zitieren, Frau Präsidentin –: Der Vorsitzende verweist mit Blick auf die Gutachtenvergabe zum Projekt „Kernreaktorkonzepte der Generation IV“ auf das letzte Berichterstattergespräch, bei dem die AfD zugesagt habe, bis Ende Mai eine Rückmeldung zu geben. Er stellt fest, dass es bislang keine Erklärung, also auch keine Zustimmung der AfD-Fraktion, gegeben habe.
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Dies bedeute, dass mangels Konsenses das Projekt nicht durchgeführt werden könne. Mit Verlaub, meine Damen und Herren: Damit ist der Mai des letzten Jahres gemeint gewesen. Es zeigt sich hier mal wieder: Sie haben überhaupt kein Interesse an einer echten wissenschaftlichen Klärung,
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sondern nur daran, Ihren Unsinn weiter auf Youtube zu verbreiten. Vielleicht sollten Sie mal das Video meiner Rede auf Ihrem Kanal hochladen.
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Herr Kollege Dr. Neumann, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Dr. Frömming?
Ja, bitte schön.
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenbemerkung zulassen. – Ich möchte nur zur Klarstellung hinzufügen: Der Kollege, der für uns im TAB ist, Dr. Espendiller – ich sehe ihn gerade nicht, sonst hätte er sicher selber Stellung genommen –, hat uns berichtet,
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dass die Auswahl der Gutachter, die von den anderen Fraktionen vorgesehen waren, so einseitig war, dass wir gesagt haben: So kann man kein objektives Gutachten erstellen. – Das war aufgrund seiner Angaben der Grund, warum wir gesagt haben: Da machen wir auf diese Art und Weise nicht mit.
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Eine ganz kurze Bemerkung – wir hatten ja schon mal darüber gesprochen, ich wiederhole das nur –: Wenn Sie so eine Einstellung zur Wissenschaft haben, wenn Sie also von vornherein sagen, dass das, was das Institut A oder B ausdrückt, nicht Ihren Auffassungen entspricht, dann wissen wir doch, wo es hingeht. Sie wollen doch gar keine wissenschaftliche Untersuchung, Sie wollen gar keine Erkenntnisse.
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Darum geht es. – Nein, Sie behaupten etwas, was Sie überhaupt nicht belegen können.
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Ich komme dann mit Blick auf die Uhr zum Diskurs.
Nein, zum Schluss.
Ich will noch mal deutlich machen: Natürlich brauchen wir einen Diskurs. Wir wissen, was europäisch und was weltweit passiert. Wenn wir in den nächsten 40 Jahren aus der Kernenergieverstromung aussteigen – wir haben den Beschluss zum Ausstieg bis Ende nächsten Jahres –, dann müssen die alten Kernkraftwerke über viele Jahre zurückgebaut werden. Dafür brauchen wir Fachleute.
Dieses Know-how, das wir in Deutschland haben, müssen wir behalten. Es kommt darauf an, auch international dazu beizutragen, für Sicherheit in der Welt zu sorgen. Da können wir uns nicht hinter unseren Gartenzaun zurückziehen.
Ich fasse jetzt zusammen, Frau Präsidentin.
Nein, jetzt kommen Sie bitte zum Schluss.
Ganz kurz. – Also, wie gesagt, als Naturwissenschaftler und als Freund von Technologieoffenheit bin ich für einen wissenschaftlich fundierten Einstieg in die Technologien.
Zweitens. Als Liberaler und als Freund der Technologieoffenheit –
Herr Kollege, wirklich jetzt.
– bin ich für einen Einstieg in marktwirtschaftliche Prinzipien.
Ich sage es dem Kubicki.
Danke schön.
Dann kriegen Sie echt Ärger.
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Vielen Dank.
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Vielen herzlichen Dank. Vielen Dank, lieber Herr Kollege.
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– Ich brauche ihn nicht, aber ich petze. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Lorenz Gösta Beutin.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im April 1986 war ich sieben Jahre alt. Ich war mit meinen Eltern in Kopenhagen, wir haben dort Freunde besucht. Es gab dort Pommes; das weiß ich noch ganz genau, weil ich damals so verrückt danach war. Dabei lief der Fernseher. Und ich erinnere mich an die Stille und das Entsetzen in dem Raum.
Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl war einer der wesentlichen Gründe, warum ich selbst politisch aktiv geworden bin. Ich glaube, das werden viele von Ihnen erlebt haben, die das in dieser Zeit politisch aktiv wahrgenommen haben. Sie werden sich daran erinnern, wo Sie in diesem Augenblick waren, und an die Tage, Wochen danach, in denen man aufpassen musste, in denen man als Kind etwa im Bus bleiben musste, weil es draußen geregnet hat.
Heute präsentieren uns die Rechten einen Antrag für den Ausstieg aus dem Atomausstieg. 35 Jahre nach Tschernobyl, zehn Jahre nach Fukushima sagen sie: Das war ein Irrweg. – Nein, es ist richtig, dass der Atomausstieg hier beschlossen worden ist. Wir sagen auch heute Nein zu diesem falschen Antrag der AfD.
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Herr Götz Frömming von der AfD, der eben dazu geredet hat, ist Mitglied der Parlamentariergruppe der Heimatvertriebenen. Da kann man doch einmal schauen: 350 000 Menschen in Tschernobyl mussten ihre Heimat verlassen, 210 000 Menschen in der Region von Fukushima mussten ihre Heimat verlassen wegen des Atomunglücks. Man kann es einfach so formulieren: Die Rechten wollen, dass Menschen vertrieben werden, dass sie ihre Heimat verlieren. Wir sagen ganz klar: Wenn es der AfD schlecht geht, ist das gut für Deutschland.
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Die Rechten behaupten immer, die Energiewende sei doch so teuer, Atomkraft sei die günstige Alternative. Nun, ganz abgesehen davon, dass es eine Gefahr für die ganze Menschheit ist: Atomkraft ist zwar eine Gelddruckmaschine und ist damit gut für die Konzerne. Aber allein zwischen 2007 und 2019 hat uns die Atomkraft 533 Milliarden Euro gekostet, insgesamt seit den 1950er-Jahren 1 Billion Euro. Das heißt: Atomkraft ist einfach unbezahlbar.
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Sie wissen, dass die Versicherungskonzerne einmal durchgerechnet haben: Was wird es denn kosten, wenn man die Atomkraftwerke wirklich so versichern würde, wie es notwendig wäre? Sie kommen zu dem Ergebnis: 6 Billionen Euro würde ein GAU kosten, ein Super-GAU. Diese Schäden zu versichern, würde 73 Milliarden Euro jährlich pro Atomkraftwerk kosten. Das heißt, es kann doch gar keine Rede davon sein, dass das irgendwie erschwinglich ist. Ein Auto, das man nicht versichern kann, würde man aus dem Verkehr ziehen. Das müssen wir mit der Atomkraft auch machen.
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Wir sagen ganz klar: Für uns gehören Antifaschismus und Antiatomkraft zusammen.
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Wir wollen kein neues GAU-Land!
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Vielen Dank, Lorenz Gösta Beutin. – Nächste Rednerin: für Bündnis 90/Die Grünen Sylvia Kotting-Uhl.
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Verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Eines erstaunt mich: Sie von der AfD sind so erstaunlich kreativ, wenn es zum Beispiel um das Überspringen von Zeiträumen zwischen Forschungsprojekten und deren Realisierung geht oder um Behauptungen, was überall auf der Welt alles gemacht wird. Aber für ein modernes Energiekonzept ohne Kohle und Atom, also ohne Risiken vor allem für uns nachfolgende Generationen, da fehlt Ihnen jede Vorstellungskraft.
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Allein Ihre Unfähigkeit, sich unter Energieversorgung etwas anderes als Grundlast vorzustellen, das ist so von gestern wie Sie selbst.
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Die Zukunft wird flexibler sein, spannender, ja, auch anspruchsvoller: nicht mehr nachfrage-, sondern angebotsorientiert, nicht mehr mit wenigen zentralen Produzenten, sondern mit einer Vielfalt von kleinsten Produzenten bis hin zu riesigen Onshore- und Offshorewindparks, mit Selbstversorgern, Genossenschaften und einem neuen Bewusstsein, dass Energie kostbar und sorgsam mit ihr umzugehen ist. Aber eine komplexe, vielfältige Zukunft können Sie sich auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen nicht vorstellen. Warum sollte es hier anders sein?
Ohne überwältigende Lust befasse ich mich mit Ihrem Antrag.
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Das Konzept des Flüssigsalzreaktors sei bereits erprobt, schreiben Sie, und tun anschließend so, als stünden diese Reaktoren gebrauchsfertig da. Fakt ist, dass es weltweit zwei kleine Forschungsreaktoren gibt. Dass China oder die USA solche Reaktoren vielleicht auch deshalb so attraktiv finden, weil sich damit auch waffenfähiges Material produzieren lässt, ist für Sie vermutlich nicht relevant. Im Generation IV International Forum, dem Deutschland beitreten soll, wie Sie fordern, sind lauter Atomwaffenstaaten und solche, die es werden wollen.
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Deutschland will das nicht; so einfach ist das.
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Füttern wollen Sie den MSR mit Thorium, weil das so viel häufiger auf unserer Erde vorkommt als Uran. – Wissen Sie, das hatten wir alles schon mal. Die heute noch Probleme verursachenden Ruinen solcher Versuche sind der THTR und der Forschungsreaktor Jülich.
Sie empfehlen für unsere Energieversorgung nach dem MSR, den es nicht gibt, dann gleich noch den MSFR, den es noch viel weniger gibt. Dieser Wunderreaktor frisst den Atommüll. – Ja, auf dem Papier. Und nicht mal auf dem Papier frisst er verglasten Atommüll und andere Sonderbestände, weil sich diese Bestände nicht partitionieren lassen. Ihr Luftschloss hält nicht mal in der Luft.
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Aber darum geht es Ihnen auch gar nicht. Ihnen geht es darum, die erneuerbaren Energien schlechtzureden, weil die zu einer Zukunft gehören, unter der Sie sich nichts vorstellen können.
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Wenn Ihnen selbst vielleicht nicht klar ist, wie vergangenheitsorientiert Sie sind, dann werfen Sie doch einen Blick in Ihr Wahlprogramm, das Sie am Wochenende beschlossen haben.
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Aus der EU soll Deutschland austreten, und heute fordern Sie, in das Forum Generation IV einzutreten. Das ist mal eine Alternative – aber nicht für Deutschland.
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Vielen Dank, Sylvia Kotting-Uhl. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Karsten Möring.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinen Zettel mit den ganzen technischen Einzelheiten, warum Atomkraftwerke der Generation IV nicht oder kaum oder nur mit großen Problemen behaftet realisiert werden können, habe ich jetzt auf dem Platz liegen gelassen, weil das meiste davon schon gesagt ist. Es geht ja hier – und das ist auch schon mehrfach betont worden – gar nicht primär darum, dass uns die AfD vermitteln möchte, es gibt einen Weg in die Atomenergie. Vielmehr zäumt sie das ja von verschiedenen Seiten auf.
Da ist einmal die Aussage, es gebe eine Perspektive, die wirtschaftlich und sicher ist. Wir haben einige Beispiele dafür gehört, warum das nicht so ist. Dann sagt sie aber auch: Unsere Stromnetze sind zu wenig stabil, und deswegen brauchen wir die Kernenergie, um grundlastfähige Versorgung sicherzustellen.
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Aber die AfD ist ein bisschen hinter der Zeit zurück.
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Sie bezieht sich in ihrem Antrag an mehreren Stellen auf diverse Zeitungsartikel. Und für den Punkt, den ich eben gerade nenne, zitiert sie einen Artikel aus der „WirtschaftsWoche“ aus dem Jahre – 2013.
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– Ja, ja, ganz aktuell; 2013. – Was die AfD aber bisher nicht begriffen hat, ist, dass unser Versorgungssystem Strom, unser Stromnetz, nicht mehr auf der alten Gliederung von Grundlast, Mittellast, Spitzenlast basiert, sondern dass wir eine zunehmende Dezentralisierung und Digitalisierung im Stromnetz haben, mit denen wir die sichere Versorgung zu jedem Zeitpunkt gewährleisten.
Das ist ein anderes System, und nur mit einem solchen System sind wir auch in der Lage, volatile Energieerzeugung durch die Erneuerbaren zu beherrschen. Deswegen brauchen wir keine neuen grundlastfähigen Stromerzeuger, sondern wir brauchen ein flexibles, kontrollierbares System mit einer ausreichenden Menge an Strom, die wir auf verschiedene Weise herstellen können.
Ich will auf die Einzelheiten gar nicht eingehen.
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Selbstverständlich gehört die Möglichkeit des Speicherns dazu. 2013 hatte auch noch keiner eine Idee davon, wie man in großem Umfang schnell Lasten abschalten kann, und, und, und.
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Da gibt es Möglichkeiten, die wir nutzen, und so stabilisieren wir das Stromnetz.
Jetzt aber trotzdem noch kurz zu ein paar inhaltlichen Aspekten Ihres Antrags. Die Zeithorizonte für den möglichen Bau eines Demonstrationsreaktors sind realistischerweise 20, 30 Jahre, wenn es denn einen Träger dafür gibt.
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Bisher gibt es ja Studien zu Teilaspekten, die allesamt nicht so sind, dass man sagen kann: Wunderbar, das ist die Sache. Wir haben Probleme mit Tritium: Da sind die Behälter nicht dicht. Wir haben beim Atommüll eine hohe Strahlenbelastung, die dazu führt, dass man, wenn man ihn endlagert, ein Kühlsystem braucht, weil das sonst zu starke Erhitzungen mit sich bringt, und, und, und.
Da gibt es eine ganze Reihe von Problemen – das sagt uns die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes –, sodass Staaten, die daran gearbeitet haben, beispielsweise Norwegen, aufgeben, so etwas zu verfolgen, weil sie sagen: Der Zeithorizont hilft uns für das Thema Klimaneutralität 2050 überhaupt nicht; denn bis dahin haben wir solche Möglichkeiten mit Sicherheit nicht realisiert, selbst wenn es denn zum Schluss ginge. Und diese Frage ist ja schon hypothetisch genug.
Von daher: Der Weg, den wir gehen müssen, und der Weg, den wir gehen können – das ist der entscheidende Punkt –, ist der Weg, dass wir ohne Kernenergie, perspektivisch ohne Kohle und perspektivisch auch ohne fossiles Gas unsere Energiesysteme aufrechterhalten können und auf diese Weise zur Klimaneutralität erheblich beitragen, auch wenn unser Anteil am Klimagasausstoß, wie Sie ja immer betonen, weltweit sehr gering ist. Aber ohne dass jeder seinen Part tut, kommen wir auch nicht voran.
Und deswegen: Auf diesem Wege sind wir richtig unterwegs. Sie täten gut daran, uns dabei zu begleiten und sich nicht von der Entwicklung überrollen zu lassen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Karsten Möring. – Letzter Redner in dieser Debatte – ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, noch einmal aufmerksam zu sein; wir sind nämlich noch in der Debatte – ist René Röspel für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war also das Märchen der AfD von der harmlosen Atomenergie, gegossen in einen, wie das Kollege Neumann ja richtig sagte, scheinheiligen Antrag, der, wenn man sich genau einliest, ja voller Unwägbarkeiten ist und auch noch von vorsichtigen Formulierungen strotzt. Weniger Atommüll als in anderen Reaktoren – das mag ja stimmen, aber was bedeutet das denn letztendlich?
