Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/1/2020

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 18,3 Milliarden Euro, das ist der Rekordstand für einen Haushalt des Bundesinnenministeriums. Diese 18,3 Milliarden Euro im Haushaltsentwurf sind gut investiertes Geld, vor allem für den Kernbereich des Bundesinnenministeriums, für die Sicherheit in unserem Lande. Wir investieren ja in diesen Bereich bekanntlich seit Jahren, in die Personalausstattung, in die sächliche Ausstattung. Ich kann heute feststellen, dass wir bereits im dritten Jahr in Folge eine sinkende Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland haben, ({0}) dass Deutschland zu den sichersten Ländern auf dieser Erde gehört. ({1}) Dass dies so ist, verdanken wir all den politischen Maßnahmen der letzten Jahre. Sie werden im Jahre 2021 fortgesetzt, wenn dieser Haushalt so verabschiedet werden sollte. Aber wir verdanken diesen Sicherheitsstandard auch ganz maßgeblich der herausragenden Arbeit unserer Sicherheitsbehörden, die das volle Vertrauen der Bundesregierung haben und denen ich für ihre hervorragende Arbeit herzlich danke. ({2}) Wir haben gleichwohl natürlich auch Herausforderungen, was den Terrorismus, den Extremismus, den Antisemitismus und den Rassismus betrifft. Hier ist die Linie der Bundesregierung ganz klar und eindeutig. Ich nehme für uns in Anspruch, dass keine Bundesregierung in den letzten Jahren die Herausforderung des Rechtsextremismus so identifiziert und beim Namen benannt hat wie diese ({3}) und dass noch keine Bundesregierung ein solch umfassendes Bekämpfungs- und Abwehrpaket gegen den Rechtsextremismus, gegen den Rassismus beschlossen hat wie diese Bundesregierung. ({4}) Zur Wahrheit gehört, dass der Rechtsextremismus die größte Bedrohung in unserem Lande ist, wobei wir den Islamismus – das haben wir jetzt in Paris gesehen – und den Linksextremismus keineswegs aus dem Auge verlieren oder gar unterschätzen. ({5}) Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus ist die Linie der Bundesregierung vollkommen klar: Wir klären auf, wir vertuschen nichts, wir verfolgen rigoros, und wir richten uns nach dem Prinzip: Null Toleranz für Rechtsextremisten, ganz gleich, auf welcher Ebene und in welcher Berufsgruppe. ({6}) Ich denke, ich werde nächste Woche vom Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz den lange angekündigten Bericht über die Extremistenlage in der Bundesrepublik Deutschland bekommen, und dann werden wir mit Sicherheit hier und in den Ausschüssen auch vertieft darüber diskutieren. Das zweite Beispiel für eine gute Anlage der Steuergelder, das ich anführen möchte, ist die Bauwirtschaft. Wir haben uns ja auf das größte Wohnungsbauprogramm der letzten 30 Jahre mit allen Beteiligten verständigt: Bund, Länder, Wohnungsbauunternehmen. Wir haben in diesen Bereich Milliarden gesteckt für die Städtebauförderung, für den sozialen Wohnungsbau, für die steuerliche Abschreibung von Mietwohnungsbau, ({7}) für das Baukindergeld, für zwei Novellen des Wohngeldes, nämlich Anpassungen des Wohngeldes für kleine Einkommen. ({8}) Der größte Erfolg ist aus meiner Sicht, dass wir zu einer Dynamisierung des Wohngeldes gekommen sind. Alle zwei Jahre wird jetzt automatisch das Wohngeld an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst. ({9}) Das ist eine schöne Entwicklung. Das ist das größte Wohnungsbauprogramm – ich sage es noch mal – seit der Wiedervereinigung unseres Landes. ({10}) Dem entspricht auch die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Der Wohnungsbau, die Bauwirtschaft ist zurzeit der Motor für unsere Volkswirtschaft. Die Hälfte aller Investitionen – das sind 430 Milliarden Euro – erfolgen in diesem Bereich. Wir haben dort beachtliche Steigerungsraten, obwohl ja in vielen Wirtschaftsbereichen infolge der Pandemie große Probleme bestehen. Entsprechend sieht es aus mit den Baugenehmigungen: Wir hatten im letzten Jahr 360 000 neue Baugenehmigungen; ({11}) wir haben 740 000 Baugenehmigungen, die erteilt, aber noch nicht realisiert worden sind. Wenn Sie die beiden Zahlen addieren, dann sehen Sie, dass wir mit den Baugenehmigungen bereits jetzt, nach zweieinhalb Jahren dieser Regierung, über der 1-Million-Marke liegen. Deshalb kann ich für die ganze Regierung sagen: Wir sind da im Zeitplan. Wir werden in den vier Jahren einer Legislaturperiode unser wohnungsbaupolitisches Ziel von 1,5 Millionen bezahlbaren Wohnungen erreichen. Ich finde, darauf können wir alle miteinander stolz sein. ({12}) Ein besonderer Leuchtturm ist das Baukindergeld, das ja lange Zeit sehr umstritten war, über das es jetzt aber einen großen Konsens in der Gesellschaft gibt. ({13}) Ich rede gar nicht von politischen Parteien. Wir haben 260 000 Anträge auf Baukindergeld. Das ist ein begünstigter Personenkreis von über 1 Million. Ich erinnere mich noch an Regierungen von Helmut Kohl, der schon damals das Ziel aufgestellt hatte, Familien mit Kindern und kleinen Einkommen die Chance zu geben, Wohneigentum in unserem Lande zu erwerben. ({14}) Das haben wir jetzt geschafft, meine Damen und Herren. ({15})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Nein. ({0}) Eine dritte große sinnvolle Anlage von Steuergeldern ist die Digitalisierung. Wir sind ja für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung als Bundesinnenministerium zuständig. Wir haben jetzt noch mal 3,3 Milliarden Euro bekommen. Viele sind auf diesem Feld tätig; wir machen die Arbeit. Ich kann Ihnen sagen, dass wir mit Hochdruck dabei sind, die öffentliche Verwaltung – Bund, Länder, Kommunen – durch die Digitalisierung fit zu machen für das 21. Jahrhundert. Das Onlinezugangsgesetz wird mit höchster Dynamik und mit höchstem Einsatz umgesetzt. Ich denke, dass wir die wesentlichen Aufgaben des Bundes Ende des Jahres, vielleicht die ersten drei Monate des nächsten Jahres noch eingeschlossen, umgesetzt haben werden. Ich kann sagen: Durch diese 3,3 Milliarden Euro, die uns im Konjunkturprogramm zur Verfügung gestellt wurden, ist jetzt die Bereitschaft der Länder und der Kommunen, in diesen Schnellzug einzusteigen, deutlich gewachsen. Wie immer machen finanzielle Anreize sinnlich. Deshalb ist hier enorm Dynamik hineingekommen. Besonders freut mich, dass sich die Regierung auf die Einführung eines Registermodernisierungsgesetzes verständigt hat und am Mittwoch letzter Woche im Kabinett den entsprechenden Entwurf beschlossen hat. Das klingt reichlich technisch, ist aber für die Digitalisierung unsere Landes ungeheuer wichtig. ({1}) Es geht darum, im Verkehr zwischen den Behörden und den Bürgern und auch zwischen den Behörden untereinander mit einer unverwechselbaren Identifikationsnummer tätig sein zu können. Ich nenne ein Beispiel: Wenn man Familienleistungen beantragt und dafür eine Geburtsurkunde braucht, kann man die Behörde, die die Familienleistung gewährt, digital bevollmächtigen, dass sie die Geburtsurkunde am Geburtsort anfordert. Der Bürger braucht nicht mehr seine ganzen Unterlagen selbst zusammenzusammeln. Jeder von uns weiß, wie schwer das oft ist, wenn es um Zeugnisse und Ähnliches geht. Dies ist nur möglich, wenn wir in Deutschland eine Identifikationsnummer haben, die unverwechselbar ist, bei der nicht das Auswechseln oder das Vergessen eines Buchstabens zu einer Personenverwechslung führt. ({2}) Wir greifen da auf die Steuer-Identifikationsnummer zurück, die es seit zehn Jahren für den ganz sensiblen Bereich der Steuerverwaltung gibt – ohne jedes Problem. Diese übertragen wir jetzt auf die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Auch hier Danke denen, die den Haushaltsentwurf ausgearbeitet haben, und auch insbesondere Danke ans Finanzministerium, dass wir Milliarden bekommen haben, um diese Digitalisierung in Deutschland perfekt zu machen. ({3}) Ein Wort noch zur Migration; das ist mir wichtig. Schauen Sie sich einmal die Entwicklung der letzten Jahre an – ich nenne jetzt immer gerundete Zahlen –: 2015 470 000 Asylanträge, 2016 750 000, 2017 222 000, 2018 185 000, 2019 165 000 und in diesem Jahr, 2020, einschließlich August, 74 000. Genau die Tatsache, dass wir da jetzt Steuerung und Ordnung geschaffen haben, erlaubt es uns immer wieder, da und dort einen Punkt der Humanität, der Menschlichkeit zu setzen, wie wir es nach Lesbos gemacht haben, wie wir es mit unbegleiteten Minderjährigen gemacht haben und noch machen sowie mit kranken Kindern. Das ist keine Massenzuwanderung, wie ich gestern gehört habe, Frau Weidel. ({4}) Sie sollten sich schämen für diese eiskalte und herzlose Sprache, die Sie gestern gefunden haben. ({5}) Ich will auf unsere Philosophie zurückkommen: Wir wollen Ordnung, aber auch Humanität. ({6}) Beides bedingt sich gegenseitig. Sie werden auf Dauer keine Humanität gewähren können, wenn Sie keine Ordnung in diesem Bereich haben, ({7}) und die Ordnung ist Voraussetzung, dass Sie auch Humanität haben. Ich werde mich sehr bemühen, dass wir in der Europäischen Union das hinbekommen, was dringend notwendig ist, nämlich die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylrechts. Das ist schwer genug. Aber, ich denke, es gehört zur Verantwortung in unserer deutschen Ratspräsidentschaft, dass wir versuchen, so weit wie möglich in den politischen Verständigungen zu kommen, wobei mir zwei Punkte am wichtigsten sind, nämlich dort zu helfen, wo die potenziellen Flüchtlinge heute leben – damit ist auch den Herkunftsländern am meisten gedient –, und bereits an der Außengrenze der Europäischen Union zu entscheiden, wer nach Europa einreisen darf, weil dem Grunde nach ein Schutzbedarf gegeben ist. Zwei Drittel derer, die in Europa Asyl beantragen, sind nicht schutzberechtigt. Wir würden eine Menge erreichen, wenn wir sie bereits an der Grenze identifizieren und in ihre Herkunftsländer wieder zurückführen. ({8}) Dass der Haushalt eine große Summe für unseren Sport ausweist, sage ich nur nachrichtlich, damit kein Redner oder keine Rednerin anschließend sagen kann, ich hätte den Sport vergessen. Es sind gigantische Summen, mit denen wir auch in der Pandemie helfen. Das ist auch richtig so, weil der Sport einfach Gesellschaft, Gemeinschaft und Zusammenhalt bildet. Deshalb ist auch dies gut angelegtes Geld. ({9}) Viele der Initiativen für den Sport kommen aus dem Parlament, und sie werden vom Bundesinnenminister natürlich nicht behindert, ganz im Gegenteil. Einen Satz möchte ich noch sagen, weil ich in die Gesichter der Kollegen unseres Koalitionspartners schaue: Nach meiner Einschätzung, auch nach unserem Gespräch gestern Abend, werden wir hinsichtlich des Baugesetzbuches – das ist der Restant, den wir im Baurecht noch haben – als Koalition eine gute Lösung hinbekommen. ({10}) Eine allerletzte Bemerkung, zu den Tarifverhandlungen. Meine Damen und Herren, wir erleben jetzt seit vielen Monaten wiederum, dass der öffentliche Dienst in der Bundesrepublik Deutschland leistungsfähig ist. Das war bei der Flüchtlingskrise so, das war bei der deutschen Einheit so. Deshalb sollten wir mit den Vertretern des öffentlichen Dienstes ernsthaft über die Tarifverhandlungen reden; das haben wir vor. ({11}) Wir haben Ende Oktober die nächste Tarifrunde. Wir haben eine Sondergruppe dazwischengeschaltet, die für die große Tarifrunde vorbereitet, und zwar für den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Pflege, also für den ganzen Gesundheitssektor, Pflegekräfte wie Ärzte. Ich kann heute öffentlich sagen: Wir dürfen uns nicht damit begnügen, dass wir in den letzten Monaten immer wieder von Helden in unserer Gesellschaft gesprochen haben. Das muss auch bei diesen Tarifverhandlungen zum Ausdruck kommen. ({12}) Deshalb werden wir in Abstimmung mit den Kommunen ein vernünftiges Angebot für diese Helden machen, damit sie nicht enttäuscht sind, dass den Worten keine Taten folgen. Seien Sie gespannt! ({13}) Das wird ja in wenigen Tagen der Fall sein. Ich danke. ({14})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dr. Gottfried Curio, AfD, ist der nächste Redner. ({0})

Dr. Gottfried Curio (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004698, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Der Minister hat kürzlich den geplanten EU-Migrationspakt mit neuen ewigen Kosten für den Haushalt gelobt. Dort soll die bisher schon falsche Politik Gesetzesform annehmen. Durch märchenhafte Sozialleistungen und Anerkennung von Fantasieflüchtlingen werden massenhaft illegale Migranten aus afrikanischen und islamischen Ländern ins Land gelockt, in Hunderttausenderstärke. ({0}) Alle Eckpunkte dieses Plans sind verfehlt, von ungebremstem innereuropäischen Asyltourismus bis hin zu grundsätzlichem. Fake News sind, die EU habe für illegale Migranten an ihren Grenzen Verantwortung. Die Wahrheit: Im Orient sind die flächendeckenden Kriege aus. Aus Afrika kommen Wirtschaftsmigranten. Die vorgeblich Schutzbedürftigen sind bereits durch sichere Drittstaaten gezogen, also nicht mehr auf der Flucht, falls sie es je waren. Fake News: Es bräuchte Solidarität mit Erstzutrittsstaaten. Die Wahrheit: Deutschland hat schon proportional mehr aufgenommen, aber die fortgesetzte rechtbrechende Verletzung von Dublin III durch Merkel soll legalisiert, der Weg nach Deutschland automatisiert werden. ({1}) Fake News: Das sei humanitär. Die Wahrheit: Die leiden keine Not, zahlen vielmehr hohe Schlepperkosten. Die wirklich Hilfsbedürftigen tauchen nie auf. Dasselbe Geld hilft vor Ort hundertmal mehr Menschen. Fake News: Europäische Geldspritzen in die Heimatländer würden Fluchtursachen bekämpfen. Diebstahl von 25 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren. Die Wahrheit: Europäisches Sozialniveau wird dort nie erreicht, aber mehr Reisemittel für die Schlepperwege geliefert. ({2}) Fake News: Man müsse den Herkunftsstaaten was bieten, damit sie Illegale zurücknehmen. Die Wahrheit: Sie sind verpflichtet. Man macht Druck mit Wirtschaftshilfen und Visabeschränkungen. Fake News: Der Plan würde die EU einen. Wer nicht aufnehmen will, soll halt abschieben. Die Wahrheit: Gelingt das nicht, wie in Deutschland, sollen sie auf den Migranten sitzen bleiben. Tolles Angebot. Fake News: Migration hülfe dem Arbeitsmarkt. Die Wahrheit: Ein Großteil ist nicht einsetzbar, wird hier bis ans Lebensende alimentiert, ruiniert die Sozialsysteme. Fake News: Kulturelle Probleme würden durch Integration gelöst. Die Wahrheit: Die absehbare demografische Entwicklung zeigt dieser Klientel, dass Integration unnötig ist, und so verhalten sie sich auch. Wir sehen Besetzung des öffentlichen Raumes durch aggressive Männergruppen, steigende Kriminalitätsraten. Frauen können den öffentlichen Raum nicht mehr sicher betreten, Juden schon gar nicht. Eine Schande für Deutschland, meine Damen und Herren! ({3}) Nichts davon ist im Interesse Deutschlands, nichts im Interesse irgendeines europäischen Staates. Die europäische Lösung heißt: Tür zu – Prüfung allenfalls draußen. Das Problem heißt: Deutschland mit seiner bevormundenden Traumtänzerhaltung. ({4}) Wir wenden uns gegen die hochtönenden Täuschungsbegriffe „Verantwortung“, „Solidarität“, „Humanität“, die nur die politische und finanzielle Entrechtung der Bürger verbrämen sollen, gegen die Vergötzung eines ausbeuterischen EU-Überstaats, gegen Reißbrettutopien einer globalistischen Gesellschaft. Was wir in Deutschland nicht brauchen, sind Leute, die sich ständig auf die Menschheit berufen, aber sich um die eigenen Menschen nicht mehr kümmern. ({5}) Verantwortung hieße, die gesellschaftlichen Werte Deutschlands auch für die Zukunft zu sichern. Solidarisch wäre, unsere Menschen nicht immer länger für andere arbeiten zu lassen. Humanität hieße, unsere Bürger vor 300 000 Zuwandererstraftaten jährlich zu bewahren. ({6}) Aber die Stuhlfarce vor dem Reichstag samt nachfolgender Brandstiftung und Erpressungsaktion war nur der Anfang. Die afrikanische Bevölkerungsexplosion nach Europa umzuleiten, ist ein falsches Ziel, ein Wahnsinn. Import des Menschenbilds des Islam und der Clangesellschaften – eine Kampfansage an unsere Freiheit! Demokratie ist dem Islam wesensfremd. Religion und Staat sind in ihm eine Einheit. Gewalt gegen Frauen und Andersgläubige ist Lehrstoff des Islam. Deshalb: Raus mit der Umsiedlungsmafia aus der Regierung! ({7}) Der Weg in die Zukunft führt nicht über die verordnete Abkehr von bisheriger Geschichte. Die Selbstverneinung der eigenen Nation ist ein Irrweg. Zukunft braucht Herkunft. Statt ständiger Liebedienerei nach außen braucht es wieder selbstbewusste Interessenvertretung. Statt Ihres ewigen „Ein Herz für Afrika“ sagen wir: Mehr Hirn für Deutschland, mehr Einsatz für Deutschland! ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Hartmann, SPD. ({0})

Sebastian Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004291, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir soeben gemerkt haben, ist Folgendes: Wir leben in Zeiten der Verunsicherung, die gezielt geschürt wird, in einer Zeit der Herausforderungen, in der komplexe Zusammenhänge in der Welt missbraucht werden, um in einem Land, wo die Kriminalitätsrate systematisch sinkt, ({0}) zur Verunsicherung zu führen. Es ist die Hetze aus diesem Haus, die dazu beiträgt, dass in diesem Land Verunsicherung und Spaltung geschürt werden, wo es um Zusammenhalt und einen starken solidarischen Staat geht, der handlungsfähig ist, meine Damen und Herren. ({1}) Ich wende mich an den rechten Teil des Hauses, ({2}) dem ich die Frage stelle, warum Sie nicht zitiert haben, was der Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion sagte: Wir können die Migranten nachher immer noch alle erschießen oder vergasen; gar kein Thema. – Schämen Sie sich nicht, im Jahr 75 nach Auschwitz solche Worte aus Ihren Reihen zuzulassen? ({3}) Ich bin fassungslos, was Sie hier aus unserer erfolgreichen Demokratie machen, 30 Jahre nach einer Wiedervereinigung, friedlich in diesem Land. Schämen Sie sich nicht, so mit unserem Land umzugehen? ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sozialdemokratie setzt dagegen einen starken, einen solidarischen, handlungsfähigen Staat. Wir setzen auf einen weiten Begriff der Sicherheit, weil eine solidarische Gesellschaft darauf angewiesen ist, dass wir in Krisenzeiten zusammenhalten. Wir merken, wer dieses Land nicht schätzt. Wir merken, wer die Menschen doch im tiefsten Inneren hasst und auf Parteibuch und Personalausweiswesen schaut, wer den Wert eines Menschen nach dem Pass ausmacht. Schämen Sie sich von der AfD, was Sie hier getan haben! ({5}) Wir investieren als Sozialdemokratie mutig: 28 000 neue Stellen in den Sicherheitsbehörden und über 2,6 Milliarden Euro jetzt und in den vergangenen acht Jahren. Das ist das, woran man sehen kann, wo in den Zusammenhalt investiert wird, meine Damen und Herren. Wir werden diesen Weg mutig weitergehen, und dieser Haushalt trägt auch diese Handschrift, meine Damen und Herren. ({6}) Vieles von dem, was gesagt worden ist, fußt auch darauf, dass wir starke Sicherheitsbehörden haben. Der weit überwiegende Teil, der erdrückende Teil der Uniform- und Waffenträger – es sind Tausende, Zehntausende Menschen – steht auf dem Boden unseres Grundgesetzes, unserer erfolgreichen deutschen Demokratie, meine Damen und Herren. Aber wir müssen auch genau hinschauen, wenn aus Kreisen der Gewerkschaften gesagt wird: Lasst uns mal den Alltag der Polizei anschauen! – Ich pflichte unserem Bundespräsidenten bei. Wir schauen nicht weg, wenn Rechtsextremismus geschürt wird und in die Mitte der Gesellschaft gekippt werden soll, meine Damen und Herren. ({7}) Herr Minister, wir fordern Sie auf: Machen Sie mit den Gewerkschaften klar: Wir sind diejenigen, die diese Verfassung verteidigen, und wir stehen an der Seite der Ehrlichen, der Fleißigen, der Anständigen in den Sicherheitsbehörden im Land und weit darüber hinaus, in den Rettungsdiensten auch. ({8}) Aber die Coronapandemie fordert uns alle. Auch das ist etwas, worüber wir sprechen müssen, wenn infrage gestellt wird, was gerade in unserem Land passiert. Es wird hinterfragt, ob wir aufeinander achtgeben sollen, ob wir die Behörden stärken sollen, ob wir dort Geld investieren sollen. Schauen wir mal in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo jetzt, Stand heute, 206 000 Menschen an Corona verstorben sind. Das ist eine unvorstellbar große Zahl. Das entspricht der Einwohnerzahl meiner Geburtsstadt Oberhausen in Nordrhein-Westfalen. Keine Wohnung, kein Haus, kein Fenster mehr mit einem Menschen! Das ist es, was uns fordert. 200 000 Tote in den Vereinigten Staaten. Wir sind gut durch diese Krise gekommen, weil wir in diesem Haus Weichen gestellt haben, weil wir Geld in den Bevölkerungsschutz, in die Katastrophenhilfe investiert haben. Wir wollen weiter so vorgehen, wenn es um das THW und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz geht, meine Damen und Herren. ({9}) Umso mehr müssen wir auch schauen, dass wir bei dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mehr tun können. Herr Minister, ich spreche es offen an: Sie haben nach dem fehlgeschlagenen Warntag, als wir festgestellt haben, dass die Länder nicht entsprechend investiert hatten und wir gemeinsam mehr in die Resilienz und mehr investieren müssen, entschieden, dass der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gehen muss. Ich sage Ihnen offen, dass ich mir diesen Mut vielmehr gewünscht hatte, als es darum ging, einen Verfassungsschutzpräsidenten nicht wochenlang im Amt zu halten – gegen die Kanzlerin, gegen den Willen der Mehrheit des Hauses, gegen Ihren Koalitionspartner. ({10}) Den frischen Wind hätten wir uns an dieser Stelle gewünscht. Ihre Rede hat deutlich gemacht: Sie nehmen den Kampf gegen den Rechtsextremismus auf. – Mehr davon – mehr davon! – und das deutlich machen, das ist Ihre Verantwortung als Innenminister. Da haben Sie die Sozialdemokratie immer an Ihrer Seite, meine Damen und Herren. ({11})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Christoph Meyer, FDP. ({0})

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hartmann, es wäre gut gewesen, wenn Sie nicht nur den Katastrophenschutz und die staatlichen Leistungen im Bereich der Coronapandemiebekämpfung betont hätten, sondern auch die Disziplin, mit der wir alle hier in Deutschland Abstandsregeln einhalten und dafür sorgen, dass die Pandemie sich nicht weiter ausbreitet. Das ist, glaube ich, die Grundlage, weswegen wir in Deutschland immer noch so glimpflich durch die Krise gekommen sind, und nicht das, was das THW – so wichtig es ist – auch getan hat. ({0}) Wenn wir uns mal den Haushalt angucken – es ist die erste Lesung; ich bin für diesen Einzelplan das erste Mal in den Haushaltsberatungen zuständig –, dann sehen wir bei einer unvoreingenommenen Draufsicht zwei Problemfelder: Das Erste ist: Nach dem massiven Mittelaufwuchs der letzten Jahre schaffen Sie es nicht, die Pläne wirklich umzusetzen und zu einem geordneten Mittelabfluss zu kommen. Das Zweite ist: Die gesamte Breite des Aufgabenspektrums Ihres Hauses ist nicht angemessen in Ihrem Fokus, Herr Seehofer. Ihr Haushalt wächst in diesem Jahr um 2,6 Milliarden Euro auf, noch mal 1 750 Stellen; Sie haben es erwähnt. Bis 2025 sollen allein aus dem Konjunkturprogramm 6,8 Milliarden Euro zufließen. Wir begrüßen – und auch das haben Sie erwähnt – Ihre Pläne zum Onlinezugangsgesetz. Bei der Registermodernisierung, glaube ich, gibt es datenschutzsicherere Möglichkeiten, aber der Grundansatz wird von uns geteilt. Es ist aber bezeichnend, dass Sie im Jahr 2020 hier über Zukunftstechnologien reden, die wir eigentlich bereits vor 10, 15 Jahren hätten implementieren müssen. Sie haben in Ihrem Haus die Zukunft verschlafen, und es hat erst der Pandemie bedurft, dass Sie hier deutlich mehr Mittel einstellen und zu einer Priorisierung kommen. ({1}) Sie haben 2019 beim Thema Onlinezugangsgesetz noch nicht mal 60 Millionen Euro eingestellt. Jetzt reden wir im Jahr 2021 über 1,5 Milliarden Euro. Da dieser Aufwuchs nur auf Kosten der Effizienz funktionieren kann und bei der übrigen Digitalisierungsstrategie Ihres Hauses Steuerungs- und Organisationsschwächen festzustellen sind – die hat ja auch der Rechnungshof beleuchtet –, ist es doch mehr als fraglich, ob wir hier zügig und vor allem budgetgenau zu einer Umsetzung kommen. Auch im Bereich innere Sicherheit tragen wir die Pläne, das BKA und die Bundespolizei besser auszustatten, mit. Aber auch hier zeigt sich sehr deutlich, wie weit Anspruch und Wirklichkeit in Ihrem Haus auseinanderklaffen. Planstellen ist das eine, tatsächliche besetzte Stellen ist das andere, das Entscheidende. In Ihrem Haus sind 18 Prozent der Stellen nicht besetzt. ({2}) Ein geordneter Personalaufwuchs ist nicht sichergestellt. Wenn man sich die Zahlen vom Beginn der Legislatur bis jetzt anguckt, dann haben wir eher den Eindruck, dass die Lücke größer wird. Das heißt, am Ende schaffen Sie Scheinsicherheit. Sie haben es nicht geschafft, die Pläne, auch die, die Sie im Koalitionsvertrag angesprochen haben, mit tatsächlichen Stellen zu hinterlegen. Das ist Ihre Bilanz, Herr Seehofer. ({3}) Sie haben sich eben selbst dafür gelobt, dass die Mittel bei investiven Titeln in Ihrem Haushalt, vor allem im Baubereich, angestiegen sind; auch das ist richtig. Aber auf der anderen Seite haben wir auch hier im investiven Bereich einen mangelhaften Mittelabfluss. Über 15 Prozent der Mittel werden regelmäßig nicht verausgabt. Auch das ist eine Planungs- und Steuerungsschwäche in Ihrem Haus, die sich über Jahre hinzieht. Der einzige Minister, der dies ähnlich macht, ist Ihr Christgenosse Andi Scheuer. ({4}) Er hat ebenfalls einen Investitionsstau zu verantworten – leider einen noch ein bisschen größeren als bei Ihnen, weil der Etat einfach größer ist. Aber am Ende scheint offensichtlich das Parteibuch eine der Begründungen zu sein, weswegen Sie es nicht schaffen, hier voranzukommen. ({5}) Zum Bereich Heimat muss ich nichts sagen. Da machen Sie nichts; darauf sind Sie in Ihrer Rede auch gar nicht eingegangen. ({6}) Zum Baubereich wird der Kollege Hagen Reinhold noch etwas sagen. Alles in allem – meine Redezeit ist jetzt auch zu Ende –: Auf dem Papier viel Licht, in der Umsetzung viel Schatten. Ich freue mich auf die Beratungen. Vielleicht können wir den Etat noch ein bisschen besser machen. Vielen Dank. ({7})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Victor Perli, Die Linke, hat als Nächster das Wort. ({0})

Victor Perli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Wir erinnern uns: Minister Seehofer und die Große Koalition sind mit großen Versprechen angetreten: mehr gesellschaftlicher Zusammenhalt, die Stärkung des Sicherheitsgefühls, mehr bezahlbarer Wohnraum. Wenn man nun Bilanz zieht, dann fällt das Urteil eindeutig aus: Minister Seehofer und die Koalition haben nicht geliefert. ({0}) Es gibt nicht mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander. Die Coronakrise verschärft die Situation. Die Arbeitslosigkeit steigt, es gibt mehr Kinderarmut, und der Reallohnverlust ist so groß wie nie zuvor. Leider verstehen vor allem CDU und CSU unter „Sicherheit“ immer nur die innere Sicherheit. Das Sicherheitsgefühl der Menschen ist aber untrennbar verbunden mit der eigenen sozialen Sicherheit, ({1}) zum Beispiel mit der Frage, ob man Planungssicherheit für das eigene Leben hat. Die Antwort auf diese Krise muss deshalb sein, dass es einen sozialen Schutzschirm für die Menschen gibt. ({2}) Zur Stärkung des Sicherheitsgefühls trägt auch bei, wenn Dörfer und Städte finanziell handlungsfähig sind, wenn es genügend bezahlbaren Wohnraum gibt. Mit diesem Haushalt wird das aber nicht gelingen. Beim sozialen Wohnungsbau sieht es ganz besonders düster aus. ({3}) Die Bundesregierung zeigt sich blind gegenüber den Sorgen der Mieterinnen und Mieter. Mit nur 1 Milliarde Euro pro Jahr, Herr Seehofer, ist der Niedergang des sozialen Wohnungsbaus nicht aufzuhalten. ({4}) Die Mieterverbände schlagen Alarm: Seit dem Amtsantritt von Horst Seehofer sind über 100 000 Sozialwohnungen aus der Förderung gefallen. Von wegen bauen, bauen, bauen! Das ist Totalversagen, meine Damen und Herren. ({5}) Das jüngste Beispiel: Union und SPD hatten versprochen, dass die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen erschwert wird, um die Mieter vor Verdrängung zu schützen. Am Dienstag ist diese Passage aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden. ({6}) Herr Seehofer lässt sich von der Immobilienlobby am Nasenring durch die Manege ziehen, meine Damen und Herren. ({7}) Die Linke fordert ein großangelegtes öffentliches Wohnungsbauprogramm für dauerhaft bezahlbaren Wohnraum in kommunaler und am Gemeinwohl orientierter Hand. ({8}) Das Geld dafür ist da. Das Innenministerium hat bei den Investitionen von der gesamten Bundesregierung den schlechtesten Mittelabfluss. Seit 2014 ist jeder fünfte Euro liegen geblieben: über 2,2 Milliarden Euro. Der Großteil dieses Geldes sollte eben genau in die Bauförderung fließen, in die Stadtentwicklung, da, wo es so dringend gebraucht wird. Aber im selben Zeitraum haben Hunderte Gemeinden, die um eine Förderung für die Sanierung ihrer Schwimmbäder, ihrer Sportplätze gebeten haben, einen Ablehnungsbescheid vom Innenministerium erhalten. So eine Politik versteht kein Mensch. ({9}) Meine Damen und Herren, die Menschen wollen eine Polizei, die sie vor Gefahren schützt, keine Polizei, die ihnen Angst macht. Deshalb darf es keine Nazis im Polizeidienst geben. ({10}) Wenn solche Leute Zugang zu Waffen haben, zu sensiblen Daten, ist das ein äußerst gefährliches Sicherheitsrisiko. Rassistische Vorfälle müssten natürlich aufgearbeitet und abgestellt werden. Das ist auch im Interesse der großen Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten in diesem Land, weil sonst das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Institutionen verloren geht. ({11}) Herr Minister, es ist ein schwerer Fehler, dass Sie eine wissenschaftliche Untersuchung zu diesen Missständen verhindern wollen. Es entsteht der Eindruck, dass Sie der Polizei selbst misstrauen, dass Sie die Probleme unter den Tisch kehren wollen. Damit schützen Sie die Polizei nicht, Herr Seehofer, damit schaden Sie ihr. ({12}) Meine Damen und Herren, Die Linke wird sich in den Haushaltsberatungen dafür einsetzen, dass es mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt: für soziale Sicherheit, für mehr bezahlbaren Wohnraum. Wir wollen ungleiche Lebensverhältnisse überwinden. Die Große Koalition ist nur noch dabei, zu verwalten: Stillstand zu verwalten, Ungerechtigkeit zu verwalten. Es ist höchste Zeit, dass damit endlich Schluss ist. ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erhält das Wort die Kollegin Dr. Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Irene Mihalic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Haushaltsplan des Innenministeriums sagt wirklich viel über Ihre aktuelle Innenpolitik aus: 18,3 Milliarden Euro, Herr Minister. Da ist ganz viel Luft – nach oben sowieso, aber leider eben auch in Ihren Buchungen. Jährlich pumpen Sie die Zahlen auf nach dem Motto: Der Rest erledigt sich irgendwie von selbst. – So könnte man ungefähr sagen: „Das bisschen Haushalt macht sich von allein“, sagt der Horst. – Ja, aber das stimmt leider nicht, Herr Minister. ({0}) Ihr alljährliches Spiel mit Luftbuchungen – darauf hat der Kollege Meyer eben hingewiesen – schadet dem Ruf der Innenpolitik, von der sich die Bürgerinnen und Bürger zu Recht ein Höchstmaß an Seriosität erwarten. Die Menschen wollen, dass Sie ganz konkret Antworten auf die Fragestellungen der Gegenwart geben, zum Beispiel beim Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Dazu findet sich auf den ersten Blick erst einmal nicht wahnsinnig viel in Ihrem Haushalt. Wir wissen alle, dass rechtsextreme Strukturen über Jahrzehnte nicht richtig analysiert worden sind, Anschläge wurden reflexhaft Einzeltätern zugerechnet, und zwar trotz der Erfahrungen mit dem NSU-Komplex. ({1}) Nun scheint sich in diesem Bereich im Haushalt zaghaft etwas zu tun, vor allen Dingen beim BKA; aber das darf eben nicht in Ansätzen stecken bleiben. Wir müssen rechtsextreme Strukturen besser analysieren, um sie nachhaltig zu zerschlagen. ({2}) Und: Wir dürfen eben auch nicht die Augen vor verfassungsfeindlichen Tendenzen innerhalb unserer Sicherheitsbehörden verschließen. Da verstehe ich nicht, Herr Seehofer, warum Sie weiterhin eine wissenschaftliche Analyse in diesem Bereich blockieren, obwohl quasi im Wochentakt neue Fälle an die Oberfläche gespült werden. Wie man eine solche Wissenschaftsfeindlichkeit an den Tag legen kann, ist mir wirklich schleierhaft. ({3}) Damit schaden Sie vor allem den vielen Beamtinnen und Beamten, die mit beiden Beinen wirklich fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen. ({4}) Wir werden eine solche Studie im Haushaltsverfahren beantragen, um das Ausmaß, aber auch die Ursachen verfassungsfeindlicher Tendenzen in den Sicherheitsbehörden wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Liebe SPD, wir rechnen nach all euren Ankündigungen wirklich fest damit, dass ihr uns in dieser wichtigen Frage eben nicht hängen lasst, sondern ganz klar zeigt: Wir brauchen eine solche wissenschaftliche Studie, und zwar jetzt. Die Fakten müssen auf den Tisch. ({5}) Es ist doch auch ein völlig falsches Verständnis von Wertschätzung, wenn man sagt: Liebe Polizei, weil wir euch so toll finden, schauen wir nicht ganz so genau hin, wenn mal irgendetwas nicht richtig läuft. – Nein, das ist Nachgiebigkeit gegenüber den Nestbeschmutzern, aber nicht Wertschätzung für die Polizei. Wenn es Ihnen bei diesem Thema nicht nur um Lippenbekenntnisse, sondern um tatsächliche Wertschätzung geht, meine Damen und Herren, dann sollten Sie mal konkret werden: bei den Arbeitsbedingungen, bei der Gewährleistung professioneller Hilfe in Stresssituationen, aber eben auch bei der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage, die wir auch in diesem Jahr wieder beantragen werden. Denn da, wo es konkret wird, tun Sie nichts. ({6}) Und überhaupt: die Personalpolitik. Seit einigen Jahren versuchen Sie, den Stellenabbau, der jahrzehntelang stattgefunden hat, durch die Schaffung weiterer Stellenaufwüchse zu kaschieren. Wir haben dem wirklich immer zugestimmt, vor allen Dingen in der Hoffnung, dass Sie mal eine Idee entwickeln, wie Sie die vielen neuen Stellen tatsächlich mit Menschen besetzen können. Doch das ist bisher wirklich ein großer Flop. Über 10 000 offene Stellen bei Bundeskriminalamt und Bundespolizei, und es fehlt jeder realistische Ansatz, um diese Stellen zu besetzen: keine Ausbildungsoffensive, gar nichts. Ihre Personalpolitik ist pure Augenwischerei, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Beim Thema „Migration und Integration“ hingegen, da investieren Sie ja noch nicht einmal auf dem Papier spürbar etwas. Beim BAMF wird ja sogar noch gekürzt, und dabei wissen Sie sehr genau, dass „Wir schaffen das!“ eben nicht reicht, wenn man das nicht auch mit konkreten Maßnahmen unterfüttert. Dann ist da noch die gewissermaßen vergessene Sicherheitsbehörde – so will ich sie mal nennen –: das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Sowohl die Coronapandemie als auch die unmittelbaren Folgen des Klimawandels machen den Katastrophenschutz zu einem zentralen Sicherheitsthema. ({8}) Aber ein Strukturwandel auf Bundesebene wurde in den letzten Jahren völlig verschlafen. Und da ist es nicht hilfreich, Herr Minister, wenn Sie nach den Ergebnissen des Warntages den Präsidenten des BBK vor die Tür setzen, dessen Behörde Sie seit Jahren stiefmütterlich behandeln und nie unterstützt haben. ({9}) Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Herrn Schuster als neuem BBK-Präsidenten. Aber ich bin auch sehr gespannt, ob über diesen Wechsel hinaus auch endlich mal konkrete Konzepte umgesetzt werden. ({10}) Wir brauchen im Bund einen handlungsfähigen Bevölkerungs- und Katastrophenschutz mit einer Zentralstellenkompetenz, wie sie das BKA bei der Polizei hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns intensiv in diese Haushaltsberatungen einbringen; das sind Sie ja auch so von uns gewohnt. ({11}) Wir hoffen, dass auch Sie beratungsoffen sind. Denn es geht um nichts weniger als um die Sicherheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land. Herzlichen Dank. ({12})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Mathias Middelberg, CDU/CSU. ({0})

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht völlig verwundern, wenn ich nach drei Jahren Regierungszeit, nachdem drei Viertel dieser Regierungszeit vergangen sind, positive Bilanz ziehe für den Bundesinnenminister, ({0}) gerade für die Felder Migration und innere Sicherheit. Ich will das an ganz konkreten Punkten festmachen. Fachkräfteeinwanderungsgesetz – das Stichwort ist hier heute noch gar nicht genannt worden –: ({1}) Wir haben jahrelang über ein Einwanderungsgesetz diskutiert. Wir haben jetzt eins. ({2}) Diese Regierung hat ein Einwanderungsgesetz beschlossen, und zwar ein Einwanderungsgesetz, das zielgerichtet auf die Zuwanderung von Fachkräften ausgerichtet ist. Mache kritisieren das und sagen, das sei irgendwie da oder dort ein bisschen engherzig. An dem Beispiel IT-Spezialisten kann man sehr gut erkennen, dass es sehr pragmatisch ist. Wir verlangen nicht mal irgendeinen Bildungsabschluss, sondern einfach drei Jahre Berufserfahrung und mindestens 4 100 Euro Monatsgehalt. Wenn die Bedingungen erfüllt sind, kann man als IT-Spezialist nach Deutschland einwandern. ({3}) Nächstes Stichwort: Geordnete-Rückkehr-Gesetz. Der Minister hat eben darauf hingewiesen: Über 60 Prozent derer, die zu uns kommen, haben am Ende gar keinen Bleibestatus, haben kein Schutzrecht, und das macht es eben auch erforderlich, Rückführungen durchzuführen. Da hat manches im Argen gelegen. Wir haben mit diesem Gesetz deutlich zur Verbesserung der Situation beigetragen, dass Rückführungen jetzt und demnächst effektiver stattfinden können. ({4}) Wir haben beim Staatsangehörigkeitsgesetz reformiert und nachgearbeitet. Terrorkämpfer, die im Ausland unterwegs sind und eine zweite Staatsangehörigkeit haben, denen können wir demnächst – und das ist richtig so – den deutschen Pass entziehen. ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Middelberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD?

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, an dieser Stelle gestatte ich sie nicht, Herr Präsident. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Sie möchten sie zulassen?

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich gestatte sie nicht.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nicht.

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Thema Kriminalität bzw. Straftaten. Wir haben die beste Bilanz seit 29 Jahren. Das Niveau der Straftaten in Deutschland ist so weit zurückgegangen, und es sinkt kontinuierlich weiter, auch gerade in den letzten Jahren, dass wir den Status von vor 29 Jahren erreicht haben. Das, finde ich, ist wirklich eine bemerkenswerte Leistung. Und – darauf hat der Kollege Hartmann eben schon hingewiesen –: Wir haben ganz konsequent Personal aufgebaut, gerade bei den Sicherheitsbehörden: insgesamt im Feld des Bundesinnenministeriums um 16 500 Stellen, bei den Bundessicherheitsbehörden um 7 500 Stellen, insbesondere beim BKA und auch beim Verfassungsschutz. Ich glaube, das ist ein ganz besonderes Verdienst dieses Bundesinnenministers. ({0}) Thema Waffenrecht. Auch das Waffenrecht haben wir verschärft. Es gibt demnächst die Regelabfrage, und die bewirkt vor allen Dingen, dass Extremisten künftig nicht in den Besitz von Waffen gelangen. Ich sage Ihnen aber auch ganz ehrlich – das ist bisher nicht angesprochen worden –: Wir haben uns jetzt viel über Extremismus und die daraus resultierenden Probleme unterhalten. Aber wenn wir ehrlich sind, können wir das nicht nur lösen mit „mehr Personal“. Alleine damit ist es nicht getan, sondern wir müssen auch ganz konkret über Kompetenzen reden. Die Polizei und unsere Sicherheitsbehörden, auch der Verfassungsschutz, müssen dann auch die Möglichkeiten haben, terroristische oder extremistische Netzwerke aufzudecken. Und auch wenn wir solche Netzwerke bei der Polizei haben – beispielsweise die jüngsten Fälle in Nordrhein-Westfalen oder jetzt woanders –, dann geht es, wie Sie gehört haben, um Chats in WhatsApp-Gruppen. Die haben wir bisher irgendwie per Zufallsprinzip entdeckt. Wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir bei der Beratung über das Gesetz für den Bundesverfassungsschutz auch klar Stellung zu der Frage beziehen: Wir brauchen eine Quellen-TKÜ, und wir brauchen auch die Onlinedurchsuchung, sonst werden wir bei diesen Themen nicht effizient weiterkommen. ({1}) Wenn Sie bei Verdachtsmomenten heute schon ein Telefon abhören dürfen, ganze Gesprächsinhalte verfolgen dürfen, wenn Sie SMS-Verkehr checken können, dann frage ich mich: Wie blöd sind wir eigentlich, dass wir nicht mit der Technik mitgehen, uns der Technik anpassen, statt jetzt zu sagen: „Natürlich wollen wir auch auf WhatsApp-Verkehr zugreifen können“? So. ({2}) Letzter Punkt. Das mache ich Ihnen auch an einem viel drastischeren Beispiel deutlich: Kinderpornografie. Da echauffieren wir uns alle, und zwar völlig zu Recht; wir sind zutiefst empört. Da geht es um die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Wir bringen es aber nicht fertig, in diesem Kontext ehrlich über das Thema Vorratsdatenspeicherung zu sprechen. ({3}) – Das ist der entscheidende Schlüssel, Herr Kollege Kuhle. ({4}) – Ja, aber Sie sind doch dagegen; Sie kriegen es ja nicht geregelt. Sie kapieren es ja nicht. ({5}) Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Sie müssen an diese Internetverbindungen ran, ({6}) sonst können Sie das Netzwerk von Kinderpornografieverbrechern nicht aufklären. Sie verhindern das. Das sage ich Ihnen ganz deutlich. ({7}) An dieser Stelle wird sehr deutlich, wer es ernst meint mit dem Schutz der Kinder. Wer Kinderpornografienetzwerke aushebeln will, der braucht die Mindestspeicherfristen, der braucht den Zugriff auf den Austausch dieser Personen im Internet.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Middelberg, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Die Redezeit ist vorüber. Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort dem Kollegen René Springer, AfD.

René Springer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004900, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Dr. Middelberg, Sie sprachen eingangs davon, dass Sie sich eingesetzt hätten für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das das Ergebnis einer langen Debatte gewesen sei, und dass dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetz gezielt Fachkräfte anwerben möchte für unseren Arbeitsmarkt. Was Sie nicht gesagt haben, ist, dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch Menschen anwirbt, die hier eine Berufsausbildung machen sollen. Meines Erachtens sind das keine Fachkräfte, sondern höchstens Ausbildungssuchende. Aber das war nur eine kleine korrigierende Anmerkung zu Ihrem Beitrag. Ich habe auch eine Frage an Sie. Momentan haben wir coronabedingt 600 000 Arbeitslose mehr. Wir sehen eine Insolvenzwelle auf uns zukommen. Wir haben 5 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Die Frage ist: Warum werben Sie in einer solchen Situation, in der Menschen hier ihren Job verloren haben und darauf hoffen, in den Job zurückzukehren – und wir alle sollten daran arbeiten, dass diese Menschen schnell wieder in einen Job zurückkehren –, ausländische Fachkräfte an? Das ist eine direkte Frage an Sie. Und: Sollte es nicht unser aller Aufgabe sein, in dieser schwierigen Situation dafür Sorge zu tragen, dass inländische Fachkräfte zuerst wieder in den Job zurückkommen? Vielen Dank. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Middelberg, Sie dürfen antworten.

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will gerne darauf eingehen und Ihnen antworten. Zunächst einmal habe ich nichts verschwiegen, was die Anwerbung von Auszubildenden angeht. Das machen wir ganz bewusst so, und das zeigt ja auch, dass dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetz kein eng gezogenes Gesetz ist, sondern dass wir durchaus willens sind, Leute ins Land zu holen, die bereit sind, Ausbildungen zu machen, die bei uns nicht so gerne gewählt werden. Dafür werben wir auch Leute aus dem Ausland an; und das finde ich auch richtig so, um es ganz deutlich zu sagen. Ich finde im Übrigen auch richtig – Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass unser Arbeitsmarkt problematischer wird; das war völlig in Ordnung –: Wir müssen weiter daran arbeiten, dass wir diejenigen qualifizieren und in Arbeit bringen, die hier bei uns noch arbeitslos sind. Das gilt auch für Flüchtlinge und andere, die zu uns gekommen sind. Wir müssen sie noch integrieren; das ist völlig richtig. Trotzdem haben wir in einzelnen und sehr speziellen Bereichen – ich hatte gerade schon den IT-Sektor angesprochen – noch Mangel. ({0}) Sprechen Sie beispielsweise in meinem Bundesland Niedersachsen mal mit VW über die Probleme, die es dort gab, um beispielsweise den Golf 6 oder den ID.3 an den Start zu bringen. Denen fehlen ganz massiv IT-Fachkräfte. Das ist das, was sie an uns herantransportieren. Deswegen – ich könnte auch noch andere Bereiche nennen – brauchen wir in bestimmten Feldern qualifizierte Zuwanderung, und deswegen ist es richtig, dass wir dieses Gesetz beschlossen haben. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Marcus Bühl, AfD. ({0})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer an den Bildschirmen! Wir beraten in den nächsten Wochen über den Haushaltsplan für den Bereich Inneres, Bau und Heimat. Baustellen gibt es in der Tat viele. Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich jedoch mit einem Dank beginnen: Einen herzlichen Dank an unsere Polizei- und Rettungskräfte für ihre tägliche, oft schwierige Arbeit für unser Land! ({0}) Immer häufiger sind unsere uniformierten Polizei- und Rettungskräfte mit Übergriffen und Respektlosigkeit konfrontiert. ({1}) Gewalt gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte muss konsequent und mit allen Mitteln des Rechtsstaates begegnet werden. ({2}) Die Sicherheitskräfte stehen mit ihrer täglichen Arbeit dafür ein, dass Menschen in Not geholfen und die Sicherheit unserer Gesellschaft gewahrt wird. Wir unterstützen das ganz ausdrücklich. ({3}) Bei allen öffentlichen Bekundungen der Koalition, wie viel für die innere Sicherheit getan wird, zeigt jedoch die Realität häufig ein anderes Bild. 7 500 zusätzliche Stellen für die Sicherheitsbehörden des Bundes sollen im Haushaltsentwurf geschaffen werden. Auf den ersten Blick eine gute Sache, aber zuerst kommt die Ausbildung, und erst in drei Jahren die eigentliche Verstärkung. Und: Jährlich geht auch ein beträchtlicher Teil in den Ruhestand. Wirft man einen zweiten Blick in den Stellenplan, zum Beispiel bei der Bundespolizei, so sieht man, dass zum 1. Juni 2020 im Iststand über 8 000 Polizeibeamte zum Soll 2020 und über 9 000 Polizeibeamte zum Ziel 2021 fehlen. Es zeigt sich: Anspruch und Wirklichkeit stimmen oft nicht überein. ({4}) So sinkt in der Praxis die Anzahl der Bestreifungen. Überstunden und Frust werden somit aufgebaut. Die Neueinstellungen sind wichtig und richtig, aber sie können nicht über die Versäumnisse der Bundesregierung in den vergangenen Jahren hinwegtäuschen. Herr Minister Seehofer, wir müssen noch einmal über den Flugdienst der Bundespolizei sprechen. In den Haushaltsberatungen für 2020 hatten wir die Umflottung der Transporthubschrauber in den nächsten zehn Jahren beschlossen, und Sie hatten bis Ende Mai dieses Jahres das notwendige Konzept dazu versprochen. Die Bundespolizei hatte bereits Ende Januar dieses Konzept erstellt. Uns liegt aber bisher lediglich ein Zwischenbericht vor, gemäß dem es pandemiebedingt zu Verzögerungen kommt und noch Abstimmungsbedarf besteht. Da stellen sich natürlich Fragen. Ich frage mich: Welche Kräfte und Interessen wirken hier im Hintergrund? Vielleicht sogar Interessen potenzieller Lieferanten? Ich hoffe, Herr Minister, dass wir im Berichterstattergespräch die Möglichkeit haben, diese Thematik ausführlich zu erörtern. Auch hier das Thema Stellen. Der Flugdienst benötigt 250 neue Dienstposten, um den derzeitigen Flugbetrieb zu konsolidieren. Was mich jedoch bei meinem letzten Besuch in Sankt Augustin erstaunt hat, ist die Tatsache, dass man bei einem Transporthubschrauber bis zu 18 Monate auf die Lieferung eines Ersatzscheibenwischers wartet. Kurzum: Es besteht überhaupt kein Anlass, sich zurückzulehnen oder gar mit dem Haushaltsentwurf zufrieden zu sein. Die Investitionen in die innere Sicherheit müssen weiter gesteigert werden. Hierfür werden wir uns bei den kommenden Beratungen einsetzen. Allerdings, Herr Minister Seehofer: Mehr Beamte und besseres Material können nur dann gegen gestiegene Kriminalität und zum Schutz gegen illegale Einwanderung eingesetzt werden, wenn auch der politische Wille und die Rückendeckung aus Politik und Justiz vorhanden sind. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Bernhard Daldrup, SPD. ({0})

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn eine Bemerkung zur Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung mache. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass gestern die Kanzlerin bei ihrer Rede darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in ganz Deutschland eine Aufgabe dieser Regierung ist. ({0}) – In der Tat, das ist wahr. Deswegen kann man ja daran erinnern. Darauf muss man viele mal aufmerksam machen. ({1}) – Das ist gut, dass Sie das auch gelesen haben. ({2}) Es geht also nicht nur um den Ausgleich, sondern es geht auch darum, dass die Kommunen perspektivisch gute Chancen für die Zukunft haben, und zwar dort, wo die Menschen gerne leben – in ihrer Heimat im besten Sinne. Und weil diese Heimat durch Corona an verschiedenen Stellen bedroht ist, müssen wir die Verletzlichkeit unserer Kommunen reduzieren, ihre Widerstandskraft stärken. Darauf haben gestern auch Toni Hofreiter und andere aufmerksam gemacht. Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes beispielsweise, Förderung von Krankenhäusern, Erhalt der Handlungsfähigkeit durch Ersatz bei der Gewerbesteuer oder Ausgleich von Sozialkosten, jetzt dauerhaft 3,5 Milliarden Euro – all das sind Maßnahmen, die außerordentlich hilfreich und außerordentlich gut sind; sie gehören zu der wirklich hervorragenden Bilanz an dieser Stelle. ({3}) Aber wenn für die Kommunen in der Zukunft gleiche Chancen bestehen sollen, dann müssen wir auch den Schritt tun, die Ausgangslagen überall zu verbessern, und das geht nicht anders, als sich auch mit der Altschuldenfrage zu beschäftigen und eine Lösung hierfür zu finden. Ich weiß, Herr Seehofer, auch Sie hegen dafür Sympathie. Dagegen kann man nicht mit Zahlenkolonnen und Zuständigkeiten der Länder argumentieren. Ich sage Ihnen ganz offen: Herr Laschet wird das nicht schaffen. ({4}) Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit – davon ist in diesem Einzelplan viel die Rede. Städtebauförderung und soziale Integration kommen auf round about 1 Milliarde Euro. Diese Mittel werden übrigens sehr wohl in Anspruch genommen. Ober beispielsweise der Investitionspakt Sportstätten mit 106 Millionen im nächsten Jahr; für die Erneuerung von Einrichtungen der Sport-, Jugend- und Kulturförderung sind auch wieder 96 Millionen vorgesehen; insgesamt sind es 700 Millionen Euro. Diese Mittel werden sehr wohl in Anspruch genommen. Man muss an dieser Stelle sagen: Das ist eigentlich gar nicht die Aufgabe des Bundes, sondern das ist eine zusätzliche Hilfestellung für die Kommunen. ({5}) Und das ist eine ausgesprochen vernünftige und sinnvolle Angelegenheit, für die 700 Millionen Euro angesetzt sind. Für das Modellprojekt Smart Cities zukünftig 500 Millionen Euro. Das Programm „Altersgerecht Umbauen“ ist aufgestockt worden. An dieser Stelle ist auch die kontinuierliche Anpassung des Wohngeldes als eine große Errungenschaft zu nennen. Ich möchte jetzt auch hier über das Thema Wohnen sprechen. Eine Wohnwende beschließen, ist relativ flott gemacht; sie jedoch umzusetzen, dauert. Das ist nun mal so, weil es um Kubikmeter umbauten Raums geht. Vor gut zwei Jahren – Stichwort: Wohngipfel – haben Bund, Länder und Kommunen ein umfassendes Maßnahmenprogramm für bezahlbaren Wohnungsbau in Deutschland geschnürt. 5 Milliarden Euro für die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus sind nicht wenig, aber perspektivisch ist es zu wenig; das ist überhaupt keine Frage. Um es perspektivisch zu sichern, mussten wir das Grundgesetz extra so ändern, dass die Länder diese Mittel – und zwar alle – tatsächlich auch dafür verwenden. Eine eher traurige Nebenerscheinung dieses Vorganges, finde ich jedenfalls. ({6}) Zum Baukindergeld ist bereits gesagt worden, dass 260 000 Familien es beantragt haben. Mehr als 60 Prozent davon haben ein durchschnittlich zu versteuerndes Haushaltseinkommen von maximal 40 000 Euro jährlich. Wir sind sehr damit einverstanden und haben selbst angeregt, den Förderzeitraum um drei Monate zu verlängern; eine vernünftige Angelegenheit. Ich weiß, die FDP mag dieses Baukindergeld nicht; wir sagen es einfach weiter. ({7}) Wir können ein ganz positives Fazit dieser Arbeit ziehen: Stärkung des sozialen Wohnungsbaus, Baukindergeld, Städtebauförderung. Sonderabschreibungen sind eben auch noch mal genannt worden. Ebenso sind das andere Verhalten der BImA und die Reform der Grundsteuer zu nennen. Das ist ein ganzer Strauß von Maßnahmen. Dazu gehört auch die Novelle des Baugesetzbuches; das muss man an dieser Stelle sagen. Rund 1,5 Millionen Wohnungen fehlen. Die Bilanz nach drei, vier Jahren mit durchschnittlich 300 000 Wohnungen plus 700 000 Bauüberhängen zeigt: Es ist in der Tat wahr, dass das Ziel der 1,5 Millionen Wohnungen erreicht werden kann. Das ist eine gute Bilanz. Mit Geld kann viel erreicht werden; das Ziel scheint erreichbar. ({8}) Es gibt aber zwei Steuerungsmittel: Neben dem Geld gibt es das Recht. Beim Thema Recht müssen wir berücksichtigen, dass die Baulandkommission 2018 eingerichtet worden ist. Sie hat sehr viele Vorschläge gemacht, um die Dinge, die auf dem Wohnungsmarkt und im Baubereich insgesamt schieflaufen, zu korrigieren. ({9}) 2019 hat sie einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der relativ gut umsetzbar ist. Wir müssen allerdings noch mal ausdrücklich sagen, dass der daraus entstandene Referentenentwurf, Herr Minister, den Sie mit dem Vizekanzler vereinbart haben, von Ihnen in Teilen wieder zurückgezogen worden ist. Sie sind eingeknickt. Vor drei Tagen wurde ein aktualisierter Entwurf ohne Einschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ({10}) und ohne den vereinbarten Kompromiss zum Baugebot auf den Weg gebracht. Das geht nicht, das muss korrigiert werden. ({11}) Ich bin sehr gespannt, Herr Minister, auf Ihr Angebot, das Sie eben angekündigt haben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe noch viele andere Punkte, die ich nicht mehr ansprechen kann. – Wir wollen, Herr Minister, keinen Bauminister haben, der sozusagen ohne Baugesetzbuch seine Amtszeit beendet. Deswegen sind wir auf Ihr Angebot sehr gespannt und hoffen, dass es eine einvernehmliche Lösung noch geben kann. Dafür müssen Sie sich aber anstrengen. Danke schön. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Konstantin Kuhle, FDP, hat jetzt das Wort. ({0})

Konstantin Kuhle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004796, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Erstes muss ich was zum Kollegen Middelberg und zur Vorratsdatenspeicherung sagen. ({0}) Ich würde mir ja wünschen, dass die FDP es ist, die die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland verhindert. Aber es ist gar nicht die FDP, es sind Verfassungsgerichte und die Grundrechte auf europäischer und auf deutscher Ebene, die die Vorratsdatenspeicherung verhindern. ({1}) Lieber Kollege Middelberg, wenn die Vorratsdatenspeicherung erforderlich wäre, um gegen Kinderpornografie vorzugehen: Wie hätte man denn dann die Fälle von Lügde und Bergisch-Gladbach aufklären können? Da liegt es doch an der Ausstattung der Polizei, an der Ausstattung der Sicherheitsbehörden, ({2}) dass man nicht vorangekommen ist. Deswegen ist das hier eine Nebelkerze, die Sie gezündet haben, eine Nebelkerze, mit der Sie wiederum offenbaren, was das Selbstverständnis der Konservativen, was das Selbstverständnis der Union beim Thema „innere Sicherheit“ ist.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Middelberg?

Konstantin Kuhle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004796, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, warum eigentlich nicht? ({0}) – Ja, ist doch gut.

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich mach es auch ganz kurz. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Middelberg zu einer Zwischenfrage, mit der der Kollege Kuhle einverstanden ist.

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Herzlichen Dank, Herr Kollege Kuhle. – Nehmen Sie denn zur Kenntnis, Herr Kollege Kuhle, dass das BKA uns berichtet, dass in 6 000 Fällen – in 6 000 Fällen! – die Ermittlungen zum Ende gekommen sind und keine weiteren Beteiligten oder Betroffenen mehr ermittelt werden konnten, weil in den konkreten Fällen die Internetverbindungsdaten von den Providern schon gelöscht waren? Nehmen Sie diesen Fakt zur Kenntnis? Dadurch haben wir die Chance versäumt, sehr viele mögliche Täter weiter zu ermitteln. ({0})

Konstantin Kuhle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004796, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Kollege Middelberg, das nehme ich sehr gerne zur Kenntnis und möchte Sie darauf hinweisen, dass schon vor fast 10 Jahren die Freien Demokraten in diesem Haus einen Gesetzentwurf zum Thema „Quick Freeze“ vorgelegt haben, mit dem es möglich ist, Daten von Tatverdächtigen für eine bestimmte Zeit einzufrieren und dann darauf zuzugreifen. Das Problem ist doch nicht, dass es hier im Haus nicht eine große Mehrheit über die Regierungskoalition hinaus gibt, die darüber sprechen möchte, wie man die Täter im Bereich Kinderpornografie auch durch Datenspeicherung dingfest machen kann. Das Problem ist doch, dass die Maximalposition der Union seit Jahren und Jahrzehnten eine strukturierte und eine moderate Lösung im Bereich der Datenspeicherung verhindert, ({0}) weil Sie wieder und wieder vor den Verfassungsgerichten in Luxemburg und in Karlsruhe scheitern; immer wieder. Sie sind damit mehrfach vor die Wand gelaufen. Deswegen nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass der Ball in Ihrem Feld liegt und dass Sie – damit komme ich zum Ausgangspunkt zurück – sich in dieser Frage so gerieren, wie sich auch der Bundesinnenminister im Bereich der inneren Sicherheit begreift, nämlich lediglich als Zeremonienmeister politischer Debatten im Bereich der inneren Sicherheit. ({1}) Hier ein schneidiges Interview, da eine Strafanzeige gegen Journalisten – politische Führung sähe anders aus. Aber die Frage ist doch: Was ist eigentlich die Aufgabe des Bundes in unserem föderalen Sicherheitsverbund? In unserem föderalen Sicherheitsverbund ist die Aufgabe des Bundes politische Führung und Moderation, auch das Zusammentragen von Informationen und von Daten. Dazu will ich Ihnen gerne einige Beispiele nennen, bei denen das überhaupt nicht läuft. Erstes Beispiel: Musterpolizeigesetz. Es gab eine große Ankündigung im Koalitionsvertrag. Respekt, Dank und Anerkennung für die Polizei zeigt sich nicht nur durch eine gute Ausstattung, sondern auch durch verlässliche Rechtsgrundlagen. Deswegen gibt es im Koalitionsvertrag den Plan eines Musterpolizeigesetzes. Letzte Woche hat das Bundesinnenministerium dieses zentrale Wahlkampfversprechen der Union sang- und klanglos abgeräumt. Es wird in dieser Legislaturperiode kein Musterpolizeigesetz geben. ({2}) Das ist eine schlechte Nachricht für die Polizeibeamten, die sich darauf verlassen haben. Und es ist auch eine verpasste Chance, um diese Debatte im Bereich Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung zu befrieden mit einer Verlässlichkeit für alle Länderpolizeien. Zweites Beispiel: das Thema Rechtsextremismus. Wir haben eine Diskussion über ein Lagebild Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst. Es ist eine Frechheit, dass dieses Lagebild erst Monate zu spät kommt, es dann der Öffentlichkeit vorgestellt wird, aber dem Parlament noch nicht vorliegt. Legen Sie dieses Lagebild Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst bitte auch dem Parlament vor, und lassen Sie uns auch darüber sprechen, wie wir auf dieser Grundlage weiterarbeiten. Meine Damen und Herren, ein drittes Beispiel ist die Tatsache, dass immer weniger Polizeilagen von einer Landespolizei alleine gelöst werden können. Auch das ist eine Frage von Respekt und Anerkennung. Statt mal mit den Bereitschaftspolizeien der Länder darüber zu sprechen, wie man da vorankommen kann, schaffen Sie den Bericht des Inspekteurs der Bereitschaftspolizeien der Länder ab. Es werden also weniger Daten und Informationen zusammengetragen. Weniger Dialog, weniger Transparenz: Das ist nicht politische Führung, sondern das ist ein Zukleistern einer politischen Debatte, was wir überhaupt nicht gebrauchen können. Ein letztes Beispiel. Kollege Middelberg, ich versuche schon seit Monaten, herauszufinden, wie viele qualifizierte Fachkräfte denn jetzt eigentlich zusätzlich durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz nach Deutschland gekommen sind. Da heißt es immer: „Ja, wegen Corona ist das schwierig“, oder: In den Auslandsvertretungen läuft es mit der Digitalisierung nicht so. – Das ist eine reine Nebelkerze. Dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Sie zusammen mit den Sozialdemokraten vorgelegt haben, ist Pillepalle und hilft an keiner Stelle weiter. ({3}) Wir brauchen ein wirkliches Einwanderungsgesetz, und wir brauchen auch im föderalen Verbund ein Innenministerium, das bei der Anwendung dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vorangeht und verbindliche Vorgaben erlässt, damit mehr Fachkräfte nach Deutschland kommen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege.

Konstantin Kuhle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004796, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Insgesamt brauchen wir mehr klare Lösungen und weniger bloße Debatten. Vielen Dank. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Dr. André Hahn, Die Linke. ({0})

Dr. André Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004288, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich 2018 erstmals zu einem Haushalt gesprochen habe, den Horst Seehofer zu verantworten hatte, habe ich mir nach seinen diversen Pannen und Fehlgriffen nicht vorstellen können, dass dieser Innenminister heute immer noch im Amt ist. Mancher mag das als Stehvermögen bewerten. ({0}) Unserem Land hat es definitiv nicht gutgetan. ({1}) Immer öfter und immer dreister bedrohen Rechtsextremisten engagierte Bürgerinnen und Bürger sowie Politikerinnen und Politiker. Rechtsradikale ziehen mit Reichskriegsflaggen durch Berlin und versuchen scheinbar nebenbei, den Reichstag zu stürmen. Und während der Verfassungsschutz noch feinsinnig zwischen dem „Flügel“ und dem Rest der AfD zu unterscheiden versucht, was außerhalb dieser Behörde niemand versteht, beschäftigte ebendiese Partei hier im Bundestag einen Pressesprecher, der Migrantinnen und Migranten erschießen oder vergasen lassen möchte. „Ein Hauch von Weimar liegt über der Republik“, warnt der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum. Ich frage mich: Wann erkennt der aktuelle Innenminister die Zeichen der Zeit und macht endlich seine Hausaufgaben? ({2}) Hier ist nicht nur die Polizei gefordert. Ich betone aber auch heute: Der weit überwiegende Teil der Polizistinnen und Polizisten in unserem Land erledigt seine Arbeit kompetent und gewissenhaft. Aber wenn fast im Wochentakt rechte Netzwerke bei der Polizei auffliegen, wenn von Polizeicomputern Daten von Personen abgefragt werden, die dann mit rechtsextremen E-Mails bedroht werden, dann habe ich keinerlei Verständnis dafür, dass sich Horst Seehofer einer wissenschaftlichen Studie zu rechten Tendenzen und strukturellem Rassismus in Teilen der Polizei noch immer verweigert. ({3}) Meine Damen und Herren, die Coronapandemie ist nicht nur eine gesundheitliche Herausforderung, sie ist auch eine Bewährungsprobe für die Demokratie. Und dass Horst Seehofer über Monate völlig abtaucht, wenn im Zuge der Coronamaßnahmen grundlegende Bürgerrechte massiv eingeschränkt werden, ist völlig inakzeptabel. Das Grundgesetz gilt nach wie vor, und die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns darf auch in Pandemiezeiten nicht ausgehebelt werden. ({4}) Zur Flüchtlingspolitik ist heute schon einiges gesagt worden. Nach dem Brand im Lager von Moria wollte Herr Seehofer zunächst gerade einmal 150 Menschen von dort aufnehmen. Das war nicht christlich, sondern erbärmlich. ({5}) Wir als Linke sagen: Geben Sie endlich Ihre Blockadehaltung auf, und erlauben Sie den aufnahmebereiten Kommunen und Bundesländern, Asylsuchende von den griechischen Inseln zu evakuieren und ihnen hier eine Perspektive zu geben. ({6}) Auch beim Katastrophenschutz hat das Innenministerium versagt; ich erinnere an den jüngsten Totalausfall beim bundesweiten Warntag. In einer echten Notsituation hätte das Unvermögen des dem Innenministerium unterstellten Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die Bevölkerung über Apps und Sirenen rechtzeitig zu warnen, womöglich lebensbedrohliche Folgen gehabt. ({7}) Auch im Sportbereich hat der Minister nicht geliefert. Er präsentiert im Haushalt allenfalls Mogelpackungen. Großspurig haben Sie, Herr Seehofer, Ende 2019 auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes einen Goldenen Plan zur Sanierung von Sportstätten angekündigt. Angesichts dessen, dass wir hier einen Sanierungsstau von über 30 Milliarden Euro haben – 30 Milliarden! –, ist offenkundig, dass man mit 160 Millionen Euro, die jetzt zusätzlich vorgesehen sind, keine nachhaltigen Veränderungen erreichen kann. ({8}) Die Linke hat deshalb einen Antrag vorgelegt, wonach der Bund zehn Jahre lang jeweils 1 Milliarde Euro für die Sanierung und den Neubau von Sportstätten sowie Schwimmbädern bereitstellen soll. Das wäre eine echte Hilfe für den Sport in unserem Land. ({9}) Ein abschließendes Fazit: 15 Jahre mit Innenministern aus den Reihen der Union sind wirklich genug. Bei den kommenden Bundestagswahlen besteht die Chance für einen grundlegenden Wechsel. Die Bürgerinnen und Bürger haben es in der Hand. ({10})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie unter einem Brennglas sieht man in der Coronapandemie die Krisen unserer Zeit – auch beim Bauen und beim Wohnen. Die Mietenexplosion der letzten Jahre hat zu brutalen sozialen Verwerfungen geführt. Die Einkommen sinken aufgrund der Coronapandemie gerade; aber die Mieten stagnieren oder steigen in den großen Ballungsräumen sogar. Sprich: Die soziale Schere der letzten Jahre geht weiter auseinander. In vielen Innenstädten, vor allem in vielen Mittelstädten, veröden die Fußgängerzonen, die Marktplätze stehen leer, und die Kaufhäuser werden leergeräumt. Der Onlinehandel nimmt zu, und Corona führt in dieser Situation zu einer Brandbeschleunigung. Dieser Haushalt gibt auf diese beiden großen Herausforderungen bzw. Probleme der Bau- und Wohnungspolitik keine Antworten. ({0}) Minus 81 000 Sozialwohnungen in den letzten zwei Jahren, Herr Seehofer – –

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gerne.

Klaus Mindrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004354, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Kollege Kühn, Sie haben die Situation richtig beschrieben; sie ist sehr dramatisch. Ich möchte noch mal daran erinnern, dass auch adressiert worden ist, dass das Thema der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ein großes und wichtiges Thema ist. Denn in dieser Situation gibt es eine Abweichung von dem, was in Deutschland normalerweise der Fall ist: Normalerweise schließt man in Deutschland einen Wohnungsmietvertrag auf Dauer ab; er ist eigentlich nicht kündbar. Deswegen sind wir ein Vermieterland und ein Mieterland. Der Wohngipfel bei der Bundeskanzlerin hat im Jahr 2018 beschlossen: Der Bund strebt an, unter Einbeziehung von Ländern und Kommunen die Möglichkeiten zu reduzieren, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Ausnahmen sollen nur in Einzelfällen geltend gemacht werden dürfen. Das stand dann auch im Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Seehofer. Dann gab es eine Stellungnahme des Landes Baden-Württemberg vom 3. Juli 2020. Sie haben das ja richtig beschrieben, und meines Wissens stellen Sie in dem Land sogar den Ministerpräsidenten. In dieser Stellungnahme steht drin: Einer massiven Ausweitung des Anwendungsbereichs der Umwandlungsgenehmigung bedarf es daher nicht zur Sicherstellung des notwendigen Mieterschutzes. ({0}) Jetzt gibt es Kollegen aus der Union, die per Twitter behaupten, dass Sie es geschafft hätten, dass der Umwandlungsschutz, der Schutz von Hunderttausenden von Menschen, aus dem Gesetz herausgeflogen ist. Andere sagen: Das geht zurück auf Schwarz-Grün in Baden-Württemberg. – Was sagen Sie zu dieser Unterstellung? Danke schön. ({1})

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Kollege Mindrup, ich beantworte sehr gern Ihre Frage. Ich habe zwei Antworten darauf. ({0}) Die erste Antwort ist: Wir werden hier im Plenum als Grüne in den nächsten Monaten immer wieder erleben, dass Sie uns sozusagen das Handeln oder das vermeintliche Handeln unserer grünen Kolleginnen und Kollegen in den Bundesländern und in den Kommunen vorhalten – ({1}) wahrheitswidrig, oft auch die Tatsachen verdrehend –, weil es Ihnen im Augenblick taktisch in den Kram passt, ({2}) um von Ihrem eigenen Versagen hier im Deutschen Bundestag abzulenken. ({3}) Denn Sie sind reihenweise in der Bau- und Wohnungspolitik ({4}) von Herrn Seehofer, aber auch von der ganzen Union – hier sitzen einige Kollegen – über den Tisch gezogen worden. – Das ist die erste Antwort. Jetzt zur zweiten Antwort. Herr Mindrup, mich wundert schon, dass Sie sich als Mitglied dieses Hohen Hauses anscheinend nicht richtig über die Verfahren im Bundesrat informiert haben. Denn diese Stellungnahme, die Sie zitieren, ist eine Stellungnahme des Bauausschusses des Bundesrates. In diesem Ausschuss des Bundesrates gilt das Ressortprinzip; das ist so. Für den Bundesrat selbst gilt es nicht; da müssen die Stellungnahmen durchs Kabinett, Herr Mindrup. Das müssen Sie wissen. ({5}) Deswegen ist es so, dass die Kollegin Hoffmeister-Kraut von der CDU, die Bauministerin Baden-Württembergs, mit solchen Stellungnahmen freie Hand hat. Das ist so. ({6}) – Nein, das hat überhaupt nichts mit dem Bundeskabinett zu tun, sondern es ist im Bundesrat so. Ich rate der SPD, sich wirklich mal mit diesen Fragen auseinanderzusetzen oder den Kollegen Nils Schmid, der in Ihren Reihen sitzt und Vizeministerpräsident von Baden-Württemberg war, zu fragen, wie die Verfahren im Bundesrat ablaufen. Dass Sie uns nun eine Stellungnahme eines einzelnen Hauses in diesem Verfahren vorhalten, halte ich für unterirdisch. Ich sage Ihnen eins: Das ist einfach eine Verdrehung von Tatsachen, nichts anderes, weil Sie im Augenblick blank dastehen. ({7})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

So, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist jetzt abschließend geklärt, auch wie die Zuständigkeiten – – ({0}) – Nein, das war ja auch für die kommenden Debatten bis zum Ende dieser Legislaturperiode ein ganz wichtiger Hinweis. Der wird uns vielleicht manche Zwischenfrage in der Zukunft ersparen. ({1}) Ich danke Ihnen sehr. Sie haben weiter das Wort.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Schäuble, dass Sie mir da auch zusprechen. Minus 81 000 Sozialwohnungen – ich hatte es gesagt –: Das ist eine Negativspirale beim sozialen Wohnungsbau. Dass auch die SPD es nicht geschafft hat, gemeinsam mit der Union diese Negativspirale zu durchbrechen, die sich immer schneller dreht, ist eines der Dramen der Bau- und Wohnungspolitik unserer Zeit. ({0}) In den Mittelstädten – ich habe es gesagt – veröden die Fußgängerzonen. Und wenn ich mir anschaue, was nun baupolitisch passiert, dann stelle ich fest: Darauf gibt es in diesem Haushalt keine Antworten. Sie haben in den letzten 13 Jahren so viel Geld in den sozialen Wohnungsbau investiert, wie Sie in dieser Legislaturperiode für das Baukindergeld ausgeben. Das ist eine völlig falsche Prioritätensetzung. ({1}) Und dass Herr Ziemiak beim Baukindergeld noch was obendrauf legen will, hat mehr mit Wahlkampfgetöse zu tun als mit einer realen Baupolitik und einer Lösung der Probleme, die die Menschen auf den Wohnungsmärkten heute haben. ({2}) Herr Seehofer, Sie haben gesagt: Super, wir haben 740 000 Bauüberhänge! – Ja, dann tun Sie als Bauminister doch mal was dafür, dass die abgearbeitet werden. Lösen Sie die Engpässe in der Bauwirtschaft, zeigen Sie der Bauwirtschaft mal einen Weg, damit sie weiß: Wir können in den nächsten Jahren Leute einstellen und vorangehen. – Diese 740 000 Überhänge sind ein Zeichen dafür, dass in der Bauwirtschaft was nicht stimmt; darum müssen Sie sich kümmern. ({3}) Ihr Versprechen, 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen, werden Sie nie halten; da können Sie noch so oft diese Zahl nennen. Die Zahlen sprechen für sich. Sie sind als Bauminister gescheitert, und da können Sie noch so viel schmunzeln, auf Ihr Handy schauen, Broschüren drucken, Kommissionen einberufen, den Wohngipfel – jetzt wieder im Februar – mit einer Hochglanzveranstaltung abfeiern. Die Zahlen zeigen ganz klar: Sie sind als Bauminister gescheitert. Die Bodenpreise sind zum Beispiel in München in den letzten zehn Jahren um 300 Prozent gestiegen. Diese Bodenwertsteigerung kriegen Sie nicht in den Griff. Wenn ich dann vom Kollegen Daldrup höre, dass jetzt nicht nur der Milieuschutz aus der Baugesetzbuchnovelle gestrichen ist, sondern auch noch die Baugebote: Ja, wie sollen die Kommunen denn diese Inflation bei den Bodenpreisen bekämpfen, wenn nicht mit Baugeboten? Das geht mir nicht ins Hirn. Sie machen nichts gegen die Krisen in diesem Land, und deswegen sind Sie als Bauminister auch gescheitert. ({4}) Jetzt komme ich zum Milieuschutz, weil mir das ein Anliegen ist. Das wäre eine wirklich wichtige Maßnahme, um die Krise in den großen Städten in den Griff zu kriegen. Dass die Kollegen der Union an dieser Stelle so blockieren, finde ich schäbig. Ich möchte da auch Herrn Wegner direkt ansprechen. ({5}) Wenn wir uns anhand der Zahlen für Berlin mal anschauen, um was es geht, dann sehen wir, dass in den letzten Jahren 10 000 Mietwohnungen in Berlin in Eigentumswohnungen umgewandelt worden sind. Davon wurden 450 an die Mieterinnen und Mieter verkauft. Ich frage Sie: Was ist mit den 9 550 Mieterinnen und Mietern, die keinen Bock darauf hatten, dass ihre Mietwohnung umgewandelt wird? Sie sind auf der Straße, sie verlieren ihre Wohnungen, sie haben Mietsteigerungen zu erwarten. Das ist sozusagen Ihre Schuld. Deswegen schaden Sie mit Ihrer Politik hier im Hohen Haus, Herr Wegner, ganz konkret dem Land Berlin und der Stadt Berlin. ({6})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Kühn, die Redezeit ist zu Ende. Wenn Sie bitte zum Schluss kommen.

