Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über den Haushalt, und damit reden wir auch über die weitere Zukunft unseres Landes. Deshalb ist es etwas Bemerkenswertes, dass wir heute diese Beratungen beginnen, an dem Tag, an dem 1990 der Einigungsvertrag in Kraft getreten ist. Ich will aus aktuellem Anlass sagen – auch im Hinblick auf eine Fraktion dieses Parlaments –: Wir alle wollen, dass es Deutschland gut geht.
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Es geht ja, auch gerade wenn wir über den Haushalt reden, auch darum, wie wir verhindern, dass schwierige wirtschaftliche Lagen dazu führen, dass unser Land die Zukunft nicht meistern kann. Deshalb ist es etwas ganz Besonderes, was wir hier miteinander zu beraten haben: Der Haushalt für 2021 ist der zweite Haushalt – zum Haushalt 2020 gab es mehrere Nachtragshaushalte – im Zeichen der Coronakrise. Die Coronakrise hat Auswirkungen auf die Gesundheit vieler Bürgerinnen und Bürger, sie hat Auswirkungen auf Wirtschaft und Stabilität, und sie hat auch Auswirkungen, auch was die Zukunftsfähigkeit unseres Landes betrifft.
Dass wir jetzt in dieser Phase über Haushalt und Kraft reden können, hat etwas damit zu tun, dass wir in den letzten Jahren nicht nur eine ordentliche Wirtschaftsleistung verzeichnen konnten, sondern dass wir auch gut gewirtschaftet haben. Seit 2014 gab es in Deutschland Haushalte ohne Neuverschuldung. Und diese Haushalte der Vergangenheit sind die Grundlage für gute Haushaltspolitik jetzt und in dieser Krise.
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Wir müssen einen erheblichen Rückgang der Wirtschaftsleistung verkraften. Es sind dieses Jahr, je nach Berechnung, etwa 5,8 Prozent. Das, was man sich dabei merken muss, ist: Das ist ungefähr der Rückgang, den wir auch 2009 in der damaligen Wirtschafts- und Finanzkrise hatten. Natürlich hat das Folgen auch für die Wirtschaftsleistung insgesamt; das können wir sehen. Deshalb ist es notwendig und richtig, dass wir in der Krise entschlossen reagieren und dass wir auch mit ganzer Kraft gegenhalten.
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Wir haben den Unternehmen Liquidität zur Verfügung gestellt und ihnen unmittelbar Geld überwiesen, damit sie durch die ganz schwierige erste Zeit kommen können. Unverändert gibt es Überbrückungshilfen, die in diesem Jahr den Unternehmen zur Seite stehen. Wir haben mit den Kreditprogrammen sehr viel Liquidität für die Unternehmen bereitgestellt, damit sie durch diese Krise kommen können und Arbeitsplätze und Beschäftigung erhalten bleiben. Das gilt natürlich auch für das Kurzarbeitergeld, mit dem wir dafür gesorgt haben, dass die Unternehmen durch die Krise kommen können und dass sie an ihren Beschäftigten festhalten können trotz einer schwierigen Zeit.
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Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht ist es unbedingt notwendig, dass wir das jetzt nicht beenden. Dass wir nicht nur für dieses Jahr gehandelt haben, sondern dass wir auch im nächsten Jahr das weiterhin tun. Deshalb ist es wichtig, dass wir Maßnahmen verlängern. Deshalb war es zum Beispiel richtig – das hat Folgen für den Haushalt –, zu entscheiden, dass die Kurzarbeiterregelung, die jetzt so gut hilft, bis zum Ende des nächsten Jahres verlängert wird. Denn es ist ein sicheres Zeichen für die Zukunft unseres Landes.
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Jeden Tag treffen hier in diesem Land Unternehmen Entscheidungen darüber, was sie demnächst tun. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich auf uns und auf die Gemeinschaft unseres Landes verlassen können, auch bei den Entscheidungen, die sie jetzt im Hinblick auf ihre eigenen Beschäftigten treffen. Darum war die Aussage über die Kurzarbeit für das ganze nächste Jahr so wichtig.