Und da werden eben auch Zitate in einen falschen Zusammenhang gebracht. Sie sollten die Studien oder die Papiere, die Sie zitieren, vielleicht auch lesen. Beispiel McKinsey und Versorgungsengpässe. Das Originalzitat von McKinsey lautet:
Um keine Versorgungsengpässe zu riskieren, sollten daher
– Achtung! -
die Erneuerbaren ausgebaut werden, insbesondere der ins Stocken geratene Windkraftausbau.
Das ist das, was Sie zitieren,
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also genau das Gegenteil der Intention, die Sie suggerieren wollen.
Aber wir hätten vielleicht das alles hier auch objektiver und neutraler diskutieren können. Alle Fraktionen dieses Hauses, alle demokratischen jedenfalls, waren ja bereit, dem Büro für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag, einem international renommierten und neutralen Büro, den Auftrag zu geben, einen Sachstandsbericht über die Reaktoren der vierten Generation abzuliefern. Wer es unter fadenscheinigen Gründen verhindert hat, war die AfD,
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möglicherweise weil Ihnen die Ergebnisse zu unbequem gewesen wären. Aber wir hätten dort wahrscheinlich lesen können, was wir überall schon in den Studien lesen können, die es weltweit gibt.
Die Kurzfassung ist ja vom Wissenschaftlichen Dienst aufgezeigt worden: Es gibt keine Problemlösungen der Kernenergie, auch nicht mit den Reaktoren der vierten Generation. Es bleibt bei radioaktivem Abfall. Natürlich, okay, die Havariegefahr, das Risiko ist geringer als in Fukushima oder Tschernobyl. Aber unverändert bleiben die Kernprobleme des radioaktiven Abfalls, von dem niemand auf der Welt weiß, wo er denn hinkommt. Es bleibt das Problem, dass waffenfähiges Material entsteht, also ein Proliferationsproblem. Es kann für nukleare Waffen genutzt werden. Und es bleibt die Frage: Wie ist das eigentlich vernünftig zu finanzieren, und wann kann man so etwas auch wirklich in die Praxis umsetzen?
Und tatsächlich: Selbst das Konsortium, das international Forschung betreibt – Norwegen und andere Länder steigen ja wieder aus –, sagt: Wenn wir jedes Jahr rund 300 Millionen Dollar in die Forschung stecken, dann haben wir vielleicht 2060 den ersten kommerziell verwendbaren Reaktor, der die erste Kilowattstunde Strom liefert – für viele Milliarden Euro, die man reinpumpen muss.
Wir sagen: Mit 1 Milliarde Euro könnte man viel besser 100 000 Familien glücklich machen, zum Beispiel indem man ihnen eine 10-Kilowatt-Peak-Photovoltaik-Anlage aufs Dach setzt.
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Nach zwei Jahren produziert die mehr Strom, als ihre Erzeugung gebraucht hat, es entstehen keine Brennstoffkosten. Es ist saubere Energie, die Familie ist glücklich, der Dachdecker ist glücklich, die Elektroinstallateure; die Wertschöpfung bleibt vor Ort.
Wir sind auf dem Weg. Wir machen lieber 100 000 Familien glücklich, als in die Großkonzerne zu investieren, wie das die AfD will.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes werden wir den Anlegerschutz vor allem im Hinblick auf Vermögensanlagen weiter verbessern.
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Anlegerschutz – das sage ich ganz deutlich –, insbesondere der Schutz von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern, ist ein sehr wichtiges Ziel der Bundesregierung. Denn wir wissen alle, dass, selbst wenn der Markt gut funktioniert, Produkte in Ordnung sind, das Ganze für Menschen, deren tägliches Geschäft das eben nicht ist, häufig schwer zu durchdringen ist. Wir wissen auch, dass in der Vergangenheit teilweise Kleinanlegerinnen und Kleinanleger bei Investitionen hohe Beträge verloren haben. Es waren für sie hohe Beträge. Denn bei den meisten geht es eben nicht darum, noch mal eine zusätzliche Million zu erwirtschaften, sondern es geht in der Regel um die Fragen „Wie kann ich meine Altersvorsorge absichern?“, „Wie kann ich die Ausbildung meiner Kinder finanziell unterstützen?“, „Wie kann ich hier Vorsorge treffen?“ oder Ähnliches.
Wir haben – das ist das jüngste Beispiel, das uns allen, glaube ich, noch gut im Gedächtnis ist – insbesondere bei der Insolvenz eines großen Anbieters von Containeranlagen gesehen, dass die bislang bestehenden Vorschriften nicht ausreichen.
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Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ziehen wir die erforderlichen Konsequenzen. Anleger müssen und sie sollen auch besser geschützt und informiert werden. Deswegen hat die Bundesregierung bereits im Jahr 2019 ein Maßnahmenpaket zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes vorgelegt, das wir jetzt weiter umsetzen. Zu den letzten Teilen davon – einiges haben wir schon umgesetzt – gehörte ein gemeinsames Gesetz des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und des Bundesministeriums der Finanzen.
Ein wesentliches Element ist, sich anzuschauen: Welche Produkte sind denn eigentlich überhaupt für Anleger so geeignet, dass sie auf dem Markt vertrieben werden können? Ein Thema, das dabei aufgestoßen ist, ist das Thema Blindpool. Blindpoolanlagen sind Anlagen, wo vorher gar nicht richtig klar ist, worin eigentlich investiert wird. Hier sagen wir: Das ist nicht geeignet für Anlegerinnen und Anleger, insbesondere nicht für Kleinanleger, weil einfach nicht klar ist, welches die konkreten Anlageobjekte sind, und eine Bewertung und insbesondere Risikobeurteilung hier nicht möglich sind.
Der zweite Punkt, der auch damit im Zusammenhang steht, aber insbesondere nach der Insolvenz von P&R zum Thema wurde, ist die Frage, wie bei direkten Investitionen in Sachgüter nachgehalten werden kann, dass der Container, um bei dem Beispiel zu bleiben, auch wirklich gekauft und gewartet wurde und so vorhanden ist, wie sich das die Leute vorgestellt haben.
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Hier wollen wir sicherstellen, dass eine zielgerichtete Zweckverbindung stattfindet, indem die Mittelverwendungskontrolle durch unabhängige Dritte vorgeschrieben wird. Hierfür etablieren wir eine unabhängige Kontrollinstanz.
Dritter Punkt ist die Beschränkung des Vertriebs auf beaufsichtigte Berater und Vermittler. Vermögensanlagen müssen für den geeignet sein, der sie kauft. Dazu haben Finanzanlagenvermittler die entsprechende Sachkunde. Deswegen wollen wir, dass auch nur diese den Vertrieb übernehmen können, weil sie darauf verpflichtet sind, beaufsichtigt werden und das auch nachgehalten werden kann.
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Nächster und auch sehr wichtiger Punkt ist, dass wir die BaFin noch einmal stärken wollen, was das Thema Produktinterventionsmaßnahmen angeht. Die BaFin hat die Möglichkeit, gefährliche Produkte nicht zuzulassen. Hierfür sehen wir die Möglichkeit der Aussetzung der Prospektprüfung bei Anlegerschutzbedenken vor, damit in eine verstärkte Prüfung eingestiegen werden und dann auch gegebenenfalls interveniert werden kann.
Ich komme zum Schluss; nur noch zwei Punkte.
Der eine ist: Wir möchten über Produktinformationsblätter gern die Transparenz weiter verbessern.
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Wir stellen sicher, dass ein einheitliches hohes Niveau auch bei Fondsverwaltern gegeben ist, indem wir sagen: Es reicht nicht, dass die nur registriert sind, sondern sie müssen auch der Erlaubnispflicht unterliegen, und die BaFin muss die Kontrolle darüber haben.
Insgesamt, glaube ich, haben wir hier eine gute Grundlage für mehr Anlegerschutz, insbesondere mehr Kleinanlegerschutz geliefert.
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Ich freue mich auf weitere Verbesserungen im parlamentarischen Verfahren.
Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Ich bitte doch die Abgeordneten, die sich im Raum stehend befinden, sich zu überlegen, den Saal zu verlassen, ruhig zu sein oder sich hinzusetzen. Das gilt vor allen Dingen für den rechten Flügel, den ich hier nennen muss. Das geht so nicht, bitte.
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– Nein, hier steht eben nicht der gesamte Saal. Es steht hier nicht der gesamte Saal, sondern es stehen jetzt noch vier Abgeordnete Ihrer Fraktion hinten. Sie haben vorhin gelacht, sehr laut sogar. Ich habe interveniert, weil das laute Lachen hier die Plenardebatte einfach stört.
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Darf ich Sie noch mal bitten, den Raum zu verlassen oder sich hinzusetzen? Wir reden die ganze Zeit über Sie vier dort.
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Herr Kay Gottschalk von der AfD-Fraktion hat das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger da draußen! Anlegerschutz – Frau Ryglewski hat es gesagt – hat auch immer etwas mit Vertrauen zu tun. Wir brauchen in Deutschland Gesetze, auf die sich Anleger verlassen können. Sie setzen großes Vertrauen in diese Gesetze und in die Maßnahmen, die ergriffen werden, wenn jemand gegen diese Gesetze verstößt. Hier liegt unsere Verantwortung als Gesetzgeber. Darum ist Anlegerschutz eine wichtige Sache, vor allem im Bereich des sogenannten Grauen Kapitalmarktes.
Dass dieses Vertrauen in den Anlegerschutz in den letzten Jahren immer wieder verletzt wurde, zeigt die Vergangenheit, Frau Ryglewski. Die Firmen, die ich jetzt als Beispiel aufführe, stehen Pate für ein langes Versagen dieser Regierung. Prokon: 75 000 Anleger, 1,4 Milliarden Euro investiert, 40 Prozent des Kapitals verloren. Das war übrigens grünes Kapital, Herr Kollege, von vielen Menschen, das weg ist. Bei S&K: 11 000 Anleger betroffen, hier steht ein Verlust von etwa 240 Millionen Euro im Raum. Bei P&R, die berühmte Containergeschichte – da hat sich die BaFin ja auch wieder mit Ruhm bekleckert, Frau Ryglewski –, stehen 3,5 Milliarden Euro in der Kreide. Wie viel Gelder hier am Ende verloren sind, verehrte Damen und Herren, wird das Insolvenzverfahren zeigen. Man darf davon ausgehen, dass etwa zwei Drittel des Vermögens verloren sind.
Der letzte Fall dürfte in Verbindung mit Wirecard die Regierung vielleicht nun bewogen haben, endlich zu handeln. Die Frage, die ich mir stelle, verehrte Kollegin, ist: Warum hat die Bundesregierung so lange für dieses Gesetz gebraucht? Seit August 2019 lag das Maßnahmenpaket auf dem Tisch, und Sie haben nicht gehandelt! Deswegen sind viele Schäden, die in dieser Zeit entstanden sind, Ihnen zuzurechnen.
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Da erwarte ich am Ende des Tages eine schnellere Umsetzung von der Regierung.
Wie wichtig das Thema ist, schreibt die Bundesregierung ja sogar selbst. So steht im Gesetzentwurf – ich zitiere mit der Erlaubnis der Präsidentin –:
Anlegerschutz ist ein wichtiges Ziel der Bundesregierung bei der Finanzmarktregulierung. Dafür wurde in den letzten Jahren viel getan …
– na ja –
beispielsweise durch die Neuerungen des Kleinanlegerschutzgesetzes von 2015.
Sechs Jahre ist das her, meine Damen und Herren!
Doch die Entwicklungen an den Finanzmärkten bleiben nicht stehen
– o welch tolle Feststellung! -
und Erfahrungen aus der Praxis, unter anderem mit der Insolvenz eines großen Anbieters von Vermögensanlagen
– aber auch weitere Entwicklungen –,
machen deutlich, dass der Schutz von Anlegern weiter gestärkt werden muss.
Warum also sind diese Maßnahmen für den Grauen Kapitalmarkt so wichtig? Dazu sagt der Verbraucherzentrale Bundesverband – ich zitiere nochmals –:
Anlagen des GKM zeichnen sich durch hohe Verlustrisiken, geringe bis keine Handelbarkeit und meist lange Laufzeiten aus. Dazu sind sie in der Regel kaum oder gar nicht reguliert.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist an der Zeit, dass Sie wirklich schnell handeln. Aber rühmen Sie sich nicht; denn Sie haben bei diesem wichtigen Thema viel zu lange geschlafen.
({1})
Dies zeigt auf der anderen Seite deutlich, wie wichtig das Vertrauen in den Markt ist.
Gut ist – das will ich nicht verhehlen –, dass erstens nun Blindpool-Anlagen verboten werden sollen. Das sind Anlagen – man muss sich mal vorstellen, dass so etwas bisher erlaubt war –, bei denen zum Zeitpunkt der Prospekterstellung die Anlageobjekte noch nicht konkret feststehen, also: die Katze im Sack. Damit will die Bundesregierung eine hinreichende Bewertungsmöglichkeit für Anleger sicherstellen. Gut so!
Zweitens: bessere Prüfmöglichkeiten. Zusätzlich sollen die Möglichkeiten zur Prüfung der Rechnungslegung von Emittenten von Vermögensanlagen verbessert werden. Auch da kann ich Sie nur unterstützen.
Drittens: Stärkung des Anlegerschutzes durch die BaFin. Ja, wieder mal die BaFin! Hoffen wir, dass wir mit dem Gesetzentwurf, den wir demnächst hier diskutieren werden, die BaFin wirklich auf richtige Beine stellen und in einen bissigen Tiger der Kontrolle verwandeln.
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Viertens: mehr Transparenz. Auch das darf man sich an dieser Stelle wünschen.
Fünftens – das steht wieder nicht drin, wäre mir aber wichtig gewesen –: Schaffen Sie endlich nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Kontrolle der BaFin im Zusammenhang mit der Prospekthaftung, sodass Anleger wirklich darauf vertrauen können, was in den sogenannten Prospekten steht!
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Zusammenfassend werden wir die Beratungen sehr kritisch, aber auch konstruktiv begleiten und hoffen, dass dieses Gesetz nun ein großer Wurf wird.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Das Wort geht an Dr. Carsten Brodesser von der CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir den Anlegerschutz vor allem im Bereich der Vermögensanlagen weiter verbessern. Wir haben in dieser Legislaturperiode bereits eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die Missstände, Unwuchten, aber auch kriminelle Machenschaften Einzelner verhindern und Schäden für Anleger vermeiden. Der Gesetzentwurf setzt – Frau Parlamentarische Staatssekretärin Ryglewski hat darauf hingewiesen – die noch offenen Punkte des Maßnahmenpakets zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes um, das das BMJV zusammen mit dem BMF erarbeitet und bereits Ende 2019 veröffentlicht hatte.
Aufhänger ist vor allem die bereits zitierte Insolvenz des Containeranbieters P&R gewesen. Bei dieser spektakulären Insolvenz ging es immerhin um 3,5 Milliarden Euro, die 54 000 Anleger in den Containeranbieter P&R investiert hatten. Was war das Geschäftsmodell von P&R? P&R war ein Unternehmen, das immerhin seit mehr als 40 Jahren Privatanlegern Seefrachtcontainer verkauft hatte und diese dann zurückmietete. Beim Kauf von Containern erhielten die Investoren im Gegenzug feste Mieten. In der Regel kaufte P&R nach fünf Jahren dann die gebrauchten Container mit einem Preisabschlag zurück. Die Anleger erhielten dabei ein Renditeversprechen zwischen 3 und 5 Prozent.
Im März 2018 meldete P&R dann, für viele überraschend, die Zahlungsunfähigkeit an. Zwei Monate später stellte sich heraus, dass von 1,6 Millionen verkauften Containern sage und schreibe 1 Million Container fehlten. Der Fehlbestand ergab sich daraus, dass seit mehr als zehn Jahren Container lediglich auf dem Papier verkauft wurden, um mit den eingenommenen Geldern die laufenden Verbindlichkeiten aus Mietzahlungen und Rückkäufen gegenüber den Altanlegern zu bedienen – also ein Schneeballsystem, das immer mehr zur Lawine für Anleger und das Management wurde. Selbst in den umfangreichen Verkaufsprospekten der P&R war nichts Konkretes zu Marktpreisen und ‑mieten zu finden.