Christian Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004333, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bei Ihnen stimmt nichts mehr im Bausektor und im Baubereich. Zur Heimat haben Sie selber kein Wort verloren, weil Sie da nichts auf die Reihe bringen. Deswegen würde ich sagen: Es braucht einen Neuanfang in der Baupolitik. Und den schafft man nicht mit Hochglanzbroschüren und auch nicht mit dem zweiten Wohngipfel. Danke schön. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Josef Oster, CDU/CSU. ({0})

Josef Oster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004845, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Freiheit und Sicherheit sind für mich zwei Aspekte, die untrennbar miteinander verbunden sind. In einem freien Land muss der Staat für ein sicheres Umfeld sorgen, und dabei spielt unsere Polizei eine entscheidende Rolle. Wir brauchen eine personell und materiell gut ausgestattete Polizei in unserem Land. In dieser Hinsicht ist das heute ein guter Haushaltsentwurf. Er sieht mehr Stellen und eine bessere Ausstattung für unsere Sicherheitsbehörden vor. Besonders bei der Bundespolizei geht der Personalzuwachs konsequent weiter. Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit machen wir eines deutlich: Wir, CDU und CSU, verstehen unsere Polizei als Partner, als einen wichtigen und unverzichtbaren Bestandteil unserer Gesellschaft. Wir stehen an der Seite unserer Polizei. ({0}) Diese Einschätzung sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit in diesem Hause sein. Aber das Verhältnis zu unserer Polizei fällt sehr unterschiedlich aus; das haben die Diskussionen der vergangenen Wochen deutlich gezeigt. Die linke Seite in diesem Hause versteht nach meinem Eindruck die Polizei häufig als Gegner. Und das ist ein fundamentaler Unterschied, auf den man hier nicht häufig genug hinweisen kann. ({1}) Angesichts der Äußerungen der aktuellen Parteiführung der SPD muss ich Sie da leider mit einbeziehen. Das fällt mir schwer, aber es ist leider so. ({2}) Besonders aber Linke und Grüne, meine sehr geehrten Damen und Herren, nutzen jede Gelegenheit, die Arbeit unserer Polizisten zu kritisieren und Misstrauen zu schüren. ({3}) Dabei müsste es doch unsere Aufgabe sein, die Menschen zu schützen, die für unsere Gesellschaft häufig ihre Gesundheit und manchmal auch ihr Leben riskieren. ({4}) Meine Damen, meine Herren, besonders deutlich wurde diese unterschiedliche Haltung im Verlauf der Rassismusdebatte, die wir in den vergangenen Wochen geführt haben. Ich will das Problem nicht kleinreden: Die Bekämpfung von Rassismus ist eine relevante gesellschaftliche Herausforderung, ({5}) mit der wir uns hier im Hause sicherlich auch noch häufiger beschäftigen müssen. Was aber machen insbesondere die Grünen, meine sehr geehrten Damen und Herren? Sie versuchen mit ganzer Kraft, aus dem gesamtgesellschaftlichen Problem Rassismus ein spezifisches Polizeiproblem zu machen. Das war und ist für mich unerträglich. ({6}) Ich kann nur sagen: Hören Sie auf, unsere Polizei ständig zu kritisieren! ({7}) Hören Sie auf, unserer Polizei ein Haltungs- oder gar ein generelles Rassismusproblem zu unterstellen! Das werden wir als CDU und CSU nicht zulassen. ({8}) Ich sage es deutlich: Natürlich passieren auch bei der Polizei Fehler; wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler. Aber die bekannt gewordenen Fälle der letzten Wochen zeigen doch, dass Fehler bemerkt werden und dass darauf auch konsequent reagiert wird. ({9})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Oster, der Kollege von Notz würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Josef Oster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004845, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, jetzt nicht. ({0}) Es gibt 270 000 Polizisten in Deutschland. Wegen einiger weniger Einzelfälle die ganze Polizei unter Generalverdacht zu stellen, ist für mich einfach schäbig, meine sehr geehrten Damen und Herren. ({1}) So, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich könnte zu diesem Haushalt jetzt noch viel sagen. ({2}) Als ehemaliger Bürgermeister, Herr Minister Seehofer, begrüße ich natürlich auch die Digitalisierungsoffensive in der öffentlichen Verwaltung. Da besteht großer Handlungsbedarf; da werden wir mit diesem Haushalt ganz gewiss einen gewaltigen Schritt weiterkommen. Wir werden in den nächsten Wochen noch eine ganze Reihe von Details zu beraten haben, auch im Ausschuss; darauf freue ich mich. Ich glaube, man kann heute schon sagen: Dieser Haushalt ist ein guter Entwurf, besonders für die Sicherheit in Deutschland. Vielen Dank. ({3})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jörn König, AfD, ist der nächste Redner. ({0})

Jörn König (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004788, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen und zu Hause! Von 1992 bis 2017 hat der Sportausschuss des Deutschen Bundestages aufgrund eines ganz bestimmten Gesetzes existiert: Es war das Gesetz der Trägheit; denn es wurde leider unterlassen, Politik für den Sport zu machen. Der Anteil für den Spitzensport im Bundeshaushalt sank auf unter 0,05 Prozent der Gesamtausgaben, wir reden hier von 50 Cent bei 1 000 Euro. Die nominale Summe betrug 2017  165 Millionen Euro, zum Vergleich: Der Kulturetat des Bundes liegt bei 1,6 Milliarden Euro. Kultur ist wie Sport keine originäre Bundesaufgabe; die Etats könnten also ruhig vergleichbar groß sein. Es wird sogar umgekehrt ein Schuh draus: Es treiben deutlich mehr Menschen Sport, als dass sie regelmäßig ins Theater gehen. Der Sport bietet gesellschaftliche Chancen auf Champions-League-Niveau, Herr Seehofer, die Bundesförderung spielt dagegen leider nur in der Kreisklasse. Seit 2017, mit dem Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag, weht Gott sei Dank ein anderer Wind. ({0}) Das Budget für den Spitzensport wird im nächsten Jahr auf 290 Millionen Euro anwachsen; das ist eine Steigerung von 75 Prozent in nur vier Jahren. Auch andere Forderungen wie die Erhöhung des Einkommens für Spitzensportler von 600 auf 1 200 Euro monatlich und die Abschaffung der willkürlichen Höchstgrenze für Förderung von Sportgroßveranstaltungen wurden umgesetzt. Das ist zwar alles sehr erfreulich, aber nur ein erster Schritt. Wir fordern daher, kurzfristig den Etat für die Spitzensportförderung auf 340 Millionen Euro zu erhöhen; entsprechende Haushaltsanträge werden wir vorlegen. Langfristig sollte der Sportetat aber auf 1 Milliarde Euro jährlich angehoben werden. ({1}) Wir sind und waren eine großartige Sportnation, und wir müssen uns diese Milliarde für den Sport einfach ganz selbstverständlich leisten. Corona hat auch den Sport schwer getroffen. Die wochenlange Schließung der Sportanlagen, insbesondere für die Einzelsportler, war ein schwerer Fehler. Für die Unterstützung der vielen Tausend Sportvereine und der Verbände haben wir bereits am 6. April einen 11-Punkte-Antrag vorgelegt. Er wurde abgelehnt, später aber doch größtenteils umgesetzt. ({2}) – Ja. – Im Coronanachtragshaushalt für 2020 sind 200 Millionen Euro für den Ausgleich von Einnahmeausfällen wegen fehlender Zuschauer vorgesehen. Das begrüßen wir ausdrücklich, wir vermissen aber die Mittel für 2021; denn dann werden die Coronabeschränkungen noch nicht aufgehoben sein. Zusätzlich sollte dieses Geld auch für andere, vor allem internationale Sportveranstaltungen zur Verfügung stehen – mit Zuschauern und Abstand. Wir haben zum Beispiel in diesem Jahr noch drei Rodelweltcups in Deutschland. Abschließend wünsche ich unseren Nationalmannschaften, dass Tokio 2021 wirklich stattfindet. Wir wünschen Gesundheit, Erfolg und angemessene Erfolgsprämien. Ein Olympiasieg sollte wie in anderen Ländern mit 100 000 Euro vergütet werden. Einen Antrag dazu hat die AfD-Fraktion vorgelegt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dagmar Freitag, SPD. ({0})

Dagmar Freitag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002655, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir gerade über die Arbeit des Sportausschusses gehört haben, ist schlichtweg aberwitzig; die Heiterkeit hat es ja auch bewiesen. Populismus, Herr Kollege König, ersetzt sicherlich keine Sacharbeit, ({0}) und ich darf darauf hinweisen, dass von Ihren Anträgen überhaupt keiner eine Mehrheit gefunden hat. Sie haben zu gar nichts beigetragen. ({1}) Meine Damen und Herren, wer hätte zu Beginn des Jahres gedacht, dass nur wenige Wochen später der Sport in Deutschland faktisch zum Erliegen kommen würde? Olympische/Paralympische Spiele verschoben, viele internationale Veranstaltungen gleich ganz abgesagt, Sportstätten flächendeckend geschlossen. Die Coronapandemie stellt den Sport auf allen Ebenen vor allergrößte Herausforderungen, vor allen Dingen unsere Vereine vor Ort. Aber gerade da sehen wir herausragendes Engagement der unzähligen Ehrenamtlichen, die trotz erheblicher Einschränkungen die Attraktivität ihrer Vereine aufrechterhalten können. Meine Damen und Herren, Bund und Länder haben in dieser Krise tatsächlich schnell reagiert und unterschiedlichste Hilfsprogramme und Angebote für Vereine, in dreistelliger Millionenhöhe, beschlossen. Allein der Bund hat für die professionellen Ligen abseits des Fußballs 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das alles als Tropfen auf den heißen Stein zu bezeichnen, wie es der oberste Repräsentant des organisierten Sports in diesen Tagen öffentlich getan hat, ist aus meiner Sicht unangemessen – mindestens unangemessen, um vielleicht nicht zu sagen: respektlos – gegenüber denjenigen, die seit Monaten auf allen staatlichen Ebenen ihr Möglichstes tun, um die Menschen, die Gesellschaft und damit eben auch den Sport durch diese Krise zu steuern. ({2}) Ich darf bei dieser Gelegenheit ausdrücklich den Kolleginnen und Kollegen der Koalition im Haushaltsausschuss danken, die uns Sportpolitiker wirklich außergewöhnlich unterstützt haben. Vielen Dank dafür! ({3}) Meine Damen und Herren, die Koalition hat in den vergangenen Jahren nie dagewesene Aufwüchse im Sport ermöglicht, und diese schreiben wir fort, übrigens nicht nur im Kontext mit der Spitzensportreform, wo sich der Bund immer als verlässlicher Partner erwiesen hat, wir aber gleichzeitig auch bemerkenswerte Beharrungskräfte aufseiten des organisierten Sports feststellen müssen. Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten; ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit, doch mal daran zu erinnern. ({4}) Wir setzen die Unterstützung von Verbänden und Kommunen bei Bewerbungen um die Ausrichtung internationaler Großveranstaltungen fort. Und – ich glaube, das ist eine der wichtigsten Botschaften – wir garantieren unseren Topathleten ungekürzte Mittelzuflüsse, um ihnen wenigstens eine annähernd reibungslose Vorbereitung auf Tokio 21 zu gewährleisten. Sehr geehrte Damen und Herren, die Doping-, Betrugs-,Korruptionsskandale von Sportfunktionären – nicht nur, aber vornehmlich auf internationaler Ebene – lassen einen geradezu ratlos und frustriert zurück. Aber wo Schatten ist, ist ja bekanntlich auch Licht. Ich sehe dieses Licht vor allen Dingen in den zunehmend selbstbewussten Athletinnen und Athleten, die sich – wir erinnern uns – in Deutschland gegen heftigen Widerstand aus Reihen des Dachverbandes überhaupt erst unabhängig organisieren konnten. ({5}) Aber nun gibt es sie: Athleten Deutschland e. V., zunehmend professionell aufgestellt durch finanzielle Unterstützung des Bundes. ({6}) Ich sehe mit Freude, dass es mittlerweile weltweit vergleichbare Bestrebungen gibt. Kurzum: Unsere mündigen Athleten sind inhaltlich und auch konzeptionell Vorreiter. Sie alle, diese selbstbewussten jungen Menschen, machen sich auf den steinigen Weg, dem Sport die Werte und auch die Würde wiederzugeben, die korrupte oder auch schwache, angepasste Funktionäre weltweit zerstören. Meine Damen und Herren, ich denke, dabei dürfen wir die Athleten nicht alleinlassen. ({7}) Ich darf mich abschließend bedanken bei Ihnen, Herr Minister Seehofer, und Ihrem Kollegen Finanzminister Olaf Scholz, bei Ihren Staatssekretären Mayer und Kerber und vor allen Dingen bei Frau Lohmann, der Abteilungsleiterin Sport, für eine professionelle, gute Zusammenarbeit. So werden wir das fortsetzen mit Blick auf das Jahr 2021. Vielen Dank. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Michael Kießling, CDU/CSU, hat jetzt das Wort. ({0})

Michael Kießling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004779, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns hier im Plenum umschauen, dann sehen wir einen Ausschnitt der Vielfalt in unserem Land. Da ist es nur logisch, dass wir angesichts der vielfältigen Anforderungen an Wohnen, Arbeiten und Leben auch einen Strauß an Lösungen brauchen, um diese erfüllen zu können. Das zeigt auch dieser Haushalt, in dem wir Maßnahmen zu verschiedenen Themenbereichen, die unterschiedliche Gruppen betreffen, umsetzen und das weiterführen, was wir in dieser Legislaturperiode angefangen haben. Schauen wir auf den sozialen Wohnungsbau. Jeder hier im Haus weiß – ich hoffe es zumindest –, dass der soziale Wohnungsbau Ländersache ist; das wurde heute schon ein paarmal gesagt. Da gibt es bereits Kompensationszahlungen. Darüber hinaus gibt der Bund über das Jahr 2021 hinaus noch einmal 1 Milliarde Euro dazu. Was der Bund den Ländern für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt, ist eine enorme Leistung. Wir wissen auch – ich habe vorher die Vielfältigkeit angesprochen –, dass mit dem sozialen Wohnungsbau nicht alles abgedeckt ist. Wir brauchen Eigentum. Wir haben das Baukindergeld eingeführt. Ich finde es toll, dass die SPD auch die Verlängerung des Baukindergelds mitträgt. Wir hatten am Anfang der Legislatur durchaus einige Diskussionen. Aber es ist gut, wenn der Erkenntnisgewinn auch da vorhanden ist. ({0}) Das ist eine gute Aktion. Es sind 260 000 Anträge gestellt worden. 60 Prozent der Baukindergeld-Empfänger haben ein Haushaltseinkommen von maximal 40 000 Euro. Im Haushalt 2021 haben wir hierfür noch einmal 900 Millionen Euro vorgesehen. Das ist Familienpolitik, die wirklich ankommt. ({1}) Darüber hinaus gibt es auch noch das Thema Wohngeld. Auch da haben wir geliefert – mit einer Erhöhung gegenüber 2020 um 135 Millionen Euro. Auch das ist ein wichtiger Schritt für die Stärkung des Wohngeldes. Was auch nicht zu kurz kommen darf, ist die Förderung des Städtebaus. Dafür haben wir insgesamt 975 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt, davon 110 Millionen Euro für den Investitionspakt Sportstätten, und darüber hinaus noch einmal 790 Millionen Euro für das Städtebauförderungsprogramm. Was wäre ein Parlament ohne Wünsche? Ich würde mir wünschen, dass wir die Querschnittsaufgabe, die sich im Städtebauförderungsprogramm widerspiegelt – zum Thema „Stadtgrün/Brachflächen“ –, vielleicht noch etwas mehr an die Oberfläche brächten und vielleicht ein eigenes Programm zu diesem Thema aufsetzten. ({2}) Herr Perli, den nächsten Absatz richte ich speziell an die Linken. Wir haben ein Maßnahmenpaket: sozialer Wohnungsbau, Eigentum, Baukindergeld, Wohngeld, Städtebauförderung. Das sind Maßnahmen, die wirken. Schaut man nach Berlin: Der Mietendeckel funktioniert nicht. Schauen wir auf den Markt: 50 Prozent weniger Mietwohnungen, 40 Prozent mehr Eigentum. Das heißt, die Leute wollen nicht mehr vermieten, sie wollen verkaufen. Sie wollen sich das Vermieten nicht mehr antun. Und das sind doch Überlegungen, die wir hier im Plenum durchaus mit in Betracht ziehen müssen. ({3}) – Ja, Herr Kühn, guter Beitrag; sehr guter Beitrag. Da muss ich sagen: Die Äußerung des Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg war mal eine gute Einlassung zur Wohnungsbaupolitik der Grünen. Umwandlungsverbote: Wir kompensieren den Mietendeckel mit dem Umwandlungsverbot. Das heißt, wir korrigieren den Verkauf von Eigentum, indem wir die Umwandlung ausschließen. Das kann doch nicht die Politik sein, die wir pflegen wollen. ({4}) Wir brauchen die Vielfalt der Leute, die Wohnraum schaffen. Dazu gehören Kommunen, Private und Baugenossenschaften, aber keine Ideologie, meine Damen und Herren. ({5}) Neben dem Thema Haushalt haben wir natürlich auch noch das Thema der Baulandmobilisierung; Herr Daldrup hat es kurz erwähnt. Wir sind da eigentlich, glaube ich, auf einem guten Weg, wobei wir bei dem einen oder anderen Punkt doch noch ein bisschen Diskussionsbedarf haben. Ich sage es mal in Worten der FDP: Lieber ein bestehendes Baugesetzbuch als ein schlechtes Baugesetzbuch. ({6}) Aber, meine Damen und Herren, das ist nicht alles. Ich denke, auch da bekommen wir eine Lösung hin, weil wir an Lösungen orientiert sind und weiterkommen wollen. Ich appelliere an uns beide, CDU und SPD ({7}) – nein, ich glaube, unser Minister hat das durchaus sehr richtig gemacht –, dass wir dort eine Lösung herbeiführen. Aber wir haben ein weiteres Thema – und damit komme ich auch schon zum Schluss –, das Thema der Digitalisierung. Auch da sind wir auf einem guten Weg. Beim Thema Smart City unterstützen wir die Kommunen, zum Thema Building Information Modeling haben wir das Kompetenzzentrum eingerichtet. Da sind wir auf dem richtigen Weg. Ich bedanke mich, dass wir den Haushalt hier auch entsprechend aufstellen. Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Haushaltsdebatten und heute noch gute Beratungen. Vielen Dank. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Hagen Reinhold, FDP. ({0})

Hagen Reinhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004229, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Minister Seehofer! Wo ist eigentlich der sparsame Ministerpräsident aus Bayern verloren gegangen auf dem Weg von München nach Berlin? Wo hat er eigentlich seine Tugenden bei der Anreise gelassen? ({0}) Wenn ich nicht nur Ihren Etat, sondern auch Ihre Verantwortung im Kabinett angucke, frage ich mich: Warum bremsen Sie nicht einen Finanzminister, der neu verschuldet, als gäbe es kein Morgen, Asylrücklage, Haushaltsrückstände noch und nöcher im Haushalt? Die hätten Sie halbieren können. Das wäre Ihre Pflicht und Aufgabe gewesen. Nichts davon haben Sie getan. Ihre Tugend ist verloren gegangen; das sage ich Ihnen. ({1}) Dabei wissen Sie doch: Viel hilft nicht viel. Von 1,5 Millionen Wohnungen sind Sie 635 000 Wohnungen entfernt. Und deshalb zählen Sie jetzt keine gebauten Wohnungen auf, sondern genehmigte, und sagen: Das sind „angestoßene“ Wohnungen.- Ach, wunderbar: Die Digitalisierung in den Schulen haben Sie angestoßen, den Breitbrandausbau haben Sie angestoßen. Anstoßen alleine reicht nicht. Umgesetzt haben wollen das die Leute in diesem Land. ({2}) Haben Sie sich mal den Wärmemonitor 2019 angeguckt? Der rechnet nämlich witterungsbereinigt den CO2-Ausstoß aus. Warum witterungsbereinigt? Wir hatten zehn warme Winter hintereinander, was wir oft beim Thema Klima hier im Bundestag diskutieren. Er stellt fest: 2,6 Prozent weniger CO2 bei Gebäuden in den letzten zehn Jahren. Sie haben uns geantwortet, was wir für energetische Sanierung in den letzten zehn Jahren in Deutschland ausgegeben haben: 500 Milliarden Euro, eine halbe Billion Euro ausgegeben in zehn Jahren; Einsparung 2,6 Prozent CO2. Viel hilft eben nicht viel. ({3}) Hätten Sie Thermen erneuert, Umwälzpumpen erneuert! Sie hätten jedes Jahr 600 000 neugebaute Heizungen zu 5 000 Euro verschenken können. Das wäre billiger geworden; das wären 3 Milliarden Euro. In 18 Jahren alle Heizungen in Deutschland zu tauschen, kostete 54 Milliarden Euro insgesamt. Das wären gerade einmal 10,8 Prozent der 500 Milliarden Euro gewesen. Das wäre effektiv. Ihre Aufgabe ist nicht, Geld auszugeben, Ihre Aufgabe ist, Geld sinnvoll auszugeben. ({4}) Aber vielleicht stört Sie das alles so herzlich wenig, weil Sie in einem Jahr zurück in Ihr Eigentum fahren. Eigentum: Da war doch was? Grunderwerbsteuerfreibetrag, habe ich mal gehört, Eigentümer anfachen. Da sitzt die Koalition, die Sie anstreben. Die wollen Einfamilienhäuser verbieten, und den Grunderwerbsteuerfreibetrag kriegen Sie nicht gebacken. Eine unheilige Koalition, die sich da für dieses Land androht. ({5}) Kommen wir zum CO2. Da sind Sie auf den guten Gedanken gekommen: Das macht ja der Markt. Wenn CO2 teuer wird, merken die Leute, die Heizkosten werden teuer, dann sparen sie ein. Oh, guter Gedanke! Guter Gedanke: So reagiert Markt. Was machen Sie? Es sind übrigens die gleichen SPD-Minister in Ihrem Kabinett, die jetzt sagen: Das zahlt aber nicht der Mieter, das zahlt der Vermieter, 50 Prozent davon. Das heißt, der Vermieter, der die Heizung weder an- noch ausmachen kann, merkt Ihren Steuerungsprozess beim CO2-Preis. ({6}) Ich sage Ihnen: Sie können noch 2 Billionen Euro in den nächsten Jahren ausgeben. Bei der CO2-Einsparung kommen Sie im Gebäudesektor so überhaupt nicht weiter. ({7}) Herr Seehofer, zum Abschluss: Sie haben noch ein Jahr vor sich, und Sie wissen: In diesem Kabinett wird kein CSU-Minister entlassen. Das haben Sie ja festgestellt. Man kann nicht nur Unsinn machen, man kann auch mutig sein. ({8}) Und deshalb sage ich für meine Kinder und für Ihr Enkelkind – es ist doch auf dem Weg –: Finden Sie Ihre Tugenden wieder – Sparsamkeit, Redlichkeit und gesunden Menschenverstand! Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erhält das Wort der Kollege Dr. Jens Zimmermann, SPD. ({0})

Dr. Jens Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004603, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum haben wir nicht genügend FFP2- und FFP3-Masken? Warum haben wir nicht ausreichend Medikamente? Das sind Fragen, mit denen wir alle in den letzten Monaten konfrontiert worden sind und zum Teil noch werden. Wenn wir vielleicht in den Januar oder ins letzte Jahr zurückdenken, dann wären Antworten auf die Frage, warum wir nicht Produktionskapazitäten für diese Cent-Artikel haben, vielleicht gewesen: Das ist unwirtschaftlich. Wir sind eine Exportnation. Wir müssen jeden Anschein von Protektionismus vermeiden. – Vielleicht hätte auch jemand gesagt: Wie wahrscheinlich wird es denn sein, dass nächsten Monat eine globale Pandemie ausbricht, es bei Lieferungen Engpässe gibt, sich Geheimdienste an Flughäfen um Lieferungen von Schutzausrüstung kloppen? Da hätte man vermutlich gefragt: Also, wie wahrscheinlich wird das wohl sein? Und genauso, habe ich den Eindruck, reden manche darüber, wenn wir über Themen im digitalen Raum sprechen, wenn wir zum Beispiel über die Frage sprechen: Wie halten wir es in Zukunft eigentlich mit unseren Mobilfunknetzen? Ich freue mich und wir als SPD-Bundestagsfraktion freuen uns, dass wir offensichtlich auch mit Beteiligung des Bundesinnenministers beim Thema „5 G und Sicherheit“ jetzt zu einer Lösung kommen werden. Das ist wichtig, weil – ich habe es eben gesagt – uns die Leute fragen: Wie kann es sein, dass Masken in einem Land wie Deutschland nicht verfügbar sind? Und wir sagen: Wir möchten nicht in einigen Jahren hier an dieser Stelle stehen und darüber diskutieren, wie es denn sein konnte, dass eine fremde Macht bei uns die Lichter ausmacht. ({0}) Deswegen ist es wichtig, dass das Innenministerium und die Bundesregierung den Schutz der Bevölkerung auch im digitalen Raum sehr ernst nehmen. Wir haben ja gerade zum Thema „Mobilfunk und 5-G-Ausbau“ im Konjunkturprogramm einiges an Mitteln zur Verfügung gestellt. Ich nenne nur mal die 2 Milliarden Euro für das Thema OpenRAN. Das ist wichtig, und das ist richtig. Mit Blick auf den digitalen Raum gibt es natürlich eine ganze Reihe von Gesetzesvorhaben, über die wir diskutieren. Und da müssen wir schon genau hinschauen. Vorhin kam das hier so rüber: Wir müssen einfach nur die totale Überwachung ermöglichen, und dann werden schon alle kriminellen Aktivitäten aufgedeckt werden. Das ist irgendwie ein bisschen kurz gefasst, meine ich, meine Damen und Herren; denn wir haben bei dieser ganzen Sache manchmal glücklicherweise noch ein paar Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter am Spielfeldrand. Die nennen sich bei uns Bundesverfassungsgericht. Wir müssen doch mal zur Kenntnis nehmen, dass wir aus Karlsruhe sehr klare Hinweise bekommen, dass es eben nicht so geht, wie der Kollege Middelberg das vorhin hier dargestellt hat: Jede Whatsapp-Nachricht wird demnächst mitgelesen. ({1}) Es bringt uns am Ende des Tages ja auch nichts, wenn wir hier ständig Gesetze verabschieden, die dann in Karlsruhe kassiert werden. ({2}) Deswegen ist es wichtig, dass wir die Instrumente, die wir heute schon haben, effektiv nutzen. Ich nehme einmal ein Beispiel aus Hessen. Bei den Problemen, die wir leider zurzeit bei der Polizei in Hessen haben – es hilft nicht, sie zu leugnen –, ist es nicht damit getan, dass plötzlich die Whatsapp-Nachrichten aller Polizistinnen und Polizisten mitgelesen werden können. ({3}) Es wäre doch gut, wenn die Ausstattung der Polizei in Hessen so wäre, dass man am Ende tatsächlich auch sehen kann, wer Personenstandsabfragen gemacht hat. Das funktioniert aber nicht, weil die IT-Ausstattung der hessischen Polizei offenbar nicht ausreichend ist. ({4}) Deswegen sagen wir als SPD an dieser Stelle ganz klar: Wir brauchen einen starken Staat, um die Menschen in unserem Land vor Pandemien, aber auch vor Gefahren im digitalen Raum zu schützen. Dafür werden wir kämpfen. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Klaus-Dieter Gröhler, CDU/CSU. ({0})

Klaus Dieter Gröhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe in den letzten 90 Minuten den Kollegen der Opposition sehr intensiv zugehört. ({0}) Aber substanzielle Vorschläge zur Veränderung des Einzelplans 06 habe ich kaum entnommen. ({1}) Was ich gehört habe, Herr Perli, war Ihre Sonntagsrede. ({2}) Sie hatte mit dem, wo Die Linke Verantwortung trägt, überhaupt nichts zu tun. Sie tragen in Berlin Verantwortung. Leider, füge ich hinzu. ({3}) Sie scheinen vergessen zu haben, dass unter Ihrer Zuständigkeit im ersten rot-roten Senat unter Klaus Wowereit der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin, ({4}) damals SPD, Zehntausende landeseigene Wohnungen billig verscherbelt hat und den sozialen Wohnungsbau in Berlin abgeschafft hat. ({5}) Daran krankt heute noch der Berliner Wohnungsmarkt. Heute stellen Sie den Bausenator in der Stadt. Mehr als Ideologie können Sie nicht bieten. Aber in Ideologie, meine Damen und Herren, kann man nicht wohnen. ({6})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege, gestatten sie eine Zwischenfrage?

Klaus Dieter Gröhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke, Herr Präsident, jetzt nicht. – Lassen Sie mich noch hinzufügen – vielleicht hört der Kollege Kühn noch zu, weil auch die Grünen in Berlin Verantwortung tragen –: Inzwischen rät die Senatsbauverwaltung Antragstellern ab, Bundesbaufördermittel, zum Beispiel zum Städtebauprogramm, in Anspruch zu nehmen, weil Berlin es nicht einmal mehr schafft, die 10- oder 20-prozentige Kofinanzierung zu stemmen. Das ist Realpolitik in Berlin. Vielleicht setzen Sie sich einmal an dieser Stelle mit Ihren Kollegen in der Landespolitik auseinander. ({0}) Herr Minister, ich glaube, Sie haben hier wirklich einen guten Etatentwurf vorgelegt, einen Etat, der dieses Land sicherer macht. ({1}) Zusätzliche 1 000 Stellen für die Bundespolizei und 17 Prozent mehr Mittel sorgen dafür, dass in Zukunft mehr Bundespolizei auf den Bahnhöfen und in den Zügen unterwegs ist. ({2}) Unser Land wird besser geschützt, weil das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – das haben Sie leider nicht gesagt, Frau Kollegin Mihalic – 40 Prozent mehr Mittel im nächsten Jahr bekommt, um bei Krisen und Großschadensereignissen entsprechend gewappnet zu sein. Unser Land wird in Zukunft auch besser vor digitalen Gefahren geschützt, zum Beispiel vor Cyberangriffen, weil das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zusätzlich 100 Stellen bekommt und 35 Prozent mehr Mittel. Unser Land wird moderner werden, weil die Menschen in Zukunft nicht mehr zum Amt rennen müssen und sich eine Wartenummer ziehen müssen; denn durch die 3 Milliarden Euro, mit denen das Onlinezugangsgesetz umgesetzt wird, schaffen wir endlich Bürokratie ab. Ich könnte diese Liste jetzt lange, lange fortsetzen, vielleicht sogar über Stunden gute Nachrichten produzieren. Das wird der Präsident sicherlich verhindern. Deshalb möchte ich mich zum Ende meiner Rede von den Zahlen lösen. Das Innenministerium ist ja nicht nur für Sicherheit, Bauen und Sport zuständig, sondern auch für Heimat, politische Bildung und die Verfassung. Manchmal ist es ganz gut, auch in einer Haushaltsdebatte darüber nachzudenken, woher man kommt und wohin man will und was unser Land auszeichnet und zusammenhält. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber in den letzten Wochen bekommen wir sehr, sehr viel Post. Viele Bürger schreiben: Ihr schafft die Demokratie ab, ihr setzt die Grundrechte außer Kraft, ihr führt eine Diktatur ein. – Ich will jedem zugestehen, dass er über die aktuellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie kritisch nachdenkt. Aber all denen, die das schreiben, möchte ich entgegenhalten: Denkt einmal bei einer solchen Wortwahl darüber nach, was Diktatur wirklich heißt. Mit solchen Bemerkungen verharmlost ihr zwei Diktaturen, die in unserem Land leider geherrscht haben. Und mit solchen Bemerkungen, meine Damen und Herren, beleidigt man auch die Menschen, die zum Beispiel gerade in Minsk für Demokratie und Rechtsstaat, für Meinungsfreiheit und Pressefreiheit auf die Straße gehen. ({3}) Mich erinnern die Fernsehbilder aus Minsk immer sehr an die Ereignisse vom Herbst 1989 in Leipzig und dann auch hier in Ostberlin. Ich will an dieser Stelle einmal den Menschen in Minsk und in Belarus zurufen: Ich hoffe, ihr habt das Glück und den Erfolg, den unser deutsches Volk vor 30 Jahren hatte! Wir stehen an eurer Seite! Herzlichen Dank. ({4})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort dem Kollegen Pascal Meiser, Die Linke.

Pascal Meiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004819, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Gröhler, Sie haben die Berliner Wohnungs- und Baupolitik angesprochen, haben aber die aktuelle Position der CDU in diesen Fragen gar nicht so richtig benannt. Deswegen frage ich Sie – ich habe das auch Ihren Landesvorsitzenden schon einmal gefragt –: Ist Ihnen bekannt, dass gerade die CDU-geführten Bezirke in Berlin diejenigen sind, die sich mit Baugenehmigungen sehr zurückhalten und am Ende der entsprechenden Listen stehen? ({0}) Zweitens. Sie kennen vielleicht Ihren Kollegen, Herrn Gräff, aus dem Abgeordnetenhaus in Berlin. Ist Ihnen bekannt, dass er einen Stopp des Baus von Sozialwohnungen in Berlin gefordert hat? Wie erklären Sie das, wenn wir bezahlbaren Wohnraum in Berlin brauchen? Drittens. Ist es richtig, dass gerade die Berliner CDU – Herr Luczak, aber auch andere – sich maßgeblich dafür eingesetzt hat, dass das Umwandlungsverbot aus der Baugesetznovelle jetzt rausgenommen wird? Und wenn ja: Wie erklären Sie dann den Berliner Mieterinnen und Mietern, dass immer mehr Leute davon bedroht sind, dass ihre Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt wird, und sie danach Angst haben müssen, die Miete nicht mehr bezahlen zu können und verdrängt zu werden? Von den Mieterinnen und Mietern, die in umgewandelten Wohnungen wohnen, ist weniger als 1 Prozent in der Lage, diese Wohnung zu kaufen. Das zeigen die Zahlen. Wenn Sie hier sagen, Sie machen Politik für die Mieterinnen und Mieter, dann belügen Sie die Menschen. Hierzu würde ich gerne eine klare Aussage von Ihnen hören. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Gröhler, wenn Sie mögen, haben Sie jetzt das Wort.

Klaus Dieter Gröhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr gern, Herr Präsident. – Lieber Herr Kollege, ich war ja selbst einmal Baustadtrat in Berlin. Ich kann mich gut daran erinnern, wie unter der Zuständigkeit auch Ihrer Partei den Bauordnungsämtern nach und nach die Stellen immer mehr weggenommen worden sind. Daran krankt heute noch die Berliner Verwaltung. Wenn Sie jetzt sagen, es seien CDU-regierte Bezirke, dann müssen Sie bitte zur Wahrheit aber auch hinzufügen, dass diese CDU-regierten Bezirke hinsichtlich der Personalzuweisung immer noch am Tropf der Senatsfinanzverwaltung hängen. In Berlin sind die Bezirke leider nicht frei, ihr Personal einzustellen. Punkt eins. ({0}) Punkt zwei ist das Märchen zum Thema „Umwandlung in Eigentumswohnungen“, das Sie hier immer erzählen. Sie vermitteln ja den Eindruck, dass jeder Mieter, der in einer Wohnung wohnt, die umgewandelt wird, automatisch anschließend auf der Straße sitzt. Das ist doch falsch. Sie kennen den jahrelangen Schutz vor Eigennutzung. Das Eigentum einer Wohnung bedeutet ja nicht, dass der Mietvertrag aufgehoben wird. Kauf bricht immer noch nicht Miete in diesem Land. Also streuen Sie hier den Menschen doch bitte nicht Sand in die Augen und verbreiten Ängste, die Sie zwar ideologisch nutzen wollen, die aber mit der Realität relativ wenig zu tun haben. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor.

Christine Lambrecht (Minister:in)

Politiker ID: 11003167

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit einem Volumen von 952 Millionen Euro ist der Haushalt für Justiz und Verbraucherschutz verhältnismäßig klein. Auf ihn entfallen nicht einmal 0,25 Prozent des gesamten Bundeshaushalts. Doch diese Zahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, mit welch wichtigen, relevanten Fragen wir uns mit diesen bescheidenen Mitteln dennoch beschäftigen und auch die Lösungen dafür bieten. Die Fragen liegen auf der Hand: Wie schützen wir unsere Demokratie vor Vergiftung und Hass? Wie sorgen wir dafür, dass unsere Kinder in Sicherheit aufwachsen? ({0}) Wie verwirklichen wir die Gleichstellung von Frauen und Männern? Wie erreichen wir es, dass die ehrlichen Kaufleute nicht die Dummen sind? Und wie stellen wir sicher, dass niemand wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird? Das sind nur einige der drängenden Fragen, mit denen mein Ressort befasst ist. Ich werde Ihnen zeigen: Das Haushaltsgeld, diese 952 Millionen Euro im Geschäftsbereich sind gut angelegt. Denn wir verfolgen eine zeitgemäße Rechtspolitik, meine Damen und Herren. Was tun wir konkret? Wir haben den Kampf gegen Hass im Netz aufgenommen. Der freie Meinungsaustausch ist ein Lebensprinzip unserer Demokratie. Doch diese freie Meinungsäußerung, dieser Austausch wird bedroht, bedroht von hemmungslosen Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken, bedroht von verbaler Gewalt, mit der Menschen mundtot gemacht werden sollen, ({1}) und bedroht von Worten des Hasses, die im schlimmsten Fall zu Taten werden. Gegen solche verbale Gewalt gehen wir entschlossen vor, meine Damen und Herren. ({2}) Wir werden die sozialen Netzwerke stärker in die Pflicht nehmen. Wir verpflichten sie nämlich, in Zukunft schwere Hassäußerungen an das Bundeskriminalamt zu melden. Darüber hinaus stellen wir Hassäußerungen konsequenter und härter unter Strafe. Wer Beleidigungen öffentlich begeht, wer Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker verleumdet oder herabwürdigt, wer seine Mitmenschen bedroht oder Straftaten billigt, der wird künftig härter bestraft. ({3}) Dieses Haus hat unseren Gesetzentwurf im Juni mit großer Mehrheit verabschiedet, und auch der Bundesrat hat es gebilligt. Aber wie Sie wissen, ist danach eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangen, die Anpassungen erforderlich macht, und diese Anpassungen werden wir sehr zügig vornehmen; denn wir sind es den Opfern von Hass und Hetze schuldig. ({4}) Was tun wir noch, um das Leben der Menschen in unserem Land zu verbessern? Wir müssen unsere Kinder konsequenter schützen, ohne Wenn und Aber. Dabei liegt das ganze Augenmerk auf dem Kampf gegen die sexualisierte Gewalt an Kindern. Diese widerlichen Taten fügen Kindern unermessliches Leid zu. Wir werden diese Gräueltaten deshalb strenger bestrafen – als Verbrechen. Auch den Besitz von Kinderpornografie werden wir künftig als Verbrechen bestrafen. ({5}) Außerdem werden wir besondere Qualitätsanforderungen für Familienrichter und Verfahrensbeistände festlegen und so auch die Präventionsarbeit stärken. Und schließlich werden wir den Verfolgungsdruck massiv erhöhen. ({6}) Bereits im Januar haben wir den Verfolgungsbehörden neue Instrumente an die Hand gegeben; ich nenne nur das Stichwort „computergenerierte Bilder“. Damit ist es den Ermittlern in Zukunft möglich, in Chatrooms, beispielsweise im Darknet, solche widerlichen Täter aufzuspüren und damit Kinder vor weiterem Missbrauch zu schützen. Das ist ein ganz wichtiges Ermittlungsinstrument. ({7}) Doch dabei werden wir es nicht belassen. Die Möglichkeiten zur Anordnung von Untersuchungshaft für solche Täter werden wir erweitern, und wir werden den Ermittlern auch die Möglichkeit an die Hand geben, die Vorratsdatenspeicherung zu nutzen, soweit dies mit deutschem und europäischem Recht vereinbar ist, meine Damen und Herren. ({8}) Der Kampf gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder duldet keinen Aufschub. Deshalb werden wir auch unseren Gesetzentwurf alsbald in das parlamentarische Verfahren geben. Wir senden damit ein klares Signal: Kein Täter kann sich in diesem Land vor einer Entdeckung sicher fühlen, meine Damen und Herren. ({9}) Wenn es um besseren Schutz von Kindern geht – auch das will ich an dieser Stelle klar sagen –, darf man sich freilich nicht auf den Kampf gegen sexuelle Gewalt beschränken. Die Belange der Kinder müssen umfassende Berücksichtigung finden. Deshalb reformieren wir das Kindschaftsrecht. Deshalb passen wir das Familienrecht an die neuen Lebensbedingungen, Lebensrealitäten an und sichern Kinder besser ab. Deshalb müssen auch Kinderrechte endlich in das Grundgesetz aufgenommen werden, meine Damen und Herren. ({10}) Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsfraktionen den richtungsweisenden Beschluss gefasst, dieses Vorhaben anzugehen, und ich weiß ja, dass ich den Kollegen Seehofer da ganz eng an meiner Seite habe. Herr Seehofer, ich habe einen sehr abgewogenen Vorschlag vorgelegt, der das Kindeswohl in den Blick nimmt, aber eben nicht, was oftmals befürchtet wird, die Elternrechte beschneidet. Deswegen kann ich in Richtung des Kollegen Seehofer und auch der Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU nur sagen: Lassen Sie den Worten aus dem Koalitionsvertrag endlich Taten folgen! Wir sind es unseren Kindern schuldig, dass die Kinderrechte endlich im Grundgesetz verankert werden. ({11}) Meine Damen und Herren, nicht nur beim Schutz von Kindern ist in unserem Land noch manches zu tun. Auch in Sachen Gleichstellung brauchen wir konkrete Verbesserungen, und auch das packen wir noch an in dieser Legislaturperiode. ({12}) Noch immer sagen viele große Unternehmen: Wir wollen keine Frauen in unserem Vorstand. 70 Prozent haben bei der Abfrage erklärt: Keine Frauen im Vorstand. ({13}) Ich sage Ihnen: Das ist ein Schlag ins Gesicht der vielen hochqualifizierten Frauen in unserem Land, und daran muss sich etwas ändern. ({14}) Deshalb brauchen wir endlich auch für die Vorstandsebene von Unternehmen eine verbindliche Quote, wie wir sie für Aufsichtsräte schon seit vier Jahren haben. Wir brauchen eine Regelung für große börsennotierte Unternehmen, die vorschreibt: Wenn der Vorstand aus mehr als drei Personen besteht, muss mindestens eine Frau mit am Tisch sitzen. Ich denke, das ist im Jahr 2020 keineswegs zu viel verlangt. ({15}) Ich komme zu einem weiteren Thema. Unsere Gesellschaft hat seit Beginn der Coronapandemie viel Solidarität und Charakter bewiesen. Diesen Geist der Fairness und des Zusammenhalts gilt es zu bewahren. Auch dazu leisten wir mit unseren Vorhaben einen Beitrag. Ich erwähne nur das Sanierungs- und Insolvenzrecht. Dazu haben wir einen Vorschlag vorgelegt, der alle Belange in den Fokus rückt. Außerdem verkürzen wir die Dauer der Restschuldbefreiung für überschuldete Verbraucher und Unternehmer. Denn jeder und jede hat eine zweite Chance verdient, wenn er oder sie einmal in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen ist, meine Damen und Herren. ({16}) Wir haben die Mietpreisbremse stärker angezogen und die Belastung durch Maklergebühren gesenkt, damit sich alle Menschen eine Wohnung, ein Zuhause leisten können. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen, weil das vorher schon ausführlich Thema war: Das Umwandlungsverbot bzw. das Anheben von Hürden, dass man eben nicht einfach so Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln kann, wie man das möchte, das haben wir miteinander vereinbart. ({17}) Deswegen ist dieser Entwurf, wie er auf dem Tisch liegt, keineswegs ressortabgestimmt. Ich kann Ihnen sagen, Herr Seehofer: Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Bei dieser Umwandlung werden wir sehr wohl darauf drängen, dass das, was vereinbart wurde, auch umgesetzt wird. ({18}) Meine Damen und Herren, wir haben ein Gesetz für faire Verbraucherverträge vorgelegt, gegen telefonische Überrumpelung und Knebelverträge etwa mit Mobilfunkanbietern oder Fitnessstudios; denn in einer Gesellschaft, die solidarisch ist und zusammenhält, zieht man sich nicht einfach so über den Tisch. Außerdem machen wir Schluss mit überhöhten Inkassogebühren, gefälschten Produktbewertungen und mit Abmahnmissbrauch. ({19}) Und: Wir sorgen dafür, dass die Geldwäsche effektiv bekämpft wird. Wenn wir von Wirtschaftskriminalität sprechen, dann kommen wir nicht umhin, auch das Thema Unternehmenssanktionen anzusprechen. Das ist ein ganz wichtiges Thema, das im Koalitionsvertrag ausbuchstabiert wurde wie kaum ein anderes Thema; es wurde en détail klar geregelt. Ich habe daraus einen Gesetzentwurf entwickelt; er liegt auf dem Tisch. Ich kann nur sagen – auch da wieder an die Kolleginnen und Kollegen von der Union und auch an die Kollegin aus dem Kabinett –: Pacta sunt servanda. Wir haben uns darauf verständigt, ich habe vorgelegt, und jetzt müssen wir das auch beschließen. Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein. Wer sich an Recht und Gesetz als Unternehmer hält, darf keinen Wettbewerbsnachteil denen gegenüber haben, die tricksen, täuschen und betrügen. ({20}) Meine Damen und Herren, eine zeitgemäße Rechtspolitik, die Fairness und Solidarität fördert, die klare Grenzen zieht, wo es notwendig ist, dafür steht mein Haus, dafür stehe ich. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({21})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Martin Hohmann. ({0})

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Justizministerium ist für die Prüfung und den rechtmäßigen Vollzug von Gesetzen zuständig. Insofern obliegt ihm ein Wächteramt. Auch gehen nicht wenige Gesetzesinitiativen vom Justizministerium aus. Wir haben eben aus dem Mund der Ministerin einige Ankündigungen in dieser Richtung gehört. Auch meine Ausführungen gehen in diese Richtung. In der Coronakrise haben sich unerwartet hochbrisante Fragen der Abwägung neu gestellt. Was ist das einzelne Leben wert? Es wurde entschieden, dass die potenzielle Gefährdung eines Lebens jeden volkswirtschaftlichen Schaden aufwiegt. Diese Beurteilung lässt eine andere Frage, die in der alltäglichen Praxis und im Gesetzesvollzug längst entschieden ist, in einem neuen Licht erscheinen. Ich meine die Frage des § 218 Strafgesetzbuch. Es wird Sie überraschen, dass ich ähnlich wie die Kräfte des linken Spektrums für eine Abschaffung dieser Vorschrift plädieren möchte, aber von einer anderen Perspektive her. Ich habe die Wunschvorstellung, den Traum, dass nach einem Prozess des Umdenkens und der Umerkennung sich ein neues Selbstverständnis einstellt, das den § 218 überflüssig macht. Dieses Verständnis ist davon geprägt, in erster Linie die Chancen zu sehen, die in jedem jungen Leben angelegt sind. ({0}) Im Johannesevangelium heißt es: „ ... ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“. Von dieser Fülle darf man sich einen neuen Wolfgang Amadeus Mozart oder eine neue Mutter Teresa erwarten. Diese Fülle beinhaltet auch eine optimistische Zukunftssicht. Ja, es liegt an uns. Ja, wir können eine Wende herbeiführen. Dabei kann die Überlegung helfen, dass wir das, was wir geschenkt bekommen haben, was wir in vollen Zügen genießen, das Leben, Menschen im Frühstadium nicht vorenthalten dürfen. ({1}) Es ist eine Frage der Gerechtigkeit. Jedem Leben steht von Anfang an die gleiche Chance zu. Dazu ist nötig, im Elternhaus, in den Schulen und im gesamten öffentlichen Leben die Empathie für das Leben in den Mittelpunkt zu stellen. Als Volk sind wir auch aufgefordert, unsere Probleme aus eigener Kraft zu lösen und nicht durch Abwerben von Menschen aus anderen Ländern oder Kontinenten. ({2}) Denken Sie nächste Woche daran: nachhaltige Politik eben. Wenn wir auf diese Weise den Wert des ungeborenen Lebens neu entdecken und stärker als bisher staatliche Ressourcen für diese Zukunftsaufgabe bereitstellen, dann ist Optimismus angebracht. Meine Damen und Herren, ich lehne es prinzipiell ab, die eigene Familie, das persönliche Umfeld in die Politik, die politische Arbeit hineinzuziehen. Heute möchte ich mit folgender abschließender Schilderung eine Ausnahme machen: Ich saß vor rund einem Jahr am frühen Abend zu Hause am Küchentisch und las. Ich höre, wie sich kleine Schritte von außen der Küchentür nähern. Langsam wird der Türgriff heruntergedrückt. Meine dreijährige Enkelin – sie wohnt mit ihrer Familie eine Etage höher – kommt herein. Ich wende mich ihr zu. Sie kommt heran. Sie steht vor mir, wir sehen uns an. Sie legt ihre Hände und ihr Köpfchen auf meine Knie. Ich streichle über ihre Haare. ({3}) Wir blicken uns erneut an. Sie geht zur Tür, verlässt den Raum und schließt die Tür. Während dieser kurzen Szene fiel kein Wort. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Begegnung erfüllt mich bis heute mit tiefer, kreatürlicher Dankbarkeit. ({5}) Ich wünsche Ihnen allen ähnlich glückhafte, gesegnete Momente. Ich möchte eine entsprechende Initiative der Neubesinnung anregen. Danke. ({6})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Thorsten Frei. ({0})

Thorsten Frei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004276, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Ministerin hat es gesagt: Wenn wir über den Justizhaushalt sprechen, dann steht im Grunde genommen nicht das Geld im Mittelpunkt, weil es der mit Abstand kleinste Etat ist, über den wir in dieser Haushaltswoche sprechen. Aber es geht um etwas ganz Entscheidendes: Es geht um Gesetze und die Art und Weise, wie wir in unserem Land leben, wie wir Freiheit und Sicherheit gewährleisten und wie wir dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Es war der frühere Bundespräsident und Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Roman Herzog, der einmal formuliert hat, dass die drei wesentlichen Aufgaben des modernen Verfassungsstaates, wie er sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hat, zum Ersten die äußere Sicherheit, also die Landesverteidigung ist, zum Zweiten die innere Sicherheit, der Frieden in der Gesellschaft, und zum Dritten die Gesellschaftsgestaltung ist, all das, was wir mit sozialer Sicherung und Daseinsvorsorge umschreiben können. Damit wird vollkommen klar, dass die Aufgabe der Sicherung des inneren Friedens einer Gesellschaft zentral ist. Er ist Legitimationsbasis für den Staat. Er ist auch die Grundlage dafür, dass der Staat Akzeptanz gewinnen kann und damit wir so leben können, wie wir es tun. Wenn man fragt: „Was sind dafür die Grundvoraussetzungen?“, dann ist die allererste und wichtigste Antwort: das Gewaltmonopol und daraus fließend auch der Gewaltverzicht des Einzelnen, eine funktionierende, eine ausgebaute Rechtsordnung, die Regeln und Leitplanken für ein gutes Leben setzt, und ein funktionierendes Gerichtswesen. Damit wird zentral beschrieben, dass das, worüber wir in diesem Einzelplan sprechen, konstitutiv ist für die Art, für die Qualität, wie wir in unserem Land leben. Deswegen ist es nicht hoch genug einzuschätzen. Wenn das Gewaltmonopol dabei im Mittelpunkt steht, dann ist es umso wichtiger und richtiger, dass der Staat nirgendwo eine Leerstelle lässt, dass nirgendwo dieses Gewaltmonopol ausgehöhlt werden kann. Ich glaube, dass die Menschen keine übertriebenen Erwartungen haben. Sie haben nicht die Erwartung, dass eine bestens ausgebildete Polizei, eine gut ausgestattete Justiz Verbrechen vollständig verhindern kann, aber es gibt die klare und berechtigte Erwartung, dass wir alles dafür tun, dass wir in möglichst großer Sicherheit in unserem Land leben können. Ich will das an drei Beispielen dokumentieren. Das erste ist die Frage, wie wir unsere Kinder schützen. Frau Ministerin, Sie sind auf den Gesetzentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Kinderpornografie eingegangen, den Sie zu Beginn dieses Sommers vorgelegt haben. Ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt, dass das natürlich auch ein Prüfstein dafür ist, wie eine zivilisierte Gesellschaft es schafft, mit den Schwächsten, nämlich den Kindern, angemessen umzugehen und hinreichenden Schutz zu gewährleisten. Ich will es offen sagen: Das, was Sie vorgelegt haben, ist ein Quantensprung nach vorne. Wir haben das oft erlebt – egal ob das Staufen, ob das Lügde oder ob das Bergisch-Gladbach war –: Es gab immer Empörung und Entrüstung hier im Haus und auch in der öffentlichen Debatte, aber wir haben nur Trippelschritte nach vorne gemacht. Das ist jetzt erstmals anders. Es ist zu Recht gesagt worden, dass eine Anpassung des Strafrahmens nicht nur etwas mit einer generalpräventiven Wirkung zu tun hat, sondern selbstverständlich auch zusätzliche Ermittlungsmöglichkeiten schafft, etwas über die Verjährungsdauer aussagt und vieles andere mehr. Ich möchte einfach darum bitten, dass wir uns auch im weiteren Gesetzgebungsprozess sehr genau anschauen: An welchen Punkten können wir im Zweifel noch mehr tun? Da sind wir in einem guten Gespräch, von einer gemeinsamen Zielsetzung in der Koalition geleitet. Das schauen wir uns ganz genau an. Und da gibt es durchaus Punkte, mit denen wir nicht zufrieden sind. Wenn beispielsweise jemand unter Bewährung steht und in dieser Bewährungszeit neue, einschlägige Straftaten begeht, dann kann das nicht zu einer neuerlichen Bewährung führen, sondern dann muss die Freiheitsstrafe unmittelbar folgen. Das ist zwingend. ({0}) Wir brauchen Instrumente wie die elektronische Fußfessel, die helfen kann, Täter engmaschig zu überwachen und damit für Sicherheit zu sorgen. Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die sich wegen Kindesmissbrauchs oder Kinderpornografie strafbar gemacht haben, zukünftig von Kindern ferngehalten werden. Schauen wir uns die aktuelle Rechtslage an: So eine einschlägige Bestrafung wird teils bereits nach drei Jahren aus dem erweiterten Führungszeugnis gestrichen. Das ist mit nichts, aber auch mit gar nichts zu rechtfertigen. Es ist richtig, dass wir uns so etwas vornehmen und gewährleisten, dass so jemand dauerhaft nicht mehr in die Nähe von Kindern kommen kann und Kinder damit geschützt werden. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein gutes Beispiel, um deutlich zu machen, dass wir den Klärungs-, den Gestaltungs-, den Gewaltmonopolanspruch des Staates durchsetzen möchten. Ich will ein weiteres Beispiel benennen, das zeigt, dass wir mit der technischen Entwicklung Schritt halten müssen. Das ist der ganze Bereich Cybercrime. Für uns geht es dabei um die Entsprechung im Digitalstrafrecht. Die wesentlichen Vorschriften stammen aus dem Jahr 2006. Im Jahr 2006 haben wir 3 G als schnelles Internet bezeichnet, Facebook war zwei Jahre alt, und Twitter und das iPhone wurden gerade entwickelt. Wir brauchen eine Anpassung in diesem Bereich. Wenn wir uns die einschlägigen Vorschriften anschauen, egal ob das das Ausspähen von Daten, die Datenhehlerei, die Sabotage, die Manipulation, das Hacking oder was auch immer ist, wird klar: Wir behandeln das als Bagatelldelikt, und das ist nicht mehr angemessen. Wir sollten uns das ganz genau anschauen: Wo müssen wir Strafrahmen anpassen? Wo müssen wir Strafbarkeitslücken schließen? Ich denke etwa an den digitalen Hausfriedensbruch als Auffangtatbestand. Und wir müssen schauen, wo wir Ermittlungsbefugnisse brauchen, wo wir die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen müssen, und zwar sowohl im repressiven wie im präventiven Bereich, dass Ermittlungsbehörden, aber auch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitsbehörden Schritt halten können, dass die Befugnisse, die sie in der analogen Welt haben, in die digitale Welt übertragen werden können. Das halte ich für ganz entscheidend. Ich will noch einen Punkt ansprechen, den Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Wir haben hier schon öfter über das Thema der Clankriminalität gesprochen, darüber, dass es Bestrebungen gibt, eine Paralleljustiz über Friedensrichter zu etablieren und anderes mehr. Da muss es das klare Ausrufezeichen des Staates geben, dass wir so etwas nicht akzeptieren. Hier gelten unsere Rechte, unsere Gesetze, und die setzen wir auch durch! ({2}) Das gilt im Bereich der organisierten Kriminalität insgesamt, weil wir ganz genau wissen, dass organisierte Kriminalität letztlich nicht nur mit den klassischen strafrechtlichen Normen zu bekämpfen ist. Wir müssen es schaffen, Geldströme zu unterbrechen und zu unterbinden. Deswegen ist es richtig, sich beispielsweise auch mit dem Thema der Geldwäsche intensiv auseinanderzusetzen, sich auch anzuschauen, was wir da ändern müssen, um zukünftig effektiver zu werden. Aber vor allen Dingen darf das natürlich im Ergebnis nicht dazu führen, dass wir letztlich neue Lücken schaffen. Deswegen darf der Fahrlässigkeitstatbestand nicht aus einem solchen Gesetzentwurf herausgenommen werden; denn er ist heute vielfach Grundlage der Verurteilungen. Das muss auch zukünftig möglich sein. Wir wollen keine Verschlechterung, sondern eine Effektivitätssteigerung, weil das der Schlüssel bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist. Herzlichen Dank. ({3})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der FDP die Kollegin Ulla Ihnen. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Mittelpunkt jeder Politik steht der Mensch, hat Christian Lindner vor Kurzem gesagt, und das gilt ganz besonders für das Justizressort. ({0}) Aber wir reden heute nicht über Rechtspolitik, sondern über den Haushalt des Justizressorts. Auch wenn der Justizetat einer der kleinsten Etats im Bundeshaushalt ist, so ist die Justiz doch ein fundamentaler Faktor unserer Demokratie. 952 Millionen Euro sind für Justiz und Verbraucherschutz in 2021 vorgesehen. Das entspricht ungefähr 0,2 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes. Aber obwohl es ein kleiner Etat ist, ist die Stellung dieses Ressorts im Grundgesetz von der Verfassung garantiert und so hervorgehoben. Eine Besonderheit: Der Etat deckt sich zu mehr als 60 Prozent selbst durch Einnahmen des Patentamtes und des Bundesamtes für Justiz. Mit diesem Etat muss auf Bundesebene sichergestellt sein, dass unser Rechtsstaat gut funktioniert und gute Rechtspolitik gemacht wird. Allerdings, Frau Ministerin, weist Ihr Ressort doch erhebliche Defizite beim Mittelabfluss auf. Auch wenn die Justiz ganz überwiegend gut funktioniert, so gibt es doch Verbesserungsbedarf. Nicht umsonst hat EU-Kommissarin Vera Jourova gerade Kritik auch an Deutschland geübt. In ihrem EU-Rechtsstaatsbericht weist sie darauf hin, dass zum Beispiel Gerichtsverfahren hierzulande viel zu lange dauern. ({1}) Dieser Befund schließt sich nahtlos an die Kritik des Bundesrechnungshofes an. Dieser konstatiert, dass über 10 Prozent aller Stellen in Ihrem Ressort nicht besetzt sind. Es ist aber Ihre Aufgabe, Frau Ministerin, das Verfassungsministerium gerade in diesen Zeiten schlagkräftig aufzustellen. Wann besetzen Sie die vielen freien Stellen? 611 Stellen waren es insgesamt im Juni dieses Jahres, die nicht besetzt waren. Das Ministerium selbst hat in der laufenden Wahlperiode 22,5 Prozent mehr Stellen bekommen. Auch für das Jahr 2021 sieht der Haushaltsentwurf neue Stellen vor, obwohl mehr als 140 Stellen in Ihrem Haus im Juni dieses Jahres nicht besetzt sind. Da fragen wir uns: Warum beantragen Sie zusätzliche Stellen, wenn noch so viele unbesetzt sind? An diesem angemeldeten Bedarf haben wir Freie Demokraten erhebliche Zweifel. ({2}) Vielleicht hat damit zu tun, Frau Ministerin, dass bisher kein neuer Entwurf zu dem Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht vorgelegt wurde. Schon Anfang dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht ja nur festgestellt: Es war nicht die notwendige Mehrheit da. – Sie hätten das Gleiche nur wieder einbringen müssen. Das kann doch nicht so lange dauern. Eine weitere Priorität, die uns besonders am Herzen liegt: Die Digitalisierung der Justiz selbst ist dringend geboten. Wir müssen unseren Rechtsstaat doch fit machen für die Zukunft. ({3}) Darauf weisen wir als Freie Demokraten schon lange hin. Wir werden im Haushaltsverfahren darauf achten, dass die Digitalisierung Priorität bekommt. Zum Schluss möchte ich gern auch etwas loben. Das „Forum Recht“ findet sich mit mehr Mitteln im neuen Haushalt wieder. Das ist ein zutiefst sinnvolles Projekt. Es ist uns Freien Demokraten ein Anliegen, dass das Recht für die Menschen lebendig dargestellt wird. ({4}) Das Recht und seine Durchsetzung sind doch gerade Voraussetzung für sozialen Frieden in unserem Land. Frau Ministerin, wir brauchen also noch vielerlei Anstrengungen, um unsere Justiz, aber auch den Verbraucherschutz fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Dabei unterstützen wir Sie als Serviceopposition mit unseren folgenden Anträgen im Haushaltsverfahren sehr gern. Vielen Dank. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster spricht der Kollege Victor Perli für die Fraktion Die Linke. ({0})

Victor Perli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem sozialen Rechtsstaat muss der Schutz der Bürgerinnen und Bürger eine größere Rolle spielen als in diesem Haushaltsentwurf. Es ist ja häufig ein Kampf zwischen David und Goliath: einzelne Menschen auf der einen Seite, mächtige Konzerne auf der anderen. Der Bundestag muss dafür sorgen, dass nicht der Kontostand über „recht haben“ und „recht bekommen“ entscheidet. Deshalb wollen wir Linke den Rechtsschutz und den Verbraucherschutz stärken. ({0}) Bislang fließen nur 4 Prozent aus dem ohnehin kleinen Etat des Justizministeriums in die Verbraucherpolitik. Das zeigt, wie wenig Union und SPD diesem Politikfeld leider beimessen. ({1}) Dabei wäre hier einiges zu tun. Im kommenden Jahr werden schätzungsweise 100 000 Menschen infolge der Pandemie von Privatinsolvenz betroffen sein. Es braucht deshalb nicht nur eine schnellere Entschuldung, sondern endlich genügend Mittel für eine gute Schuldnerberatung. ({2}) Das ist auch ein Gebot eines starken Sozialstaats. Schon vor der Coronapandemie hatten fast 300 000 Haushalte pro Jahr mit Stromsperren zu tun. Wir finden, Strom gehört zu den Dingen, die man unbedingt zum Leben braucht. Deshalb müssen Stromsperren verboten werden. ({3}) Die Coronakrise ist auch für den demokratischen Rechtsstaat eine besondere Herausforderung. Staat und Gesellschaft müssen die Pandemie bekämpfen und gleichzeitig die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren. Es hat in dieser Krise unverhältnismäßige Einschränkungen von Grundrechten gegeben. Aber es waren häufig Gerichte, die falsche und fehlerhafte Entscheidungen von Bund, Ländern und Kommunen korrigiert haben. Ein Beispiel ist die Versammlungsfreiheit. Auch in diesen Zeiten darf nicht die Frage sein, ob Versammlungen stattfinden dürfen, sondern, wie sie unter Einhaltung von Coronaregeln stattfinden können. Wir finden das auch richtig so. ({4}) Allerdings sind viele Gerichte chronisch überlastet. Die Bundesländer fordern jetzt mehr Finanzhilfen vom Bund. Die Vorsitzende der Justizministerkonferenz, die Bremer Senatorin Schilling, sagte, der Pakt für den Rechtsstaat sei zwar eine Hilfe, aber „leider nicht viel mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein“. Wir finden, recht hat sie. ({5}) Der Deutsche Richterbund beklagt, dass die Strafjustiz immer häufiger Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen muss, weil die Verfahren zu lange dauern. Cum/Ex-Kriminelle, die den größten Steuerraub in der Geschichte der Republik verantworten, könnten mit Milliarden an Steuergeld als Beute ungestraft davonkommen, weil die Behörden völlig unterbesetzt sind. 15 Staatsanwälte, wenige LKA-Beamte und Steuerfahnder und Steuerfahnderinnen haben kaum eine Chance gegen eine ganze Armee von 900 Beschuldigten und ihren Anwälten auf der anderen Seite. Nach sieben Jahren gibt es gerade einmal zwei Bewährungsstrafen, und nur ein Bruchteil des Geldes ist zurückgeholt worden. Noch immer droht Verjährung. Wir finden, das ist völlig inakzeptabel. ({6}) Aber es fehlt nicht einfach Geld. Wir haben einen besseren Vorschlag. Die Justiz muss auch entlastet werden. Es ist die Rechtspolitik der Großen Koalition, die dazu führt, dass die Gerichte mit Bagatelldelikten überflutet werden, die gar nicht bestraft werden sollten oder nur als Ordnungswidrigkeit. Jede zwölfte Strafanzeige – das sind 425 000 pro Jahr – betrifft das Fahren ohne Fahrschein oder den Konsum von Cannabis. Warum ahndet man das Busfahren ohne Fahrschein nicht genauso als Ordnungswidrigkeit wie das Parken ohne Parkschein? Warum ist es strafbar, weggeworfene Lebensmittel aus Containern zu holen? Wenn sich Gerichte massenweise mit solchen Fragen beschäftigen müssen, bleibt ihnen keine Zeit für die wirkliche Kriminalität: für Steuerhinterzieher, für Geldwäscher, für andere Verbrecher. Es ist doch so: Nicht Containern oder Joints schaden dem Vertrauen in den Rechtsstaat, sondern Cum/Ex und Wirecard. ({7}) Meine Damen und Herren, Die Linke steht für einen starken Rechtsstaat und für einen starken Verbraucherschutz. Dafür werden wir uns in den kommenden Verhandlungen einsetzen. Ich finde, wenn wir darüber sprechen, dass der Verbraucherschutz gestärkt werden muss, dann müssen wir uns auch eines angucken: Der Bundeswirtschaftsminister bekommt jedes Jahr ungefähr 250 Millionen Euro aus Strafen, die das Bundeskartellamt verhängt, weil sich Unternehmen zum Beispiel zu illegalen Preisabsprachen verabreden, die den Konsumenten Schaden zufügen. Wir finden, dieses Geld muss nicht einfach in den Haushalt kommen, sondern direkt dem Verbraucherschutz zur Verfügung gestellt werden, damit die Bürgerinnen und Bürger gestärkt werden. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Dr. Manuela Rottmann. ({0})

Dr. Manuela Rottmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004866, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind in einer Krise, und Krisen legen Stärken offen, und sie legen Schwächen offen. Sie zeigen, wo wir Reformen versäumt haben, und sie zeigen, wo wir aus vergangenen Krisen nicht gelernt haben. Das gilt für unsere Pflegeheime, das gilt für unsere Krankenhäuser, das gilt für unsere Schulen, und das gilt auch für unsere Justiz. ({0}) Die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 greifen tief in unsere Grundrechte ein. Es waren die Gerichte, die es in vielen Eilverfahren, in vielen Hauptsacheverfahren geschafft haben, den Grat zu finden, Eingriffe auf das Verhältnismäßige zu beschränken und trotzdem der Politik in einer unsicheren Lage den notwendigen Spielraum nicht zu eng zu ziehen. Die deutschen Verwaltungsgerichte haben diese Aufgabe mit Bravour bewältigt. Sie haben sich – anders als viele Ministerpräsidenten – nicht von den Umfragen über die Popularität einzelner Maßnahmen leiten lassen. Dafür danke ich ihnen. Die deutschen Richterinnen und Richter haben gezeigt, dass das Gerede von der Hygienediktatur Unsinn ist. ({1}) Die Krise hat aber auch die Schwächen unseres Rechtsstandortes, des Rechtsstandortes Deutschland, gnadenlos offengelegt. Selbst an den obersten Bundesgerichten kann bei uns von einer Digitalisierung nicht die Rede sein. Es sind zig Parteien, zig untere Gerichte, die jedes Jahr auf Grundsatzentscheidungen des BGH warten. Allein bis die Revisionserwiderung eintrifft, dauert bei uns Monate. Warum? Weil wir die Originalakten mit der Post von einer Partei zur anderen verschicken. Wir sind im Jahr 2020. Es reicht nicht mehr, auf die Zuständigkeit der Länder zu verweisen. Ja, auch viele Richterinnen und Richter hingen an ihren Papierakten. Aber jetzt in der Krise hat sich doch eine Tür geöffnet in Richtung Digitalisierung. ({2}) Nur, uns fehlt das Konzept. Uns fehlt der Plan. Uns fehlen die prozessrechtlichen Regelungen, diese Chance zu nutzen. ({3}) Haben wir aus Krisen gelernt? Mitnichten. Telekom-Skandal, Lehman-Zertifikate, tausendfacher Dieselbetrug, jetzt Wirecard – wir hatten genug Anlässe, kollektiven Rechtsschutz, den Schutz von Hinweisgebern, ein modernes Insolvenzrecht und ein Unternehmenssanktionsrecht mit Biss umzusetzen. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in der EU, und Deutschland hinkt in all diesen Themen den anderen Mitgliedstaaten hinterher. Frühzeitige rechtsempirische Untersuchungen als Basis für gute Gesetzgebung – ja, da wäre das Geld im Justizhaushalt sehr, sehr gut angelegt. Aber stattdessen bewegen wir uns fast immer im gesetzgeberischen Blindflug. Wir bräuchten dringend die Unmet-Legal-Needs-Studie, um die EU-Sammelklage umzusetzen. Wir bräuchten sie dringend, um Legal Tech nicht nur zu beobachten, sondern gestalten zu können. Aber sie liegt erst 2023 vor. Wieder gehen Jahre ins Land. ({4}) Stattdessen hangelt sich diese Koalition durch Provisorien: Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz wird nicht verändert, halt befristet. Die Verkürzung der Frist zur Restschuldbefreiung für die Verbraucherinnen und Verbraucher soll erneut befristet werden. Ich finde das einfach nur noch irre. ({5}) Wir schleppen einen gigantischen Reformstau im Wirtschaftsrecht mit uns herum, und der besteht jeden Vergleich mit dem Ende der Ära Kohl. Das sage nicht nur ich – ich kann mich schon selber nicht mehr hören –, sondern das sagen Ihnen auch die Sachverständigen in jeder einzelnen Anhörung. Sie würden es Ihnen wahrscheinlich auch vorsingen und vortanzen, aber es ist dem Ochs ins Horn gepetzt. ({6}) Ich mache dafür nicht Sie verantwortlich, Frau Lambrecht. Ich halte Sie für eine gute Justizministerin. Ich mache aber die SPD dafür verantwortlich. Denn die SPD besetzt seit Jahren dieses Ministerium, und sie behandelt es schlecht. Es wird genutzt als Karrieresprungbrett nach Straßburg oder ins Auswärtige Amt. Es wird genutzt, um Leute aus dem Willy-Brandt-Haus mit Posten zu versorgen. Aber es wird nicht für das genutzt, für das es da ist. ({7}) Ich mache auch die Union dafür verantwortlich. Denn auch nach dem Dieselskandal, auch nach Wirecard begreift ein wesentlicher Teil der Union nicht, dass Marktwirtschaft ohne einen durchsetzungsfähigen Rechtsstaat nicht funktioniert. Sie haben einen letzten Haushalt vor sich. Sie haben eine letzte Chance. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass es einen Aufbruch in der Rechtspolitik gibt, und der ist dringend erforderlich. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion der SPD ist die Kollegin Esther Dilcher. ({0})

Esther Dilcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004701, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Damit zitiere ich den Schweizer Schriftsteller Max Frisch. Wir haben in den letzten Tagen schon viel gehört über die Investitionen in den Erhalt der Arbeitsplätze in dieser Krise, im Zusammenhang damit in die Wirtschaft, in unsere Infrastruktur und Digitalisierung. Wir nehmen Geld in die Hand. Wir agieren genau zur richtigen Zeit. Das bedeutet Schuldenaufnahme, ja! Und unser Finanzminister Olaf Scholz hat am Dienstag auch gesagt, warum das richtig ist: weil Nichthandeln in der Krise teurer ist als Jetzthandeln. Das bedeutet, dass wir nach der Krise erheblich mehr Geld ausgeben müssten, um all die Nachteile auszugleichen, die durch Untätigkeit entstehen würden. Das ist sozialdemokratische mutige und vorausschauende Politik. ({0}) Unser Land kann sich glücklich schätzen, dass wir in dieser Situation unseren sozialdemokratischen Einfluss geltend machen können, und das wird von der Regierungskoalition getragen. Danke an unseren Koalitionspartner für das Vertrauen in unsere soziale Kompetenz! ({1}) So ist auch unser Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket ausgestaltet. Der Bund hat sich vorgenommen, in allen Bereichen zu prüfen, inwieweit geplante Aufträge und Investitionen jetzt vorgezogen werden können. Insbesondere Digitalisierungsvorhaben in der Verwaltung, Sicherheitsprojekte mit hohem deutschen Wertschöpfungsanteil, die noch in den Jahren 2020 und 2021 beginnen können, sollen sofort umgesetzt werden. Warum erwähne ich das alles im Zusammenhang mit dem Einzelplan 07, dem Bundeshaushalt für das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz? Ich finde das erwähnenswert, weil genau hier bei einem scheinbar kleinen Haushaltsvolumen mit Gesamtausgaben in Höhe von 952 Millionen Euro gezeigt worden ist, wie zügige Umsetzung und Beschaffung funktionieren können. Vielleicht sollten andere Ministerien, die jedes Jahr auf eine Erhöhung ihres Etats pochen und dann nicht in der Lage sind, einfache Ausrüstungsgegenstände, Bekleidung etc. für beispielsweise unsere Soldatinnen und Soldaten zu beschaffen, auch aus der Krise lernen und in ihren Strukturen Veränderungen vornehmen, damit das Geld, das wir in die Hand nehmen und zur Verfügung stellen, dort zeitnah ankommt, wo es gebraucht wird. ({2}) Für das BMJV werden aus dem Konjunkturpaket 29 Millionen Euro zugewiesen, 12 Millionen Euro davon 2021. Beispielhaft wurde hier, auch wenn es kritisiert wurde, liebe Frau Dr. Rottmann, bereits in Digitalisierung investiert. Als einzelnes Beispiel sei hier die Einrichtung eines Videostudios genannt, damit im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft die geplanten Veranstaltungen professionell digital durchgeführt werden konnten. ({3}) Ein großes Lob an das BMJV! Zügig wird hier auch an digitalem Zugang zu einzelnen Gerichten gearbeitet, beispielsweise bei Akteneinsichtsgesuchen. Das spart Zeit, Personal und andere Ressourcen und trägt zur Verfahrensbeschleunigung bei. Da hätte es Ihres Hinweises nicht bedurft; das ist auf dem Weg. ({4}) Das macht Lust auf Zukunft. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob auch in einem gewissen Rahmen zum Beispiel in Zivilprozessen Gerichtsverhandlungen digital stattfinden können. Die Zeit für die Anreise von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen, bedarf keiner Planung und kann Terminverlegungsanträge und Verfahrensverzögerungen vermeiden. Wenn man im Gespräch mit dem Justizministerium ist, sieht man eine große Bereitschaft und eine große Lust, das Projekt zu unterstützen. ({5}) Digitalisierung und Social Media bergen aber auch Gefahren; die Bundesjustizministerin hat das ausgeführt. Die Verbreitung rechtsextremistischer Strukturen im Internet und in sozialen Netzwerken nimmt seit Jahren zu. Bürgerinnen und Bürger empfinden das Internet als unsicheren Raum. Hier ist es unsere Aufgabe, Sicherheit zu schaffen. Auch dafür werden wir Geld in die Hand nehmen. Wir müssen den digital vernetzten Extremismus bekämpfen und das Wissen und die Informationen der in diesem Bereich tätigen Organisationen bündeln, um so effiziente Gegenmaßnahmen ergreifen zu können bzw. Gewalttaten zu verhindern. So können wir der Krise den Beigeschmack der Katastrophe nehmen und aus der Krise gestärkt hervorgehen. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen, um weitere wertvolle Projekte anzuschieben. Frau Ihnen, im BE-Gespräch am Montag werden sicherlich auch Ihre Fragen nach den offenen Personalstellen ganz zufriedenstellend beantwortet werden, und Sie werden sehen, dass sich Ihre Kritik damit in Luft auflöst. ({6}) – Dafür hätte es dieses Hinweises heute nicht bedurft. ({7}) Ich habe vielleicht den etwas kürzeren Draht und habe schon einmal nachgefragt, was mit den offenen Personalstellen ist, und habe eine sehr zufriedenstellende Antwort bekommen. Herr Perli, wenn Sie auf den geringen Prozentsatz für den Verbraucherschutz hinweisen, dann sollten Sie fairerweise auch sagen, dass der Bundeshaushalt der Ministerin der Justiz und für Verbraucherschutz sehr personallastig ist. Daher finde ich es unfair, dass Sie den Rest, der noch im Bundeshaushalt verbleibt, unter falschen Berechnungen so aufstellen, ({8}) dass Sie den 4-Prozent-Anteil nur am gesamten Haushalt berechnen und nicht an dem, was tatsächlich an Investitionen zur Verfügung steht. ({9}) Danke schön. ({10})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Stephan Brandner für die AfD. ({0})

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Wo ist noch mal der Herr Amthor? – Der war gut. ({0}) Jetzt läuft meine Redezeit schon. – Meine Damen und Herren! Wir widmen uns dem Bundeshaushalt.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Eine Rede im Bundestag beginnt mit „Herr Präsident“. Wenn Sie das bitte beachten.