Wir haben ein großes Konjunktur- und Krisenbewältigungsprogramm auf den Weg gebracht. Das haben wir schon einmal getan, nämlich mit Nachtragshaushalten in der letzten Finanzkrise 2009. Auch damals war es richtig, in großem Umfang zu helfen, und auch damals hat es geholfen und dazu beigetragen, dass unsere Volkswirtschaft aus der Krise wachsen kann.
Für das, was jetzt in diesem Haushalt, über den wir zu beraten haben, steht, gibt es eine ganz klare Botschaft: Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Investitionstätigkeit in diesem Jahr und in den folgenden Jahren nicht zurückgeht. Wir haben eine große Summe an Investitionen aus öffentlichen Mitteln auf den Weg gebracht, um Konjunktur und Wirtschaft in Deutschland zu stabilisieren.
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Wenn man sich die Zahlen anguckt, sind sie auch beeindruckend. Zum Beispiel haben wir für die Zeit von 2021 bis 2024 – wir beraten jetzt den Haushalt des nächsten Jahres und die Finanzplanung bis 2024 – eine Summe von fast 200 Milliarden Euro, 199,2 Milliarden Euro, an Investitionen vorgesehen.
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Das ist erheblich mehr als zum Beispiel in dem Vierjahreszeitraum der letzten Legislaturperiode – über 80 Milliarden Euro –, und es wird sich positiv auf Arbeit und Beschäftigung und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes auswirken. Denn all diese öffentlichen Investitionen bewirken auch, dass wir gleichzeitig viele neue zusätzliche private Investitionen haben. Sie lösen Investitionsketten für die Zukunft aus, und sie tragen dazu bei, dass unsere Wirtschaft schnell wieder wachsen kann.
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Mit den Investitionen dieses Haushaltes schließen wir gewissermaßen die Tür für die Zukunft unseres Landes weiter auf. Wir tragen dazu bei, dass all das geschehen kann, was notwendig ist, damit wir auch in den nächsten Jahren ein gutes Leben führen können.
Klar, all das, was wir jetzt tun, hat Konsequenzen, zum Beispiel für die Aufnahme von Schulden. In diesem Jahr werden es über 200 Milliarden Euro sein. Es werden im nächsten Jahr nach unserem Plan noch einmal fast 100 Milliarden sein, genau 96,2 Milliarden Euro.
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Das ist sehr, sehr, sehr viel Geld. Man muss auch klar sagen, dass diese riesige Summe, die hier in die Hand genommen wird, um dazu beizutragen, dass wir durch eine gesundheitliche, ökonomische und soziale Krise gut durchkommen, notwendig ist. Denn wenn wir jetzt nicht handeln würden, müssten wir in der Folge noch viel mehr Geld einsetzen, und wir würden gleichzeitig die Zukunft unseres Landes verspielen.
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Nicht handeln wäre viel teurer als handeln. Das ist das, was wir als Motto auf den Weg gebracht haben mit den Entscheidungen der Regierung und mit dem Haushaltsentwurf, den wir Ihnen hier zur Beratung vorlegen. Klar, wir setzen viel Geld ein. Wir machen in diesem Sinne eine ganz klare Politik, die solide dafür sorgt, dass das Geld in guten Zeiten beieinanderbleibt, und wir setzen dieses Geld dann mit großer Kraft in einer schwierigen Zeit ein. Wir sind auch in der Lage und haben die Kraft, Kredite aufzunehmen, um durch eine Krise zu kommen. Klar, wenn das passiert, dann steigt auch die Schuldenquote unseres Landes. Das – dies will ich dazu sagen – ist etwas, was man immer im Blick haben muss.
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Es war gut, dass wir für das letzte Jahr berichten können, dass die Schuldenquote auf unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung gesunken ist und wir das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit sämtliche Maastricht-Kriterien, auf die wir uns in Europa verständigt haben, erfüllt haben.