Auch in diesem Fall müssen wir leider feststellen, dass trotz erkennbarer Plausibilitätsdefizite die BaFin im Zeitraum von 2017 bis Anfang 2018 noch fünf Angebote von P&R gebilligt hatte. Nach dem Vermögensanlagengesetz in seiner jetzigen Fassung hatte die BaFin bei solchen Produkten bereits die notwendigen Kompetenzen, um ein solches unklares Angebot einer Vermögensanlage zu untersagen. Bei dem letzten geplanten Angebot von P&R tat sie dies richtigerweise dann auch – für viele Anleger aber leider zu spät.
Nicht ausreichend und ein klares Defizit bei der Aufsicht ist eine lediglich auf Vollständigkeit beschränkte Prüfung von Vermögensanlage-Informationsblättern durch die BaFin. Es muss vielmehr gewährleistet werden, dass diese auch ihren Zweck erfüllen und dem Anleger eine gut verständliche Entscheidungsgrundlage bieten. Die Prüfung der Verständlichkeit sollte daher selbstverständlich sein. Zukünftig muss die BaFin also die Einhaltung der regulatorischen Vorgaben schneller und effektiver verfolgen.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das Lastenheft für eine neu aufgestellte BaFin ist durchaus gut gefüllt. Wir müssen aber auch aufpassen, dass wir aus dem Anlegerschutzgesetz kein Anlageverhinderungsgesetz machen. Wir sollten vielmehr einen guten Mittelweg finden, der Investitionen in Vermögensanlagen durchaus ermöglicht und gleichzeitig den Anlegerschutz besser absichert.
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Bei den Vermögensanlagen, um die es hier geht, sind in der Regel nicht Kleinanleger, sondern durchaus breiter aufgestellte Investoren angesprochen. So lag nach einer Studie aus dem Jahr 2020 die durchschnittliche Mindestzeichnungssumme in der Untersuchung bei Publikumsangeboten bei über 28 800 Euro.
Das im Gesetz vorgesehene Blindpool-Verbot mag durchaus seine Rechtfertigung haben, aber in einem angespannten Finanzierungsumfeld für Unternehmen entzieht ihnen das Blindpool-Verbot auch wichtige Finanzierungsmöglichkeiten. Die Investition in Vermögensanlagen ist nämlich kein Teufelszeug, sondern ermöglicht in den meisten Fällen volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionen wie in erneuerbare Energien, Impfstoffe, Wohnimmobilien und in die Forstwirtschaft. Ein generelles Blindpool-Verbot verringert hingegen die Anzahl und die Vielfalt der Anlagemöglichkeiten für Verbraucher und Anleger.
Als Politik sind wir also aufgefordert, in einer freien marktwirtschaftlichen Gesellschaft die Vielfalt und die Diversifikationsmöglichkeiten für Anleger unter Wahrung höchstmöglicher Sicherheit gegeneinander abzuwägen. Im vorliegenden Gesetzentwurf ist insoweit eine Neuregelung vorgesehen, die ein bestehendes Transparenzdefizit durch die Kontrolle der Mittelverwendung ausgleichen soll. So räumt der Gesetzentwurf der BaFin bei der Billigung von Angeboten einen größeren Ermessensspielraum ein, um Anlagen, bei denen begründete Zweifel an einer gesetzeskonformen Mittelverwendung bestehen, nicht zum öffentlichen Angebot zuzulassen.
Ich komme zum Schluss. Aufgrund der Insolvenz von P&R Container gibt es im Gesetz die Überlegung, dass für bestimmte Vermögensanlagen die Bestellung eines unabhängigen Mittelverwendungskontrolleurs durch den Emittenten zukünftig zwingend erforderlich ist. Unabhängig von diesem konkreten Fall müssen wir aber sorgsam überlegen, wie wir in Zukunft ähnliche Insolvenzen verhindern können. Ich sehe daher an der einen oder anderen Stelle durchaus noch Nachbesserungsbedarf, den wir aber in den Beratungen sicher klären können. Der vorliegende Entwurf ist dafür eine gute Grundlage.
Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank.
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Danke schön. – Das Wort geht an Till Mansmann von der FDP-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Anlegerschutz ist in der Tat ein wichtiges Ziel der Finanzmarktregulierung. Auch bei dem hier vorgelegten Gesetz steht dieser Gedanke im Mittelpunkt.
Gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht. Ich formuliere es einmal so: Wir teilen die Einschätzung der Diagnose; bei der verordneten Medizin sind wir noch ein wenig skeptisch.
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Mit solchen Rezepten ist es eben auch wie beim Arzt: Keine Medikation ohne Nebenwirkungen. – Als Serviceopposition lesen wir Ihnen gerne auch mal ein bisschen aus dem Beipackzettel vor, den man für dieses Gesetz erstellen müsste. Dort stehen folgende Warnhinweise: Wenn noch nicht feststeht, welche konkreten Anlageobjekte finanziert werden sollen, dann dürfen von Privatanlegern keine Gelder mehr eingesammelt werden.
Die geplante Regelung, dass Vermögensanlagen in sogenannte Blindpools für Privatanleger künftig nicht mehr zulässig sind, hat aber eben auch negative Folgen für die Verbraucher. So erschwert es die notwendige Diversifikation ihrer Anlagen.
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Durch die eingeschränkteren Reinvestitionsmöglichkeiten der Vermögensverwalter befürchten wir, dass in der Folge verstärkt sogenannte Single-Asset-Strategien mit entsprechenden Klumpenrisiken angeboten werden. In der Folge verringert sich durch das vorliegende Gesetz dann die Risikostreuung für die Anleger. Gerade in Zeiten wie heute, in denen Sparer Negativzinsen für ihr Geld vermeiden wollen, wird auf diese Weise erschwert, das eigene Vermögen aufzubauen und zu schützen.
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Aber auch für den Kapitalmarkt an sich sehen wir Nebenwirkungen, bei denen man sich die Frage stellen muss, ob sie nicht gravierender sind als die geplanten positiven Wirkungen. Denn das Blindpool-Verbot entzieht dem Kapitalmarkt Ressourcen gerade für sozial wichtige Investitionsfelder wie Wohnungsbau, erneuerbare Energien oder Impfstoffentwicklung. Der deutsche Coronaimpfstoffhersteller BioNTech wurde zum Beispiel jahrelang über Vermögensanlagen mit Blindpool-Charakter finanziert. Stellen wir uns einmal kurz vor, wo wir heute global stünden, wenn dieses Unternehmen in der schwierigen Entwicklungsphase nicht den Zugang zu diesem Kapital gehabt hätte!
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Ohne diese Mittel hätte das Unternehmen nicht mehr oder nur in erheblich geringerem Maße investieren und die für uns alle lebenswichtigen Innovationen nicht leisten können.
Auch beim Wohnungsbau ist das Blindpool-Verfahren eine beliebte Finanzierungsquelle. Konkret würde das Gesetz also eben auch die Gefährdung von Unternehmen, Arbeitsplätzen und der Schaffung von Wohnraum bedeuten.
Insgesamt fürchten wir – auch wenn wir einige gute Ansätze sehen –, dass dieses Gesetz letztlich an einem verbesserten Anlegerschutz ein Stück weit vorbeigeplant ist. Aber vielleicht kann man da an der einen oder anderen Stelle noch nachbessern. Ich freue mich, dass der Kollege Dr. Brodesser schon einige dieser Themen aufgegriffen hat, sodass wir hoffen, dass wir in der Beratung im Finanzausschuss noch den von Ihnen angesprochenen richtigen Mittelweg finden.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Das Wort geht an Fabio De Masi von der Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Wirecard-Skandal, der P&R-Skandal, der Prokon-Skandal, zuletzt auch der German-Property-Skandal – eine Reihe von Skandalen, die zeigen, dass es in Deutschland bei den Themen Anlegerschutz und Finanzaufsicht ein bisschen ist wie in Finnland mit dem Anbau von Rotwein: Wir haben da keine sehr gute Reputation. – Deswegen ist es wichtig, dass noch in dieser Legislaturperiode bei diesem Thema etwas geschieht.
Wir unterstützen dabei den Ansatz der Bundesregierung, Blindpool-Anlagen für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger zu beschränken. „Blindpool“ heißt, dass zum Zeitpunkt der Erstellung des Prospekts oder des Vermögensanlage-Investitionsblatts das Investitionsobjekt noch nicht konkret bestimmt ist. Wir haben das bei dem Skandal um die German Property Group gesehen. Da wurde versprochen, dass man in die Sanierung von denkmalgeschützten Immobilien investiert, die gar nicht existierten. Deswegen hat diese Regulierung hier durchaus eine hohe Bedeutung.
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Wir wünschen uns aber Verbesserungen am Gesetz, und zwar dahin gehend, dass dieses Verbot nicht etwa durch Kryptoassets umgangen werden kann. Wir wünschen uns verbesserte Einsichts- und Informationsrechte zugunsten der Kleinanlegerinnen und Kleinanleger, für die häufig nicht die notwendige Transparenz gegeben ist, um das Risiko ihrer eigenen Investitionen bewerten zu können.
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Die Einführung einer Mittelverwendungskontrolle durch unabhängige Dritte ist positiv. Was heißt das? Das heißt, dass kontrolliert wird, was mit dem Geld der Kleinanlegerinnen und Kleinanleger passiert. Beispiel erneut die German Property Group: Dort ist dieses Geld in den Taschen von Kriminellen verschwunden. – Wir würden uns aber wünschen, dass dieser Dritte spezifischer bestimmt wird. Es sollte ein Rechtsanwalt oder ein Wirtschaftsprüfer sein. Und es ist auch nötig, die Haftung dieses Kontrolleurs stärker zu präzisieren.
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Auch bei der Mittelverwendungskontrolle gibt es eine Ausnahme, nämlich für institutionelle Investoren. Nun ein drittes Mal ein Bezug zur German Property Group. Dort hat die BaFin bereits gesagt: Wir haben uns das gar nicht genauer angeguckt; denn Kleinanlegerinnen und Kleinanleger waren ja gar nicht betroffen.
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Wir wissen aber von etlichen britischen Rentnerinnen und Rentnern, die dort ihre Lebensersparnisse verloren haben. Deswegen wünschen wir uns hier eine stärkere Präzisierung im Entwurf.
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Zum Schluss. Es ist positiv, dass das Auskunftsrecht der Finanzaufsicht BaFin gegenüber Anbietern leicht verbessert wird und dass sie sofortige Vollzugsmöglichkeiten bei Fehlern in der Rechnungslegung hat – auch ein leidiges Thema bei Wirecard. Aber: Diese positive Regel soll nur für neue Vermögensanlagen gelten. Das würden wir uns anders wünschen. Insofern bleibt viel zu tun. Wir freuen uns auf die Debatte.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr De Masi.
Ein Hinweis an das Plenum: Die namentliche Abstimmung ist in fünf Minuten beendet. Deshalb wollte ich noch mal darauf aufmerksam machen: Wer noch nicht abgestimmt hat, könnte das jetzt tun.
Das Wort geht an Stefan Schmidt von der Fraktion Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Graue Kapitalmarkt ist noch immer eher ein Haifischbecken als ein sicherer Hafen für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger. Die rund 75 000 betrogenen Anlegerinnen und Anleger im Fall Prokon oder die 54 000 im Fall P&R Container können ein Lied davon singen. Umso erfreulicher ist es, dass die Bundesregierung endlich einsieht: Wir müssen Privatanlegerinnen und ‑anleger viel effektiver vor unklaren Risiken und Betrug schützen. Dafür muss der Graue Kapitalmarkt deutlich stärker reguliert werden.
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Der Gesetzentwurf greift viele wichtige Maßnahmen auf und ist ein guter Schritt hin zu mehr Verbraucherinnen- und Verbraucherschutz. Er reicht aber nicht aus, um möglichen Betrug schon im Vorfeld wirksam zu verhindern. Ich will das kurz skizzieren: Es ist zwar im Grundsatz richtig und gut, dass Blindpools für Privatanlegerinnen und ‑anleger verboten werden, dass nur noch beaufsichtigte Vermittler Vermögensanlagen vertreiben sollen und dass eine Mittelverwendungskontrolle auch bei Direktinvestitionen in Sachgüter eingeführt wird, aber der Teufel steckt, wie so häufig, im Detail, beispielsweise bei den Plänen zur Mittelverwendungskontrolle.
Die einzige Voraussetzung, die der Gesetzentwurf an den Mittelverwendungskontrolleur stellt, ist seine Unabhängigkeit. Muss er aber besonders qualifiziert und sachkundig sein? Nein. Und was passiert, wenn er gegen Regeln verstößt? Gar nichts. So verhindern wir doch keinen Betrug. Wir müssen festlegen, und zwar direkt im Gesetz, dass der Mittelverwendungskontrolleur entsprechend qualifiziert sein muss, zum Beispiel als Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer, und es braucht klare Haftungsregeln bei Fehlverhalten, Bußgeldvorschriften bei Verstößen. Nur so lassen sich schmutzige Geschäfte auf Kosten der Anlegerinnen und Anleger verhindern.
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Es ist auch richtig und längst überfällig, dass die BaFin mehr Auskunftsrechte erhält und schon bei Verdachtsmomenten einschreiten können soll. Das macht sie aber noch lange nicht zu einer Behörde mit mehr Biss. Die Befugnisse müssen doch viel weiter gehen. Wann kommt denn endlich die materielle Prospektprüfung? Die BaFin kann Betrug doch nicht wirksam abwehren, wenn sie weiterhin nur prüft, ob das Prospekt ein Inhaltsverzeichnis hat oder der Sitz des Anbieters genannt wird, aber nicht klärt, ob die Angaben in der Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung des Anbieters Sinn ergeben oder die versprochenen Renditen auch realistisch sind. Die BaFin muss Prospekte endlich auf Plausibilität prüfen. Nur so bekommen wir auch mehr Biss in diese Behörde.
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Nutzen wir also die Gelegenheit, um die Anlegerinnen und Anleger noch effektiver vor Betrug zu schützen und das Haifischbecken des Grauen Kapitalmarkts trockenzulegen. Dafür werden wir Grüne uns in den Beratungen einsetzen, damit wir in ein paar Jahren nicht wieder hier stehen und den nächsten Anlegerskandal haben, auf den wir zurückblicken müssen.
Ich danke Ihnen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wie meine Vorredner schon gesagt haben, beraten wir heute über die Stärkung des Anlegerschutzes, genauer gesagt über die Stärkung des finanziellen Verbraucherschutzes. Durch Regulierungen und das Verbot einiger hochspekulativer Vermögensanlagen sollen Verbraucherinnen und Verbraucher in Zukunft wirkungsvoller vor den erheblichen Risiken des Grauen Kapitalmarktes geschützt werden. Das ist meiner Meinung nach eine sehr wichtige Sache.
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Ein negatives Beispiel für Vermögensvernichtung ist hier schon angesprochen worden – ich möchte es noch mal wiederholen; es ist ein Skandal gewesen –, und zwar die Pleite des Containeranbieters P&R. Hier haben die von Anlegern erworbenen Frachtcontainer vielfach nur auf dem Papier existiert, und das war den Anlegern nicht klar. Von 54 000 Anlegern wurden 3,5 Milliarden Euro eingeworben, teils von freien Beratern, aber teils auch von Banken, Sparkassen und Volksbanken. Von angeblichen 1,6 Millionen Containern existierten wohl nur 618 000. Hier wurden in einer Art Schneeballsystem Finanzlöcher immer wieder gestopft.