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Aus dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das ja – folgt man dem Ausschussnamen – eigentlich das Ministerium für Recht und Verbraucherschutz sein sollte, ist unter der Ägide der letzten sechs Minister ein plumpes Ideologieministerium und insbesondere unter den letzten drei Ministern – ({0}) ich erinnere an Herrn Maas, Frau Barley und Frau Lambrecht – ein Ministerium geworden, das alles Mögliche macht, nur nicht den Rechtsstaat stärken und die Freiheitsrechte und die Bürgerrechte verteidigen. ({1}) Es gibt sich vielmehr her für ideologische Spinnereien jeglicher Art. Freilich müssen Sie rot-grün und bunt sein. Lassen Sie uns an die Vergangenheit denken: Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das verfassungswidrige „Ehe für alle“-Gesetz – alles keine Meilensteine. Lassen wir die Vergangenheit ruhen, meine Damen und Herren. Ideologische Verwirrungen und Verbohrtheit, anders lassen sich die Auftritte und Aussagen von Frau Lambrecht leider nicht erklären. So macht sich die Ministerin aktuell in Zeiten der Wirtschaftskrise, der Zuwanderungskrise, der Rechtsstaatskrise, der Coronakrise und vieler anderer Herausforderungen Gedanken worüber? Wie im Familienrecht Mutter eins und Mutter zwei behandelt werden sollen. Ganz wichtig nach Auffassung von Frau Lambrecht: wie die rechtliche Qualität der Geburtsmutter zu anderen Müttern geregelt werden soll. Man sieht, Frau Lambrecht, sogar die Biologie, nach der es eigentlich bei uns Menschen bisher immer einen Vater und eine Mutter gab, ({2}) wird auf dem Altar Ihrer links-grünen Verrücktheiten geopfert. ({3}) Plötzlich gibt es Mutter eins und Mutter zwei. Viele andere Mütter werden wahrscheinlich noch folgen, Elternteil eins und Elternteil zwei. Von Vätern ist gar keine Rede mehr. Sie arbeiten daran, die Kinder zu verstaatlichen. Nicht anders ist der Artikel 6, den Sie ändern wollen – Kinderrechte –, zu verstehen. ({4}) Apropos Rechte. Ein weiteres Tummelfeld von Frau Lambrecht und ihren Vorgängern sind das Rechte und die Bekämpfung des Rechten. Der nicht nur von Ihnen pathologisch geführte Kampf gegen rechts, meine Damen und Herren, der im heutigen Deutschland nichts anderes ist als ein Krampf gegen rechts – der was möchte? Der alles Bürgerliche, alles Patriotische, alles Vernünftige vernichten möchte. Dieser Krampf gegen rechts, Frau Lambrecht, treibt bei Ihnen irre Blüten, ({5}) obwohl rechts und Recht in unserer Sprache ganz überwiegend positiv konnotiert sind. Man denke nur an den Rechtsstaat, Freiheitsrechte, Grundrechte, Recht und Gesetz, Menschenrechte, recht bekommen, recht haben, recht behalten, rechts vor links, die Rechtsanwälte und das Rechtsfahrgebot. ({6}) Frau Lambrecht, Sie bekämpfen alles Rechte wie besessen, unterstützt durch die öffentlich-rechtlichen Medien. Frau Lambrecht widmete sich auch gerne der Netzzensur. Man denke nur an das unsägliche Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Millionen Euro verschlingt. Sie sinniert über Uploadfilter und will in den Schulen über Verschwörungstheorien aufklären lassen. Eine gute Idee, wenn Schwerpunkt dieser Verschwörungstheorien vielleicht mal die Bundesregierungspolitik in Sachen Corona wäre! ({7}) Hysterien der Altparteien sollten da mal aufgedeckt werden. Das wird wahrscheinlich nicht der Fall sein. Verschwörungstheoretiker ist immer der, der von der gerade aktuellen Meinung der Bundesregierung und der Staatsmedien abweicht. Früher war Verschwörungstheoretiker derjenige, der vor Corona gewarnt ist. Heute ist Verschwörungstheoretiker derjenige, der Coronamaßnahmen kritisiert. Sie sind da sehr flexibel, Frau Lambrecht, Sie und Ihre Bundesregierung. ({8}) Frau Lambrecht denunziert und beschimpft aber auch gerne Bürger unseres Landes, meine Damen und Herren, vor allem solche, die ihre grundgesetzlich garantierten Demonstrationsfreiheiten auf den Straßen ausleben wollen. Das sind für sie Extremisten. Schließlich widmet sich Frau Lambrecht – sie hat es hier vorne gerade schon wieder getan – mit großer Begeisterung dem Themenfeld Hass und Hetze. ({9}) Ich vermute, dass demnächst „HassundHetze“ als neue Einwortschöpfung in den Duden Eingang finden wird. Hass und Hetze, Frau Lambrecht: Diktion aus Gott sei Dank vergangenen Zeiten der alten untergegangenen DDR. Straftatbestände aus der DDR feiern bei Ihnen fröhliche Urständ. ({10}) Sie haben, Frau Lambrecht, beim Durchpeitschen Ihres Hass-und-Hetze-Gesetzes offensichtlich die Verfassungswidrigkeit übersehen, die wir als AfD von vornherein so bezeichnet hatten. Peinlich berührt sollten Sie eigentlich zurücktreten, Frau Lambrecht, ({11}) oder von Frau Merkel entlassen werden. Aber wir haben ja gerade von einem Vorredner der FDP gehört, dass offenbar nicht nur versagende CSU-Politiker bei Frau Merkel unter Artenschutz stehen. Offenbar gilt das auch für SPD-Politikerinnen. ({12}) Jetzt war noch zu hören, dass der Bundespräsident genötigt werden soll, dieses verfassungswidrige Gesetz zu unterschreiben. Ich persönlich habe keinen Zweifel daran, dass Herr Steinmeier, dessen Vita ja durchaus Bezüge ins linksextremistische Milieu aufweist ({13}) und der sich mit Verfassungsschutzbeobachtung auskennt, dieses Gesetz unterschreiben wird. Gleichwohl versuche ich von hier vorne, das Schlimmste zu verhindern. Ich rufe Herrn Steinmeier, wo immer er sein mag, zu: Herr Steinmeier, unterschreiben Sie dieses Hass-und-Hetze-Gesetz nicht! Machen Sie es nicht möglich, dass die Bundesregierung ein weiteres Mal Verfassungsrecht bricht. Schließlich – damit komme ich zum Ende, Herr Präsident –: Versuchen Sie, Frau Lambrecht – da schließt sich der Kreis –, aus Ihrem Ministerium wieder eines für Recht und Verbraucherschutz zu machen, und pervertieren Sie es nicht weiter zu einem Ministerium gegen rechts, gegen Rechtsstaat und für Ideologie. Vielen Dank. ({14})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Sebastian Steineke für die Fraktion der CDU/CSU. ({0})

Sebastian Steineke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004417, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück zur Sache. Wir debattieren heute über den Haushalt und nicht über die Verschwörungstheorien von Herrn Brandner. ({0}) Ein sehr wichtiger Teil des Haushaltes – das haben wir schon gehört – ist der Bereich des Verbraucherschutzes. Ein aktuelles Thema – darüber haben wir in den letzten Wochen schon intensiv diskutiert – ist die Reform des Inkassowesens. Wir haben dazu eine Anhörung gehabt. Ich glaube, wir haben da auch eine Menge Anregungen mitgenommen. Deswegen haben wir als Union die Themen „Gebühren“, „Identitätsdiebstahl“ und „Aufsicht über die Inkassounternehmen“ in den Mittelpunkt gestellt. Darüber werden wir in den nächsten Wochen noch mal reden. Dann kommen wir auch zu guten Ergebnissen. Ein ganz wesentliches Thema der letzten Wochen und Monate war und ist das Thema Pauschalreiserecht, Fliegen und alles, was damit zu tun hat, und zwar nicht nur während der Coronazeit, sondern bereits vorher. Wir haben die Themen „Thomas Cook“ und „Tour Vital“ und die Auswirkungen auf das Pauschalreiserecht durch die Insolvenzen gehabt. Das hat massive Auswirkungen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher gehabt. Der Bund hat hier völlig zu Recht die Entschädigung zugesagt. Auch das bildet sich im diesjährigen und auch im nächsten Haushalt ab: mit etwa 198 Millionen Euro bereits für dieses Jahr und 113 Millionen Euro für 2021. Wir wissen, dass die Versicherung ganz erhebliche Teile nicht übernehmen wird, weil die Deckungshöhen nicht ausreichen. Wir übernehmen also fast 90 Prozent der Zahlungen, die durch die Versicherung nicht erbracht werden können. Wir konnten den Staatshaftungsanspruch – das müssen wir so deutlich sagen – wegen fehlerhafter Umsetzung der Pauschalreiserichtlinie auch nicht ausschließen. Daher ist es richtig, dass der Bund auch im nächsten Haushalt Verantwortung für dieses Thema übernimmt. Und – das muss man so deutlich sagen –: Jetzt müssen die Konsequenzen schnell folgen. Hier wurden in der Vergangenheit viele, viele, viele Möglichkeiten vergeben, die Summen rechtzeitig anzupassen oder aber auch eine komplette Neuordnung des Systems in Angriff zu nehmen. ({1}) Im Juni haben wir nun im Kabinett die Eckpunkte gesehen. Unsere Vorschläge liegen seit Ende 2019 vor. Ich sage ganz klar: Wir brauchen jetzt schnell den Gesetzentwurf. Den braucht die Branche, und den brauchen die Verbraucherinnen und Verbraucher. Corona zeigt, wie wichtig das ist. Wenn wir beim Thema Reisen sind, kommen wir nicht umhin, über das Thema Flugreisen, Flugangebote zu reden. Wir haben gerade in Coronazeiten ein erhebliches Missbrauchspotenzial gesehen, weil hier einige Airlines schlicht und ergreifend die Zahlung verweigern, indem sie auf ihre wirtschaftliche Lage verweisen, sogar gegen Mahnbescheide vorgehen und sich in Gerichtsverfahren ziehen lassen. Das ist aus unserer Sicht ziemlich inakzeptabel; das muss man so deutlich sagen. ({2}) Die erfolgte Klage der Verbraucherzentrale gegen Lufthansa ist damit eigentlich nur folgerichtig. Diese hat sich die Branche selber verdient; das muss man in dieser Deutlichkeit sagen. ({3}) Wir müssen daraus jetzt aber auch tatsächlich die Konsequenzen ziehen. Wir können jetzt nicht hingehen und sagen: Das kann alles so bleiben, wie es ist. – Deswegen müssen wir – das sagen wir so deutlich – über automatisierte Erstattung, Entschädigung nachdenken, und am Ende des Tages auch darüber, ob wir uns nicht mal überhaupt das Thema Fälligkeit der Zahlungen angucken. Das kann, glaube ich, ein wesentlicher Punkt sein, um in den nächsten Wochen und Monaten zu besseren Ergebnissen zu kommen. Dann haben wir diese Probleme schlicht nicht. Diese können wir jetzt lösen: Unsere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. ({4}) Ein Projekt im Bereich Verbraucherschutz, das noch vor uns liegt – die Ministerin hat es angesprochen –, ist das Thema faire Verbraucherverträge. Es ist kein Geheimnis, dass es dazu unterschiedliche Auffassungen gibt; das konnte man in der Presse lesen. Es geht vor allen Dingen um das Thema Vertragslaufzeiten. ({5}) Das stieß übrigens nicht nur bei den Unternehmen auf deutliche Kritik, sondern auch bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich bei uns zu diesem Thema gemeldet haben. ({6}) Im Hinblick auf die ansonsten im Gesetz vorgesehenen Themen – wir haben viele Regelungen, die darin noch stehen –, etwa das Thema Abtretungsverbot oder das Thema unerlaubte Telefonwerbung, wäre es jetzt sehr hilfreich, wenn die Beteiligten noch mal in sich gingen und tatsächlich über weitere Lösungsmöglichkeiten in diesem Bereich nachdächten. Soweit es im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen ist, die Vertragslaufzeiten zu verkürzen, muss man am Ende des Tages dann darüber nachdenken, ob man diese Vorschrift herauslöst, um das Inkrafttreten der anderen Regelungen nicht weiter aufzuhalten; denn das kann man den Verbrauchern aus unserer Sicht nicht zumuten. Und: Wir haben noch in dieser Legislaturperiode einen ganz wesentlichen Punkt im Verbraucherschutz umzusetzen, nämlich den – der Referentenentwurf liegt vor – „New Deal for Consumers“. Im Bereich des unlauteren Wettbewerbs liegen ja die Vorschläge schon vor, nämlich Regeln für mehr Transparenz im Onlinehandel. Regeln für Entschädigungsleistungen für Verbraucherinnen und Verbraucher sind wichtig. Das ist notwendig, aber wir werden uns sehr genau angucken, dass hier eine Eins-zu-eins-Umsetzung erfolgt und nicht überobligationsmäßig mehr eingebracht wird. Zum Ende – das kann man vielleicht noch mal kurz sagen, weil ich unsere Haushälter sehe, die das mitverhandelt haben – ist es, glaube ich, wichtig, dass es auch in diesem Haushalt für die nächsten Jahre wieder gelungen ist, die Richterakademien in Wustrau und Trier durch den Bund auskömmlich zu finanzieren. Die hälftige Finanzierung stand ja infrage. 95 Prozent der Finanzierung sollte durch die Länder erfolgen. Diese konnten die Kritik des Bundesrechnungshofes in der Form nicht nachvollziehen. Deswegen bedanke ich mich bei den Haushältern, auch den Koalitionsfraktionen dafür, dass wir es wieder geschafft haben, eine vernünftige Finanzierung auf den Weg zu bringen. ({7}) Weil vorhin über die Zahlen geredet worden ist, kann man, glaube ich, sagen: Wir haben in der Verbraucherpolitik leicht steigende Ausgaben von fast 41 Millionen Euro. Wir geben auch mit deutlich mehr als 8 Millionen Euro mehr Geld für die Verbraucherinformationen aus. Am Ende des Tages kann man immer mehr wollen. Aber ich glaube, das ist ein guter Entwurf, um in die Beratungen zu gehen. Vielen Dank. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Stephan Thomae. ({0})

Stephan Thomae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004175, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Frau Ministerin, lassen Sie mich mit einem Blick auf den Fall des Giftanschlages auf Alexej Nawalny beginnen. Was hat das hier in dieser Debatte verloren? Dieser Fall enthält auch eine rechtspolitische Komponente. Denn Russland hat in der Zwischenzeit drei Rechtshilfeersuchen an uns gestellt, die bislang unbeantwortet geblieben sind, was Russland veranlasst, uns vorzuhalten, dass wir die Ermittlungen in Russland behindern würden – was natürlich völliger Unsinn ist. Wer glaubt allen Ernstes, dass Russland, dessen staatliche Stellen selbst im Verdacht stehen, an diesem Anschlag beteiligt zu sein, ihn verübt zu haben, einen echten Aufklärungswillen hat? Diesen Glauben hat niemand. Deswegen, Frau Ministerin, fordere ich Sie auf: Weisen Sie diese Ersuchen Russlands entschieden zurück. Meine Aufforderung an Sie wäre, sich stattdessen für eine internationale Untersuchungskommission starkzumachen, um den Fall Nawalny international aufzuklären, wie es das schon einmal im Jahr 2005 bei dem Fall Hariri gab. Dann kann auch Putin unter Beweis stellen, dass er an der Aufklärung des Falles Nawalny mitwirkt. ({0}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Rahmen der Haushaltsberatungen, die jetzt beginnen, möchte ich einige Worte zu einer modernen Justizpolitik sagen; Kollegin Ihnen sprach es schon an. Ich lege Ihnen sehr ans Herz, auf die Themen „Digitalpakt für die Justiz“ und „Pakt für den Rechtsstaat“ ein wichtiges Augenmerk zu legen. Zum Digitalpakt haben wir als FDP schon vor über einem Jahr einen Antrag zur Einführung der technischen Aufzeichnung in Hauptverhandlungen von Landgerichten und Oberlandesgerichten in Strafverfahren vorgelegt. Sie haben eine Expertenkommission eingesetzt, die allerdings leider erst im Sommer 2021 ihren Abschlussbericht vorlegen wird. Das heißt, dass dieses wichtige Vorhaben noch einmal um eine Wahlperiode verschoben wird; das bedauern wir sehr. Wir haben schon vor über einem Jahr den Anstoß dazu gegeben. Sie hätten einfach nur übernehmen müssen, was wir vorgeschlagen haben. Leider kommt es jetzt zu dieser Verzögerung. ({1}) Vor allem aber will ich für die kommenden Haushaltsberatungen das Augenmerk noch einmal auf den Pakt für den Rechtsstaat richten. Auf die Justiz kommen mehr und mehr Lasten und Aufgaben zu: Mehrbelastungen allerorts, Entlastungen nirgends. Sie haben jetzt einen Gesetzentwurf zum Thema Verbandssanktionsrecht vorgelegt, wohinter sich eigentlich nichts anderes verbirgt als das alte Unternehmensstrafrecht. Mir ist der Mehrwertwert dieses Gesetzes unklar. Was kann denn abschreckender wirken als die persönliche Haftung der Handelnden? Der Mehrwert ist mir höchst unklar; die Mehrbelastung hingegen wird es allenthalben geben. Das wird ein Problem werden, das wir auch andernorts haben: immer mehr Belastungen für die Justiz, aber bei geringem Mehrwert. Deswegen denke ich: Auch das müssen wir angehen. Wir müssen eine Aufgabenkritik durchführen und überlegen: „Wo kann man die Justiz entlasten?“, damit wir sie fitmachen für das 21. Jahrhundert – für eine moderne Justiz. Vielen Dank. ({2})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Niema Movassat. ({0})

Niema Movassat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004114, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf drei Punkte eingehen. Erstens, das Strafrecht. Frühere Bundesregierungen haben in den letzten Jahrzehnten das Strafrecht Dutzende Male verschärft. Auch diese Regierung hat Verschärfungen vorgenommen und plant weitere. ({0}) Immer kommt dafür dasselbe Argument: Man müsse etwas gegen Kriminelle tun, man müsse die Bürgerinnen und Bürger schützen. Und dann erhöht man den Strafrahmen. Das Problem ist: Alle Strafrechtsverschärfungen fanden ohne ernsthafte empirische Grundlage statt. ({1}) Gerade erst habe ich dazu aus Ihrem Hause, Frau Ministerin Lambrecht, eine Antwort auf eine Kleine Anfrage erhalten. Aus dieser Antwort geht hervor, dass Ihnen nur die Anzahl der Strafanzeigen und der Verurteilungen vorliegen. Ansonsten gibt es keine Zahlen und keine Evaluation dazu, wie sich Strafrechtsverschärfungen überhaupt auswirken. Schützen sie irgendwen? Schrecken sie Täter tatsächlich ab? Das wissen wir alles gar nicht. Und weil das bisher nicht untersucht ist, muss das endlich untersucht werden. ({2}) Wir werden deshalb in den Haushaltsberatungen als Linke fordern, Studien durchzuführen, um herauszufinden, ob und was die Strafrechtsverschärfungen der letzten Jahrzehnte überhaupt gebracht haben. Mein Eindruck ist, dass Strafrechtsverschärfungen ein Mittel sind, der Bevölkerung politische Handlungsfähigkeit zu zeigen, die nichts kostet, aber praktisch eben oft auch nichts bringt. Im Übrigen klagen Polizei und Justiz ja schon seit Jahren, dass sie überlastet seien. Es wäre an der Zeit, endlich darüber nachzudenken, welche Bagatelldelikte unnütz Ressourcen verschlingen. Würde man das Schwarzfahren und den Konsum von Cannabis entkriminalisieren, würden etwa 8 Prozent aller Straftaten in diesem Land wegfallen. Das wäre kriminalpolitisch sinnvoll. Es würde aber auch die Polizei und die Justiz entschieden entlasten. ({3}) – Der Rechtsstaat kapituliert, Herr Kollege, wenn er bei Cum/Ex und Wirecard nicht aufklärt und nicht in der Lage ist, dagegen vorzugehen. ({4}) Das ist eine Kapitulation des Rechtsstaates, nicht, wenn er Schwarzfahrer nicht verfolgt. ({5}) Zweitens möchte ich auf den Verbraucherschutz eingehen. Hier stehen uns aufgrund der Coronapandemie sehr große Probleme bevor. Sozial-, Verbraucher- und Wirtschaftsverbände, aber auch Schuldnerberater warnen seit Monaten vor einer Zunahme von Insolvenzen. Bereits jetzt müssen verschuldete Menschen oft fünf Monate auf eine erste Schuldnerberatung warten. Die Bundesregierung übernimmt null Verantwortung. Es fehlt völlig an einer Anschubfinanzierung, um die Schuldnerberatung bundesweit an den bestehenden Bedarf anzupassen. Wir debattieren zurzeit im Bundestag ja auch das Thema Restschuldbefreiung. Die Bundesregierung will nur auf den Mindeststandard von drei Jahren gehen, den die EU vorgibt. Aber das EU-Recht erlaubt auch kürzere Fristen. Angesichts der Coronakrise – das sage ich Ihnen – brauchen wir auch schnellere Restschuldbefreiungen. ({6}) Im Verbraucherschutzbereich insgesamt besteht somit riesiger Handlungsbedarf, wenn nicht auf die Coronakrise eine Verbraucher- und Privatschuldenkrise folgen soll. Frau Lambrecht, hier ist wirklich mehr Engagement notwendig. Drittens, Frau Ministerin, möchte ich zum Abschluss Danke sagen, Danke dafür, dass Sie beim Thema Unternehmenssanktionsrecht standhaft sind. Wir als Linke wollen zwar weiter gehende und schärfere Sanktionen für Unternehmen, die Straftaten begehen. Aber wir finden, dass Ihr Gesetzentwurf in die richtige Richtung geht. Wir finden, dass wir in Deutschland wie in der überwiegenden Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten endlich ein Unternehmenssanktionsrecht brauchen, das den Namen verdient. Ich spreche das an, weil ich weiß, dass Lobbyisten sehr aktiv sind, um Ihren Gesetzentwurf zu verhindern, dass auch die CDU/CSU-Fraktion sehr aktiv ist, um Ihren Gesetzentwurf zu verhindern. ({7}) Da wird dann unter anderem argumentiert, die Wirtschaft würde abstürzen, wenn Ihr Gesetzentwurf durchkäme. Das ist wirklich Nonsens. ({8}) Denn zum Glück begehen die meisten Unternehmen keine Straftaten. Wer sich redlich verhält, der muss auch keine Angst vor Sanktionen haben. Die schwarzen Schafe aber müssen endlich konsequent zur Verantwortung gezogen werden, und deshalb unterstützen wir als Linke Ihren Gesetzentwurf. Danke schön. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist die Kollegin Canan Bayram. ({0})

Canan Bayram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004665, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Lambrecht, beim Verbot der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen haben Sie mich auf Ihrer Seite; da unterstütze ich Sie voll und ganz. ({0}) Wir müssen Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung schützen. Insoweit hoffe ich, dass es Ihnen gelingt, Herrn Luczak und die Immobilienlobby im Zaum zu halten und denen Grenzen zu setzen. ({1}) In meinem Wahlkreis, in Friedrichshain-Kreuzberg, haben viele Menschen Angst, durch Eigenbedarfskündigungen nicht nur ihr Zuhause zu verlieren, sondern oft auch die Schulplätze, die Kitaplätze. ({2}) An so einer Wohnung hängt sehr viel. Bitte setzen Sie sich da durch, liebe Frau Lambrecht. Mich haben Sie auf Ihrer Seite. ({3}) Vor fast genau einem Jahr, am 9. Oktober 2019, gab es den so schrecklichen wie traurigen Massenmordversuch vor der Synagoge in Halle, verbunden mit zwei Morden und mit Körperverletzung durch einen rechtsextremen, militanten Antisemiten, der sich insbesondere im Netz radikalisiert hatte. Die Justizministerin und der Innenminister haben daraufhin ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vorgelegt. Die wichtigen und dringlichen Ziele des späteren gleichnamigen Gesetzentwurfs, nämlich den zunehmenden Rechtsextremismus, die anhaltenden Angriffe auf Demokratinnen und Demokraten, die zu beobachtende Verrohung der Diskussionskultur und die Straftaten im Netz, die von Volksverhetzung, Bedrohung, Vorbereitung von Terrordelikten bis zur Verbreitung und Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder reichen, effektiv zu bekämpfen, liegen auch meiner Fraktion am Herzen, meine Damen und Herren. ({4}) Nur, das Gesetz gilt nicht. Warum? Weil die Bundesregierung, die Justizministerin vorneweg, handwerklich nicht gut gearbeitet hat. Die Grundlagen für die Meldung von vermutlichen Straftaten durch die großen sozialen Netzwerke an das Bundeskriminalamt als Zentralstelle und diesbezügliche Auskunftsrechte sind verfassungswidrig. Sehenden Auges und wider besseren Rat im Gesetzgebungsverfahren haben Bundesregierung, ja, und auch Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, das Gesetz an die Wand gefahren, und das ist sehr ärgerlich, meine Damen und Herren. ({5}) Der Bundespräsident fertigt es bislang offenbar nicht aus. Das ist rechtsstaatlich und politisch ein Desaster; da müssen wir besser werden. Grundrechtsschonende Alternativen, beispielsweise in Form eines Zweistufenmodells, wie von meiner Fraktion vorgeschlagen, haben Sie abgelehnt. Obwohl spätestens seit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts klar sein musste, dass diese Berücksichtigung finden müssen, haben Sie das nicht getan. Das sagen nicht nur wir Grüne; das sagt auch der Wissenschaftliche Dienst, und das besagt auch ein von uns beauftragtes Gutachten, das wir dem Bundestag mit einem Antrag vorgelegt haben, meine Damen und Herren. Spätestens nach der Veröffentlichung der neuerlichen Entscheidung des Verfassungsgerichts Mitte Juli dieses Jahres hätte die Bundesregierung reagieren müssen. Das haben Sie leider nicht getan. Aber ich gebe die Hoffnung nie auf; Sie kennen mich. Deshalb meine und unsere Erwartung und unser nachdrücklicher Appell an die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen: Bringen Sie unverzüglich eine verfassungskonforme Neufassung des Gesetzes ein! Das schulden wir den Opfern des rechtsextremistischen Anschlags, ihren Angehörigen und allen Betroffenen von Hass und Hetze. Vielen Dank. ({6})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Dr. Johannes Fechner. ({0})

Dr. Johannes Fechner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004270, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir leben leider in einer Zeit, in der in vielen Ländern der Rechtsstaat unter Druck gerät, die Unabhängigkeit der Justiz angetastet wird oder die Pressefreiheit sowie Rechtsschutzmöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher eingeschränkt werden. Das können wir nicht hinnehmen. Deswegen sind diese Haushaltsberatungen ein guter Anlass, um durch eine gute Finanzausstattung, etwa unserer Bundesgerichte, aber auch vieler wichtiger Einrichtungen und Institutionen, die sich für Rechtsstaatlichkeit und Verbraucherschutz einsetzen, ein ganz klares Zeichen zu setzen: Wir wollen einen starken Rechtsstaat für die Bürgerinnen und Bürger, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Zu einem Rechtsstaat gehört, dass derjenige, der recht hat, auch recht bekommt. Deswegen war es so wichtig, dass wir mit der Einführung der Musterfeststellungsklage einen Meilenstein für den Verbraucherschutz geschaffen haben, gegen den erbitterten Widerstand der Grünen. Das war richtig. Im VW-Verfahren hat sich gezeigt, dass Hunderttausende VW-Käufer ihre Entschädigung relativ schnell bekommen haben; das war also ein ganz großer Erfolg. Das zeigt uns: Wir müssen, was den kollektiven Rechtsschutz in Deutschland angeht, weiter vorangehen. Hier brauchen wir mehr Möglichkeiten, damit wir mit dem kollektiven Rechtsschutz in Deutschland noch weiter vorankommen. Wir freuen uns schon auf die Debatten. ({1}) Nicht nur, aber auch weil die Verbraucherzentrale eine wichtige Rolle für den Verbraucherschutz in Deutschland spielt, werden wir mit diesem Haushalt weitere erhebliche Mittel für die Verbraucherzentralen zur Verfügung stellen. Hierfür sind 23 Millionen Euro vorgesehen. Auch die Stiftung Warentest wollen wir mit rund 2 Millionen Euro bedenken. Wir sind der Meinung, dass mündige Verbraucher gut informiert sein müssen. ({2}) Damit Deutschland weiter eines der sichersten Länder der Welt bleibt, haben wir uns auch bei der Kriminalitätsbekämpfung sehr viel vorgenommen, ob das der Kampf gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder ist oder die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Deswegen ist es gut, dass Ministerin Lambrecht ein umfassendes Gesetzespaket – Sie haben es heute noch mal skizziert, vielen Dank dafür – vorgelegt hat, wie wir gegen die sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorgehen wollen. Darüber hinaus wollen wir auch gegen die organisierte Kriminalität vorgehen. Wir wollen die Geldwäsche effektiver bekämpfen und noch vieles mehr. Mit dem Gesetz gegen Hasskriminalität haben wir dafür gesorgt, dass es zukünftig bei strafbarem Hass im Netz schneller und häufiger zu Strafverfahren kommen wird. Auch das ist ein ganz wichtiges Signal gegen Hass und Hetze im Netz, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Damit solche Gesetze wirken und auch durchgesetzt werden können – damit komme ich zum Haushalt –, ist es natürlich erforderlich, dass bei Behörden und Gerichten, insbesondere bei Justiz und Polizei, genügend Personal vorhanden ist; denn die besten und schärfsten Gesetze bringen ja nichts, wenn wir keine Beamten haben, die das Ganze umsetzen. Deswegen ist es gut, dass wir hier bei den Bundesgerichten und vielen Behörden vorangehen und für eine ordentliche Personalausstattung sorgen, sie zum Teil auch sinnvoll erhöhen. Da sind wir übrigens Vorbild für die Länder. Wir haben einen Pakt für den Rechtsstaat abgeschlossen und werden zum Jahreswechsel ganz genau hinschauen, wie viele neue Stellen für Richter, Staatsanwälte und das Folgepersonal in den Ländern geschaffen wurden. Wir erwarten, dass die 220 Millionen Euro, die wir den Ländern im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt haben, von den Ländern auch abgerufen werden. Wir erwarten, dass ohne Tricksereien tatsächlich 2 000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen werden und unsere Gesetze so auch umgesetzt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Wir werden insbesondere bei den Ländern, die im Bundesrat immer wieder gerne massive Strafverschärfungen fordern, genau hinschauen, ob sie dann auch bereit sind, den zweiten Schritt zu gehen, nämlich für die Umsetzung unserer Gesetze genügend Personal zur Verfügung zu stellen. Wegen der großen Bedrohungslage stellt die Bekämpfung des Rechtsextremismus eine ganz wichtige Maßnahme für uns dar. Da kann es nicht nur bei Gesetzen bleiben. Hier haben wir als Haushaltsgesetzgeber die Möglichkeit, wichtige Einrichtungen zu fördern, und das tun wir. Wir fördern etwa HateAid oder die Amadeu-Antonio-Stiftung. Besonders wichtig finde ich, dass wir mit diesem Haushalt die Opfer des Oktoberfestattentates 30 Jahre nach diesem schrecklichen brutalen, rechtsextremen Attentat mit einer halben Million Euro entschädigen wollen. Es ist ein ganz wichtiges Signal, dass wir die Opfer rechtsextremer Attacken nicht alleine lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Auch im Mietrecht haben wir einiges vor. Ich habe mich sehr darüber gefreut, wie Ministerin Lambrecht heute die – ich nenne es mal – Privatmeinung von Herrn Seehofer mit einer klaren Ansage gekontert hat. Wir haben eine klare Vereinbarung, was das Umwandlungsverbot und die Hürden angeht. Kollege Luczak, ich kann Ihnen das zukommen lassen; wir haben uns darauf geeinigt. Das steht. ({6}) Frau Bayram, Ihre Kritik kann ich da nicht so ganz verstehen; damit komme ich auch zum Schluss. Es war die grün-schwarze Landesregierung, die Herrn Seehofer durch die Stellungnahme der Wirtschaftsministerin erst zu dieser Streichung ermuntert hat. Da sollten Sie mal vor Ihrer eigenen Haustür kehren. Wenn Ihnen dieses Thema tatsächlich wichtig gewesen wäre, hätte der grüne Ministerpräsident hier ein Machtwort gesprochen und wäre eingeschritten. ({7}) Das ist genau die gleiche Scheinheiligkeit, die Sie an den Tag legen, wenn es um die Mietpreisbremse geht. Hier, lieber Herr Chris Kühn, verprügeln Sie uns, während Ihr Parteivorsitzender Habeck sie in Schleswig-Holstein abgeschafft hat. Das war noch zu sagen. Vielen Dank. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster spricht der Kollege Hans-Jürgen Thies für die Fraktion der CDU/CSU. ({0})

Hans Jürgen Thies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004915, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rechtspolitik der letzten sechs Monate war in erster Linie davon geprägt, die vielfältigen Herausforderungen der Coronakrise zu bewältigen. Dabei waren zur akuten Krisenbewältigung unter anderem die Aussetzung relevanter Fristen, aber sogar Eingriffe in die Vertragsfreiheit notwendig. Dies alles haben wir gemacht, um gewachsene Strukturen zu erhalten und um soziale Verwerfungen zu verhindern. Der Bundesjustizministerin und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Hauses möchte ich ausdrücklich dafür danken, dass uns Abgeordneten im Krisenmodus mit brauchbaren Formulierungs- und Entscheidungsvorschlägen zeitnah zugearbeitet wurde. Im Ergebnis, denke ich, haben wir auch in der Rechtspolitik in den letzten Monaten vieles richtig gemacht. ({0}) In der heutigen Haushaltsdebatte gilt es allerdings, den Blick nach vorne zu richten. Der von der Bundesregierung vorgelegte Haushaltsentwurf 2021 sieht ein Ausgabenvolumen von 952 Millionen Euro für den Einzelplan 07 vor. Immerhin enthält der Entwurf einen Aufwuchs von 3,5 Prozent. Allein im Bereich des BMJV soll eine Ausgabensteigerung um 10 Prozent erfolgen. Auffällig ist ferner, dass für den Bereich des Verbraucherschutzes nur ein Ausgabenvolumen von 41 Millionen Euro vorgesehen ist; dabei soll der Zuschuss für die Stiftung Warentest um 10 Prozent gekürzt werden und der Zuschuss für die Verbraucherzentrale auf Bundesebene um 2,5 Prozent. Diese Kürzungen, aber auch die Ausgabensteigerungen beim BMJV sollten meines Erachtens in den weiteren Haushaltsberatungen noch einmal kritisch hinterfragt werden. Aus dem Bereich meiner Berichterstattungen möchte ich zwei Vorhaben kurz ansprechen, bei denen ich mir nunmehr ein zügiges Handeln des BMJV wünsche. Als Erstes möchte ich auf die längst überfällige Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes hinweisen. Dieses Gesetz soll und muss zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Mir ist völlig klar, dass es hier langwierige und schwierige Verhandlungen mit dem Bundesrat und den Bundesländern gegeben hat; sie sind jetzt aber bekanntlich abgeschlossen. Unabhängige Rechtsanwälte sind ein wesentlicher Grundpfeiler unserer Rechtspflege. Sie sind elementar für unseren Rechtsstaat. Der einfache Zugang zum Recht ist die notwendige Voraussetzung für einen effektiven Rechtsschutz aller Bürger. Dazu gehört auch eine ausreichende Anzahl von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, und zwar nicht nur in den großen städtischen Ballungsräumen, sondern auch und gerade in der Fläche, also in den ländlichen Regionen. Auch der Einzelanwalt sowie die Anwälte in kleineren und mittleren Kanzleien erfüllen somit wichtige Aufgaben beim Zugang zum Recht. Dort sind aber angemessene Vergütungsvereinbarungen, insbesondere bei Naturalparteien, nicht immer durchsetzbar. Umso wichtiger sind hier auskömmliche gesetzliche Vergütungssätze. Die Kosten des Kanzleibetriebs sind seit der letzten Gebührenanpassung im Jahr 2013 gerade bei Personal- und Mietkosten um rund 20 Prozent gestiegen. Diese Kostensteigerungen werden durch die angedachte lineare Erhöhung der Gebühren um 10 Prozent und durch geringfügige strukturelle Verbesserungen nur teilweise kompensiert. Meine Bitte an die Bundesregierung lautet daher: Lassen Sie die deutsche Anwaltschaft nicht im Regen stehen! Sie ist für das Funktionieren unseres Rechtsstaats absolut systemrelevant. ({1}) Abschließend möchte ich noch an die dringend erforderliche Reform des Stiftungsrechtes erinnern. Das aktuelle Stiftungsrecht ist durch ein Nebeneinander von Landes- und Bundesrecht gekennzeichnet. Entsprechend den Vorschlägen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist eine Vereinheitlichung des Stiftungsrechts mit abschließenden Regelungen im BGB sinnvoll. Dazu sollte auch ein einheitliches Stiftungsregister gehören. Mehr als 23 000 Stiftungen des Privatrechts in Deutschland benötigen ein klar strukturiertes Regelwerk, mit dem sie rechtssicher umgehen können. Millionen von Menschen sind in Deutschland freiwillig und im Ehrenamt für das Gemeinwohl aktiv, viele davon in gemeinnützigen Stiftungen. Dieses Engagement muss der Bundesgesetzgeber durch ein modernes Stiftungsrecht unterstützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, den im Koalitionsvertrag angelegten Pakt für den Rechtsstaat müssen wir weiterentwickeln. Ich bitte Sie, daran mit konstruktiven Vorschlägen mitzuwirken. In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Haushaltsberatungen. Vielen Dank. ({2})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion der FDP ist die Kollegin Katharina Willkomm. ({0})

Katharina Kloke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004783, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Justiz und Verbraucherschutz will die Regierung 952 Millionen Euro ausgeben. Die Belastung des Einzelplans soll netto um 22 Millionen Euro steigen. Ist das jetzt viel oder wenig? Es kommt darauf an, was man daraus macht. Mit 22 Millionen Euro könnten die Grünen 150 Tests für bunte Farbkreise auf der Bergmannstraße in Kreuzberg durchführen, ({0}) bevor der Regen sie wegspült. SPD und Linke würden damit in der Karl-Marx-Allee 366-mal Geld für Wohnungen ausgeben, und das, ohne dass eine einzige neue hinzukommt. ({1}) Und Anti-Verbraucherminister Scheuer könnte man 195 000 Faltsignale zur Markierung von Gefahrenstellen ins Ministerium stellen, ({2}) wahlweise mit dem Aufdruck „Panne“, „Spur blockiert“ oder „Rohrbruch“. ({3}) Bekommt der Steuerzahler für 22 Millionen Euro mehr gerade mal ein paar Witze? ({4}) Nein. Steuerzahler, Rechtsuchende und Verbraucher erwarten, dass die Bundesregierung mit jedem einzelnen Euro sorgsam umgeht, dass sie Geld investiert in bessere Voraussetzungen für neues Wachstum und Wohlstand, für Bürgerrechte und Rechtsstaatlichkeit und dass sie im Zweifel eher spart, damit für die nächste Generation noch was im Büggel ist. Forschung, Information, Innovation – was steckt hinter diesen Schlagwörtern im BMJV-Haushalt, außer dem Budget der Verbraucherzentrale und der Stiftung Warentest? Frau Lambrecht, was sind das für Projekte zu Corporate Digital Responsibility, für die Sie den Etat gleich verdoppeln? Warum steckt das Justizministerium deutsches Steuergeld in ein Institut für strategischen Dialog mit Sitz in London und Karl-Theodor zu Guttenberg im Vorstand? ({5}) Wie Ihre finanziellen Prioritäten, so Ihr rechtlicher Gestaltungsanspruch: Von der Unmet-Legal-Needs- bzw. Rechtsbedarfsstudie haben wir eben schon gehört. Wenn das Geld immer knapper wird, was läge näher, als zu prüfen, wie die Mittel besser eingesetzt werden könnten, für effizienten Rechtsschutz und Vertrauen in den Rechtsstaat? ({6}) Aber da kommt von Ihnen nichts. Der kollektive Rechtsschutz ist ein großes Verbraucherschutzthema. Neulich hatten wir eine Anhörung zum KapMuG. Die Experten sagen: Digitalisieren Sie das Gesetz! Beschleunigen Sie die Verfahren! – Und was macht die GroKo? Sie wird die Geltungsdauer dieses Gesetzes um drei Jahre verlängern – unberührt und ungerührt. Zum Mietendeckel. Der Wohnungsmarkt ist ein Riesenproblem für viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Aber die Justizministerin bremst jeden Anreiz, zusätzliche Mietwohnungen anzubieten. In Berlin beschließt Rot-Rot-Grün einen Mietendeckel, der Verfassungsrechte des Bundes verletzt. ({7}) Ist das ein Thema für die Verfassungsministerin? Nein, antwortet Frau Lambrecht: Also, zum Mietendeckel sage ich nichts; das ist ja ein Landesgesetz. Meine Damen und Herren, das ist keine Politik für die Zukunft. Finanziell und rechtsgestaltend – das ist zu wenig. Vielen Dank. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist der Kollege Alexander Hoffmann. ({0})

Alexander Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004304, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Eine Haushaltsdebatte ist immer auch ein guter Zeitpunkt für eine Standortbestimmung. Kurz vor Beginn des letzten Jahres dieser Legislaturperiode ist es, glaube ich, gut, dass wir auch noch mal fokussieren: Was wollen wir denn noch anpacken? Ich möchte meine Redezeit vor allem für ein Thema nutzen, das uns im Sommer alle, glaube ich, durchaus emotional aufgewühlt hat. Das sind die Missbrauchsfälle in Münster und Bergisch-Gladbach gewesen. Was mich bis heute nicht loslässt, ist ein Satz, der damals ins Land ging. Er ist gesagt worden von dem in Münster ermittelnden Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt. Er hat gesagt – Herr Präsident, ich zitiere – : Selbst die erfahrensten Kriminalbeamten sind an die Grenzen des menschlich Erträglichen gestoßen und weit darüber hinaus. Das hat er gesagt zu dem, was dort an Bildern, an Ereignissen zutage gefördert wurde. Ich glaube, das ist ein guter Zeitpunkt, mal den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten Danke zu sagen, die in diesem Bereich tätig sind und jeden Tag mit Ereignissen und Bildern zu tun haben, die sie unter Umständen ein ganzes Leben nicht loslassen. Dafür ein herzliches Vergelt’s Gott! ({0}) Was wir bei der analytischen Betrachtung der Ereignisse in Münster feststellen müssen, ist, dass es sich dabei um ein Paradebeispiel für die Herausforderung handelt, der wir heute im Bereich der Bekämpfung von Kinderpornografie und Kindesmissbrauch gegenüberstehen. Gefunden wurde eine professionelle IT-Ausstattung, Speichervolumen von bis zu 500 Terabyte. Nur zur Information: Auf 1 Terabyte kann man zwischen 250 und 2 Millionen Bilder abspeichern. Fachleute sagen, dass es für einen einzelnen Beamten je nach Endgerät 30 Jahre dauern würde, das gesamte Material, das dort vorgefunden worden ist, zu sichten. Es ging um hundertfachen Missbrauch, minutiös verabredet und geplant, der millionenfach in Sekundenschnelle ins Netz gestellt wurde und damit um die Welt gegangen ist. Wir merken, dass die digitale Welt eine ganz neue Dimension an Sexualstraftaten und eine ganz neue Dimension an Unrechtsgehalt möglich macht. Wenn Sie sich an die 80er- und 90er-Jahre erinnern, dann stellen Sie fest, dass Kinderpornografie in Form von Booklets mit 10 bis 20 Bildern gehandelt wurde und alles in der analogen Welt stattfand: Kontaktaufnahme in der analogen Welt, Verabredung mit anderen in der analogen Welt, Übergabe von Datenträgern in der analogen Welt – alles immer verbunden mit dem Risiko der Entdeckung. Heute nutzen die Täter die Anonymität im Netz schon, um mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen. Sie können sich im Schutz des Netzes verabreden und verbreiten das Material millionenfach im Netz, nie wieder zurückholbar; darauf komme ich noch zu sprechen. Wir merken, Frau Ministerin: Der Rechtsstaat muss mit der Zeit gehen. Wir haben Straftatbestände, gerade im Bereich der sexuellen Gewalt gegen Kinder, die eigentlich Unrechtsgehalt vor allem in der analogen Welt abbilden. Deshalb brauchen wir – da sind wir uns einig – Verschärfungen, die eben auch das Unrechtspotenzial abbilden können, das wir heute wie im Fall Münster tatsächlich erleben. Da – gestatten Sie mir den Hinweis – empfinden wir von der Union – auch wir von der CSU – Ihren vorgelegten Referentenentwurf als zu zaghaft. Es hat letzte Woche eine Ressortabstimmung mit dem Bundesinnenministerium gegeben, und ich bin dem Bundesinnenminister Horst Seehofer sehr dankbar, dass da verschiedene Vorschläge zur Verschärfung unterbreitet wurden – das war ein ganz bunter Strauß –, und fast alle wurden von Ihrem Haus bzw. von Ihnen abgelehnt. Wir haben jetzt festgestellt – vorgestern fand ein Gespräch dazu statt –, dass Bewegung reinkommt. Ich will mal mehrere Themenfelder herausgreifen. Das eine ist der Bereich „Kindersexpuppen in Deutschland“. Sie haben gestern, Frau Ministerin, glücklicherweise angekündigt, dass Sie sich dort eine Bewegung vorstellen können. ({1}) – Nein, ist es eben nicht. Das ist genau die Reaktion Ihres Hauses. – Meine Damen, meine Herren, Sie können im Moment in Deutschland Kindersexpuppen legal bestellen und besitzen, ({2}) ohne dass sich daran eine strafrechtliche Sanktion knüpft. ({3}) Die Behauptung Ihres Hauses, dass so etwas unter § 184b StGB fallen würde, ist letztendlich nicht richtig; denn wenn die Puppe angezogen ist, sehen Sie eben keinerlei kinderpornografische Bestandteile. ({4}) Das ist das große Problem, und da wünschen wir uns von Ihnen mehr Aufgeschlossenheit. Ich glaube, von diesem Haus muss auch das gesellschaftspolitische Signal ausgehen, dass wir so etwas in unserem Land nicht wollen. Nicht umsonst gibt es ein entsprechendes Verbot in Dänemark und in Australien sowie eine Bundesratsinitiative von Nordrhein-Westfalen. ({5}) Meine Damen, meine Herren, noch zwei Themenfelder. Ich glaube schon, dass die lebenslange Speicherung im Bundeszentralregister richtig ist. Wenn man sich mit dem Phänomen beschäftigt, dann weiß man, dass Pädophilie Wiederholungsgefahr birgt, weil das auf einen Gendefekt des Täters zurückzuführen ist. ({6}) Weil das so ist, Frau Ministerin, spricht sehr viel dafür, dass solche Täter in ihrem ganzen Leben nie wieder mit Kindern zu tun haben sollten – als Betreuer, als Übungsleiter und dergleichen. Das ist keine Stigmatisierung, sondern einfach eine Vorsichtsmaßnahme. Frau Ministerin, das Innenministerium hat auch das Thema „Lebenslange Freiheitsstrafe für besonders schwere Fälle des sexuellen Missbrauchs“ ins Gespräch gebracht. Wenn wir uns den Fall in Münster anschauen, erkennen wir: Es gibt eben nicht nur Unrechtsgehalt auf der einen Ebene, nämlich in der analogen Welt, mit dem sexuellen Übergriff an sich, sondern es entsteht auch eine ganz neue Dimension des Unrechts in dem Moment, wo solche Bilder und Filme aufgenommen werden, wo sie millionenfach um die Welt gehen. Das Opfer leidet sein ganzes Leben lang unter diesen Bildern und Eindrücken. Es wird Opfer geben, die sich unter Umständen wünschen, lieber tot zu sein, als ein solches Leben weiterzuführen. Ich glaube, angesichts dieses Unrechtsgehalts muss der Rechtsstaat eine Antwort darauf finden. Deswegen bitte ich Sie: Lassen Sie die Diskussion um die lebenslange Freiheitsstrafe in besonders schweren Fällen, wie sie vom Innenministerium angestoßen worden ist, bitte zu. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({7})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Markus Uhl für die Fraktion der CDU/CSU. ({0})

Markus Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor einem Jahr, in der Haushaltsdebatte, waren wir in Erwartung des siebten ausgeglichenen Haushalts in Folge – zum siebten Mal die schwarze Null. Und dann kam alles anders. Bedingt durch die Coronapandemie haben wir eine Rekordneuverschuldung. Das Geld, das wir in die Hand nehmen, ist gut angelegt. Wir stärken das Gesundheitssystem, wir mildern die wirtschaftlichen und die sozialen Folgen dieser Pandemie, und wir stellen Deutschland zukunftsfähig auf. Das können wir nur, weil wir in der Vergangenheit gut und solide gewirtschaftet haben. ({0}) Aber es gilt jetzt auch, die Generationengerechtigkeit zu wahren, auf finanzielle Nachhaltigkeit zu achten, die Schulden wieder zurückzufahren und möglichst schnell zur schwarzen Null zurückzukehren. ({1}) Das ist unsere Verantwortung für unsere Kinder und Enkel. Meine Damen und Herren, der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ist traditionell der kleinste Ressorteinzelplan; das haben wir heute schon mehrfach gehört. Ich will aber an dieser Stelle betonen, dass dieser Ressorteinzelplan hohe Einnahmen erzielt durch das Deutsche Patent- und Markenamt und das Bundesamt für Justiz, nämlich Einnahmen in Höhe von 624 Millionen Euro. Damit ist er der Ressorteinzelplan mit der höchsten Deckungsquote. Und er ist im Wesentlichen ein Verwaltungshaushalt: Mehr als 80 Prozent der Ausgaben sind gebunden als Personal- und Sachausgaben. Diese Ausgaben sind daher kaum steuerbar. Sie sind verfassungsrechtlich begründet durch den Justizgewährungsanspruch und durch die Strafverfolgungspflicht des Generalbundesanwalts. Das sind ganz wichtige Wesensmerkmale unseres Rechtsstaates. Wir haben unseren Rechtsstaat in den vergangenen Jahren zum Beispiel mit dem Pakt für den Rechtsstaat gestärkt, und wir stärken ihn mit diesem Haushaltsentwurf auch weiter. ({2}) Dabei kann man festhalten: Dieser Rechtsstaat funktioniert, und er funktioniert auch in Zeiten einer weltweiten Pandemie. Das liegt zum einen an den zügig beschlossenen gesetzlichen Änderungen, die wir hier in diesem Hohen Hause auf den Weg gebracht haben, und zum anderen auch an all denjenigen, die in und für diesen Rechtsstaat arbeiten: an den Richtern, den Staatsanwälten, den Rechtspflegern und den Bediensteten im Strafvollzug. Deshalb an dieser Stelle all denjenigen ein herzliches Dankeschön für ihren Einsatz! ({3}) Weil wir heute den 1. Oktober haben und es bisher leider noch niemand in dieser Debatte angesprochen hat, will ich auch einen herzlichen Glückwunsch ausrichten. Heute auf den Tag genau wird nämlich eines unserer obersten Bundesgerichte 70 Jahre alt: Der Bundesgerichtshof wurde am 1. Oktober 1950 gegründet. Wir stärken ihn auch in diesem Haushalt personell weiter. Daher: Herzlichen Glückwunsch an die Richterinnen und Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe und Leipzig! ({4}) Meine Damen und Herren, ich möchte ein Beispiel dafür anfügen, wie die Herausforderungen der Coronapandemie im Bereich der Justiz sozusagen Beschleuniger für die Digitalisierung waren. Gerade vorgestern gab es bei mir in der Heimat am Landgericht Saarbrücken vor der 7. Zivilkammer eine Verhandlung. Gegenstand war ein Markenrechtsstreit, in dem es um die Berechtigung an einer Internetdomain ging. Die Parteien hatten ihren Sitz in Frankreich, in Malta und in Deutschland. Zwei Parteien wurden bei dem Termin vor Ort durch ihre Rechtsanwälte vertreten, die dritte Partei durch einen Rechtsanwalt, der von Berlin aus zugeschaltet wurde. Die eigentlichen Parteien aus Frankreich und Malta wurden ebenfalls per Video zugeschaltet. Diese Verhandlung konnte dank des Einsatzes von Videokonferenztechnik viel schneller zustande kommen – und vor allen Dingen auch zu viel geringeren Kosten. Es gibt unzählige andere Beispiele, meine Damen und Herren, wo dank des Einsatzes von Videokonferenztechnik gerade bei Verfahren mit ausländischen Beteiligten oder mit vielen Sachverständigen mit langen Anfahrtswegen die Verfahrensdauern in der Pandemie sogar kürzer als sonst üblich waren. Das Ganze geht zurück auf § 128a ZPO. Den gibt es bereits seit 18 Jahren; aber so richtig zur Anwendung gekommen ist er, glaube ich, erst jetzt. Frau Ministerin, ich glaube, an der Stelle geht noch mehr, und es gibt noch mehr Möglichkeiten, die Chancen der Digitalisierung auch wirklich zu nutzen, sodass sie zum Vorteil aller Beteiligten ist. Ich sage nur: Güteverhandlung, die Anwesenheit der Beisitzer vor Ort im Gerichtssaal und Freiwillige Gerichtsbarkeit. Lassen Sie uns da gemeinsam genau hinschauen, was noch geht und welche Anpassungen möglich sind. Meine Damen und Herren, schnelle Verfahren stärken das Vertrauen in den Rechtsstaat und führen zu einer Entlastung der Justiz und letztlich zu größerer Rechtssicherheit und Akzeptanz. Was für den Bund im Gesamten gilt, gilt im Speziellen auch für den Einzelplan 07: einerseits die Folgen der Pandemie mildern, andererseits unser Land stark für die Zukunft aufstellen. Daher ist es gut und richtig, dass im Zuge des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets in diesem Jahr mehr als 12,6 Millionen Euro für die weitere Digitalisierung der obersten Bundesgerichte zur Verfügung stehen. „Stark aufstellen für die Zukunft“ heißt aber auch, die Innovationskraft Deutschlands auszubauen und zu schützen. Dazu gehört gerade auch in schwierigen Zeiten der Schutz des geistigen Eigentums. Deshalb war es in den vergangenen Jahren gerade meiner Fraktion, der CDU/CSU, ein besonderes Anliegen, im parlamentarischen Verfahren das Deutsche Patent- und Markenamt personell zu stärken. Daher freue ich mich, dass dieses Jahr 141 zusätzliche Stellen für das Patent- und Markenamt im Regierungsentwurf vorgesehen sind. Dadurch senken wir weiter die Bearbeitungsdauer bei Patentprüfungen, und wir stärken den Innovationsschutz unserer Wirtschaft. Zum Schluss, meine Damen und Herren: Ich glaube, der vorgelegte Regierungsentwurf bildet die richtigen Schwerpunkte ab. An der einen oder anderen Schraube müssen wir noch drehen; das werden wir im Zuge der parlamentarischen Beratungen auch tun. Darauf freue ich mich. Herzlichen Dank. ({5})

Bernhard Loos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004806, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Petitionsausschuss hat in seiner Sitzung am 16. September 2020 einstimmig mit dem höchstmöglichen Votum beschlossen, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine Petition zur Berücksichtigung zu überweisen. Es geht um die postalische Infrastruktur und darum, dass Qualität und Effizienz auf den Postleistungsmärkten flächendeckend nicht nur gewährleistet, sondern spürbar verbessert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, seitdem ich Mitglied im Petitionsausschuss bin, erreichen uns immer mehr Petitionen im Postbereich: seien es Probleme mit der Qualität der Postzustellung, mit dem Abbau von Briefkästen, mit der Schließung von Postfilialen und vieles mehr. Nach Artikel 87f Grundgesetz muss der Bund flächendeckend eine angemessene und ausreichende Versorgung mit Postdienstleistungen im Rahmen des Universaldienstes gewährleisten. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dies erkannt und am 1. August 2019 Eckpunkte für eine Novelle des Postgesetzes veröffentlicht. Aufgrund der Coronaherausforderungen und der dadurch bedingten anderen Priorisierungen ist die Novelle noch nicht abgeschlossen. So haben wir jetzt noch die Möglichkeit, der Bundesregierung deutlich zu machen, dass wir eine Verbesserung der aktuellen Situation erwarten. Geltende, qualitativ hochwertige Standards bei der Versorgung mit Postdienstleistungen in Stadt und Land müssen mindestens beibehalten, in vielen Bereichen verbessert werden. Hierfür bedarf es weiterhin gesetzlicher Vorgaben für ein flächendeckendes Filial- und Briefkastennetz, das den Bedarf vor Ort realistisch und pragmatisch abbildet. Verbraucherschutz ist unverzichtbar, die Rechte der Kunden sind zu stärken. Bei Kundenbeschwerden ist der Postdienstleister in der Pflicht, effektive Beschwerdeverfahren bereitzustellen. Zusätzlich haben wir als Petitionsausschuss bereits in anderen Petitionen gefordert, eine Pflicht zur Teilnahme am bereits existierenden Schlichtungsverfahren bei der Bundesnetzagentur gesetzlich zu fixieren. Der Petitionsausschuss will mit dem einstimmigen Votum unterstreichen, dass Qualität und Effizienz auf dem Postmarkt erhalten und erhöht werden müssen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank, Herr Loos.

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss auf Rücknahme des Doktortitels bestehen, sonst habe ich morgen früh in der Presselage die allergrößten Probleme. ({0}) Das Zweite ist: Ich möchte mich bei den Berichterstattern, bei den Fraktionssprechern für Wirtschaft aller Parteien ganz herzlich bedanken, stellvertretend natürlich bei meinen eigenen: Carsten Linnemann, Joachim Pfeiffer und Andreas Mattfeldt. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten sehr viel Unterstützung bekommen. Und auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden bei ihrer Arbeit in dieser unvorhersehbaren und in dieser Form nicht gekannten Krise sehr unterstützt. Unsere Volkswirtschaft, meine Damen und Herren, wird in diesem Jahr weniger stark schrumpfen als befürchtet. Der Aufschwung hat schneller eingesetzt als erhofft. Die Arbeitslosigkeit ist im letzten Monat im Vergleich zum August um 100 000 zurückgegangen. Viele Unternehmen schöpfen neuen Mut. Der ifo-Index ist zum fünften Mal in Folge gestiegen. Wir sind besser durch die Krise gekommen als die meisten anderen um uns herum, und das verdanken wir Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Hunderttausenden von mittelständischen und kleinen Unternehmerinnen und Unternehmern. Wir verdanken es einem großartigen Land und seiner Bevölkerung. ({1}) Dennoch: In die Freude und in die Zuversicht mischt sich auch Bedrückung – Bedrückung darüber, dass die Zahl der Infektionen wieder steigt, dass mancherorts die Nachverfolgbarkeit gefährdet erscheint, dass wir Hotspots haben, dass die weißen Flecken, wo es keine Neuinfektionen gibt, von den Landkarten verschwunden sind. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir alles daransetzen, dass dieser neue Trend, diese neue Welle gebrochen werden kann. Umso skandalöser ist die zynische Menschenverachtung, mit der eine Fraktion auf der rechten Seite dieses Hauses seit Wochen und Monaten die Risiken und die Gefährdungen der Pandemie verharmlost und herunterspielt. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD, Sie gefährden nicht nur die Gesundheit von Millionen von Menschen, Sie gefährden auch die Existenz von vielen Mittelständlern, von kleinen Handwerkern, von Selbstständigen, die für ihren Erfolg darauf angewiesen sind, dass wir diese Pandemie bekämpfen, dass wir die Zahl der Infektionen im Griff behalten. Deshalb ist meine herzliche Bitte an Sie: Beenden Sie dieses unpatriotische und unverantwortliche Verhalten, ({3}) und reihen Sie sich ein in den Konsens der demokratischen Parteien hier in diesem Haus. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der AfD-Fraktion? ({0})

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Ja.

Dr. Bruno Hollnagel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004760, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Danke für das Wort. – Herr Minister, ich habe eine Frage. Wir sind doch alle besorgt wegen der Krankheit, um die Gefahren, die damit zusammenhängen. ({0}) Aber am 23. März, als beschlossen worden ist, den Lockdown durchzuführen, der am 25. März dann erfolgt ist, war die Zahl R unter 1. Das heißt, nach den Kriterien der Regierung selbst war es zu dem Zeitpunkt nicht mehr erforderlich, einen Lockdown durchzuführen. Das Problem dabei ist doch: Die Folgen, die daraus entstehen, sind so schwer, dass man das doch nicht einfach wegwischen kann. Wir haben immer gesagt: Wir wollen die Sache kritisch begleiten. Wir haben immer gesagt: Wir wollen die dauernde Überprüfung des Lockdowns. Das ist leider nicht geschehen. Aber die Folgen sind sehr schwer, wie wir alle jetzt wissen und erfahren müssen.

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Abgeordneter, Sie haben ja damals schon gegen diese Maßnahmen gesprochen. Sie haben seither gegen alle Maßnahmen der Bundesregierung gesprochen. Wir haben damals nicht auf Sie gehört, wir hören jetzt nicht auf Sie, und das Ergebnis ist: Wir sind mit der ersten Infektionswelle besser und schneller zurechtgekommen als fast alle anderen Länder in Europa. Der Wirtschaftsaufschwung hat schneller wieder eingesetzt. Der Abschwung war nicht so stark. Zwei Drittel der Menschen in Deutschland sind mit dieser Politik der Bundesregierung und der übergroßen Mehrheit im Parlament einverstanden. Das ist das, was für mich zählt, und nicht Ihre Krittelei und Rechthaberei um jeden Preis. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich als Wirtschaftsminister weiß, wie viele Selbstständige, Handwerker, Freiberufler und andere sich angesichts der wieder steigenden Zahlen fragen, was das für ihre Anstrengungen bedeutet, für ihren Wiederaufschwung. Sie haben zum Teil viel privates Geld in die Hand genommen, um ihr Unternehmen, um ihr Geschäft über die schwierigen Zeiten zu bringen. Die staatliche Hilfe hat geholfen, natürlich. Aber es wäre ohne die eigenen Anstrengungen der Betroffenen niemals möglich gewesen. Deshalb möchte ich hier als Minister in aller Deutlichkeit sagen: Sie haben unsere Garantie, dass wir alles tun werden, damit der Aufschwung auch in den nächsten Monaten weitergeht. Wir werden alles tun, um erneute Schließungen und Einschränkungen bei Geschäften, bei Unternehmen, bei Fabriken zu verhindern, weil wir überzeugt sind, dass dort nicht der Grund für das Wiederansteigen der Infektionen ist, sondern in vielen Fällen im privaten Bereich, bei Feiern und bei ähnlichen Vorgängen. Deshalb werden wir uns darauf konzentrieren und sicherstellen, dass Sie Ihre wichtige Arbeit für dieses Land ungestört fortsetzen können. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war natürlich auch wichtig, dass der Staat geholfen hat. Wir haben mit mehreren Hundert Milliarden Euro, die Sie als Parlament in zwei Nachtragshaushalten und jetzt in diesem Haushalt beschlossen haben, dafür gesorgt, dass Soforthilfen, Überbrückungshilfen, Kurzarbeitergeld, Kredite der KfW, Kredite aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds und das Konjunkturprogramm möglich geworden sind. Es wird dann in der Diskussion – ich warte ja nur darauf, bis der geschätzte Kollege Houben das Wort ergreift – immer wieder mit tragender und bebender Stimme gesagt: Aber die Marktwirtschaft! – Meine sehr verehrten Damen und Herren, als jemand, der sein Leben lang für die soziale Marktwirtschaft eingetreten ist, kann ich Ihnen nur sagen: Die soziale Marktwirtschaft ist in dieser Pandemie nicht durch das Handeln der Bundesregierung gefährdet worden; sie ist durch ein Virus gefährdet worden, das große Teile der Regeln der sozialen Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt hat. Die Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn es Hunderttausende von Unternehmerinnen und Unternehmern gibt, die sich jeden Tag dem Wettbewerb stellen, die sich dafür einsetzen, besser zu sein als andere, die sich dafür einsetzen, ihr Ergebnis zu steigern, neue Mitarbeiter einzustellen. Aber wenn es keinen Wettbewerb gibt, weil es keine Umsätze gibt, weil die Geschäfte geschlossen sind, ({2}) dann können auch die Regeln der Marktwirtschaft in diesen Fällen nicht wirken. Deshalb, meine Damen und Herren: Ja, wir haben uns mit unseren Hilfen auch dafür eingesetzt, dass wir wirtschaftlich auf die Beine kommen; aber wir haben uns ebenso dafür eingesetzt, dass die Marktwirtschaft wieder greifen kann. Wir haben uns dafür eingesetzt, unseren Mittelstand und unsere Mittelschicht zu erhalten, zu verhindern, dass sie in die Knie gehen und dass am Ende ein anderes Land dasteht. Wir haben dafür gekämpft, die kulturelle Identität unseres Landes zu erhalten. Dazu gehören eben nicht nur die großen Supermärkte und nicht nur die großen Fast-Food-Ketten; dazu gehören die Eckkneipen, die Schuhgeschäfte, die Blumenläden, die Currywurstbuden und vieles andere mehr. Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir Wirtschaftspolitik in diesem umfassenden Sinne begreifen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben die Zukunftsaufgaben nicht vernachlässigt. 30 Milliarden Euro setzen wir ein, um unsere Industrie bei den notwendigen Transformationen zu unterstützen, gerade auch Automobilindustrie und Zulieferer. Wir setzen Geld ein, um die Digitalisierung voranzubringen. Wir setzen Geld ein, um die Energiewende zu stabilisieren. Selbstverständlich beschäftigen wir uns eben auch mit der Frage, wie Klimaschutz unter den Bedingungen der Pandemie gelingen kann. Ich bedanke mich bei allen, die deutlich gemacht haben – das war jedenfalls bei allen Fraktionen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, der Fall –, dass bei allen großen Herausforderungen des wirtschaftlichen Wiederaufschwungs, der Bekämpfung der Pandemie eines klar sein muss: Wir fühlen uns an die gemeinsamen Ziele im Klimaschutz gebunden. Wir werden das nicht unterbrechen, und wir werden das nicht relativieren. Diese Botschaft möchte ich heute gerne noch einmal unterstreichen. ({3}) Wir wollen, dass wir in einem globalen Wettbewerb als deutsche Volkswirtschaft auch zukünftig erfolgreich sind. Wir wollen, dass auch künftig die besten Autos in Deutschland gebaut werden. Wir wollen, dass in Zukunft der beste Stahl in Deutschland produziert wird. Aber wir wollen zeigen, dass dies nicht zulasten des Klimas und der Umwelt gehen kann, dass es möglich sein wird, klimaneutralen Stahl zu produzieren, dass es möglich sein wird, klimaneutrale individuelle Mobilität zu organisieren, dass es möglich sein wird, zivile Luftfahrt klimaneutral zu organisieren, dass es möglich sein wird, unser Lebensmodell fortzuführen, auf das so viele Menschen stolz sind und das dazu beigetragen hat, dass sie die Demokratie als etwas Erfolgreiches empfinden und erfahren. Wir wollen zeigen, dass dieses Lebensmodell auch in der Zukunft fortbestehen kann. Ich habe vor einigen Wochen einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, und ich werde dazu in den nächsten Wochen mit vielen von Ihnen hier in diesem Hohen Haus darüber Gespräche führen, ob wir es schaffen können, noch vor der nächsten Bundestagswahl einen großen, einen fraktionsübergreifenden Konsens zustande zu bringen, worin wir deutlich machen, dass der Klimaschutz für uns einen Vorrang und eine Priorität hat. Aber das wird nur gelingen, wenn wir Klimaschutz nicht gegen Wirtschaft ausspielen, wenn wir Arbeitsplätze nicht für schlecht erklären, nur weil die Industrien, um die es geht, vielleicht CO2-intensiver sind als andere. Stahl wird auch in den nächsten 50 Jahren gebraucht. Wenn er nicht in Deutschland oder in Frankreich produziert wird, dann eben in anderen Ländern, in anderen Kontinenten mit erheblich mehr CO2-Emissionen, als dies heute in Deutschland schon der Fall ist. Deshalb wünsche ich mir einen historischen Kompromiss. Es geht nicht um Klimaschutz oder Wirtschaft und Industrie; es geht um Klimaschutz und Wirtschaft und Industrie, es geht um Umwelt und Wohlstand. ({4}) Für diesen Kompromiss müssen wir bereit sein, über unsere Schatten zu springen. Dann werden wir auch die Gewissheit haben, wie der Transformationsprozess gestaltet werden kann. Das wird eine wichtige Botschaft an die Menschen sein, die sich fragen, ob sie auch in 30 Jahren über gute Umwelt- und Lebensumstände verfügen. Es wird aber auch eine klare Botschaft sein an Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass Deutschland auch unter den Voraussetzungen von Klimaneutralität spätestens im Jahre 2050 ein lebenswertes, ein leistungsfähiges und ein wohlhabendes Land bleiben kann. Dafür lohnt sich jeder Einsatz. Vielen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Volker Münz für die AfD-Fraktion. ({0})

Volker Münz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004835, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Altmaier! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland befindet sich in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. Jetzt aber alles mit Corona zu begründen, geht an der Wahrheit vorbei. Wahr ist, dass die Regierung mit ihren Lockdown-Maßnahmen, die das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft erheblich eingeschränkt haben, ({0}) einen großen Teil des Wirtschaftseinbruchs verursacht hat, meine Damen und Herren. Aus unserer Sicht sind und waren die Maßnahmen unverhältnismäßig, und auf die Verhältnismäßigkeit kommt es an. ({1}) Unzulässig ist es, abermals die Aussetzung der Schuldenbremse mit der Feststellung einer Notsituation nach Artikel 115 Grundgesetz aufgrund einer Coronapandemie zu begründen. Dem werden wir nicht zustimmen; denn zu keiner Zeit war und ist das Gesundheitssystem in Gefahr. ({2}) Im nächsten Jahr sollen nochmals 96 Milliarden Euro Neuverschuldung aufgenommen werden – nach 218 Milliarden Euro in den Nachtragshaushalten für das laufende Jahr. Damit werden bei Ausgaben und Verschuldung alle Schleusen geöffnet, als ob es kein Morgen gäbe. Die immense Neuverschuldung des Bundes bürdet den Bürgern große Lasten auf, die unsere Kinder noch werden abtragen müssen. Steuererhöhungen werden die zwangsläufige Folge dafür sein, und das, obwohl Deutschland schon jetzt Weltmeister bei der Steuer- und Abgabenbelastung der Bürger ist. ({3}) Die Wirtschaftskrise hat schon vor Corona begonnen. Schon im letzten Jahr begann der Abschwung, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe. Wir befinden uns nämlich mitten in einer Strukturkrise, und diese ist zum großen Teil durch eine falsche Wirtschafts- und Energiepolitik dieser Regierung verursacht, meine Damen und Herren. ({4}) Stark belastet wird die Automobil- und Zulieferindustrie, die mit dem von der Regierung forcierten Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor in die Enge getrieben wird, neuerdings auch durch den Ministerpräsidenten Bayerns, eines bedeutenden Autoproduktionslandes, der die Zulassung von Benzin- und Dieselautos ab 2035 verbieten will. Die Herstellung von Elektroautos wird die riesigen Arbeitsplatzverluste nicht kompensieren können. Synthetische Kraftstoffe und Wasserstoffautos sind für den Pkw-Massenmarkt nicht geeignet, wie Fachleute bestätigen. Daran wird auch die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung nichts ändern, für die im nächsten Jahr 2 Milliarden Euro geplant sind, davon 1,7 Milliarden Euro im Energie- und Klimafonds. Wie die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernenergie, den Ausstieg aus der Kohleverstromung und gleichzeitig die Umstellung des gesamten Verkehrs auf strombetriebene Fahrzeuge bewerkstelligen will, ist bis heute nicht einmal annähernd überzeugend geklärt worden, meine Damen und Herren. ({5}) Die Versorgungssicherheit ist nicht gegeben. Das Ausland lacht über uns. Das „Wall Street Journal“ hat getitelt, Deutschland habe die „dümmste Energiepolitik“, meine Damen und Herren. ({6}) Die Bundesregierung fährt die Automobilindustrie, die Wirtschaft insgesamt und die Energieversorgung an die Wand. Mit den Coronamaßnahmen hat sie dazu den Turbo eingeschaltet. Anstatt zu verhindern, dass die Automobilindustrie sowie die Stromversorgung einer verblendeten Klimahysterie geopfert werden, stimmt der Herr Wirtschaftsminister in den Chor derjenigen ein, die unseren Wohlstand aufs Spiel setzen. Sie, Herr Minister, wollen die Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft unumkehrbar machen, so haben Sie es verlauten lassen. Unumkehrbarkeit beraubt künftige Generationen der Möglichkeit, ihre Lebensbedingungen selbst zu gestalten. ({7}) So dürfen demokratische Regierungen nicht handeln, meine Damen und Herren. ({8}) Das hat auch mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun; das ist Planwirtschaft. ({9}) Mit Ludwig Erhard rufe ich Ihnen zu: Halten Sie Maß! Beenden Sie die Maßlosigkeit bei Verboten und Gängelung der Bürger und Unternehmen! Geben Sie dem Markt, dem Wettbewerb und der Freiheit der Bürger und Unternehmen wieder Raum! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun Johann Saathoff das Wort. ({0})