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Aber es ist auch die Grundlage dafür, dass wir jetzt das tun können, was wir hier miteinander beraten und was notwendig ist für unser Land. Trotzdem können wir berichten, dass die Schuldenquote nicht auf eine Höhe steigen wird, wie es in der letzten Finanzkrise der Fall gewesen ist. Damals ist die Schuldenquote auf über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen. Sie wird diesmal – nach heutigen Berechnungen – auf etwa 75 bis 76 Prozent steigen, also unter dem letzten Wert bleiben. Das ist, glaube ich, ein gutes Zeichen dafür, dass wir es auch schaffen werden, die Schuldenquote in den nächsten Jahren wieder abzusenken.
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Was uns schon einmal gelungen ist, sollte uns auch ein zweites Mal gelingen. Ich halte das für sehr wichtig und sehr zentral.
Ich glaube, dass es sich lohnt, auch einmal einen Vergleich mit anderen Ländern anzustellen. Wenn wir uns zum Beispiel mit den anderen G-7-Ländern vergleichen, mit denen wir uns immer wieder treffen und die mit uns als Industrienationen darüber beraten, wie sich die Dinge in der Welt weiterentwickeln sollen,
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dann stellen wir fest, dass unsere Schuldenquote nach der Krise geringer sein wird als in all diesen Ländern vor der Krise.
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Das ist ein Zeichen für die Stabilität unseres Landes, aber das ist auch ein Zeichen dafür, dass wir das eine oder andere in der Vergangenheit nicht ganz falsch gemacht haben können.
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Dieses Geld einzusetzen, heißt aber auch, dass wir uns darüber klar werden müssen, dass wir in den nächsten Jahren wieder einen Pfad erreichen müssen, auf dem wir die Ausnahmeregel, die das Grundgesetz uns zur Verfügung stellt, um solche zusätzlichen Kredite aufzunehmen, nicht mehr in Anspruch nehmen müssen. Wir wissen, dass hier viele Aufgaben noch vor uns liegen, dass das eine herausfordernde Sache ist. Wir haben aus der Vergangenheit aber auch gelernt, dass das gut funktionieren kann. Auch bei der letzten Krise gab es viele Haushalte, in denen Handlungsbedarfe definiert worden sind, die sich dann durch das Anspringen der Konjunktur, das wirtschaftliche Wachstum und die damit verbundenen Steuereinnahmen erheblich reduziert haben.
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Ich finde, das ist ein Weg, den wir erneut gehen können, und den wir auch erneut erfolgreich beschreiten werden. Aus meiner Sicht geht es jetzt darum, dieses wirtschaftliche Wachstum auch zu ermöglichen, das unseren Handlungsbedarf reduziert.
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Eines ist aber auch ganz klar – wir sollten uns da nichts vormachen –: Was uns jetzt durch die Krise führt, sind die Wirtschaftskraft dieses Landes, sein leistungsfähiges Gemeinwesen und – denken wir zum Beispiel an das Gesundheitswesen – ein guter Sozialstaat, der in der Lage ist, uns gemeinsam in einer solchen Situation Kraft zu verleihen und die Bürgerinnen und Bürger zu beschützen. Es wird in den nächsten Jahren um die Frage gehen, ob wir dieses aufrechterhalten, bewahren und ausbauen oder ob wir nach der Krise an all das die Axt legen, was uns jetzt so stark macht. Ich bin dafür, dass wir es bewahren und ausbauen.
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Als Bundesminister der Finanzen erlaube ich mir, auch das zu sagen: Wer die Illusion hegt, dass für diejenigen, die am allermeisten verdienen, die am oberen Ende der Einkommensskala dieses Landes liegen, in den nächsten Jahren große Steuersenkungen anstünden, der verbreitet illusionäre Zahlen oder will die Axt an die Zukunft Deutschlands legen.
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Wir haben gehandelt. Das ist eine gute Situation und hat dazu beigetragen, dass Deutschland die Krise im internationalen Vergleich gemeistert hat.