Um solche Geschäftsmodelle in Zukunft zu verhindern, enthält der Gesetzentwurf folgende Maßnahmen: Sogenannte Blindpool-Anlagen sollen in Zukunft verboten werden. Ich sehe das ein bisschen anders als die Kollegen vom Koalitionspartner oder die FDP-Kollegen. Ich bin der Meinung, dass Geldanlagen in Projekte, die zum Zeitpunkt der Anlage noch völlig unklar definiert sind und bei denen unklar ist, in was das Geld eigentlich investiert werden soll, verboten werden sollten,
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weil das Risiko Totalverlust immer am Horizont steht.
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Des Weiteren sollen Prüfungsmöglichkeiten der BaFin ausgeweitet werden. Hier ist jede Ausweitung erst mal zu begrüßen. Missstände sollen eher erkannt werden, und ich denke, das ist was sehr Positives.
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Die Transparenz für die Verbraucher soll erhöht werden, indem eine Mittelverwendungskontrolle bei Geldanlagen, die unmittelbar in Sachgüter einfließen, eingeführt werden soll. Das gibt es bisher auch noch nicht.
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Und last, not least soll der Vertrieb von Vermögensanlagen auf beaufsichtigte Anlageberater und Vermittler beschränkt werden. Auch das finde ich sehr wichtig; diese Beaufsichtigung gibt es im Moment noch nicht. Und die Verwalter geschlossener Publikumsfonds sollen der Erlaubnispflicht nach dem Kapitalanlagegesetzbuch unterstellt werden.
Ich finde, das sind sehr gute und sehr wichtige Maßnahmen. Im Moment sind Anleger immer davon abhängig, ob sie seriös beraten werden oder nicht. In Zukunft sollen sie nur noch seriös beraten werden. Das ist eine gute Zielsetzung des Gesetzes. Wir können vielleicht noch Kleinigkeiten verbessern; aber ich finde, die Grundlage des Gesetzes ist sehr gut.
Ich freue mich auf die Beratungen, nicht auf alle, aber auf einige. Ich freue mich vor allen Dingen über einen guten Abschluss, den wir hinkriegen werden, und auf eine Verbesserung für die Anleger.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Die Zeit für die namentliche Abstimmung ist vorbei. Gibt es dennoch Abgeordnete im Plenum, die noch nicht abgestimmt haben? – Das sehe ich nicht.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.
Zum Abschluss dieser Debatte zu Tagesordnungspunkt 5 redet Alexander Radwan von der CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja schon gesagt worden: Es geht heute um die Stärkung des Verbraucherschutzes, des Anlegerschutzes. 2015 ist das Kleinanlegerschutzgesetz in Kraft getreten. Es wurden auch Maßnahmen zur Stärkung des Verbraucherschutzes geplant, die jetzt in die Umsetzung kommen. Entsprechende Skandale haben zu diesem Gesetzentwurf beigetragen: P&R wurde ebenso genannt sowie Prokon und andere, die wir auch gerade in Untersuchungsausschüssen untersuchen.
Wir sollten uns im Zuge der Gesetzgebung und mit Blick auf die Maßnahmen, die jetzt notwendig sind, erst einmal die Frage stellen: Was hat die BaFin damals gesehen? Was hat sie gemacht? Was hat sie nicht gemacht? Welche Instrumente hatte sie? Welche Warnhinweise kamen? Und warum hat sie in einer entsprechenden Form gehandelt oder auch nicht gehandelt? Daraufhin kann man überlegen: Welche Maßnahmen sind im gesetzgeberischen Bereich notwendig?
Wenn die BaFin zukünftig an der Gestaltung von Produkten und Vertrieb mitwirken soll, dann müssen wir die BaFin auch mit dem entsprechenden Personal ausstatten, das diese Produkte gestalten, prüfen und auch die Sinnhaftigkeit hinterfragen kann.
Bei dem Thema Sinnhaftigkeit stellt sich auch die Frage: Ist die Sinnhaftigkeit nur dann gegeben, wenn es gar kein Risiko gibt? Oder ist es möglich, zu sagen: „Ein Produkt birgt zwar ein Risiko, aber bietet auch eine Chance“? Ein solches Produkt ist genauso sinnhaft; das sollten wir bei der Gesetzgebung berücksichtigen.
Beim Thema „ermöglichen“ ist eine der Hauptforderungen – im Grundsatz herrscht da Konsens – Transparenz. Ich sage Ja zu Transparenz; aber wichtig sind Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Wir haben in den letzten Jahren teilweise Gesetze erlassen und dann in der Praxis, in der Finanzwirtschaft, bei den Banken gesehen, dass eine Transparenz geschaffen wurde, die zu einer Nichtverständlichkeit, zu einem Wust an Papier geführt hat, sodass der normale Verbraucher überfordert wird.
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Das ist nicht nur die Sichtweise der Finanzwirtschaft. Ich habe mich zu diesem Thema damals auch mit Verbraucherschützern unterhalten. Die Verbraucherschützer haben gesagt: Was nützt mir so viel Transparenz, wenn ein normaler Mensch, der bei einer Bank ein Konto eröffnen möchte, das gar nicht mehr kann, weil er die ganzen Informationsblätter nicht versteht?
Der Vertrieb durch beaufsichtigte Vermittler und Berater ist sinnvoll und nachvollziehbar.
Das, worum es geht – das hat sich schon herausgebildet –, sind Blindpools. Vor diesem Hintergrund spielt die Thematik eine Rolle, dass die Menschen immer wieder von uns aufgefordert werden, für ihre Altersversorgung selber vorzusorgen, sich entsprechend zu engagieren, was bei den jetzigen Zinssätzen sehr schwierig ist. Es stellt sich die Frage: Ist es sinnvoll, eine Risikoanlage – noch mal: wenn der Anleger weiß, dass unklar ist, wohin das Geld fließt – zu verbieten? Auf der einen Seite wurden die Skandale genannt – wobei auch betont wurde: hier war kriminelle Energie am Werk –, auf der anderen Seite wurde BioNTech genannt.
Es wird auf Nachhaltigkeit hingewiesen. Hier freue ich mich schon auf die große Diskussion zu Nachhaltigkeit und Transparenz; denn wir arbeiten gerade in Europa aktiv daran, Finanzprodukte zu stricken, die an Komplexität gar nicht mehr zu überbieten sind. Diejenigen, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit fordern, fordere ich auf, bei nachhaltigen Finanzprodukten gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie einfach und verständlich sind und nicht an Komplexität in der Art und Weise zunehmen, wie es gerade in Brüssel mit deutscher Unterstützung, gerade von denjenigen, die Transparenz fordern, bei Regelungen erfolgt, meine Damen und Herren. Da gibt es einen Widerspruch.
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Ich denke, wir sollten bei den Blindpools den Menschen nicht die Chance nehmen, in eine Firma wie BioNTech zu investieren, in Zukunftstechnologien zu investieren; vielmehr müssen wir den Menschen die Möglichkeit geben, zu wissen, in was sie investieren, dass es dort Risiken gibt. Ihnen aber in der jetzigen Zeit die Chance zu nehmen, halte ich für falsch, meine Damen und Herren.
Abschließend lassen Sie mich sagen: Wir müssen ein Gesetz machen, das die genannten Möglichkeiten eröffnet, und wir müssen die BaFin entsprechend ausstatten, dass sie ihrer Aufgabe auch nachkommen kann. Letztendlich geht es um eine Ausgewogenheit zwischen Verboten auf der einen Seite und Möglichkeiten auf der anderen Seite.
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 19/28166 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir wie vorgeschlagen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider geht es mit dem Impffortschritt in Deutschland nicht voran. Immer wieder gibt es Rückschläge und erreichen uns Hiobsbotschaften über Lieferstopps. Was uns dabei jedes Mal auf die Füße fällt, ist die Tatsache, dass Impfstoff zu spät, zu wenig und ohne Konzept bestellt wurde.
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Impfzentren und niedergelassene Ärztinnen und Ärzte stehen seit Wochen und Monaten bereit. Der Impffortschritt könnte schon viel weiter sein, wenn denn genügend Impfstoff vorhanden wäre. Es gibt derzeit nur ein wirksames Mittel gegen das Virus: Impfen, impfen und nochmals impfen.
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Neben den Impfstoffen werden in Zukunft aber auch Arzneimittel gegen das Coronavirus und vor allen Dingen gegen dessen Mutationen ein weiterer wichtiger Baustein sein; das ist jetzt schon absehbar. Derzeit gibt es dazu schon viele Forschungsvorhaben. Ein vollständig wirksames Allheilmittel ist jedoch noch nicht entdeckt bzw. zugelassen worden. Wir möchten nicht immer nur zuschauen, sondern schon jetzt nach vorne blicken, meine Damen und Herren. Daher muss die Suche nach einem geeigneten Arzneimittel zur Behandlung von Covid-19 jetzt schnellstmöglich vorangebracht werden;
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denn es gilt, schwerste Verläufe, Spätfolgen und Todesfälle zu verhindern.
Die Forschung, vor allem die klinische Forschung zu Coronaarzneimitteln, muss endlich den Turbo zünden.
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Es gilt, die Genehmigungsverfahren für klinische Studien und die Zulassungsverfahren für erfolgreich getestete Medikamente gegen SARS-CoV-2 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu beschleunigen. Mit Beschleunigen ist gemeint, die Genehmigungsverfahren von bürokratischen Fristen und Vorgaben zu befreien; dies soll nicht auf Kosten der Arzneimittelsicherheit gehen. Sie steht weiterhin an erster Stelle und darf zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt werden.
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Hinsichtlich des Abbaus bürokratischer Hürden steht derzeit aber gerade der Staat auf der Bremse. Überbordende bürokratische Verfahren mit langen Laufzeiten verzögern die Durchführung von klinischen Studien. Meine Damen und Herren, wir können hier nicht weiter zuschauen. Wir müssen die Verfahren endlich entschlacken und von überflüssiger Bürokratie befreien, und zwar umgehend.
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Des Weiteren fordern wir in unserem Antrag, einen Beauftragten zu ernennen, der die Entwicklung, klinische Prüfung und Zulassung von Arzneimitteln gegen SARS-CoV-2 national und international beobachtet und begleitet. Dadurch sollen eine frühzeitige Identifikation von Arzneimittelkandidaten sichergestellt und rechtzeitig Kontingente für Deutschland und die Europäische Union gesichert werden.
Auch bei der Anwendung der Arzneimittel schlägt die FDP-Bundestagsfraktion ein strategisches Vorgehen vor. Dafür bedarf es der Wissenschaft, also Forscher, Kliniker und Fachgesellschaften. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Meine Damen und Herren, was wir jetzt brauchen, sind schnelle Lösungen. Die Entwicklung des Impfstoffes hat doch gezeigt, was für ein Forschungspotenzial in Deutschland steckt. Lassen Sie uns dieses Know-how endlich entfesseln!
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So können wir einen weiteren wichtigen Schritt in der Pandemiebekämpfung gehen. Und, meine Damen und Herren, bitte schalten Sie jetzt nicht von vornherein auf Blockadehaltung. Dies ist ein konstruktiver Vorschlag der FDP-Bundestagsfraktion, den wir gerne mit Ihnen im Ausschuss diskutieren wollen, und darauf freue ich mich.
Herzlichen Dank.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der FDP, Sie haben ja einen ganz spaßigen Namen für Ihren Antrag gewählt; Sie nennen ihn: Mit Warp Speed in Richtung Medikamentenforschung. – Ich bin ja auch ein Science-Fiction-Fan, ein Fan von Star Wars, Star Trek, The Avengers, und ich war auch mal Magic-Spielerin.
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Deswegen: Ich bin wirklich sehr offen dafür. Aber wir sind uns sicherlich trotzdem darüber einig, dass dieser Name von den Amerikanern auch deshalb gewählt wurde – von denen haben Sie abgeschrieben –, weil man etwas suggerieren wollte, nämlich dass man sich bei der Impfstoffbeschaffung und Impfstoffentwicklung sehr schnell auf den Weg machen werde.
Ich bin dankbar, dass wir in Deutschland leben, wo es eben nicht darum geht, viel ins Schaufenster zu stellen, sondern darum, tatsächlich Lösungen zu finden. Wir haben bewiesen, dass wir Deutsche auch bei der Impfstoffentwicklung schnell sein können.
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Ich bin sehr dankbar, dass wir als Staat die Entwicklung des BioNTech-Impfstoffs unterstützen konnten und in unserem Land die Produktion möglich gemacht haben. Wir haben der Firma 375 Millionen Euro an Bundesmitteln zur Verfügung gestellt. Wenn man sich anschaut, in welchem Zeitraum dieser Impfstoff dort entwickelt wurde, dann ist das einfach bemerkenswert.
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Das lag natürlich auch daran, dass viele Probanden zur Verfügung standen – damit komme ich auf den Kern Ihrer Forderungen –, wodurch klinische Studien leichter möglich waren. Mir ist es schon ein Anliegen, dass, wenn wir über Medikamentenzulassung sprechen, wir das auch ernsthaft tun. Für viele ist das eine abstrakte Herangehensweise. Aber klar ist: Wenn man ein Medikament entwickelt, ist es wichtig, auf zwei Parameter zu gucken, nämlich vor allem auf die Sicherheit und auch auf die Wirksamkeit. Das geht halt nicht mal so hopplahopp, wie es, von Ihrem Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki befürwortet, Professor Stöcker gemacht hat. Er hat nämlich einfach für sich entschieden, dass er einen Impfstoff entwickelt und diesen an vier weiteren Probanden ausprobiert.
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Das ist natürlich nicht redlich; das ist wissenschaftlich hoch umstritten. Es ist für mich auch irgendwie befremdlich, dass in der breiten medialen Gesellschaft einfach akzeptiert wird, dass jemand ohne ethische Vorprüfung, die natürlich stattfinden muss, und ohne Vorlage eines Studiendesigns einfach für sich selbst entscheidet: So, ich probiere das nicht nur an mir aus, sondern auch an weiteren Personen.
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Zu Recht ist das nicht zulässig und nicht erlaubt in unserem Land.
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Es ist zu Recht so, dass man zunächst an einem Zellmodell, einem Tiermodell beginnt und erst dann weitergeht und auch menschliche Probanden hinzuzieht, zu Beginn erst wenige Gesunde, dann mehr Gesunde, im weiteren Schritt Erkrankte und dann mehr Erkrankte. Erst dann erfolgt die Zulassung.
Natürlich würde ich mir wünschen, wenn das sehr, sehr schnell möglich wäre. Aber die Realität zeigt auch hier wieder, dass es am Ende auch um die Patientensicherheit geht. Deswegen wäre ich sehr froh und dankbar, wenn Sie in Ihrem Antrag tatsächlich konkrete Vorschläge formuliert hätten. Weniger Bürokratie finden natürlich alle eine wunderbare Idee und sagen: Da machen wir alle mit. – Dazu können wir ganz konkret sagen: Die Zulassung des BioNTech-Impfstoffs hat ab dem Zeitpunkt, als die EMA, die Europäische Arzneimittelagentur, ihn zugelassen und die Europäische Kommission dem zugestimmt hatte und er dann auch bei uns zugelassen wurde, nur wenige Stunden gedauert. Normalerweise dauert das zwei Wochen. So etwas kann man natürlich sehr, sehr schnell organisieren. Aber wenn es darum geht, Studiendesigns schneller zu machen oder in der konkreten klinischen Forschung schneller zu werden, kommt man eben an seine Grenzen; denn das würde zulasten der Patientensicherheit gehen. Und das lehnen wir als Union ab.