Johann Saathoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004393, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gute Botschaft des Haushaltes vielleicht vorweg: Wir wollen in Deutschland investieren. Mit dem vorliegenden Regierungsentwurf investieren wir in Deutschland und für Deutschland über 55 Milliarden Euro. Das ist die gute Botschaft dieses Haushaltes. ({0}) Das lassen wir uns auch nicht schlechtreden; denn das sind über 130 Prozent mehr im Vergleich zum Niveau vor der Coronakrise. Das ist gut so und auch dringend nötig. Wir wollen das Land eben nicht kaputtsparen, wie der eine oder andere das avisiert, und wir wollen sehen, dass wir die Infrastruktur nicht vernachlässigen, wir wollen das Land modernisieren, und wir wollen es fitmachen für die Herausforderungen der Zukunft. ({1}) Ich will ein paar Beispiele aus den Wirtschaftssektoren nennen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein wichtiger Aufgabenschwerpunkt ist aus meiner Sicht der Bereich der Zukunftstechnologie Luft- und Raumfahrt. Aufgrund der Beschlüsse der ESA-Ministerratskonferenz 2019 wurden die Ausgaben für die deutsche Beteiligung deutlich angehoben. Damit sitzt Deutschland im Fahrersitz der Luft- und Raumfahrt auf europäischer Ebene. Nebenbei sind viele Hochtechnologiearbeitsplätze in Deutschland gesichert oder werden neu aufgebaut. Darauf können wir stolz sein; denn ohne Deutschland und ohne Bremen – das sei an dieser Stelle mal bescheiden hinzugefügt – wären geplante Mondmissionen und andere luft- und raumfahrttechnische Missionen nicht machbar. Darauf können wir stolz sein. ({2}) Und: Wir kümmern uns um die in Deutschland so wichtige Automobilindustrie, die vor enormen Transformationen steht, wie es sie in diesem Bereich bisher noch nicht gegeben hat. Der Antrieb wird in kurzer Zeit vom Verbrennungsmotor zum Elektromotor umgestellt werden. Es gibt nur noch ganz rechts ein paar Zweifler; ansonsten haben das alle in der Gesellschaft erkannt. Die Digitalisierung wird die Automobilwelt gleichzeitig massiv verändern. Mit diesem Haushalt werden wir dafür sorgen, dass notwendige Zukunftsinvestitionen der Fahrzeughersteller und – ich betone ausdrücklich „und“ – der Zulieferer erfolgen können. Das ist ein wichtiges Signal an die vielen Tausend Beschäftigten in Deutschland, die unmittelbar an der Automobilindustrie hängen. Wir lassen sie nicht allein, wir lassen sie nicht im Stich, sondern wir stehen mit den Gewerkschaften an ihrer Seite und kämpfen für ihre Arbeitsplätze. ({3}) Das ist auch für Ostfriesland ein wichtiges Signal, wo gerade ein VW-Werk auf reine Elektroproduktion umgestellt wird und das Werk zukunftsfähig ausgerichtet wird. Das Stichwort ist: grüne Automobilproduktion. Wir werden in Zukunft darauf achten, dass nicht nur der Verbrauchswert eines Autos eine Rolle spielt, sondern auch der CO2-Wert. Quasi schon dann, wenn ein Auto vom Band läuft, müssen wir fragen: Mit wie viel CO2-Emissionen ist das Auto eigentlich produziert worden? Da gibt es gute Ansätze aus Ostfriesland für den Rest Deutschlands. ({4}) Der Bund sollte an anderer Stelle genauso entschieden auftreten. Im Konjunkturprogramm wurde vereinbart, die Schifffahrt mit 1 Milliarde Euro zu unterstützen. Wir wollen die Schifffahrt digitalisieren, modernisieren und klimafreundlich ausrichten. Das Stichwort dabei ist „Green Shipping“. Gleichzeitig haben wir hier im Deutschen Bundestag einen Antrag zur Rettung der Schiffbauindustrie beschlossen. Wir wollen öffentliche Aufträge identifizieren, Schiffbauneuaufträge nach vorne ziehen und die Auslastung der Werften an der deutschen Nord- und Ostseeküste damit über die Krise hinweg sichern. ({5}) Dabei scheint leider wieder einmal eine Konkretisierung an das Bundesverteidigungsministerium nötig zu sein. Wir haben mehrfach beschlossen, dass Überwasserschiffbau und Unterwasserschiffbau im militärischen Bereich Schlüsseltechnologien sind, und zwar gilt das für Neubau und für Reparatur; denn die dahinterliegenden Gründe gelten auch für Neubau und Reparatur. Dafür, dass das so umgesetzt wird, werden wir uns parlamentarisch einsetzen. Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass das Parlament die Regierung kontrollieren darf und muss. ({6}) Wir wollen investieren, aber nicht nur. Wir wollen die Menschen und die Unternehmen gleichermaßen entlasten. Die EEG-Umlage wird ab dem nächsten Jahr gedeckelt, und sie wird nicht ansteigen. Das Thema „Lastengerechtigkeit bei der Energiewende“ wird in der nächsten Legislaturperiode ein zentrales sein. Eins ist auf jeden Fall klar in dem Kontext: Nicht handeln ist die absolut teuerste Variante. Deswegen werden wir die notwendigen Vorschläge machen. Herr Minister, wir unterstützen Sie dabei, Ihre persönliche Energiewende, die Sie in den letzten Wochen hingelegt haben, dann auch umzusetzen. Auf uns Sozialdemokraten können Sie sich dabei verlassen. Wenn Sie Hilfe brauchen, dann rufen Sie uns gerne an. ({7}) Wir investieren, und das ist gut so. Gut wäre es auch, wenn wir in die Erkenntnisse aus Demonstrationsprojekten, zum Beispiel aus dem Förderprogramm „Schaufenster intelligente Energie“, investierten. Denn es heißt in Ostfriesland: Watt man will, mutt man heil und dall willen. Half is nettekraat so völ as nix. – Wir wollen die Energiewelt dahin gehend umstellen, dass die Klimaziele erfüllt werden, und das mit ganzer Kraft. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Karsten Klein für die FDP-Fraktion. ({0})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Altmaier! Nach aktuellen Prognosen wird die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 5 bis 6 Prozent schrumpfen. Wir werden das Ausgangsniveau von 2019 erst Ende 2021/Anfang 2022 erreichen. Diese Zahlen machen deutlich, wie ernst die Lage ist. Wir würden uns deshalb von Ihnen und auch vom Bundesfinanzminister Olaf Scholz weniger Zweckoptimismus und mehr Realitätssinn in dieser Krise erhoffen. ({0}) Diese Prognosen, Herr Wirtschaftsminister, die fußen zum einen ja darauf, dass es zu keinem schwereren Verlauf bei der Pandemie kommt – das hoffen wir alle –, und dazu sollte auch jeder seinen Beitrag leisten. Sie fußen zum anderen aber auch darauf, dass es zu keinen strukturellen Schäden in der deutschen Wirtschaft kommt. Genau diese strukturellen Schäden drohen aber bei dieser Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Herr Minister, auch wenn Sie viele Aufgaben, die ich Ihnen in meinen letzten Reden aufgegeben habe, noch nicht abgearbeitet haben, muss ich Ihnen heute wieder einige mehr mit auf den Weg geben. Tausende Mittelständler, Kleinstunternehmer, Selbstständige, Künstler, die Tourismusbranche, alle warten auf Ihre Hilfen, Herr Minister. Die Überbrückungshilfe in Höhe von 24,6 Milliarden Euro, die Sie auf den Weg gebracht haben, ist bisher mit nur 0,8 Milliarden Euro abgelaufen. Da muss man sich darüber Gedanken machen, woran das liegt. Es liegt mit Sicherheit nicht daran, dass zu wenig Bedarf da ist. Deshalb: Helfen Sie diesen Menschen! Sie stehen vor dem wirtschaftlichen Aus. ({1}) Wenn Sie von der Bundesregierung über den wirtschaftlichen Aufschwung sprechen, reden Sie in erster Linie über Konsum; die Kanzlerin hat es gestern auch wieder gemacht, indem sie die Senkung der Mehrwertsteuer in den Mittelpunkt gestellt hat. Aber, Herr Minister, in Ihrem Haus müsste doch genügend Sachverstand vorhanden sein, um zu wissen, dass unser Wohlstand in erster Linie davon abhängt, dass wir weltweit hochindustrielle, hochtechnologische Produkte vertreiben. Deshalb muss unser Ansinnen sein, dass der Export wieder in Schwung kommt. ({2}) Da reden wir in allererster Linie über Standortbedingungen, fairen Wettbewerb und echte Technologieoffenheit. Ich kann aufgrund der Zeit nur einen Punkt hier ansprechen: das Thema E-Fuels. Das Ganze ist eine Maßnahme, durch die dafür gesorgt werden kann, dass die deutsche Automobilbranche endlich wieder einen echten und fairen Wettbewerb bekommt. Beim Thema E-Fuels ist Ihr Wirkungsgrad bisher aber leider gleich null, Herr Minister. ({3}) Die Probleme liegen nicht nur in Europa, sondern auch auf der eigenen Regierungsbank. Umweltministerin Schulze von der SPD plant, E-Fuels über einen CO2-Preis zu besteuern. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wie absurd ist das denn? Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen der Koalition von CDU/CSU und SPD schon mal fragen: Wie viel sind Ihnen die Arbeitsplätze bei Conti, bei Schaeffler, bei MAN, bei Mercedes, bei ZF Friedrichshafen wirklich wert, wenn Sie nicht mal bereit sind, kleinste Rahmenbedingungen so zu verändern, dass diese Unternehmen faire Wettbewerbsbedingungen erhalten? ({4}) Dieses Beispiel aus dem Umweltministerium, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, zeigt eins ganz deutlich: Sie sind schon lange nicht mehr die Partei für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. Sie sind eine Gefahr für die Arbeitsplätze in diesem Land. ({5}) Herr Minister, ich muss eine Sache leider zum wiederholten Mal ansprechen: Sie nehmen sehr oft das Wort „Marktwirtschaft“ in den Mund. Aber es wäre uns viel lieber, wenn Sie mal marktwirtschaftlich handeln würden. Der Plan, den Sie selber angesprochen haben – ich darf hier kurz den Klimaschutzplan zeigen –, ist doch weit weg von Marktwirtschaft. Selbst die Grünen waren erschüttert über Ihre planwirtschaftlichen Vorschläge. Deshalb darf ich Sie auffordern: Kehren Sie zurück auf den Pfad der Tugend. Werden Sie Marktwirtschaftler. Stellen Sie auch beim Aufschwung den Menschen in den Mittelpunkt. Schaffen Sie Freiraum für Investitionen und Konsum bei den Menschen. Stellen Sie nicht Staatswirtschaft in den Mittelpunkt, sondern die Marktwirtschaft. Die ist schneller und effizienter. ({6}) Von Ihren 60 Programmen und Maßnahmen ist bisher kaum eins draußen angekommen. Von den elf Programmen, die die EU notifizieren müsste, ist erst eins notifiziert. Von den 10 Milliarden Euro aus dem Investitionsprogramm ist noch kein einziger Euro ausgegeben. Deshalb: Setzen Sie auf Marktwirtschaft und auf die Menschen in diesem Land und nicht auf den Staatsapparat. ({7}) Eins müsste doch auch selbstverständlich sein, liebe Kolleginnen und Kollegen: dass man in einer solchen Krise, in einer Krise vor allem für den deutschen Mittelstand, dem Mittelstand nicht mit Steuererhöhungen droht. Deshalb, Herr Minister: Wir Freie Demokraten – ich finde, die deutsche Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf – möchten von Ihnen wissen, was der politische Handlungsbedarf in der mittelfristigen Finanzplanung in Höhe von 42 Milliarden Euro bedeutet. Bedeutet er eine Steuererhöhung für die Mittelschicht in Deutschland ab Herbst 2021, ja oder nein, Herr Minister? ({8}) Darauf müssen Sie eine Antwort geben in diesen Haushaltsberatungen. Sollte es eine Steuererhöhung sein, können Sie mit unserem starken Widerstand rechnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich meine Rede anders beginnen; aber der Herr Minister hat mich gereizt, doch noch mal auf das einzugehen, was er gesagt hat. Er hat gleich am Anfang zum Ausdruck gebracht, dass er sich darüber freut, dass wir so gut durch die Krise gekommen sind. Herr Minister, ich frage Sie: Sind Sie wirklich sicher, dass wir schon durch die Krise durch sind? Sind Sie wirklich sicher, dass der Aufschwung, der sich in einigen Bereichen der Wirtschaft leicht zeigt, schon das Ende der Krise einläutet? Wir haben die Insolvenzanmeldungspflicht ausgesetzt, die nach wie vor noch nicht wieder gilt. Wir haben die Kurzarbeitergeldregelung. Es sind insgesamt 8 Millionen Menschen in Kurzarbeit, die zum Teil noch nicht aus der Kurzarbeit zurückgekehrt sind, die eventuell unter schwierigen Umständen auch noch zu Arbeitslosen werden können. Ich denke, dass wir an dieser Stelle sehr genau aufpassen müssen, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern nicht etwas versprechen, was wir nicht halten können. Denn darunter leidet Politik im Allgemeinen, und das sollten wir für die Zukunft verhindern. ({0}) Wir müssen Hoffnung machen, klar; gar keine Frage. Aus diesem Grund haben wir in der Vergangenheit die Vorschläge der Regierung mitgetragen. Im Gegensatz zur AfD werfen wir Ihnen nicht vor, dass Sie mehr Geld in die Hand nehmen, um die Krise zu bewältigen. Wir werfen Ihnen vor, wie Sie das Geld ausgeben, welche Prioritäten Sie setzen. Wir sehen auch, dass im Moment nicht alles Geld, das wir mit freigegeben haben, dort ankommt, wo es wirklich hinmuss. ({1}) Wir müssen auch sehen, dass es immer noch Unternehmen gibt, die komplett am Boden liegen, die im Moment null Zukunftsperspektive sehen. Was soll aus denen werden? Sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle Hartz IV-Empfängerinnen, Hartz IV-Empfänger werden? Da müssen wir Hoffnung geben und Akzente setzen. Das liegt mir sehr am Herzen. Das war der Grund, warum ich die erste Seite meiner Rede weggeworfen habe. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, strukturschwache Regionen haben in den vergangenen Monaten unter der Pandemie besonders gelitten. Zum 30. Jubiläum des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland – diese Bemerkung muss auch erlaubt sein – zitiere ich den Kollegen Marco Wanderwitz, unseren Ostbeauftragten: „Einheit ist in Deutschland heute kein Ziel mehr, das irgendwann in einer nahen oder fernen Zukunft liegt. Sie besteht schon heute.“ Er meint, der ganze Einigungsprozess habe überwiegend eine positive Bilanz. Dagegen steht, dass die Wirtschaftskraft ostdeutscher Bundesländer aktuell nur bei 79,1 Prozent des deutschen Durchschnitts liegt, dass die Lohnunterschiede nach 30 Jahren immer noch nicht bewältigt und immer noch hoch sind, dass bei Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie im Bereich Infrastruktur immer noch enorme Unterschiede zum Westen vorhanden sind und dass der Bericht außerdem die Angleichung der strukturschwachen ländlichen Regionen nicht so widerspiegelt, wie sie wirklich ist; denn von einer Angleichung können wir da noch nicht reden. Das ist aus unserer Sicht ein dicker Widerspruch: die überwiegend positive Bilanz des Ostbeauftragten und dagegen die Wirtschaftsdaten, die erhoben sind. Ostdeutschland ist nach wie vor eine Außenstelle der westdeutschen Wirtschaft und westdeutscher Investoren. Meine Damen und Herren, bleiben im Haushaltsentwurf für 2021 verschiedene Rahmenpläne – ich zitiere aus dem Einzelplan 10, den ich mitverantworte: „Förderung der ländlichen Entwicklung“ – stabil – man könnte auch sagen: sie behalten den Status quo –, so haben wir simultan zu beobachten, dass wir zusätzlich 200 Millionen Euro in unsere staatsnahen Monopolisten, in die Luft- und Raumfahrt pumpen. Da frage ich mich: Wenn Sie lieber in die Raumfahrt als in die ländlichen Regionen investieren, wie wollen Sie damit die Abwanderung der Menschen in die Städte verhindern? Wo ist die Wertschöpfung für den ländlichen Raum als Anreiz, um selbst Wachstum zu initiieren? Aber nicht nur die Ost-West-Angleichung bereitet uns Linke Bauchschmerzen. Der Kohleausstieg 2038 ist für uns auch ein Problem. Der Minister spricht von einem historischen Schritt in diesem Zusammenhang. Das Kohlegesetz und die daran gekoppelten Verträge, die Milliardenentschädigungen für die Betreiber und damit das faktische Kohlecomeback sind aus unserer Sicht ein Bruch des Pariser Vertrages. Wir verschenken wieder Milliarden an Steuergeldern an die bisherigen Profiteure. 1,75 Milliarden Euro für die LEAG, 2,6 Milliarden Euro für RWE, ({3}) und das, obwohl die Anlagen dieser Unternehmen weitestgehend abgeschrieben sind. Wie wollen wir das den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern erklären? Wenn diese Unternehmen wenigstens mit guten neuen Wirtschaftsideen um die Ecke kämen, ({4}) dann könnte man über neues Geld reden, aber die sehen wir so nicht. Wir wünschen uns, dass da etwas kommt, aber im Moment liegt dazu noch nicht viel auf dem Tisch. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist in unserer Sicht kein historischer Schritt, wie der Minister das sagt, sondern ein historischer Rückschritt. Das können wir heute schon sehen. Meine Damen und Herren der Koalition, da ich nicht mehr viel Redezeit verbrauchen darf, damit Herr Ernst noch etwas sagen kann, ({5}) will ich auf einen Punkt noch eingehen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das ist richtig erkannt.

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Da Sie 600 Millionen Euro für Zukunftsinvestitionen in die Fahrzeugindustrie stecken wollen, ({0}) möchte ich daran erinnern, dass Kalifornien mit dem Verbot von Benzinern und Dieselfahrzeugen ab 2035 vorgelegt hat. Es wäre schön, wenn ein solches Signal auch von Deutschland ausginge. Am Ende eine persönliche Bemerkung. Ich muss wegen eines Berichterstattergesprächs leider die Runde etwas früher verlassen. ({1}) Ich wünsche mir, dass die Kolleginnen und Kollegen, denen ich dann nicht mehr zuhören kann, mir das vergeben. Danke schön. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Altmaier! Ich möchte als Erstes über die Coronahilfen für Unternehmen sprechen. Ja, es ist richtig – und wir unterstützen das auch –, dass aus dem Bundeshaushalt viel Geld zur Verfügung gestellt wird, um die wirtschaftlichen Folgen abzumildern. Das wissen Sie. Es ist gut, dass der Haushalt Ihres Hauses so wächst, aber das ist, wenn wir das von heute aus betrachten, überhaupt kein Grund zur Selbstzufriedenheit; denn beim Sofortprogramm und auch bei den Überbrückungshilfen wurden viel zu wenige dieser Hilfen tatsächlich in Anspruch genommen. ({0}) Wenn das heißen würde, sie seien auch nicht gebraucht worden, dann könnte man sagen: Das ist vielleicht eine gute Botschaft. 50 Milliarden Euro sind bereitgestellt worden, und 25 Milliarden Euro sind am Anfang dafür bewilligt worden. Aber bei den Überbrückungshilfen ist es wirklich so, dass bisher nur 3 Prozent der Summe abgerufen wurden. Das hat damit zu tun, dass Ihr Haus falsche, zu strenge Kriterien aufgestellt hat und deswegen viele Unternehmen das Geld, das sie so dringend brauchen, noch nicht bekommen haben. Das muss schnell besser werden. ({1}) Ich weiß, dass Ihr Haus das jetzt angepasst hat – das will ich der Fairness halber sagen –, aber es ist Zeit versäumt worden. Ich kann Ihnen nicht ersparen, dass ich noch einmal sage: Es bleibt dabei, dass es eine falsche Strategie ist, gerade für ein Land, in dem wir eine bessere Gründungskultur brauchen, dass sich Soloselbstständige kein Existenzgeld von den Überbrückungshilfen auszahlen dürfen. Auch da machen Sie die Hausaufgaben nicht. Gerade bei den Soloselbstständigen gehen die Unterstützungshilfen an deren Lebenswirklichkeit vollständig vorbei. Das darf nicht so bleiben. ({2}) Ein zweiter Punkt, der mir noch wichtiger ist, Herr Minister: die Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz. Wir haben ein großes Interesse, dass wir hier vorankommen. Deswegen schauen wir uns jedes Angebot, das Sie uns machen, sehr genau an. Aber Sie haben es bisher versäumt, den Ausbau – ich betone: den Ausbau – der erneuerbaren Energien so voranzutreiben, dass die Industrie und die Menschen in unserem Land wirklich glauben: Die deutsche Wirtschaft kann auf grünem Strom basieren. – Ich will das auch begründen. Wenn ich mir die EEG-Novelle anschaue, die Sie gemacht haben: Sie sagen: Wir wollen 2030  65 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken. – Das haben wir wohl gehört. Aber wenn Sie dabei unterstellen, der Stromverbrauch in zehn Jahren sei ungefähr so hoch wie heute, dann machen Sie einen Riesenfehler, dann schaffen Sie kein Vertrauen; denn angesichts von Digitalisierung, Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz, Elektromobilität und nicht zuletzt durch die Nutzung von Grünem Wasserstoff im Rahmen Ihrer Wasserstoffstrategie müssen wir alle, auch wir Grünen, sagen: Der Strombedarf einer transformierten Wirtschaft in der Zukunft wird viel höher sein als heute. – Die Wirtschaft erwartet auch, dass wir das zugeben. Der angenommene Strombedarf muss auch die Größe sein, von der wir ableiten, wie viel erneuerbare Energien wir brauchen. Da müssen Sie sich korrigieren. Es ist ein Kardinalfehler, den zukünftigen Stromverbrauch kleinzurechnen. Bitte überlegen Sie sich das. Da müssen Sie nacharbeiten. Dann reichen wir Ihnen auch die Hand. ({3}) Der letzte Punkt, den ich ansprechen will: der globale Handel. Zitat: Globalisierung hat in der Vergangenheit auch zu der einen oder anderen falschen Entwicklung geführt. Wir wollen das korrigieren. Dazu gehört das klare Bekenntnis zu einem Welthandel. Und weiter im Zitat: „Made in Germany“ war nie das Versprechen des billigsten Preises, „made in Germany“ war immer ein Versprechen der besten Qualität. Und zur besten Qualität gehört heute auch das Versprechen einer ethischen Produktion. Deswegen wollen wir, dass wir in diesem Bundestag gemeinsam ein Lieferkettengesetz verabschieden und dieses Lieferkettengesetz möglichst schnell umsetzen, meine Damen und Herren. ({4}) So gestern der Kollege Alexander Dobrindt. ({5}) Ich hoffe, dass dieses Bekenntnis eines CDU/CSU-Abgeordneten keine Wahltaktik ist; dafür ist das Thema zu ernst. ({6}) Aber, Herr Altmaier, es ist eine klare Aufforderung an Sie: Geben Sie Ihren Widerstand gegen ein Lieferkettengesetz auf! Dieses Gesetz muss soziale Kriterien und auch Umweltkriterien haben. Die übergroße Mehrheit in Deutschland erwartet das von uns, und sie erwartet, dass das schnell passiert. ({7}) Schönen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Carsten Linnemann das Wort. ({0})

Dr. Carsten Linnemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004098, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. – Liebe Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch nie in der Geschichte unseres Landes hat es eine Situation gegeben, wo wir so viele Regeln der sozialen Marktwirtschaft für eine gewisse Zeit ausgesetzt haben. Beim Lockdown gab es Situationen, wo wir die Berufsfreiheit für einige Bereiche der Wirtschaft faktisch aussetzen mussten. Und es war richtig, dass wir das gemacht haben, weil keiner von uns wusste, wie es um dieses Virus bestellt ist. Deswegen hat die Regierung richtig gehandelt, indem sie Teile der Haftung faktisch übernommen hat – mit Zuschussprogrammen, mit Überbrückungsprogrammen, ja, auch mit KfW-Krediten, mit dem Kurzarbeitergeld, mit Rettungsschirmen für Kreditversicherer, aber auch mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Fakt ist: Dieser Weg musste gegangen werden, weil wir uns sonst nicht nur geärgert hätten, sondern diese Fehler nicht mehr hätten wettmachen können. Wir haben nämlich in dieser Krise an unserer Wirtschaftsstruktur festgehalten, an unserem Industriekern, an den Strukturen, an der dualen Ausbildung. Überall sind wir punktuell unterwegs gewesen, um unsere Wirtschaftsstruktur, um die wir weltweit beneidet werden, nicht in Gefahr geraten zu sehen. Genau das war richtig. Fakt ist aber auch: Wir wissen heute nicht, ob wir das Schlimmste überstanden haben. Ja, das ist eine Wahrheit. Es sind immer noch 3,5 Millionen bis 4 Millionen Menschen in Kurzarbeit, und aus Kurzarbeit kann schnell Arbeitslosigkeit werden. Und ja, es gibt viele Firmen, es gibt auch Krisengewinner, denen es jetzt richtig gut geht. Aber es gibt auch viele andere. Ich kann das für meine Fraktion sagen, weil wir tagtäglich – bei aller Kritik aus den anderen Fraktionen – mit diesen Branchen und mit den Menschen in unseren Wahlkreisen und überall in Deutschland reden. Ich habe heute noch mit vielen Veranstaltern gesprochen. Wir reden mit den Kulturschaffenden, wir reden mit den Dienstleistern, wir reden mit den Messebauern, wir reden mit den Hoteliers, die sich auf Geschäftskunden konzentrieren. Das sind genau diejenigen, die das Gefühl haben, sie stünden am Abgrund. Sie wissen, dass wir diese Pandemie haben. Sie wissen, wie schwierig es ist. Sie sind faktisch auf einem Bötchen unterwegs, verbrennen ihr Eigenkapital und wissen nicht, wann das Ufer kommt. Deswegen, ja, müssen wir jeden Tag daran arbeiten, dieses Überbrückungsprogramm besser zu machen. Und in der letzten Woche wurde es überarbeitet, und zwar signifikant. Wir müssen jetzt schauen, wie das funktioniert, und jeden Tag daran arbeiten, dass es besser wirkt. ({0}) Zur Ehrlichkeit gehört auch, Frau Bluhm-Förster: Die Antragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen – das muss angesprochen werden – wird ab heute wieder scharfgestellt, die Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen hingegen nicht. ({1}) Das finde ich auch richtig. Wer sich verschuldet aufgrund eines KfW-Kredits, muss diese Zeit bekommen. Fakt ist auch, dass es Unternehmen gibt, denen es schon vor der Krise nicht so gut ging. Es sind viele Zombie-Unternehmen entstanden. Auch hier muss soziale Marktwirtschaft funktionieren. Hier werden wir Insolvenzen sehen. Richtig ist ferner – auch das wurde angesprochen –: Es gibt viele Bereiche, wo wir einen Transformationsprozess haben, einen Strukturwandel. Da muss die Politik den Rahmen setzen für vernünftige Wettbewerbsbedingungen. Wir dürfen keine Steine in den Weg legen. Wir müssen entlasten, am besten nicht subventionieren. Manche reden hier ja so – den Eindruck habe ich –, als ob sie Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens sind und versuchen, der Wirtschaft zu erklären, wie sie diesen Strukturwandel zu meistern hat. Nein, das kann die Politik nicht, und das muss man auch klar sagen. Die Branchen, die Unternehmer brauchen den Mut, diesen Strukturwandel auch wirklich anzugehen. Und diesen Mut brauchen wir in der Politik auch. Wir brauchen den Mut, erstens, in der Klimapolitik die europäische Ebene zu suchen. Wir müssen den Emissionshandel ausweiten auf die Bereiche Verkehr und Wärme, und zwar nicht erst 2030, sondern vorher und ambitioniert. Hier sollten wir mehr Europa wagen. Wir brauchen zweitens Mut für fiskalische Stabilität. Schulden auf Kosten zukünftiger Generationen zu machen, ist nicht mutig; das kann jeder. Mutig ist, wenn wir sagen: Ab 2022 sollten wir mit dem Geld der Steuerzahler wieder auskommen. – Das ist auch das Ziel der CDU/CSU-Fraktion. ({2}) Wir brauchen drittens Mut, Leistung anzuerkennen, nicht nur – ich will gar nicht dagegensprechen – mit 1 000 oder 1 500 Euro Bonus, den wir einmal im Jahr auszahlen, sondern mit einer dauerhaft wirkenden Steuerreform, mit der wir gerade kleine und mittlere Unternehmen entlasten. ({3}) Viertens. Wir brauchen den Mut, etwas Neues auszuprobieren. Wir Abgeordneten kennen das: Es kommt jemand mit einer Idee, ein Bürger oder wer auch immer, und wir sagen dann häufig: „Geht nicht, weil ...“. Ich finde, die Krise hat gezeigt: Wir müssen mehr ausprobieren. Wir müssen sagen: „Es geht, weil …“. Wir haben beim Thema Homeoffice gesehen – über die Möglichkeit haben wir hier jahrelang diskutiert –, dass es geht. Ich finde, wir sollten in Deutschland mehr ausprobieren; wir sollten den Mut dazu haben. ({4}) Und wir sollten auch mehr Experimentierklauseln – das ist ja auch ein Punkt, den Peter Altmaier unterstützt – in unseren Gesetzen verankern. ({5}) Und wenn das Experiment gelingt, dann sollten wir diese Regel in Deutschland ausrollen. Das ist Mut, das brauchen wir, und dazu steht diese Fraktion. Fünftens, letzter Punkt: Ja, wir brauchen den Mut zum Freihandel. Die EU spricht heute von strategischer Autonomie. Ausverhandelte Freihandelsabkommen werden eben nicht ratifiziert. Wir brauchen ein weltoffenes Land, und wir Deutschen, auch wir in unserer Fraktion, stehen auf und sagen: Wir sind gegen Protektionismus, und wir sind für einen regelbasierten Freihandel. ({6}) Kurzum: Das sind die Wochen der Wahrheit; es sind aber auch die Wochen der Chance. Mit mehr Mut können wir sie nutzen. Vielen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Enrico Komning für die AfD-Fraktion. ({0})

Enrico Komning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004787, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Altmaier, ich habe zwar nur drei Minuten, aber ich kann es mir nicht verkneifen, zwei, drei Worte zu Ihrem Vortrag zu sagen. Ich habe Sie immer als relativ rational denkenden Menschen eingeschätzt. Was ich heute hier von Ihnen gehört habe, ist ein Unding. Sie wollen uns als AfD den Niedergang des Mittelstands in die Schuhe schieben. Das kann ja wohl nicht sein, Herr Altmaier. ({0}) Diejenigen, die am Hebel der Macht sitzen, das sind doch Sie. Liebe Mittelständler, die hier zugucken: Das, was Ihnen hier heute widerfährt, ist nicht das Ergebnis einer Oppositionsarbeit; das ist das Ergebnis einer völlig verfehlten Regierungspolitik. ({1}) Sie haben, Herr Altmaier, als Regierung die verdammte Pflicht, gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in unserem Land zu schaffen. Sie tun es nicht. Sie tun es nicht, und Corona kommt Ihnen da gerade recht. Tatsächlich geht es Ihnen doch nur um Zentralisierung politischer und wirtschaftlicher Macht. Unabhängige mittelständische, zumeist Familienunternehmen, bei denen der staatliche Zugriff eben doch noch schwierig ist für Sie, die werden doch endgültig vom Markt verdrängt. Herr Altmaier, der Mittelstand ist das Herz unserer Wirtschaft. Durch Ihr politisches Handeln hört dieses Herz auf zu schlagen. Sie sind der Totengräber des Mittelstandes. ({2}) Sie legen uns hier einen aufgeblähten, mit beispiellos hoher Neuverschuldung finanzierten Haushalt vor: fast 415 Milliarden Euro bei 100 Milliarden Euro Neuverschuldung. Für den Wirtschaftshaushalt bleiben da gerade 10 Milliarden Euro, also deutlich weniger als in diesem Jahr. Das sind noch nicht einmal 3 Prozent des Gesamthaushaltes. Der Mittelstand spielt in diesem Haushalt offensichtlich überhaupt gar keine Rolle. Sie nutzen, liebe Bundesregierung, die Chance aus, Ihrem Traum von einer Staatswirtschaft nach chinesischem Vorbild näher zu kommen. Große Konzerne und andere sogenannte systemrelevante Unternehmen werden mit Ihren Schuldenorgien nach und nach verstaatlicht. Öffentliche Meinung wird gekauft; denn die Medienverlage werden nun im Haushalt mit 220 Millionen Euro mehr alimentiert. Herr Scholz hat ja schon gesagt: Steuererhöhungen sind notwendig – Steuererhöhungen für die Reichen. Was er aber nicht sagt, ist: Seine Pläne treffen vor allem die Mittelständler, die Familienunternehmen, diejenigen, die dem Großteil der Menschen gerade auch im ländlichen Raum Arbeit geben und die jetzt schon beispiellos hohe Steuern und Abgaben zu zahlen haben. Diese werden geschröpft; sie werden durch Sie vernichtet. So schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Mit diesem Haushalt, Herr Minister, entziehen Sie unserem Land und seinen Menschen die Lebensgrundlage. Mit Ihrer Politik entziehen Sie den Menschen ihre hart erkämpften demokratischen Rechte. Ich kann nur hoffen, dass Ihnen Ihr Regierungsauftrag entzogen wird, bevor alles zu spät ist. Vielen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Thomas Jurk das Wort. ({0})

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Rund 10 Milliarden Euro sind für den Etat des Bundeswirtschaftsministeriums im nächsten Jahr insgesamt vorgesehen. Im Vergleich zur bisher geltenden Finanzplanung für das Haushaltsjahr 2021 erhöht sich der Etat damit um 3 Milliarden Euro. Das ist eine beachtliche Ausgabensteigerung. Mit diesen zusätzlichen Mitteln soll zunächst ein praktischer Beitrag zur Bewältigung der Coronakrise geleistet werden, konkret bei der Vliesstoff- und Maskenproduktion sowie bei der Innovationsforschung für Schutzausrüstung. Hierfür stehen im nächsten Jahr rund 360 Millionen Euro bereit. Weitere 200 Millionen Euro sollen für ein Förderprogramm für infektionsschutzgerechte Lüftungsanlagen, das heißt zur Umrüstung und Verbesserung von Lüftungsanlagen, eingesetzt werden. Wir dürfen jedoch gerade jetzt nicht nur an die Krisenbewältigung denken, sondern müssen uns mit Blick auf das nächste Jahr eher darum kümmern, klug in die Zukunft zu investieren. ({0}) Diesen Gedanken greift der Haushaltsplanentwurf der Bundesregierung für 2021 durchaus auf. Wir nehmen Geld in die Hand für zukunftsfähige Arbeitsplätze und Innovationen, und deshalb investieren wir kräftig in die Zukunft wichtiger Industriebranchen: bei den Fahrzeugherstellern und den Zulieferern, der Bahnindustrie und den Fahrzeugbauern, der maritimen Wirtschaft sowie den außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Hierfür sollen im Etat des Bundeswirtschaftsministeriums im nächsten Jahr knapp 1 Milliarde Euro zusätzlich bereitstehen. Das ist einerseits sehr viel Geld in Anbetracht der schwierigen Haushaltslage, andererseits aber auch dringend nötig. ({1}) Weitere zusätzliche Mittel sollen für die Digitalisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Besonders hinweisen möchte ich dabei auf das Anfang September endlich gestartete neue Investitionszuschussprogramm „Digital Jetzt“. Über dieses Förderprogramm können kleine und mittelständische Unternehmen Zuschüsse für Investitionen in innovative Hard- und Software oder für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen. Allein dafür stellen wir 57 Millionen Euro zur Verfügung. Wir werden die Arbeitnehmer und Unternehmen beim Strukturwandel und der Digitalisierung unterstützen. Denn wir brauchen eine moderne Industrie und den innovativen Mittelstand, wenn wir unsere Arbeitsplätze zukunftsfest machen wollen. ({2}) Die Mittel dafür stellen wir bereit, wie auch schon im laufenden Haushaltsjahr. Das „laufende Haushaltsjahr“ ist übrigens ein gutes Stichwort. Wir Haushälter wissen, dass das Wirtschaftsministerium wie kein anderes Ressort sehr viele Aufträge aus dem Krisenbewältigungs- und Zukunftspaket der Bundesregierung übernommen hat. Wir wissen, dass die kurzfristige Umsetzung nicht einfach ist, und erkennen das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium und den nachgeordneten Behörden an. Trotzdem ist ein gewisses Defizit deutlich zu erkennen. Ich würde mir deshalb wünschen, Herr Altmaier, dass wir bei der Umsetzung der Programme zügig vorankommen. Denn das Geld, das viele Geld, muss bei denen ankommen, die es so dringend nötig haben. ({3}) Wir sollten bei den Haushaltsberatungen aber auch den Mut haben, beim Zukunftspaket nachzusteuern, wenn dies notwendig ist. So werden die im Haushaltsentwurf für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, vorgesehenen Mittel nach aktueller Sachlage nicht ausreichen. Hintergrund sind erfreulicherweise stark steigende Antragszahlen unter den Bedingungen der neuen Förderrichtlinie, welche seit Ende Mai coronabedingt deutlich höhere Fördersätze vorsieht. Wir haben mit dem ZIM eine gut laufende Coronahilfsmaßnahme. Diese muss dann aber auch finanziell abgesichert werden. Denn es wäre fatal, wenn Geld aus neuen, gut gemeinten Programmen nicht abfließt und gleichzeitig Geld für mittelständische Innovationen fehlt. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir nehmen im Einzelplan des Wirtschaftsministeriums außerdem zusätzlich Geld in die Hand für die strukturschwachen Regionen unseres Landes. Kein Landstrich darf durch diese Krise abgehängt werden. Deshalb sollen für Investitionen bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ im Vergleich zur bisherigen Finanzplanung zusätzlich 325 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Zusammen mit der Kofinanzierung der Länder könnten damit im nächsten Jahr rund 1,8 Milliarden Euro für strukturschwache Regionen und deren Investitionen mobilisiert werden. Für andere Programme des gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen sollen zudem weitere 35 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt werden. Das betrifft gerade die Förderung von Existenzgründungen, die außeruniversitäre Forschung, die Investorenwerbung im Ausland sowie die überbetrieblichen Bildungsstätten des Mittelstandes. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass wir bei den Haushaltsplanberatungen noch einige wesentliche Änderungen im Einzelplan 09 vornehmen werden. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Reinhard Houben das Wort. ({0})

Reinhard Houben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Komning, wenn Sie dem Wirtschaftsminister hier vorwerfen, er sei der Totengräber des Mittelstandes: Nach den Äußerungen aus Ihrer Partei der letzten Wochen kann ich nur sagen: Sie versuchen sich doch hier in Deutschland als Totengräber der Demokratie. Wie können Sie sich hier derartig aufblasen? ({0}) Herr Altmaier, weil Sie mich persönlich angesprochen haben: Ich will mal versuchen, Ihnen aus der Sicht eines Mittelständlers darzustellen, wie sich die letzten Monate für mein kleines Unternehmen dargestellt haben. Und wir haben Glück, wir sind B2B; wir haben also nie zumachen müssen. Aber wir hatten einen Umsatzrückgang von ungefähr 25 Prozent in den Monaten. Und ich sage mal, da sind natürlich manche Maßnahmen eher nach hinten losgegangen. Wir werden mehrere Tausend Euro Kosten durch die Umstellung der Mehrwertsteuer haben, von der wir als Unternehmen B2B überhaupt nichts haben, weil Mehrwertsteuer ein durchlaufender Posten ist. ({1}) Deswegen ist das aus meiner Sicht nicht so doll. Natürlich sorgen sich auch meine Mitarbeiter – wir haben zwei Auszubildende, eine Dame mit türkischem Migrationshintergrund und einen Mitarbeiter im Lager aus Nigeria –, die fragen sich natürlich: Werden wir übernommen? Das hat etwas mit Zukunftserwartung zu tun, Herr Altmaier. Das Problem ist – und ich finde, das ist im Moment Ihre Kernaufgabe –: Sie müssen für die deutsche Wirtschaft eine positive Zukunftsaussicht formulieren. ({2}) Und ich sage Ihnen: Eine Äußerung der Kanzlerin, dass wir Weihnachten täglich 20 000 Neuinfektionen haben werden, wirkt natürlich viel schlimmer und schlägt viel deutlicher durch als ein Programm mit einigen Hundert Millionen Euro. Diese Bundesregierung zerstört die Zukunftserwartungen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Das ist das Problem. ({3}) Denn, meine Damen und Herren, wie gehen wir damit um, wenn wir im nächsten halben Jahr keinen Impfstoff bekommen? Wir müssen doch auch einen Plan B haben. ({4}) Wie geht denn die Gesellschaft mit dem Problem Corona/Covid-19 um, wenn wir nicht sofort einen Impfstoff bekommen? Wie stellen wir die Gesellschaft darauf ein, dass wir mit Beschränkungen leben müssen und trotzdem unseren Wirtschaftsstandort weiter aufrechterhalten? Darauf gibt es keine Antworten. Und ich sage Ihnen: Wir sind doch in den letzten Wochen und Monaten eigentlich schlauer geworden. Man muss individuell handeln. Man muss da einen Lockdown machen, wo es nötig ist, und darf in der Bundesrepublik nicht darüber nachdenken, Komplettlösungen für das ganze Land zu finden. Es ist durchaus möglich, dass man in Schleswig-Holstein anders vorgeht als in Bayern. ({5}) Dazu fehlen die Antworten der Bundesregierung. So schaden Sie im Grunde der Stimmung in unserem Land und damit auch der deutschen Wirtschaft. Vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Klaus Ernst für Die Linke. ({0})

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann nicht anders, aber ich muss noch etwas zur FDP sagen. Herr Houben, langsam verwirrt mich die FDP. ({0}) Ich habe den Eindruck, ihre Politik läuft nach dem Motto: Wenn ich sie nicht überzeugen kann, verwirr sie! – Ich habe jetzt mehreren Rednern zugehört, auch in der Debatte vorher. Sie sagen, das Problem bestehe darin, dass eine positive Zukunftsaussicht fehlt. Dann gibt es andere, die sagen: Wir haben zu wenig staatliche Unterstützung. – Das war eben Herr Klein. ({1}) Dann gibt es Herrn Fricke, der sagt: Wir haben eine viel zu hohe staatliche Kreditaufnahme. – Haben Sie denn nicht gemerkt, dass die staatliche Kreditaufnahme die Voraussetzung dafür ist, dass gegenwärtig Herr Altmaier und andere überhaupt Geld zum Ausgeben haben? Sie müssen sich einfach mal einigen, was Sie eigentlich wollen. ({2}) Wenn nicht irgendwann ein Profil von Ihnen erkennbar ist, dann passiert etwas ganz Trauriges: Von 2013 bis 2017 waren Sie leider nicht im Bundestag vertreten. Ich fand das sehr traurig, weil ich Ihre Anträge amüsant fand. ({3}) Aber es wäre schade, wenn das wieder passieren würde. Also: Bitte eine Richtung, damit man weiß, wohin Sie wollen! Sonst wird es schwierig. Meine Damen und Herren, es freut mich, dass Sie sich, Herr Altmaier, in dieser Frage deutlich von der FDP unterscheiden, allerdings nicht in allen Punkten. Meine Damen und Herren, es vergeht kein Tag mehr, an dem die deutsche Industrie nicht trotz massiver Hilfe – Kurzarbeit, Kredite, in Milliardenhöhe im Übrigen – einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen verkündet; das ist ein Problem. Das müssen Sie doch erkennen. Wir müssen doch überlegen, was da passiert: Conti 13 000 Stellen, ZF 7 500 Stellen, Opel in Rüsselsheim 2 100, Bosch usw. Allein die IG Metall rechnet in ihrem Organisationsbereich mit 200 000 Jobs, die verloren gehen. Schaeffler kündigt den Abbau Tausender Arbeitsplätze an und will gleichzeitig ins Ausland gehen. Als zuständiger Wirtschaftsminister müssen Sie doch alles daransetzen, da einzugreifen und den Kahlschlag zu verhindern. Ich fordere Sie dringend auf, Herr Altmaier – das meine ich sehr ernst, so wie ich heiße –, Bedingungen zu stellen, die Voraussetzungen sind für staatliche Hilfen. Wenn Sie das nicht machen, verfahren Sie rein nach dem Gießkannenprinzip, und die Unternehmen nutzen es für Dinge, die wirklich nicht notwendig sind. ({4}) Es darf keine Unterstützung geben – egal welcher Art –, wenn Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden. Hilfsgelder müssen zur Voraussetzung haben, dass Unternehmensleitungen mit den Betriebsräten Vereinbarungen über die Zukunft der Belegschaft treffen. Einige tun das, leider nicht alle. Dann muss man eben sagen: Wer das nicht tut, kriegt kein Geld. – Dann wird vielleicht die Motivation ein bisschen höher. Hören Sie auf, Fördermittel an jene zu vergeben, die Fördermittel kassieren und gleichzeitig Dividende an die Aktionäre auszahlen. Für was sind wir denn da? Wir finanzieren ja dann faktisch die Dividenden aus Steuermitteln. Herr Altmaier, das alles kann doch nicht Ihr Ernst sein! Staatliche Beteiligung bei der Lufthansa muss durch staatlichen Einfluss gesichert sein. 9 Milliarden Euro stecken jetzt in diesem Konzern. Ich sage Ihnen: Trotzdem wird Germanwings abgewickelt, aber ein neuer Ferienflieger gegründet, nämlich Ocean. Da können sich die Lufthansa-Beschäftigten, denen jetzt der Rauswurf droht, quasi auf ihre eigenen Stellen bewerben, natürlich zu weitaus schlechteren Bedingungen. Da können wir doch nicht einfach tatenlos zugucken. Für so etwas haben wir den Betrieb nicht übernommen, Herr Altmaier. Da muss man eingreifen. ({5}) Man muss zumindest das tun, was man kann, nämlich den Aufsichtsrat so zu besetzen, dass er entsprechend handelt. Sie hätten das alles verhindern können, wenn man Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Konzernführung zur Beschäftigungssicherung sozusagen als Voraussetzung festgelegt hätte. Machen Sie gefälligst Ihren Einfluss im Aufsichtsrat geltend, damit das verhindert wird! Zum Schluss. Auf der einen Seite Milliarden ohne Gegenleistung, auf der anderen Seite ist die Hilfe für Soloselbstständige und KMUs völlig unzureichend. Von den 25 Milliarden Euro Überbrückungshilfen sind erst 760 Millionen Euro bewilligt, nur 3 Prozent ausgezahlt. Ganze Branchen wie zum Beispiel die Veranstaltungswirtschaft sind in ihrer Existenz bedroht. Da müssen wir dringend nachsteuern, auf der einen Seite durch klare Auflagen und auf der anderen Seite durch zielgenaue Förderung. Dann haben Sie die Bezeichnung „Wirtschaftsminister für alle“ auch wirklich verdient. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dieter Janecek das Wort. ({0})

Dieter Janecek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004312, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Zu Beginn meiner Rede möchte ich mich bedanken bei den Gründerinnen und Gründern, bei den Start-ups, bei den Sozialunternehmen, die uns Grüne diese Woche auf Platz eins beim Deutschen Startup Monitor gewählt haben. Vielen Dank für das Vertrauen! ({0}) Ich glaube, damit ist aber auch der Hinweis an Sie verbunden, Herr Minister Altmaier, dass Sie eben viel über das Klima reden, aber immer noch als der gesehen werden, der für die fossile Vergangenheit spricht. Man konnte das ja heute auch in dem Beitrag von „WDR Investigativ“ nachverfolgen, ({1}) wo Ihnen nachgewiesen worden ist, dass Sie beim Abgaslabel Pkw nicht die Interessen der Verbraucher berücksichtigt haben, sondern eben die der Industrie. Ich glaube, das ist Ausdruck des Widerspruchs, der sich in dem von Ihnen vorgelegten 20-Punkte-Plan finden lässt. Ich lese den, und ich diskutiere den auch gerne mit Ihnen. Ich wäre aber auch gerne mal dabei – zumindest würde ich gerne einen Bericht von Ihnen darüber hören –, wenn Sie diesen Plan in Ihrer Fraktion mit Herrn Linnemann, Herrn Pfeiffer und all den anderen diskutieren. ({2}) Denn mit wem sprechen wir denn eigentlich von der Union, wenn wir über Klimaschutz reden? Das wissen wir Grüne bis heute nicht. Ein Haushalt, der auf Zukunft, auf Investitionen im Klimaschutz und übrigens auch in digitale Infrastruktur setzt, haben Sie nicht vorgelegt. Wenn man sich anschaut, wo wir beim Thema digitale Infrastruktur stehen, stellt man fest, dass uns Frankreich mittlerweile überholt hat, weil Präsident Macron das zu einem Schwerpunktthema gemacht hat. Wir haben es in der Coronakrise, Herr Linnemann, gesehen, wie schlecht wir in vielen Bereichen sind. Ich glaube, wir müssen da wirklich einen Sprung nach vorne machen. Das heißt auch: Bündelung der Kompetenzen beim Digitalen, Programme auflegen, priorisieren, E-Government, Breitband endlich in die Fläche. Da muss jetzt was vorangehen. Sonst ist Deutschland in vielen Bereichen wirklich abgehängt. ({3}) Wenn ich zum Thema Industriepolitik komme, sage ich jetzt mal Richtung CSU gewandt: Wir hören ja sehr viele Überschriften von Herrn Söder. Ihr Parteivorsitzender, Herr Dobrindt, musste das gestern wortreich verteidigen. Herr Söder hat sich ja schon 2007 dafür eingesetzt, dass der Verbrennungsmotor heute Geschichte ist. Das wäre mir fast ein bisschen zu progressiv gewesen, wenn ich ehrlich bin. Jetzt ist 2020. Nun hat er gesagt: Er will es 2035. – Aber zeitgleich setzt sich die CSU dafür ein, dass es Kaufprämien für fossile Verbrenner gibt. Das ist doch keine verlässliche Industriepolitik. Mit Verlaub, das ist ziemlich gaga. So kann man doch nicht vorgehen. ({4}) Sie schaffen auch keine Absatzmärkte fürs Automobil, wenn Sie keine Zukunftsbeschreibung für diesen Markt machen können. Schauen Sie da mal nach Baden-Württemberg. Seit über drei Jahren ist dort ein Automobildialog in allen Branchen präsent – bei der Batteriefertigung, bei den Zulieferern-, hoch geschätzt auch von den Industriepartnern. Ich glaube, das ist etwas, was wir auch für den Bund bräuchten. Wir müssten sagen: Wir nehmen eure Ängste ernst, und die sind auch berechtigt; es wird auch Stellenabbau im technologischen Wandel geben, aber wir helfen euch beim Wandel in die Zukunft. – Das heißt übrigens auch, Standorten zu helfen, die vielleicht in der Vergangenheit auf die fossile Technologie gesetzt haben, sich aber jetzt wandeln wollen und aufgrund des EU-Beihilferechts momentan keine Hilfen bekommen können. Vielleicht liegt auch da ein Ansatz, Hilfen für die Automobilindustrie zu schaffen, die in die Zukunft will. ({5}) Und natürlich das große Thema Wasserstoffstrategie. Ich finde es gut, dass wir jetzt eine Nationale Wasserstoffstrategie in ersten Zügen formuliert haben. Aber – Anja Hajduk hat es auch formuliert – die Voraussetzung für alles sind die erneuerbaren Energien. ({6}) Wir können keine Wasserstoffstrategie erfolgreich – übrigens auch nicht im Sinne der Unternehmen – nach vorne bringen, die am Ende die Kohleverstromung in den Prozess einbringt oder darauf setzt: Wir bauen jetzt erst mal nach vorne und verschärfen unsere Klimakrise mit dem, was wir machen. – Das muss Hand in Hand gehen. Sie können nicht sagen: Das kommt dann alles aus Saudi-Arabien und Marokko. – Es wäre schön, wenn wir Verträge mit anderen Staaten schließen können. Das hat dann auch entwicklungspolitische Implikationen, weil die betreffenden Länder auch ihren Strom, ihren Wohlstand vor Ort halten wollen. Aber wir müssen eine Strategie entwickeln, die ehrlich ist. Und ehrlich heißt: Vorrang für den industriellen Sektor. Wir brauchen es zuerst für die Stahl- und Zementbranche, aber auch für Anwendungen in vielen Maschinenbaubereichen. Im Vordergrund sollte eben nicht das Versprechen stehen: Die E-Fuels im Pkw-Bereich sind die, die es als Erstes brauchen. Das wird so nicht sein. ({7}) Zum Schluss möchte ich über ein Thema sprechen, das hier auch schon angesprochen wurde: das Thema Flugindustrie. Da ist ja in der Tat die Frage, ob wir mit der Umwandlung von Kraftstoffen eine Strategie für den Klimaschutz haben könnten. Aber auch dafür brauchen wir endlich mal Rahmenbedingungen, zum Beispiel eine Quote im Bereich der Fuels, die dafür sorgt, dass der ökologische Anteil sukzessive steigt, dass wir das auf europäischer Ebene durchsetzen, dass wir weltweit einen Markt daraus machen, dass wir da wirklich Innovationen vorantreiben. Dafür braucht es Industriepolitik. Dafür braucht es Sie, Herr Altmaier. Wir brauchen also einen Schritt nach vorne. Das, was Sie hier vorlegen, ist einfach zu wenig, insbesondere bei den erneuerbaren Energien. Also arbeiten Sie bitte nach! Vielen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Andreas Lämmel das Wort. ({0})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der letzten Haushaltsrede hatten wir schon festgestellt, dass der Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums ein Rekordhaushalt ist. Keiner konnte ahnen, dass wir in diesem Jahr diesen Rekord noch mal toppen und das Haushaltsvolumen noch mal deutlich ansteigt. Da aber dieser Anstieg des Haushaltsvolumens kreditfinanziert ist, das heißt, diesen Ausgaben keine regulären Einnahmen gegenüberstehen, ist es unsere Verpflichtung gegenüber den nachfolgenden Generationen, über jeden Euro, den wir zusätzlich ausgeben, auch den Nachweis zu führen, dass er dringend notwendig ist. Es ist, glaube ich, auch für den Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums gut nachweisbar, dass wir dieser Verantwortung nachkommen. Meine Damen und Herren, wenn das Wirtschaftsleben wochenlang außer Betrieb gewesen ist, wenn Unternehmen praktisch keinen oder wenig Umsatz generiert haben, wenn viele Millionen Menschen zumindest für die Kurzarbeit angemeldet worden sind, dann hat der Staat eben weniger Einnahmen, aber viele Ausgaben. Dieses Verhältnis muss wieder umgekehrt werden. Um der Wirtschaft wieder eine Perspektive zu geben, Frau Hajduk, brauchen wir kein Lieferkettengesetz. ({0}) Wir brauchen auch kein Verbandssanktionsrecht. Wir brauchen mehr Freiheit für die Unternehmer und nicht mehr Gängelung. ({1}) Wenn Sie nicht verstehen können, dass jetzt der unpassendste Moment für solche Gesetze ist, und einsehen, dass wir jetzt ein Belastungsmoratorium brauchen, dass wir den Unternehmern klar sagen müssen: „Der Staat wird nichts tun, um Unternehmen in dieser Situation noch zu gängeln“, ({2}) dann frage ich mich, wo Ihre Wirtschaftskompetenz wirklich bleibt. ({3}) Also, ich kann nur sagen: Wer jetzt so was in Szene setzt, meine Damen und Herren, der hat, glaube ich, die Situation nicht verstanden. ({4}) Meine Damen und Herren, der Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums ist auf dreierlei ausgelegt: forschen, entwickeln und investieren. Das ist genau die Zielrichtung, die wir als CDU/CSU-Fraktion auch unterstützen. Der Kollege Jurk hat ja zum ZIM gesprochen. Aber er hat gesagt, das sei ein Coronahilfsprogramm. Aus meiner Sicht ist ZIM kein Coronahilfsprogramm, sondern ZIM ist ein Hilfsprogramm für die Wirtschaft, um sozusagen neue Projekte in Gang zu setzen, um Zukunft zu gestalten. Das ZIM ist das Flaggschiff im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums. Ich glaube, wir sind uns einig, Kollege Jurk, dass wir alles tun werden, damit die Ausstattung dieses Programmes nicht daran scheitert, dass zu wenig freie Mittel vorhanden sind. Gucken wir uns die Situation im Bundeswirtschaftsministerium an: Wir haben da sehr viele Reste. Es muss erst mal nachgewiesen werden, ob wir wirklich alle Reste für die vorgesehenen Zwecke einsetzen können. ({5}) Deshalb glaube ich auch, dass wir im weiteren Haushaltsverfahren durchaus dazu kommen können, weitere Umschichtungen vorzunehmen. Es wird sehr viel Geld in die Raumfahrt-, in die Luftfahrtforschungsprogramme, in die Mikroelektronik für den Fahrzeugbau gesteckt. Aber ich möchte hier auch noch mal ganz deutlich sagen: Das sind keine Programme alleine für Großunternehmen, ({6}) sondern hier muss die Mittelverteilung ganz klar so erfolgen, dass auch die kleinen und mittleren Unternehmen von diesen Programmen partizipieren können. ({7}) Darauf muss das Bundeswirtschaftsministerium in seinen Förderrichtlinien achten. Zur GRW hat Kollege Jurk schon was gesagt. Bei den Mitteln für die strukturschwachen Gebiete ist ja bei den Jahresraten in diesem Jahr und in den nächsten Jahren fast eine Verdoppelung zu verzeichnen. Das ist ein sehr guter Zug. Wir haben ja auch die Regularien für die GRW zugunsten höherer Fördersätze verändert. Die Frau Bluhm ist ja jetzt nicht mehr da. Ich will nur sagen: Die Kollegen von der Linksfraktion verwechseln immer mal wieder Ursache und Wirkung. Warum wir in Ostdeutschland nach wie vor große Probleme mit strukturschwachen Regionen haben? Da müssen Sie mal nachdenken, was da vor dem 3. Oktober 1990 war. ({8}) Sie haben ein ruiniertes Land hinterlassen, ({9}) das in 30 Jahren wiederaufgebaut werden musste. Wir können stolz sein auf das, was wir gemeinschaftlich hier geschaffen haben. ({10}) Lesen Sie doch mal den Bericht von dem Herrn Schürer. ({11}) Der Herr Schürer hat sozusagen den Bankrott der SED bzw. DDR lang und breit beschrieben. ({12}) Das sind die Ursachen für diese Probleme. ({13}) Also, gehen Sie mal in sich, denken Sie mal nach und erzählen Sie den Leuten nicht so einen Unsinn. ({14}) Ja, meine Damen und Herren, ein weiteres Feld für die Ankurbelung der Wirtschaft ist ja auch das Thema Außenwirtschaft. Im Bereich der Außenwirtschaft haben wir ja einige Programme. Aber ich glaube, wir müssen ganz grundsätzlich über die Instrumente der Außenwirtschaft neu nachdenken bzw. diese nachschärfen. Da ist viel notwendig, um jetzt den Unternehmen wieder den Gang ins Ausland zu ermöglichen. Schon deswegen ist ein Lieferkettengesetz – ich habe es vorhin schon gesagt – in der jetzigen Situation völliger Unfug. ({15}) Ich muss aber noch mal sagen, da ich auch immer für Afrika sprechen muss: Herr Minister Altmaier, wir müssen die Maßnahmen für die Wirtschaftsentwicklung in Afrika bündeln. Wir müssen sie noch besser verzahnen, und die Konkurrenz zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit muss endlich mal enden. Wir brauchen eine gemeinsame Strategie. ({16}) Nur so sind aus meiner Sicht die Dinge zu lösen. Also, wir sind dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber positiv eingestellt. Wir werden in den nächsten Wochen die Verhandlungen führen. Ich denke, wir werden ein gutes Ergebnis abliefern können. Vielen Dank. ({17})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die AfD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Leif-Erik Holm das Wort. ({0})

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Liebe Bürger! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Finanzminister zaubert die Milliarden nur so aus dem Hut, eine nach der anderen – leider nicht aus seinem eigenen. Und das ist das Problem. Er nimmt das Geld schon heute von den kommenden Generationen. Das ist in diesem Ausmaß eine unverantwortliche Politik. ({0}) Wir kritisieren nicht die Maßnahmen für unsere Unternehmen in der Coronakrise; das ist selbstverständlich, das muss sein – wegen Ihrer unverhältnismäßigen Politik, kann man noch dazusagen. Aber was Sie jetzt tun: Sie nutzen die Aushebelung der Schuldenbremse, um einen richtigen Schluck aus der Schuldenpulle zu nehmen. Und das werfen wir Ihnen vor. ({1}) Sie haben eine regelrechte Subventionitis für allerlei Sinnlosprojekte losgetreten. ({2}) Und das wird uns Bürger noch teuer zu stehen kommen. Man sieht es am Wirtschaftsetat. Schauen Sie sich den Energiebereich an: Sie verdoppeln noch mal den Milliardenetat für Gebäudeeffizienz. Ist das sinnvoll? Nein! Nein sagt auch der Verband der Wohnungswirtschaft. Wörtlich: „Aktuell sanieren wir uns“ in Deutschland „systematisch den günstigen Wohnraum weg“. Genau so ist es. Das führt zu steigenden Kauf- und Mietpreisen. Dann wird wieder nach einer schärferen Mietpreisbremse gerufen. Und was ist dann? So schlittern wir in den Sozialismus herein. ({3}) Herr Minister, auch im Wirtschaftsbereich rutschen wir in die Planwirtschaft hinein – und das 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung. Das muss uns doch allen zu denken geben. ({4}) Für die Elektromobilität legen Sie auch noch mal kräftig drauf. Dabei weiß jeder, dass diese Technologie ein Rohrkrepierer sein wird: zu teuer, zu geringe Reichweite und umweltfeindlich. ({5}) Das kommt zusammen. ({6}) Ein moderner Diesel ist auch in der CO2-Bilanz sauberer als ein Stromer. ({7}) Was soll das also? Sie verschwenden unser hart erarbeitetes Geld für Ihren ideologischen Sonderweg. Das ist Steuerverschwendung in Reinkultur. ({8}) Ich bin froh, dass das auch mal ein Branchenvertreter anspricht. Gunnar Herrmann, der Chef von Ford Deutschland, sagt, Technologieoffenheit sei nicht mehr gefragt. Wörtlich: „Hier wird mit Gewalt der Verbrennungsmotor ins Aus gedrängt“. Das ist genau das, wovor die AfD warnt. Sie brechen das Rückgrat der deutschen Automobilindustrie und gefährden damit unseren Wohlstand. ({9}) Jetzt soll es auch noch Subventionen für die Zeitungsverlage geben. 200 Millionen Euro sind dafür eingeplant. Das finde ich wirklich mehr als bedenklich. Ich kann ja wirklich verstehen, dass die SPD mit ihrer großen Medienholding da vielleicht Probleme sieht. Aber der Bundeshaushalt darf nicht zum Selbstbedienungsladen werden. Und wo bleibt die journalistische Unabhängigkeit? Dass eine solche Förderung zu noch mehr regierungstreuer Berichterstattung führen kann, ({10}) liegt doch auf der Hand. ({11}) Allein der Anschein aber ist gefährlich für unsere Demokratie. Wir brauchen nach dem staatsnahen Rundfunk nicht auch noch eine staatsnahe Presse. Die beste Lösung hieße: Weg mit der GEZ! Die Beiträge der Bürger für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind schlicht zu hoch. Der GEZ-Funk erdrückt die Geschäftsmodelle der Privatanbieter; das ist das Problem. Also: Rundfunkbeiträge runter, damit die Zeitungsverlage mehr Luft zum Atmen haben. ({12}) Liebe Kollegen, ich komme zum Schluss. Dieser Haushalt setzt absolut die falschen Anreize. Hilfe für unsere Unternehmen in der Corona- und Lockdownkrise ist notwendig. Aber die allgemeine Subventionitis machen wir nicht mit. Ich finde, dieser Haushalt hätte einen deutlich passenderen Namen verdient. Mein Vorschlag lautet: das Tolle-Steuerverschwendungsgesetz.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Holm, ich wiederhole mich; aber es gilt: Die Ankündigung, zum Schluss zu kommen, ersetzt nicht den Schlusspunkt.

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich war ja fast schon fertig. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Sabine Poschmann das Wort. ({0})

Sabine Poschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004377, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Satz an Herrn Lämmel sei mir gestattet: Wer in diesem Haus gegen ein Lieferkettengesetz ist, der ist auch gegen Menschenrechte. ({0}) Deshalb: Sprechen Sie doch bitte noch mal mit dem Herrn Dobrindt, und klären Sie das in der Union; denn genau jetzt wäre der richtige Zeitpunkt. Ein Blick in den Koalitionsvertrag erleichtert die Sache vielleicht auch ungemein. ({1}) Als wir hier im letzten Jahr über den Haushalt diskutiert haben, gab es einige, die gerne eine höhere Verschuldung für Investitionen wollten, und andere wollten gerne eine steuerliche Entlastung für Unternehmen nach dem Gießkannenprinzip. Olaf Scholz und die SPD-Bundestagsfraktion haben das damals abgelehnt mit der Begründung: Der Wirtschaft ging es gut, und wir brauchten so eine Entlastung zu dieser Zeit nicht. Besser, Rücklagen bilden und für schlechte Zeiten aufheben! Dabei dachten wir natürlich eher an eine Rezession als an Corona, was uns dann eingeholt hat. Jetzt sind wir froh, dass wir genau diesen Weg gegangen sind. Olaf Scholz hat sich wieder einmal als vorausschauender Stratege erwiesen. ({2}) Deshalb konnten wir nämlich jetzt, als es brannte, schnell und entschlossen agieren. Jetzt können der Wumms und die Bazooka nämlich ziehen: ({3}) mit den Soforthilfen, mit den Überbrückungshilfen, mit der Kurzarbeit und dem Konjunkturprogramm. Die Wirtschaft erholt sich, wenn auch langsam. Aber wir sehen doch: Die Kurzarbeit geht sogar leicht zurück. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen für dieses Land. ({4}) Aber nicht alle Branchen können aufatmen. Aufgrund von Beschränkungen sind weiterhin viele Branchen stark betroffen: die Schausteller, die Veranstalter, die Messen und Reisebüros, Kneipiers, Hoteliers, Caterer und Clubbesitzer. Hier sollten wir erstens noch einmal darüber nachdenken, ob Verbote und stark begrenzte Besucherzahlen wesentlich sind oder ob nicht die Hygienekonzepte entscheidender sind. ({5}) Eine ganze Branche über eine so lange Zeit vom Netz zu nehmen, kann auf Dauer nicht funktionieren, auch wenn Herr Söder gerne mal alleine zu Hause tanzt, meine Damen und Herren. ({6}) Zweitens. Für diese Branchen braucht es weitere Hilfen. 25 Milliarden Euro sind bereitgestellt. Das Parlament hat dieses Geld aber nicht bereitgestellt, damit es im Haushalt weiter schlummert, sondern das Geld soll tatsächlich bei den Unternehmen ankommen. Bei der Umsetzung muss der Wirtschaftsminister, Herr Altmaier, noch mal einen Zacken zulegen. ({7}) Die Maßnahmen sollen nämlich – dafür haben wir sie ja angesetzt – vor Insolvenzen schützen und Arbeitsplätze sichern. Daher ist es richtig, dass die Überbrückungshilfen jetzt verlängert und vor allen Dingen angepasst werden. Dennoch sehe ich weiteren Handlungsbedarf. Unterstützung wird über Dezember hinaus gebraucht. Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Wir müssen mal aufhören, in Dreimonatsabschnitten zu denken. Auch größere Unternehmen der Branche, die jetzt länger draußen sind, brauchen Zuschüsse. Wir können sie nicht weiter nur mit Krediten in die Verschuldung treiben. Eine weiter anhaltende Durststrecke halten sie nicht durch. Diese Branchen brauchen eine Perspektive. Ich komme zu einem weiteren Punkt. Damit die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, braucht es starke Kommunen. Wir alle wissen: Zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen im Land sind von den Kommunen abhängig. Das bedeutet Aufträge für die heimische Wirtschaft und vor allen Dingen fürs Handwerk. Doch finanzschwache Kommunen laufen Gefahr, weiter abgehängt zu werden. Ich fordere daher weitere Unterstützung, zum Beispiel einen Altschuldenfonds. Wir brauchen starke Kommunen, nicht nur für Wirtschaft und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, für Schulen, für Krankenhäuser, für bezahlbares Wohnen, für den öffentlichen Personennahverkehr. Wenn wir jetzt zusammenhalten, können wir die Zukunft meistern.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Kollegin Poschmann, Sie können selbstverständlich weiterreden; Sie tun es aber auf Kosten Ihres Kollegen.

Sabine Poschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004377, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dr. Martin Neumann hat nun für die FDP-Fraktion das Wort. ({0})

Prof. Dr. Martin Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja – Kollege Linnemann hat es gesagt –, die Energiewende muss viel europäischer gedacht und vor allen Dingen auch gemacht werden. Der viel zu hohe Strompreis in Deutschland, der deutsche Alleingang in vielen Bereichen ist schädlich ({0}) und nicht im Sinne des europäischen Grundgedankens. So bleiben wir nicht wettbewerbsfähig und gefährden Arbeitsplätze. ({1}) Der vorliegende Entwurf zeigt mal wieder viel zu viel Flickschusterei. Herr Altmaier, es fällt tatsächlich schwer, die Sinnhaftigkeit einzelner Maßnahmen bezogen auf den Gesamtkontext der Energiewende zu verstehen. Ich kann Ihren Aufruf nach noch mehr falscher Energie- und Klimapolitik nicht mehr hören. ({2}) Denn Investitionen, meine Damen und Herren, in neue Technologien brauchen Zeit. Deshalb brauchen wir keine jahresscharfen Sektorziele, wie Sie sie fordern, sondern marktwirtschaftliche Instrumente, ({3}) die Investitionen ermöglichen, vor allem in kostengünstige Vermeidungstechnologien. ({4}) Die Milliarden, die zur Begrenzung der EEG-Umlage ausgegeben werden, wären besser in der klassischen Energiesystemforschung aufgehoben. Stattdessen wird Geld in sogenannte Reallabore gesteckt, deren Nutzung und nachhaltige Wirkung viel, viel ernsthafter angepackt werden müsste. ({5}) Wir finden aber nur eine nichtssagende Beschreibung ohne konkrete Zielnennung, wofür das Geld tatsächlich ausgegeben werden soll. Gleichzeitig steht im Haushaltsentwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Kommunikation der Energiewende zur „Stärkung des Bewusstseins für mehr Eigenverantwortung und Selbstständigkeit“ führen soll. Ja, meine Damen und Herren, das Land braucht zielgerichtete Maßnahmen, die zu mehr Eigenverantwortung führen, und keine Politik wie bisher. Liebe Bundesregierung, lieber Kollege Altmaier, lassen Sie die Bürgerinnen und Bürger mehr an der Energiewende partizipieren; denn nur so kann sie erfolgreich sein. ({6}) Wir brauchen erstens endlich ein marktwirtschaftliches System und Wettbewerb im Energiebereich zur Erreichung der Klimaziele für sichere Energieversorgung, Bezahlbarkeit und Akzeptanz, zweitens –

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Neumann, ich weiß nicht, wie lang Ihre Aufzählung ist; aber Sie müssen zum Punkt kommen.

Prof. Dr. Martin Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

– ich will noch zwei Punkte sagen – eine europäische Energiewende, in der die deutsche Industrie wettbewerbsfähig bleibt, weniger Bürokratie und, meine Damen und Herren, mehr Mittel für Forschung und Entwicklung umweltverträglicher und bezahlbarer Energieträger. ({0}) Vielen Dank. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Hansjörg Durz für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hansjörg Durz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das bisschen Haushalt, das ist doch nicht so schwer. ({0}) – Genau. – Das wusste schon ironisch ein Schlager aus den 70ern zu berichten. Und in der Tat ist das Gegenteil richtig. Der Haushalt des Wirtschaftsministeriums ist – wir haben es gehört – mehr als 10 Milliarden Euro schwer, so schwer wie nie zuvor. Er ist um rund 3 Milliarden Euro angewachsen im Vergleich zu vorherigen Planungen. Sollen wir nun getreu dem Schlager dem Schöpfer dieses Haushalts danken? Einerseits ja, andererseits ist dieser Haushalt auch das Resultat einer der schwersten Krisen der bundesrepublikanischen Wirtschaftsgeschichte. Das Coronavirus ist Gift nicht nur für unsere Wirtschaft, sondern auch für die Weltwirtschaft. Im Übrigen, weil das vorhin erwähnt wurde: Es gibt Beispiele in der Welt, wo nicht gehandelt wurde, wo nur positiv in die Zukunft geblickt, aber nicht auf das Virus reagiert wurde. Gerade wir als exportorientierte Wirtschaft spüren sehr deutlich die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Ganze Lieferketten sind zusammengebrochen. In fast allen Branchen läuteten hierzulande die Alarmglocken; in manchen sind sie auch heute noch nicht verstummt. Ein Beispiel, das noch nicht so deutlich herausgestellt wurde, ist die Tourismusbranche. ({1}) Trotz aller Bemühungen, unsere Unternehmen zu stützen, leiden viele noch über den Tag hinaus. Aus diesem Wirtschaftshaushalt werden allein 2 Milliarden Euro in die Konjunktur- und Krisenbewältigung fließen. Jede Krise ist auch eine Chance, und das drückt dieser Haushalt aus. Er ist nicht bloß ein Haushalt der Krisenbewältigung, sondern er ist Chancenhaushalt und Innovationshaushalt in einem. ({2}) Die Bundesregierung – das zeigt dieser Einzelplan – muss sich eines nicht vorwerfen: dass sie die Chancen nicht anpacken würde. Ein gutes Beispiel dafür ist Gaia-X. Hier möchte ich ein großes Lob an unseren Wirtschaftsminister Peter Altmaier richten. ({3}) Was haben manche Leute vor zwei Jahren noch geschmunzelt, als der Minister von einem Daten-Airbus geredet und sich für mehr Datensouveränität in Europa starkgemacht hat! Heute stehen in diesem Haushalt 88,5 Millionen Euro, die zu großen Teilen in das Cloud-Projekt Gaia-X fließen. Die Gründungsurkunde ist unterschrieben. Das Interesse bei den Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, ist riesengroß. Die ersten Anwendungen sind in Planung. Mittlerweile ist es ein deutsch-französisches Projekt. Dieses Projekt kann ein Meilenstein in der digitalpolitischen Geschichte dieses Landes und Europas werden und verdient unsere volle Unterstützung. ({4}) Doch wir unterstützen die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft mit noch mehr als nur einer halben Milliarde Euro im Bereich Digitale Agenda. Ob Investitionen in das Gigabitnetz, in Quantencomputing oder künstliche Intelligenz – über die Verteilung dieser Mittel aus dem Zukunftspaket auf die einzelnen Haushalte und Projekte werden wir in den kommenden Wochen noch genügend debattieren. All diese Gelder sind ein wichtiger Beitrag zur Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit und zur digitalen Souveränität Deutschlands und Europas. Zur digitalen Souveränität gehört übrigens auch die Entwicklung des Mobilfunkstandards der Zukunft. Deshalb sind in diesem Haushalt Investitionsmittel für neue Technologien vorgesehen. Das ist gut investiertes Geld, wenn wir beispielsweise an den Mobilfunkstandard 5 G denken. Es ist die Politik der schwarzen Null, die Politik der soliden Finanzen, die Politik der Union, die sich in dieser Krise als goldrichtig erwiesen hat. Wer meint, Deutschland sei in der Coronakrise von dem Politikkonzept der schwarzen Null abgewichen, der irrt. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not – das war schon immer die Maxime unserer nachhaltigen Finanz- und Wirtschaftspolitik. ({5}) Eine Abkehr von dieser Politik sind Forderungen, die sich vereinzelt im politischen Raum vernehmen lassen. Gegner der Schuldenbremse frohlocken, man müsse diese nun bis weit in dieses Jahrzehnt hinein aussetzen. Ich sage Ihnen: Solche Pläne wird es mit der Union nicht geben. ({6}) Ja, wir investieren gerade in der Krise in die Zukunft; doch wir müssen auch aufpassen, dass die Zukunft der jungen Menschen nicht zu sehr mit einer Coronahypothek belastet wird. Deshalb brauchen wir eine schnelle Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldung. Diese Krise bietet eine Chance, die Weichen für die Zukunft und für zukünftige Generationen richtig zu stellen. Vielen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Timon Gremmels für die SDP-Fraktion. ({0})

Timon Gremmels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss zunächst auf Herrn Lämmel zurückkommen. Herr Lämmel, Sie haben sich hierhingestellt und haben gesagt, ein Lieferkettengesetz wäre eine Gängelung. Ich sage Ihnen für die SPD-Fraktion klar und deutlich: Erstens. Menschenrechte sind für uns nicht verhandelbar. ({0}) Zweitens. Diese Große Koalition geht zu Ende, und das ist auch gut so. Ich erwarte jedoch, dass die Union bis zum Schluss koalitionstreu und vertragstreu ist. ({1}) Wir haben in einer Debatte in dieser Haushaltswoche schon Herrn Dobrindt gehört, der gesagt hat, Schulden seien kein Selbstzweck. Ich sage Ihnen für die SPD: Die Schuldenbremse ist aber auch kein Selbstzweck. Wir müssen doch zusehen, dass wir den vorsichtigen Aufschwung, den wir jetzt verzeichnen, nicht mit Sparorgien abwürgen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir müssen daraus einen nachhaltigen Aufschwung machen, und das geht nur, indem wir die Investitionen in einen sozialökologischen Umbau und in eine sozialökologische Transformation unserer Industrie in den Mittelpunkt stellen. Das ist die Aufgabe, vor der wir jetzt stehen. Wir wollen, dass Deutschland zukunftsfest aus der Corona-, aber auch aus der Klimakrise herauskommt, und zwar zusammen mit den Unternehmen, mit den Selbstständigen und mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das ist unser Plan, und so müssen wir es angehen. ({2}) Es gibt Punkte, auch in diesem Einzelplan 09, wo wir auf dem richtigen Weg sind, wo wir aber auch noch nachlegen können. So müssen wir ausreichende Mittel für die Energieforschung bereitstellen. Ich sage das als jemand, in dessen Wahlkreis mit dem Fraunhofer-Institut IEE die Leitwarte der Energiewende entsteht. Auch dort braucht man Unterstützung, auch dort braucht man Aufträge. Energieforschung ist eine ganz wichtige Säule für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Ich habe noch einen weiteren Punkt. Wir müssen zusehen, dass die Maßnahmen, die wir im Klimapaket festgelegt haben, die sich jetzt auszahlen und wirken, auch nachhaltig im Haushalt abgesichert werden. ({3}) - „Wo wirken die denn?“, fragen Sie. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen. Sie sollten sich schon intensiver mit der Thematik beschäftigen. ({4}) – Zum Beispiel im Bereich der Gebäudesanierung. Wir haben in diesem Bereich ein Heizungsaustauschprogramm aufgelegt, wo bis zu 45 Prozent der Kosten gefördert werden. Und das kommt bei den Menschen an; diese Programme werden sehr gut abgerufen. ({5}) Wir verzeichnen bei diesen Heizungsaustauschprogrammen eine dreifach höhere Nachfrage der Bürgerinnen und Bürger als in den letzten Jahren. Das heißt, wir mussten Geld im Nachtrag bereitstellen, und wir müssen da auch in Zukunft mehr machen. ({6}) Das zeigt: Die Energiepolitik der Großen Koalition im Gebäudebereich kommt auch bei den Menschen an, und das ist auch gut so, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({7}) Die SPD steht für eine sozial gerechte Energiewende. Wir wollen nicht, dass die Einnahmen aus dem CO2-Preis im Haushalt versickern, sondern wir wollen damit die EEG-Umlage langfristig auf null senken. Das bedeutet eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und zugleich weniger Bürokratie. Ein günstiger Strompreis ist wichtig für Wärmepumpen, E-Mobilität, aber auch für den Grünen Wasserstoff. ({8}) Und da ich ja nicht nur Energiepolitiker bin, sondern mich auch im Wirtschaftsausschuss mit anderen wichtigen Themen beschäftige, ({9}) möchte ich eines deutlich machen: In diesem Bereich haben auch die Digitalisierung des Verlagswesens und die Verbreitung von Abonnentenzeitungen und Anzeigenblättern einen Haushaltstitel. Bei aller Wichtigkeit der Digitalisierung der Verlagsindustrie: Wir müssen zusehen, dass wir auch die Anzeigenblätter und die Abo-Zeitungen unterstützen; denn sie sind ein wichtiger Baustein für die Medienvielfalt und für den Meinungspluralismus. Deswegen dürfen wir nicht nur die Digitalisierung unterstützen, sondern wir müssen auch die Austrägerinnen und Austräger und die Anzeigenblätter unterstützen. Sie dienen der Meinungsvielfalt in Deutschland, und dafür werden wir uns einsetzen. In diesem Sinne: Glück auf! Danke schön. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Andreas Mattfeld für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war eine sehr laute Rede, Herr Gremmels. – Durch die Coronamaßnahmen – das haben wir, glaube ich, in dieser Debatte mehr als genug gehört – stehen wir in Deutschland und steht die Weltwirtschaft unter einem immensen Druck, wie wir es in Friedenszeiten noch nie erlebt haben. Diesen Druck – ich glaube, das darf ich als Hauptberichterstatter sagen – spürt man auch jetzt in dieser Debatte, den spürt man auch in den ganzen Haushaltsberatungen in diesen Tagen. Meine Damen und Herren, die Steuerschätzung hat uns aufgezeigt, wie dramatisch sich die Lage entwickelt. Für uns alle ist noch nicht absehbar, wie hoch sich der tatsächliche wirtschaftliche Schaden und infolgedessen auch der Schaden im sozialen Bereich langfristig in unserem Land entwickeln werden. Wir als Koalition – Oppositionsparteien haben dabei dankenswerterweise auch mitgemacht; nicht alle – haben mit dem Nachtragshaushalt auf die Krise sehr schnell reagiert, und wir werden mit dem Bundeshaushalt 2021 alles tun, um den Schaden für die Menschen in unserem Land so gering wie irgend möglich zu halten. ({0}) Meine Damen und Herren, wir haben mit dem Konjunkturpaket, mit den Instrumenten wie Kurzarbeitergeld, Sofort- und Überbrückungshilfen, dem Einstieg des Bundes bei systemrelevanten Unternehmen, aber auch den Investitionspaketen bis jetzt viel abfedern können, um Arbeitsplätze in unserem Land zu sichern und zu erhalten. Das ist temporär – davon bin ich zutiefst überzeugt – notwendig gewesen. Jedoch wissen wir alle, dass diese schuldenfinanzierten Maßnahmen natürlich irgendwann endlich sind. Auch wir können Marktmechanismen eben nicht dauerhaft außer Kraft setzen. ({1}) Unser Land braucht positive Signale, damit durch eine wachsende Wirtschaft wieder mehr Steuereinnahmen erarbeitet werden. Alle unsere Milliarden werden aber verpuffen, wenn es uns nicht gelingt, parallel zur gesundheitlichen Bewältigung in der täglichen Berichterstattung im Bereich Corona verbal abzurüsten. ({2}) Der Daueralarm, den wir erleben, versetzt leider auch Menschen in eine Dauerangst. Mit Angst kann sich Wirtschaft nicht entfalten. Angst lähmt, und Angst hemmt. ({3}) Mit Angst wird auch nicht konsumiert, mit Angst wird schon gar nicht investiert. Deshalb: Lassen wir Vorsicht walten, aber lassen Sie uns bitte auch den Daueralarm abstellen. ({4}) Meine Bitte an die Medien und einige Politiker: Lassen Sie uns bitte nicht stündlich über Neuinfektionen als Kennzahl berichten, sondern lassen Sie uns über die wohl relevanteste Kennzahl sprechen, nämlich diejenige, die Auskunft darüber gibt, in welch einer Anzahl unsere Krankenhäuser und Intensivstationen mit positiv getesteten Coronapatienten belegt sind. Für mich ist dies der relevanteste Gradmesser, und der – das dürfen wir vielleicht auch einfach mal sagen – ist nach wie vor in unserem Land äußerst beruhigend. ({5}) Meine Damen und Herren, der Wirtschaftsminister hat uns einen Entwurf über 10,13 Milliarden Euro vorgelegt, der, wie ich meine, mehr als zielgerichtet ist und der auf die derzeitige Situation eingeht. Er gibt positive Signale. Er kann enormes Wachstum mit Innovationssprüngen auslösen. Hierfür herzlichen Dank, Herr Minister Altmaier. ({6}) Der Entwurf richtet sich sehr stark auf Innovation und Investition in unsere Zukunft aus. Wenn ich mir die starken Start-up-Programme anschaue, dann bin ich sicher, dass gerade auch junge Menschen mit Ideen diese Chance nutzen werden, sich wirtschaftlich – vielleicht sogar als Unternehmer – erfolgreich einzubringen. Meine Damen und Herren, die Umsetzung der Energiewende zieht sich wie ein roter Faden durch den Haushalt. Wir als Union meinen, dass die Wasserstoffstrategie ein fundamentaler Baustein zur Umsetzung ist. Die Umstellung von Kohle auf Wasserstoff gerade in der Schwerindustrie kann erheblich zu einer Reduktion von CO2 bei uns im Land beitragen, zum Beispiel in der Stahlproduktion. Wir haben für Wasserstoff im Nachtragshaushalt des Energie- und Klimafonds 7 Milliarden Euro bereitgestellt, und wir setzen das in diesem Haushalt mit 1,7 Milliarden Euro weiterhin um. Einer Branche geht es neben Veranstaltern und Soloselbstständigen ganz besonders schlecht: Das ist die Luftfahrtbranche. Die steht – oder ich möchte fast sagen: die liegt – wegen der Coronakrise praktisch am Boden. Damit wir aber in dieser Branche nach der Krise im Wettbewerb besser bestehen können, wollen wir in diesem Haushalt mit erheblichen Mitteln Starthilfe leisten, um die Flotte mit neuen, mit effizienteren Maschinen wieder startklar für die Zukunft zu machen. Der gesamte Bereich der Luft- und Raumfahrtbranche erhält sage und schreibe 2,88 Milliarden Euro. Dieser Haushalt muss auch Möglichkeiten geben, damit der Tourismus aus dem Ausland bei uns in Deutschland im kommenden Jahr wieder anzieht. Deshalb kündige ich bereits heute an, dass wir die Deutsche Zentrale für Tourismus, die für Urlaub in Deutschland wirbt, mit zusätzlichen Mitteln ausstatten werden. ({7}) Wir werden in die maritime Zukunft unseres Landes genauso investieren wie in neue Mobilitätstechniken. Die Chancen der Globalisierung werden wir nicht nur bei internationalen Energiepartnerschaften suchen, sondern wir werden auch mit den Instrumenten unserer Auslandshandelskammern und der GTAI den Mittelstand massiv beim Exportgeschäft unterstützen. Dankbar bin ich auch – das darf ich abschließend vielleicht noch sagen –, dass wir in diesem Haushalt mit der Schaffung eines Basisregisters für Unternehmensstammdaten die Unternehmen von zahllosen Statistikpflichten entlasten. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, als Hauptberichterstatter freue ich mich jetzt schon, Herr Minister Altmaier, auf ganz spannende Haushaltsberatungen. Ich bin mir ganz sicher, dass der jetzt schon sehr gute Entwurf nach diesen Beratungen noch ein wenig besser aussehen wird. In diesem Sinne: Herzlichen Dank Ihnen allen zusammen. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.