Ich will sagen, dass wir das als Grundlage für das nehmen müssen, was uns jetzt noch bevorsteht; denn wir sind ja noch nicht durch, wir haben noch viel zu tun. Wir müssen jeden Tag auch ganz besonders um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ringen und alles dafür tun, dass wir sie weiter beschützen können. Wenn heute die Bundesregierung mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten neu berät, geht es immer wieder um die Frage: Wie können wir den Gesundheitsschutz unserer Bürgerinnen und Bürger in einer so schwierigen Zeit gewährleisten?
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Ganz klar: Solange wir noch nicht die besten Therapien neu entwickelt haben und solange keine Impfstoffe zur Verfügung stehen, werden wir vorsichtig bleiben müssen, und wir müssen darauf achten, dass nicht nur wir als Staat – der Bund, die Länder, die Gemeinden in Deutschland – das sind, sondern dass wir auch als bürgerliche Gemeinschaft vorsichtig sind und alle miteinander aufeinander aufpassen und vorsichtig bleiben. Auch das ist eine Botschaft dieser Zeit.
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Es ist überhaupt nicht eine Zeit, in der man rücksichtslos sein kann, sondern es ist eine Zeit, in der man aufeinander Rücksicht nehmen muss. Dort, wo das gelingt, gelingt es eben auch besser, durch die Krise zu kommen – in gesundheitlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Es geht eben auch um Solidarität. Auch sie ist in einer solchen Krise gefragt.
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Was wir bisher getan haben, hat gewirkt. Die wirtschaftliche Aktivität erholt sich, und die Verbraucherstimmung wird besser. Das sind gute Nachrichten, die uns ermuntern sollten, dass wir weitermachen auf dem Pfad, den wir bisher eingeschlagen haben. Und es ist auch eine gute Nachricht, wenn wir hören, dass das wirtschaftliche Wachstum nicht nur in der zweiten Hälfte dieses Jahres, sondern insbesondere auch im nächsten Jahr weiter steigen wird.
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Trotzdem wird es so sein, dass wir eine Zeitlang brauchen werden, bis wir wieder an das Vorkrisenniveau anknüpfen können. Nach den Prognosen, die wir heute haben, wird das irgendwann zu Beginn des Jahres 2022 der Fall sein. Auch das müssen wir, wenn wir über Haushalte und öffentliches Handeln reden, immer bedenken: Die wirtschaftliche Delle, die wir jetzt haben, wird, selbst wenn das Wachstum später wieder eintritt, auch in Zukunft nicht unbemerkt bleiben. Wir werden sie in den Haushalten sehr vieler Jahre noch wiederfinden, und deshalb geht es eben darum, klug und vorsichtig zu agieren, aber mutig genug, damit wirtschaftliches Wachstum und die Zukunft gewonnen werden können.
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Wenn wir diese Maßnahmen jetzt also auf den Weg gebracht haben, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass wir die Zukunft gewissermaßen gleich mit auf den Weg bringen und dass es nach der Krise gut weitergeht. Wir dürfen nicht nur Maßnahmen ergreifen, die etwas mit Stabilisierung zu tun haben, sondern wir müssen auch sehr viele Dinge unternehmen, die dazu beitragen, dass unsere Zukunft gelingen kann. Das hat mit vielen Fragestellungen zu tun – solchen, die etwas mit dem Miteinander zu tun haben, und solchen, die etwas mit technologischen Innovationen zu tun haben, die uns helfen, das, was wir als Aufgaben vor uns haben, tatsächlich zu bewältigen.
Eine große Aufgabe ist zum Beispiel, dafür zu sorgen, dass der Respekt für die Arbeit, dass Arbeit auch in Zukunft weiter eine große Rolle für unsere Volkswirtschaft spielt und dass es gute und ausreichend viele Arbeitsplätze gibt, damit man seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft verdienen kann.