Ich war auch im Gespräch mit verschiedenen Professoren, die sich tagtäglich mit dem Thema der Medikamentenzulassung beschäftigen. Es hat mich schon ein bisschen schmunzeln lassen, dass einer, der sich Ihren Antrag, liebe Kollegen von der FDP, angeschaut hat, gesagt hat: Das ist ja nicht seriös, was hier gefordert wird. Das ist ja nicht redlich, was hier gefordert wird. Das ist ja nicht nach wissenschaftlichen Standards argumentiert. – Am meisten hat er sich darüber aufgeregt, dass sozusagen ein Beauftragter benannt werden soll, der die 300 im Moment in der Pipeline befindlichen, verschiedensten Impfstoffe und Medikamente überblicken soll. Also, bei allem Respekt: Dieser Professor, der sehr, sehr glaubwürdig ist – ich finde es auch wichtig, dass Menschen ihre Grenzen erkennen –, sagte: Diesen Wunderknaben soll bitte die FDP präsentieren; denn ich kenne keinen Einzigen in meinem Kollegenkreis, der das erfüllen könnte.
Deswegen: Seriöse Politik, echte Politik, ohne Wahlkampfgedöns, und dann klappt es auch mit der Überlichtgeschwindigkeit.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Das Wort geht an Paul Viktor Podolay von der AfD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit über einem Jahr beschäftigen wir uns im Bundestag leider mit irrationalen Politikmaßnahmen, Aktionismus, Maskenkorruption und einem Virus mit einer Infektionssterblichkeit von 0,15 Prozent. Das heißt, von 100 Infizierten überleben 99,85 Menschen. Das soll eine Pandemie sein?
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Ich appelliere an die Bürger da draußen, sich selbst zu fragen, welches dieser Probleme das bedrohlichste für unser Land ist. Im Angesicht einer einjährigen Talfahrt der Regierung muss ich Ihnen sagen, dass es nicht das Virus ist; denn bis heute ignoriert die Bundesregierung wesentliche wissenschaftliche Erkenntnisse zur Bekämpfung von Corona, und sie führt diese sogar ad absurdum.
Die Grünen schließen sich dieser Talfahrt an und fordern in ihrem Antrag unter Punkt 8, sogenannte „wissenschaftsfeindliche Straftaten systematisch zu erfassen".
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Was Sie damit meinen, ist, dass Dissens in der Wissenschaft nun als Straftat gelten soll. So viel Demokratiefeindlichkeit und Unwissen über die Funktion der Wissenschaften lässt sogar die Linke erstaunen.
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Den Vogel schießen Sie jedoch mit der Forderung ab, Geschlechteraspekte der Pandemie zu untersuchen. Das Virus hält vor keinem Geschlecht, scheint damit also emanzipierter zu sein als Sie.
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Das Perfide daran ist, dass man diese unwissenschaftlichen Maßnahmen der Bevölkerung als Lösungskonzepte verkauft. Genau diese Fehlleistungen spiegeln sich auch in der Covid-Medikamentenforschung wider. Deutsche Wissenschaftler fordern mehr Geld für die Forschung und kritisieren zu Recht, dass seit Start der Pandemie von 1 Milliarde Euro nur 17,5 Millionen in die Medikamentenentwicklung geflossen sind. Der Rest findet sich in der Impfstoffforschung wieder.
Das Virus wird sich jedoch verändern, um den Impfungen zu entgehen. Pünktlich dazu erreichen uns in Deutschland neue Erkenntnisse aus Israel, die besagen, dass für Geimpfte die Wahrscheinlichkeit achtmal höher ist, sich mit der südafrikanischen Variante zu infizieren, als für gänzlich Ungeimpfte. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man Covid-Therapeutika nicht nur für Ungeimpfte, sondern auch für Geimpfte brauchen wird, also für alle.
Meine Damen und Herren, das Dauerversagen der Bundesregierung ist zu einem Schrecken ohne Ende mutiert. Der nächste Streich soll alsbald folgen. Eine weitere Novellierung des Infektionsschutzgesetzes soll die Kompetenzen der Länder empfindlich beschneiden und eine bundeseinheitliche Coronanotbremse festschreiben, welche sich am höchst fragwürdigen Inzidenzwert orientiert.
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Frau Bundeskanzlerin, Sie versuchen, unser föderales System zu beseitigen. Treten Sie zurück!
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Um diesen Ausnahmezustand zu beenden, fordert die AfD deshalb immer wieder, den Einsatz und die Erprobung bereits bekannter und neuer Wirkstoffe zu beschleunigen,
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ein multidisziplinäres Pandemiegremium einzuberufen, um Maßnahmen auf ihre Effektivität hin zu überprüfen,
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und – zu guter Letzt der wahrscheinlich wichtigste Punkt – unser Gesundheitssystem zu reformieren und zu stärken, welches jahrzehntelang systematisch heruntergewirtschaftet wurde.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Das Wort geht an Martina Stamm-Fibich von der SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der öffentlichen Wahrnehmung dominiert aktuell die Berichterstattung über die Impfstoffe gegen Covid-19. Zwar sind Impfstoffe das wichtigste Werkzeug im Kampf gegen die Pandemie, aber die Entwicklung von Arzneimitteln gegen Covid-19 darf daneben auf keinen Fall vernachlässigt werden.
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Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung im Januar 50 Millionen Euro in die Entwicklung von neuen Therapien gegen Covid-19 investiert.
Die beiden vorliegenden Anträge gehen also in die richtige Richtung. Leider liegen die Unzulänglichkeiten beider Anträge aber im Detail, und deshalb werden wir sie auch beide ablehnen müssen.
So schreibt die FDP beispielsweise, man müsse sich hierzulande bei der Entwicklung von Covid-19-Therapien unbedingt die „Operation Warp Speed“ zum Beispiel nehmen; Kollegin Zeulner hat das schon aufgeführt. Ich finde, dieser Aufruf beruht auf komplett falschen Annahmen;
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denn erstens war die Entwicklung von Impfstoffen in Deutschland genauso schnell wie in den USA – auch ohne übertriebenes Warp-Speed-Branding –, und zweitens sind Konzepte aus der Impfstoffentwicklung nicht einfach auf die Entwicklung von Therapien zu übertragen.
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Stand heute haben auch die von Ihnen hochgelobten USA noch keine mit Warp Speed entwickelte Therapie zur Hand
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Wenn ich mich irre, kann mich jemand korrigieren, aber ich glaube, Sie daddeln lieber auf Ihrem Handy.
Für die Begleitung von Zulassungsverfahren und Studien gibt es in Deutschland die relevanten Bundesbehörden, und deren Präsidenten stehen meiner Kenntnis nach dem Ausschuss und der Bundesregierung jederzeit für Fragen zur Verfügung.
Völlig aus der Luft gegriffen ist auch die Behauptung, dass die derzeitigen Zulassungsprozesse zu bürokratisch und zu langsam seien. Die Krise hat ja wohl eindeutig gezeigt, dass sowohl die EMA als auch das BfArM sehr gut darin sind, Prozesse sinnvoll zu beschleunigen, wenn das notwendig ist.
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Zum Antrag der Grünen: Viele Punkte, die in diesem über die Forschung an Therapien weit hinausgehenden Antrag stehen, sind meines Erachtens sinnvoll. Diese Meinung teilt wohl auch die Bundesregierung, und deshalb hat sie bereits am 9. April 2021 ihr Covid-19-Addendum für den Rahmenplan Gesundheitsforschung vorgelegt. Das Addendum enthält sehr viele Punkte, die auch im Antrag der Grünen genannt werden.
Bevor ich zum Ende komme, möchte ich noch einen Aspekt aus dem Antrag diskutieren, den ich für eher schädlich als nützlich halte, nämlich die Forderung nach einem Pandemierat.
Wir brauchen keinen Pandemierat. Wir brauchen kein zusätzliches Gremium, das über keinerlei Entscheidungskompetenz verfügt
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und im Zweifel wichtige Entscheidungsprozesse weiter verlangsamt.
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Die Bundesregierung wird bereits jetzt von einem vielfältigen Portfolio an Wissenschaftlern beraten, darunter sind mit Vertretern der Leopoldina, des Deutschen Ethikrats, der Helmholtz-Zentren und anderer Institutionen die besten Köpfe der Republik, und ich kann deshalb nur sagen: An mangelnder wissenschaftlicher Beratung liegt es aktuell in Deutschland wirklich nicht.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Das Wort geht an Dr. Petra Sitte von der Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Operation Warp Speed der US-Regierung, worauf sich die FDP bezieht, war bei Weitem nicht so erfolgreich wie die Serie „Star Trek“.
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Dass nun die FDP ausgerechnet auf den Trump-Zug aufspringen will,
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der ja längst abgefahren ist, verwundert mich schon sehr.
Aus dem Scheitern von Warp Speed gibt es aber einiges zu lernen, was Doktor Spock wohl faszinierend fände:
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Erstens hat das Unternehmen Pfizer, das den ersten Coronaimpfstoff herstellt, keinen Cent aus der Operation Warp Speed erhalten. Der erste erfolgreiche Impfstoff wurde bekanntermaßen von einem kleinen deutschen Unternehmen entwickelt, dessen Gründer Kinder türkischer Einwanderer sind. Solche kleinen Unternehmen müssen wir langfristig fördern, auch dann, wenn ihre Ansätze nicht unmittelbar vermarktbar erscheinen.
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Zweitens ist die Operation Warp Speed spektakulär dabei gescheitert, die Impfstoffe ausreichend produzieren und verteilen zu lassen. Dass die USA jetzt so an Tempo zugelegt haben, hat einen einfachen Grund: Die Regierung Biden macht nämlich Druck auf die Unternehmen, und sie drängt sie zur Zusammenarbeit im Sinne des Gemeinwohls statt zu Konkurrenz. Das könnten wir lernen.
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Drittens müssen wir in der gesamten Impfstoffstrategie erleben, dass zwar Milliarden Euro an Steuergeldern an Pharmaunternehmen ausgezahlt wurden; aber die Staaten – wir können es nur wiederholen – haben sich viel zu wenig Gegenleistung gesichert: keine Patentrechte und keine garantierten Lieferungen. Auch hier müsste durchgängig gelten: öffentliches Geld, öffentliches Gut.
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Die jetzt entwickelten Impfstoffe sind in Rekordzeit entstanden, und das ist gut so. Aber gerade bei der Entwicklung von Medikamenten muss als Prinzip Sicherheit vor Eile gelten. Das nächste Virus, die nächste Zoonose kommt bestimmt. Deshalb brauchen wir eine weitschauende Planung und Aufmerksamkeit für Krankheiten, die im Moment eben noch keine Schlagzeilen machen. Die Fokussierung nur auf Coronaviren wird uns wahrscheinlich nicht vor der nächsten Epidemie schützen. Anstelle von Hektik und Aktionismus brauchen wir gerade in der Gesundheitsforschung einen wirklich langen Atem. Wir brauchen Grundlagenforschung an seltenen Krankheiten wie beispielsweise dem Visual-Snow-Syndrom oder an Viren, die die nächste Pandemie auslösen könnten.
Den besten Schutz bekommen wir nicht, indem wir immer wieder, wie wir es letztes Jahr erlebt haben, von 0 auf 180 beschleunigen, sondern indem wir eben konstant am Tempolimit fahren, alle mitnehmen und die Landschaft im Auge behalten.
Besten Dank.
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Vielen Dank. – Das Wort geht an Kai Gehring von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Impfen, Testen, Forschen sind die Gebote dieser Stunde. Denn die Lage ist ernst: Das Infektionsgeschehen zieht dramatisch an. Wir stecken mitten in der dritten Coronawelle. Die Lage auf den Intensivstationen spitzt sich zu. Auch die besorgten Appelle von Fach- und Forschungsgesellschaften häufen sich.
Gleichzeitig sind die Versäumnisse und Fehleinschätzungen von Forschungsministerin Karliczek viel, viel umfassender, als es diese Debatte sein kann. Frau Karliczek lässt die Forschenden im Regen stehen, und bei der Gesundheitsforschung ist die Ministerin immer noch nicht richtig aufgewacht.
Wie wir die Pandemie mit einer klugen Grundlagen- und Gesundheitsforschung bewältigen können und künftigen Pandemien vorbauen, zeigt unser grüner Antrag. Packen Sie es endlich an!
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Was schlagen wir vor? Erstens mehr Forschung für Therapeutika; die Medikamentenforschung hätte parallel zur Impfstoffforschung hochgefahren werden müssen.
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Zweitens brauchen wir mehr Wissen über die Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung und deren Linderung; hierzu gibt es noch große Forschungslücken.
Drittens sind mehr Anstrengungen bei der Suche nach neuen Virusmutationen nötig, sonst drohen Escape-Mutationen, die bisherige Impferfolge zunichtemachen könnten.
Die Forscherinnen und Forscher wollen sich nicht an die Langsamkeit der Bundesregierung gewöhnen, sondern brauchen beherzte Unterstützung im Kampf gegen die Pandemie. Wir als Bundestag sollten maximal unterstützen und auf die Wissenschaft hören.
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Mich sorgt, wie die Bundesregierung die Wissenschaft mit den Folgen der Coronapandemie allein lässt. Nach wie vor gibt es keine Hilfe, wenn Forschungskooperationen an Hochschulen durch die Pandemie gefährdet sind. Befristet beschäftigte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen Sicherheit, damit ihnen durch das starre WissZeitVG nicht der vorzeitige Abbruch der Karriere droht. Diese Sicherheit zu gewährleisten, wäre ein Job von Ministerin Karliczek, und da taucht sie einfach ab.
Zum FDP-Antrag: Keiner hat ein Interesse an langsamen Zulassungsverfahren; aber Sie können doch nicht einfach Sorgfalt, Vorsorgeprinzip und Patientensicherheit ad acta legen. Dazu fehlen Aussagen in Ihrem Antrag.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese globale Pandemie kann kein Land allein bewältigen. Das gilt auch für die Forschung. Erfolge wie die Impfstoffentwicklung waren möglich, weil klügste Köpfe international zusammengearbeitet haben. Auch da greift der FDP-Antrag zu kurz. Die Weltgemeinschaft braucht kein nationales Nebeneinander Einzelner, „Wir zuerst!“-Initiativen, sondern echte Kooperation.
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Darum wollen wir gerade die gemeinsamen, internationalen Forschungsinitiativen wie CEPI und den ACT-Accelerator stärken. Und dann auch dafür sorgen, dass die Forschungsergebnisse allen Menschen weltweit zur Verfügung stehen, im gebotenen Tempo und mit voller Kraft voraus. Schlagen wir endlich diesen Weg ein! Dann wird auch die Pandemiebekämpfung einfacher.
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Danke sehr. – Das Wort geht an Stephan Albani von der CDU/CSU-Fraktion.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Präsidentin! Angekündigt war „Warp Speed“, heute wurde der Titel des FDP-Antrags noch durch den Begriff „Lichtgeschwindigkeit“ ergänzt. Als alter Trekkie möchte ich Sie mal aufklären:
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Es gibt keine höhere Geschwindigkeit als Lichtgeschwindigkeit, und der Warp-Antrieb hat einzig und allein den Trick, dass er den Raum krümmt und damit die Distanz verkürzt.
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Dadurch ist man am Ende schneller, aber die Geschwindigkeit bleibt gleich.
Warum erwähne ich das – denn diese Aufklärung haben Sie mit Sicherheit nicht gebraucht –, warum erkläre ich das?