Not found (Minister:in)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Für den Haushalt des Bundesfamilienministeriums sind im nächsten Jahr 12,2 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist der höchste Etat, den mein Haus je hatte, ({0}) und das ist in dieser Zeit nicht selbstverständlich. ({1}) Wir haben in den letzten Monaten einen Ausnahmezustand erlebt, der die Wirtschaft, aber gerade auch Familien, Kinder und ältere Menschen hart getroffen hat. In dieser von Unsicherheit geprägten Zeit hat die Bundesregierung für Stabilität gesorgt: ob mit dem Kurzarbeitergeld, das vielen Familien in den vergangenen Monaten Arbeitsplatz und Einkommen gesichert hat, oder aber auch mit dem Konjunkturpaket, mit Maßnahmen über 130 Milliarden Euro, dem Kinderbonus und zusätzlichen Mitteln für Investitionen in Kinderbetreuung in unserem Land. Zur Stabilität haben auch unsere verlässlichen gesetzlichen Leistungen beigetragen, die wir in den vergangenen Monaten krisenfest gemacht haben: der Kinderzuschlag mit dem Notfall-Kinderzuschlag, die Anpassungen beim Elterngeld oder die Hilfen für die pflegenden Angehörigen. Deutschland ist damit vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, weil wir handlungsfähig waren, und genau das gilt es auch weiterhin zu bleiben. Deshalb ist dieser Haushalt wichtig. Wir investieren auch in den kommenden Jahren in unsere Zukunft. ({2}) Die letzten Monate haben uns noch mal vor Augen geführt, wo Investitionen auch weiterhin nötig sind. Das betrifft zum Ersten das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und die Frage, wie wir dafür sorgen, dass jedes Kind in Deutschland gute Chancen für sein Leben bekommt. Nach dem Gute-KiTa-Gesetz und dem Starke-Familien-Gesetz steht jetzt unser drittes großes prioritäres Gesetzesvorhaben in den Startlöchern, nämlich der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter. ({3}) 82 Prozent der Eltern wünschen sich das. 2 Milliarden Euro vom Bund waren ursprünglich dafür vorgesehen. Mit dem Konjunkturpaket sind diese Mittel noch mal erheblich aufgestockt worden: auf bis zu 3,5 Milliarden Euro. Dazu kommt eine weitere halbe Milliarde Euro für die digitale Ausstattung der Schulen. Damit sind wir auf einem guten Weg, um diesen Rechtsanspruch als größte familienpolitische Weichenstellung seit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz zu realisieren. Das ist ein echter Game Changer, meine Damen und Herren. ({4}) Wir setzen weiterhin auf den Ausbau der Kindertagesbetreuung auch vor der Grundschule, und wir machen hier mit dem fünften Investitionsprogramm für den Ausbau von Kitaplätzen einen wichtigen Schritt. Es sind 1 Milliarde Euro zusätzlich, die 2020 und 2021 ausgegeben werden und mit denen bis zu 90 000 zusätzliche Betreuungsplätze in Kitas geschaffen und auch Umbau- und Hygienemaßnahmen finanziert werden können. Mit dem Gute-KiTa-Gesetz unterstützen wir auch weiterhin die Länder mit 5,5 Milliarden Euro bis 2022. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ zugesagt, dass der Bund auch nach 2022 seine Verantwortung wahrnimmt. Mit der Finanzplanung bis 2024 tun wir genau das und geben hier auch eine Zukunftsperspektive. ({5}) Wir führen – und das haben wir entgegen den Planungen erreicht; das war mir sehr wichtig – auch die Bundesprogramme „Sprach-Kitas“ und „Kita-Einstieg“ weiter. Das sind über 200 Millionen Euro im Jahr. Jede achte Kita in Deutschland ist eine Sprachkita. Wenn Sie noch in keiner waren – ich bin mir aber sicher, Sie alle kennen sie aus Ihren Wahlkreisen –, ({6}) dann wissen Sie, wie wichtig dieses Programm ist, wie wichtig diese tolle Sprachbildung in den deutschen Sprachkitas ist und wie großartig dieses Geld eingesetzt wird. ({7}) Mit diesen Maßnahmen sorgen wir für mehr Plätze und auch für mehr Qualität in der Kinderbetreuung. Wir unterstützen Eltern, die Familie und Beruf vereinbaren wollen, und wir unterstützen vor allen Dingen Kinder, damit sie gleiche und gerechte Chancen im Leben bekommen. Das ist die zentrale Zukunftsfrage in unserem Land. Das ist systemrelevant. Zum Zweiten – ein weiterer wichtiger Schwerpunkt – unterstützen wir das Engagement und die Demokratieförderung. Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ nicht nur im kommenden Haushaltsjahr aufzustocken, nämlich von 115 auf über 150 Millionen Euro, sondern wir haben auch für die kommenden Jahre eine Erhöhung auf bis zu 200 Millionen Euro ab dem Jahr 2023 vorgesehen. Das ist fast eine Verdopplung der bisherigen Mittel, und das ist ein wichtiges Signal ({8}) für all diejenigen in unserem Land, die sich gegen jede Art von Extremismus und für die Demokratieförderung einsetzen. Warum das wichtig ist, haben wir gerade kürzlich auf den Stufen dieses Parlamentsgebäudes gesehen: weil es Menschen gibt, die sich aus unserem gesellschaftlichen und demokratischen Konsens ausklinken, die sich in Verschwörungsfantasien verlieren und unsere demokratische Ordnung infrage stellen. Das darf uns nicht kaltlassen. Deshalb müssen wir darauf antworten und das Thema Prävention starkmachen, genauso wie die politische Bildung. ({9}) Dafür brauchen wir nicht immer nur neue Programme. Es geht auch darum, auf starke Kontinuität zu setzen, zum Beispiel beim Kinder- und Jugendplan des Bundes. Damit fördern wir auch im nächsten Jahr über 850 bundeszentrale Organisationen und Einrichtungen – Jugendverbände, Sportvereine und Musikschulen, die Nummer gegen Kummer oder den neuen Bundesjugendchor, den wir gegründet haben –, damit gute Kinder- und Jugendarbeit in Deutschland auf einer verlässlichen Grundlage steht. Deshalb ist es gut, dass wir hier weiter in dieser Größenordnung investieren. ({10}) Mir ist wichtig, dass wir diejenigen unterstützen und stärken, die nicht nur meckern, dass jemand anderes etwas tun sollte, sondern auch aktiv etwas dafür tun, die Dinge zum Besseren zu verändern. Wir haben ein Programm, das Chancenpatenschaften übernimmt und Menschen stärkt, die Hilfe brauchen. „Menschen stärken Menschen“ heißt dieses Programm. Wir sichern auch dafür eine Perspektive, genauso wie für die vielen Freiwilligen, die in den Freiwilligendiensten jedes Jahr Zeit und Kraft aufbringen, um sich für die Gemeinschaft zu engagieren. Wir stärken die wichtige Arbeit der Wohlfahrtsverbände mit 39 Millionen Euro pro Jahr, und das mit einer Perspektive für die kommenden zwei Jahre, damit die Wohlfahrtsverbände, auch bei ihrer wichtigen Arbeit für die Digitalisierung, Planungssicherheit haben. Meine Damen und Herren, wir haben über 540 Mehrgenerationenhäuser in Deutschland – auch die kennen Sie alle aus Ihren Wahlkreisen –, die die verschiedensten Menschen – Jung und Alt, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen ohne Migrationshintergrund – zusammenbringen und für Gemeinschaft sorgen. Auch diese Mehrgenerationenhäuser, die Leuchttürme für ein gutes gesellschaftliches Miteinander sind, werden wir stärken und die Mittel dafür mit unserem neuen Programm mit einer Perspektive von einem Förderzeitraum von acht Jahren verstetigen. Das ist ein wichtiges Signal für Deutschland. ({11}) All diese Projekte bewirken, dass Menschen zusammenkommen, dass sie ihren Platz in der Gesellschaft finden, dass sie gesehen und angenommen werden und dass wir jeder Form von Extremismus entgegentreten, um den sozialen Frieden in unserem Land zu erhalten. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch künftig genau dort die Schwerpunkte setzen. Unser Haushalt sorgt dafür, dass wir ein stabiles Land schaffen, in dem Jung und Alt gut versorgt sind, in dem Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer gelingt, in dem Engagement gefördert wird und in dem Bund, Länder und die Zivilgesellschaft gemeinsam Probleme lösen. Das ist der Weg; den wollen wir zusammen gehen. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Volker Münz für die AfD-Fraktion. ({0})

Volker Münz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004835, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 9,7 Milliarden Euro sollen für Familienpolitik ausgegeben werden, das heißt für Elterngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag. ({0}) Wenn man den steuerlichen Familienleistungsausgleich mit circa 40 Milliarden Euro, in dem der größere Teil des Kindergeldes berücksichtigt ist, noch hinzunimmt, hört sich der Gesamtbetrag der Familienförderung des Bundes mit rund 50 Milliarden Euro erst mal hoch an. Aber die Regierung wird ihrem Anspruch nicht gerecht, bestmögliche Rahmenbedingungen für Familien zu schaffen, meine Damen und Herren. Denn leider muss man feststellen, dass sich die Lage der Familien in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich verschlechtert hat; die Coronamaßnahmen tun ihr Übriges. Deutschland ist mittlerweile Weltmeister bei der Belastung durch Steuern und Abgaben. Die Erhöhung des Kindergeldes um sage und schreibe 15 Euro im Monat und der Wegfall des Solidaritätszuschlages für 90 Prozent der Bürger ab 2021 werden keine wesentliche Entlastung für Familien bringen. Denn die nächste Belastung steht ja schon bevor: Die Energiekosten werden sich durch die CO2-Abgabe erhöhen, nachdem wir bereits jetzt die höchsten Stromkosten in Europa haben, meine Damen und Herren. ({1}) Beim mittleren Vermögen der Privathaushalte liegen wir in der EU auf den hinteren Rängen. Das Renteneintrittsalter ist am höchsten und das prozentuale Niveau im unteren Bereich. Wohneigentum und Mieten haben sich durch die politischen Maßnahmen deutlich verteuert, verursacht durch ständig verschärfte Bauauflagen und den erhöhten Wohnungsbedarf durch eine zugelassene Masseneinwanderung, meine Damen und Herren. ({2}) Vater und Mutter müssen vielfach arbeiten, auch wenn das Kind noch kein Jahr alt ist, um sich überhaupt eine Familie leisten zu können. Der Erwerb von Wohneigentum bleibt für viele unerschwinglich. Den Bedarf an Fremdbetreuung hat der Staat durch seine Abgabenlast zu einem großen Teil selbst verursacht. Wichtiger, als den Familien im Nachhinein staatliche Mittel zukommen zu lassen, ist es, ihnen erst gar nicht vorher so viele Steuern und Abgaben wegzunehmen, meine Damen und Herren. ({3}) Ein anderes Thema. Die Mittel für Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie sollen um 30 Prozent, auf 151 Millionen Euro, erhöht werden, ({4}) und Frau Ministerin hat ja auch noch gesagt, dass eine Erhöhung auf bis zu 200 Millionen Euro vorgesehen ist. Mal abgesehen von der Frage, was dieser Posten im Haushalt des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu suchen hat, ({5}) geht es fast nur um die Bekämpfung des Rechtsextremismus, wie der Untertitel des Programms „Demokratie leben!“ besagt: „Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“. ({6}) Wo bleiben hier der islamistische Extremismus und der Linksextremismus, meine Damen und Herren? ({7}) Diese sind nicht weniger bedrohlich. Erst vor wenigen Wochen gab es einen islamistisch motivierten Anschlag auf der Berliner Stadtautobahn. ({8}) – Nach den Förderkriterien gehört ja nicht mal dazu, dass die Extremismusklausel unterschrieben wird. ({9}) Das ist ein Skandal. ({10}) Linksextremisten wüten regelmäßig in Leipzig, Berlin, Hamburg und in anderen Städten. Linksextremisten sind zum Beispiel die Antifagruppen. Sie bedrohen mit Gewalt Politiker. ({11}) Sie verletzen Polizisten. Sie bedrohen Gastwirte. Sie verursachen Sachschäden in enormer Höhe. Es gibt Hinweise, dass extremistische Gruppen Mittel aus dem Programm „Demokratie leben!“ erhalten. Die Grünenabgeordnete Renate Künast beklagte unlängst in diesem Haus, dass die Antifa nicht ausreichend vom Staat finanziert werde. ({12}) Sie sei es leid, dass Arbeitsverträge nur für ein Jahr abgeschlossen werden können. Die SPD-Vorsitzende Esken bekennt sich zur Antifa. ({13}) Die vom Verfassungsschutz beobachtete Antifa Köln wird von den Hochschulgruppen von Grünen, Jusos und Linken mit Semesterbeiträgen unterstützt. ({14}) Die Grünen, die Partei Die Linke und Teile der SPD ({15}) bilden den parlamentarischen Arm der Antifa, meine Damen und Herren. ({16}) Auf die weiteren Beratungen zum Haushalt bin ich gespannt, meine Damen und Herren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({17})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Liebe Kollegin Nadine Schön, Sie können sich schon mental auf Ihre Rede vorbereiten. Wir müssen hier noch Reinigungsarbeiten vornehmen, und dann geht es los. ({0}) Das Wort hat die Kollegin Nadine Schön von der CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Familien unterstützen, Kinder schützen und das Engagement für unsere Gesellschaft fördern – das sind die drei großen Ziele, die über der Familienpolitik dieser Legislaturperiode stehen und im nächsten Jahr, im letzten Jahr dieser Legislaturperiode, ganz besonders im Haushalt zum Tragen kommen. ({0}) Ich will zu jedem der Punkte ein paar Worte sagen. Ich glaube, damit klärt sich dann auch vieles von dem, was von meinem Vorredner so behauptet worden ist. Familien unterstützen wir konsequent und nachhaltig mit ganz vielen Maßnahmen. Frau Ministerin, ich habe mich ein bisschen gewundert, dass Sie die Kindergelderhöhung nicht erwähnt haben; denn die Erhöhung um 25 Euro pro Monat und Kind ist die größte Kindergelderhöhung seit Jahrzehnten. ({1}) Wir haben das versprochen, wir setzen es in dieser Legislaturperiode in zwei Schritten um. Ab dem 1. Januar nächsten Jahres erfolgt der zweite Schritt mit einer Erhöhung um 15 Euro pro Kind und Monat. Damit halten wir das, was wir versprochen haben. 25 Euro pro Kind und Monat – das ist eine deutliche Erhöhung des Kindergeldes. ({2}) Der Kern unseres Haushaltes – mehr als 50 Prozent des Haushaltes – ist seit Jahren das Elterngeld, also die Leistung, die Familien dabei unterstützt, gerade in den ersten Lebensjahren des Kindes Zeit für Familie zu haben. Die Elterngeldleistungen sind wahnsinnig beliebt. Wir machen sie im nächsten Jahr noch mal attraktiver. Gerade für Eltern, die Frühchen bekommen haben, stocken wir die Leistungen auf; da gibt es einen Monat länger Elterngeld. Wir sorgen auch dafür, dass die Elterngeldleistungen noch mal attraktiver werden, was die maximale Zahl der Arbeitsstunden während des Bezugs angeht. ({3}) Wir haben den Kinderzuschlag erhöht – auch das sieht man im Haushalt –, und damit entlasten wir vor allem Familien mit kleinem Einkommen.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Grigorios Aggelidis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004652, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke, Frau Kollegin Schön, dass Sie die Zwischenfrage erlauben. – Sie haben eben die neue Regelung für die Frühchen, für Frühgeburten, beim Elterngeld gefeiert. Da möchte ich Sie fragen: Halten Sie wirklich eine Regelung für angemessen, die für Kinder, die mehr als sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin geboren wurden, vier zusätzliche Wochen Elterngeldbezug vorsieht? Wenn die Kinder, die Frühchen, drei Monate früher kommen, bleibt es bei diesen vier Wochen. Wenn ein Kind fünf Wochen und fünf Tage früher geboren wird, bekommen die Eltern nichts. ({0}) Halten Sie wirklich diese Regelung für angemessener als die Regelung, die wir vorgeschlagen haben? Wir sagen: Nehmt doch den errechneten Geburtstermin, haut da grundsätzlich zwölf Monate drauf, und damit ist allen Familien geholfen. Danke. ({1})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Kollege, das Elterngeldgesetz kommt ja erst ins Parlament. Da können wir über alle diese Vorschläge noch mal in Ruhe reden. Das ist der richtige Platz für die Beratungen zum Elterngeld, nicht die Haushaltsberatungen. Dann setzen wir uns gerne mit Ihren Vorschlägen auseinander. ({0}) Wir haben mit dem Konjunkturpaket – um noch mal auf die familienpolitischen Maßnahmen zurückzukommen – dafür gesorgt, dass wir 1 Milliarde Euro zusätzlich für den Kitaausbau in den nächsten zwei Jahren haben werden. Im nächsten Jahr werden natürlich auch die 2 Milliarden für das Gute-KiTa-Gesetz zur Verfügung stehen. Und hier sage ich ganz deutlich: Die Coronakrise hat gezeigt, dass wir gerade in den Kindertageseinrichtungen kleinere Gruppen brauchen, mehr Personal brauchen. Deshalb sage ich für meine Fraktion ganz klar: Wenn wir die Mittel des Gute-KiTa-Gesetzes über 2022 hinaus verlängern wollen, dann erwarten wir ein klares Commitment von den Ländern, dass dieses Geld in die Qualitätsverbesserung fließt – für mehr Personal, für kleinere Gruppen. Das ist das, was die Eltern brauchen. Und dann sind wir bereit, über eine Verlängerung zu reden. ({1}) Der zweite Punkt – Kinder schützen – ist einer der Schwerpunkte unserer Fraktion in dieser Legislaturperiode. Wir haben zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht, bei denen es gerade darum geht, Kinder und Jugendliche, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, zu schützen. Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen ja noch mal, wie wichtig das ist. Gerade heute ist noch mal ein großer Ermittlungserfolg gelungen. Ich danke an der Stelle all denjenigen, die sich in der Prävention, in der Hilfe für die Betroffenen und auch in der Ermittlung dieser schrecklichen Taten engagieren. Alle haben es mit furchtbaren Schicksalen zu tun, mit schrecklichen Bildern, die sie sehen. Und denjenigen, die das erleiden müssen, Hilfe und Unterstützung zu geben oder dafür zu sorgen, dass es gar nicht so weit kommt, ist eine sehr, sehr wichtige Aufgabe. Deswegen verdienen sie unseren Respekt und vor allem auch unsere Unterstützung. ({2}) Deshalb sorgen wir dafür, dass es Fachberatungsstellen auch im ländlichen Raum gibt. Wir sorgen dafür, dass die Traumaambulanzen ordentlich arbeiten können. Mit einem Modellprojekt gehen wir das Themenfeld „Kindgerechte Justiz“ an. Auch das ist in diesem Zusammenhang ein ganz wichtiges Thema. Und wir haben das große Thema „Peer2Peer“ auf die Tagesordnung gebracht. Denn sexueller Missbrauch, das sind nicht nur die großen Fälle von Lügde etc.; sexueller Missbrauch fängt im Kleinen an, in den Gruppen. Strategien zu entwickeln, wie man damit umgeht, wie man das Stoppschild zeigt, wenn es im Freundeskreis dazu kommt, ist ein wichtiges Thema, das längst noch nicht genug bearbeitet wird. Und wir als Fraktion haben da ein Modellprojekt auf den Weg gebracht und werden hier auch genau hinschauen, dass das in Zukunft noch besser bearbeitet wird. Ich will einen dritten Punkt erwähnen, nämlich „Die Demokratie stärken“, an dem sich mein Vorredner intensiv abgearbeitet hat. Wir sehen eine zunehmende Radikalisierung; wir sehen, dass Antidemokraten unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bedrohen. Wir selbst – auch unsere Kinder und Jugendlichen – erleben tagtäglich Hass und Hetze im Netz. Was hilft dagegen? Es hilft dagegen, Kinder und Jugendliche stark zu machen, ihnen zu zeigen, was eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft bedeutet, ihnen Selbstbewusstsein beizubringen, ihnen ein stabiles Umfeld – sei es in der Familie, im Freundeskreis oder im Verein – sowie Rat und Hilfe zu bieten. All das wird auch durch Projekte von „Demokratie leben!“ geleistet. Das sind viele Projekte landauf, landab, in deren Rahmen eine sehr, sehr wichtige Arbeit geleistet, mit den Jugendlichen gearbeitet wird. Das sind tolle Projekte. Demokratiebildung findet aber nicht nur in Projekten von „Demokratie leben!“ statt, Demokratiebildung findet auch dann statt, wenn im Sport Fairness erlebt wird, wenn bei der Feuerwehr gesehen wird, was es heißt, füreinander einzustehen, wenn in Pfadfindergruppen Toleranz gelebt wird. Auch das sind Orte, an denen Demokratiebildung und Demokratieerleben stattfindet. Deshalb sage ich: Demokratiebildung findet nicht nur in „Demokratie leben!“-Projekten statt. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Strukturen, die tagtäglich mit Jugendlichen arbeiten, gestärkt werden, unterstützt werden. Dass diese Strukturen noch mehr Unterstützung erfahren, können wir auch mit zusätzlichen Haushaltsmitteln sicherstellen. Deshalb sollten wir uns wirklich genau anschauen, ob wir diese Strukturen ausreichend unterstützen, ausreichend fördern. Unsere Zusage für diese Haushaltsberatungen ist, dass wir hier noch einmal ein Augenmerk darauf legen und schauen: Müssen wir wirklich die Mittel für „Demokratie leben!“-Projekte noch einmal so deutlich erhöhen, ({3}) oder wäre es nicht besser, wir würden die guten Strukturen in den Vereinen, in den Verbänden, in den Jugendorganisationen noch einmal deutlich stärken? Denn auch dort findet wichtige Demokratiebildung statt. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Frau Kollegin Schön. – Der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion der Kollege Christoph Meyer. ({0})

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Giffey, wir sind sicherlich nicht immer einer Meinung, aber Sie haben in Ihrer Rede gesagt, dass es in der Familienpolitik in der Tat noch eine ganze Reihe von Herausforderungen gibt, und da sind wir uns einig. Die Schwerpunkte aus den letzten Jahren bleiben auch in dem Haushaltsjahr, das vor uns liegt, unserer Auffassung nach erhalten: Digitalisierung, Qualitätsverbesserung, Effizienzsteigerung und, was in diesem Jahr und im nächsten Jahr dazukommt, die Auswirkungen der Pandemie auf Familien. Ich möchte mit einem Lob beginnen – Sie haben es ebenfalls erwähnt –: Zwei Programme aus Ihrem Haus unterstützen wir: die Bundesprogramme „Sprach-Kitas“ und „Kita-Einstieg“. Der Fokus auf die individuellen Ausgangslagen der Kinder und Familien sowie der Einstieg in die frühkindliche Bildung funktionieren. Die Programme sind erfolgreich, sie sind zielgerichtet. Deswegen ist es gut, dass diese Mittel hier verlängert wurden. ({0}) Wir sehen aber auch überall in Ihrem Haus – auch das haben wir bei den letzten Haushaltsberatungen immer wieder angesprochen – Politik mit der Gießkanne. Das Programm „Demokratie leben!“ ist hier schon erwähnt worden. Direkte Bundesförderung, Landeszentren, Kompetenznetzwerke, kommunale Partnerschaften für Demokratie, Modellprojekte: Das Ziel, das Sie damit verfolgen, ist richtig – das hat Frau Schön eben sehr gut formuliert –, die Frage ist aber, wie gut diese Mittel eingesetzt werden und was uns nach wie vor fehlt. Wir wollen ja, dass das Ziel erreicht wird; wir haben gerade bei einem meiner Vorredner gesehen, wie wichtig es ist, dass Demokratie gelebt wird in dieser Gesellschaft. Das Geld muss effizient eingesetzt werden, die Mittel müssen ausreichend evaluiert werden. Wenn es offenbar so ist, dass sich vielleicht noch keine Erfolge einstellen, dann muss man zu anderen Methoden kommen. ({1}) Auch – das ist mir ein bisschen zu kurz gekommen in Ihrer Rede, Frau Giffey – müssen wir über den Ausbau von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Frauen, die Gewalt erlebt haben, sprechen. Gerade die Pandemie und der Lockdown im Frühjahr haben dieses Thema wieder sehr deutlich in die Öffentlichkeit gebracht. Es geht nicht nur um sexuelle Gewalt gegen Kinder, sondern es geht auch darum, was ansonsten hinter geschlossenen Türen passiert. Wir sehen einen deutlich höheren Bedarf an Unterstützungs- und Betreuungsangeboten in Frauenhäusern, und wir werden das mit entsprechenden Anträgen in den Haushaltsberatungen auch unterlegen. ({2}) Das Thema Digitalisierung ist in diesem Jahr – das liegt wohl auch an Corona, an der Pandemiebekämpfung – in allen Etats glücklicherweise stärker in den Fokus geraten. Wir haben Ihnen bereits im Jahr 2019 einen Antrag vorgelegt, mit dem Sie die digitale Antragstellung von Familienleistungen, beginnend mit dem Elterngeld, hätten umsetzen können, sodass alle Familienleistungen, alle gesetzlichen Leistungen, die ja der Kernbereich Ihres Etats sind, digital und einfach beantragt werden könnten. Es wäre schön, wenn Sie sich hier einen Ruck gäben und zu einer wirklich durchgreifenden Digitalisierung gerade der gesetzlichen Leistungen in Ihrem Bereich bereit wären. ({3}) Wir haben, Frau Giffey, noch andere Themen: Das Sondervermögen Ganztagsbetreuung wurde angesprochen. Insgesamt ausfinanziert ist es nicht. Die Professionalisierung des Erzieherberufs ist immer noch nicht so weit, wie wir uns das vorstellen. Das Thema „Rückgriffsquoten Unterhaltsvorschuss“ ist eine Art Evergreen in Ihrem Etat; auch da kommen wir nicht weiter. Deswegen haben wir, glaube ich, in den Haushaltsberatungen noch eine ganze Menge zu tun. Als Ministerin zieht es Sie aber in die Berliner Landespolitik, Frau Giffey. Deswegen ist das Ihr letzter Haushalt, den Sie quasi bis zum Ende verantworten. ({4}) Ich kann Ihnen – das wissen Sie auch – aus Erfahrung nur sagen: Berlin ist immer noch arm, aber nicht mehr ganz so sexy wie vielleicht vor zehn, fünfzehn Jahren. Die Zeit, wo Sie durchs Land reisen und Geld ausgeben können, Fördermittel verteilen können für Hochglanzprojekte, wird in Berlin vorbei sein. Fast so sehr wie auf die Haushaltsberatungen freue ich mich darauf, dann von Ihnen zu hören, Frau Giffey, wie Sie denn zum Mietendeckel stehen, wie Sie zur Zukunft des Individualverkehrs stehen, wie Sie zu Enteignungen stehen, wie viel Bürgerlichkeit Sie gegenüber den Linken und den Grünen und auch den Linken in der SPD in der Stadt bewahren können. Es wird Zeit, Farbe zu bekennen, und das wird mindestens ebenso interessant wie der Einzelplan 17 auf dieser Ebene. Ich danke Ihnen. ({5})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege Michael Leutert. ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Programm „Demokratie leben!“ ist hier von allen angesprochen worden. Auch von uns wird natürlich zu hundert Prozent begrüßt, dass der Titel, in dem die Programme gegen Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus, gegen Rassismus enthalten sind, auf 150 Millionen Euro aufgestockt wird und dass auch geplant ist, den Titel in den nächsten Jahren auf ungefähr 200 Millionen Euro anwachsen zu lassen. Nur ein kleiner Tipp am Rande: Wir haben das in den letzten Haushaltsberatungen, im letzten Herbst, genauso beantragt. Hätte man dem damals schon zugestimmt, hätten wir nicht ein wertvolles Jahr vergeudet und die Initiativen jetzt schon unterstützt. ({0}) Man muss auch dazusagen – so viel Wasser muss man in den Wein gießen –: Es gibt zwei Beschränkungen. Erstens. Sie haben sich das teuer erkauft; denn die globale Minderausgabe ist ungefähr doppelt so hoch, 64 Millionen Euro. Das heißt, Sie müssen im Haushaltsvollzug des Jahres an anderer Stelle 64 Millionen Euro einsparen für die Mittel, die Sie jetzt bekommen haben. Ich bin sehr gespannt darauf, die Vorschläge zu hören, wo Sie einsparen wollen. Die zweite Sache – auch das gehört zur Wahrheit –: Die mittelfristige Finanzplanung sieht vor, dass der Etat Ihres Hauses in den nächsten Jahren um 1 Milliarde Euro abgeschmolzen wird. Das heißt, die 200 Millionen Euro, die Sie jetzt hier für die nächsten Jahre verkünden, sind überhaupt nicht gedeckt. Damit handeln Sie sich den Vorwurf ein, dass es ein reiner Wahlkampfetat ist. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, als zweiten Punkt möchte ich ein etwas kompliziertes Problem ansprechen, was sich nicht für Parteipolitik eignet. Es geht um einen Referentenentwurf, der derzeit die Runde macht, „Kinder- und Jugendstärkungsgesetz“. Darin ist auch das Ziel formuliert: Abwehr von Kindeswohlgefährdung. Kindeswohlgefährdungen gab es im letzten Jahr laut Statistischem Bundesamt über 55 000 in Deutschland. Da geht es um Vernachlässigung, es geht um seelische/körperliche Misshandlungen, es geht um sexuelle Gewalt. – So weit ist das alles verständlich. Seit circa einem Jahr häufen sich in meinem Büro aber Fälle, die doch etwas anders gelagert sind. Die Konstruktion ist da meistens ähnlich: Es geht darum, dass getrenntlebende Eltern sich bezüglich ihres Kindes oder ihrer Kinder nicht einigen können, zum Beispiel, wenn es um den Umgang geht, wenn die Frau einen neuen Partner hat und woanders hinziehen möchte oder bei der Frage, welche Kita oder Schule besucht werden soll. Es gibt Streit, und dann wird irgendwann gegenüber der Frau der Vorwurf der sogenannten Bindungsintoleranz konstruiert. Das ist eine ziemlich perfide Angelegenheit, weil die Beweislast umgekehrt wird; die Frau muss nämlich beweisen, dass sie nicht bindungsintolerant ist. Daraus entsteht dann irgendwann der Vorwurf der Kindeswohlgefährdung. Die Kindeswohlgefährdung besteht in dem Fall darin, dass das Kind den Vater nicht ausreichend oder überhaupt nicht sehen darf oder schlecht über ihn gesprochen wird usw. usf. Das wiederum ist dann die Grundlage dafür, dass das Gericht – Kindeswohlgefährdung ist ja eine wirklich sehr schlimme, schreckliche Sache – intervenieren kann, und im Ergebnis steht dann der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Mutter. Diese Entscheidungen werden zum Teil mit Polizeigewalt durchgesetzt. Ich bin mir nicht sicher, ob das dem Kindeswohl zuträglich ist. Mir ist auch unklar, ob das im Sinne des Gesetzgebers, also in unserem Sinne, ist. ({2}) Bei mir haben sich Ärztinnen, Unternehmerinnen, Kindergärtnerinnen, Polizistinnen gemeldet. Sie alle waren ziemlich verzweifelt: Sie gelten gerade in Coronazeiten als Heldinnen des Alltags, und dann sagt ein Gericht zu ihnen, dass sie nicht in der Lage seien, ihre Kinder zu erziehen, und das empfinden sie als sehr demütigend. Deshalb glaube ich, dass wir das ernst nehmen sollten und dass es für diese Betroffenen einer Anlaufstelle bedarf, und zwar einer Anlaufstelle, wo sie nicht nur darüber reden können, sondern wo ihnen auch geholfen werden kann. Dafür sollten wir im Haushalt Vorsorge treffen. ({3}) Ich glaube außerdem, dass wir derzeit viel zu wenig Informationen über diese Fälle haben. Wir wissen nicht: Wie viele Fälle gibt es wirklich? Wie viele Fälle gibt es vielleicht auch mit dieser Konstruktion gegenüber Vätern? Das kann ja auch sein. Wie viele Verfahren gibt es, in welchen Instanzen? Deshalb, glaube ich, sollten wir im Haushalt auch Vorsorge dafür treffen, dass wir das dokumentieren können, dass wir das untersuchen können, um in Zukunft hier Entscheidungen treffen zu können, die solche Fälle verhindern. Vielen Dank. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, eigentlich haben wir es von meinen Co-Berichterstattern aus dem Haushaltsausschuss schon gehört: Das, was Sie uns hier als Haushaltsvorlage geliefert haben, ist, ehrlich gesagt, Hausmannskost. Wir alle haben uns auf die Suche nach neuen Impulsen, nach neuen Ideen gemacht; aber die haben wir vergeblich gesucht. Irgendwie schleicht sich bei mir so der Eindruck ein, als ob Sie mit dem Kopf eigentlich schon viel mehr in Berlin wären als in dem Job, den Sie jetzt haben, nämlich als Ministerin. ({0}) Ich will Ihnen das auch anhand von Beispielen darstellen. Ich fange mit Ihrem großen Aufbruch bei den Freiwilligendiensten an. Es gab einmal solche Sätze wie: „Alle Jugendlichen, die einen Freiwilligendienst machen wollen, sollen einen Platz kriegen.“ Sie haben eine Partnerin in der Koalition, die CDU-Vorsitzende, die sogar von einem allgemeinen Pflichtdienst redet, und Sie wollen hier das Festhalten am Status quo als Aufbruch verkaufen – und das, obwohl wir wissen, dass es aktuell nicht genug Plätze für junge Leute gibt, die einen Freiwilligendienst antreten wollen, das, obwohl wir wissen, dass wir eine engagierte junge Generation haben, die auch in Coronazeiten gezeigt hat, dass sie sich einbringen will. Wenn Sie wirklich Aufbruch und Innovation ernst meinen, dann schaffen Sie hier mehr Plätze und bessere Bedingungen, und verkaufen Sie uns nicht alten Wein in neuen Schläuchen. ({1}) Oder das Kitasystem: Ja, Sie haben das Gute-KiTa-Gesetz, es ist ein Teil des gesamten Sammelsuriums, das der Bund in dem Bereich anbietet. Davon geht das meiste Geld übrigens in Beitragssenkungen – wenn ich alle faktischen neuen Beitragssenkungen zusammenrechne – und nicht unbedingt in Investitionen in Qualität oder in die Leistung der Erzieherinnen. Und jetzt versprechen Sie den Ländern eine Verlängerung über 2021 hinaus. Nur: Alleine in Ihrem Etat, auch in der Finanzplanung, gibt es keinen einzigen Beleg dafür, dass Sie das dann auch tun. Dann haben Sie noch ein Sondervermögen. Sie haben diverse kleinere und mittlere Programme. Wenn Sie es aber zukunftstauglich machen wollen, braucht dieses Land ein gradliniges, effektives Konzept, nämlich eine klare Festschreibung der Qualitätsstandards im SGB VIII und der klar definierten Bundesbeteiligung, worauf sich auch alle verlassen können. Auf Ihre Programme kann sich nämlich leider niemand verlassen. ({2}) Sie reden davon, dass Sie bei der Schulkinderbetreuung so viel machen wollen. Sie haben uns am Anfang, vor zweieinhalb Jahren, den großen Durchbruch versprochen. Jetzt kommen Investivmittel; nur weiß keiner, wie man die Mittel in Anspruch nehmen kann, weil Sie gar kein Konzept dahinter haben. Sie haben keinen Masterplan für den Betrieb des neuen Angebots. Die Betreffenden wissen ja noch nicht einmal, wie sie das Geld beantragen sollen. Wie soll denn da bitte jemals ein Aufbruch gelingen? ({3}) Corona ist natürlich an den Familien nicht vorbeigegangen. Ich finde es, ehrlich gesagt, gut, dass wir so etwas wie den Familienbonus/Kinderbonus hatten. Er ist eine Anerkennung und Wertschätzung von Familien. Ja, das ist richtig, und dass er nicht beim Kinderregelsatz angerechnet wurde, ja, auch das war gut und richtig. Aber ich glaube, das reicht nicht. Die Familien, die in ALG II leben, sind im Moment mehrfach belastet. Und gerade deshalb bräuchten wir einen dauernden Zuschlag, nämlich für die gesamte Phase der Pandemie, und nicht nur einen einfachen Zuschlag. Frau Schön, Sie haben gerade gesagt, dass die Kindergelderhöhung kommt. Sie kommt erstens deshalb, weil wir einen Existenzminimumbericht haben, wonach eine Anpassung stattfinden muss; die Anpassung findet nämlich auch im Steuerrecht statt – das müssen Sie dazu sagen –, ({4}) und da ist sie weit höher. ({5}) Das Zweite ist: Wenn Sie wirklich das Hauptproblem dieses Landes, nämlich Kinderarmut, angehen wollen – Armut in Deutschland ist jung, und sie ist weiblich –, wenn Sie Kinderarmut verhindern wollen, dann müssen Sie über den Tellerrand hinausdenken. Dann brauchen wir eine Kindergrundsicherung, die diesen Namen verdient, die armutsfest ist ({6}) und Familien aus der Armutsfalle rausholt, dann reichen ihnen die insgesamt 25 Euro nicht, ehrlich gesagt, dann müssen wir auch an Kinder in ALG II und insbesondere an Alleinerziehende denken, die eine Erhöhung am meisten brauchen. ({7}) Frau Ministerin, das, was Sie bei „Demokratie leben!“ machen, unterstützen meine Fraktion und ich, das ist richtig und wichtig. An dieser Stelle wende ich mich noch einmal an die Union: Ich finde es von Ihnen geradezu ignorant, dass Sie immer noch ein Demokratiefördergesetz in diesem Parlament verhindern; denn Demokratieförderung braucht nicht nur die Strafverfolgungsbehörden, sondern sie braucht auch die engagierte Zivilgesellschaft. ({8}) Sie braucht die Unterstützung aus diesem Parlament, und sie braucht dafür auch Grundlagen in einem Gesetz. Mein letzter Punkt ist der Durchbruch bei der Frauenhausfinanzierung. Frau Ministerin, Sie kennen die Zahlen. Sie wissen, wie wichtig es ist, dass wir, wenn wir es ernst meinen, Frauen zu schützen, auch die Frauenhäuser finanzieren müssen. ({9}) Das, was Sie machen, sind Progrämmchen und ein bisschen Investivmittel. Das, was Sie nicht machen, ist eine verlässliche Finanzstruktur, und genau das wäre Ihr Auftrag. Wenn Sie diese Aufgaben wahrnehmen, dann wären Sie auch eine Ministerin für das Land und nicht nur die Berliner Kandidatin. Eine Ministerin ist aber das, was dieses Land jetzt braucht. ({10})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die Fraktion der SPD hat das Wort die Kollegin Svenja Stadler. ({0})

Svenja Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004412, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Ausbau von Ganztagsangeboten für Grundschulkinder, Zuschüsse für die gemeinnützige Trägerlandschaft, Kinderbonus, Notfall-KiZ, Unterstützung für Alleinerziehende, Sonderregelungen beim Elterngeld – all das haben wir bereits im Konjunkturpaket und ‑programm sowie im zweiten Nachtragshaushalt beschlossen. 853 Millionen Euro zusätzlich im Etat des Familienministeriums – für den Erhalt der sozialen Infrastruktur, für Familien, Kinder und Jugendliche und für soziale Zwecke – zeigen: Wir nehmen Geld in die Hand, Geld, das wir in den schwierigen Zeiten für diejenigen bereitstellen, die einen Großteil der Belastungen aushalten mussten und müssen, ganz nach dem Motto: Nicht zu handeln ist teurer, als zu handeln. ({0}) Und ja – das merke ich selbstkritisch an –, zu Beginn der Pandemie hatten wir Familien und Kinder nicht im Blick. Und ja, an der einen oder anderen Stelle haben wir zu spät reagiert. Aber wissen Sie was, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir haben reagiert, entschlossen, mutig und zielsicher, allen voran Olaf Scholz, unser Finanzminister. ({1}) – Stimmt, das ist auch noch unser SPD-Kanzlerkandidat. Gut, dass Sie das schon mal wissen. ({2}) Und machen wir uns nichts vor: Es sind im Moment die Schwächsten in der Gesellschaft, die unter den Auswirkungen der Pandemie leiden. Viele Folgen, die unsere Kinder und Jugendlichen in der Zukunft haben werden, können wir jetzt noch gar nicht absehen. Und genau aus diesem Grund finde ich es richtig und wichtig, dass die Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden, meine Damen und Herren. ({3}) Schauen wir uns den Haushalt des Familienministeriums genauer an. Der Einzelplan 17 ist rund 12,2 Milliarden Euro schwer. Das ist eine große, richtig gute Summe. 35 Millionen Euro mehr – insgesamt 150,5 Millionen Euro – gibt es für das Programm „Demokratie leben!“. Damit unterstützen wir Menschen, die sich in Projekten und Initiativen jeden Tag für Toleranz, Zusammenhalt, sozialen Frieden und Respekt einsetzen. Darüber hinaus finanzieren wir, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, auf dem Niveau von diesem Jahr mit 18 Millionen Euro viele Patenschaften im Programm „Menschen stärken Menschen“. Das sind zwei Programme, die Engagement für unsere Demokratie unterstützen, mehr Teilhabe ermöglichen und einen wesentlichen Beitrag für ein solidarisches Miteinander in Deutschland leisten. Die Freiwilligendienste und der Bundesfreiwilligendienst werden auf dem Niveau dieses Jahres fortgeführt. Ich finde, das ist in diesen schwierigen Zeiten ein wichtiges Zeichen für die vielen freiwillig Engagierten. ({4}) Als Sprecherin für bürgerschaftliches Engagement meiner SPD-Bundestagsfraktion muss ich sagen, dass ich mir im Haushaltsentwurf den Bereich Engagement besonders gerne und mit viel Freude angeschaut habe. Bereits im Regierungsentwurf sind für diesen Bereich Finanzmittel vorgesehen, an vielen Stellen auf dem Niveau von 2020, und bei „Demokratie leben!“ sogar mehr. Sie wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das war nicht immer so. Die Ministerin hat die wesentlichen Schwerpunkte des Haushaltes bereits vorgestellt. Es ist klar erkennbar: Die Große Koalition und allen voran das SPD geführte Familienministerium arbeiten engagiert und zielgerichtet an der Unterstützung von Familien, an der gesellschaftlichen Teilhabe für Kinder, an der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie an den guten Strukturen für bürgerschaftliches Engagement, vor allen Dingen da, wo wir die Demokratie stärken müssen. Die vergangenen Monate haben gezeigt: Demokratie ist nicht selbstverständlich. Demokratie muss tagtäglich gelernt werden. Demokratie muss jeden Tag neu erkämpft und beschützt werden. Es gibt einige, die lernen es nie. ({5}) – Gut, dass Sie es erkannt haben. Ein Dauerbrenner bleibt in der Debatte zu diesem Etat das Thema Gleichstellung. Es bleibt ein Thema, es ist ein Thema – leider. Aber wir haben schon einige Schritte vollzogen. Die Bundesregierung hat Anfang Juli die Gleichstellungsstrategie im Kabinett verabschiedet. Alle Ministerien haben daran gearbeitet und mitgewirkt. Jetzt liegt es an den Ministerinnen und Ministern, dies in ihren Politikfeldern umzusetzen. Ich schaue einmal zur Regierungsbank: Ja, Sie sind voll motiviert, das auch zu tun. Wenn Sie noch Hilfe brauchen: Wir unterstützen; ich glaube aber, Sie bekommen das alleine sehr gut hin. ({6}) Das Gleichstellungsinstitut bzw. die Gleichstellungsstiftung – dies haben wir im Koalitionsantrag verankert – ist auch auf der Zielgeraden. Ich finde es wichtig, dass wir diese Stiftung noch in diesem Jahr gründen; denn wir haben dafür Geld bereitgestellt. Einige von Ihnen sind vielleicht schon im Wahlkampf, das weiß ich nicht. Sie wissen: Es ist wichtig, dass wir in der Öffentlichkeit darüber sprechen. Gleichstellung für diese Gesellschaft ist so wichtig. Wenn wir darüber sprechen, dass Frauen unbedingt gefördert werden müssen, dann muss es auch sein, dass wir eine Gleichstellungsstiftung gründen; denn sonst sind wir nicht glaubwürdig. Daher bin ich sehr optimistisch, dass wir das Geld in diesem Jahr noch ausgeben. ({7}) Über einige andere Dinge, wenn ich das Gemurmel hier höre, müssen wir noch sprechen. Das wissen Sie genauso wie ich. Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen. Packen wir es an! Vielen Dank. ({8})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin: für die AfD Fraktion die Kollegin Mariana Harder-Kühnel. ({0})

Mariana Iris Harder-Kühnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004736, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Jahr für Jahr hat man die naive Hoffnung, dass der nächste Haushaltsplan besser wird als der vorherige. ({0}) Und Jahr für Jahr wird man enttäuscht. Das liegt Jahr für Jahr daran, dass Sie die falschen Prioritäten setzen. Eigentlich sollte es – das legt der Name des Ministeriums nahe – um Familien, Senioren, Frauen und Jugend und um deren Zukunft gehen – eigentlich. Und eigentlich ist es Ihre primäre Aufgabe, Politik für die Zukunft unseres Landes und seiner Bürger zu machen. Eigentlich sollte mit den Steuergeldern jungen Paaren mehr Mut zu Kindern gemacht werden. Und eigentlich sollte damit die wachsende Kinder- und Altersarmut gestoppt werden – eigentlich. ({1}) Aber statt die Bürger zu entlasten, indem man zum Beispiel endlich das Familiensplitting einführt und Belastungen wie den Rundfunkbeitrag abschafft, gehen 150 Millionen Euro für Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie drauf, 85 Millionen Euro mehr als zuvor, und das in Zeiten von Corona. Dieses Geld wird dann für Programme wie „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ ausgegeben. Mehr Mittel für den Kampf gegen Linksextremismus oder Islamismus – Fehlanzeige! Denn man gibt das Geld viel lieber für linke Propagandaprojekte wie die Amadeu-Antonio-Stiftung aus. Deren Chefin Kahane sagt – ich zitiere –: Die größte Bankrotterklärung der deutschen Politik nach der Wende sei gewesen, dass sie zugelassen habe, dass ein Drittel des Staatsgebietes weiß blieb. – Also, dieser Ethnomasochismus ist an sich schon erbärmlich, ihn aber noch mit vielen Millionen zu fördern und damit aktiv Politik gegen das eigene Volk zu machen, das ist schlichtweg ein Skandal. ({2})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Mariana Iris Harder-Kühnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004736, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Nein. – Und dann versehen Sie diese Politik auch noch ständig mit hübschen Attributen wie „Vielfalt“ und „Toleranz“. Thomas Mann sagte einmal: „Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt.“ Und die Folgen Ihrer falschen Toleranz erleben wir täglich: Parallelgesellschaften, Clankriminalität und Gewalt. Oder mit Ihren Worten: eine blühende Party- und Eventszene. ({0}) Denn Ihre Vielfalt ist nichts anderes als linke Einfalt, und Ihre Toleranz gilt eben nur den Gleichgesinnten. Das wiederhole ich immer wieder gerne. Für das Normale, für das Natürliche fehlt Ihnen die Wertschätzung. Sie geben das Geld Ihrer Bürger lieber für das Unnatürliche wie Frühsexualisierung und Genderblödsinn aus. ({1}) Ihr Haushaltsplan setzt sich sogar ausdrücklich zum Ziel, tradierte Rollenbilder zu überwinden. Also wir wollen nicht, dass Frauen und Männer zu Mischwesen umerzogen und Kinder frühsexualisiert werden. ({2}) Wir wollen nicht, dass unsere Sprache gegendert wird. Jeder Cent, der für diesen Blödsinn ausgegeben wird, ist ein Cent zu viel. ({3}) Aber Sie? Sie werfen das Geld raus, obwohl wir bereits Spitzenreiter sind, Spitzenreiter, wenn es um die Steuer- und Abgabenlast der OECD geht. Es ist diese Steuerlast, die jungen Paaren den Mut zur Familie nimmt. Es ist diese Steuerlast, die die demografische Katastrophe verschärft. Es ist diese Steuerlast, durch die die Kinder- und Altersarmut wächst. Wir von der AfD fordern: Familien entlasten, Abgaben senken, Senioren wertschätzen, Kinder willkommen heißen. Das wäre einmal Politik für das eigene Volk. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Marcus Weinberg. ({0})

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das mit der Toleranz ist immer so eine Geschichte. Sie haben Thomas Mann zitiert. Nun gibt es in diesem Haus keine Dummköpfe. Wenn es welche gäbe, würde ich Voltaire zitieren, der einmal gesagt hat: „Dummköpfe zu ertragen, ist sicherlich der Gipfel der Toleranz.“ ({0}) Aber, wie gesagt, in diesem Hause gibt es sie nicht. Deswegen kann ich es mir auch ersparen. Es ist das Schöne bei Haushaltsdebatten, dass man dann erfährt, was den Menschen eigentlich wichtig ist. Ist es ein ideologischer Überbau, der, weg von der Frage von Lebensmodellen, das oktroyiert, was man sich selbst am liebsten vorstellt? Ist es die Verteilungsfrage? Ist es die Frage, dass einige mittlerweile gar nicht mehr wissen, was eigentlich im föderativen System die Verantwortung des Bundes und der Länder ist, liebe Kollegen? Richtig ist – das wurde festgestellt –: Wir haben die höchste Steigerung im Haushalt der letzten Jahre. Frau Ministerin, das erlebe ich seit 15 Jahren. Und seit 15 Jahren stellt sich die Frage: Wo ist denn die Konstante? Die Konstante ist die Union, die seit mittlerweile 15 Jahren regiert, und Familien endlich wieder das zugutekommen lässt, was Familien verdient haben. ({1}) Denn – da sind wir bei den Menschen – für 77 Prozent ist Familie das Wichtigste im Leben, bei den Eltern sind es sogar 91 Prozent. Das ist auch das, was man bei Haushaltsberatungen zusammenbringen muss. Es geht nicht nur darum, Geld zu verteilen, sondern es geht auch darum, dass dahinter eine Geschichte für die Menschen in diesem Land und für die Familien in diesem Land stehen muss. Dahinter muss auch ein Ansatz stehen, dass man sagt: Was will man denn erreichen? Wir haben uns vor vielen Jahren darauf verständigt, dass wir die Familien stärken, das heißt finanziell absichern, die Infrastruktur für Familien bereitstellen und Zeit für Familien generieren wollen; denn wir bekommen von vielen Familien und Eltern immer wieder reflektiert: Gebt uns bei aller Bedeutung von Geld und Infrastruktur auch mehr Zeit, gerade dann, wenn wir diese Zeit mit den jungen Menschen verbringen wollen. ({2}) Hier leitet uns auch noch ein anderer Grundsatz, der besagt: Wenn wir als Staat unterstützen – wir schützen die Familien ja vor der Übergriffigkeit des Staates –, dann möglichst früh, möglichst bedarfsorientiert und auch möglichst zielgenau. Angesprochen wurde, wie eigentlich die Situation von Familien ist. Von der AfD wird ja die Geschichte erzählt, dass die Familien wirklich so belastet wären. Frau Schön hat richtigerweise auf das Thema Kindergelderhöhung hingewiesen. Was heißt das denn konkret, wenn Sie eine Familie mit zwei Kindern haben? Ich weiß, wovon ich rede; andere wissen das auch. Das sind dann im Jahr 600 Euro mehr für die Familien. ({3}) – Da kann man gerne das Vierfache fordern, wenn Sie es denn finanziert bekommen. – Das ist ein Erfolg dieser Koalition. Wir haben gesagt: Mit der Kindergelderhöhung schaffen wir wirklich etwas Nachhaltiges für Familien. 600 Euro mehr im Jahr sind wirklich eine gerechtfertigte und gute Leistung, die wir hier über das Familienentlastungsgesetz hinbekommen haben. ({4}) Es gibt daneben andere, die durch diese Republik laufen und immer wieder von Kinderarmut sprechen. Ja, wir wissen – das ist auch etwas, was wir in der Koalition angenommen haben –, dass es in diesem Land Kinderarmut gibt – unbestritten. Aber die Geschichte, dass Millionen von Kindern durch dieses Land streifen, weil sie nicht mehr in der Lage sind, sich ihre Schulmaterialien zu kaufen, ist einfach nicht wahr. Deswegen sollte man genau darauf achten, wie die Betroffenen ihre Lebenssituation sehen, nämlich die Kinder und Jugendlichen. Laut Bertelsmann-Stiftung sagen 98,4 Prozent, sie haben alles, was sie für die Schule brauchen. 96,7 Prozent sagen, sie haben genug Geld für Klassenfahrten und Ausflüge. 92,5 Prozent sagen, sie haben alles, was sie für ihre Hobbys benötigen. 84 Prozent haben ein eigenes Zimmer. Ja, es gibt Kinderarmut, und wir sind in der Großen Koalition auch aufgerufen – dieses Thema haben wir auch angenommen –, Kinderarmut zu bekämpfen. Ich kann aber auch ganz deutlich sagen: Dieses Land stärkt die Kinder seit sehr vielen Jahren, ({5}) und diese Große Koalition stärkt sie mit diesem Haushaltsentwurf auch – gerade die schwachen Kinder. ({6}) Das sehen Sie auch am Schulstarterpaket, wo es sehr konkret wird. Wir haben das Schulstarterpaket von 100 auf 150 Euro erhöht und haben auch gesagt: Das Teilhabepaket wird von 10 auf 15 Euro erhöht. Ja, mehr geht immer; das ist selbstverständlich. Es geht aber auch darum, genau zu schauen, wo man welche Mittel entsprechend einsetzt. Die besondere Situation des Jahres 2020, in dem der normale Alltag von Familien komplett auf den Kopf gestellt wurde, wurde natürlich schon angesprochen. Eines war uns sofort klar: Familien sind systemrelevant, weil es die Mütter und auch die Väter sind, die gerade in den letzten Monaten den Kochtopf, den Laptop und das Schulbuch schwingen müssen, und zwar zeitgleich. ({7}) – Den Kochtopf werden sie hoffentlich nicht schwingen, das ist richtig, aber das Kochbuch zumindest. ({8}) Was haben wir als Koalition getan? Lohnfortzahlung für Eltern, Notfallkinderzuschlag, Entlastung von Alleinerziehenden durch eine Verdoppelung des Entlastungsbeitrags – ich muss sagen: das ist wirklich etwas Grandioses, das in diesem Fall insbesondere auch dank der CSU in die Diskussion gebracht wurde –, Kinderbonus von 300 Euro und Anpassung des Elterngeldes. Für die an der Kinder- und Jugendhilfe Interessierten sei gesagt, dass wir uns auch im Bereich der Kinder- und Jugendbildung mit Erfolg dafür eingesetzt haben, die Struktur der Kinder- und Jugendhilfe – auch des Jugendaustausches – mit Blick auf die Situation in dieser Krise zu stabilisieren. Ich komme zu den Vorhaben und Schwerpunkten. Zunächst nenne ich noch einmal die Erweiterung der Unterstützung des Bundes für die Länder beim Ausbau der Ganztagsbetreuung bzw. Kinderbetreuung. Liebe Kollegin der Grünen, es mag für viele schon eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Bund alles mit übernimmt. Ich möchte nur noch einmal darauf verweisen: In einem föderativen System gibt es Verantwortlichkeiten. Ja, wir stellen mittlerweile 3,5 Milliarden Euro für den Ausbau der Ganztagsbetreuung bereit, und wir haben noch einmal 1 Milliarde Euro für den Ausbau im Kitabereich bereitgestellt. Ich sage aber auch eines ganz deutlich: Wir sind nicht diejenigen, die dies alleine zu leisten haben, sondern das sind in erster Linie die Länder. Deswegen noch einmal der Appell an die Länder – die sich hier ja permanent durch Anwesenheit für das bedanken, was wir für sie leisten –, sich bitte auch entsprechend daran zu beteiligen. ({9}) Sie von den Grünen kritisieren, dass es kein Konzept der Ministerin gibt, das abgestimmt auf den Tisch gelegt wird. Nein, so macht man das auch nicht, sondern man diskutiert das mit den Ländern in einer Arbeitsgruppe, weil man sagt: Wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen, dann müssen wir uns auch gemeinsam verständigen, was zwischen Hamburg, Rostock, Berlin und München das ist, was uns da verbindet und was wir hinbekommen müssen. – Deswegen, glaube ich, ist das auch der richtige Weg gewesen. ({10}) Trotzdem – damit komme ich zum Schluss, und ich will es nur stichwortartig adressieren – gibt es in diesem Haushalt – es ist ein guter Haushalt, Frau Ministerin, aber dank uns wird aus diesem guten Haushalt bestimmt noch ein sehr guter Haushalt – noch das eine oder andere, wo wir noch etwas nachsteuern wollen. Ich denke hier an das Beispiel „Frühe Hilfen“, also Prävention, gerade wenn es darum geht, den Kleinsten einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Da gibt es auch den Wunsch der entsprechenden Ministerkonferenz, das aufzustocken. Daran werden wir gehen. Wir werden auch daran gehen – das hat Nadine Schön angesprochen –, „Demokratie leben!“ nicht nur als Programm zu stärken, sondern uns auch Gedanken darüber zu machen, was wir eigentlich schon haben und wo man auch in Absprache mit Schulen zum Beispiel Dinge, die gut laufen, weiter stärken kann. Weil meine Redezeit leider rennt, zum Schluss noch ein Punkt, der mir und uns wichtig ist: Wir müssen in Deutschland mehr erforschen, wie Kinder und Jugendliche leben. ({11}) Wie erleben sie Trennung? Wie erleben sie Heimerziehung? Wie erleben Care Leaver ihre Situation? Hier kann ich für uns ganz deutlich sagen: Wir werden in den nächsten Jahren sehr darauf achten, dass wir auch über die Forschung erfragen, wie unsere Maßnahmen, die wir entwickelt haben, eigentlich wirken. Wie wirken sie bei Trennungen? Wie wirken sie auf die Lebenssituationen von Kindern und Jugendlichen? Die Forschung in diesem Bereich wird sicherlich eine spannende Aufgabe sein. Wir wissen aber auch: Die Zeiten werden nicht besser und nicht einfacher werden – auch weil das Geld knapp wird.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege.

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deswegen wollen wir sehr genau und sehr dezidiert schauen, wo wir die Gelder einsetzen. Deshalb freuen wir uns ganz besonders auf die gemeinsamen Haushaltsberatungen mit Ihnen. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Grigorios Aggelidis. ({0})

Grigorios Aggelidis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004652, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende April habe ich für uns Freie Demokraten hier festgestellt: Jede Familie in diesem Land ist systemrelevant. – Es freut mich, dass das bei der CDU mittlerweile angekommen ist. ({0}) Ohne Eltern keine Kinder, ohne Kinder keine Zukunft! Deshalb haben wir es 2018 ausdrücklich begrüßt, dass die Bundesregierung gesagt hat, dass sie die Familien in den Mittelpunkt stellen will. Im Sturm des Jahres 2020 zeigt sich allerdings – das muss ich als Norddeutscher feststellen –: Sie sind für Familien Schönwetterkapitäne. ({1}) Die Bundesregierung hat die Interessen von Familien lange nach hinten geschoben – ich finde es schön, Frau Stadler, dass Sie das bestätigt haben –, sodass Eltern und Kinder zu den großen Verlierern der Coronakrise zählen. Familie 2020 bedeutet, sich dauerhaft am erschöpften Rand unserer Gesellschaft statt im Mittelpunkt zu fühlen. Es sind vor allem die Frauen, die einen Spagat zwischen Beruf, Kinderbetreuung, Homeschooling und Pflege eingehen müssen, der sie bis ans Ende ihrer Kräfte bringt, und sich dann von Frau Giffey noch anhören müssen: Homeoffice und Kinderbetreuung ist anstrengend, aber möglich. Sie agieren auch hier zu kurzsichtig, und Sie agieren auch in Zukunftsfragen kurzsichtig. Gerade jetzt, im Herbst, leben Eltern nach wie vor mit der ständigen Sorge vor erneuten Kita- und Schulschließungen. In Friesland, meinem Heimatlandkreis in Niedersachsen, sind gestern wieder Schulen ins Wechselmodell gegangen. Dies ist eine reine Vorsichtsmaßnahme wegen steigender Infektionszahlen, obwohl sie weit unter der Grenze von 50 pro 100 000 liegen. Die Eltern sind jedoch in purer Verzweiflung. Wir wissen, dass alles Menschenmögliche getan werden muss, damit Kitas und Schulen regulär funktionieren. Deswegen fordern wir hier auch eine Bildungs- und Betreuungsgarantie. Hier ist der Bund auch mit in der Verpflichtung, das mit den Ländern entsprechend umzusetzen. ({2}) Frau Familienministerin, für Notsituationen und Notfälle müssen Sie jetzt vorsorgen. Deshalb fordern wir Sie unter anderem auf, die Einkommensentschädigung für die Zeiten, in denen Kitas und Schulen geschlossen werden – falls es denn zum Äußersten kommt –, für die gesamte Dauer der Krise sicherzustellen. Beim Kurzarbeitergeld haben Sie es ja hinbekommen, und Sie haben es sogar bis Ende 2021 verlängert. Wieso diese Regelung für die Eltern nicht gilt, ist für mich nicht nachvollziehbar – und für die Eltern auch nicht. ({3}) Daneben fordern wir, die geltende maximale Anzahl an Krankentagen pro Kind für Eltern für die Dauer der Coronakrise auszusetzen. Hier nur eine Erhöhung um fünf Tage für das ganze Jahr vorzunehmen, ist völlig absurd. Aber auch bei der Hauptleistung aus dem Familienetat agieren Sie halbherzig und zulasten von Eltern. Wir fordern Sie auf: Berücksichtigen Sie beim Elterngeld endlich Insolvenz- und Krankengeld bei der Berechnung des Elterngeldes, damit Familien in einer besonders schwierigen Situation nicht auch noch durch ein viel zu niedriges Elterngeld die finanzielle Basis entzogen wird. Ich bin gespannt, ob die CDU/CSU – Nadine Schön ist darauf eingegangen – auch in diesem Punkt auf uns zugehen wird. Bei den Frühchen scheinen Sie es endlich verstanden zu haben. ({4}) Nutzen Sie die Chancen der Digitalisierung, nicht nur für die Antragstellung, sondern für die gesamte Bearbeitung. Feiern Sie sich nicht für die digitale Antragstellung allein, wenn durch eine langsame und analoge Bearbeitung Eltern monatelang auf ihr Geld warten müssen, sondern digitalisieren Sie den ganzen Prozess, damit Eltern innerhalb einer Woche nach Antragstellung eine Antwort haben. Geben Sie auch endlich Pflegeeltern Elterngeld; sie haben es verdient. ({5}) Auf zwei Punkte möchte ich in diesem Zusammenhang kurz eingehen, weil sie für gute Chancen für alle Kinder sprechen. Ich persönlich halte es für einen Skandal, dass ein halbes Jahr nach der Anhörung im Familienausschuss und angesichts der Tatsache, dass die gesamte Legislatur fast zu Ende ist, Pflegekinder, Care Leaver und Heimkinder 75 Prozent des Geldes, das sie verdienen, gegebenenfalls immer noch an die Kommunen abgeben müssen. Das sollte schnellstmöglich geändert werden. Wir fordern das. ({6}) Wenn wir über Kinderarmut sprechen: Kinderarmut ist – da gebe ich der CDU/CSU recht – nicht nur eine Frage der materiellen Existenz, sondern vor allem eine Frage der Chancen und der Bildungsfairness. Deswegen haben wir mit unserem Kinderchancengeld eine digitale Lösung vorgelegt, mit der wir auf der einen Seite die materielle Existenz automatisiert und ohne große Anträge den Eltern, den Familien und vor allem den Kindern zukommen lassen wollen. Auf der anderen Seite wollen wir in Zukunft den Schwerpunkt vor allem auf das Thema Bildung und Teilhabe legen: über ein digitales Chancenpaket, über einen klaren Zugang, den die Kinder sofort bekommen, über einen einfachen, direkten und niederschwelligen Zugang, damit alle Kinder, egal in welchem Umfeld sie geboren wurden, gute und faire Chancen auf ein selbstständiges und erfolgreiches Leben haben. Ich möchte zum Schluss einen kurzen Satz zum Ehrenamt sagen, weil meine Vorredner darauf eingegangen sind. Was ich vermisse, ist, dass die Bundesregierung und die Koalition endlich entschlossen entbürokratisieren und das Ehrenamt von Lasten befreien. Eine Zivilgesellschaft, die stark für unsere Demokratie ist, ist vor allem eine Zivilgesellschaft, die frei von Zwängen ist und vor allem nicht abhängig von Projektmitteln der Exekutive ist. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Das war jetzt ein kurzer Satz, Kollege. Die Zeit ist abgelaufen.

Grigorios Aggelidis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004652, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lassen Sie uns für die Familien die bestmögliche Politik machen. Wir haben Ihnen gute Lösungen aufgezeigt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Danke. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner: für die Fraktion Die Linke der Kollege Norbert Müller. ({0})

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits vor der Coronapandemie haben in Deutschland 2 Millionen Kinder in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften gelebt, waren auf Hartz IV angewiesen. Bis zu 4,4 Millionen Kinder, so der Deutsche Kinderschutzbund, leben in Armut oder in verdeckter Armut, und das war schon vor Corona ein gesellschaftlicher Großskandal. ({0}) In der letzten Woche hat das Deutsche Kinderhilfswerk gemeinsam mit forsa eine Umfrage vorgelegt. Danach sagen 64 Prozent der Befragten, sie gehen davon aus, Kinderarmut ist in der Coronazeit sogar noch gestiegen. Gemessen nach den Anhängern der Koalitionsparteien, also den Wählerinnen und Wählern von SPD, CDU und CSU, sagen in allen Fällen über 60 Prozent – das sind Ihre eigenen Wähler –, sie gehen davon aus, in der Coronazeit ist Kinderarmut gestiegen. Das ist ein Armutszeugnis für die Parteien der Großen Koalition. Sie hätten im Haushalt darauf reagieren müssen. Sie haben das versäumt. ({1}) Warum denken die Menschen das? Sie denken das, weil sie in ihrem Alltag erleben, dass Menschen über Monate in Kurzarbeit sind, von der sie am Ende nicht leben können, vor allen Dingen, wenn sie schon vorher zu wenig verdient haben. Sie erleben Soloselbstständige, die die Bundesregierung direkt zu den Jobcentern und damit in Hartz IV schickt, und eine Bundesregierung, die nicht in der Lage ist, sie vernünftig auszustatten und vernünftig zu retten. Sie erleben, dass Menschen in prekärer Beschäftigung mit Minijobs, mit Werksverträgen oder in Leiharbeit unmittelbar ihre Jobs verloren haben, und sie erleben eine gestiegene Arbeitslosigkeit. In all diesen Familien leben Kinder. Wenn es dort zu Armut kommt, dann löst das neue Kinderarmut aus. Deswegen wäre die richtige Antwort auf die Coronapandemie gewesen, endlich eine Kindergrundsicherung einzuführen, die existenzsichernd und armutsfest ist. ({2}) Wir Linke haben einen Vorschlag für eine Kindergrundsicherung vorgelegt, die im Wesentlichen auf zwei Säulen basiert. Erstens. Wir wollen das Kindergeld auf 328 Euro erhöhen – das fordere ich hier schon seit einigen Jahren –, damit wenigstens das Kindergeld so hoch ist wie die maximale steuerliche Entlastung nach dem Kinderfreibetrag. Zweitens. Wir wollen in einer zweiten Säule einen Zuschlag von bis zu 302 Euro zahlen, elterneinkommensabhängig und nach dem Alter gestaffelt. Damit kommen Sie auf am Ende eine Kindergrundsicherung von bis zu 630 Euro. Das ist armutsfest, und das würde jedem Kind in diesem Land gerade in der Coronazeit eine Perspektive geben. Aber Sie machen das Gegenteil: Sie schicken immer mehr Menschen und immer mehr Kinder in Hartz IV. ({3}) Was fehlt im Haushalt noch? Die Bundesregierung hat – sehr spät, aber immerhin – erkannt, dass es richtig ist, den Freizeitbereich in der gesamten Kinder- und Jugendhilfe zu retten, also von der Jugendverbandsarbeit über laufende Kinder- und Jugendarbeit bis hin zu den deutschen Jugendherbergen, zu den Schullandheimen, zu den Kiezen, zu den Bildungsstätten. Hier ist jetzt endlich Geld geflossen, und die Einrichtungen werden damit bis Ende des Jahres überleben. Aber was zur Hölle passiert im nächsten Jahr? Für nächstes Jahr ist dafür im Haushalt keine Vorsorge getroffen worden. Corona ist doch nicht am 31. Dezember vorbei, auch nicht für die Jugendherbergen, die Schullandheime und die Jugendverbände. Nein, wir brauchen eine Fortschreibung der Rettungspakete. Wir brauchen die Mittel dafür im Haushalt, damit diese komplette, wichtige Freizeitlandschaft für Kinder und Jugendliche, die sehr einzigartig ist, wenn wir uns die europäischen Verhältnisse insgesamt ansehen, nicht den Bach runtergeht und auch das Jahr 2021 übersteht. ({4}) Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Wir sind mitten im Tarifkampf des öffentlichen Dienstes. In dieser Woche haben deutschlandweit Erzieherinnen und Erzieher in Kitas gestreikt. Ich weiß, das ist wahnsinnig schwierig, jetzt ausgerechnet nach den letzten Monaten zu sagen: Wir schließen die Kitas, wir gehen in den Warnstreik. – Wir als Linke stehen solidarisch an der Seite der Kolleginnen und Kollegen in den Kitas, aber auch bei den Müllabfuhren, in den öffentlichen Verwaltungen und in allen anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes; denn genau sie sind es gewesen, die gerade in den Kitas unter hohem persönlichen Einsatz und unter großem gesundheitlichen Risiko ihren Arsch hinhalten, die jeden Tag auf Arbeit gehen, wissend, dass es drohen kann, dass sie sich mit Covid-19 anstecken, dass sie erkranken könnten. Sie machen das trotzdem, und sie bekommen dafür von den kommunalen Arbeitgebern nichts. Die kommunalen Arbeitgeber sagen: Unsere Kassen sind leer. – Es hat was mit der Bundespolitik zu tun, dass die Kassen in den Kommunen leer sind. ({5}) Wir brauchen eine bessere Ausstattung der Kommunen, und wir brauchen endlich ein Angebot des Kommunalen Arbeitgeberverbands für genau diese Beschäftigten. Wir haben entsprechende Anträge vorgelegt. Wir fordern, mindestens für die Coronazeit den Beschäftigten in der Kinder- und Jugendhilfe und in den Kitas einen Bruttozuschlag von 25 Prozent zu zahlen. Das wäre eine angemessene Entlohnung. Dauerhaft brauchen wir eine Aufwertung dieser Berufe; denn sie sind systemrelevant. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ihr seid systemrelevant. Die Linke steht an eurer Seite. Vielen Dank. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Ulle Schauws. ({0})

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Keine Corona-Hilfen für Macho-Betriebe", so lautete die Schlagzeile einer großen Sonntagszeitung unmittelbar vor dem Koalitionsgipfel im Juni, wo die umfassenden Konjunkturhilfen beschlossen wurden. Als Frauenministerin forderten Sie dort, Frau Dr. Giffey, dass Unternehmen nur dann Geld aus dem Konjunkturprogramm bekommen, wenn sie sich auch zur aktiven Gleichstellung bekennen. ({0}) Das ist eine absolut wichtige Forderung. Genau so etwas bräuchte es jetzt, um der Gleichstellung hierzulande einen Schub zu geben. Aber leider kann ich Ihnen kein Lob aussprechen; denn mehr als das Interview gab es dazu von Ihnen nicht. Von konkreten Hilfen für Frauen war im milliardenschweren Konjunkturprogramm dann leider nichts mehr zu finden. Und nicht nur das: Die große Ungerechtigkeit beim Kurzarbeitergeld für Frauen, meistens in Steuerklasse V, haben Sie immer noch nicht ausgeräumt. Frauen verlieren hierdurch bis zu mehreren Hundert Euro pro Monat im Vergleich zur Steuerklasse III. Das geht nicht, und das wissen Sie auch. ({1}) Kolleginnen, die Krise hat uns gezeigt, dass die Wirtschaft nur funktioniert, wenn vor allem Frauen sich kümmern: sei es unbezahlt mit Sorgearbeit, Homeschooling und Haushalt, oder bezahlt als Pflegekraft, Erzieherin oder beim Supermarktkassieren. Die Krise hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass der Stand der Gleichstellung von Männern und Frauen nicht so weit ist, wie viele sich das wünschen. Wir müssen jetzt die Chance zum Umsteuern nutzen und unser Land modernisieren und vor allem krisenresilient machen. Das geht nur, wenn wir Frauen endlich den Weg frei machen. Die Normalität kann nicht weiter sein, sich dreifach anstrengen zu müssen: gegen Diskriminierung, gegen Doppelbelastung und gegen alltäglichen Sexismus. ({2}) Gerechte Entlohnung, gerechte Rente, gerechte Verteilung öffentlicher Mittel, gleichermaßen für Frauen und Männer, und gerechte Aufteilung von Macht, Einfluss und Repräsentanz – das ist mehr als überfällig. ({3}) Kolleginnen und Kollegen, der Schutz vor Gewalt ist ein Menschenrecht. Deutschland hat sich mit dem Beitritt zur Istanbul-Konvention verpflichtet, Frauen in Deutschland umfassend vor Gewalt zu schützen. War die Frauenhilfestruktur schon vor der Pandemie mit 16 000 fehlenden Frauenhausplätzen massiv unterausgestattet, hat sich diese Problemlage unter Corona noch verschärft. Frau Ministerin, Sie haben mit dem Ausbau der Förderung des Gewalt-Telefons sowie einer groß angelegten Öffentlichkeitskampagne einen wichtigen Beitrag in der Krise geleistet. Aber das reicht nicht. Es kann nicht sein, dass einer hilfesuchenden Frau bei der Gewalt-Hotline gesagt wird, dass es für sie und vielleicht ihre Kinder keine Unterbringung in der Not gibt. Gewaltschutz ist staatliche Aufgabe und muss auf Dauer gesichert werden, auch vom Bund und eben nicht nur von den Ländern. ({4}) Wir Grüne haben bislang als Einzige einen Vorschlag zur Frauenhausfinanzierung vorgelegt, verbunden mit einem individuellen Rechtsanspruch. Wo ist Ihre Lösung? Ich kann nur sagen: Klar ist, dass Gewaltschutz nicht mehr warten kann. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauen werden nicht nur im Alltag, sondern auch im Netz bedroht und angegriffen. Auch weibliche Abgeordnete werden in diesem Haus mit Sexismus konfrontiert. Da ist es mehr als notwendig, die Umgangskultur und die Dominanz von Männern in diesem Haus zu ändern. Das muss aufhören. Wir Frauen haben eine fraktionsübergreifende Initiative auf den Weg gebracht – mit fünf Fraktionen – für mehr Frauen im Parlament. Aber Sie haben zur Parität aus meiner Sicht hier nichts beigetragen. Schweigen im Walde! Von einer Frauenministerin erwarten wir mehr bei einem Frauenanteil von 30,9 Prozent in diesem Haus. ({6}) Das Thema auszusitzen und in die nächste Wahlperiode zu schieben, ist eine verpasste Chance für die gleiche Repräsentanz von Frauen im Bundestag. Wir Grüne und Linke bleiben dran. Wir werden unseren Gruppenantrag, der leider von Ihnen nicht mehr unterstützt wird, hier zur Abstimmung stellen. Dann können Sie Farbe bekennen. Ich sage: Es ist Zeit für mehr Geschlechtergerechtigkeit und Repräsentanz, auch in diesem Haus. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der Kollege Sönke Rix ist der nächste Redner für die Fraktion der SPD. ({0})

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal zu der Behauptung, die kommunalen Kassen seien leer: Natürlich, alle öffentlichen Haushalte haben unter der aktuellen Krisensituation zu leiden. Aber wir wissen alle: Durch die Steuereinnahmen sind die Kommunen diejenigen, die als Letztes davon betroffen sind. Und wir haben in den vergangenen Jahren wie keine andere Regierungskoalition zuvor die Kommunen über die Länder so stark entlastet, dass der Bund sich an dieser Stelle tatsächlich keinen Vorwurf machen lassen muss. ({0}) Es kann natürlich angehen, dass bei einigen Ländern klebrige Finger vorherrschen – das kann passieren –; aber dem Bund an dieser Stelle einen Vorwurf zu machen, halte ich für falsch. Weil das Thema Kinderarmut angesprochen worden ist, will ich deutlich machen: Wir haben mit dem Starke-Familien-Gesetz aus unserer Sicht einen ersten Schritt zu einer besseren Grundabsicherung von Kindern unternommen. Wir haben damit eine Unterstützung von Familien und Kindern erreicht, wie sie vorher in diesem Ausmaß nie dagewesen ist. Und wir haben mit dem KiZ in der Krisenzeit und mit dem Kinderbonus und der Familienkomponente beim Kurzarbeitergeld tatsächliche Hilfen für Familien geleistet, damit die wegen der Krise eben nicht in Armut und Not geraten. Diesen Vorwurf hier zu machen, halte ich für falsch. Wir haben unsere Hausaufgaben an dieser Stelle gemacht. ({1}) Ich will noch auf ein paar Punkte eingehen, die in dieser Debatte nicht unwidersprochen stehen bleiben können: Immer wieder wurde das Thema Demokratieförderung angesprochen. Ich finde es gut, dass wir die entsprechenden Mittel so deutlich erhöht haben. Die Aufgabe ist groß. Die Bilder aus den letzten Wochen und Tagen, aber auch die Ereignisse in den letzten Monaten haben gezeigt, dass wir da nicht weniger, sondern immer noch mehr tun müssen. ({2}) Deshalb ist dieser hohe Haushaltsansatz richtig. Lesen hilft, liebe Kolleginnen und Kollegen von der rechten Seite. Wenn Sie sich nur einmal die Förderkriterien angucken würden, würden auch Sie sehen, dass wir alle Gefährdungen der Demokratie in den Blick nehmen, Islamismus, Linksextremismus genauso; aber der Rechtsextremismus ist nun einmal zurzeit die stärkste Bedrohung unserer Demokratie. Und deshalb müssen wir dagegen am stärksten vorgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Zum Thema Frauenhäuser. Wir haben aktuell das größte Programm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, das der Bund jemals aufgelegt hat. Größer ist dieses Programm nie gewesen, nicht in rot-grünen Zeiten, nicht in Zeiten der Großen Koalition und nicht in schwarz-gelben Zeiten. Jetzt hier den Vorwurf zu machen, wir würden in diesem Bereich nichts unternehmen, ist fatal und, finde ich, falsch; es suggeriert einen Fehler. Es geht um mehr als um die Hotline, die wir hier eingerichtet haben. Wir stellen den Ländern und damit auch den Trägern Mittel für Investitionen zur Verfügung. ({4}) Natürlich können wir darüber streiten, ob wir einen Rechtsanspruch einführen, aber, liebe Ulle und liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass das nicht mal in der Frauenhausszene eindeutig so bejaht wird. Aber was wir alle machen können, sind unsere Hausaufgaben in den zuständigen Ländern; ({5}) denn wenn es einen Anruf bei der Hotline gegeben hat, dass irgendwo kein Platz ist, dann muss der Finger als Erstes zur Landesregierung zeigen und gefragt werden: Warum habt ihr diese Mittel eigentlich nicht bereits bereitgestellt? ({6}) Ich weiß, dass die FDP und die Grünen, die dies vorhin auch hier gefordert haben, an vielen Landesregierungen beteiligt sind. Deshalb zeigt der Finger auch in die eigene Richtung, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, wurde darüber gesprochen, wir sollten im SGB VIII die Standards für die Kinderbetreuung genauer festlegen. Ja, das kann man machen. Wir diskutieren gerade über die Fördermittel, über die Einrichtung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung und über die Kriterien. 15 Länder sind dazu bereit und sagen, dass entweder die Schule die Aufsicht haben muss oder die Jugendhilfe. Ein Bundesland sperrt sich dagegen noch, komischerweise ein grün regiertes, nämlich Baden-Württemberg. Wenn Sie jetzt von uns erwarten, dass wir den Rechtsanspruch einführen und die Standards aufrechterhalten, dann sage ich ganz ehrlich: Bitte erst mal in den zuständigen Ländern dafür sorgen, dass die diese Standards auch wollen. – Denn das ist nicht überall der Fall. ({8}) Angesprochen wurde auch die Einschränkung der Entschädigung von Eltern, wenn keine Betreuung wegen der Krise, gerade in akuten Zeiten, vorhanden ist. Auch da will ich deutlich machen: Das ist eine Länderaufgabe. Die Länder schließen die Einrichtungen, die schließen die Kitas und die Schulen und sind dann auch dafür zuständig, entsprechend die Entschädigung zu zahlen. Wir haben als Bund dafür gesorgt, dass wir uns da nicht aus der Verantwortung stehlen; wir leisten unseren Beitrag. Aber es hat sehr lange gedauert, die Länder zu überzeugen. Wenn die Länder weiterhin bereit sind, Mittel beizusteuern, dann wird der Bund das auch tun. Aber die Länder müssen genauso mitmachen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({9}) Also, bei der Kritik auch immer darauf achten, dass die Finger nicht nur in Richtung Bundesregierung zeigen. Ich finde, wir haben hier einen sehr guten Entwurf bekommen, der sich an der einen oder anderen Stelle durch das Parlament verbessern lässt. Wir nehmen gerne die richtigen und wichtigen Anregungen von der Opposition mit auf; das haben wir auch in der Vergangenheit getan. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung darüber. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Das Wort hat jetzt für die AfD-Fraktion der Kollege Frank Pasemann. ({0})

Frank Pasemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004847, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Beim Blick in den Einzelplan 17 des Bundeshaushaltsplans 2021 fällt eine Sache ins Auge: Der Begriff „ältere Menschen“ taucht insgesamt nur ein einziges Mal darin auf. Der Haushaltstitel wird von circa 19,5 auf rund 15,2 Millionen Euro gekürzt; eine Kürzung um über 4 Millionen Euro. Hingegen wird das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ im gleichen Einzelplan von 115,5 auf 150,5 Millionen Euro erhöht; eine Erhöhung um 35 Millionen Euro, und das in Zeiten der Krise. Diese linke Steuergeldsammelmaschine mit ihren teilweise obskuren Vereinen ist dem seit Jahrzehnten rot geführten Familienministerium also knapp zehnmal so viel wert wie eine Politik zum Wohle der Senioren in unserem Land. Erwähnenswert ist auch, dass dieses Bundesprogramm nur in den Vorbemerkungen erwähnt wird, ansonsten aber eher verschleiert im Haushalt auftaucht. Diese Verschiebung der Größe der beiden Haushaltstitel lässt einen über die Wertigkeit älterer Menschen nachdenken, nicht nur für die Bundesregierung, sondern auch für unsere Gesellschaft. ({0}) Ein Bundesprogramm, welches offen linke bis linksextreme Strukturen fördert, ist der Regierung wieder einmal wichtiger, als sich um ältere Menschen oder den demografischen Wandel zu kümmern. Wer hingegen ein anderes Ergebnis der demografischen Entwicklung möchte als die Umwandlung Deutschlands in eine Regenbogen-Favela, wird durch die genannte Privat-Stasi zum Verfassungsfeind erklärt – einer Verfassung allerdings, zu der sich diese linke Vereinsmafia selbst nicht einmal bekennen möchte und das auch nicht muss. Dass der demografische Wandel längst eine bunte demografische Katastrophe ist, scheint die Bundesregierung offenbar recht unbeeindruckt zu lassen. Vielmehr scheint das Kanzlerwort „Nun sind sie halt da“ die derzeitige Ausrichtung der Politik der Bundesregierung zu beschreiben. In aller Herren Länder stehen längst, ermutigt durch die Magnetpolitik der Bundeskanzlerin, weitere Migranten bereit, um als Kompensationsmasse für die inzwischen auf vielen Politikfeldern offen familienfeindliche Politik in Deutschland zu dienen. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gehört endlich gänzlich aus dem Haushaltsplan gestrichen, und die so eingesparten Mittel gehören in eine wirklich familienfördernde Politik investiert. ({1}) Da wäre die Förderung der Demokratie nämlich auch inklusive. Noch mehr durch Steuergeld finanzierte linke Strukturen und ideologische Indoktrination braucht unser Deutschland gewiss nicht. Es ist höchste Zeit, dass sich die Bundesregierung wieder darauf besinnt, dass dieses Bundesministerium für Familien und Senioren heißt und nicht gegen Familien und Senioren. Vielen Dank. ({2})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die Kollegin Sylvia Pantel für die CDU/CSU-Fraktion ist die nächste Rednerin. ({0})

Sylvia Pantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004370, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Familie verdient unsere besondere Anerkennung, Beachtung und unseren Schutz. Gerade in der Coronakrise, vor allem während der Kita- und Schulschließungen, sorgte sie für soziale Stabilität. Die Erziehung und Betreuung der Kinder sowie das Kümmern und die Pflege von Angehörigen waren ohne die Leistungen der Familie nicht möglich. Es wurde aufgezeigt, wie unersetzbar diese Institution auch als Werte-, Solidar- und Wirtschaftsgemeinschaft für unseren Staat und unsere Gesellschaft ist. ({0}) Dies haben wir anerkannt. Wir haben geholfen, wir haben sehr viele Mittel zur Verfügung gestellt – das hört sich hier immer anders an –, und wir haben auch eine ganze Menge Mittel in anderen Ressorts. Der Etat unseres Ministeriums beträgt über 12,24 Milliarden Euro. Dies entspricht einer Aufstockung um rund 882 Millionen Euro, also um 7,2 Prozent. Hier hört sich das immer so an, als wenn wir irgendwo irgendwas einsparen würden. Zusätzlich zu unserem gesteigerten Familienhaushalt haben wir weitere Unterstützungen für unsere Familien in anderen Etats vorgesehen. Dazu zählen unter anderem das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz mit 43,5 Milliarden – das sind also keine Peanuts –, die Beitragszahlungen des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung für Kindererziehungszeiten mit 16,92 Milliarden Euro oder das Baukindergeld. Und da freut mich gerade besonders, dass das Baukindergeld in der letzten Woche mit 861 Millionen Euro bis März 2021 verlängert wurde. Damit stellen wir 73,52 Milliarden Euro für Familien zur Verfügung, mehr als jede andere Regierung zuvor in der Geschichte unseres Landes. Mit dem eingeführten Elterngeld springt die staatliche Gemeinschaft für entfallenes Gehalt ein, wenn Eltern ihr neugeborenes Kind betreuen und dafür ihre Berufstätigkeit unterbrechen oder einschränken. Das Elterngeld und das Elterngeld Plus bedeuten eine größere Wahlmöglichkeit und Flexibilität für junge Eltern. Es stärkt nachhaltig die Vereinbarkeit und die Balance von Familie und Beruf. Dieses Elternangebot ist ein so großes Erfolgsmodell geworden, dass wir den Etat des Elterngeldes um 88,3 Millionen Euro auf nunmehr 7,34 Milliarden Euro erhöht haben. Über die finanzielle Unterstützung bei Kitas und Betreuungsangeboten wurde eben schon ausführlich berichtet. Ein weiteres Anliegen ist uns die Absicherung und Unterstützung der Alleinerziehenden. Wir nehmen ihnen den finanziellen Druck, sollte der andere Elternteil nicht den zustehenden Unterhaltsanteil zahlen, und gehen in Vorleistung. Hierfür veranschlagen wir einen Posten von 875 Millionen Euro. Es zeichnet unsere Jugend besonders aus, wenn sie sich bereitfindet, als Freiwilligendienstleistende Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen. Sie und die ehrenamtlichen Helfer sind unverzichtbar für unsere Gesellschaft. Wir unterstützen dieses Engagement, und es freut mich besonders, dass wir den erkämpften, erhöhten Etat von 2020 verstetigen können und mit den Mitteln für die Freiwilligendienste und den Bundesfreiwilligendienst mit insgesamt 327,88 Millionen Euro fortschreiben. So ermöglichen wir jungen Menschen gesellschaftliches Engagement und geben den Trägern Planungssicherheit. Hier wird also nichts eingespart. ({1}) Ebenfalls verstetigt wurde das Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“. Damit stehen weitere Mittel in Höhe von 18 Millionen Euro für 2021 zur Verfügung. Es ist wichtig, dass wir uns auch um die Einsamkeit im Alter kümmern. Wir kümmern uns sehr wohl darum. Der Bund unterstützt daher das Malteser-Projekt „Miteinander-Füreinander – Kontakt und Gemeinschaft im Alter“ mit 7 Millionen Euro bis 2024. ({2}) Das Thema „Alt und Jung“ unterstützen wir auch durch die verstetigte Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser. Die Arbeit hat sich bewährt. Die Häuser stellen eine unverzichtbare soziale Infrastruktur dar und leisten einen wichtigen Beitrag zum generationenübergreifenden und familiären Miteinander. Die Mittel in Höhe von 22,95 Millionen Euro werden daher in 2021 verstetigt. ({3}) Leider gehört auch das Thema „Gewalt in Beziehungen“ zur Realität unseres Landes. Opfer von Gewalt, ob nun psychisch, sexuell oder physisch, sind leider zumeist Frauen und Kinder. Mit dem Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ haben wir ein niedrigschwelliges Angebot geschaffen, wofür wir rund 8,1 Millionen Euro im Haushalt 2021 bereitstellen. Für das Bundesprogramm zur Förderung von Innovationen im Hilfesystem zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen mit ihren Kindern werden 35 Millionen Euro für das Jahr 2021 bereitgestellt. Hier danke ich Ihnen, Frau Ministerin Giffey, dass Sie es wirklich kollegial mit den Ländern machen; denn – das kann hier nicht oft genug gesagt werden – wir geben sehr viel Geld an die Länder ab, damit sie subsidiär – so ist unser System – ihren Aufgaben nachkommen. Da, wo sie es nicht tun und wir helfen können, tun wir das. Aber einen Anspruch daraus abzuleiten, halte ich für sehr verfehlt. Die Umsetzung dieses Programms wird durchgeführt. Der eingesetzte runde Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ in enger Kooperation mit den Ländern ist ein guter Weg, und es freut mich, dass in diesem Rahmen unter anderem an der Umsetzung der bundesweiten digitalen Plattform zur Vermittlung von Frauenhausplätzen gearbeitet wird, für die ich mich auch persönlich sehr stark eingesetzt habe. Ein sehr trauriges Kapitel, das leider auch eine Realität darstellt, ist der Kindesmissbrauch. Die widerlichen Verbrechen an Kindern müssen wir in unterschiedlichen Ressorts bekämpfen. Daher begrüße ich es ausdrücklich, dass wir für 2021  2 Millionen Euro und für 2022  5 Millionen Euro für eine Kampagne eingeplant haben, die die Öffentlichkeit zu diesem Thema sensibilisieren soll.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Frau Kollegin, die Redezeit ist abgelaufen.

Sylvia Pantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004370, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Handlungsbedarf sehe ich noch bei den Mehrkindfamilien, bei „Frühe Hilfen“ und auch beim Ausstieg aus der Prostitution. Ich möchte an dieser Stelle nur sagen: –

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Kurz, bitte.

Sylvia Pantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004370, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– Als ich angefangen habe, hatte der Familienetat ein Volumen von 7,1 Milliarden Euro. Jetzt sind wir fast beim Doppelten. Es kann also nicht davon die Rede sein, dass wir nichts für unsere Familien übrighaben. Wir tun sehr viel. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Nächster Redner ist der Kollege Martin Patzelt, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Martin Patzelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004372, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In Zeiten von Corona ist es doppelt und dreifach nötig, dass man jede Ausgabe noch einmal genau überlegt. Wir wissen nicht, wann wir aus der Krise herauskommen, und wir wissen nicht, wie lange das Geld reicht, das uns die Steuerzahler zur Verfügung stellen. Insofern ist der Etat des Familienministeriums tatsächlich nicht nur eine große Leistung, sondern er ist ein überzeugendes Bekenntnis zur Familie. Wenn wir in diesen Zeiten der knappen Kassen – und wir verschulden uns neu; das tun wir Christdemokraten mit bitterer Miene – sagen: „Für die Familien soll so viel Geld zur Verfügung gestellt werden“, dann tun wir das mit Überzeugung. Im Übrigen stellt sich angesichts der Entwicklungen in der Coronakrise, in der die Frauenhäuser überfüllt waren, Frauen dringend nach Hilfe suchten, unsere Jugendhilfeeinrichtungen überfüllt waren und der Kinder- und Jugendnotdienst sehr beansprucht wurde, die Frage, ob noch nachzusteuern ist. Da müssen wir genauer hinschauen. Als Berichterstatter für „Demokratie leben!“ und für Demokratieerziehung habe ich mir die Augen verwundert gerieben, als ich den Aufwuchs im Haushalt gesehen habe. Ich sage aus Überzeugung: Wir können gar nicht genug tun für eine demokratische Entwicklung unseres Landes. ({0}) Die Demokratieentwicklung ist immer gefährdet. In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf ein paar bedenkenswerte Überlegungen zu sprechen kommen. ({1}) Wir löschen mit dem Geld, das wir für diesen Bereich ausgeben, das Feuer. Wenn man sich die Entwicklung anschaut, stellt man fest, dass es sich um einen Zyklus handelt. Die Entwicklungen werden verstärkt. Das Geld wird erhöht. Die Feuerwehr braucht Geld. Das Geld ist bestimmt nicht verkehrt angelegt. Im Übrigen, Frau Harder-Kühnel, schauen Sie sich den Einzelplan doch bitte noch einmal an; das hat Ihnen der Kollege schon gesagt. Da werden auch Projekte gegen Linksextremismus und gegen religiösen Extremismus gefördert. Schauen Sie sich das einmal an! Extremismus in jeder Form muss von uns im Auge behalten, muss bekämpft werden. Aber wir dürfen nicht nur die Symptome sehen, sondern müssen auch nach den Ursachen fragen. Alle Forscher sagen uns, dass Empathie und Toleranz die Grundqualitäten von Menschen sind, wenn sie Demokratie leben wollen. Wenn man genauer nachfragt, sagen die Forscher des Weiteren, dass diese Fähigkeiten eines Menschen in der frühen Kindheit angelegt werden. Also müssen wir folgerichtig sagen: Wir müssen nicht nur das Feuer löschen, sondern müssen auch schauen, wo sich die Ursachen der Brände befinden. Da hat es mich doch sehr schmerzhaft berührt, dass die vom Ehrenamt sehr unterstützten Patenschaftsprogramme, die in der frühen Kindheit ansetzen – die frühen Hilfen, die Familienpaten, „Menschen stärken Menschen“ –, eine Verstetigung erfahren haben, dass aber der Kostenaufwuchs in der Gesellschaft gar nicht berücksichtigt wird. Das Verhältnis von Ursache zu Wirkung muss – darüber werden wir noch diskutieren müssen – angemessen sein. Warum zeige ich das auf? Weil ich überzeugt bin, dass Resozialisierung immer schlechter ist als Sozialisierung. Wir müssen die Sozialisierung und die Bedingungen für Sozialisierung viel stärker zur Kenntnis nehmen und müssen dann entsprechend unsere Ausgaben tätigen. Es ist klar – Gott sei Dank ist das so –: Es handelt sich um eine kleinere Gruppe in unserer Gesellschaft, die Hilfe durch den Steuerzahler braucht. Die allermeisten Eltern nehmen die Verantwortung für ihre Kinder wahr, obwohl sie Mühe damit haben, obwohl sie gerade in diesen Zeiten Lasten zu tragen haben. Aber sie tun das kompetent, und sie tun das gerne. ({2}) Unsere Sorge gilt immer den Eltern, die unsere Hilfe brauchen. Wir dürfen nicht das Bild zeichnen, dass es in Deutschland chaotische Zustände gibt. Gott sei Dank gibt es sie noch nicht. Aber wir haben Handlungsbedarf. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den jungen Menschen – ich will darauf etwas ausführlicher eingehen, weil das sonst nicht zur Sprache kommt –, die einer extremistischen Gesinnung anheimfallen, lassen sich zwei Gruppen unterscheiden. Die eine Gruppe sind die jungen Menschen, die eine Verwahrlosung erfahren haben und nicht genügend Hilfe und Unterstützung in ihrer Kindheit bekommen haben. Wir haben aber auch eine wachsende Gruppe junger Menschen, die als Prinzessinnen und Prinzen aufgezogen wurden und die dann einfach nicht mehr verkraften, dass es auf der Welt auch andere Menschen gibt, und die dann versuchen – weil sie eine Party nicht haben können –, die Türen des Reichstags zu stürmen. Wir müssen in unseren Erziehungsüberlegungen auch im Blick haben, dass junge Menschen früh genug Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen müssen. Sie müssen es lernen. Das muss Teil unserer Erziehungsprogramme sein. Das muss schon in unseren Kindertagesstätten gelehrt werden. Ich bin der Meinung, man kann das nicht mit einer Maßnahme abdecken. Aber wir sollten versuchen, den Eltern mit dem, was wir mit viel Geld angefangen haben, viel mehr Zeit als bisher für ihre Kinder zu schenken, damit sie sich an ihren Kindern erfreuen können. Wir sollten vielleicht auch versuchen, die Qualität der Zeit, die Eltern und Kinder miteinander verleben, durch unsere Hilfen zu verbessern. Ich danke Ihnen. ({3})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Herr Kollege Patzelt, auch für die 30 Sekunden, die Sie uns geschenkt haben. – Der Oßner Florian ist der letzte Redner für die Fraktion der CDU/CSU und damit der letzte Redner zum Einzelplan 17. Bitte schön. ({0})

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die entscheidende Botschaft der heutigen Haushaltsdebatte ist: Diese Bundesregierung leistet immens viel für unsere Familien, für die Senioren, für die Frauen und für die Jugend in unserem Land. In den letzten zehn Jahren wurde der Etat des Bundesfamilienministeriums nahezu verdoppelt. Das ist wahrlich ein starkes Zeichen für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. ({0}) Lag der Haushalt 2010 noch bei 6,4 Milliarden Euro, beträgt er nunmehr rund 12,2 Milliarden Euro. Dieser enorme Aufwuchs – erlauben Sie mir, das anzusprechen – ist nur durch eine nachhaltige Haushaltspolitik möglich geworden. Ja, Nachhaltigkeit ist nicht nur in der Umweltpolitik entscheidend, sondern auch in der Finanz- und Haushaltspolitik. Oft wurden wir als Union belächelt für unseren ausgeglichenen Haushalt. Oft wurde uns vorgeworfen, dass die sogenannte schwarze Null wie ein Dogma wäre, das locker über Bord geworfen werden könnte. In wirtschaftlich starken Zeiten müsste doch nicht gespart werden. Heute traut sich kaum einer mehr, dies schlechtzureden. Es war gut, dass die Unionsfraktion, dass CDU und CSU diese klare Linie gehalten haben; denn nur damit wird möglich, dass wir jetzt unseren Bürgerinnen und Bürgern in der Krise zur Seite stehen. ({1}) Es freut mich, dass es eine derartige Schwerpunktsetzung in der Familienpolitik gibt. In diesen schwierigen und unsicheren Zeiten, wie wir sie gerade durchleben, ist dies ein guter und wichtiger Stabilitätsanker für die Familien in unserem Land; denn für uns und auch für mich persönlich als zweifacher Familienvater sind Familien der kostbarste Schatz unserer Gesellschaft. Sie verdienen unsere ganze Anerkennung und Unterstützung und müssen daher klar im Zentrum unserer Politik stehen. ({2}) – Sie dürfen natürlich auch klatschen. – Dieses Bekenntnis zur Stärkung der Familie kann man auch diesem Einzelplan entnehmen. Ein Schwerpunkt mit über 7 Milliarden Euro bildet allein das Elterngeld. Insgesamt machen die gesetzlichen Leistungen wie auch Kindergeld und Unterhaltsvorschuss mit knapp 80 Prozent einen Großteil dieses Etats aus. Im parlamentarischen Verfahren wird es sicherlich zu starken Debatten zu den einzelnen Programmen noch kommen, und an einigen Stellen besteht noch Erklärungsbedarf. Ich denke hier beispielsweise an die finanzielle Absicherung der Schwangerenberatung Donum Vitae, die Erhöhung der Mittel für die Bundesstiftung Frühe Hilfen, die Fortschreibung der Gelder für junge Frauen im IT-Bereich. Aber was mich ganz besonders freut, ist die Erhöhung der Freibeträge für Alleinerziehende, eine wirklich deutliche und spürbare Entlastung, gerade wenn man in der Kindererziehung allein dasteht. Da sage ich: Vielen Dank! ({3}) Das Budget, heute schon mehrfach angesprochen, für das Programm „Demokratie leben!“ wird erheblich aufgestockt. In diesem Fall bitte ich Sie aber, sehr geehrte Frau Ministerin, ausdrücklich, die veranschlagten Mittel klug einzusetzen. Es kann am Ende nicht sein, dass wir zum Beispiel bei Wohlfahrtsverbänden eher ein wenig knauserig sind, obwohl diese einen entscheidenden Beitrag für unsere Gesellschaft leisten, und auf der anderen Seite Aufwüchse in Bereichen haben, die teilweise nur geringe Wirkung zeigen. Entscheidung ist hier das gesunde Augenmaß, und dafür bedanke ich mich schon im Vorfeld. ({4}) Wir feiern am Samstag 30 Jahre deutsche Einheit. Diese vergangenen 30 Jahre sind ein hervorragendes Beispiel für gelebte Demokratie in Deutschland. Es waren aus meiner Sicht die besten 30 Jahre, die Deutschland je hatte. Sorgen wir dafür, dass dies in Zukunft so bleibt. Auch für die Betreuung unserer Kinder werden wir weiterhin – das möchte ich noch anfügen – viel Geld zur Verfügung stellen. Dies ist zwar eigentlich – meine Vorredner haben es schon angesprochen – keine originäre Bundesaufgabe. Wir wollen jedoch unsere Städte und Gemeinden bei dieser Aufgabe mit zusätzlich über 1 Milliarde Euro unterstützen. Besonders erfreulich finde ich, dass das Bundesprogramm Sprach-Kitas entgegen der Finanzplanung auf dem Niveau von 2020 fortgeführt wird. Mit diesem Programm wird die sprachliche Bildung als fester Bestandteil in der Kindertagesbetreuung gefördert. Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Chancengleichheit. Wichtig sind uns auch die flächendeckenden Mehrgenerationenhäuser wie in Landshut oder Kelheim. Diese werden weiterhin auf sehr hohem Niveau gefördert. Jüngere helfen Älteren. Das nachbarschaftliche Miteinander wird hier in der Tat gelebt. Damit sind Mehrgenerationenhäuser absolut vorbildlich für unsere Gesellschaft. Wir sollten das auch in Zukunft so beibehalten. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich heute abschließend allen Ehrenamtlichen ein großes Lob aussprechen. Vieles, was mit unserem Etat gefördert wird, geht auch auf ehrenamtliche Leistungen zurück, sei es in Vereinen oder in Verbänden, wie zum Beispiel beim Roten Kreuz oder bei der Aidshilfe. Das ist alles andere als selbstverständlich. Deshalb allen, die sich ehrenamtlich engagieren, meinen allerherzlichsten Dank und meinen allergrößten Respekt für ihre Arbeit. ({6}) Meine Damen und Herren, wir haben einen guten Haushaltsentwurf vorgelegt bekommen. Als Haushälter haben wir natürlich das Selbstbewusstsein, diesen guten Entwurf noch ein wenig besser zu machen. Deswegen freue ich mich auf die intensiven Beratungen in den kommenden Wochen. Herzliches „Vergelt’s Gott!“ fürs Zuhören. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Florian Oßner, auch für die Disziplin bei der Einhaltung der Redezeit. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen zum Einzelplan 17 vor.

Jens Spahn (Minister:in)

Politiker ID: 11003638

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt drei Gründe, warum wir in Deutschland diese Krise bislang gut durchstehen: Zum Ersten lernen wir im Miteinander täglich dazu, in Bund und Ländern, in den Gemeinden, in Parlamenten und Regierungen. Eine Mehrheit der Bevölkerung, der Bürgerinnen und Bürger, trägt verantwortlich und vor allem eigenverantwortlich die Maßnahmen mit, weil sie das Bewusstsein hat, dass Freiheit nicht heißt: „Ich kann machen, was ich will“, sondern immer auch mit Verantwortung verbunden ist, Verantwortung für mich selbst und für andere. Zum Zweiten ist unser Gesundheitswesen robust, und, zum Dritten, unsere Staatsfinanzen sind es auch. Wichtig ist es, diese Grundsolidität nicht infrage zu stellen, sondern auf dieser Grundlage weiter die richtigen Schlüsse zu ziehen. ({0}) Dazu gehört für mich, dass wir als Gesellschaft weiter durchhalten. Jeder von uns ist täglich, alltäglich in den verschiedensten Situationen in der Gefahr, sich zu infizieren: unterwegs, im öffentlichen Raum, insbesondere im geschlossenen Raum, wenn es gesellig wird oder Abstände nicht eingehalten werden. Gleichwohl ist es nach einem halben Jahr guten Verlaufs bei uns in Deutschland so, dass es für viele schwierig ist, die reale Gefahr zu sehen. Das ist ja das Paradoxon: Der gute Verlauf resultiert daraus, dass so viele mitmachen, dass so viele aufeinander aufpassen. Aber gleichzeitig sagen dann einige: Ja, guck mal, ist doch gar nichts passiert. Die Maßnahmen waren gar nicht notwendig. ({1}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist genau andersrum: Weil wir Maßnahmen ergriffen haben, ist bis jetzt so wenig passiert und sind wir in Deutschland so gut durch die Krise gekommen. ({2}) Mit dieser Gefahr am häufigsten konfrontiert sind die Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen, in den Krankenhäusern, in den Arztpraxen, die Menschen, die im Gesundheitswesen als Gesundheitswesen für uns anwesend sind, wenn wir sie brauchen, die jeden Tag rund um die Uhr helfen. Eine Erhebung hat kürzlich ergeben, dass die Zufriedenheit der Deutschen mit ihrem, mit unserem Gesundheitswesen auf Rekordniveau ist. Ja, es gibt Probleme im Alltag. Und ja, auch in der Pandemie gibt es im Alltag zu oft Probleme in der täglichen Versorgung. Aber gleichzeitig gibt es auch ein gutes Gespür bei vielen Bürgerinnen und Bürgern. Das Virus ist ja in allen Ländern gleich. Dass der Verlauf so unterschiedlich ist, hat eben auch mit einem guten, mit einem starken Gesundheitswesen zu tun. Dieses Bewusstsein ist vorhanden. Ich finde, das dürfen wir ab und zu auch mal ausdrücken. Wir sind dankbar, wir sind demütig, aber wir sind auch ein ganzes Stück stolz auf ein Gesundheitswesen, das in einer Pandemie so etwas leisten kann. ({3}) Jetzt geht es auch darum, dass wir denjenigen helfen, die uns allen im Gesundheitswesen jeden Tag helfen, die uns unterstützen. Wir machen es ihnen möglichst einfach, indem wir schlicht und ergreifend, gerade mit Blick auf Herbst und Winter, weiterhin aufeinander aufpassen. Die AHA-Formel ist vielleicht banal; aber sie ist sehr wirksam. Sie ist die beste, die schärfste Waffe, die wir gegen dieses Virus haben: Abstand halten, Hygieneregeln achten, Alltagsmasken im geschlossenen Raum, insbesondere dort, wo der Abstand nicht immer gewährleistet ist. Wenn ich höre: „Ich bin ein freier Mensch, ich trage keine Maske“, dann sage ich immer: Ich trage die Maske aus freier Entscheidung, weil Freiheit für mich immer auch heißt, die Freiheit und Gesundheit des anderen zu achten. ({4}) Das ist der Grund, warum man die Maske trägt: um andere zu schützen, nicht, weil man zuerst an sich denkt. Es geht zweitens darum, da anzupacken, wo im Gesundheitswesen Aufholbedarf sichtbar geworden ist. Das sehen wir einmal mehr bei der Digitalisierung und dem Datenaustausch. Die Faxmeldung vom Labor ans Gesundheitsamt ist nicht Legende, sondern Realität gewesen – viel zu lange, bis in diese Pandemie hinein. Wir haben es geschafft, in drei Monaten mehr an Digitalisierung, an Datenaustausch im Gesundheitswesen zu ermöglichen, auch zwischen den Laboren und den Gesundheitsämtern, als es vorher wegen verschiedener Blockaden in zehn Jahren möglich war. Das zeigt: Wenn man es richtig macht, ist eine solche Krise zumindest auch eine Chance, gewisse Blockaden und Türen zu überwinden. Darum geht es auch bei dem, was wir gesundheitspolitisch weiter vorhaben. Wir wollen, dass zum 1. Januar 2021, also in drei Monaten – das ist nicht mehr so weit hin –, endlich die elektronische Patientenakte startet. Nach 15 Jahren Debatte geht es am 1. Januar endlich los. ({5}) – Das ist Grund zur Freude; das stimmt. – Es geht ja bei der Digitalisierung nicht um einen Selbstzweck. Es geht darum, für die Bürgerinnen und Bürger, die Patientinnen und Patienten, aber auch für alle, die im Gesundheitswesen tätig sind, den Alltag leichter zu machen, weil Informationen verfügbar sind, weil sicheres Kommunizieren leichter möglich ist, weil es Unterstützung gibt. Diese elektronische Patientenakte wird nicht vom ersten Tag an alles können; sie wird nicht vom ersten Tag an perfekt sein. Bei Datenschutz und Datensicherheit wird sie bestmöglich sein. Und in den konkreten Anwendungen wird sie sich natürlich Zug um Zug immer weiter verbessern. Aber wir müssen endlich irgendwann mit den ersten Anwendungen anfangen. Das E-Rezept, das elektronische Rezept für Arzneimittel, kommt dann im Laufe des Jahres 2021 dazu. Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht dabei nicht nur um Digitalisierung im Gesundheitswesen und um eine elektronische Patientenakte. Es geht darum, mitzugestalten und auch mitzuprägen, darum, dass wir einen eigenen Weg gehen zwischen dem Überwachungsstaat chinesischer Prägung und dem Überwachungskapitalismus, den wir in den USA sehen, wo am Ende die Konzerne die Daten sammeln. Es geht hier auch um ein ganzes Stück europäischer Souveränität im Gesundheitswesen, dass wir so etwas bei uns entwickeln. Deswegen ist dieses Projekt so wichtig für die 20er-Jahre und für unsere Zukunft. ({6}) Es geht darum, dass wir bei den Fachkräften unseren Kurs fortsetzen, den wir schon in den letzten zweieinhalb Jahren begonnen haben, nämlich nach und nach alle Gesundheitsberufe in ihren Inhalten, in ihrer Ausprägung und Ausgestaltung zu überarbeiten. Manche Gesundheitsberufe sind zum letzten Mal 1974 oder 1980 inhaltlich überarbeitet worden. Seitdem ist, jedenfalls nach Gesetzeslage, in der Lehre nichts weiterentwickelt worden – in der Praxis, im Alltag natürlich schon. Gleichwohl wollen wir diese Berufe weiterentwickeln, so wie wir es bei den PTAs für die Apotheken getan haben, so wie wir es gerade auch bei den MTAs tun, den Medizinisch-Technischen Assistenten, die übrigens in dieser Pandemie in den Laboren jeden Tag einen Riesenjob machen. Das ist auch so ein Bereich, der gar nicht immer im Blick ist. Ohne die vielen Beschäftigten in den Laboren, die jedes Wochenende und jeden Tag Überstunden machen, damit die Ergebnisse schnell da sind, wären wir bis jetzt nicht so gut durchgekommen. Deswegen halte ich es für ein wichtiges Zeichen, dass wir genau diesen MTA-Beruf jetzt überarbeiten, das Schulgeld endlich abschaffen und die Ausbildungsvergütung für diesen Beruf einführen. ({7}) Das setzen wir in anderen Bereichen fort. Wir haben in der Pflege zusätzliche Stellen geschaffen, in der Krankenpflege wie in der Altenpflege, und auch was die Pflegefachkraftstellen angeht, und zwar etwa 13 000. Ja, ich weiß, sie sind noch nicht alle besetzt. Aber der qualitative Unterschied ist: Das Geld dafür ist da. Vorher war kein Geld da. Jetzt ist das Geld da, und die Stellen können nach und nach besetzt werden wie die 20 000 Stellen für Pflegeassistenzkräfte in den Pflegeeinrichtungen. Wir werden die Gesundheitsberufe in den nächsten Monaten weiterentwickeln, den Pflegeberuf in den Inhalten und die Approbationsordnung für die Ärztinnen und Ärzte, weil wir in dieser Pandemie sehen: Gut ausgebildete Menschen, Fachkräfte im Gesundheitswesen sind genau das, was uns in dieser Krise stark macht. Dann geht es um die solide Finanzierung, und da braucht es eine gut austarierte Balance, die Verantwortung des Einzelnen und der Familie in Balance zu bringen mit der Verantwortung der Gesellschaft und uns als Solidargemeinschaft. Wir werden deshalb in Kürze die Eckpunkte für eine Pflegereform vorstellen, die genau diese Fragen adressiert: wie wir 25 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung eine neue, eine richtige Balance für die 20er-Jahre, auch aus den Erfahrungen der letzten Jahre, finden zwischen der Verantwortung, auch der finanziellen Verantwortung, des Einzelnen und der Familien und der Gesellschaft als Solidargemeinschaft und wie wir damit die Pflege, auch aufgrund der Erfahrungen aus den letzten Monaten, fitmachen für die 20er-Jahre. Aber es geht eben auch insgesamt um die Investitionen in die Zukunft im Gesundheitswesen, in unsere Zukunft, in die Zukunft der 20er-Jahre. Und dabei ist mir eines wichtig: dass wir die Ausgaben im Bereich der Gesundheit nicht immer nur als „Kosten“ diskutieren. Ja, sie sind bei den Lohnnebenkosten ein wichtiger Faktor, und wir wollen sie – das ist unsere Garantie – im nächsten Jahr unter 40 Prozent halten, gerade auch in dieser Wirtschaftskrise. Aber wir haben doch gerade in dieser Krise erlebt, dass eine starke Wirtschaft, eine Wirtschaft, die schneller wieder beginnen kann, Zug um Zug in einen Alltagsbetrieb zurückzukehren, nur gut gelingen kann, wenn es auch ein starkes Gesundheitswesen gibt. Das bedingt einander. ({8}) Es ist daher wichtig, die Ausgaben in den Bereichen Gesundheitswesen und Pflege nicht nur als Kosten zu sehen, sondern als Investitionen in die Zukunft und als eine Versicherung, als etwas, was uns auffängt und schützt vor Krankheit und Pflege in der persönlichen Krise, aber eben auch in der gesellschaftlichen Gesundheitskrise einer Pandemie. Zugleich geht es darum, solide Staatsfinanzen zu haben – auch das ist eine Voraussetzung; das haben wir erlebt –, um Schocks wie eine solche Pandemie auszuhalten. Da die Balance zu finden zwischen den richtigen Investitionen in die Zukunft, dem, was auch an Ausgaben notwendig ist für ein starkes Gesundheitswesen, und dem, was gleichzeitig an Maßhalten und Wirtschaftsimpulsen wichtig ist, um solide Staatsfinanzen zu haben, darum geht es bei diesen Haushaltsberatungen. Wir wollen im Einzelplan 15 – Bundesministerium für Gesundheit – unseren Beitrag dazu leisten. ({9})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Herr Minister. – Der nächste Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Detlev Spangenberg. ({0})

Detlev Spangenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004898, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir von der AfD sehen eine exorbitante Neuverschuldung für Deutschland und hohe Steuerausfälle, nicht durch das neue Coronavirus selbst, sondern durch überzogene Maßnahmen und mangelnde Abschätzung der Bundesregierung verursacht. Steuerausfälle wirken sich genauso negativ auf das Gesundheitssystem aus wie auf die sonstige Wirtschaft. Bis über 2040 hinaus ist die zusätzliche hohe Neuverschuldung abzutragen, dies allein durch das schlechte Regierungshandeln in nur einem einzigen Jahr, meine Damen und Herren. Es ist fraglich, ob eine einmalige Einzahlung in 2021 zur Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge wegen Covid-19 in Höhe von 5 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds ausreichen wird. Bei dem Schaden für die Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt werden solche Stabilisierungsmaßnahmen sicherlich wiederholt nötig sein. Die Rücklagen der gesetzlichen Krankenkassen. Ihre Festlegung, die Krankenkassen zu verpflichten, ihre Reserven in den Gesundheitsfonds zu überführen, stellt eine faktische Enteignung dar, die der häufig postulierten Selbstverwaltung widerspricht. Es geht hier um zwei Drittel der Reserven oberhalb von 0,4 Monatsausgaben. Da sage ich eines: Wenn diese Rücklagen schon als zu hoch eingeschätzt werden, sollte dies den Versicherten zugutekommen. Diese allein hätten einen Anspruch auf dieses Geld. ({0}) Weiterhin: Ein wichtiges, nicht erledigtes Problem ist die seit Jahren andauernde Belastung durch die Unterdeckung der Leistungsausgaben der Krankenkasse für Bezieher von ALG-II-Leistungen. Nach dem Koalitionsvertrag sollte dies angegangen werden; geschehen ist bisher nichts. Es geht hier zum Beispiel um die Zahlung der ALG-II-Empfänger, die Leistungen aus der GKV in Höhe von durchschnittlich 280 Euro monatlich erhalten. In den Gesundheitsfonds werden aber nur circa 100 Euro pro Leistungsempfänger eingezahlt. Das heißt, anstatt diese Leistung aus dem Steueraufkommen zu bezahlen, müssen die GKV-Versicherten dieses größtenteils übernehmen. ({1}) Das halten wir für falsch. Krankenhausfinanzierung, Titel 636. Die Situation der Krankenhäuser ist Dauerthema. Dabei wird die mangelnde Finanzierung durch die Bundesländer zwar kritisiert. Sie aber helfen mit einer Finanzspritze von 3 Milliarden Euro. Hier könnte allerdings der Verdacht aufkommen, dass – gemäß dem alten deutschen Sprichwort – Krähen sich nicht gegenseitig die Augen aushacken; sprich: In den Landesparlamenten und Landesregierungen sitzen ja Ihre eigenen Parteifreunde; deswegen läuft es scheinbar so gut. Private Pflegezusatzversicherung. Eigentlich müssten Sie sich schämen, einen derartigen Titel überhaupt einzustellen. 60 Euro im Jahr bieten Sie den Bürgern als Unterstützung für die eigene Pflegevorsorge an – 60 Euro im Jahr! Bis zum Eintritt der Pflege sind das circa 3 000 Euro, die Sie den Menschen als Zuschuss geben, die dieses Land als Steuerzahler erhalten haben – 3 000 Euro! Ich hatte diesen Titel schon im letzten Haushalt kritisiert. Dagegen kostet uns – jetzt können Sie sich aufregen – ein unbegleiteter Jugendlicher circa 5 000 Euro monatlich. Der Skandal dabei ist, dass Eltern ihre Kinder in Nussschalen über das Meer schicken. Diese gehören verurteilt, und ihnen gehört das Erziehungsrecht entzogen. Das sage ich in aller Deutlichkeit, meine Damen und Herren. ({2}) Fragwürdig ist auch die Aufwendung für die Ausbildung im Pflegeberuf im Ausland. Wir entziehen anderen Ländern Arbeitskräfte, konterkarieren damit Entwicklungshilfe und schaffen uns zusätzlich noch kulturelle Probleme durch den Familiennachzug. WHO und andere internationale Organisationen. Die Zahlungen an die WHO und andere internationale Organisationen steigen um fast 20 Millionen Euro auf 139,6 Millionen Euro an. Auch die zugesagten Zuwendungen bis 2025 von 600 Millionen Euro an die Impfallianz GAVI sind von fragwürdigem Nutzen. Was erhält unser Land für diesen Betrag? Ich weiß es nicht. Die GAVI ist der drittgrößte Geldgeber der WHO. Beide stehen unter dem Vorwurf, intransparent zu arbeiten, und die WHO entfernt sich mittlerweile von dem Anspruch, eine unabhängige supranationale Organisation zu sein. ({3}) Sie steht inzwischen für Interessenvertretungen, auch von Pharmakonzernen. In den Beiträgen der EU wie auch der UN an die WHO sind zusätzlich ebenfalls deutsche Beitragszahlungen erhalten. Ich frage Sie: Warum muss Deutschland immer zu den größten Beitragszahlern im internationalen Vergleich gehören? Ich kann es nämlich nicht mehr hören, dass Deutschland immer dazu in der Lage ist, zu bezahlen, meine Damen und Herren. Versicherungsfremde Leistungen. Diesen Titel dürfte es gar nicht geben – eine Position, die ich als disponiblen Ersatzhaushalt für Wahlgeschenke betrachte. ({4}) Leistungen wie beispielsweise Empfängnisverhütung und künstliche Befruchtung müssten vollständig aus dem Steueraufkommen finanziert werden, nicht aber von den Versicherten der GKV. Man geht hier von circa 35 Milliarden Euro per annum aus, die die gesetzlich Versicherten einseitig für die Allgemeinheit aufbringen müssen. Meine Damen und Herren, als Fazit kann ich nur sagen: Ein Haushaltsplan zulasten der Versicherungsnehmer in Bezug auf ausländische Zahlungen – eine ungerechtfertigte Belastung der deutschen Bevölkerung. Vielen Dank. ({5})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die Fraktion der SPD hat als Nächstes das Wort die Kollegin Sabine Dittmar. ({0})

Sabine Dittmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004261, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Ich denke, der Großteil dieses Hauses ist sich einig: Die Coronapandemie hat uns eines gezeigt: Unser Gesundheitssystem arbeitet gut, es arbeitet zuverlässig, und es arbeitet auf einem qualitativ hohen Niveau. ({0}) Ich möchte deshalb die Haushaltsdebatte auch dafür nutzen, um allen Beschäftigten im Gesundheitsbereich zu danken, egal ob sie im Krankenhaus, im ambulanten Bereich, im Seniorenheim tätig sind. Danke, dass Sie für die Patientinnen und Patienten Tag für Tag mit Rat und in erster Linie mit Tat da sind! ({1}) Meine Damen und Herren, sicher werden wir zum gegebenen Zeitpunkt Resümee ziehen, was in der Krise gut funktioniert hat und wo nachgebessert werden muss. Da kristallisieren sich jetzt schon einige Tätigkeitsfelder heraus. Ich nenne nur Schutzausrüstung und Öffentlicher Gesundheitsdienst. Beides haben wir bereits angepackt. Den Aufbau einer nationalen Reserve an medizinischer Schutzausrüstung werden wir mit 1 Milliarde Euro unterstützen. Und den Öffentlichen Gesundheitsdienst als tragende Säule in der Pandemiebekämpfung werden wir mit dem Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst mit 4 Milliarden Euro stärken. Die Gelder sollen vor allem für die Personalsituation und für die IT-Ausstattung verwendet werden. ({2}) Meine Damen und Herren, was aber auch zum Ausdruck kam, sind die großen Defizite bei der Digitalisierung. 40 Prozent unserer Krankenhäuser arbeiten kaum digital; damit bleiben unsere Krankenhäuser weit hinter dem europäischen Durchschnitt zurück. Hier müssen wir besser werden. Deshalb war es richtig und wichtig, dass wir vor 14 Tagen das Krankenhauszukunftsgesetz verabschiedet haben. Wir haben damit die gesetzliche Grundlage geschaffen, um im Haushalt 2021  3 Milliarden Euro für Investitionen in eine moderne digitale Krankenhausausstattung zur Verfügung stellen zu können. ({3}) Fakt ist, dass wir Corona bisher besser als die meisten Länder bewältigt haben – das sage ich, wie auch der Minister, nicht mit Stolz, sondern mit sehr viel Demut –, weil wir schnell und entschieden gehandelt haben. Wir sind uns aber auch einig, dass es sich hier um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt und wir nicht allein die Beitragszahler zur Kasse bitten können. Deshalb ist es richtig, dass unser Finanzminister alles getan hat, um die Lasten der Pandemie gerecht zu verteilen. Zur Bewältigung der coronabedingten Mehrausgaben sind bereits 2020  3,5 Milliarden Euro zusätzliche Bundesmittel an den Gesundheitsfonds geflossen. Damit wurden in erster Linie Intensivbetten und Tests finanziert, aber auch die wichtigen Schutzschirme für Heilmittelerbringer, Sozialdienste und Rehabilitationseinrichtungen. Natürlich werden wir auch prüfen, welche Maßnahmen und Schutzschirme verlängert oder angepasst werden müssen. Hier habe ich ganz besonders die Rehabilitationseinrichtungen oder Einrichtungen für Mutter-Vater-Kind-Kuren im Blick. ({4}) Im Haushalt 2021 erreicht der Bundeszuschuss mit fast 20 Milliarden Euro eine nie dagewesene Höhe, und auch die zusätzlichen 5 Milliarden Euro decken nach heutigem Kenntnisstand die pandemiebedingten Zusatzausgaben der Krankenversicherungen. Zur Stabilisierung der Krankenversicherungsbeiträge plant nun der Minister bzw. die Bundesregierung, neben dem Bundeszuschuss auch 8 Milliarden Euro von den 20 Milliarden Euro Rücklagen der Kassen zum Einsatz kommen zu lassen. Ich gebe zu: Das ist nicht schön. Ich kann den Unmut von vielen Verwaltungsräten in der gesetzlichen Krankenversicherung verstehen. Das ist ein Eingriff in die Finanzautonomie, der sehr tiefgehend ist und der unter normalen Bedingungen sicher nicht zu dulden wäre. Aber die Alternative wäre eine Verdoppelung der Zusatzbeiträge, und ich bin davon überzeugt, dass eine solche Beitragssteigerung jetzt, in der Krise, mit Blick auf die notwendige konjunkturelle Erholung ein falsches Signal wäre. ({5}) Jetzt, Kolleginnen und Kollegen, ist Solidarität gefragt. Aber die Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung endet – im Gegensatz zur privaten Krankenversicherung – eben nicht an der eigenen Haustür. Die gesetzlichen Krankenkassen bilden insgesamt eine leistungsfähige Solidargemeinschaft, die sich auf 70 Millionen Versicherte erstreckt. Diese Solidarität fordere ich auch von der PKV, von der privaten Krankenversicherung, wenn es darum geht, die Lasten gerecht zu verteilen. ({6}) Denn von den getroffenen Maßnahmen und Investitionen, seien sie nun pandemiebedingt oder Resultat unserer gesundheitspolitischen Gesetzgebung, profitieren alle Bürgerinnen und Bürger. Kolleginnen und Kollegen, wir haben viele gute Gesetze auf den Weg gebracht, aber, sehr geehrter Herr Minister, für die SPD sind zwei Themen noch besonders wichtig. Das ist zum einen die Reform der Notfallversorgung; denn es ist notwendig, dass Patientinnen und Patienten abhängig von der Schwere ihrer Erkrankung in der richtigen Versorgungsebene behandelt werden. Das Zweite ist der Bereich der Pflege. Hier müssen Sie in dieser Legislaturperiode noch liefern. Wir müssen dringend die Eigenanteile der Bewohner der Pflegeheime begrenzen, das Angebot der Kurzzeitpflege ausweiten und die Leistungen in einem Entlastungsbudget zusammenführen. ({7}) Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, ich denke, Corona wird die Agenda der Gesundheitspolitik weiter bestimmen. Wir alle wissen nicht, was im Herbst und im Winter auf uns zurollt. Die aktuellen Zahlen, auch mit Blick auf das europäische Ausland, sind mehr als beunruhigend. Wir müssen alles dafür tun, das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu halten. Deshalb begrüße ich auch die Beschlüsse von Bund und Ländern. Ich sage Ihnen eines: Wir sind jetzt alle gefordert, das gemeinsam Erreichte nicht zu gefährden. Deshalb: Achtsam bleiben, Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz tragen, die Hygieneregeln einhalten und nicht in Risikogebiete reisen. Ich denke, das hilft. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({8})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Frau Kollegin Dittmar. – Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Karsten Klein. ({0})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister Jens Spahn, Ihr Etat ist in diesem Jahr um 170 Prozent auf 41,3 Milliarden Euro gesteigert worden; nächstes Jahr sollen es 24,3 Milliarden Euro sein. In normalen Zeiten würde man sagen: ordentlicher Zuwachs. – Aber ich glaube, wir würden alle gemeinsam lieber auf den Grund für diese Steigerung verzichten. ({0}) Umso wichtiger sind jetzt natürlich die Mittelbereitstellungen, um gegen die Krise anzukämpfen, um das Coronavirus einzudämmen und um die Voraussetzungen zu schaffen, dieses Virus zu händeln. Das gilt auch für den Bereich der internationalen Gesundheitsversorgung und ‑zusammenarbeit. ({1}) Sie wissen, Herr Minister, dass Sie uns da voll an Ihrer Seite haben. Ich hätte von dem Kollegen der AfD heute eigentlich eine Entschuldigung erwartet. Sie haben in den letzten Haushaltsberatungen immer wieder den Antrag gestellt, die internationalen Mittel für die Gesundheitszusammenarbeit, um gemeinsam Pandemien zu bekämpfen, zu impfen usw., zu streichen. Was braucht es denn noch mehr als eine solche Krise, damit wir diese Mittel in den Bundeshaushalt einstellen? Schauen Sie sich doch die Bilder im Fernsehen an! Was braucht es denn noch mehr, um zu verstehen, dass es nötig ist, auf internationaler Basis gemeinsam gegen solche Krankheiten zu kämpfen? ({2}) Und dann stellt sich der Kollege Spangenberg heute hierher und erzählt wieder die Geschichte, wie unnötig diese Mittel sind und dass sie gestrichen werden müssten. Ich kann Ihnen eines sagen: Wir werden sehr genau beobachten, wie Sie sich in den Haushaltsberatungen verhalten. Und wenn Sie wieder die Mittelstreichung beantragen, dann ist das nur ein zusätzlicher Beweis dafür, dass Sie kein Interesse daran haben, wie es den Menschen in diesem Land geht. ({3}) Sehr geehrter Herr Minister, in dieser Krise wird zu Recht immer viel über die Helden und Heldinnen gesprochen, die ihren Dienst verrichtet haben; aber zu diesen Heldinnen und Helden gehören auch die Apothekerinnen und Apotheker. Wir hätten uns, ehrlich gesagt, heute von Ihnen auch ein Wort zum Thema „Insolvenz des Rezeptabrechners AvP“ gewünscht. ({4}) 3 500 Apothekerinnen und Apotheker sind unverschuldet in eine Notlage geraten. Sicher ist es richtig, hier Aufklärung zu betreiben und Fragen zu stellen wie: Welche Rolle hat die Commerzbank gespielt? Wie verhält es sich mit den Geldern der Krankenkassen und der Treuhandkonten? Welche Rolle hat die BaFin gespielt? – Die Staatsanwaltschaft ist schon eingeschaltet, und die Ermittlungsbehörden ermitteln. Diese Aufklärungsarbeit, Herr Minister, hilft aber den Apothekerinnen und Apothekern nicht akut. Deshalb befürworten wir in dieser akuten Phase die Forderung der Apothekerinnen und Apotheker nach zinslosen Darlehen von den Förderbanken, um unverschuldet in Not geratene Apotheker zu schützen. ({5}) Sehr geehrter Herr Minister, sicher ist es sinnvoll – die Kollegin Dittmar hat es zu Recht angesprochen –, sich schon in der Krisenphase darüber Gedanken zu machen, wie die Strukturen angepasst werden müssen und was man tun muss, um in der Zukunft besser auf solche Krisen vorbereitet zu sein. Deshalb befürworten wir im Grundsatz die 3 Milliarden Euro für das Krankenhauszukunftsgesetz, die in diesem Haushalt eingestellt sind. Wir begrüßen grundsätzlich auch, dass Sie Geld für Digitalisierung zur Verfügung stellen. Da herrscht ein großer Nachholbedarf bei den Krankenhäusern. Aber, Herr Minister, durchaus kritisch sehen wir, dass Sie eine Förderquote von 70 Prozent ausreichen wollen; denn wir haben hier ein grundsätzliches Problem: Eigentlich sind die Investitionsausgaben, also die Förderung von Investitionen im Krankenhausbereich, im Krankenhausbau, Sache der Bundesländer. Wir haben einen Bundesrechnungshofbericht vorliegen, der sehr genau und detailliert beschreibt, welchen Verpflichtungen die Länder in den letzten Jahren nicht nachgekommen sind. Da klafft eine Förderlücke in Höhe von 4 Milliarden Euro pro Jahr – fehlende Gelder, die die Länder nicht zur Verfügung stellen. Darüber müssen wir gemeinsam in der schönen Bundesrepublik reden. Wenn die Ministerpräsidenten in dieser Krise zu Recht von den Bürgerinnen und Bürgern eine Verantwortung einfordern, dann, finde ich, sollten auch Sie Ihre Verantwortung wahrnehmen. Und das bedeutet, die Krankenhausfinanzierung im Investitionsbereich auskömmlich und ausreichend auszustatten. Darüber müssen wir in den nächsten Monaten intensiv diskutieren. Die FDP-Fraktion ist der Meinung, dass wir dazu eine Reform auf den Weg bringen müssen. Wir haben zu diesem Thema auch schon Anträge eingebracht. Ich setze darauf, Herr Minister, dass Sie unseren Anträgen in dem Bereich zustimmen, damit wir gemeinsam die Gesundheitsstrukturen vor Ort verbessern können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Kollege Klein. – Einmal kurz das Rednerpult desinfiziert, und schon kommt die nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, darunter viele im Gesundheitsbereich, kämpfen für eine bessere Bezahlung, und das zu Recht. ({0}) Wir als Linke sind mit ihnen solidarisch. Bundesinnenminister Seehofer als Verhandlungsführer des Bundes hat ja heute Morgen ein faires Angebot angekündigt. Ich hoffe, dass das kein leeres Versprechen ist. Das Angebot muss schnell kommen und wirklich fair sein, meine Damen und Herren. ({1}) In dieser Woche ist häufig betont worden, wie gut Deutschland bisher durch die Krise gekommen sei. Aber wir müssen uns alle sagen: Für Selbstzufriedenheit besteht kein Anlass! ({2}) Die Coronapandemie ist immer noch ein Stresstest für unser Gesundheitssystem, für unsere Gesellschaft insgesamt. Wir haben in dieser Krise doch besonders deutlich gesehen: Ein Gesundheitssystem darf nicht am Profit orientiert sein. ({3}) Erinnern wir uns: Was sich nicht rechnete, wurde per Fallpauschale wegrationalisiert. Das war ein schwerer Fehler. Die Fallpauschalen sind ein Irrweg, meine Damen und Herren. ({4}) Pflegerinnen und Pfleger berichten uns, wie angespannt die Situation für sie ist. Ich zitiere aus einem Interview mit Anja Voigt, einer Krankenpflegerin auf einer Intensivstation. Sie sagt: Ich habe das Gefühl, wir arbeiten seit April in einem Dauer-Hamsterrad. … ich habe das Gefühl, es ist wie am Anfang der Krise. Ich finde, wir sind es diesen Menschen im Gesundheitssystem schuldig, dass wir ihre Situation verbessern, und zwar deutlich, entschieden und im Ergebnis mit einer besseren Bezahlung, meine Damen und Herren. ({5}) In der Krise, Herr Spahn, versuchen Sie nun, Fehler mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu beheben. Das beste – oder vielmehr: schlechteste – Beispiel: Die Beschaffung von Schutzausrüstung im sogenannten Open-House-Verfahren hat zu erheblichen Turbulenzen geführt. Beim Landgericht Bonn sind fast 50 Klagen auf Bezahlung der Ware anhängig. Auch vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ist ein Streit darüber anhängig, ob es bei der Direktvergabe der Vertragsabwicklung an Ernst & Young – Volumen immerhin 9,5 Millionen Euro – mit rechten Dingen zugegangen ist. Ernst & Young und die anderen Wirtschaftsprüfergesellschaften haben gigantische Honorare von der Bundesregierung bekommen und dann, in der Praxis, jämmerlich versagt. Die vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben in den vergangenen fünf Jahren allein vom Bund Aufträge in Höhe von 400 Millionen Euro erhalten. Herr Spahn, ich sage Ihnen: Sie sollten mehr Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Ministerium vertrauen als windigen Unternehmensberatern. ({6}) Und: Weitsicht ist immer besser als Hektik. Hektik wird immer teuer. Das haben wir jetzt gesehen. Erinnern wir uns: Seit 2012, also seit acht Jahren, liegt dem Bundestag eine Risikoanalyse des Robert-Koch-Instituts „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ vor. ({7}) Seit 2005 gab es einen Pandemieplan für die Bundesrepublik. In der DDR – wir reden ja jetzt so viel über deutsche Einheit – ({8}) gab es den schon seit 1970, und zwar als Konsequenz aus einer Grippewelle im Jahr 1968. Im Jahr 1973 wurde das Institut für Angewandte Virologie in Berlin-Schöneweide gegründet, und in der Wendezeit hatte man nichts Besseres zu tun, als es zu schließen. Welche Arroganz, welch kurzsichtiges Verhalten! Wir hätten es jetzt gut gebraucht, meine Damen und Herren. ({9}) Mit vielen Vorschusslorbeeren wurde ja die Corona-App eingeführt. Ich habe sie mir auch heruntergeladen, Herr App – – ({10}) Entschuldigung, Herr Spahn. Der „Stern“ hat in den Gesundheitsämtern des Landes nachgefragt. Der Leiter des Gesundheitsamtes in Reinickendorf sagte ein Vierteljahr nach Einführung der App – ich zitiere –: Die App spielt nicht die leiseste Rolle hinsichtlich der Eindämmung, Aufklärung oder Erhellung des Infektionsgeschehens. Für uns als Gesundheitsamt ist sie, um es deutlich zu sagen: vollkommen überflüssig. Wir fordern: Der öffentliche Gesundheitsdienst muss deutlich gestärkt werden! Das muss doch die Lehre sein, meine Damen und Herren. ({11}) Aber, Herr Spahn – jetzt kommt ein Lob –, Sie sind auch lernfähig. Unsere Forderung nach einem Investitionsprogramm für Krankenhäuser, die wir schon seit zehn Jahren in diesem Haus stellen, haben Sie nun endlich übernommen. Das ist gut so, und so sollten Sie auch weitermachen. Übernehmen Sie die Vorschläge der Linken; das kann nur gut sein. ({12}) Meine Damen und Herren, wir wollen vor der Bundestagswahl wissen, wer die Rechnung bezahlen soll. Zusatzbeiträge der Krankenkassen halten wir übrigens für eine ganz schlechte Idee. Wir fordern eine Vermögensabgabe für Milliardäre und Millionäre. Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit! ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Rednerin ist Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! In der Tat, unser Gesundheitssystem ist sehr beansprucht worden. Man kann es auch einfach so sagen: Unser Gesundheitssystem hat sehr viel geleistet in den letzten Monaten. Das hat viel Anerkennung und viel Dankbarkeit gefunden. Diese Dankbarkeit, glaube ich, teilen wir alle hier, vor allem gegenüber den Beschäftigten. ({0}) Aber wenn das so ist, dann müssen wir uns ja auch fragen: Was folgt daraus für die Politik? Auch in der Verwaltung ist sehr viel gearbeitet und Wichtiges geleistet worden. Aber was folgt daraus für die Politik, die wir den Rahmen zu gestalten haben? Herr Minister, Sie haben von finanzieller Solidität gesprochen. Jedoch müssen wir feststellen, dass die gesetzliche Krankenversicherung – ich komme auch noch auf den Haushalt zu sprechen – ein finanzielles Defizit historischen Ausmaßes aufweist. Wenn die gesetzliche Krankenversicherung ein Defizit von geschätzt mehr als 16 Milliarden Euro hat, dann heißt das: Dieser Rahmen ist überhaupt nicht gut gesetzt. Das ist das Gegenteil von Solidität. ({1}) Dieses Defizit kann im Übrigen nicht nur auf Corona geschoben werden. Es gibt Abschätzungen, dass es auch ohne die Coronapandemie ein Defizit von immerhin 5,5 Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung geben würde. Wir haben es mit einem strukturellen Defizit zu tun, und ich muss leider auch noch sagen: mit einem wachsenden strukturellen Defizit. Das ist eigentlich eine Handlungsaufforderung an Sie, Herr Spahn. ({2}) Diese Lücke ist auch entstanden durch Gesetze, die Sie veranlasst haben. Ich darf da das Terminservice- und Versorgungsgesetz nennen. Sicherlich mit guten Zielen, aber das verursacht Kosten in Höhe von über 3 Milliarden Euro; wir haben das kritisiert. Deswegen muss klar sein: Wir haben wachsende Finanzierungslücken in der gesetzlichen Krankenversicherung, die die Politik mitverursacht hat. ({3}) Ich möchte, dass wir über diese Situation offen reden. Sie können sich dem nicht entziehen, dass Sie mit Ihrer Politik eine unverantwortliche Situation hinterlassen, auch für die Menschen, die in dem Bereich arbeiten, und für die Menschen in unserer Gesellschaft, ({4}) die erwarten, dass die gesetzliche Krankenversicherung und der Gesundheitsbereich auf soliden Beinen stehen. ({5}) Sie haben keine Antworten dafür. Das ist das Problem. Als es jetzt darum ging: „Wie füllen wir diese 16-Milliarden-Euro-Lücke?“, da haben Sie entschieden – da gehen wir mit – – ({6}) – Hören Sie doch mal zu. Können Sie den Herrn mal um Ruhe bitten? ({7}) Ich möchte hier gerne mal in Ruhe sprechen. ({8}) – Ich gebe doch gerade eine Antwort. ({9}) Wir nehmen 8 Milliarden Euro aus den Rücklagen der gesetzlichen Krankenversicherung. – Das schlagen Sie vor, das finden wir vertretbar. Dann schlagen Sie aber vor, dass zusätzliche 3 Milliarden Euro durch Zusatzbeiträge zu erwirtschaften sind. Damit würden wir in der Schieflage landen, dass von den 16 Milliarden Euro 11 Milliarden durch die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler geleistet werden, und das finden wir falsch. ({10}) Wir hätten uns in diesem Jahr einen höheren Beitrag aus dem Bundeshaushalt geleistet. Anscheinend sind Sie ja dagegen. Ich wollte zur Entlastung von Herrn Spahn noch sagen: Das ist auch die Verantwortung des Bundesfinanzministers. Ich hätte eine andere Balance richtig gefunden. Vielleicht müssen Sie mit den Kollegen in Ihrer Fraktion noch mal ein aufklärendes Gespräch führen. ({11}) Das Problem ist, dass sich diese geschätzte Lücke von 16 Milliarden Euro im kommenden Jahr leider strukturell auch in der Finanzplanung niederschlägt. Herr Spahn, das ist natürlich ein ganz schöner Batzen. Wenn wir dann sehen, dass gemäß Finanzplan schon ab 2022 die Ausgaben im Haushalt wieder auf – – ({12}) – Geht das ein bisschen leiser, wenn man hier debattiert? – Danke schön. ({13}) In den Haushalten 2022, 2023 und 2024 sind die Kosten mit 16 Milliarden Euro angesetzt; das sind noch mal 8 Milliarden Euro weniger als im Haushalt 2021. Wir haben es in der Finanzplanung also mit einer massiven Unterfinanzierung zu tun, und ich spreche das hier heute an, weil ich finde, dass über diese Unterfinanzierung jetzt geredet werden muss. Das kann man nicht auf die Zeit nach dem Wahltag verschieben. ({14}) Dasselbe Problem haben wir tatsächlich auch im Krankenhausbereich; der Kollege Klein hat das angesprochen. Auch dort stehen Reformen an, bei denen es sicherlich um eine Austarierung der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern gehen muss. Der Bundesrechnungshof hat das angemahnt. Ich will gerne zum Schluss kommen, Frau Präsidentin; aber die Geräuschkulisse hat mich jetzt ein bisschen Konzentration gekostet.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Deswegen habe ich Ihnen ja eine halbe Minute draufgegeben. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist nett. – Ich komme trotzdem gleich zum Schluss. Zumindest müsste man sich jetzt darauf vorbereiten und Gespräche darüber führen: Wie soll in Zukunft bei der Krankenhausfinanzierung die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern erfolgen? Man muss die Krankenhäuser und das Gesundheitssystem, das mit der Pandemie zu kämpfen hat, damit jetzt nicht unmittelbar belasten. Aber politisch müssen diese Reformen benannt und vorbereitet werden, damit wir ohne Lücke auch ab dem Jahr 2022 eine gute Gesundheitspolitik haben. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich will noch einmal sagen: Die Finanzierung der Gesundheitsversorgung steht auf kippeligen Beinen, und das steht im krassen Widerspruch zu der positiven Erwartung, die die Menschen an dieses System haben. Sie als Regierung tragen die Verantwortung dafür, das zu lösen. Schönen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Karin Maag für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Karin Maag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004104, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mal so anfangen: Corona drängt ja wieder dramatisch in unseren Alltag zurück. Seit Ende Juli steigen die Infektionszahlen wieder, und neue Einschränkungen sind notwendig. Allerdings – und das ist jetzt etwas, was wir unter dem Stichwort „Lessons learned“ ablegen können – können wir heute auf bereits Erlerntes aus der Krisenzeit zurückgreifen und deswegen schneller, passgenauer und zielgerichteter reagieren. In diesem Spannungsbogen bewegt sich auch der Haushalt im Einzelplan 15. Die Digitalisierung hat durch Corona einen Schub erfahren und hohe Akzeptanz in der Bevölkerung generiert. Es gibt zum Beispiel 25 000 Arztpraxen, die Videosprechstunden anbieten. 18 Millionen Menschen haben die Corona-Warn-App heruntergeladen. Wir haben ein DIVI-Register, das Auskunft über Intensivbetten in Deutschland gibt – wahrlich ein krisentaugliches Instrument. Die Krise hat aber genauso offengelegt, dass wir im gesamten Gesundheitswesen, gerade bei der Digitalisierung, dranbleiben und zügig weiter ausbauen müssen. Jetzt bin ich bei den Krankenhäusern, die hier schon mehrfach Thema waren. Wir haben mit dem Krankenhauszukunftsgesetz eine moderne Dokumentation, Hightechmedizin, Robotik, Cybersicherheit und auch moderne Notfallstrukturen adressiert. 3 Milliarden Euro stellen wir den Ländern zur Verfügung. Weiteres Zuwarten, Frau Hajduk, Herr Klein, wäre absurd. Wir führen diese Diskussion, seit ich im Bundestag bin, also seit rund elf Jahren; andere führen sie noch länger. Wenn wir darauf warten, dass die Länder das Geld investieren, dann lassen wir unsere Patienten im Stich, und wir machen das nicht. ({0}) Übrigens – auch das haben wir gelernt – sollte es künftig bei den Krankenhäusern eine klare Abgrenzung und Zuschreibung des unterschiedlichen Versorgungsniveaus geben. Wir brauchen ein gestuftes Versorgungssystem und darauf aufbauend ein Fallpauschalensystem, das unter den genannten Bedingungen dann auch Vorhaltekosten berücksichtigen kann. ({1}) – Wir werden es liefern. Die Krise hat auch gezeigt, wie wichtig der Datenaustausch in der Forschung ist. Digitalisierung und Innovation sind deshalb auch zu Recht eigene Schwerpunkte im Haushalt des BMG. Sie bilden sich in Titeln ab, die die Finanzierung von Maßnahmen zur Erprobung von Anwendungen großer Datenmengen erlauben. Es geht um den Aufbau und Betrieb von Datenkompetenzzentren und um Modellprojekte zur telemedizinisch integrierten Versorgung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Freizeitgestaltung und private Feiern haben sich zuletzt als maßgebliche Ursachen für regionale Infektions-Hotspots erwiesen. Ich nenne Bielefeld: Nach einer einzigen Feier sind 950 Menschen, hauptsächlich Schüler und Lehrer, in Quarantäne. Das erfordert die Nachverfolgung der Ansteckungswege und die Überprüfung der Quarantäne. Das verursacht hohe Personal- und Sachkosten. Mit dem Pakt für den ÖGD, der bis 2026 mit 4 Milliarden Euro unterlegt wird, ermöglichen wir es den Ländern erneut, in einem weiteren ihrer ureigensten Verantwortungsbereiche, nämlich den Gesundheitsämtern, moderne Strukturen und adäquat bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen. Auch das kommt unserer Bevölkerung sofort und primär zugute. Wie jedes Jahr, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das dominierende Element natürlich der Steuerzuschuss. Im nächsten Jahr werden nicht nur erhebliche konjunkturbedingte Mindereinnahmen, sondern vor allem auch pandemiebedingte Mehrausgaben unsere gesetzlichen Krankenversicherungen belasten. Um den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für die Versicherten möglichst stabil zu halten – das ist der Grund –, bedarf es natürlich unterstützender Maßnahmen. Genau deswegen wird der Bundeszuschuss um 5 Milliarden Euro erhöht. Das reicht noch nicht. Weitere 8 Milliarden Euro werden 2021 nach einem kassenübergreifenden Solidarausgleich zur Verfügung stehen. Dazu ist mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz geplant, die Finanzreserven der einzelnen Krankenkassen, die 0,4 Monatsausgaben übersteigen, wieder anteilig an den Gesundheitsfonds zurückzuführen, Herr Spangenberg. Damit stehen sie für die notwendige Versorgung der Patienten zur Verfügung. Mit den Mehreinnahmen von 13 Milliarden Euro kann der durchschnittliche Zusatzbeitrag auf 1,3 Prozent stabilisiert werden. Damit halten wir die Sozialgarantie, also unser Versprechen an unsere Bürger, ein, dass die Sozialversicherungsbeiträge weiterhin unter 40 Prozent bleiben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Robert-Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte haben uns fachkundig durch die Krise begleitet. Wir werden sie personell verstärken, um nicht nur, aber auch weitere coronabedingte Aufgaben dort andocken zu können. ({2}) Für Projekte und Maßnahmen zur Verbesserung der Krisenreaktionsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens sind erstmals Programmmittel in Höhe von 10 Millionen Euro eingestellt. Mindestens genauso wichtig, lieber Herr Spangenberg, ist das internationale Gesundheitsmanagement, das wir verbessern müssen. Der Virus macht doch nicht an der Grenze halt; das wissen Sie. ({3}) Die Mittel im Kapitel „Internationales Gesundheitswesen“ wachsen um 14 Millionen Euro auf, und wir haben die Maßnahmen zur Pandemieprävention bei der WHO und anderen internationalen Einrichtungen finanziell verstärkt. Wir werden uns um die Bezahlung der Impfstoffe kümmern, wenn sie denn zur Verfügung stehen; dazu notwendige Mittel sind auch im Einzelplan 60 eingestellt. Ich will zusammenfassen: Corona heißt für uns nicht Stillstand, Corona ist uns Ansporn. Deswegen freuen wir uns auf die weiteren Beratungen. Herzlichen Dank. ({4})