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– Ja, das ist wieder was anderes – Ich erkläre das, weil es in der Medikamentenentwicklung keine Abkürzungen, keine Tricks geben darf. Wir müssen mit höchster Geschwindigkeit arbeiten. Dass das möglich ist, hat insbesondere die Entwicklung des BioNTech-Wirkstoffes deutlich gezeigt. Aber auch hier müssen wir ehrlich sein: Wenn wir nur die zwölf Monate vom Moment des Auftretens der Pandemie bis zur Zulassung des Medikamentes betrachten, ist das nicht ganz richtig. Das Unternehmen wäre nicht in der Poleposition gewesen, wenn nicht vorher – 15, 17 Jahre lang – bereits eine Förderung erfolgt wäre. Diese war die Voraussetzung.
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Mit Sicherheit gehört es dazu, dass wir alles auf den Prüfstand stellen, was Abläufe in der Zulassung unnötig verlängert. Hierzu möchte ich ein Beispiel nennen, wie man es aus meiner Sicht richtig macht. Der Kollege Röspel und ich wurden vor einigen Jahren darauf hingewiesen, dass auf dem Gebiet der Testungen die Antragstellung bei der Zulassung besonderer Testschemata beim Bundesamt für Strahlenschutz mitunter bis zu zwei Jahre dauerte. Wir haben dazu einen parlamentarischen Antrag auf den Weg gebracht. Heute ist es so, dass das Amt, nachdem alle Unterlagen vorliegen, binnen sechs Wochen zu reagieren und eine entsprechende Erlaubnis zu erteilen oder diese abzulehnen hat. Das ist eine Beschleunigung, die ohne eine negative Beeinflussung der Patientensicherheit geht, und so muss es sein.
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Es tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen: Da fehlt mir ein bisschen die Substanz.
Wenn wir jetzt mal gucken, was an Substanz schon vorhanden ist, dann finden wir einiges. Flankiert vom Rahmenprogramm Gesundheitsforschung haben wir in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren eine ganze Menge getan, um die medizinische Forschung deutlich nach vorn zu bringen; konkret mit Blick auf Covid-19 sind zum Beispiel die 150 Millionen Euro für den Aufbau eines Forschungsnetzwerks zu erwähnen.
Warum erwähne ich das hier so explizit? Bei einer Viruserkrankung ist zunächst einmal der Impfstoff das zentrale Medikament; denn es gibt keine Wirkstoffe, die Viren ursächlich bekämpfen. Es gibt Wirkstoffe, die die Auswirkungen von Viren im Körper abschwächen, den Körper stärken, bestimmte Wirkungen aufheben; aber sie wirken nicht ursächlich. Ursächlich muss sich der Körper selber gegen das Virus durchsetzen, und dabei helfen wir ihm. Das ist anders als bei Bakterien, die durch Antibiotika bekämpft werden können. Insofern brauchen wir eine Menge Informationen über den Verlauf dieser Viruserkrankung. Diese sammelt zum Beispiel dieses Forschungsnetzwerk, um auf der Grundlage der Forschungsergebnisse entsprechende Medikamente zu entwickeln. Das wird getan. Hierfür haben wir zunächst Mittel in Höhe von 50 Millionen Euro, jetzt aufwachsend auf 300 Millionen Euro, zur Verfügung gestellt.
Noch viel wichtiger ist aber, dass die Voraussetzung geschaffen wird. Das geschieht im Rahmen des Rahmenprogramms Gesundheitsforschung, das wir kontinuierlich fortschreiben. Dieses Rahmenprogramm werden wir dahin gehend erweitern, dass wir körperliche und psychosoziale Folgen von Covid-19, Suchterkrankungen und andere Dinge, die sich daraus ergeben, erforschen. Wir werden die Medizininformatik-Initiative stärken und jetzt auch den Vorschlag unterbreiten, auf europäischer Ebene eine entsprechende Pandemiebewältigungsagentur zu etablieren. Das ist allemal sinnvoller und realistischer als die Art Superman oder – das muss man heute hinzufügen – –woman, die in der Lage sein sollen, an dieser Stelle etwas zu leisten. Ich würde keinem einzelnen Menschen, auch keinem Professor, zutrauen, einen Überblick über alles zu haben. Hier muss man sich letzten Endes wesentlich breiter aufstellen. Das ist seriös und klingt nicht ganz so kernig.
Insofern komme ich zum Ende, was die Kernigkeit anbelangt. Jonglieren wir nicht mit Science-Fiction, Warp und Lichtgeschwindigkeit, wovon wir keine Ahnung haben, sondern lassen wir Captain Kirk auf der Brücke der NCC-1701 Enterprise und machen weiterhin ordentliche Politik mittels Rahmenprogramm und konkreter Arbeit an den entsprechenden Gesetzen.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Zum Abschluss der Debatte gebe ich das Wort an René Röspel von der SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Danke, dass wir heute über dieses Thema reden können. Ich muss sagen, dass wir viele Punkte des Antrags der Grünen gut und richtig finden.
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Sie berufen sich, wenn ich das richtig verstanden habe, auf Quellen, die auch die Bundesregierung nutzt, wie Leopoldina und Deutscher Ethikrat. Deswegen bin ich froh, dass die Bundesregierung, das BMBF, über die Ergänzung des Rahmenprogramms Gesundheitsforschung schon viele Aspekte aufgegriffen hat, damit es in diesen Fragen deutlich weitergeht.
Ja, wir brauchen mehr Informationen über das Verbreitungsverhalten, wenn ich das so sagen darf, und die Immunitätssituation in der Bevölkerung. Das ist ein wichtiger Punkt. Er ist unverzichtbar für die Bekämpfung nicht nur dieser Pandemie, sondern auch künftiger Pandemien. Es ist richtig, dass hier mehr getan wird. Das BMBF bringt jetzt zusätzliche Studien auf den Weg. Es gibt zum Beispiel schon, so schwierig das in der Anfangsphase auch war, seit Juli 2020 die Studie MuSPAD von Professor Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, wo genau das untersucht wird. Aber das braucht seine Zeit. 60 000 Teilnehmer, zufällig ausgewählt aus der Bevölkerung, werden auf ihren Immunstatus untersucht – das heißt: Gibt es schon Antikörper? Welche Bevölkerungsgruppen sind angesteckt? –, um ein Abbild der Infektion und der pandemischen Ausbreitung in der Gesellschaft festzustellen. Es ist also schon einiges auf dem Weg. Aber wir müssen besser werden und auch für die Zukunft werben.
Ja, wir haben als Koalition mit 750 Millionen Euro viel Geld für die erfolgreiche Impfstoffentwicklung ausgegeben. Wir haben mit 350 Millionen Euro die internationale Impfstoffinitiative CEPI unterstützt. Und ich sage ausdrücklich: In unserer Verantwortung als großes, starkes, reiches Industrieland müssen wir noch mehr tun, weil die Pandemie nur weltweit bekämpft werden kann. Wir haben dem Netzwerk Universitätsmedizin richtigerweise 390 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, weil es ganz wichtig ist, dass die Kliniker/-innen untereinander vernetzt sind, Erfahrungen in der Bekämpfung der Pandemie austauschen können.
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Wir haben 50 Millionen Euro für die Erforschung von Wirkstoffen zur Verfügung gestellt, weil auch das richtig ist. Die Grünen beschreiben es, aber die Bundesregierung bringt es schon auf den Weg. Wir brauchen mehr Initiativen für Wirkstoffe. Wir als SPD – nach der Wahl suchen wir vielleicht den nächsten Koalitionspartner – halten eine deutsche Therapieinitiative für notwendig, um mit deutlich mehr Geld all die Wirkstoffe, die in Deutschland in den Instituten, im Forschungsraum schon in der Pipeline sind, in die Phase III der klinischen Prüfung überführen zu können.
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Ich finde, dass das nicht nur heute wichtig ist, sondern auch in die Zukunft gerichtet ist.
Und ja, es ist richtig – auch das beschreiben die Grünen, aber die Bundesregierung bringt es schon auf den Weg –, eine Ausschreibung zur Resilienz in der Gesellschaft in Bezug auf die gesundheitlichen Langzeitauswirkungen von Covid nicht nur für das Individuum, sondern auch für die Gesellschaft, die Psyche und Ähnliches anzugehen, um dies besser zu erforschen. Insofern haben wir vieles, was die Grünen aus den Beratungsgremien, die die Bundesregierung auch nutzt, in ihren Vorschlägen aufgenommen haben, auf den Weg gebracht. Unbestritten dessen müssen wir besser werden und in dieser Frage mehr investieren.
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30 Sekunden darf ich noch auf den FDP-Antrag verwenden. Ich will ausdrücklich sagen: Danke Stephan, ich habe das jetzt mit der Raumzeitkrümmung und der Warp-Geschwindigkeit endlich verstanden. Das kann allerdings nicht die Geschwindigkeit sein, die die FDP an den Tag legt; denn vor einem Monat war schon Warp Speed angekündigt, der Antrag kam gestern Abend. Und von dem Ergebnis war ich relativ enttäuscht, als ich reinschaute. Es kann nicht Warp Speed gewesen sein. Wenn das Warp Speed gewesen ist, wäre das Raumschiff Enterprise sicherlich nicht aus seinem Heimathafen herausgekommen, um fremde Galaxien zu erkunden.
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Der einzig wichtige Satz der FDP ist tatsächlich der letzte, und den darf ich noch erwähnen. Sie schreiben, dass der Forschungsstandort Deutschland auch über die Covid-Pandemie hinaus im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel gefördert werden muss. Das kann nicht an uns gerichtet sein. Wir machen das. Aber wenn ich hier die Reden der FDP höre, heißt es da: Steuersenkung, Soli abschaffen – 11 Milliarden Euro –, keine neuen Schulden. Daraus muss ich schließen, dass die Haushaltsmittel, wenn die FDP die Regierung übernähme, sinken würden. Dann mache ich mir große Sorgen um den Forschungsstandort Deutschland. Wir als SPD werden das jedenfalls verhindern.
Vielen Dank.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal einen herzlichen Dank an die Präsidentin für das Vortragen des Gesetzestextes; das spart Redezeit.
Wir haben hier einen sehr wichtigen Gesetzentwurf vorliegen. Das Thema Geldwäsche hat für uns in Deutschland hohe Priorität, weil es auch um die Reputation unseres Wirtschaftsstandortes geht. Deutschland hat als einer von wenigen Mitgliedstaaten fristgerecht im Jahr 2017 das auf EU-Ebene vereinbarte Transparenzregister eingeführt. 2019 haben wir mit der Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie auch den Zugriff für die Öffentlichkeit ermöglicht.
Bei diesem Gesetzgebungsverfahren geht es darum, das Transparenzregister zu einem Vollregister auszubauen. Wir müssen sicherstellen, dass alle Vereinigungen eingetragen und ihre Daten auch digital abrufbar sind; denn damit schaffen wir die Grundlage für eine Vernetzung aller Transparenzregister in Europa und durch den grenzüberschreitenden Austausch auch die Voraussetzung für eine effektive europäische Geldwäschebekämpfung.
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Die Änderungen zum Transparenzregister sind daher auch der wichtigste Gegenstand des Gesetzentwurfs.
Ja, sie betreffen alle in Deutschland agierenden juristischen Personen wie GmbHs, Aktiengesellschaften, Stiftungen, aber auch Vereine. Durch Eintragung im Register erhält jeder, der mit einer juristischen Person einen Vertrag abschließt, Informationen über seinen Vertragspartner. Warum ist das so wichtig? Den wirtschaftlich Berechtigten zu kennen, ist eine entscheidende Grundlage, um das Risiko für illegale Geschäfte zu bewerten. Das gilt insbesondere bei verschachtelten Unternehmenskonstruktionen. Die Paradise GmbH & Co. KG könnte beispielsweise ein gutes, alteingesessenes und anerkanntes Reiseunternehmen sein; sie könnte aber auch ein über Offshore-Jurisdiktion kontrolliertes Vehikel für Investitionen von Oligarchen sein. Es ist wichtig, zu wissen, wer dahintersteckt, damit auch die wirtschaftlich Berechtigten wissen, mit wem sie es zu tun haben und entsprechend reagieren können. Wenn wir hier die Unternehmen nicht selber in die Pflicht nehmen, bürden wir all das den wirtschaftlich Berechtigten auf. Die sind damit überfordert, die können das teilweise gar nicht nachhalten. Dafür brauchen wir das Transparenzregister.
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Deswegen führt dieses Gesetz nicht nur zu Belastungen an einer Stelle, sondern entlastet an anderer Stelle, nämlich eben die wirtschaftlich Berechtigten.
Einen Satz möchte ich gerne zu den Vereinen sagen – wir alle kriegen dazu viele Zuschriften; es gibt hier Unsicherheiten –: Ja, es ist klar. Vereine müssen ins Transparenzregister aufgenommen werden; das ist europarechtlich zwingend so vorgegeben. Denn leider ist auch diese Rechtsform nicht davor gefeit, gekapert zu werden, um es mal so auszudrücken. Ich möchte es ganz ausdrücklich betonen: Wir alle schätzen die Arbeit der vielen und oft kleinen Sport- und Musikvereine und wissen, dass die nichts mit illegalen Finanzströmen zu tun haben. Deswegen werden wir sicherlich gemeinsam mit den Abgeordneten ein Augenmerk darauf haben, hier für Erleichterungen zu sorgen.
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Einen Satz möchte ich noch gerne zum risikobasierten Ansatz sagen; auch das steht in diesem Gesetzentwurf. Wir verankern diesen Ansatz gesetzlich ganz klar. Das ist in der Tat wichtig, weil wir sicherstellen müssen, dass die Kapazitäten, die wir bei der Geldwäschebekämpfung haben, auch wirklich effektiv genutzt werden. Wir haben es am Beispiel der Vereine gesehen. Man muss schauen, wo Risiken liegen und wo weniger. Das heißt nicht, dass man Leute aus der Verantwortung entlässt. Aber es muss darum gehen, hier genau hinzuschauen.
Ein Beispiel sind Immobiliengeschäfte. Wir wissen, dass es dort ein hohes Geldwäscherisiko gibt. Es ist klar, dass, wenn Wohnblöcke zwischen bestimmten Zweckgesellschaften übertragen werden, das Risiko der Geldwäsche natürlich deutlich höher ist, als wenn eine junge Familie ihr Reihenhaus über einen Bausparvertrag finanziert. Das wird hier noch einmal gestärkt – und damit leisten wir auch weiterhin einen Beitrag zu effektiver Geldwäschebekämpfung –, indem wir die Ressourcen, die wir hier haben, vernünftig und zielgerichtet einsetzen. Ich glaube, dass das eine wichtige Grundlage ist, um auch die Reputation unseres Wirtschaftsstandorts weiter zu stärken.
In diesem Sinne freue ich mich auf eine gute Fortsetzung der Beratungen und danke für die Aufmerksamkeit.
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Danke sehr. – Das Wort hat Kay Gottschalk von der AfD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bürger! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute, wie gesagt, das Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz, das die europäische Vernetzung der Transparenzregister vorantreiben und am Ende die europäische Richtlinie 2019/1153 umsetzen soll.
Seit 2017 haben wir in Deutschland bereits ein solches Transparenzregister. Dieses fußte ebenfalls auf einer Richtlinie der EU aus dem Mai 2015. In diesem Transparenzregister müssen Firmen die Namen ihrer Eigentümer eintragen lassen, wenn diese mehr als ein Viertel Anteile an der Firma besitzen und wenn die Namen der wirtschaftlich Berechtigten nicht bereits irgendwo anders veröffentlicht wurden wie beispielsweise im Handelsregister. Hintergrund der damaligen Einführung war der Wunsch, dass das Register mehr Durchblick bringen sollte, um verborgene Finanzströme zu erschweren und Geldwäsche zu bekämpfen. Da sage ich aber: Fangen wir doch mal im eigenen Lande an, und zwar mit der Bezirksregierung Niederbayern und einigen anderen Dingen, die uns im Zusammenhang mit Wirecard aufgefallen sind. Sie bürden den mittelständischen Unternehmen immer viele Pflichten auf. Fangen Sie doch damit an, dass der Staat gewährleisten kann, dass Geldwäsche bekämpft wird. Wenn die ganze Abteilung Niederbayern von Februar bis Mai im Coronaeinsatz ist, ist das vielleicht löblich. Aber wenn die Geldwäsche dann für diese Zeit im Großraum München ruht, ist das ein Armutszeugnis. Machen Sie also keine Gesetze, die am Ende nicht kontrolliert und eingehalten werden können.