Dr. Birgit Malsack-Winkemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004813, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Wir stehen vor einem riesigen Scherbenhaufen, ({0}) und das, weil unsere Gesundheitspolitik von einem Minister wie Herrn Spahn geführt wird; ({1}) denn es ist genau dieser Minister, der in erster Linie dafür verantwortlich ist, dass wegen einer Falschbeurteilung der Coronasituation astronomische Fehlausgaben entstanden sind, die zu drohender Insolvenz vieler Bürger führen. ({2}) Denn sowohl Herr Spahn als auch Frau Dr. Merkel haben sich bei ihren Coronamaßnahmen statt auf ein breit aufgestelltes Expertengremium auf den Rat zu weniger Fachleute verlassen. ({3}) Es kann nicht häufig genug wiederholt werden: Nach den Statistiken des RKI war bereits in der zweiten Märzhälfte der Höhepunkt der Coronakrise überschritten und der Reproduktionswert unter 1 gefallen – wohlgemerkt in der zweiten Märzhälfte, noch vor dem Lockdown, also zur Zeit eines völlig normalen Lebens ohne Masken und Abstandsregeln. ({4}) Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, als quasi die Epikrise bereits vorbei war, verhängte die Regierung plötzlich und überraschend einen beispiellosen Lockdown über Deutschland – völlig absurd! Das Narrativ, das durch die meisten Medien und leider auch von dieser Regierung immer wieder vermittelt wird, dass nämlich drastische Maßnahmen wie die Schließung von Kitas und Schulen ({5}) oder das zeitweilige Schließen der Gastronomie die Coronapandemie eindämmen und eine sogenannte zweite Welle verhindern könnten, ist daher in den Bereich der Märchen und Fabeln zu verweisen. ({6}) Es ist deshalb völlig unsinnig, einen großen Teil unserer Bevölkerung glauben zu machen, ja diesen Irrglauben durch Medien sogar zu verstärken, dass es ausschließlich den Lockdown-Maßnahmen der Regierung zu verdanken sei, dass in Deutschland nur knapp circa 9 300 Covid‑19-Todesfälle zu beklagen sind. ({7}) Andere Erklärungen wie zum Beispiel die Qualität unseres Gesundheitssystems oder neuere Forschungen über die Gefährlichkeit des Virus werden dagegen kaum diskutiert. ({8}) Dabei zeigen gerade neue Studien, dass der Anteil der Todesfälle an allen Coronainfektionen in einem Bereich von 0,1 bis 0,4 Prozent liegt, also in dem Bereich einer normalen Grippe. Bei diesen Studien stellte sich zudem heraus, dass die Zahl der Infizierten viel größer ist als die Zahl der positiv Getesteten mit Krankheitssymptomen. Und das ist auch logisch; denn Coronaviren gibt es in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten. Es handelt sich mitnichten um ein neuartiges Virus, wie gerne erzählt wird. Im Gegenteil: Das Immunsystem vieler Menschen ist durch frühere Kontakte ({9}) mit Viren aus der Coronagruppe – so auch bei der saisonalen Grippe, der häufig Coronaviren angehören – vertraut. Und bewiesen wird das durch die Praxis. Wo ist die Krankheitswelle, nachdem an der Demonstration am 1. August Tausende ohne Abstand und ohne Masken teilgenommen haben? Genauso spurlos sind die zuvor erfolgten Massendemonstrationen geblieben. Und logischerweise steckt die deutsche Wirtschaft heute, und zwar aufgrund des fehlerhaft vorgenommenen Lockdowns, der nahezu alle wesentlichen Bereiche der deutschen Wirtschaft zum Erliegen gebracht hat, ({10}) in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. ({11}) Aber als wenn das alles nicht genug wäre, möchte die Regierung die sogenannte Pandemie erst für beendet erklären, wenn ein Impfstoff für die Bevölkerung verfügbar ist – völlig absurd! ({12}) Wer verdient an diesem gigantischen Geschäft? An erster Stelle der Impfstoffentwickler CureVac, den der Steuerzahler mit 300 Millionen beglückt. Dazu kommt ein weiterer Ankauf von bis zu 400 Millionen Impfdosen von AstraZeneca – für einen Impfstoff, dessen Entwicklung und Testung zur Zeit des Ankaufs noch nicht abgeschlossen war. ({13}) Zwischenzeitlich wurde die Weiterentwicklung wegen Sicherheitsbedenken gestoppt. Es ist also unsicher, ob dieser Impfstoff ohne Nebenwirkungen einsetzbar, und zudem, ob er aufgrund einer etwaigen Mutation des Virus wirksam ist. ({14}) Wir wissen jedoch schon, dass Coronaviren zu den schnell mutierenden Virusstämmen gehören. ({15}) In bester sozialistischer Manier werden also Impfstoffentwickler mit Steuergeldern unterstützt, um dann Gewinne – allein die erste Impfwelle verspricht 20 Milliarden Dollar Umsatz – privat einzustreichen, und das für einen Virus, dessen Gefährlichkeit nach heutigem Wissensstand weit geringer ist, als zunächst angenommen. Diese Regierung baute im Zusammenhang mit den meisten Medien ({16}) ein riesiges Angstszenario auf und hält dieses auch heute, obwohl sie es besser wissen müsste, aufrecht. Sie hat sich auf den Rat nur weniger Fachleute verlassen – Professor Drosten droht wegen dem PCR-Test übrigens ein Megaprozess in den USA, da bis zu 90 Prozent der PCR-Tests falsch positiv sein könnten. Sie hätte ein breit aufgestelltes Expertengremium zurate ziehen müssen, das die Krise mit Gelassenheit und Augenmaß und vor allem ohne eigene Interessenkonflikte meistert. ({17}) Die dadurch verursachten Kollateralschäden nicht nur für die Gesundheit, ({18}) sondern auch für Gesellschaft, Kultur, Bildung und Wirtschaft sind allein dieser Regierung, insbesondere Frau Dr. Merkel und Herrn Spahn, zuzurechnen, auch wenn diese das mit allen Mitteln zu verschleiern suchen. ({19}) Nein, Herr Spahn und Frau Dr. Merkel, wirkliche Sorge um die Gesundheit und das Wohl der Bevölkerung sieht anders aus. Danke schön. ({20})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD hat nun die Kollegin Sonja Amalie Steffen das Wort. ({0})

Sonja Steffen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Malsack-Winkemann, als wir Ihrer Rede zuhören mussten, dachte man tatsächlich an Märchen und Fabeln. Aber ich habe, ehrlich gesagt, mehr an so eine völlig verstrahlte böse Hexe denken müssen, ({0}) als ich Sie hier vorne stehen sah. ({1}) Und wissen Sie was? Was wir uns hier aus Ihrer Ecke anhören müssen, ist einfach wirklich asozial. Wir wissen alle hier in diesem Haus, dass wir bereits über 1 Million Todesopfer durch Corona haben. Und wir wissen alle, dass es sehr, sehr viele Erkrankte gibt, die unter den Spätfolgen immer noch sehr leiden. Vielleicht geht dieses Bild ja in Ihren Kopf: Gerade letzte Woche hat mir ein Freund erzählt, dass sein Bekannter aus dem Sportverein im Alter von 53 Jahren an Corona gestorben ist. ({2}) Es handelt sich hier nicht um ein Märchen oder um eine Fabel, sondern um eine wirklich bedrohliche Krankheit. Ihr Verhalten hier im Bundestag ist übrigens auch in höchstem Maße asozial, ({3}) wenn ich das hier nach Ihrer Rede gerade mal sagen darf. ({4}) Gerade heute Morgen: Ich will in den Fahrstuhl, und dort stehen sechs Kollegen von der AfD, und alle ohne Masken. Sie quetschen sich da rein, tragen alle keine Masken. Sie gehen in die Kantine, Sie tragen keine Masken. Sie laufen über den Flur, Sie tragen keine Masken. Und wissen Sie was? Wir alle hier machen uns totale Sorgen, wenn wir morgen wieder in den Wahlkreis fahren. ({5}) Wir kommen hier zusammen – 709 Abgeordnete aus der ganzen Republik –, wir fahren am Wochenende wieder zurück. Natürlich sind wir Risikoträger, und wir achten total darauf. Und Sie laufen hier rum, als ob überhaupt nichts wäre. Das ist einfach in höchstem Maße asozial – in höchstem Maße! ({6}) Aber wissen Sie was? Das passt extrem zu Ihrer Strategie, weil – wir haben das ja diese Woche erfahren – Sie wollen, dass es möglichst vielen Menschen schlecht geht. Das hat uns ja Ihr geschasster Pressesprecher verraten. ({7}) Und das machen Sie alles für ein paar Wählerstimmen. Sie riskieren das Leben von Menschen. Ich finde, das ist wirklich so unanständig – dazu fällt mir nichts mehr ein. ({8}) Und noch eines, Frau Malsack-Winkemann – Sie haben das ja vorhin selber gesagt –: Es gibt tatsächlich tolle Bilder von Ihnen, wo Sie ganz vorne bei der Demonstration dabei sind, mit Rechtsextremen, mit Verschwörungstheoretikern, ({9}) mit rechtsextremen Verschwörungstheoretikern, mit wem auch immer, und natürlich ohne Maske und natürlich ohne Abstand und natürlich ohne Anstand; denn den haben Sie wirklich nicht mehr. ({10}) Ich will aber schon noch ein bisschen zum Haushalt reden. ({11}) Wir reden heute über die Einbringung des Gesundheitsetats. ({12}) Und wir haben in der letzten Woche, in den letzten Tagen schon oft gehört, dass diese Haushaltsverhandlungen tatsächlich ganz anders sind als die vielen davor. Und das gilt für diesen Gesundheitsetat im Besonderen. Die aktuelle Größe des Etats zeigt das deutlich. Das ist jetzt mein fünfter Haushalt, den ich hier im Gesundheitsbereich für die SPD begleite. Es war bisher immer so, dass wir ziemlich exakt den Betrag von 15,3 Milliarden Euro in dem Etat hatten. Das ist ganz schön viel. Aber man muss dann auch immer sehen, dass davon sogleich 14,5 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds gehen. Deshalb hatten wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier eigentlich gar nicht so viel davon zu verteilen. Das war auch in diesem Jahr so. Wir hatten für 2020 wieder einen Haushalt von 15,3 Milliarden Euro verabschiedet – und dann kam alles anders; das wissen wir. Jetzt ist der Haushalt nach den beiden Nachtragshaushalten in diesem Jahr – und das auch wirklich völlig zu Recht – auf über 41 Milliarden Euro angewachsen. Der jetzige Entwurf für 2021 sieht 24,3 Milliarden Euro vor. Davon geht jetzt auch wieder viel in den Gesundheitsfonds. Zusätzlich hat der Bund rund 5 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds zurücküberwiesen, das haben wir vorhin schon gehört. Auch das ist richtig. Herr Minister, wir vertrauen Ihrem Haus. Wir glauben, dass Sie auch im Jahr 2021 einen so guten Job machen werden, wie Sie ihn in der Vergangenheit gemacht haben. Wir vertrauen darauf, dass Sie weiter verantwortungsvoll handeln. ({13}) Aber wir wissen, die aktuelle Situation ist immer noch volatil. Heute Morgen ging, glaube ich, durch die Presse, dass überlegt wird, Coronatests für alle Haushalte zu entwickeln. Wir hoffen, dass so schnell wie möglich Fortschritte bei der Impfstoffsuche erzielt werden. Vielleicht tut sich ja sogar noch bis Dezember 2020 etwas, bis wir dann den Etat hier verabschieden werden. Einige Dinge in dem Entwurf gefallen uns Parlamentariern und Parlamentarierinnen noch nicht so gut. Die SPD-Fraktion findet, dass wir noch mehr für die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung tun sollten, und zwar für die fachlich versierte Aufklärung der Bevölkerung. Wir wissen – ich habe mich gefreut, Herr Klein, dass Sie das vorhin schon gesagt haben; ich glaube, Frau Hajduk hat es auch schon erwähnt; wahrscheinlich haben es alle bis auf rechts außen hier im Haus angesprochen –: Wir müssen die internationale Gesundheit stärken, weil wir den Virus nur global besiegen können. Deshalb werden wir – da rede ich ausdrücklich für die SPD-Fraktion – uns sehr intensiv dafür einsetzen, die Beiträge für die WHO deutlich zu steigern. Wir wollen hier kein Klein-Klein. Wir müssen hier mit einer Bazooka – um mit unserem Finanzminister zu sprechen – gegen diesen Virus vorgehen. ({14}) Wir dürfen dabei aber auch nicht vergessen, dass die anderen Krankheiten im Jahr 2020 oft zu sehr in den Hintergrund geraten sind. Diese Krankheiten haben kein Sabbatical genommen, ganz im Gegenteil: Es gibt sie immer noch. Wir wissen das. Viele Strukturen brechen gerade zusammen, und es geht vielen Menschen schlechter als je zuvor. An der Stelle muss ich jetzt sehr konkrete Kritik am Entwurf äußern. Herr Minister, Sie haben die Mittel für UNAIDS komplett gestrichen. Das finden wir nicht gut; das ist ein falsches Zeichen. Ich meine – da rede ich ausdrücklich für die SPD-Bundestagsfraktion –, dass wir hier nachbessern müssen. ({15}) Ich will auch kurz erwähnen, dass das Müttergenesungswerk in einem völlig berechtigten Brief – nicht nur in einem; es geht um Briefe an viele hier im Haus – sein Anliegen vorgebracht hat. Es ist ganz wichtig. Es in der Tat so, dass das Müttergenesungswerk und die Mutter-Kind-Kuren richtig in Gefahr sind. Wir müssen schauen, ob wir da noch nachbessern können. Aber ich bin optimistisch. Wir Haushälterinnen und Haushälter werden den vorliegenden Entwurf noch einmal ganz genau prüfen. Wir haben ja größtenteils ganz hervorragende Berichterstatter zum Etat. Ich denke, wir werden gut zusammenarbeiten und werden einen sehr guten überarbeiteten Entwurf dann in der zweiten und dritten Lesung hier vorlegen können. Herzlichen Dank. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Während das Pult gereinigt wird – ich bedanke mich herzlich dafür, dass von früh bis spät die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Plenar- und Ausschussassistenzdienstes dies tun –, sei mir ein Hinweis gestattet: Ich kann niemanden daran hindern, uns hier mitzuteilen, woran er gerade, während des vergangenen Redebeitrages, denken musste. Aber ich bitte tatsächlich darum, zu überlegen, ob dies geeignet ist, an dieser Stelle gegebenenfalls auch Verletzungen bzw. das Gefühl des Beleidigtseins hervorzurufen. Jeder ist für sich selbst verantwortlich und für seine entsprechenden Äußerungen. Das ist meine Bemerkung dazu. Das Wort hat nun die Kollegin Katrin Helling-Plahr, FDP-Fraktion. ({0})

Katrin Helling-Plahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004742, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! 2020 ist alles anders. Wir haben hier in diesem Jahr Entscheidungen getroffen, von denen wir uns nie ausgemalt hätten, dass wir sie je treffen würden, vor allem in haushaltspolitischer und demokratischer Hinsicht. Diejenigen von uns, die sich ernstlich in Verantwortung für dieses Land sehen, mussten das tun. Wenn man den Pfad der Tugend verlassen musste, sollte man aber alles daransetzen, schnellstmöglich auf ihn zurückzukehren. ({0}) Hierzu fehlt Ihnen, Herr Minister, fehlt der Großen Koalition ganz offenkundig nicht nur der Ehrgeiz, sondern sogar der Wille, in haushalterischer wie in demokratischer Hinsicht. Das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite betreffend waren wir es, die erst erkämpfen mussten, dass nicht Sie die epidemische Lage nach eigenem Gutdünken ausrufen können, sondern dass wir als Parlament darüber zu entscheiden haben, ({1}) ob das Bundesgesundheitsministerium weitreichendste Kompetenzen bekommt. Und jetzt haben Sie es sich mit Ihren Befugnissen ganz bequem gemacht. Ja, wir haben eine Epidemie, aber wir haben keine epidemische Lage von nationaler Tragweite mehr. Wir sind als Parlament entscheidungsfähig. Deshalb gehören Entscheidungen in die Hände der gewählten Abgeordneten. ({2}) Ja, wir haben leider wieder besorgniserregend steigende Fallzahlen und dürfen nicht nachlassen – aber die Gefahr ist eben lokal ganz unterschiedlich ausgeprägt. Dass Sie an der epidemischen Lage von nationaler Tragweite festhalten, ist absurd. Natürlich geben Sie, Herr Minister, Macht, die Sie einmal haben, nicht gerne ab. Das ist nicht verwunderlich, denn Sie hatten ja schon immer, sagen wir, Machtausbaufantasien. Wir denken an den Versuch, die Selbstverwaltung auszuhebeln und sich die Entscheidungskompetenz darüber anzueignen, was die Kassen zahlen. ({3}) Im April hat die Kanzlerin gesagt, die Coronakrise sei eine Katastrophe für die Demokratie. Inzwischen sind Sie es als Bundesregierung selbst, die behindert. Herr Minister, Sie können gewiss sein, dass wir alles daransetzen, um Sie auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Die epidemische Lage von nationaler Tragweite gehört unverzüglich beendet. ({4}) Was unsere Bürgerinnen und Bürger nicht brauchen, sind Drohungen mit weiteren Lockdowns, brachialem Durchgreifen, Schreckensszenarien von 20 000 Neuinfektionen und Durchhalteparolen. ({5}) Sie brauchen eine Perspektive, wie sie ihr Leben gestalten können, wie wir größtmögliche Normalität erhalten, die Freiheit möglichst wenig antasten. Und sie brauchen Transparenz, um mitgehen zu können. ({6}) Dabei würde eine zielgerichtete nationale Teststrategie, wie wir sie vorgelegt haben, enorm helfen. Die Ergebnisse müssen Getesteten zwingend innerhalb von 24 Stunden zur Verfügung gestellt werden. Dazu müssen wir die Voraussetzungen schaffen mit digitalen Meldewegen und 24/7-Betrieb von Laboren und Gesundheitsämtern. Werden Sie hier endlich tätig! Herr Minister, es ist richtig, dass wir bis jetzt ganz gut durch die Krise gekommen sind. Aber man muss sagen: Sie haben sich eher zum Erfolg gestolpert. Es gab ja eine richtige Serie von Pleiten, Pech und Pannen. Das Beschaffungschaos – sei es im Hinblick auf Masken oder Beatmungsgeräte, über die nun Rechtsstreitigkeiten geführt und die verschenkt werden – wird uns im Ausschuss noch lange beschäftigen und den Steuerzahler vollkommen unnötig belasten. So etwas gilt es in Zukunft mit einer planvollen Vorratshaltung unbedingt zu vermeiden. Dass wir bis dato so gut dastehen, ist vor allem das Verdienst derjenigen, die in den Gesundheits- und Pflegeberufen und an anderen Schlüsselpositionen trotz aller Widrigkeiten wie fehlenden Schutzausrüstungen und persönlicher Risikodisposition angepackt haben. Der Pflegebonus nur für die Altenpflege – die ihn zweifelsohne auch verdient hat – muss da doch wie Hohn zum Beispiel für die Beschäftigten in den Kliniken wirken. ({7}) Wertschätzende Politik sieht anders aus! Wertschätzung bedeutet, dass sich Leistung auch lohnen muss. Das gilt im Übrigen auch für die vielen Hausärzte, die ja das Gros der Covid-19-Patienten behandeln und deren tatsächlich erbrachte Leistungen schon lange nicht mehr vergütet werden. Deshalb: Weg mit der Budgetierung! ({8}) Schließen möchte ich mit einem Dank an all diejenigen, die unser Gemeinwesen in der Krise aufrechterhalten. Seien Sie gewiss: Wir Freie Demokraten stehen an Ihrer Seite. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Harald Weinberg für die Fraktion Die Linke. ({0})

Harald Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004186, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für das Jahr 2021 wird vom Schätzerkreis ein Defizit in Höhe von 16 Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung prognostiziert. Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, dann müsse der Beitragssatz um 1,1 Prozentpunkte auf dann 16,8 Prozent ansteigen. Damit würde das 40-Prozent-Dogma bei der sogenannten Sozialquote gerissen, und das soll auf jeden Fall verhindert werden. Wie wird das gemacht? Der Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds, aus dem die Krankenkassen ihre Zuweisungen beziehen, wird um 5 Milliarden Euro auf nun 19,5 Milliarden Euro in 2021 erhöht. Nun ja, die versicherungsfremden Leistungen, die bei den Kassen abgeladen werden, haben schon ohne Corona stark zugenommen und sind mit der Pandemie noch einmal deutlich ausgeweitet worden; man denke an die Testcenter für Urlaubsrückkehrer. Folglich haben die Kassen mehr erwartet; aber Finanzminister Scholz wollte wohl nicht mehr rausrücken. Das ist das Elend der Steuerfinanzierung: Plötzlich bestimmt der Finanzminister, welche Gesundheitspolitik gemacht wird. Dann hatte Minister Spahn eine weitere Idee. Die Kassen sollen, sofern sie welche haben, ihre Finanzreserven abschmelzen und rund 8 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds zurückzahlen. Das widerspricht eigentlich einem anderen neoliberalen Dogma, nämlich dem Dogma des erwünschten Wettbewerbs der Kassen untereinander. Ganz böse Zungen werfen Spahn hier sogar sozialistischen Dirigismus vor. ({0}) Ich würde so weit nicht gehen, finde es jedoch heftig, wenn Minister Spahn mit einem flotten Spruch, Krankenkassen seien keine Sparkassen, mal eben die Beitragszahler für Coronaausgaben in Haftung nimmt, die die Allgemeinheit zu zahlen hätte, und zwar nach der jeweiligen Finanzstärke, also die Reichen und Vermögenden mehr als die Armen. ({1}) So jedoch ist das ein Vorgeschmack darauf, wer am Ende dieser Krise ganz offensichtlich die Zeche zahlen soll. Das wird auf jeden Fall unseren Widerstand hervorrufen. Der verbleibende Rest des Defizits soll über eine Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um 0,2 Prozentpunkte ausgeglichen werden, und das alles nur, um dann rechnerisch mit 39,95 Prozent um 0,05 Prozentpunkte unter der besagten Dogmagrenze von 40 Prozent zu bleiben – ein erstaunlicher Taschenspielertrick, der vielleicht bis zur Bundestagswahl hält, und das soll wohl auch erreicht werden. Nachhaltig jedoch ist es nicht. ({2}) Dieses 40-Prozent-Dogma hängt ja mit der ständigen Rede von der Unfinanzierbarkeit des Sozialstaates zusammen. Dazu will ich Ihnen mal was sagen: Solange in diesem Land zugelassen wird, dass Spekulanten wie bei den Cum/Ex-Geschäften Steuern erstattet bekommen, die sie nie gezahlt haben, solange Milliardäre sich über Steueroasen vor einer ohnehin niedrigen Besteuerung drücken können, solange Konzerne mit Milliarden unterstützt werden, ohne dass man ihnen abverlangt, für Beschäftigungssicherung zu sorgen und auf Dividendenausschüttungen zu verzichten, und solange wir dem 2-Prozent-Ziel hinterherhecheln und jedes Jahr den Rüstungshaushalt weiter aufblähen – in diesem Jahr um 21 Prozent auf 50 Milliarden Euro –, solange das alles zugelassen wird, so lange sollten Sie über die Unfinanzierbarkeit des Sozialstaates schweigen. ({3}) Aber auch wenn man bei der Krankenversicherung nicht stärker in die Steuerfinanzierung gehen wollte, gäbe es Alternativen zu diesem Verschiebebahnhof der Bundesregierung. Wir haben hierzu bereits mehrere Anträge gestellt – und wir werden noch weitere stellen –, die das Problem anders angehen: durch Anhebung oder Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze, durch eine Erweiterung des versicherungspflichtigen Personenkreises, durch eine Verbeitragung von großen Kapitaleinkünften und durch Überführung der Privatversicherten in die gesetzliche Krankenversicherung. ({4}) Jede dieser Maßnahmen würde die finanziellen Spielräume der Krankenkassen erweitern, ohne dass die Beiträge angehoben werden müssten. Sogar eine Rücknahme von Zuzahlungen und Leistungskürzungen wäre möglich, ebenso die Entwicklung der Pflegeteilversicherung, wie wir sie jetzt haben, in eine Pflegevollversicherung. ({5}) Das wäre dann eine echte Alternative, eine linke Alternative. Apropos Alternative: Der Ex-Pressesprecher der AfD-Fraktion hat ja eine bemerkenswerte Wahrheit über das Programm dieser Partei ausgeplaudert, –

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Weinberg, Sie müssen trotzdem zum Schluss kommen.

Harald Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004186, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

– als er sagte – das ist mein Schlusssatz –: Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD. – Ich persönlich finde ja, dass da umgekehrt ein Schuh draus wird: Je schlechter es der AfD geht, desto besser für Deutschland. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Maria Klein-Schmeink das Wort. ({0})

Maria Klein-Schmeink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004072, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haushalt ist der letzte Haushalt, den Sie in dieser Wahlperiode hier vorlegen, und insofern ist er auch Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. An dieser Stelle muss ich sagen: Diese Große Koalition erlegt uns eigentlich eine schwere Bürde für die nächste Wahlperiode auf. Ich sage das, weil wir feststellen müssen: Viele wichtige Aufgaben sind nicht angegangen worden, und gleichzeitig ist sämtliches Geld, das in Reserven sowohl des Gesundheitsfonds als auch der Krankenkassen lag, ausgegeben. Damit muss man sagen: Sie sind Ihrer Verantwortung für ein gutes, ein leistungsfähiges Gesundheitswesen nicht gerecht geworden. ({0}) Es ist ja gerade zu Recht gesagt worden, wie wichtig es ist, dass wir ein leistungsfähiges Gesundheitswesen haben. Es hat sich auch jetzt in der Coronazeit gezeigt, wo wir leistungsfähig sind und wo insbesondere die Beschäftigten im System leistungsfähig und sehr leistungsbereit waren, und das verdient ein großes Dankeschön. ({1}) Aber dieses Dankeschön und dieser Balkonapplaus, der häufig da gewesen ist, müssen auch damit unterlegt sein, dass wir verantwortlich und achtsam mit unserem Gesundheitswesen umgehen. Das heißt, man muss dafür sorgen, dass es leistungsfähig bleiben kann, dass es zukunftsfähig aufgestellt ist und dass es sich vor allen Dingen auf die Bedarfe einstellt, die sich aus einer älter werdenden Gesellschaft und aus dem durch die demografische Entwicklung bedingten Fachkräftemangel ergeben. ({2}) Das wäre die Aufgabe, die anzugehen ist, und das ist auch die Aufgabe, die man angehen muss, wenn man gerade noch über Rücklagen verfügt, wenn man eine gute Konjunktur hat, wenn man also Gestaltungsraum hat. Was Sie gemacht haben, ist, etwas Sozialgarantie zu nennen, was Ihnen in Wahrheit aber eigentlich nur über dieses Wahljahr helfen wird. So schaffen Sie es, mit einer leichten Anhebung der Beitragssätze auszukommen und dann gleichzeitig den Bundeszuschuss und die Rücklagen der Krankenkassen anzutasten, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Aber diese Sozialgarantie ist das Papier nicht wert, auf das geschrieben worden ist. ({3}) Wir wissen: Zum einen werden die 40 Prozent nicht zu halten sein, weil im realen Leben sehr viele Versicherte sehr viel höhere Beiträge werden zahlen müssen, unterjährig wahrscheinlich noch mal erhoben. Zum anderen müssen wir gleichzeitig feststellen – das ist doch das Schlimme –, dass bestimmte Reformen nicht angegangen worden sind. Wir haben letztens darüber gesprochen: Die Krankenhausreform, sowohl auf der Finanzierungsseite als auch auf der Planungsseite, fehlt. Die Notfallreform fehlt. ({4}) Die Pflegereform, mit der sichergestellt werden soll, dass Verbesserungen in der Pflege nicht bei den Pflegebedürftigen abgeladen werden, fehlt. All das ist nicht refinanziert, all das kommt in diesen Plänen gar nicht vor, und all das ist die Bürde, die in der neuen Wahlperiode angegangen werden muss, ohne den Gestaltungsraum zu haben, den es in den letzten beiden Regierungszeiten gab. Das ist Ausdruck eines schweren Versäumnisses. Da muss man sagen: Ich wünsche mir auf den letzten Metern mehr Mut zu Reformen, mehr wirklich neues Denken und Verantwortungsübernahme, um dann auch verantwortlich mit den Geldern umzugehen, damit wir sicherstellen können, dass wir auch in Zukunft ein leistungsfähiges Gesundheitswesen haben, solidarisch finanziert. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Georg Nüßlein das Wort. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Es war ja vorhersehbar – ich habe es an dieser Stelle schon mal gesagt –: Die AfD hat zum Thema Corona von Anfang an zwei Sprechzettel gehabt. Gemeinsam an diesen beiden Sprechzetteln ist: „Wir haben es besser gewusst.“ Das steht da ganz oben. – Dann kommt, je nachdem, wie es gelaufen ist, ob gut oder schlecht, die Geißelung der Regierung, man hätte zu wenig gemacht oder man hätte zu viel gemacht. ({0}) – Hören Sie zu. Schreien Sie doch nicht. Hören Sie zu. Sie lernen was dabei; aber es wird nichts helfen. ({1}) – Ich habe es an der Stelle schon mal gesagt. Genauso machen Sie das. Wenn Sie sich heute Frau Malsack-Winkemann angehört haben, dann werden Sie gemerkt haben, dass ich recht habe. Sie haben zwei Sprechzettel. Ich weiß nicht, ob Sie den zweiten Sprechzettel zu früh gezogen haben, auf dem steht: Es ist glimpflich verlaufen; darum war das alles Panik. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Überwiegend hat jetzt der Kollege Nüßlein das Wort. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde gerne überwiegend dazu reden. – Ich habe die Rede von Frau Malsack-Winkemann verfolgt. ({0}) – Hören Sie mal: Sie spricht von Toten und von schnell mutierenden Viren und sagt, das ist alles nicht so schlimm. Ich meine, das Ganze muss man erst mal nachvollziehen können. ({1}) Sie ziehen das Thema hier in den Schmutz und tun so, als ob das alles gar keines wäre, und Sie erleben doch das Gegenteil. Man kann natürlich darüber diskutieren: Warum ist dieses Land so glimpflich durch die Krise gekommen? Darüber kann man eine sinnvolle und gute Diskussion führen. Ich rege an dieser Stelle ausdrücklich an, dass wir uns mit dieser Thematik ganz ausführlich beschäftigen sollten. Die Antwort auf diese wichtige Frage können wir alle miteinander noch nicht fundiert geben. Was wir aber sehen, ist, dass das ganze Thema, dass sich dieser Schock, der sich da entwickelt hat, auf unsere Wirtschaft auswirkt, dass er Geld kostet. Wir haben gerade in voller Breite über die Frage diskutiert: Wer bezahlt was? Ich glaube, wir sind uns in diesem Haus mehrheitlich darüber einig, dass man die Krankenversicherungsbeiträge stabilisieren muss. Ich glaube, wir sind uns einig, dass es dazu eines Steuerzuschusses bedarf. ({2}) Über die Höhe könnten wir auch diskutieren. ({3}) Wir hätten uns auch mehr gewünscht. Das ist am Bundesfinanzminister gescheitert. Deshalb gibt es nichts anderes, als letztendlich die Finanzreserve der Kassen entsprechend zu belasten, und zwar mit 8 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren, eines stimmt übrigens auch: Das ist nicht das Geld der Krankenkassen, sondern das sind Beitragsgelder. ({4}) Deshalb macht es Sinn, sie zur Gesundheitsfinanzierung heranzuziehen. Das ist vollständig schlüssig. Uns muss es darum gehen, aufzupassen, dass wir nicht die Kassen unnötig belasten, die gut gewirtschaftet haben, dass wir das also auch unter diesem Aspekt richtig machen. Ich glaube, auch da sind wir auf dem richtigen Weg. Was die Lehren aus Corona angeht, haben wir einen Punkt ganz nach vorne gesetzt: Das ist das Thema „Digitalisierung im Gesundheitswesen“. „Mister App“, Jens Spahn, hat in einer besonderen Weise schon sehr, sehr früh in diese Richtung gewirkt. Wir haben das notwendige Geld zur Verfügung gestellt. Aber leider – das muss man auch mal deutlich sagen – bedarf es in diesem Land einer Pandemie, um die Widerstände der Beteiligten erheblich zu reduzieren. Das Thema Telemedizin ist, erst seitdem es ein Ansteckungsrisiko gibt, in diesen Kreisen akzeptierter. Das ärgert mich – das sage ich Ihnen ganz offen –, weil ich glaube, dass damit eine Menge Möglichkeiten verbunden sind: bei der Thematik der Dezentralisierung, bei der Diagnostik, bei der Heranziehung von Zentren, auch in den Bereichen der ländlichen Versorgung, die ich persönlich für wichtig halte. Meine Vorrednerin hat kritisiert, dass wir die Krankenhausreform noch nicht ganz so weit getrieben haben, wie wir das alle miteinander gern gemacht hätten. Das stimmt. Ich sage Ihnen aber: Auch da ist die Lehre aus Corona eine wichtige: Es gilt, die flächendeckende – auch die ländliche – Versorgung nicht zu verachten und das Thema nicht nur unter dem Gesichtspunkt angeblich überflüssiger Krankenhausbetten zu diskutieren. Das halte ich für ganz entscheidend. ({5}) Ich glaube, dass das etwas ist, was wir entsprechend weitertragen müssen. Am Rande möchte ich darauf hinweisen, dass mich der fehlende Überblick der Länder über intensivmedizinische Beatmungskapazitäten schon etwas überrascht hat; das muss ich ganz ehrlich sagen. Wenn man diesen Überblick nicht hat, dann frage ich mich, wie Krankenhausplanung tatsächlich funktionieren soll. Trotzdem glaube ich, dass wir bei einer Reform, die wir vermutlich nicht mehr in dieser Legislatur angehen können, durchaus die Frage beantworten müssen, wie wir das Thema Grundversorgung neu adressieren und – das ist das Schwierigste – wie wir die Schnittstelle „ambulant/stationär“ neu definieren. Es wurde das Problem, das wir mit der Schutzkleidung hatten, angesprochen. Das stimmt, meine Damen und Herren. Wir haben daraus die Konsequenzen gezogen und sagen: Wir wollen Produktion nach Deutschland zurückholen. Ich gehöre zu denen, die sagen: Auch bei kritischen Medikamenten müssen wir Lieferketten wieder zurück nach Europa holen. ({6}) Das ist ein wichtiges Thema. Über die Ausschreibung der Rabattverträge können wir auch dafür Sorge tragen, dass die, die solche Lieferketten nachweisen können, die Chance auf einen entsprechenden Zuschlag haben. Wenn man diesen frühzeitig in Aussicht stellt, meine Damen und Herren, dann finden sich solche Kapazitäten auch wieder in Europa ein. Ich will eines vermeiden: dass wir irgendwann mal dastehen und feststellen: Jetzt sind wir in einer schwierigen Situation. Asien beliefert uns nicht. Die Medikamentenversorgung in Deutschland bricht zusammen. – Deshalb ist das ein Thema, das auf die Agenda gehört, spätestens in der nächsten Koalition, spätestens in der nächsten Regierung. Vielleicht klappt es auch schon jetzt. Wenn ich mir den Applaus der SPD-Kolleginnen und ‑Kollegen anschaue, dann macht es mich zuversichtlich, dass wir da frühzeitig noch etwas tun können. Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Edgar Franke für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Edgar Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schwarze Nullen gibt es in diesem Haushalt nicht. Wir hatten uns ja schon an die schwarze Null gewöhnt: Meine geschätzten Kollegen von der Union kennen sich mit schwarzen Nullen ja besonders gut aus. ({0}) Es gibt in diesem Haushalt rote Zahlen. Aber die Investitionen, die in diesen roten Zahlen zum Ausdruck kommen, sind in der Coronapandemie absolut notwendig. Wir haben nicht unerhebliche Mehrausgaben im Gesundheitshaushalt. Wir nehmen 24 Milliarden Euro in die Hand, damit alle die bestmögliche Versorgung erhalten. Gerade in Coronazeiten ist das gut angelegtes Geld, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({1}) Corona ist ein Härtetest für die Gesundheitssysteme. Es ist aber auch ein Härtetest für die Menschen, die in den Betrieben, die in den Krankenhäusern, die in den Altenheimen arbeiten. Sie leisten Außergewöhnliches. Ich glaube, auch im Namen der SPD kann ich nicht nur den Beschäftigten in den Krankenhäusern, nicht nur den Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen, sondern auch den Beschäftigten in den Arztpraxen, die wir immer vergessen, ausdrücklich sagen: Herzlichen Dank für eure, für Ihre Arbeit. ({2}) Wir haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, viel Geld investiert – Geld, um Mitarbeitern so gut wie möglich den Rücken freizuhalten, Geld, um auch zu gewährleisten, dass jeder Patient auch ein Intensivbett bekommt. Das ist nicht selbstverständlich. Wir haben 50 000 Euro für jedes zusätzliche Intensivbett ausgegeben. Wir haben eine tagesbezogene Pauschale von mindestens 560 Euro für freigehaltene Betten ausgegeben, was, Herr Nüßlein, gerade kleinen Krankenhäusern – auch in Bayern auf dem Land – sehr geholfen hat. Alle Beschäftigten in besonders von Corona betroffenen Krankenhäusern können jetzt eine steuerfreie Prämie bekommen. Dass sie alle bekommen können, dafür hat auch die SPD gesorgt, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Es war ein politisches Signal, obwohl man sich sicherlich, Herr Weinberg, mehr hätte vorstellen können. Aber es ist klar: Wir dürfen nicht am falschen Ende sparen. Wir dürfen nicht auf Kosten der Patienten, nicht auf Kosten der Beschäftigten sparen. Ich glaube, auch das hat uns die Krise gelehrt. ({4}) Aber es bleibt noch viel zu tun. Die Fallpauschalen sind von verschiedenen Rednern angesprochen worden. Die Fallpauschalen haben in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass mehr operiert wurde, als eigentlich notwendig war – das kann man wirklich sagen –, und das nur, um Einnahmen zu erzielen, um mehr Geld zu verdienen. Auch deshalb müssen wir unser Abrechnungssystem praxis- und patientenorientiert weiterentwickeln; denn sonst würden sich die Fallpauschalen selbst abschaffen. Wir brauchen Wettbewerb; wir brauchen finanzielle Anreize. Deshalb sage ich ausdrücklich: Wir müssen die Vorhaltekosten in bedarfsnotwendigen Krankenhäusern unabhängig von den Erlösen finanzieren. Da sind inzwischen alle Experten einer Meinung; das muss man wirklich sagen. Herr Nüßlein, gerade in strukturschwachen Regionen ist das wichtig. Nur so sichern wir eine gute Versorgung in allen Regionen, meine Damen und Herren. ({5}) Die Pandemie wird trotz aller Geldspritzen – das möchte ich auch sagen – ein großes Loch in die gesetzlichen Krankenkassen reißen. Sie bekommen nämlich nicht nur weniger Beiträge, sondern haben auch mehr Ausgaben – nicht nur durch die Coronatests, sondern wir haben auch viele Gesetze und viele gesetzliche Verbesserungen auf den Weg gebracht, die wir hier alle gemeinsam beschlossen haben und die Geld kosten. Insofern, glaube ich, müssen wir auch die Bedenken der gesetzlichen Krankenkassen ernst nehmen. Eines muss auch klar sein: Wir können nicht jedes Jahr die Rücklagen der Krankenkassen plündern; denn dann müssten die Versicherten die Zeche durch höhere Zusatzbeiträge zahlen. Insofern müssen wir da schon politisch aufpassen. Ich sage aber auch: Wir geben den Krankenkassen deswegen 5 Milliarden Euro extra. Sie bekommen einen Bundeszuschuss von insgesamt 20 Milliarden Euro. Diese Mittel sind auch für wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgaben vorgesehen. Man denke nur an die kostenfreie Mitversicherung der kompletten Familie. Man kann also schon sagen, dass wir die gesetzlichen Krankenkassen und ihre Versicherten durch diesen Haushalt nicht im Stich lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({6}) Die Pandemie macht aber auch eines deutlich: Wir müssen die gesundheitliche Versorgung zukunfts- und vor allen Dingen krisenfest machen. Deswegen setzen wir auf Digitalisierung. Wir machen die Kliniken fit für die Zukunft. Ich habe gestern mit dem Chef eines sehr großen Krankenhauses gesprochen. Er hat mir erzählt, ein Drittel in seinem Haus machten sie noch per Hand. So was darf es in Deutschland in Zukunft nicht mehr geben. Deswegen sind die über 4 Milliarden Euro – 3 Milliarden Euro vom Bund und das von den Ländern noch dazu – genau das richtige Signal, um unsere Krankenhäuser fit zu machen. Digitalisierung bedeutet bessere Abläufe. Digitalisierung bedeutet weniger Fehler. Digitalisierung wird auch weniger Kosten bedeuten. So zahlt sich das mittelfristig also für alle – auch für die Versicherten – aus. Mit diesem Gesundheitshaushalt dämpfen wir die Coronafolgen ab und investieren wir in moderne, digitale Krankenhäuser. Hier zeigt sich auch die positive Handschrift der Großen Koalition deutlich, Herr Minister. Erstens. Nur mit Zukunftsinvestitionen kommen wir aus der Krise. Zweitens. Mit diesen Geldern verbessern wir gleichzeitig die Versorgung für alle. Das sind zwei Ziele, für die es sich lohnt zu kämpfen und zu arbeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({7}) Die bestmögliche medizinische Versorgung ist eine Versorgung, wie ich immer zu sagen pflege, unabhängig vom Wohnort, unabhängig vom Alter und unabhängig vom Geldbeutel der Versicherten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Franke, wir haben es hier nicht mit einer Mindestredezeit zu tun, sondern mit einer Höchstredezeit. Sie müssen jetzt bitte einen Punkt setzen.

Dr. Edgar Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, das ist der rote Faden sozialdemokratischer Gesundheitspolitik. Ich danke Ihnen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Roy Kühne für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Roy Kühne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Franke, was hätte ich es vermisst, wenn dieser Schlusssatz nicht gekommen wäre. Genau zu dem Zeitpunkt war er vielleicht sogar gar nicht so falsch. Wir haben in vielen Reden sehr viel über Krankenhäuser und Kliniken geredet. Ich möchte hier mal ganz bewusst eine Lanze für die vielen, vielen kleinen Zahnräder brechen, die im Gesundheitssystem intakt waren, miteinander funktioniert haben und dieses große Uhrwerk Gesundheitssystem bei uns in Deutschland gut haben laufen lassen. Deshalb möchte ich hier auch noch ganz klar sagen: Dazu gehören mehr als nur Klinik, Arzt, Apotheke, Pharma. Nein, wir reden auch über Heilerziehungspfleger, Pflege und viele Berufe, die unterschwellig – für mich manchmal bedauerlich – unter dem Radar laufen. Deshalb: Danke an den Herrn Minister, dass er in den letzten Jahren den Mut gehabt hat – das muss man auch mal klar betonen –, entsprechende Wege zu gehen. Deswegen schätze ich die Bilanz für den Bereich Gesundheit in dieser Legislatur als gut ein. ({0}) Wir haben nämlich Sachen gemacht, die vorher – auch in der letzten und vorletzten Legislatur – nicht möglich gewesen und gar nicht – auch für mich nicht – denkbar gewesen sind. Deshalb bin ich allen Beteiligten – natürlich auch dem Minister und seinem Team, die sicherlich in mancher Nacht darüber gegrübelt haben – dankbar, dass wir diese neuen Wege gegangen sind. ({1}) Es ist doch schwierig, zu sagen, dass alles immer perfekt läuft, und ich bin auch hier ganz auf der Seite des Ministers, der für mich überraschend – das ist nicht nur mein Petitum, sondern auch das aus meinem Umfeld gewesen – durchaus zugegeben hat, dass man in der Politik auch mal Fehler macht und dass da etwas hätte besser gemacht werden können. Nach meiner Erfahrung ist es eher selten, dass man in der Politik und im Rahmen von Reden hier vorne zugibt: Es hätte besser laufen können; wir haben daraus gelernt, und wir machen es besser. – Das ist, glaube ich, ein Novum – gerade auch, dass der Minister sagt: Wir gehen mal neue Wege. – Das mag nicht immer einfach und für alle bequem sein. Aber, mein Gott, wie heißt der Spruch? Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Damit möchte ich ganz konkret zum Haushaltsplan kommen, weil wir hier am Ende über den Haushaltsplan reden. In Kapitel 1504 des Einzelplans 15 geht es um Forschung. Wir haben in letzter Zeit gemerkt, wie viele Sachen innovativ sein können und was überhaupt möglich ist. Viele dieser kleinen und großen Zahnräder waren in den letzten Monaten sehr innovativ. Sie haben für sich selbst Lösungen gefunden, haben selbst angefangen, miteinander zu interagieren, und haben im Grunde genommen alte Wege auch mal bewusst hinterfragt. Das ist, glaube ich, auch etwas, was wir im Rahmen von Forschung und Innovation durchaus auch mal machen sollten, nämlich zu hinterfragen: Was lief bisher? Wie lief es bisher? Können wir es besser machen? Ich glaube, es ist gut, hier auch mal neue Wege zu gehen und vielleicht auch zu sagen: Na ja, es lief nicht ganz so gut; wir korrigieren das mal. Wir sollten den Leistungserbringern im Gesundheitssystem durch die Forschung – und das ist ja der Sinn von Forschung – vielleicht Wege aufzeigen, wie sie mehr Verantwortung übernehmen und vielleicht besser und effektiver für den Patienten arbeiten können. Und noch mal: Ich möchte hier ganz konkret auch mal die Berufe ansprechen, die sonst nicht im Fokus stehen. Die Digitalisierung wurde angesprochen, und ich glaube, lieber Herr Franke, es ist auch wichtig, dass wir die Digitalisierung in den Krankenhäusern – es ist hochgradig peinlich, dass ein Drittel noch per Hand gemacht wird – wirklich auf jede Ebene herunterbrechen. Es macht ja keinen Sinn, dass nur der Arzt und das Krankenhaus digital miteinander kommunizieren, sondern vielleicht sollte der Arzt auch mit der Pflegekraft und dem Therapeuten – zum Beispiel können da mal Bilder hin- und hergeschickt werden – digital kommunizieren. Es macht vielleicht auch Sinn, mal über gemeinsame Pläne nachzudenken. Allzu oft passiert es in der Praxis, dass der Therapeut arbeitet, und fünf Minuten später kommen die Pflegekraft und danach der Arzt. Ob das alles sinnvoll für den Patienten ist – denn der steht ja eigentlich im Mittelpunkt –, halte ich manchmal für fragwürdig. Eine andere Sache sind die Hilfsmittel. Gucken wir uns allein mal an, wie lange es dauert, bis die Kosten für ein innovatives Hilfsmittel tatsächlich übernommen werden. Das Hilfsmittel ist dann manchmal schon gar nicht mehr innovativ. Hier müssen wir schneller werden; denn wir haben auch während Corona gemerkt, dass mit Hilfsmitteln ein großer Teil der Behandlung geleistet werden kann. Ich glaube, die Kapazitäten und Möglichkeiten, die uns gute Hilfsmittel bieten, nutzen wir noch gar nicht effektiv genug. Zum Schluss komme ich zu einem weiteren Punkt, über den wir reden müssen. Wir akademisieren in Deutschland seit Jahren im Bereich der Therapeuten und zunehmend auch im Bereich der Pflege; auch bei den Hebammen haben wir es gesehen. Wir müssen uns genau überlegen, wie wir diese Berufe wertvoll mit in die Verantwortung einbinden können. Ja, wir reden über ein volles Wartezimmer und über überfüllte Krankenhäuser. Vielleicht können wir in diesem Bereich mittels guter Forschung – zum Beispiel im Bereich der Pflege; im Bereich der Therapeuten machen wir das nun schon seit ein paar Jahren – zügig zu einem positiven Abschluss kommen. Wir sollten langsam überlegen, ob die entsprechenden Kosten – der Minister hat das selber gesagt – nicht vielleicht als gute Investitionen gesehen werden können. ({2}) – Danke. ({3}) Letztendlich bedeutet Innovation natürlich auch „Anlegen mit Althergebrachtem“. Ich glaube, die Politik ist gut beraten, sich selber im Sinne der Patienten mal zu hinterfragen, also zu schauen, ob alles, was gelaufen ist, gut ist, und neue, manchmal vielleicht nicht sofort auf den ersten Blick populäre Lösungen zu finden. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Josef Rief für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Josef Rief (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben immer zu Recht betont, dass unser Gesundheitswesen eines der besten der Welt ist und wie gut die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich für uns alle rund um die Uhr sorgen. Diese Pandemie zeigt, dass diese Einschätzung stimmt. ({0}) Dies gilt nicht nur für die Krankenhäuser, Labore und niedergelassenen Arztpraxen, sondern auch für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Aber wir wollen noch besser werden. Deshalb werden wir in Zukunft 5 000 neue Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern einstellen. Ich möchte mich bei allen bedanken, die Tag und Nacht engagiert und trotz des eigenen Ansteckungsrisikos in der Pandemie geholfen haben und derzeit noch helfen. Wir können diese Arbeit – das haben mehrere Vorredner schon gesagt – nicht genug schätzen. Herzlichen Dank auch von dieser Stelle! ({1}) Arbeitsbedingungen, Personalschlüssel, Arbeitszeiten und auch die Bezahlung, all das bleiben Aufgaben für uns. Denn eines ist klar: Junge Leute müssen motiviert sein, Berufswege im Gesundheitswesen einzuschlagen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat beherzt gehandelt und den Ankauf von Schutzausrüstungen und Beatmungsgeräten zentral gesteuert. Ich glaube, das war zu diesem Zeitpunkt richtig. Dafür haben wir Milliardenbeiträge zur Entlastung der Krankenhäuser bereitgestellt. Weil die Krankenhäuser durch die Pandemie ihren Fokus völlig verschieben mussten, werden wir in diesem Jahr 11,5 Milliarden Euro einsetzen. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch bei uns im Frühjahr Kapazitätsgrenzen erreicht waren und Krankenhausträger schlaflose Nächte hatten, da Nachbarkrankenhäuser zuerst nicht bereit waren, aus überfüllten Covid-19-Kliniken Patienten aufzunehmen. Das sollten wir nicht vergessen. Auch die Pflegeversicherung bekommt in diesem Jahr circa 1,8 Milliarden Euro, um mit Mehrbelastungen durch die Pandemie umzugehen. Bis Jahresende wird sich deshalb der Gesundheitshaushalt für dieses Jahr mit circa 41 Milliarden Euro fast verdreifacht haben. Künftig geht es auch um die Finanzierung der Coronatests, die täglich gemacht werden. 5 Milliarden Euro stellen wir hier bereit. Dies ist momentan die wichtigste staatliche Möglichkeit, keinen weiteren flächendeckenden Lockdown zu bekommen. Für persönliche Schutzausrüstung und Arzneimittel planen wir 1,1 Milliarden Euro ein. Gleichzeitig erhöhen wir unseren Beitrag für die Weltgesundheitsorganisation noch einmal. Für das Engagement hierbei darf ich auch meiner Mitberichterstatterin Sonja Steffen ausdrücklich danken. ({2}) Krankheiten kennen keine Grenzen. Das hat zuletzt Ebola gezeigt. Gerade heute sind wir mehr als je zuvor auf eine funktionierende Weltgesundheitsorganisation angewiesen. Das müssen sich in diesem Hause genau diejenigen einmal überlegen, die bisher die Beiträge an die WHO bei jeder Haushaltsberatung kritisiert haben. Die WHO wurde 1948 gegründet, um Krankheiten weltweit zu bekämpfen, damit auch wir in Deutschland gesund leben können. An dieser Aufgabe, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich bis heute nichts geändert. ({3}) Der Gesundheitsetat erfüllt trotz der Coronamehrbelastung auch im kommenden Jahr seine Aufgaben bei der Gesundheitsversorgung und ‑prävention sowie in den Bereichen Forschung und öffentliche Gesundheit. Das Robert-Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte statten wir mit den nötigen Geldern aus, die in dieser Situation auch dringend gebraucht werden. Natürlich müssen gerade wir Abgeordnete dafür Sorge tragen, dass wir langfristig wieder ausgeglichene Haushalte bekommen, wenn die Pandemie überwunden ist. Mir ist zudem wichtig, dass wir Projekte wie das Landarztprogramm weiterführen. Ich werde in den Haushaltsberatungen unter anderem dafür werben, in diesem Bereich zukünftig noch mehr zu tun, um die Versorgung der Bevölkerung mit Ärzten im ländlichen Raum weiterhin sicherzustellen. ({4}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Bundeskanzlerin hat gestern gewarnt, dass wir unsere bisherigen Erfolge bei der Pandemie riskieren könnten, wenn wir jetzt nicht gemeinsam vorsichtig sind und Infektionen verhindern. Natürlich können wir nicht garantieren, dass die jetzigen Maßnahmen ausreichen – Abstand halten, Maske tragen, Hände waschen, lüften und die Corona-App benutzen –, um hundertprozentigen Schutz zu bieten. Aber was gibt es für Alternativen? Bei Lichte betrachtet: keine oder nur schlechtere, solange keine wirksamen Arzneimittel oder kein wirksamer Impfstoff vorliegen. Halten wir deshalb durch! Wir sind 100 Meter vor dem Ziel. Natürlich dürfen wir die Menschen nicht verunsichern, aber kein ernstzunehmender Wissenschaftler kann bestreiten, dass Covid-19 viel gefährlicher als eine gewöhnliche Grippe ist. Meine Damen und Herren, die Geschichte dieser Welt ist reich an falschen Propheten. Denen zu folgen, führte immer ins Verderben. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft vor allem Gesundheit und die Weisheit, richtige Fachleute von falschen Propheten unterscheiden zu können. Herzlichen Dank. ({5})

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Liebe Frau Bundestagsvizepräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben in bewegten Zeiten. Die Coronapandemie fordert uns gerade sowohl technologisch – wir brauchen dringend einen Impfstoff – als auch gesellschaftlich. Wir müssen alle Verantwortung für uns und unsere Mitmenschen übernehmen; denn die vielen veränderten Regeln werfen uns aus der Routine des Alltags. Jeder Schritt muss momentan aktiv gedacht werden: Wie ist er mit den AHA-Regeln der Pandemie vereinbar, wie kann ich so viel Alltag wie möglich leben und trotzdem zur Prävention vor dem Virus beitragen? Auf der anderen Seite spüren wir, dass diese Sorgen nur ein kleiner Teil der Herausforderungen der aktuellen Zeit sind. Die im Frühjahr plötzlich verschlossenen Schulen haben uns sehr deutlich vor Augen geführt, dass wir trotz vieler digitaler Möglichkeiten nicht in der Lage waren, unsere Kinder adäquat zu erreichen und mit der gewohnten Qualität weiter zu beschulen. Eine dritte Herausforderung, die immer wie ein Elefant im Raum steht, ist der Klimaschutz. Die Krise zeigt uns sehr deutlich, dass wir mehr Dynamik in Veränderungsprozessen brauchen. Deshalb bin ich sehr froh, dass diese Aufbruchsstimmung in der Gesellschaft jetzt da ist. ({0}) Aber klar ist auch: Verbote sind der falsche Weg. Wir müssen die Veränderungsprozesse über technologischen Fortschritt einleiten. Wer glaubt, man kann einfach alles verbieten, wird ganz schnell merken, dass er auf dem Weg in die Zukunft die Menschen an seiner Seite verliert. Wer glaubt, man kann die Frage der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft vernachlässigen, wird feststellen, dass unser Wohlstand keine Selbstverständlichkeit ist. Deshalb liegt der Schlüssel zu all diesen Transformationsprozessen in Forschung und Innovation. Carly Fiorina, ehemalige Chefin von Hewlett-Packard, hat einmal gesagt: Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden. – Und wir stecken gerade mittendrin. Die Digitalisierung der Schulen hat gerade volle Fahrt aufgenommen. Mit dem DigitalPakt Schule haben wir in den vergangenen Jahren die ersten 5 Milliarden Euro für digitale Infrastrukturen bereitgestellt. In diesem Jahr haben wir noch einmal kräftig draufgelegt: 6,5 Milliarden Euro zeigen eine ganz klare Prioritätensetzung. ({1}) Wir unterstützen die Länder mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln beim Ausbau digitaler Bildung. Aber genügend Geld ist nur eine Voraussetzung für einen gelungenen Wandel an den Schulen hin zu mehr digitalem Unterricht. Die Ausstattung mit Endgeräten und der Ausbau der Administratorensysteme sind geklärt. Das Wichtigste ist jetzt, alle Lehrerinnen und Lehrer so weiterzubilden, dass sie die neuen Möglichkeiten auch gut nutzen können. Deshalb haben wir mit den Ländern vereinbart, dass wir sie auch in der Lehrerweiterbildung unterstützen. Wir bringen unsere Expertise der Bildungswissenschaften mit den Weiterbildungsstrukturen der Länder zusammen. Wir schaffen Netzwerke leistungsstarker Lehrerweiterbildung, digital und analog, damit der Fortschritt schneller und effektiver in den Schulen ankommt, damit wir unsere Schülerinnen und Schüler erstklassig und individuell mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln ausbilden. Ich habe schon 2019 bei der Vorstellung der PISA-Studie gesagt: Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein. Deutschland lebt vom Know-how seiner Menschen, und in Zukunft wohl noch mehr denn je. Der technologische Fortschritt macht die Arbeit immer anspruchsvoller. Das ist gut für die Menschen. Deshalb brauchen wir erstklassige Bildung für alle in Deutschland. Erstklassig ist übrigens auch unsere duale Ausbildung. Überall in der Welt werden wir um unsere exzellente berufliche Aus- und Weiterbildung beneidet. Fachkräfte „made in Germany“ werden überall auf der Welt mit Handkuss genommen. Darauf können wir sehr stolz sein. Und wir sorgen dafür, dass das so bleibt. ({2}) Internationale Berufsbezeichnungen und eine bessere finanzielle Unterstützung der Weiterbildung haben wir in dieser Legislaturperiode schon auf den Weg gebracht. Jetzt geht es darum, lebenslanges Lernen selbstverständlich zu machen. Auf einer Weiterbildungsplattform werden wir modulare Weiterbildung für alle zugänglich machen. Wir wollen das Land werden, in dem die Lust und die Freude am Lernen bis ins hohe Alter währt. Wir machen Lust auf Zukunft – und dazu gehört, die Menschen im Wandel über Weiterbildung mitzunehmen. ({3}) Genauso intensiv treibt uns in diesen Tagen die Unterstützung unserer Wirtschaft im Wandel um. Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit sind zwei Seiten einer Medaille; denn natürlich wollen wir die Industrie mit ihren gut bezahlten Arbeitsplätzen in Deutschland halten. Deshalb stellen wir auch die Frage: Wer hat den größten CO2-Fußabdruck? Wo liefert Unterstützung mit Steuergeld den größten Hebel, um den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu schaffen? Deshalb haben wir aktuell millionenschwere Projekte mit unseren Stahlherstellern, unserer Chemieindustrie, aber auch unserer Energiewirtschaft in der Pipeline. Der Erfolg im Wandel ist kein Selbstläufer. Es ist eine Aufgabe, die Führung, Zielbestimmung und Begeisterung braucht. Deshalb müssen wir den Menschen sichtbar machen, wohin wir wollen. Am Beispiel der Nationalen Wasserstoffstrategie kann man das wunderbar sehen. Die Nationale Wasserstoffstrategie hat zwei wesentliche Kernbereiche, einerseits die Entwicklung leistungsfähiger und wettbewerbsfähiger Technologien zur Herstellung Grünen Wasserstoffs, damit wir Ausrüster für die Welt werden können, andererseits den Aufbau von Lieferpartnerschaften; denn die Herstellung Grünen Wasserstoffs ist in anderen Teilen der Welt wesentlich kostengünstiger und effektiver. Wir bleiben also Energieimporteur und werden Exporteur nachhaltiger Produktionstechnologien für Grünen Wasserstoff. ({4}) Gerade die Nationale Wasserstoffstrategie ist ein Versprechen an die jungen Menschen – wir machen Deutschland zukunftsfähig und klimaneutral –, an unsere Wirtschaft – wir unterstützen sie kraftvoll im technologischen Wandel – und an die Weltgemeinschaft: Wir bleiben Partner für wirtschaftliche Entwicklung. Generell haben wir in dieser Legislaturperiode viele strukturverändernde Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die Agentur für Sprunginnovationen fördert heute schon die ersten Innovationen, die das Potenzial haben, neue Märkte und Arbeitsplätze zu schaffen. Das Programm zur Förderung der Quantentechnologien läuft schon seit 2018. Quantenkommunikation, Quantensensorik, Quantencomputer – wir müssen in den Zukunftstechnologien erstklassig sein, wenn es darum geht, uns für die kommenden Jahre gut aufzustellen. Deshalb haben wir jetzt noch mal zusätzlich 2 Milliarden Euro für unser Zukunftsprogramm eingeplant. Einer der ersten Quantencomputer soll in Deutschland stehen. ({5}) Wir haben die Zukunft im Blick und dank einer nachhaltigen Finanzpolitik auch die Kraft für Investitionen. ({6}) Richten wir den Blick nur mal kurz auf die Coronapandemie. Wir haben 750 Millionen Euro auf den Tisch gelegt, um die Entwicklung und Produktionserweiterung für Impfstoffe zu unterstützen. Wir haben 150 Millionen Euro zur Finanzierung eines Universitätsnetzwerkes lockergemacht, um unsere Patienten bestmöglich zu therapieren, zu behandeln, aber eben auch, um das Virus noch besser kennenzulernen. Unser Gesundheitssystem ist eines der besten der Welt, und erstklassig forschende Unternehmen und Wissenschaftler sitzen in Deutschland. Wir dürfen zu Recht sagen, dass das Innovationsland Deutschland gut dasteht. ({7}) Aber: Die Transformation hin zu einer digitalen, klimaneutralen Welt und die Bewältigung der Coronapandemie, da ist jede Aufgabe für sich allein schon eine Mammutaufgabe. Deshalb brauchen wir die ganze Gesellschaft, um hier und jetzt gut durchzukommen. Die Coronapandemie bewältigen wir am besten, wenn wir uns an die AHA-Regeln halten. Die digitale Entwicklung stemmen wir am besten, wenn jeder mitmacht und offen für Neues ist. Und die Klimaneutralität schaffen wir, wenn wir technologische Entwicklungen vorantreiben. Deshalb ist mein Haushalt mittlerweile auf mehr als 20 Milliarden Euro gewachsen, und darin sind noch lange nicht alle Projekte; allein schon die Mittel für den DigitalPakt stecken nicht in meinem Haushalt. Wir glauben an die Kraft und die Kreativität, die unser Land seit jeher stark gemacht haben. Wir haben es in der Hand, mit Bildung, Forschung und Innovation stärker aus der Krise herauszukommen, als wir hineingegangen sind. Die über 20 Milliarden Euro des Einzelplans 30 sind ein starkes Zeichen der Zuversicht. Ich darf allen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich für die konsequente Unterstützung danken und freue mich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Götz Frömming für die AfD-Fraktion. ({0})

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Der Applaus eben, der war ja so müde, muss man schon fast sagen; ich hoffe, das lag an der Uhrzeit und nicht an Ihrer Rede, die ja zukunftsweisend sein sollte. ({0}) Stichwort „Zukunft“, meine Damen und Herren. Der Schweizer Pädagoge Carl Bossard sprach einmal in einem Fachaufsatz von den „ewig Morgigen“. Er meinte damit diejenigen, die alles Neue unkritisch bejubeln. Morgen, so sagen die ewig Morgigen, wird alles besser. Wir brauchen nur mehr Innovation, mehr Digitalisierung, mehr Onlinelernen, mehr Kompetenzraster, gleichzeitig auch mehr Individualisierung, ({1}) mehr Binnendifferenzierung, ({2}) mehr selbstorganisiertes Lernen, mehr Vielfalt, mehr Gender – ja dann, ja dann wird alles besser. ({3}) Aber, meine Damen und Herren, es wird eben nicht besser. Im Gegenteil: Es wird schlechter. ({4}) Deutschland droht in Bildung, Wissenschaft und Forschung den Anschluss an die internationale Spitze komplett zu verlieren, ({5}) und das wissen Sie auch, Frau Ministerin. Genau das muss sich dringend ändern. Wir bräuchten tatsächlich einen Ruck. Hier hätte eine Ruck-Rede gehalten werden müssen, aber nicht mal die eigene Fraktion – ich habe es schon gesagt – lässt sich hier noch begeistern. ({6}) Meine Damen und Herren, in den USA wirkt sich die Kommerzialisierung des Bildungswesens extrem negativ aus. Wir sollten das deutsche Bildungswesen vor einer solchen Ökonomisierung bewahren, zumal der pädagogische Erfolg derartiger Vorhaben äußerst fragwürdig ist. Aber was tut die Bildungsministerin? Sie setzt weiterhin auf die externe Expertise von Wirtschaftslobbyisten der OECD, weil sie, weil der Bund offenbar keine eigene Expertise hat. Die Liste der externen Berater wird auch für das BMBF immer länger. Vielen Dank, dass Sie sie uns zugeleitet haben. Frau Ministerin, vertrauen Sie doch mal auf unsere eigenen Pädagogen und nicht auf die Lobbyisten von OECD, PISA und Co, die in die Schulen eindringen und Bildung zur Ware machen wollen! ({7}) Meine Damen und Herren, „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ – so heißt es in Artikel 5 Absatz 3 unseres Grundgesetzes. Vor 70 Jahren wurde dieser Satz so schön und so klar formuliert. Er beschreibt leider immer weniger die Realität. Durch liberalökonomische und linksideologische Reformvorhaben – PISA-Reform, Bologna-Reform, neue Hochschulgesetzgebung, politisch korrekte Sprachvorgaben usw. – sind die akademischen Freiheitsrechte nicht nur massiv eingeschränkt, sondern bereits schwer beschädigt worden. ({8}) Und was macht die Ministerin? Was macht die Koalition? Sie schauen einfach zu, wie aus Orten der Freiheit und fröhlichen Wissenschaft triste Stätten der Indoktrination und Gesinnungsprüfung werden. Aber vielleicht gefällt Ihnen das ja auch, oder Sie haben nach gefühlt 100 Jahren Merkel einfach keine Kraft mehr, liebe Kollegen von der Koalition, sich dem linken Zeitgeist entgegenzustellen. Aber dafür machen wir das jetzt. ({9}) Meine Damen und Herren, abschließend noch ein paar Worte zum vorliegenden Einzelplan. Rund 20 Milliarden Euro – es ist schon genannt worden –, das ist eine ordentliche Summe. Das Problem ist auch nicht diese Summe, sondern wie und für was dieses Geld ausgegeben wird. Dazu natürlich noch mehr in der weiteren Beratung. ({10}) Es kann aber doch nicht angehen, Frau Ministerin, dass der Bundesrechnungshof Ihnen zum wiederholten Male ins Stammbuch schreibt, dass haushaltsrechtliche Vorgaben nicht beachtet worden sind. Meine Damen und Herren, das ist das Geld der Steuerzahler. Damit haben Sie verantwortungsvoll umzugehen. Warum tun Sie das denn nicht? In seinen Prüfungen ist der Bundesrechnungshof immer wieder auf Mängel in der Aktenführung gestoßen. Sie werden zu einer – ich zitiere wörtlich – „wahrheitsgetreuen und vollständigen Aktenführung“ ermahnt. Ist Ihnen das nicht peinlich, Frau Ministerin? Fazit des Bundesrechnungshofs: Das Verwaltungshandeln werde nicht ausreichend dokumentiert, sodass die parlamentarische Kontrolle – das, was wir hier zu tun haben – in Teilen schon gar nicht mehr möglich ist. Meine Damen und Herren, das ist ein Skandal! ({11}) Frau Karliczek, was haben Sie bisher getan, um diese Schlamperei in Ihrem Haus abzustellen? Meine Damen und Herren, wäre das Ministerium für Bildung und Forschung ein Hotelbetrieb, –

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Frömming, Sie können selbstverständlich weiterreden, tun es aber jetzt auf Kosten Ihres Kollegen.

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

– dann hätten die zuständigen Behörden es sicherlich schon längst geschlossen. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Oliver Kaczmarek für die SPD-Fraktion. ({0})

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Corona, das ist ja mittlerweile ein Sinnbild für viele Menschen, die sich Sorgen um die Zukunft des Landes machen, aber nicht selten auch um ihre eigene Existenz besorgt sind. Deshalb stehen wir vor zwei großen Herausforderungen: Wir müssen dafür sorgen, dass in der Krise niemand abstürzt, und wir müssen investieren: gegen die Krise und in die Zukunft. Und – das muss ich sagen – der Haushaltsentwurf von Finanzminister Olaf Scholz wird dem genau gerecht. Denn erstmals wachsen die Ausgaben für Bildung und Forschung allein im Einzelplan des Ministeriums für Bildung und Forschung auf über 20 Milliarden Euro im nächsten Jahr an. Das ist historisch, und das ist die richtige Antwort auf die Krise. ({0}) Jetzt geht es darum, dass wir das Geld natürlich auch sinnvoll ausgeben müssen. ({1}) Wir brauchen die Erkenntnisse der Wissenschaft, um auf die Herausforderungen der Zukunft gute Antworten geben zu können. Deshalb ist es richtig, dass zum Beispiel in den nächsten Jahren 11 Milliarden Euro für die Wasserstoffstrategie, für Quantentechnologie, für künstliche Intelligenz mobilisiert werden. Das weist den Weg in eine gute Zukunft. Mit diesem Geld, zusätzlich zu den Milliardeninvestitionen, die wir ohnehin schon tätigen – beispielsweise mit dem Pakt für Forschung und Innovation –, unterstreichen wir unser Vertrauen und die Wertschätzung für Forschung in Deutschland, und wir stärken damit die, die Zukunft erforschen für den Aufbruch aus der Krise. Und das ist der richtige Weg. ({2}) Eine riesige Aufgabe in der Krise ist es, Sicherheit zu schaffen. Das gilt auch für Bildung. Die Pandemie hat gezeigt: Bei der Digitalisierung haben wir viel zu viel Zeit verloren. Deshalb müssen wir jetzt massiv nachlegen. Unser Anspruch ist: Niemand darf durch die Coronakrise zurückgelassen werden, insbesondere die nicht – das sage ich als Sozialdemokrat –, die es sowieso schon in unserem Bildungssystem am schwersten haben, weil sie nicht die richtige soziale Herkunft haben bzw. nicht die, die ihnen zu einem größeren Erfolg im Bildungswesen, so wie wir es heute kennen, verhelfen. Deshalb bin ich der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken sehr dankbar für die Initiative, die sie im Koalitionsausschuss ergriffen hat, und ich bin auch dankbar für die Bereitschaft des Finanzministers Olaf Scholz und selbstverständlich auch der Bundeskanzlerin, ({3}) dabei mitzugehen. 500 Millionen Euro für Endgeräte für Schülerinnen und Schüler, deren Eltern sich das aus eigener Kraft nicht leisten können: Das ist ein starkes Signal, dass wir tatsächlich niemanden zurücklassen wollen. ({4}) Dazu kommen der DigitalPakt Schule, Endgeräte für Lehrerinnen und Lehrer sowie die Ausbildung von Systemadministratorinnen und ‑administratoren. Das kam vielleicht für den einen oder anderen spät, aber das Paket zeigt, dass wir handeln und dass wir tatsächlich bei der Digitalisierung niemanden aufgeben. In der Pandemie hat die Koalition Wege gesucht, damit junge Menschen Ausbildung und Studium aufnehmen, fortsetzen oder zu Ende führen können. Die Ausbildungsprämien sind aus dem ganzen Strauß der Instrumente ein Beispiel, das wir gewählt haben, um jungen Menschen überhaupt die Gelegenheit zu geben, in diesen Zeiten einen Ausbildungsplatz finden zu können. Wir müssen uns das Instrument jetzt genau ansehen und auch da, wo es notwendig ist, bereit sein, nachzujustieren, um es noch wirksamer zu machen. Aber wir haben auch Studentinnen und Studenten in der Krise geholfen. Immerhin 140 000-mal wurde die Überbrückungshilfe, die sogenannte Nothilfe, von Studentinnen und Studenten als Zuschuss in Anspruch genommen. Und eine zentrale Erkenntnis aus dieser Nothilfe, die die Ministerin jetzt zum Ende des letzten Monats eingestellt hat, ist doch: Auch wenn es immer weniger pandemiebedingte Notlagen von Studentinnen und Studenten zu geben scheint, so gibt es doch immer noch viel zu viele Studentinnen und Studenten, die in Not sind. ({5}) Fast die Hälfte aller gestellten Anträge auf Nothilfe wurde abgelehnt, weil die Notlage nicht pandemiebedingt ist. ({6}) Das heißt doch auch, dass wir Studentinnen und Studenten haben, die wir morgen als Fachkräfte für den Aufbruch aus der Krise brauchen, die heute nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Um diese Fachkräfte von morgen müssen wir kämpfen. Die dürfen uns nicht egal sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Die SPD ist bereit, dafür zu kämpfen. Lassen Sie uns in der Koalition gemeinsam und mit der Erfahrung aus der Nothilfe einen dauerhaften Notfallmechanismus in das BAföG einbauen, ({8}) nicht nach dem Gießkannenprinzip und nicht für die, die es nicht brauchen, aber für die, die in einer echten Notlage und in Gefahr sind, ihr Studium oder ihre Ausbildung deshalb nicht zum Ende bringen zu können. Lassen Sie uns aus der Krise lernen und ein Nothilfe-BAföG schaffen, damit wir niemanden verlieren. ({9}) Lassen Sie uns dann bei der Gelegenheit gleich auch noch einmal die Freibetragsregelung im BAföG ansehen. Denn eine Erkenntnis ist auch: Wir brauchen weniger Nothilfe und mehr regelmäßige Förderung für die BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger. Die SPD ist jedenfalls bereit, noch mal alle Kräfte für die Trendwende im BAföG, wie wir sie uns in der Koalition in dieser Wahlperiode vorgenommen haben, zu mobilisieren. Niemanden verlieren in der Krise – mutig in die Zukunft investieren: Das ist die Überschrift über diesem Haushalt, das ist auch die Überschrift für den Einzelplan 30. Die SPD ist davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Bettina Stark-Watzinger das Wort. ({0})

Bettina Stark-Watzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004902, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich wusste gar nicht, dass Sie die Richtlinienkompetenz in dieser Koalition schon an die SPD abgegeben haben. Aber man lernt ja nie aus. Haushaltsberatungen sind toll, sind spannend. Denn der Haushalt ist ein in Zahlen gegossenes politisches Programm. Da zeigt uns die Große Koalition, wo sie hinwill mit unserem Land. Wir debattieren heute einen der wichtigsten Einzelpläne in diesem Haushalt, nämlich den Haushalt für Bildung und Forschung, und ich habe mich darauf gefreut. Ich habe gedacht, die Große Koalition hat aus der Krise gelernt und ich erlebe hier einen Wumms für Bildung, Forschung und Innovation. Fehlanzeige! ({0}) Denn mittelfristig – coronabereinigt – sinkt dieser Haushalt. Mittelfristig folgt dem Mehr im Haushaltsplan 2020 ein Weniger in der mittelfristigen Finanzplanung. Das ist der falsche Weg. Bildung und Forschung sind der Weg in die Zukunft und der Weg, die Krise zu bewältigen, Chancen zu geben. Und die Zukunft gehört denen, die heute anfangen und nicht erst in der Zukunft. ({1}) Oder um es mit Worten der Bundeskanzlerin zu sagen: „Wohlstand für alle heißt heute und morgen: Bildung für alle.“ Große Worte einer vor über zehn Jahren ausgerufenen Bildungsrepublik! ({2}) Trotzdem: Zehn Jahre später, Herr Kollege, ist das Trennende in dieser Gesellschaft immer noch die Bildung. ({3}) Wir haben den Bundesbildungsbericht gelesen: 7 Prozent der Schülerinnen und Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss, Tendenz steigend. ({4}) Wir haben Reporte gesehen, die belegen, dass immer noch das Trennende ist, aus welchem Haushalt ich komme. Nur 21 von 100 Nichtakademikerkindern gehen auf die Hochschule. Bei Akademikerkindern sind es 74 von 100. ({5}) Die Coronawochen werden diese traurigen Fakten noch verstärken. Das müssen wir ändern. ({6}) Sie bitten um Geduld, Frau Ministerin. Aber die Familien, die auf die Endgeräte warten, erwarten, dass das Geld endlich abfließt und an den Schulen ankommt; sie haben keine Geduld mehr. ({7}) Die Mittel müssen endlich abfließen. ({8}) Wir brauchen zum Beispiel – auch für Chancengerechtigkeit – ein elternunabhängiges BAföG. Frau Ministerin, Bildungsgipfel und Budgetposten ersetzen keine Taten. ({9}) Ja, ich weiß, dass Bildung auch eine Ländersache ist. ({10}) Aber gerade deshalb müssen Sie die Position, die Sie haben, nutzen. Sie müssen die Länder zusammenbringen und müssen sich an die Spitze der Verfechter von Bildungschancen setzen. Machen Sie 2021 zu einem Jahr der Chancen! ({11}) Noch zwei wichtige Punkte haben Sie angesprochen, Frau Ministerin. Einmal die berufliche Bildung. Nein, nicht jeder in unserem Land muss studieren. Die Realität ist auch eine andere. Deutlich mehr nehmen eine berufliche Bildung wahr. ({12}) Sie selbst, Frau Ministerin, loben unsere Vorzeigeausbildung in jeder Rede. Nur, der uns vorgelegte Haushalt spricht eine andere Sprache. Der Löwenanteil geht in die Begabtenförderung für die akademische Bildung, nur ein Bruchteil, ein Mäuschenanteil, in die für die berufliche Bildung. Die Begabtenförderungswerke müssen endlich für die berufliche Bildung geöffnet werden. Wir müssen ihr den Respekt und die finanzielle Anerkennung zukommen lassen, die sie verdient. ({13}) Ich will Ihnen dann noch zu einem weiteren Punkt etwas sagen: Mein Vater ist 92 Jahre alt. Er ist in dem Jahr geboren, als der Eiserne Gustav mit der Kutsche nach Paris fuhr, um gegen Autos zu demonstrieren. Er macht heute seine Steuererklärung digital. Der technologische Wandel – das wissen wir seit Langem – verändert rasant unser Leben. Mein Vater lebt das, worüber Sie noch sprechen; denn lebenslanges Lernen ist eine der Schlüsselaufgaben in unserer Zeit. Aber die Realitäten in Ihrem Haushalt sprechen eine andere Sprache. Ihr Fokus liegt immer noch auf Schule und Hochschule, drum herum Dürre. Machen wir das Jahr 2021 zu einem Jahr des lebenslangen Lernens. Es darf nicht eine Worthülse bleiben. Es muss endlich Schule machen, Frau Ministerin. ({14}) Ich komme gleich zu meinem letzten Punkt; der Kollege Sattelberger wird noch einiges zur Innovation sagen. Der Haushalt, den Herr Brinkhaus als einen Haushalt mit Priorität für Zukunft, Technologie und Innovation bezeichnet hat, ist in dieser Hinsicht leider ambitionslos. Es sind natürlich Mittel für einige Projekte eingestellt worden, die Sie genannt haben. Aber im Verhältnis zum Gesamthaushalt ist das verschwindend gering. Ziel einer klugen Politik muss es sein, dass die Ideen in unserem Land entstehen: der neue Stoff, sodass Mikroplastik nicht mehr gebraucht wird, die Biotechnologie, die Krankheiten heilt oder Ernährung und Umwelt schützt. Dieser Haushalt ist ambitionslos. Ihr Ansatz „Wenn die Herausforderungen groß werden, wird der Bildungshaushalt, werden die Investitionen klein“ ist der falsche. Wenn wir in Bildung und Forschung investieren, dann investieren wir in die Zukunft unseres Landes. ({15}) Dafür werden wir in den Haushaltsberatungen streiten, debattieren. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen. Vielen Dank. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute Morgen las ich: Die Bildungsministerin macht sich Sorgen um den Schulbetrieb. Und was fällt ihr ein? Sie fordert Disziplin von Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern. ({0}) Ich sage Ihnen: Für solche banalen Ratschläge sind Sie einfach überbezahlt, Frau Ministerin. ({1}) Und – ich muss es so hart sagen – in der Coronakrise sind Sie wirklich ein Ausfall, ein Totalausfall. Ich sage so etwas nicht gerne, aber bei Ihnen stimmt es. Bereits am 17. Mai 2019 ist der DigitalPakt in Kraft getreten, und ich will von Ihnen wissen: Wie oft haben Sie die Ministerpräsidenten oder die Kultusminister angerufen und sie gefragt: Warum rufen Sie die Mittel nicht ab? ({2}) Der Bundestag stellt 5 Milliarden Euro zur Verfügung, und Sie schaffen es nicht, das Geld sinnvoll in die Schulen zu bringen. Das ist doch wirklich ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren. ({3}) Gerade Corona erfordert doch jetzt eine schnelle Umsetzung des DigitalPaktes. Den Ländern fehlen die Fachleute; das wissen wir. Aber in Ihrem Geschäftsbereich, Frau Ministerin, befindet sich eines der größten Wissenschaftssysteme der Welt. Ich bin mir sicher, dass sich Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unserem Land gern freiwillig bereit erklären würden, unseren Schulen bei der Digitalisierung zu helfen; denn das können sie, und das wollen sie auch, meine Damen und Herren. ({4}) Natürlich ist es richtig, sich mit künstlicher Intelligenz und mit Quantencomputern auseinanderzusetzen. Aber es kann doch nicht sein, dass die nächste Generation dann mit Kreide und Schiefertafel an die Unis kommt. Das ist nicht zukunftsgerecht, meine Damen und Herren. ({5}) Ich sage Ihnen: Als Ministerin für Bildung und Forschung müssten Sie doch eigentlich vor Energie und Ideen nur so sprühen. Aber genau das Gegenteil beobachten wir bei Ihnen. Sie lassen nicht nur die Schulen hängen, sondern auch die Studentinnen und Studenten, die in Armut leben; ein Vorredner ging ja schon darauf ein. Die Coronahilfen haben noch einmal gezeigt, dass schon vor der Pandemie viele Studierende in Armut lebten. 36 Prozent der Antragsteller für eine Überbrückungshilfe wurden abgewiesen, obwohl die Hälfte von ihnen eine finanzielle Notlage nachweisen konnte. Das sind mehr als 42 500 junge Menschen. Und richtig ist: Diese Studierenden befanden sich schon vor der Pandemie in finanzieller Not. Wir brauchen also dringend eine Reform der staatlichen Studienfinanzierung; sonst verspielen wir unser Zukunftspotenzial. ({6}) Frau Karliczek, Sie verwalten viele chaotische Baustellen. Der Bundesrechnungshof hat den Hochschulpakt geprüft. Geld vom Bund für neue Studienplätze wurde von den Hochschulen für Parkhäuser, Tribünen und anderen Schnickschnack ausgegeben. Bundesländer und einzelne Hochschulen bunkern insgesamt 3,7 Milliarden Euro, und der Bundesrechnungshof kommt zu der Einschätzung – ich zitiere –: Die Mittelströme haben eine Intransparenz erreicht, die auch die Länder kaum noch überblicken. Oder zusammengefasst: Es herrscht Misswirtschaft. – Der größte Anteil des Geldes entfällt dabei übrigens auf Nordrhein-Westfalen, wo die Rechnungsprüfer Restgelder in Höhe von 1,9 Milliarden Euro aufspürten. Das entsprach den Pauschalen für 80 681 zusätzlichen Studienanfängerinnen und Studienanfängern. Gibt es da in Nordrhein-Westfalen nicht einen Ministerpräsidenten, der Kanzler werden will? Vielleicht können Sie ihm mal ausrichten – ich weiß nicht, ob noch jemand aus Nordrhein-Westfalen hier ist außer der Ministerin –: Wer Kanzler werden will, muss auch Wissenschaft können, und Herr Laschet kann es augenscheinlich nicht, meine Damen und Herren. ({7}) Das Ministerium erlässt jährlich mehr als 120 Förderrichtlinien. Damit werden die Programme konkretisiert und die Abwicklung geregelt. Der Bundesrechnungshof wertete diese Richtlinien aus und kam zu einem vernichtenden Ergebnis. So ist bei einigen Förderrichtlinien allein die bloße Durchführung der Maßnahme als Erfolg definiert. Meine Damen und Herren, ich bin der Überzeugung, wir hätten mehr Erfolg, wenn Sie die Wissenschaft nicht jedes Jahr mit bürokratischen Richtlinien nerven würden, sondern den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wirklich Raum zur Arbeit geben würden, meine Damen und Herren. ({8}) Wir brauchen eine bessere Grundausstattung von Schulen und Universitäten. Ich finde, Sie hätten jetzt in der Pandemie die Aufgabe gehabt, die Wissenschaftskommunikation wirklich effektiv zu organisieren. So haben Sie den Verschwörungstheoretikern viel Feld überlassen. Das haben wir in unserem Land überhaupt nicht nötig bei den hervorragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die wir haben. ({9}) Meine Damen und Herren, ich frage mich: Was haben Sie eigentlich den ganzen Sommer gemacht, Frau Ministerin? Wenn die Feuerwehr so arbeiten würde wie Sie, dann wäre unser Land schon abgebrannt. ({10}) Meine Damen und Herren, uns Ossis wurde vor 30 Jahren erzählt, dass wir nun in eine Leistungsgesellschaft kommen. Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden nach fragwürdigen Bewertungen abgewickelt. Welche Verschwendung von Potenzial! Das dürfen wir uns in unserem Land nicht noch einmal leisten. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Deligöz das Wort. ({0})

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Eigentlich sollte das jetzt die spannendste Debatte des Tages sein, weil gerade in der Coronapandemie ja ein besonders grelles Schlaglicht auf die Bildungs- und Forschungspolitik in diesem Land fiel, und das zu Recht. Denn die wesentlichen und die wichtigsten Fragen unserer Zeit stellen sich in Ihrem Bereich: Wie machen wir das Bildungssystem krisenfest? Wie schaffen wir die richtigen Rahmenbedingungen für eine bestmögliche Impfstoffentwicklung? Wie kriegen wir es hin, in der Arzneimittelforschung nach vorne zu kommen? Wie können wir sicherstellen, Deutschland gerade auch in dieser Zeit in einen Innovationsstandort zu verwandeln? Das sind essenzielle Fragen unserer Zukunft. Wenn man sich die Steigerungen der Mittel in Ihrem Haushalt anschaut, könnte man meinen, dass Sie das genauso sehen und dass Sie deshalb so viel Geld hineininvestieren. Dann wirft man aber einen zweiten Blick auf Ihren Etat und muss leider, leider feststellen, dass zwischen Anspruch und Realität eine ganz große Lücke ist. ({0}) Ich fange meine Beispiele auch mit der Digitalisierung in den Schulen an. Ich habe letzte Woche diese Zahl bei Ihnen abgefragt – das kam ja inzwischen in die Öffentlichkeit –: Wie ist das denn mit diesen 5 Milliarden Euro für den DigitalPakt? Immerhin haben wir mehrere Jahre darüber beraten. Dann hatten Sie nun zwei Jahre Zeit, um das Geld auszugeben. Sie haben selber gesagt: Ihr Ziel sind Ausgaben von 1 Milliarde Euro in 2020. – Herausgekommen sind Ausgaben von bisher 15,7 Millionen Euro. ({1}) Also sind wir noch etwa 980 Millionen Euro entfernt von dem Ziel, das Sie sich selber gesetzt haben. Sie haben es trotz der guten Vorbereitungen und trotz der Zeit von zwei Jahren nicht geschafft, das Geld auch nur zu einem Bruchteil dorthin zu bringen, wo es hingehört, nämlich in die Schulen in diesem Land. ({2}) Jetzt reden wir ja darüber, wie dringlich das ist. Und ja, es ist berechtigt, zu fragen: Wo waren Sie eigentlich die letzten Jahre? Warum gab es keinen Bildungsgipfel? Warum musste die Kanzlerin jetzt erst im Herbst damit loslegen, damit in diesem Land überhaupt was passiert? Wo war unsere Ministerin? Sie haben aus einem Zukunftsprojekt ein Armutszeugnis für dieses Land kreiert. Das geht auf Ihre Rechnung, Frau Ministerin! ({3}) – Wenn Sie da von Unsinn reden: Wir haben tatsächlich einige Studien über unsere Schülerinnen und Schüler in diesem Land. Diese stellen fest, dass in Deutschland gerade mal jedes zehnte Kind – jedes zehnte Kind! – in der Coronazeit überhaupt Zugang zum digitalen Unterricht hatte. Wir wissen, dass – Stand heute – in Deutschland 50 000 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne sind und dass auch sie keinen ausreichenden Zugang zum digitalen Unterricht haben, obwohl wir seit einem halben Jahr über dieses Thema reden, obwohl wir die Sommerpause, die Sommerferien hatten. Wo waren Sie eigentlich in dieser Zeit? Warum haben Sie das nicht vorangebracht? Und warum stellen Sie das als Aufbruch dar, dass Sie jetzt darüber nachdenken, vielleicht irgendwann mal etwas zu machen. ({4}) Das ist zu spät. Das geht auf Kosten unserer Schülerinnen und Schüler in diesem Land, Frau Ministerin. ({5}) Als Haushälterin muss ich Ihnen noch mal eins sagen: Natürlich steigen die Mittel, und das finden wir gut. Aber in Ihrem Haus mangelt es, ehrlich gesagt, gerade nicht an Geld, ({6}) sondern in Ihrem Haus mangelt es an Umsetzung. ({7}) Da gibt es ganz, ganz viele Beispiele. Gucken Sie sich mal an, wie Ihr Verfahren zur Vergabe der Batterieforschungsfabrik gelaufen ist. Ich brauche jetzt nicht den Bundesrechnungshof zu zitieren. Ich kann dafür auch ganz viele Bundesländer hinzuziehen. Sie haben es einfach in den Sand gesetzt. So! ({8}) Schauen Sie sich mal die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen an. Das sollte ein innovatives Instrument sein, das dieses Land voranbringt. Und es geht in einem Schneckentempo voran. Moment! Wahrscheinlich werden Sie von den Schnecken dabei sogar noch überholt. ({9}) Oder schauen Sie sich mal an, was im Bereich KI passiert oder im Bereich Quantentechnologie oder Grüner Wasserstoff – alles wirklich ambitionierte Ziele –: Wir kommen da aber nicht voran. Sie verspielen hier Vertrauen. Es will auch niemand mehr so richtig mit Ihnen arbeiten, weil Sie das Vertrauen der Wissenschaft in diesem Land verspielt haben. ({10}) Frau Ministerin, in Ihrem Haus hapert es immer und immer wieder an der Umsetzung. Das ist eine schlechte Managementleistung. Obwohl Sie und Ihr Haus für einen Aufbruch in diesem Land stehen sollten, schaffen Sie genau das nicht. Wir dürfen aber nicht stehen bleiben. Wir dürfen nicht das Alte konservieren, sondern wir müssen in die Zukunft investieren, Frau Ministerin. Und wissen Sie was? Auch ich traue Ihnen nicht zu, dass das in dieser Wahlperiode überhaupt noch geschehen kann. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Albert Rupprecht für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Deligöz, viel Polemik, ({0}) aber keinen einzigen konkreten Vorschlag, keinen einzigen! ({1}) Frau Stark-Watzinger, 6,5 Milliarden für den DigitalPakt: Das ist nicht eine Petitesse. Das ist ein Riesenbetrag! ({2}) Ich würde mal sagen, hier wäre eigentlich Beifall, Lametta und Zustimmung angesagt, statt hier rumzukritisieren. ({3}) In der Tat, als wir den DigitalPakt Schule aufgelegt haben, hatten wir mit den Ländern zusammen die Abläufe geplant. Wir wissen, dass Corona diese Abläufe jetzt zwingend beschleunigt. Deswegen diskutieren wir jede Woche mit den Ländern, telefonieren mit den Schulleitern, mit den Eltern usw. Wir haben jede Woche mehrfach die Abstimmung, an welchen Schrauben wir drehen können, um das zu beschleunigen. Ich war danach gespannt, was die Opposition dazu sagt. Kollegin Suding, Sie haben einen Namensartikel im „Tagesspiegel“ geschrieben: Ich war echt gespannt, weil wir nach Lösungen suchen. Sie schrieben damals: Wir brauchen den „Turbo für die Digitalisierung“. Ein „Unterrichtsdesaster“ wie zu Beginn der Coronakrise darf sich nicht wiederholen. ({4}) Ich war total gespannt, was dann Ihre Lösungen sind. Wissen Sie was? Kein einziger ernstzunehmender Punkt, der uns jetzt irgendwie voranbringt. Sie haben Ihr Standardprogramm Digitalpakt 2.0, das Sie vor fünf Monaten entwickelt haben, wiedergekäut: Nullkommanull konkreten Verbesserungsvorschlag! ({5}) Das ist übrigens das, Herr Sattelberger – zu Ihnen komme ich auch noch –, was die FPD inzwischen auszeichnet. Die Grundrichtung ist wirklich oft vernünftig. ({6}) – Zuhören! Frau Suding, zuhören! Ich bedauere es im Übrigen, dass Sie, Frau Suding, nicht mehr für den Bundestag antreten werden. – Herr Sattelberger, ich finde Ihre Ideen oft wirklich interessant und spannend. Aber wenn es dann konkret wird: Wissen Sie, was Sie dann machen? Statt konstruktiv-konkret umsetzungsfähig zu sein, machen Sie Riesenüberschriften, weil Ihnen letztendlich nicht die konstruktive Lösung, sondern die Medienbotschaft, die Show nach außen, das Wichtigere ist. Dass Sie am Schluss in der „Wirtschaftswoche“ stehen oder in der „FAZ“, das ist Ihnen wichtiger. ({7}) Zu den Linken. Wir haben ja ein Thema in den Coronazeiten, bei dem wir uns wirklich anstrengen müssen. ({8}) – Gerne, wir lernen alle tagtäglich dazu. – Also, was ist das Programm der Linken bei dem großen Thema „Stabilisierung der beruflichen Bildung“, das auch bei uns angesiedelt ist? Wir wollen, dass die Ausbildungszahlen nicht zurückgehen. Was ist das große Rezept, das Sie hervorholen? Wissen Sie was? Den uralten, vollkommen überholten, unbrauchbaren Ladenhüter Ausbildungsplatzabgabe, den holen Sie wieder hervor. ({9}) Das ist die zentrale Botschaft in Coronazeiten, um Ausbildungsplätze zu stabilisieren. Ungeheuerlich! Ungeheuerlich! ({10}) Da lesen wir Ihre Sachen weiter durch und versuchen auch da, was herauszufinden. Zugleich sind wir mit dem BIBB im Dauergespräch: Wie ist die Situation? Was wollen wir machen? Wo sollen wir nachsteuern? Und so weiter. Dann vergleichen wir das mit den Positionen, die Sie formulieren. ({11}) Wir lesen ja Ihre Anträge. Nichts drin. Letztendlich ist es so: Die einen machen eine Show für die Medien, und die anderen machen Ideologie. Brauchbar ist praktisch gar nichts. ({12}) – Genau. Nachher kommen wir noch zur AfD, dann kommen wir zu den Grünen. ({13}) Herr Frömming, Ihre Kollegin von der AfD ist heute leider nicht da. Deswegen kriegen Sie es jetzt ab. ({14}) Jede zweite Debatte – heute haben Sie es ausnahmsweise nicht gemacht – endet ideologisch mit dem Schluss: Die Ausländer sind schuld. – Es ist kaum mehr anzuhören. Bei jedem zweiten Antrag, ({15}) bei jeder zweiten Diskussion, ob im Ausschuss oder hier: Am Schluss sind die Ausländer verantwortlich. ({16}) Es ist nicht mehr anzuhören. ({17}) Was sagt Ihr Pressesprecher – noch mal ein paar Punkte –, den Sie jetzt gefeuert haben? Deutschland muss es schlecht gehen, damit die AfD besser dasteht. – Man hat ernsthaft den Eindruck, dass es das ist, was Sie verbreiten. Wenn ich die Kollegin Höchst jetzt mit dem zitiere, was sie zum Thema Digitalisierung hier im Plenum von sich gibt, dann wird deutlich, dass sie genau das macht: Dinge schlechtreden, damit die Leute draußen panisch werden und dann sagen, die AfD sei die große Rettung. Was sagt sie, die Frau Höchst, zur Digitalisierung im Jahr 2020? Sie malt Dämonen an die Wand. Sie sagt: Ein „flächendeckender digitaler Unterricht“ killt die Bildungschancen. Weiter sagt sie: Diese „gottlose Digitalisierung“ führt zum „beziehungsuntauglichen Schüler mit … ideologisch verpixelter Weltsicht und digitaler Demenz.“ – Ja, herausragende Leistung! Frau Höchst, in welchem Jahrhundert leben Sie denn eigentlich? ({18}) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir haben seit 15 Jahren die Regierungsverantwortung. Die Zahlen noch mal in Kürze: Der Haushalt des Forschungsministeriums von Anja Karliczek ist seit 2005 von 7,6 Milliarden auf 20,2 Milliarden Euro gestiegen; das ist in dieser Zeit fast eine Verdreifachung. Das ist ein Kraftwerk und eine Spitzenleistung, die auch im internationalen Kontext vorzüglich und exzellent ist und an der Spitze liegt. Deswegen hat sich das Wissenschaftssystem in Deutschland massiv weiterentwickelt, und deswegen hat das deutsche Wissenschaftssystem international großes Ansehen. Ein Indiz – Zahlen sind letztendlich entscheidend – ist die Zahl der ausländischen Wissenschaftler, die nach Deutschland wollen: 2005 waren es 21 000, 2018 waren es 50 000; sie hat sich mehr als verdoppelt. Das sind Indizien, die zeigen, dass das, was hier gemacht wird, vielleicht von der Opposition kritisiert, aber weltweit honoriert, respektiert und wertgeschätzt wird, sehr geehrte Damen und Herren. ({19}) Wir machen das nach Leitbildern und nach Grundwerten, die vor der Krise und auch während der Krise galten: Freiheit und Vernunft. Deswegen gibt es das Wissenschaftsfreiheitsgesetz aus dem Jahre 2012, ein Meilenstein für die Wissenschaftscommunity in Deutschland, für Exzellenz und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Es gibt die Exzellenzinitiative, Alexander-von-Humboldt-Professuren und vieles andere darüber hinaus. ({20}) Verlässlichkeit ist wichtig, damit die Community weiß, was im nächsten Jahr passiert; das sind Mehrjahresprojekte. Es gibt die drei großen Pakete: Pakt für Forschung und Innovation, Innovative Hochschule und Zukunftsvertrag Studium und Lehre mit einem Rekordvolumen von 160 Milliarden Euro für die nächsten Jahre. Bis zum Jahr 2030 gibt es Planungssicherheit, sehr geehrte Damen und Herren. Wo gibt es das denn sonst in anderen Ländern in Europa? – Na, dann Beifall, bitte! ({21}) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir halten auch in der Krise haushalterisch mit 20,2 Milliarden Euro Kurs; das ist der höchste Wert. Wir unterstützen die Länder dort, wo sie überfordert sind, wo das Subsidiaritätsprinzip angewandt wird und wo wir sehen, dass sie die Unterstützung des Bundes brauchen. Noch mal das Thema Digitalisierung in den Schulen. Das war eine harte Diskussion bei uns: Wieso machen das die Länder eigentlich nicht selbst? ({22}) Irgendwann sind wir zur Erkenntnis gekommen – Subsidiaritätsprinzip –: Sie schaffen es nicht. Es macht keinen Sinn, dass jedes Bundesland eine eigene Cloud macht usw. Deswegen gibt es die Unterstützung des Bundes mit inzwischen 6,5 Milliarden Euro. Ich gehe weiter zu anderen Themen. Wichtig in der Krisenzeit ist die Frage: Nach welchen Werten, nach welchen Leitbildern agieren wir? Ich habe wirklich große Sorge, dass im Augenblick der Eindruck grassiert: Na ja, das Manna fällt vom Himmel, jeder wird bedient, jeder kriegt ein Wahlgeschenk oder sonst was, und in fünf Jahren wird das schon irgendjemand finanzieren. ({23}) Das war nie die Position der Union. Wir müssen letztendlich immer eine scharfe Trennlinie ziehen: „Wer braucht aktuell in der Notsituation wirklich Unterstützung, und wer braucht sie nicht?“, weil das Geld darüber hinaus gespart werden muss, um in die Zukunft zu investieren. ({24}) Jetzt kommen wir zur heiligen oder unheiligen Allianz der FDP gemeinsam mit den Grünen. Ein studentisches Grundeinkommen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ist vollkommen absurd. ({25}) Es ist richtig, zu sagen, dass jemand, der in Coronazeiten als Studierender oder Studierende in einer Krisensituation ist, unterstützt wird. Deswegen haben wir zwei Instrumente, die genau das ermöglichen: KfW-Kredit und Notprogramm. Darüber hinaus ist es natürlich klar unsere Position, dass das BAföG die fundamentale, zentrale Sozialleistung ist, die dafür sorgt, dass jeder junge befähigte Mensch in diesem Land studieren kann, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Deswegen haben wir 2 Milliarden Euro in den Haushalt eingestellt, und deswegen haben wir in dieser Legislatur um 1,3 Milliarden Euro zusätzlich aufgestockt.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Kommen Sie zum Schluss.

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ja, aber flott.

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Okay, ich überfliege die Seiten besser.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ja, das habe ich schon gesehen. Sie haben noch anderthalb Seiten. Sie können das gerne machen; aber dann bekommen Sie Ärger mit Herrn Schipanski.

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich muss jetzt zum gedanklichen Schluss kommen. – Dazu stehen wir: Bedürftigkeit, Sozialstaatsprinzip; aber nicht: BAföG für alle. Denn es macht keinen Sinn und ist völlig absurd, dass ein Arbeitnehmer, der bei VW an der Werkbank arbeitet, das Studium des Sohns eines Arztes mit Steuern finanziert; das kann es wohl nicht gewesen sein. Danke schön. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich danke Ihnen, Herr Rupprecht. – Schönen guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Marcus Bühl. ({0})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer an den Bildschirmen! Der Regierungsentwurf für den Haushalt des Bundesministeriums für Forschung und Bildung soll auch nächstes Jahr bei über 20 Milliarden Euro liegen. Nun bedeutet viel nicht zwangsläufig, dass es viel bringt. ({0}) Wenn man den Einzelplan betrachtet, dann bekommt man den Eindruck, es handele sich um eine Art bunten Gemischtwarenladen. Ein roter Faden oder auffällige Schwerpunktsetzungen kommen mir dabei deutlich zu kurz. Mit der vorangegangenen Grundgesetzänderung hat die Regierungskoalition den Föderalismus weiter verwässert. Der Bund greift mit dem DigitalPakt Schule in die Kernkompetenzen der Länder ein und entlässt die Länder gleichzeitig aus ihrer Verantwortung. Das ist keine gute Entwicklung. ({1}) Es gibt ja einen wahren Überbietungswettbewerb, die Mittel für diesen Pakt auszuweiten: 500 Millionen Euro mehr für Endgeräte im Nachtragshaushalt und nochmals 500 Millionen Euro mehr für nächstes Jahr. Alleine die Tatsache, wie wenig bis gar nicht diese Bundesmittel vor Ort an den Schulen ankommen, lässt nichts Gutes erahnen. Wenn das Tempo genauso läuft wie beim flächendeckenden Breitbandausbau seit über 15 Jahren, haben die Schüler von heute ihre Ausbildung oder ihr Studium längst beendet. ({2}) Dabei haben die letzten Monate doch eines deutlich gezeigt: Die Länder haben über Jahrzehnte die Modernisierung und Instandhaltung von Schulgebäuden vernachlässigt. Ein milliardenhoher Investitionsstau ist bundesweit aufgelaufen. Die Sanierung unserer Schulen wäre ein Konjunkturimpuls und eine Zukunftsinvestition. ({3}) Aber hier sind vor allem die Bundesländer in der Pflicht, mehr zu leisten. Die Länder haben in den vergangenen Jahren auch Steuermehreinnahmen gehabt. Auch bei den Hochschulen sind die Länder mit dem Hochschulpakt entlastet worden. Alleine 20 Milliarden Euro hat der Bund dafür bereitgestellt; jedoch sind die Ergebnisse bescheiden. Ein Bericht des Bundesrechnungshofes kommt zu dem Schluss, dass die angestrebte Verbesserung des Betreuungsverhältnisses zwischen Studenten und Hochschulpersonal unter dem vom Jahr 2005 geblieben sei. Gleichzeitig haben sich intransparente Strukturen gebildet, und Mittel wurden auch zweckentfremdet, zum Beispiel für Hochschulbau ausgegeben. Die Länder haben noch immer 2,5 Milliarden Euro Ausgabenreste aus diesem Programm. Mit dem Folgeprogramm „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ steigt der Bund dauerhaft in die Grundfinanzierung der Hochschulen ein und bietet den Bundesländern erneut die Möglichkeit, sich aus der Verantwortung zu ziehen. ({4}) Das BMBF, Frau Ministerin, hat im Zukunftsvertrag nicht einmal Haftungstatbestände formuliert für die zweckwidrige Verwendung von Bundesmitteln ({5}) So kann man mit unseren Steuermitteln nicht umgehen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Bühl. – Der nächste Redner: für die SPD-Fraktion Swen Schulz. ({0})

Swen Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt letztlich nur einen Weg, mit der Pandemie fertigzuwerden: mit einem Impfstoff. Und den bekommen wir nur, wenn die Forschung erfolgreich ist. Ebendiese Forschung unterstützen wir massiv. Ein Forschungserfolg ist natürlich nicht garantiert; aber wir lassen jedenfalls nichts unversucht. Wir nehmen Geld in die Hand, um die Pandemie zu besiegen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({0}) Ein besseres Beispiel für die herausragende Bedeutung von Wissenschaft kann es in diesen Tagen wohl kaum geben. Darum setzen wir hier einen Schwerpunkt. Das gilt schon für die ganzen letzten Jahre, und das gilt heute in der Krise ganz besonders. Es wäre jetzt das Verkehrteste, hier zu kürzen. Im Gegenteil: Investitionen in Bildung und Forschung sind gerade jetzt wichtiger denn je, und darum machen wir das auch. ({1}) Im vergangenen Jahr 2019 betrugen die Ausgaben des Ministeriums für Bildung und Forschung gut 17 Milliarden Euro, was auch schon ein Rekordwert war. Im jetzt laufenden Jahr 2020 haben wir über 20 Milliarden Euro vorgesehen. Und der Haushaltsplanentwurf für das nächste Jahr 2021, den wir heute hier diskutieren, sieht noch mal über 20 Milliarden Euro vor. Hinzu kommen noch Mittel, die an anderer Stelle des Haushaltes stehen, etwa für künstliche Intelligenz, Wasserstoff, Quantentechnologie, Ausbau Ganztagsbetreuung an Schulen, DigitalPakt Schule, 5 G, 6 G und anderes mehr. Keine Koalition hat jemals so viel für Bildung und Forschung getan wie diese – keine! ({2}) Ich möchte ausdrücklich Ministerin Karliczek und Bundesfinanzminister Olaf Scholz dafür danken. Wir investieren in Bildung und Forschung und Wissenschaft, und wir machen das gezielt, um stark aus der Krise herauszukommen. ({3}) Was bedeutet das im Einzelnen? Ich kann hier nur Beispiele nennen, aber vielleicht interessiert es Sie ja, und wenn Sie gut zuhören, dann lernen Sie möglicherweise noch etwas, Herr Frömming. ({4}) Wir kümmern uns etwa darum, dass die angewandte Forschung, die gemeinsam mit den Unternehmen umgesetzt wird, in der Krise nicht unter die Räder kommt. 1 Milliarde Euro insgesamt haben wir für die Einrichtungen und Unternehmen zur Verfügung gestellt. Ähnlich wie beim Kurzarbeitergeld wollen wir auch bei Forschung und Entwicklung Brüche vermeiden, die der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt, letztlich uns allen, schwer schaden würden. Mit dieser Förderung tragen wir erheblich dazu bei, dass unsere Wirtschaft langfristig auf Wachstumskurs bleibt und Arbeitsplätze gesichert und neu geschaffen werden. ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht im Etat für Bildung und Forschung aber nicht nur um die großen Forschungsprojekte, um die Unternehmen, die Spitzenforschung, die Nobelpreisträger, sondern es geht auch – und das verlieren wir nicht aus dem Blick – um Menschen, bei denen nicht immer alles super gelaufen ist. In Deutschland gibt es zum Beispiel viele Bürgerinnen und Bürger, die nicht gut lesen, schreiben und rechnen können, die häufig berufstätig sind, die zum Arzt und zum Einkaufen gehen, die Behördengänge machen und jeden Tag besonders stark sein müssen, weil das Leben sie vor Herausforderungen stellt, die sich viele kaum vorstellen können. ({6}) Auch hier unterstützen wir; denn die Alphabetisierung, Herr Sattelberger, ist zentral für gesellschaftliche Teilhabe und Chancen. ({7}) Natürlich ist uns die berufliche Bildung besonders wichtig. Darum haben wir das Aufstiegs-BAföG verbessert. Gegenüber 2019 verdoppeln wir die Mittel auf nun über 500 Millionen Euro. Das ist eine Erfolgsgeschichte sondergleichen, meine sehr verehrten Damen und Herren! ({8}) In dieser Krisenzeit denken wir auch an die Ausbildungsplätze. Zur Sicherung der Ausbildung setzen wir insgesamt 500 Millionen Euro im Etat des Ministeriums für Bildung und Forschung ein, damit nicht infolge des Wirtschaftseinbruches die junge Generation leidet und morgen die Fachkräfte fehlen. Wir lassen die Auszubildenden und die Betriebe nicht allein. ({9}) Es gäbe noch eine ganze Menge Positives zu erwähnen; aber ich will auch Probleme ganz offen ansprechen. Das BAföG für Schülerinnen und Schüler und für Studierende haben wir zwar mit einer Novelle verbessert, doch die Effekte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Auch die Erfahrungen mit der Pandemie-Nothilfe für Studierende machen deutlich, dass wir erheblichen Handlungsbedarf haben; Oliver Kaczmarek hat darauf hingewiesen. Die SPD wird sich weiter für Verbesserungen einsetzen. Das BAföG muss schneller und stärker ausgebaut werden, als wir es bislang in der Koalition verabredet haben. ({10}) Ich komme zu einer weiteren wichtigen Frage, die auch hier in der Debatte schon eine Rolle gespielt hat. Diese Krise zeigt sehr deutlich, dass die Digitalisierung, gerade in der Bildung und in den Schulen, eine riesige Herausforderung bedeutet. Nun haben wir dieses Thema nicht jetzt erst entdeckt; der DigitalPakt Schule ist deutlich älter als die Pandemie. Es gibt jedoch Kritik an seiner schleppenden Umsetzung. Dazu kann ich sagen: Ich verstehe das; ich bin selber Vater von Schulkindern. Wir versuchen, die Dinge zusammen mit den Ländern zu beschleunigen, und haben auch Geld für zusätzliche Maßnahmen zur Verfügung gestellt. Wenn ich aber, bei aller verständlichen Ungeduld, hier so manche Stimme aus der Opposition höre, dann finde ich es, ehrlich gesagt, ein wenig billig, jetzt auf der Bundesregierung herumzuhacken; ({11}) denn zuständig sind und bleiben die Bundesländer, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({12}) Ich habe noch von keinem Bundesland gehört, dass es die Kompetenz an den Bund übertragen will. ({13}) Es kommt noch etwas hinzu, meine sehr verehrten Damen und Herren: In den Landesregierungen sind häufig gerade die Parteien in Verantwortung, die hier als Opposition flotte Sprüche machen. Darum meine Bitte: Lieber die Energie aufwenden, um an einem Strang zu ziehen und den DigitalPakt Schule zum Erfolg zu führen, als hier immer der nächsten billigen Schlagzeile nachzulaufen. ({14})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Swen Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es gibt natürlich noch eine ganze Menge weiterer interessanter Themen, –

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Nicht jetzt!

Swen Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

– die wir uns vornehmen, die ich jetzt aber leider, leider nicht erwähnen darf. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen und denke, dass wir vielleicht noch den einen oder anderen Verbesserungsvorschlag machen werden. Danke schön. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Swen Schulz. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Thomas Sattelberger. ({0})

Dr. h. c. Thomas Sattelberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004869, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Blick auf unsere Bildungsausgaben hat die OECD vorgestern sardonisch festgestellt: Nicht die Höhe der Ausgaben macht den Unterschied, sondern die Frage, wie intelligent ein Land investiert. ({0}) Vor zwölf Jahren hat die Kanzlerin die Bildungsrepublik ausgerufen. Bis heute schreibt die OECD der Bundesregierung Ungerechtigkeit und soziale Undurchlässigkeit ins Stammbuch. Das betrifft nicht nur die Frage, wie viele Arbeiterkinder ein Studium aufnehmen, sondern auch das anderthalbmal höhere Risiko für finanziell schwächere Schüler, eine Klasse wiederholen zu müssen. Liebe Koalitionäre: Milliarden Euro ins Bildungssystem zu schütten, sorgt nicht automatisch für Klugheit im System. Deswegen, hippeliger Kollege Rupprecht, reden wir über Dummheit in der Bildungspolitik. ({1}) Und deswegen hat die Kanzlerin in diesem Jahr schon zwei Bildungsgipfel einberufen müssen, mit Tamtam und magerem Ergebnis. Corona bringt die ganze Misere ans Tageslicht, vor allem, wie grottenschlecht dieser Staat seine Lehrer für digitalen Unterricht ausbildet. Nach der PISA-Studie von vorgestern, Frau Ministerin, belegen wir Platz 76 von 78 im Nationenvergleich. ({2}) Im Gegensatz zu Frau Karliczek hat immerhin die Bundeskanzlerin gemerkt – Föderalismusdebatte hin, Föderalismusdebatte her, Herr Rupprecht –, dass man den DigitalPakt Schule nicht wie eine tote Katze über den Zaun werfen kann. ({3}) Das ist übrigens nicht das einzige unbestellte Feld. Das BMBF hat offenbar völlig vergessen, dass es nicht nur für die Impfstoffentwicklung und die Bioökonomie zuständig ist, sondern auch für den Transfer von Forschung: Blockchain, künstliche Intelligenz, Hightech-Strategie, Gentechnologie. Wer außerhalb Deutschlands über Innovation spricht, der denkt an Gründer und Gründerinnen, an Unternehmerinnen und Unternehmer. In Deutschland setzen nur 4 Prozent der Firmen künstliche Intelligenz ein. Die Zahl der KI-Start-ups liegt hier nur bei einem Fünftel derer in Großbritannien. Woran liegt das? An fehlendem Transfer, fehlgesteuerten Mitteln, mangelnder Unterstützung von Gründungen, unzureichendem Wagniskapital und vielen Köpfen im Sand. Die Agentur für Sprunginnovationen: Im Juni 2018 kam mein Gründungsantrag ein – 27 Monate später hat die Agentur immerhin einen Aufsichtsrat; aber sie kann ihr Geld nicht ausgeben. Ein Grundprinzip Ihrer Politik, Frau Ministerin, besteht darin, Geld ins Schaufenster zu stellen und dann die Auszahlung zu verunmöglichen. ({4}) Wie sieht es bei der qualifizierten Einwanderung aus? Die Studie des Stifterverbands von 2018 ist nach wie vor gültig. Uns fehlen an die 100 000 KI-Experten. Professor Harhoff hat festgestellt: Mehr KI-Forscherinnen und -Forscher verlassen dieses Land als zu uns kommen. – Deutschland leidet auch an diesem Punkt unter Braindrain. Von den 100 vollmundig angekündigten KI-Professoren sind derzeit wohl erst zwei in Amt und Würden. Die Bilanz Ihrer Arbeit, Frau Karliczek, ist dunkelrot. Vollends deutlich wird dies werden, sobald sich Corona von dannen macht. Dann werden wir feststellen, dass die digital aufgestellten Nationen aus dieser herben Krise als Gewinner hervorgegangen sein werden. Frau Karliczek, kein Thema Ihres Ressorts haben Sie geführt; Sie haben vielmehr die Themen verwaltet und sich von Ihren Beamten durch die Manege ziehen lassen – mit dem Ergebnis, dass Ihnen bei der Batteriezellenforschung jetzt die Bundesrechnungshofberichte um die Ohren fliegen. Wegen der Politik der faulen Hand klafft in Deutschland eine Bildungs- und Innovationslücke. Sie haben verpasst, den Weg kreativer Selbsterneuerung zu beschreiten. Die Schulen sind eingefroren auf Vor-Corona-Level. Während Bund und Länder noch herumlaborieren, bauen andere Nationen bereits ihre Innovationspipeline: Südkorea, Dänemark, Schweiz oder Kanada. Krise als Chance nutzen. Warum schaffen das andere und Sie nicht? Der Speck schwimmt weg, Frau Karliczek! ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Die Redezeit auch.

Dr. h. c. Thomas Sattelberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004869, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin fertig.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ach so, Sie sind fertig; wunderbar. Danke schön, Dr. Sattelberger. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Petra Sitte. ({0})

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute im dritten Jahr dieser Koalition und nach einem Dreivierteljahr der Coronakrise den letzten Einzelplan von Ministerin Karliczek. Zur Erinnerung: Nach drei Jahren erhalten Studierende – in aller Regel, wenn alle Leistungen erbracht wurden – den Bachelorabschluss. Alle Leistungen erbracht mit Blick auf die Ministerin? Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht bescheinigen, nicht einmal bezüglich Ihrer selbst angekündigten Vorhaben. Ich habe mich immer wieder in den letzten drei Jahren gefragt: Wann fängt diese Ministerin endlich an, zu brennen, wann kommt da mal Leidenschaft, für ihr Ressort zu kämpfen? Ich habe es nicht bemerkt, und Tausende haben die Folgen davon zu tragen. ({0}) Erstens. Im Sommer sind die neuen Zahlen – es wurde schon angesprochen; man muss es aber noch mal ausdrücklich vertiefen – der BAföG-Geförderten veröffentlicht worden. Von einer Trendwende kann wieder überhaupt keine Rede sein. Wie befürchtet, ist der Kreis der Geförderten wieder geschrumpft: Nur noch 11 Prozent der Studierenden bekommen BAföG. Vorher waren es wenigstens 14 Prozent. Und nur 7 Prozent bekommen überhaupt den vollen Betrag. Das hat zur Folge, dass 69 Prozent der Studierenden nebenbei jobben müssen. Völlig logisch ist, dass infolge der Coronakrise für viele Studierende beim Wegfall der Minijobs sofort die Existenzfrage auftauchte und natürlich auch Reaktionen vonseiten dieses Ministeriums erwartet wurden. Das, was Sie für Studierende getan haben, war – mit Verlaub – zu wenig, es kam zu spät, und es ist nicht attraktiv genug für die Studierenden. ({1}) Die Krisenpakete haben Milliarden enthalten. Manches sinnvoll, manches weniger sinnvoll, beispielsweise 10 Milliarden Euro für die Rüstung – weniger sinnvoll –, 9 Milliarden Euro für die Lufthansa – darüber lässt sich streiten. Aber nicht mal 1 Milliarde Euro für 2,9 Millionen Studierende? Das finde ich einen ziemlichen Skandal. Sie lassen jene im Stich, für die Sie eigentlich Mitverantwortung übernommen haben, und das verstehe ich überhaupt nicht. ({2}) Zweitens. Frau Karliczek, Sie haben uns gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit wissen lassen, wie sehr Ihnen die berufliche Bildung am Herzen liegt. Auch hier spürbar: Herzschwäche. Außer kosmetischen Neuerungen ist im Bereich berufliche Bildung gar nichts passiert. Es wurden ein paar Master- und Bachelortitel eingeführt; aber es gab für junge Menschen keine echten Verbesserungen. Viel schlimmer: Die Zahl ausbildender Betriebe ist weiter rückläufig. Sie wäre auch ohne Corona weiter rückläufig; das wissen Sie. Und die finanziellen Coronaanreize, die jetzt eingestellt worden sind, sind für die meisten Unternehmen vollkommen unattraktiv. Hinzu kommt, dass 2 Millionen junge Erwachsene überhaupt keinen Berufsabschluss haben. 2020 hätte also Ihr Jahr für eine Investitionsoffensive, für Ausbildungsförderung für junge Menschen werden können. Aber was ist passiert? Nichts, weit gefehlt, Fehlanzeige! Im Gegenteil: Haushaltstitel, die eingestellt worden sind wie für „Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung“, „Sicherung von Ausbildungen“ oder „Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsorientierung“ haben die geringsten Mittelabflüsse. Es ist doch nicht die Zeit, um auf dem Geld hocken zu bleiben. ({3}) Herrn Rupprecht will ich sagen: Wenn Sie mit der Ausbildungsumlage oder ‑abgabe immer noch so fremdeln, tun Sie mir einfach leid. Die Bauwirtschaft macht das seit Jahrzehnten, und einige Bundesländer haben das erfolgreich im Pflegebereich eingeführt. ({4}) Insofern: Hören Sie auf, die Ausbildungsumlage zu verteufeln. ({5}) Viel wichtiger wäre jetzt, etwas zu tun. Beispielsweise könnten überbetriebliche Berufsbildungsstätten einen Ausgleich in dieser Zeit schaffen. Frau Ministerin, Zehntausende junger Menschen sind jetzt auf Ihre Unterstützung angewiesen, werden aber genau genommen im Regen stehen gelassen. ({6}) Drittens. Das Gleiche gilt für die Hochschulen und die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Über 80 Prozent arbeiten dort mit befristeten Verträgen. Das ist für verlässliche wissenschaftliche Karriereplanung und Leistungshonorierung völlig unakzeptabel. ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Jawohl. – Insofern muss ich Ihnen sagen: Wären Sie eine solche, hätten Sie aus unserer Sicht nicht mal die Chance auf einen Anschlussvertrag. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Petra Sitte. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Kai Gehring. ({0})

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wessen Bilanz ist eigentlich schlechter: die von Ministerin Karliczek oder die von Verkehrsminister Scheuer? Darüber kann man streiten. Fakt ist: Die Zeit der großen Aufwüchse bei Bildung, Forschung und Innovation sind mit Ihnen, Frau Karliczek, eindeutig vorbei. Damit sind Sie ein Standortrisiko und eine Fortschrittsbremse. ({0}) Man muss sich das mal vorstellen: Herr Scheuer organisiert eine halbe Milliarde Euro für ein Zentrum für Mobilitätsforschung in Bayern, Frau Karliczek eine halbe Milliarde Euro für Batteriezellen im Münsterland. ({1}) Gelder nach Gutsherrenart zu verteilen, geht gar nicht, sagen wir und der Bundesrechnungshof. ({2}) Ich finde, das beste Konzept sollte den Zuschlag bekommen. Und Nordrhein-Westfalen hat diese Mauscheleien überhaupt gar nicht nötig; mein Zuhause ist auch so spitze. Womit bleiben Sie eigentlich im Gedächtnis, Frau Karliczek? Erstens mit Vorurteilen gegenüber Regenbogenfamilien. Eine fortschrittliche Bundesbildungsministerin würde einen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit in Bildungseinrichtungen auflegen. ({3}) Ob im Ministerium oder auf dem Schulhof: Angst vor gesellschaftlicher Vielfalt ist heilbar. ({4}) Zweitens. Die Bundesforschungsministerin hat auf die größte Überlebensfrage unserer Menschheit, nämlich die Klimakrise, keine adäquate Antwort. Mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung an Schulen haben Sie abgelehnt. Unser Rahmenprogramm Klimaforschung haben Sie abgelehnt. An klimaneutralen Hochschul- und Forschungsbauten haben Sie nicht mal ein Interesse. Sie blockieren den Weg in ein klimagerechtes Land. Gegen die Klimakrise hilft eben kein Impfstoff, sondern mehr Forschung für ökologische Innovationen. ({5}) Drittens. Ministerin Karliczek dämmert kurz vor Schluss, wie wichtig Digitalisierung ist. Schnelles Internet brauchen wir nicht nur an jeder Milchkanne, sondern auch in jeder Schule, ({6}) dazu eine moderne Ausstattung und Lehrkräfte, die digital unterrichten können. Digitale Bildung voranzubringen, haben Frau Karliczek und ihre CDU-Amtsvorgängerinnen mit einer unglaublich konservativen Schnarchnasigkeit einfach verschlafen. ({7}) Viertens. Unter Ministerin Karliczek nimmt die Bildungsspaltung leider wieder zu. Mehr junge Menschen verlassen die Schule ohne Abschluss. Mehr junge Menschen bleiben ohne Ausbildung, und immer mehr suchen einen Ausbildungsplatz. Das sind alarmierende Trends. Dazu hätte ich heute von Ihnen eine klare Aussage erwartet und nicht zum hunderttausendsten Mal, wie toll unsere berufliche Bildung ist; das wissen wir. Es kann aber schlichtweg nicht sein, dass ein junger Mensch zurückgelassen wird. Jeder braucht eine Chance. Eine Bildungsministerin, die nicht brennt für Chancen für alle, kann die Bildungszuständigkeit eigentlich auch abgeben. ({8}) Es wäre zum Beispiel allerhöchste Zeit für ein Bund-Länder-Programm für Schulen in benachteiligten Stadtteilen. ({9}) Die Verfassungslage würde das ermöglichen. Das wäre eine richtig tolle Maßnahme, um für mehr Bildungsgerechtigkeit in diesem Land zu sorgen. Aktuell fehlt noch immer ein Konzept, wie Schulen in Coronazeiten gut durch den Winter kommen. Lehrer, Schüler, Eltern lassen Sie allein. Planlosigkeit im sechsten Monat – da erwarten wir eindeutig mehr. Für Studierende hat Ministerin Karliczek eigentlich gar nichts übrig. ({10}) Die Coronahilfen für Studierende in Not lassen Sie einfach auslaufen. Die Hilfen laufen mitten in der Pandemie und kurz vor Semesterstart aus. Das ist doch unglaublich! ({11}) Tausende haben einen Nebenjob verloren, Eltern kriegen Kurzarbeitergeld, sind in finanziellen Engpässen. So geht das doch nicht! Auch für Kinder aus armen Elternhäusern muss ein Traum vom Studium ohne Schuldenberg finanzierbar sein. ({12}) Das BAföG haben Sie heruntergewirtschaftet wie keine Koalition vorher. ({13}) Wenn 89 Prozent kein BAföG bekommen, ({14}) dann sollten Sie sich schämen und die SPD gleich mit, ({15}) die wieder ein Jahr vor der Wahl erkennt: Beim BAföG hätte man noch mehr machen müssen! Denn das kriegen nur noch 11 Prozent. ({16}) Sie müssen dafür sorgen, dass das BAföG einen Neustart bekommt, ({17}) damit es wieder ein Chancengerechtigkeitsgesetz sein kann. ({18})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Gut, und jetzt kommen wir zum Schluss.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Seit 15 Jahren wird das Bundesbildungs- und ‑forschungsministerium von der CDU geführt. Es wird höchste Zeit, das zu ändern und am Kapelle-Ufer mal ordentlich durchzulüften. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kai Gehring. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Tankred Schipanski. ({0})

Tankred Schipanski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie immer ist die Haushaltsdebatte eine lebhafte Debatte, und das ist ja auch kein Wunder bei diesem Regierungsentwurf für den BMBF-Etat 2021 – ein Rekordhaushalt mit über 20 Milliarden Euro. Das Haushaltsvolumen steigt seit über zehn Jahren kontinuierlich an, und Albert Rupprecht hat das mit einem Faktenfeuerwerk untermauert. Lieber Albert, vielen Dank dafür! Das ist, liebe FDP, keinesfalls ambitionslos, so wie das von Ihrer Seite dargestellt wurde. Letztes Jahr um diese Zeit diskutierten wir hier das gute Zeugnis der OECD für Deutschland im Bereich der beruflichen Bildung – ein Bereich, der auch in diesem Haushalt wieder absolute Priorität hat. Wir sind weiter auf dem richtigen Weg, indem wir aktiv die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung betonen und diesbezüglich für ein gesellschaftliches Umdenken werben. Der Bericht „Bildung in Deutschland 2020“, der im Juni dieses Jahres vorgestellt wurde, macht uns Mut. Diesen wissenschaftlich fundierten Bericht sollten vor allem jene lesen, die in dieser Debatte schwarzmalen und dem deutschen Bildungssystem Ungerechtigkeiten unterstellen. Das haben die FDP, die Grünen, aber natürlich auch Die Linke gemacht. ({0}) Diese pauschale Kritik wird in dem Bericht eindrucksvoll widerlegt. Vielmehr wird festgestellt, dass sich das deutsche Bildungssystem durch eine hohe Durchlässigkeit auszeichnet, die Zahl der im Bildungswesen Beschäftigten kontinuierlich steigt, das Angebot an Ganztagsbetreuung zunimmt usw. usf. Das sind alles Erfolge, die sich auch in diesem Haushalt widerspiegeln und die wir mit diesem Haushalt erfolgreich fortsetzen. ({1}) Meine Damen und Herren, auch beim Thema Forschungspolitik setzen wir auf Verlässlichkeit und Schwerpunktsetzung. Die Aufstockung der Mittel für künstliche Intelligenz ist richtig. Die europäische Einbettung ist notwendig und wird in diesem Haushalt einmal mehr vollzogen. Sollte es zu einer Verstetigung der Bundesfinanzierung für die KI-Kompetenzzentren kommen, ist selbstredend ein Ausgleich für die Bundesländer notwendig, die kein derartiges Zentrum haben. Auch die 10 Millionen Euro für KI in der Hochschulbildung sind ein richtiges und wichtiges Signal. Die in der Nachhaltigkeitsdebatte in der letzten Sitzungswoche gelobten Programme zur Förderung der Mikroelektronik gilt es auf hohem Niveau fortzusetzen. Darauf werden wir in diesen Haushaltsberatungen besonders achten. ({2}) Ein starkes Signal sind zudem die knapp 200 Millionen Euro für Quantencomputing. Besonders zu loben ist der Aufwuchs bei der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur von mehr als 55 Millionen Euro im nächsten Jahr. Meine Damen und Herren, die mannigfachen Bundesrechnungshofberichte nehmen wir natürlich ernst. Der Bericht zur Projektförderung des BMBF treibt mich dabei besonders um. Er zeigt, dass wir als Parlament in vielen Bereichen viel stärker nachsteuern müssen. Der Rechnungshof muss aber auch politische Entscheidungen akzeptieren. Es ist eben politischer Wille des Parlaments, dass wir uns an den Ausgaben für Forschungsschiffe stark beteiligen wollen. Es ist eben politischer Wille, dass wir im Wissenschaftsfreiheitsgesetz Selbstbewirtschaftungsmittel zulassen. Es bleibt zudem festzuhalten, dass wir die Kontrollmechanismen im neuen Hochschulpakt angepasst haben, sodass es nicht mehr zum Missbrauch von Hochschulpaktmitteln, wie das in dem alten Pakt offengelegt worden ist, kommen kann. Ich finde, Frau Lötzsch, es gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass man zwischen diesen beiden unterschiedlichen Pakten auch differenzieren muss. ({3}) Das BMBF passt zudem seine kritische Aktenführung bei der Batterieforschungsfabrik an. Das dazu von der Opposition immer noch gerittene Pferd ist mausetot. Meine Damen und Herren, in einem Bildungsfeld haben wir aber erhebliche Defizite, und das ist unsere deutsche Schulbildung, die in der Verantwortung der Bundesländer liegt. Das hat uns der PISA-Sonderbericht Ende letzten Jahres gezeigt; das haben wir hier im Dezember letzten Jahres auch debattiert. Aber leider ist seitdem nichts besser geworden. Die von uns seit Jahren geforderten verbindlichen Bildungsstandards lassen auf sich warten; es gibt keinen Bildungsstaatsvertrag, keine institutionelle Kooperation. Dieses verheerende Verhalten der Bundesländer ist im Bereich der digitalen Schulbildung im Rahmen der Coronakrise zu einem national-volkswirtschaftlichen Problem angewachsen. ({4}) Dies führte dazu, dass sich die Koalitionsspitzen in verschiedenen Treffen auf Zusatzfinanzierungen über den DigitalPakt Schule hinaus verständigt haben; die Zahlen sind schon mehrfach genannt worden. Wenn die Länder nicht in der Lage sind, Geld abzurufen, obwohl man nur ein einfaches Medienkonzept vorlegen muss, dann kann man den Ländern an diesem Punkt nicht mehr helfen. Es gibt 500 Millionen Euro extra für bedürftige Schüler – davon sind übrigens schon 300 Millionen Euro in den ersten zwei Monaten abgeflossen –, 500 Millionen Euro extra für Systemadministratoren, 500 Millionen Euro extra für Endgeräte für die Lehrer. Meines Erachtens wird noch mehr Geld das systematische Problem im deutschen Schulsystem aber nicht lösen. ({5}) Selbst die Bundeskanzlerin sah sich genötigt, die Kultusminister der Länder zu einem informellen Treffen ins Kanzleramt einzuladen – ein Format, welches ich als Parlamentarier ablehne. Der Bundestag entscheidet über Finanzmittel und deren Konditionierung und nicht das Kanzleramt. Dass der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz in einer Bundestagsausschusssitzung dazu feststellte – ich zitiere –: „Die Kanzlerin will sich bei dem Treffen über die gute Arbeit der deutschen Kultusminister informieren“, ist an Realsatire nicht mehr zu überbieten. ({6}) Die Bildungs- und Digitalpolitiker der Unionsfraktion haben klare Vorschläge unterbreitet, wie jetzt beim Thema „digitale Schulbildung“ weiter fortgefahren werden muss, insbesondere auch, was modulare Onlinelehrerfortbildungen angeht. Die Europäische Kommission hat nunmehr einen Aktionsplan für digitale Bildung vorgestellt, und ich erwarte, dass die Kultusminister endlich koordiniert operativ in diesem Bereich tätig werden. Ich kann der Bundeskanzlerin nur beipflichten, die in der Generaldebatte sinngemäß sagte: Das sind wir unseren Kindern schuldig. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Tankred Schipanski. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Michael Espendiller. ({0})

Dr. Michael Espendiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004711, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und bei YouTube! Es geht heute um den Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für das Haushaltsjahr 2021. Für diesen Etat gilt das Gleiche wie für den Gesamthaushalt: Wo bleibt das nötige Konsolidierungskonzept? Die Regierungsfraktionen von Union und SPD setzen auf Schulden, Schulden und nochmals Schulden und wollen damit im Wahljahr 2021 großzügig Wahlgeschenke auf Kosten der nächsten Generationen verteilen. Das ist verantwortungslos. ({0}) So verhält es sich auch im Bildungs- und Forschungsbereich. Der Etat mag zwar um 70 Millionen Euro kleiner sein als in diesem Jahr. Allerdings erkennt man auch hier keine Bemühungen, die geplante Neuverschuldung irgendwie zu reduzieren oder alle Ausgaben einmal gründlich auf den Prüfstand zu stellen. Diese Schuldenorgie tragen wir nicht mit. ({1}) Aber wir werden unseren Job machen, Frau Karliczek, und mit unseren Änderungsanträgen zeigen, wo in Ihrem Etat das Geld zum Fenster rausgeworfen wird. Zwei Dinge möchte ich heute ansprechen. Das ist zum einen die Nationale Wasserstoffstrategie, die Sie gerade erwähnt hatten. Das ist die neue heilige Kuh im Kampf gegen den Klimawandel. Dieses Vorhaben ist nichts anderes als die Einführung einer ökosozialistischen Planwirtschaft auf bundesdeutschem Boden. ({2}) Man sollte meinen, dass die Politiker von CDU und SPD etwas aus ihrem epischen Versagen beim Pannenflughafen BER gelernt haben: 14 Jahre Bauzeit, sechs geplatzte Eröffnungstermine, ({3}) Kosten in Höhe von 6,4 Milliarden Euro und damit dreimal so teuer wie ursprünglich geplant. ({4}) Diese Historie der Inkompetenz zeigt, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. ({5}) Was hat unsere größenwahnsinnige Regierung daraus gelernt? Nichts, absolut gar nichts. Denn dieses Versagen will man jetzt auch noch wiederholen und dieses Mal gleich ganze Wirtschaftssektoren mit an die Wand fahren. Ja, Wasserstoff wird ein elementarer Bestandteil der zukünftigen Energieversorgung sein. ({6}) Aber dass die Bundesregierung jetzt selbst Unternehmer werden will, wird zu einer Geldverbrennung unbekannten Ausmaßes führen. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, hier sparsam zu sein und die Entwicklung dieses Marktsegmentes der Privatwirtschaft zu überlassen. ({7}) In die Grundlagenforschung beim Thema Wasserstoff kann der Bund gerne investieren, und das tut er ja auch. Aber insgesamt investieren wir in die Grundlagenforschung viel zu wenig. Das zeigt sich besonders bei einem anderen wichtigen Thema, das ich als Zweites hier ansprechen möchte: die Kernenergie. Weltweit setzt man momentan auf den Ausbau der Kernenergie und die Erforschung neuer Reaktorkonzepte. Kernreaktoren der vierten Generation sind sicherer als alle vorherigen ({8}) und können zudem unser Endlagerproblem radikal entschärfen, indem Atommüll zur Energiegewinnung genutzt werden kann. ({9}) Aber in Deutschland traut man sich an dieses Tabu nicht heran. Nicht einmal die Forschung in diesem Bereich möchten Sie zulassen. Sie alle hier verschließen die Augen vor diesen riesigen Potenzialen, die unsere Energieversorgung sauber, sicher und günstig für alle machen können. ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung?

Dr. Michael Espendiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004711, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Gerne gleich als Kurzintervention. Ich würde jetzt gerne weitermachen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Gut.

Dr. Michael Espendiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004711, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Das Ganze machen Sie aus reiner Angst und ideologischer Verblendung. ({0}) Wir in der AfD-Bundestagsfraktion sind klar für die Kernkraft und für die Erforschung neuer Reaktorkonzepte. ({1}) Und wir sind ja auch nicht die Einzigen, die das so sehen. Es war der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt von der SPD, der Folgendes gesagt hat – ich zitiere –: ({2}) Ich finde es erstaunlich, dass unter allen großen Industriestaaten der Welt – von den USA bis China, Japan und Russland – die Deutschen die Einzigen sind, die glauben, sie könnten ohne Kernkraft auskommen. Wir haben praktisch unseren Kohlebergbau aufgegeben, wir haben so gut wie kein Öl in unserem Boden, ({3}) auch nicht vor unseren Küsten. Deshalb liegt es nahe, dass Deutschland einen Teil seiner Energie aus Kernkraft bezieht. Das kommt von dem ehemaligen SPD-Kanzler. ({4}) Wir alle sollten über diese Worte nachdenken und offener und mutiger in der Forschung sein. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Espendiller. ({0}) Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dr. Karamba Diaby. ({1})

Dr. Karamba Diaby (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004259, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland dauert es laut OECD sechs Generationen oder 180 Jahre, bis ein Kind von der untersten Einkommensschicht in die Mitte der Gesellschaft kommt. Man muss gar kein Sozialdemokrat sein, um zu merken: Das dauert zu lange. ({0}) Von 100 Schulkindern aus einkommensschwachen Familien gehen nur durchschnittlich 21 anschließend auf eine Hochschule. Bei Kindern von Akademikerinnen und Akademikern sind es durchschnittlich 74, also dreimal so viele. Das heißt für uns alle: Wir müssen mehr investieren, damit der Bildungserfolg nicht von der sozialen Herkunft der Eltern abhängt. ({1}) Bildung ist also das wichtigste Instrument, das wir haben. Deshalb freue ich mich, dass wir im Vergleich zu 2019 sage und schreibe 2 Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben, und das ist gut so. ({2}) Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, als Beispiele einige Projekte zu nennen: Die 13 Begabtenförderwerke wie zum Beispiel die Friedrich-Ebert-Stiftung oder die Heinrich-Böll-Stiftung ({3}) leisten einen entscheidenden Beitrag für die Gesellschaft und zur Förderung einer demokratischen Kultur in Deutschland. Ich bin persönlich der Heinrich-Böll-Stiftung dankbar, dass sie mir ein Promotionsstipendium gezahlt hat. ({4}) Die Begabtenförderung ist weit mehr als nur die Vergabe von Stipendien. Ihr Herzstück ist die ideelle Förderung. ({5}) Deshalb ist es wichtig, meine Damen und Herren, dass sie ausreichend finanziert wird. Junge Menschen sollen das Bewusstsein für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vermittelt bekommen. Meine Damen und Herren, die Pandemie hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik wichtig ist. Corona hat aber auch deutlich gemacht, dass die Hochschulmedizin in den Bereichen Forschung und Patientenversorgung eine Schlüsselrolle einnimmt und die notwendige Brücke zwischen Theorie und Praxis schlägt. Das neue Netzwerk Universitätsmedizin zum Aufbau eines Forschungsnetzwerks unter der Leitung der Charité und zur Bewältigung der Pandemie ist ein Anfang. Es muss weitergeführt und für künftige Herausforderungen weiterentwickelt und gefestigt werden. ({6}) Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der Coronapandemie gesehen, dass nicht alle Kinder von zu Hause aus beschult werden konnten, weil ihnen einfach die Endgeräte fehlten. ({7}) Auch hier gilt: Kein Kind darf zurückgelassen werden, jedes Kind muss es packen. Deshalb müssen wir die Verteilung der Endgeräte an die Lehrkräfte sowie an die Schülerinnen und Schüler beschleunigen. Sechs Generationen oder 180 Jahre dauert es, bis ein Kind von der untersten Einkommensschicht in die Mitte der Gesellschaft kommt. Das dauert zu lange. Wir müssen diesen Weg deutlich beschleunigen. Dafür sind in diesem Haushalt die richtigen Instrumente eingeplant, und daran werden wir uns auch halten. Ich freue mich auf die Diskussionen. Danke schön.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Karamba Diaby. – Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Kerstin Radomski. ({0})

Kerstin Radomski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben derzeit große Herausforderungen für die Bildungs- und Wissenschaftslandschaft. Die Coronapandemie hat in vieler Hinsicht als Beschleuniger gewirkt. Spätestens seit dem Homeschooling – was heute oft erwähnt wurde – ist die digitale Transformation in jeder Schule angekommen. Nachdem die Schulen nun wieder geöffnet sind, stehen die Schülerschaft, die Lehrer, aber auch die Eltern vor den Herausforderungen des neuen Alltags. Es geht um die Einhaltung von Hygienevorschriften, um die Maskenpflicht und um die Frage, wie Bildung in Zukunft gestaltet wird. Deshalb möchte ich als Erstes die heutige Debatte nutzen, um allen zu danken, die sich in den Schulen überdurchschnittlich mit neuen Themen auseinandergesetzt haben, und dazu gehört auch die Digitalisierung. Ich danke sowohl den Schülern, die die Herausforderung angenommen haben, als auch den vielen Lehrern, die mit viel Engagement in den Schulen dazu beigetragen haben, dass Homeschooling überhaupt stattfinden konnte. ({0}) Zu den notwendigen Veränderungen gehört aber auch die Frage, wie digitales Lernen Einzug in den Alltag von uns allen findet. Von daher ist es sicherlich gut, dass die Bundeskanzlerin in der vergangenen Woche zum Schulgipfel ins Kanzleramt geladen hat. Geplant sind eine bundesweite Bildungsplattform und digitale Kompetenzzentren in den Ländern. Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen inzwischen über viele, für den Bürger fast unüberschaubare Programme. Wir haben den BAföG-Anteil der Länder übernommen, ein Sanierungsprogramm für die Schultoiletten – 3,5 Milliarden Euro –, ein Programm für digitale Endgeräte – 500 Millionen Euro –, Lehrerlaptops – 500 Millionen Euro –, 500 Millionen Euro für IT-Administratoren. Insgesamt umfasst der DigitalPakt inzwischen rund 6 Milliarden Euro. Schaut man in den Bildungsfinanzbericht von 2019, fällt zudem auf, dass sich die öffentlichen Bildungsausgaben im Bund und in den Ländern von 2005 bis 2019 unterschiedlich entwickelt haben: Bei den Ländern haben sich die Ausgaben um 66 Prozent erhöht, der Bund investiert inzwischen 150 Prozent mehr in die öffentliche Bildung, und das auch in Bereichen, für die er originär gar nicht zuständig ist. ({1}) Insofern fordere ich die Bundesländer auf, ihre Prioritäten neu zu setzen, so wie es der Bund mit seinen massiven Steigerungen an der Stelle seit dem Jahr 2005 bewiesen hat. ({2}) Natürlich gehört zu diesem Einzelplan nicht nur der Bereich der Bildung, sondern auch die Forschung. Ich möchte auf die Erfolge der Forschung an den Universitäten, Fachhochschulen und auch in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen eingehen. Im Einzelplan „Bildung und Forschung“ stehen dafür 15,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Wir stellen Projektfördermittel etwa für die Umweltforschung bereit. Hier erforscht man zum Beispiel, wie CO2 gebunden und genutzt werden kann. Die Infektionsforschung beschäftigt sich mit dem Thema rund um Corona, aber auch mit der sehr wichtigen Forschung, um neue Antibiotikaarten zu finden. Im Bereich der Bioökonomie fördern wir Pflanzenzüchtung und die Erforschung nachhaltiger Bodennutzung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Bundesbildungsministerin hat mit großem Einsatz in den letzten Monaten dafür gearbeitet, dass dieser Einzelplan den Rekord von 2,2 Milliarden Euro erreicht hat. Dafür danke ich ganz herzlich. ({3}) Was aber sicherlich nicht zielführend ist – das ist mir in dieser Debatte auch aufgefallen –, ist, wenn für Parlamentarier Bildung stets bei einem Universitäts- oder Fachhochschulabschluss endet. Dann bräuchten wir übrigens in Zukunft kein Geld mehr in die berufliche Bildung zu stecken. Man ist genauso Mensch, wenn man einen beruflichen Schulabschluss gewählt hat, genauso gut ist es, Meister zu werden; das qualifiziert einen Menschen sowohl fürs Parlament als auch fürs Leben. Deshalb finde ich es schwierig, wenn hier immer wieder erwähnt wird: Wir müssen gucken, dass alle ihren Universitätsabschluss schaffen. – Das muss nicht unser Ziel sein, sondern es geht darum, dass ein Mensch sich selbst verwirklichen kann, dass ein Mensch seinen persönlichen Lebensweg geht und Teil unserer Gesellschaft wird und dabei etwas erreichen kann. ({4}) Insgesamt wünsche ich uns für die Haushaltsberatungen, dass wir um den besten Weg streiten. Wir werden sicherlich in dem Einzelplan auch noch etwas verändern. Ich freue mich auf die Beratungen, auf die kollegiale Art, die wir in den letzten Jahren immer gehabt haben diesbezüglich, und wünsche uns allen ein gutes Gelingen bis zur nächsten Haushaltswoche. Danke schön. ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kerstin Radomski. – Die letzte Rednerin: Yasmin Fahimi für die SPD-Fraktion. ({0})

Yasmin Fahimi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004713, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist in der Krise ebenso wichtig wie Schutz und Sicherheit? ({0}) – Das stimmt: „Olaf Scholz“ ist eine richtige Antwort. ({1}) 100 Punkte für die Kollegen hier an der Seite. – Aber worüber ich eigentlich reden wollte – das hängt allerdings damit zusammen –, ist: Perspektiven für die Zukunft schaffen, Zuversicht, dass es besser wird. Und dafür darf man eben nicht einfach nur sparen, wie die Ewiggestrigen glauben, sondern muss auch in die Zukunft investieren. ({2}) Das ist jedenfalls das sozialdemokratische Verständnis von Generationengerechtigkeit. Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen: Die Bundesagentur für Sprunginnovationen wird ja von einigen ein bisschen belächelt. Nun kann sie aber mit voller Kraft voraus ihre Arbeit aufnehmen: 31 Millionen Euro sind im Haushalt für das nächste Jahr eingeplant. Ich wage mal folgenden Vergleich: Für mich ist die SprinD quasi die deutsche Variante des Silicon Valley, ({3}) aber effizienter und technologieoffener. Es werden eben nicht einfach nur ein paar Start-ups in die Wüste gesetzt und dann sich selbst überlassen – mit im Übrigen recht überschaubaren Quoten, was die Marktgängigkeit und die Etablierung im Markt angeht, von unter 1 Prozent. Ich will nicht schmälern, welcher Mut und welche Tatkraft dahinterstehen. Spinnereien ernst zu nehmen, ist genau richtig. Aber das ist dem deutschen Erfindergeist auch nicht unbedingt fremd. Wir wollen das aber effizienter machen. Deswegen wird die SprinD für einige Großprojekte das sogenannte Tal des Todes überspringen und nicht nur gute Ideen aufgreifen, sondern auch den Transfer in die Wirtschaft erfolgreich begleiten. Wir wollen das Beste aus zwei Welten vereinen: Ideenreichtum auf der einen Seite und effektive wirtschaftliche Implementierung in den Markt andererseits. ({4}) Das kann man im Übrigen auch bei der ersten Tochtergesellschaft sehen, die gegründet wurde; bei ihr geht es um eine neue Generation von Höhenwindkrafträdern: so hoch, dass man eine zweite Etage in bestehende Anlagen einbauen könnte, so günstig, dass man den Ausbau beschleunigen könnte, auch über Deutschland hinaus, und so effizient, dass sie unter Volllast fahren können. Das Geheimnis dieser Konstruktion ist übrigens unter anderem ein massiver Treibgurt, der aus den Braunkohlebaggern entliehen ist. Nun mögen einige sagen: Mhm, ganz nett alles, aber was hat das mit Sprunginnovationen zu tun? – Nun, ich will gerne einmal ein Bild dazu vermitteln. Man stelle sich vor: ein sich dauerhaft drehender Eiffelturm mitten in der Lausitz, dort produziert und betrieben. ({5}) Das wäre ein wahrer Sprung für die Energiewende und für den notwendigen Strukturwandel in dieser Region. ({6}) Ich weiß, das ist alles noch Zukunftsmusik, es gibt keine Erfolgsgarantien. Aber das ist der Reiz bei SprinD, und viele andere wichtige Projekte sind noch in der Pipeline. In Zukunft werden wir vielleicht Alzheimer bekämpfen können oder das erste Holodeck in Deutschland bauen. Ich freue mich jedenfalls auf diese weitere Arbeit. ({7}) Lassen Sie mich zum Schluss noch ein weiteres Zukunftsprojekt benennen, bei dem wir Perspektiven für die Zukunft schaffen müssen: Das ist die Ausbildung. In der Tat, bei der Ausbildung müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass überhaupt weiter Ausbildungsplätze bestehen. Deswegen ist der Schutzschirm und sind die 500 Millionen Euro ganz, ganz elementar und richtig. Frau Ministerin, ich wünsche mir nur eines: Wir müssen jetzt zusehen, dass dieses Paket auch fliegt. Deswegen: Lassen Sie uns in den nächsten Wochen und Monaten kurzfristig nachjustieren an den Stellen, an denen es gegebenenfalls noch Verbesserungsbedarf gibt: bei den Prämien, bei der Frage der überbetrieblichen Ausbildungsstätten im Handwerk oder aber auch für die außerbetrieblichen Ausbildungsstätten in unterversorgten Regionen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das gilt auch für einige andere Punkte, zum Beispiel für das Programm zur Förderung der Berufsorientierung, das leider einen Minderabfluss nicht nur in diesem, sondern auch schon im letzten Jahr hatte. Ich bitte darum, dass wir das jetzt anpacken. Wir können es uns im doppelten Wortsinn nicht leisten, dass diese Gelder nicht abgerufen werden. Wir brauchen jetzt eine schnelle und flexible Handhabung dieses Programms und digitale Angebote im Netz. Alle Ministerien sind aufgefordert, jetzt ihre Handlungsfähigkeit zu beweisen und nicht abzuwarten, ob die Programme benötigt werden; sie sollen möglichst schnell und flexibel auf die Strecke gebracht werden. In diesem Sinne freue ich mich auf die Präzisierungen im Haushaltsplan. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Yasmin Fahimi. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.