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Dieses sogenannte Auffangregister soll nun durch den vorliegenden Gesetzentwurf zu einem Vollregister ausgeweitet werden. Schön und gut. Bei der Eingabe des Begriffs „Transparenzregister“ in Google – ich habe mir mal den Spaß gemacht, Frau Ryglewski – öffnet sich eine Seite vom Bundesverwaltungsamt. Folgt man dem Link für Fragen und Antworten, erhält man immerhin eine 39-seitige Anleitung mit Tipps und Hilfen. Die Bürokratie lässt gerade mittelständische Unternehmen und Vereine – Sie haben sie genannt – mal wieder grüßen. Ich hoffe, Sie achten darauf und gehen auch auf die Ratschläge der Opposition ein, damit nicht am Ende der Satz rauskommt: Es grüßt die DSGVO mit all ihren Unwirklichkeiten und Unmöglichkeiten. – Denn die ist auch deutlich übers Ziel hinausgeschossen.
Meine Damen und Herren, das ist natürlich eine Abkehr vom aktuellen Modell. In diesem Zusammenhang hat zum Beispiel der Verband der Auslandsbanken kritisiert – und der Kreis derer, die es kritisieren, ist in der Spannweite groß –, dass der Referentenentwurf zum vorliegenden Gesetzentwurf – auch das ist natürlich toll – erst am 23. Dezember 2020 verschickt wurde, also kurz vor Weihnachten und dem Jahreswechsel, die Rückmeldefrist durch das BMF aber auf den 18. Januar 2021 datiert wurde. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:
Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert gewesen,
– in der Tat –
wenn diese umfassenden Neuregelungen nicht in einem sehr kurz bemessenen Zeitraum zur Kommentierung freigegeben worden wären, der zudem auch noch eine Vielzahl von gesetzlichen Feiertagen umfasst.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Einen solchen Eilbedarf, wie hier von der Bundesregierung kundgetan, sieht der Verband der Auslandsbanken nämlich nicht. Hier werden wir natürlich in der Beratung weiter kritisch hinterfragen.
Nun komme ich zu dem, was ich eben gesagt habe: Für kleine und mittelständische Betriebe bedeutet dieses Vorgehen wieder einmal erheblichen Bürokratieaufwand. Die erforderlichen Informationen sind doch schon an anderer Stelle, wie im Bundesanzeiger, bekannt gegeben worden. Warum erleichtern Sie also nicht gerade diesen Unternehmen und vielleicht auch den Vereinen, was das Vereinsregister angeht, das Leben, indem Sie eine Schnittstelle schaffen – das wäre doch mal Digitalisierung 4.0 –, um diese Daten zusammenzuführen?
Noch mehr Unmut hört man von den Vereinen. Ich zitiere aus dem „Tagesspiegel“. Der schrieb am 11. April 2021 unter der Überschrift „Vereine fühlen sich kriminalisiert“:
Der Ärger von Vereinen über das bundesweite Transparenzregister hat sich zu einem regelrechten Sturm der Empörung entwickelt.
Mit dem Gesetz wird für die Vereine, die Sie eben so gelobt haben, Frau Ryglewski, nämlich noch ein Vollregister geschaffen. Das bedeutet auch hier doppelte Arbeit für Menschen mit guten Absichten.
Meine Damen und Herren, wir werden diese Diskussion und auch diesen Gesetzentwurf kritisch begleiten. Nochmals: Er darf nicht so enden wie die DSGVO dieser Regierung; denn die war ein Armutszeugnis und eine Belastung für den Standort Deutschland.
Vielen Dank.
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Danke. – Das Wort geht an Sepp Müller von der CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim vorliegenden Gesetzentwurf geht es um die Bekämpfung von Geldwäsche. Wie die funktioniert, möchte ich Ihnen anhand von vier Punkten erklären: erstens international, zweitens anhand der Europäischen Union, drittens anhand unserer Bundesrepublik und viertens anhand des Verhältnisses von Bund und Ländern.
International ist vor allem die Geldwäsche. Schauen wir uns den Opiumanbau in Afghanistan an. Die dort eingenommenen Gelder werden über unterschiedlichste Konstruktionen hier in Deutschland angelegt, unter anderem in Berlin in Mehrfamilienhäusern. Die daraus eingenommenen Mieteinnahmen werden genutzt, um wiederum al-Qaida-Kämpfer international auszubilden. Das ist Geldwäsche. Das ist hochkriminell. Das ist Terrorismusfinanzierung. Wir haben als Große Koalition gesagt: Wir wollen dies bekämpfen. – Das ist auch der richtige Weg, den wir mit dem Gesetz beschreiten.
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Die Europäische Union kennt das Problem. Sie war etwas langsam; jetzt nimmt sie aber richtig Fahrt auf. Deswegen ist es auch richtig, dass wir in der Europäischen Union Richtlinien haben, um hier zusammenzuarbeiten. 2017 – die Staatssekretärin hat es bereits ausgeführt – haben wir das Transparenzregister aufgrund einer Änderungsrichtlinie eingeführt. Mit der Umsetzung dieser Richtlinie werden wir diese Register nun innerhalb der Europäischen Union vernetzen. Warum ist das so wichtig? Ich habe versucht, das zu erklären. Geldwäsche macht nicht an Landesgrenzen halt. Wir müssen in der Geldwäschebekämpfung mit der Europäischen Union und den anderen Mitgliedstaaten eng zusammenarbeiten.
Schauen wir uns die Situation in Deutschland an. Wie läuft es hier? Deutschland geht grundsätzlich vorneweg. Wir haben viele Punkte bereits umgesetzt. Wir waren die Ersten innerhalb der Europäischen Union, die die Richtlinie umgesetzt und ein Transparenzregister eingeführt haben.
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Ich freue mich, dass die ersten Verfahren gegen Mitgliedsländer dazu geführt haben, dass auch diese die Richtlinie umgesetzt und ein Transparenzregister eingeführt haben; denn dadurch wissen wir beispielsweise, wer hinter den Konstrukten steht, die dazu dienen, Geld aus dem Opiumanbau in Berlin anzulegen. Das ist wichtig; das muss hier stehen.
Aber wir müssen bei der Umsetzung von Richtlinien auch aufpassen, nicht über das Machbare hinauszuschießen. Wir nehmen als Unionsfraktion sehr wohl wahr, dass der vorliegende Entwurf der Bundesregierung juristische Personen, Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch und vor allem Vereine, in unseren Augen unverhältnismäßig belasten wird. Das schauen wir uns im Gesetzgebungsprozess ganz genau an. Ich appelliere an uns alle, Ideen zu entwickeln, wie wir die Richtlinie gesetzeskonform umsetzen können. Wir können nicht einerseits sagen: „Wir wollen das Ehrenamt unterstützen“, und auf der anderen Seite Vereine mit der Eintragungspflicht im Transparenzregister belasten.
Wir haben bereits bei der Umsetzung 2019 die Möglichkeit eingeführt, sich auf Antrag von der Gebührenpflicht befreien zu lassen. Davon haben mittlerweile 50 000 der 400 000 Vereine Gebrauch gemacht. Also ein Achtel hat das mitbekommen, sieben Achtel bedauerlicherweise nicht. Da müssen wir uns selbstkritisch fragen, warum es uns nicht gelungen ist, die Information über die Möglichkeit der Gebührenbefreiung an die Vereine weiterzugeben. Ich kann für uns als Unionsfraktion sagen: Uns ist es wichtig, das Ehrenamt zu unterstützen. Wir werfen das nicht nur als Worthülse in den Raum, sondern wollen das auch tatsächlich umsetzen.
Damit komme ich zum Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Frau Staatssekretärin hat es angesprochen: Wir werden das Transparenzregister jetzt in ein Vollregister umgestalten. Da gibt es mehrere Umsetzungsmöglichkeiten, angefangen bei Schnittstellen, damit beispielsweise das Transparenzregister automatisch mit den Daten aus dem Vereinsregister befüllt wird. Da gibt es – das ist beim Thema Geldwäsche immer so – leichtes Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern. Das müssen wir gemeinsam, also alle politischen Interessenvertreter, im Sinne unserer Vereine beilegen. Es kann nicht sein, dass an einigen Peanuts im Bund-Länder-Finanzausgleich das Vorhaben scheitert, die Daten aus dem Vereinsregister automatisch in das Transparenzregister zu füllen.
Ich sage für uns als CDU/CSU-Fraktion: Wir werden das Gesetzesvorhaben natürlich eng begleiten und umsetzen, und wir wollen uns für die Gebührenbefreiung unserer Vereine einsetzen.
Danke.
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Danke sehr. – Das Wort geht an Dr. Florian Toncar von der FDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um den Kampf gegen Geldwäsche. Der Begriff „Wäsche“ ist ja nicht negativ besetzt, aber hier geht es um Erträge aus schwerster Kriminalität, aus organisierter Kriminalität, die wir abschöpfen wollen. Geldwäschebekämpfung ist die Bekämpfung von Schwerkriminalität.
Das Transparenzregister ist ein richtiges Instrument. Das ist ein Register, in dem man sehr unkompliziert nachschauen kann, wer hinter einem Unternehmen steckt, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist. Das müssen beispielsweise Banken prüfen, aber diese Prüfung muss auch Behörden, die Geldwäsche aufklären wollen, möglich sein. Insofern ist das Instrument des Transparenzregisters eines, das die Freien Demokraten unterstützen, das natürlich auch unsere Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament mitgetragen haben.
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Es ist eine beträchtliche Vereinfachung bei der Geldwäschebekämpfung.
Aber wir müssen über einige Dinge reden. Die Bundesregierung hat sich vor gerade einmal eineinhalb Jahren ganz bewusst für ein Auffangregister entschieden und gegen ein Vollregister, das jetzt plötzlich eingeführt werden soll; denn das Vollregister, das Sie jetzt vorschlagen, bedeutet in Wahrheit für alle Unternehmen und auch für die Vereine eine doppelte Registerpflicht. Das Vereinsregister und das Transparenzregister müssen von den Vereinen befüllt werden, das Handelsregister und das Transparenzregister müssen von Handelsunternehmen befüllt werden, und das mit nahezu identischen Informationen. Das ist reine Doppelarbeit, die Sie beim Privatsektor, bei Unternehmen genauso wie bei den Ehrenamtlichen, bei den Vereinen, abladen. Ich kann Ihnen eines sagen: Jeder Vereinsvorstand wird Ihnen bestätigen, dass schon das Arbeiten mit dem Vereinsregister eine enorme und, ehrlich gesagt, auch abschreckende Belastung darstellt. Und diese Belastung wollen Sie jetzt doppeln, indem ein anderes Register mit nahezu denselben Informationen befüllt werden muss. Und Sie drohen den Verantwortlichen auch noch mit Bußgeldern, wenn sie nicht rechtzeitig und nicht vollständig auch an das Transparenzregister gemeldet haben, wenn sie daran nicht gedacht haben. Das ist unverhältnismäßig, und das wird bei den Vereinen, aber auch im Mittelstand zu ganz erheblicher Verunsicherung und zu berechtigtem Ärger führen. Ich glaube, da müssen wir andere Lösungen finden.
({1})
Es muss eine digitale Lösung gefunden werden. Wir müssen doch schauen, wie wir die Register über digitale Lösungen zusammenführen können. Wir müssen die Datensätze vergleichbar machen. Wer im Transparenzregister sucht, der wird dann automatisch ins Handelsregister oder eben ins Vereinsregister geführt und findet die Informationen dort. Wichtig ist, dass die Verpflichteten nur einmal die Informationen liefern müssen. Das halte ich für elementar. Digitalisierung ist die Lösung.
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Dass die Privatwirtschaft und die Vereine jetzt wieder den Kopf hinhalten müssen, weil Sie es nicht hinkriegen, Digitalprojekte umzusetzen, das ist wirklich traurig. So können wir auch und gerade angesichts der Krise, in der wir uns befinden, mit den Menschen in den Unternehmen und den Vereinen nicht umgehen.
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Ein letzter Punkt, mit Erlaubnis der Präsidentin. Wir müssen auch über den Datenschutz noch mal reden. In dem Register sind höchst private Informationen, Geburtsdaten, aber auch Wohnadressen. Der Zugriff ist relativ leicht, er ist nicht auf Behörden beschränkt. Da können auch ganz andere nachforschen. Ich finde, auch die Menschen, die in Vereinen und Unternehmen Verantwortung tragen, haben ein Recht auf Datenschutz.
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Der ist aktuell nicht gewährleistet. Das müssen wir angehen und sagen: Zugriff zur Geldwäschebekämpfung ja, das ist Behördensache, aber kein Zugriff für die gesamte Öffentlichkeit.
Vielen herzlichen Dank.
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Danke sehr. – Das Wort geht an Fabio De Masi von der Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor fünf Jahren enthüllten Journalisten mit dem größten Datenleak der Geschichte, den Panama Papers, die kriminellen Geschäfte von Reichen, Mächtigen und, ja, auch von Terroristen. Transparenz scheuen diese Kriminellen; denn wer etwa Waffenhandel, Drogenhandel, Menschenhandel betreibt oder Steuern hinterzieht, der will dieses Geld natürlich irgendwann benutzen und in den legalen Wirtschaftskreislauf pumpen und der wird seine kriminellen Erträge auch nicht versteuern. Wir brauchen daher brutale Transparenz.
Meine eigene politische Laufbahn begann im Europäischen Parlament mit der Aufklärung dieses Skandals, und jetzt sitzen wir wieder zusammen beim Wirecard-Skandal, der eben auch ein Geldwäscheskandal ist, weil man Geld rund um den Globus durch dieses Unternehmen geschickt hat, um Gewinne, um Umsätze vorzutäuschen, die nicht da waren. Auch bei Maskendeals von Abgeordneten helfen übrigens Transparenzbestimmungen; denn es ist ja denkbar, dass Abgeordnete bestimmte Provisionen auf eine Firma buchen, bei der nicht klar ist, wer wirtschaftlich Berechtigter ist. Deswegen ist es erfreulich, dass wir Verbesserungen beim Transparenzregister bekommen.
Aus unserer Sicht – das ist nicht hier zu regeln – ist die Schwelle für die Eintragung von 25 Prozent immer noch zu hoch; denn dann reichen fünf Brüder oder so, um diese Schwellenwerte zu umgehen.
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Es gibt jetzt den Ausbau zum Vollregister. Es reicht also nicht, im Handelsregister eine Eintragung vorzunehmen. Das begrüßen wir.
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Wir glauben auch, dass wir eine Lösung für Vereine, für NGOs und andere finden müssen, die relativ unbürokratisch ist.
Was wir bemängeln, ist Folgendes: Dieses Register sollte nicht nur öffentlich sein, sondern auch kostenlos einsehbar. Das ist in Großbritannien der Fall; das hat die Qualität der Eintragungen erheblich verbessert.
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Wir glauben auch, dass es überfällig ist, dass dieses Transparenzregister maschinell lesbar ist. Es ist ein enormer Aufwand. Man muss einzelne PDF-Dateien anklicken und die sich zusammenbasteln. Das kann im 21. Jahrhundert nicht State of the Art sein, wenn wir die Eigentümer von Firmen ermitteln wollen.
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Es ist positiv, dass auch das Bundesverwaltungsamt mehr Personal bekommen soll, um die Eintragungen in diesem Register zu überprüfen. Aber auch hier gilt: Wir bräuchten eine stärkere elektronische Verknüpfung der einzelnen Register auf europäischer Ebene, damit das keine Sisyphusarbeit wird. Hier bleibt noch viel zu tun, ebenso bei dem Zugriff der Finanzkontrolle Schwarzarbeit auf dieses Register, damit wir das ordentlich bekämpfen können.
Ein letzter Hinweis an die AfD, weil Sie das hier mit viel Emphase vorgetragen haben. Ich erinnere mich sehr gut an die Debatte zu Beginn dieser Legislaturperiode um die Paradise Papers, als ich hier eine meiner ersten Reden im Bundestag gehalten habe. Es war, glaube ich, der Kollege Keuter, der ausgeführt hat, Geldwäsche sei die Notwehr des kleinen Mannes. Vielleicht denken Sie heute noch einmal darüber nach.
Vielen Dank.
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Danke sehr. – Das Wort geht an Lisa Paus von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Transparenzregister wurde 2017 europaweit eingeführt, um im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung mehr Transparenz darüber zu bekommen, welche natürlichen Personen hinter komplizierten Unternehmenskonstruktionen stecken, wer also die wahren Hintermänner sind.
Heute legen Sie von der Koalition ein Gesetz zur Novellierung des existierenden Transparenzregisters vor. Union und SPD schicken hiermit ein weiteres Mal von Deutschland die Botschaft aus: „… Ihr internationalen Geldwäscher, die ihr euch Sorgen macht, dass ihr jetzt wirklich durch das deutsche Transparenzregister identifiziert werden könntet, macht euch keine Sorgen!
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Ja, wir ändern was. Ja, das klingt auch gut; damit beruhigen wir auch die Öffentlichkeit und auch die internationale Geldwäschekontrollbehörde FATF. Aber das Gesetz, das heute eingebracht wird, tritt erst zum 1. April – wie passend! – 2023, also erst in zwei Jahren, vollständig in Kraft. Zwinker-Smiley …“
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Dabei wäre die Verbesserung des Transparenzregisters jetzt schon dringend notwendig; denn das deutsche Register ist derzeit, wie wir alle wissen, eine Datenmüllhalde. Verantwortlich genau dafür ist allein diese Bundesregierung. Andere Länder, zum Beispiel Dänemark, haben gezeigt, wie man es machen könnte.
Richtig ist: Geldwäsche findet häufig über Landesgrenzen hinweg statt. Auch die Strafverfolgung muss besser europaweit funktionieren. Aber der Vorschlag der Bundesregierung zur nationalen Novelle des Transparenzregisters wird die Strafverfolgung in der Praxis nicht nennenswert verbessern; denn er hat nicht nur zu lange Übergangsfristen, nein, er behebt auch dann immer noch nicht die altbekannten Meldelücken und Umgehungsmöglichkeiten des deutschen Transparenzregisters. Dabei ist entscheidend: Wer ist denn eigentlich natürliche Person? Wer ist wirtschaftlich Berechtigter, der gemeldet werden muss, der Hintermann, die Hinterfrau, die wir da sehen wollen? Und da ist es eben so, dass es weiterhin möglich ist, statt des wahren wirtschaftlich Berechtigten einen fiktiven wirtschaftlich Berechtigten anzugeben. Da sagen wir: Damit sollte endlich Schluss sein, meine Damen und Herren!
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Wenn Sie sagen: „Das geht nicht so schnell, das ist zu schwierig“, dann brauchen wir zumindest eine klare Kennzeichnung, dass die fiktiven wirtschaftlich Berechtigten eben fiktive sind und nicht wirkliche, wahre wirtschaftlich Berechtigte. Auch das schaffen Sie nach wie vor nicht mit dem Transparenzregister. Führen Sie zumindest das endlich in Deutschland ein, meine Damen und Herren!
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Sinnvoll wäre auch, dass, wenn die Unternehmen nach dem wahren wirtschaftlich Berechtigten suchen und sagen: „Wir können ihn nicht finden“, das auch dokumentiert wird. Auch das ist derzeit nicht der Fall. Das wäre aber eine große Hilfe beim Aufspüren von Geldwäschedelikten.
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Eine zweite Lücke ist die 25-Prozent-Schwelle; Herr De Masi hat bereits darauf hingewiesen. Herr De Masi, das kann man auch national ändern. Wir könnten in Deutschland die 10-Prozent-Schwelle einführen. Im Aktienrecht kennen wir ähnliche Regelungen. Wir verstehen nicht, warum nicht auch im Transparenzregister eingeführt werden kann, dass wirtschaftlich Berechtigter ist, wer bereits Anteile von 10 Prozent an einer Gesellschaft hält.
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Auch muss natürlich das Bundesverwaltungsamt mit den nötigen personalen Ressourcen ausgestattet werden, um Verstöße zu verfolgen. Wir finden, der Vorschlag des Bundesrates, über eine behördliche Validierung analog zum Handelsregister nachzudenken, ist überlegenswert. Was tun Sie stattdessen? Aktuell behelligen Sie kleine Vereine und gemeinnützige Organisationen mit Gebührenbescheiden, obwohl wir uns hier im Bundestag eigentlich auf Ausnahmen verständigt haben. Jetzt stellt sich aber heraus, dass man ohne Gemeinnützigkeitsregister gar nicht weiß, welche Organisation befreit werden soll und welche nicht. Also bekommen alle ein Schreiben. Das ist das Gegenteil von Bürokratieabbau und Entlastung des Ehrenamtes, wie Sie es versprochen haben. Auch hier sehen wir dringenden Änderungsbedarf.
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Und das Transparenzregister muss endlich gebührenfrei werden! Deswegen muss die Beleihung des Transparenzregisters an den Bundesanzeiger Verlag bzw. DuMont endlich beendet und der gebührenfreie Zugang allen ermöglicht werden, meine Damen und Herren.
So weit unsere Änderungswünsche. Wir haben ja noch Zeit im Gesetzgebungsverfahren; vielleicht schaffen wir das ja.
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Das Wort geht an Sebastian Brehm von der CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2016 kam eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu dem Ergebnis, dass das Volumen von Geldwäsche in Deutschland zwischen 50 Milliarden und 100 Milliarden Euro pro Jahr beträgt.
Die Zahl der Verdachtsmeldungen nahm in den letzten Jahren deutlich zu, natürlich auch durch die Anstrengungen, die wir hier unternommen haben. Im Jahr 2019 waren es nach dem Bericht der FIU 115 000 Meldungen. Die Meldungen kamen aus dem Finanzsektor – Banken und Finanzdienstleister –, aber auch zunehmend aus dem Nichtfinanzsektor, also Notare, Immobilienmakler, Rechtsanwälte, Glücksspielstätten und andere.
Nur mal als Beispiel: Wenn man die 100 Milliarden Euro pro Jahr annehmen würde, dann könnten wir in nur einer Legislaturperiode die ganzen Kosten für die Pandemie in einem Rutsch bezahlen. Diese Rechnung ist natürlich nicht ganz richtig – das ist klar –; sie ist sehr grob geschnitzt. Aber daran sieht man, wie wichtig und wie groß dieses Thema, Geldwäsche zu bekämpfen, ist und dass wir mit aller Entschlossenheit und mit aller Notwendigkeit alle Maßnahmen ergreifen müssen, Geldwäsche in Deutschland, in Europa und weltweit zu verhindern.
Einen wichtigen Schritt machen wir heute: Wir setzen heute mit dem Gesetz eine europäische Richtlinie um, und wir vernetzen die Transparenzregister. Ich glaube, Transparenz – der Kollege De Masi hat es gesagt –, Transparenz ist das Wichtigste, damit man diejenigen findet, die man finden will. Und Grundlage zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist ebendiese Transparenz. In Europa macht Geldwäsche ja auch nicht an der Grenze halt; gerade ein offener Binnenmarkt lädt dazu ein. Deswegen ist es wichtig, dass wir europäisch vernetzen, dass wir die Datensätze vereinheitlichen – also nicht PDF und andere Formate – und dass wir den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden genehmigen.
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Und da ist wichtig: Wer ist der wirtschaftlich Berechtigte, also wer hat die Kontrolle über die Organisation, wer kann Entscheidungen herbeiführen? Der muss letztlich im Transparenzregister – bei verschachtelten Konstruktionen ist das komplizierter – dargestellt sein.
Mit der Einführung des Transparenzregisters 2017 haben wir das noch nicht als Vollregister gemacht. Das heißt, man hatte keine Verpflichtungen mehr, einzureichen, wenn in einem anderen Register die entsprechenden Angaben waren, zum Beispiel im Handelsregister. Deswegen ist es eigentlich falsch, wenn Sie sagen, man könnte das doch einfach so übernehmen. Denn im Handelsregister zum Beispiel fehlen Gesellschafterlisten.
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Im Handelsregister zum Beispiel sind treuhänderisch gehaltene Anteile nicht ausgewiesen. Also, im Handelsregister sind Themen drin, die man jetzt nicht einfach eins zu eins übernehmen kann.
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Deswegen ist es besser, man verpflichtet jetzt mit – einmalig natürlich – Mehraufwand, man gibt das ein.
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– Hören Sie mir zu! – Das schafft ein bisschen Rechtsklarheit. Denn wenn man das jetzt übernehmen würde, dann müsste ja die Behörde auch noch einen Korrekturabzug an die jeweilige Firma schicken, und die Firma müsste dann noch mal die Korrektur bestätigen; ansonsten wäre es überhaupt nicht möglich. Um diese ganze Bürokratie zu vermeiden, ist es doch sinnvoller, man bittet die Unternehmerinnen und Unternehmer, einmalig die Zahlen oder die Daten zu veröffentlichen.
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Und so viele Daten sind es bei Gott nicht bei normalen Firmenkonstruktionen.
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Also, ich glaube, das ist zumutbar, und deswegen kann man das auch so durchsetzen.
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Wir wollen natürlich, dass es ein Vollregister wird, dass man den wirtschaftlich Berechtigten auch herausfinden kann. Übrigens kommt es zu Bürokratieabbau,
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wie Sie wissen, bloß aus wahlkampftaktischen Gründen oder anderen Gründen jetzt nicht erwähnt haben. Denn normalerweise müssen sich die nach dem Geldwäschegesetz Verpflichteten, zum Beispiel Steuerberater, Rechtsanwälte oder Banken, oft durchwuseln
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und Analysen machen, um zu sehen: Wer ist denn der wirtschaftlich Berechtigte? Künftig kann man auf das Register zugreifen. Dann kann man sich die Daten einmalig herausholen. Das ist dann auch ein Bürokratieabbau genau für diejenigen, die damit bisher viel Bürokratie verbunden haben. Also insofern eine richtige Entscheidung.
Jetzt komme ich zum letzten Punkt, zu den Vereinen. Natürlich ist es ärgerlich gewesen, dass die Gebührenbefreiung erst ab dem Jahr 2018 möglich war und dass das nicht in der Weise gelaufen und kommuniziert worden ist, wie wir uns das gewünscht hätten.
Wir werden natürlich den Vereinen helfen, weil die ehrenamtlichen Organisationen hier keine große Belastung haben sollen. Deswegen ist es richtig, dass man auf Grundlage des Vereinsregisters erst mal davon ausgeht: Der Vorstand eines Vereins ist grundsätzlich der wirtschaftlich Berechtigte, es sei denn, der Verein meldet etwas anderes an. Das, glaube ich, ist eine gute Maßgabe für die Vereine. Deswegen unterstützen wir das.
Es gibt noch einige Fragen, die wir im parlamentarischen Verfahren diskutieren, aber ich bedanke mich ausdrücklich bei den Berichterstattern – bei uns Sepp Müller – für die sehr, sehr gute Diskussion. Jetzt gehen wir ins parlamentarische Verfahren und setzen das um. Geldwäsche darf in Deutschland keine Chance haben. Wir machen heute einen wichtigen Schritt.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Und zum Abschluss der Debatte gebe ich das Wort Herrn Dr. Jens Zimmermann von der SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz hat einen wirklich sperrigen Titel, aber umso wichtiger ist das Thema. Denn mit diesem Gesetz macht das Finanzministerium unter Olaf Scholz einen weiteren Schritt beim Thema Geldwäschebekämpfung. Es ist auch kein Zufall – das ist in dieser Debatte schon mehrfach angeklungen –, dass wir in dieser Legislaturperiode hier im Parlament zum wiederholten Mal im Kampf gegen Geldwäsche gesetzgeberisch aktiv werden.
Wir schaffen heute die Basis für eine konsequente europäische Vernetzung, damit ein besseres gemeinsames europäisches Vorgehen gegen Geldwäsche geschaffen werden kann. Dieses Transparenzregister – das ist schon gesagt worden – wird zu einem Vollregister, und die Eigentümerstrukturen werden dadurch transparenter und grenzüberschreitender nachvollziehbar. Das ist ein gutes Gesetz und ein wichtiger Schritt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Aber ich muss an dieser Stelle auch sagen: Es besteht ein hoher Nachholbedarf. In den Jahren unter Finanzminister Wolfgang Schäuble haben wir ganz klare Hinweise von internationalen Organisationen bekommen, dass Deutschland im Kampf gegen Geldwäsche hinterherhinkt und dass dies verbessert werden muss. Bis 2017 ist nur ein Bruchteil der internationalen Empfehlungen umgesetzt worden.
Ich will hier mal – da bin ich ja unverdächtig – einen ehemaligen Bundespräsidenten zitieren: „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen.“ Das gilt insbesondere für den Kampf gegen Geldwäsche. Es muss vor allem auch ein Ruck durch die Bundesländer gehen; denn – der Fall Wirecard ist erwähnt worden – die geldwäscherechtliche Aufsicht für das Unternehmen Wirecard lag bei der Bezirksregierung in Niederbayern; daran gibt es keinen Zweifel.
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Keinen Zweifel? Fast keinen Zweifel. Joachim Herrmann, der bayerische Innenminister, ist der felsenfesten Überzeugung, dass Bayern nicht zuständig war. Soll ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren, wann er zu der Überzeugung gekommen ist, dass das Bundesland Bayern nicht zuständig ist? Am Tag der Insolvenz der Wirecard AG. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, meine Damen und Herren. Das zeigt: Da ist bei den Bundesländern noch einiges zu tun. Ich möchte da wirklich mal Markus Söder zurufen: Durch die Bayerische Staatsregierung muss ein Ruck gehen.
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Schauen wir uns mal an, was wir in dieser Legislaturperiode unter Olaf Scholz in dieser Koalition alles auf den Weg gebracht haben: Das ist zum Beispiel die Anschärfung des Strafrechtes beim Thema Geldwäschebekämpfung. Wir haben eine umfassende nationale Risikoanalyse gemacht. Wir haben im Bereich der Immobilien einiges geschaffen, aber noch nicht genug. Gerade auch beim Thema Share Deals hängt alles miteinander zusammen: verwinkelte Konstruktionen, bei der die Eigentümer verschleiert werden; das ist das Gleiche. Da sind wir noch nicht da, wo wir sein wollen, aber wir sind auf einem guten Weg.
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Wir haben verbindliche europäische Regeln, für deren Umsetzung wir uns einsetzen. Wir haben auch das Chaos bei der Financial Intelligence Unit aus der vergangenen Legislaturperiode zu einem großen Teil aufgearbeitet. Da ist viel passiert, aber da ist auch noch viel zu tun, meine Damen und Herren.
Herzlichen Dank.
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