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Bisher ist es der deutschen Volkswirtschaft immer wieder gelungen, die Verluste von Arbeitsplätzen durch Wachstum an anderer Stelle auszugleichen. Das ist eines der großen Erfolgsgeheimnisse der deutschen Volkswirtschaft in den letzten Jahren gewesen, und das unterscheidet die Volkswirtschaft dieses Landes auch von der mancher anderer. Wir müssen natürlich alles dafür tun, dass das trotz all der Veränderungen, die vor uns liegen, immer wieder gelingt.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir in dieser Krise zum Beispiel auch etwas für den Erhalt von Ausbildungsplätzen tun, dass wir ein Förderprogramm auf den Weg gebracht haben, damit sich die Ausbildung, die für die Zukunft so wichtig ist, in dieser Krise nicht reduziert.
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Deshalb ist es so wichtig, dass wir etwas gemacht haben, um denjenigen, die studieren, in dieser Krise auch wirtschaftlich und finanziell zu helfen, damit nicht Studienabbrüche dazu beitragen, dass die wirtschaftliche Zukunft in unserem Land gefährdet ist, weil viele in dieser Krise nicht die notwendige Bildung und Qualifizierung bekommen haben.
Deshalb ist es wichtig, dass wir dazu beitragen, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer qualifizieren können, und es gibt eben nicht nur Maßnahmen, die sich an Studierende richten, sondern auch Maßnahmen, die sich an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer richten. Ich nenne nur das Qualifizierungschancengesetz und viele andere Maßnahmen, die dazu beitragen, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Krise qualifizieren können.
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Was diese Krise aber auch gezeigt hat und was wir als Auftrag mit in die Zukunft nehmen müssen, ist, dass es in diesem Land sehr wohl auch Arbeitsverhältnisse gibt, von denen der eine oder die andere vielleicht gar nicht gedacht hätte, dass solche hier möglich sind. Ich will einfach nur an das Infektionsgeschehen in der Fleischindustrie erinnern. Es war unverantwortlich, dass es solche Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbedingungen in Deutschland überhaupt gibt, und es ist richtig, dass wir in dieser Krise nicht nur Konjunkturprogramme, sondern auch ein Gesetz auf den Weg gebracht haben, das solche Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie abstellt, und zwar für immer.
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Wir dürfen unseren wirtschaftlichen Wohlstand nicht darauf gründen, dass es einigen bei uns im Lande ganz besonders schlecht geht, sondern wir müssen füreinander da sein. Das gilt nicht nur, wenn wir dafür sorgen, dass alle gewissermaßen gesundheitlich geschützt werden, sondern das gilt eben auch, wenn es um Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse geht, die sich damit verbinden. Ich finde, das muss ein Prinzip sein, das aus dieser Krise für uns erwächst: Wir wollen, dass jede Bürgerin und jeder Bürger dieses Landes, dass alle, die hierzulande arbeiten, gute und ordentliche Arbeitsverhältnisse haben.
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Auch das spiegelt sich im Haushalt und der Finanzplanung wider, und das wird für unsere Politik für die Zukunft wichtig sein. Wir können nicht akzeptieren, dass da eine Situation ist,
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in der wir alle glücklich darüber sind, dass einige auch in schwierigen Zeiten ihre Arbeit tun: im Einzelhandel, in der Logistik, in den Krankenhäusern, in den Pflegeeinrichtungen. Es reicht nicht, dass wir, froh darüber, dass diese Menschen das tun, nur klatschen. Sondern es muss auch so sein, dass wir sagen: Wir wollen, dass das gute, sichere Arbeitsplätze sind und dass sie besser bezahlt werden, als das in der Vergangenheit der Fall war. – Auch das gehört zu den Zukunftsaufgaben, die unsere Gesellschaft hat.
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Die Coronaheldinnen und Coronahelden wollen keine Orden von uns; sie wollen einfach ein ordentliches Gehalt. Das müssen wir sicherstellen, und dafür müssen wir auch Sorge tragen.
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Aus meiner Sicht ist es deshalb gut, dass wir mit einzelnen Maßnahmen im steuerlichen Bereich, aber auch mit Mitteln, die wir bereitgestellt haben, jetzt schon ein wenig geholfen haben. Aber wir wissen genau: Das kann nur der Anfang sein; denn sonst bleibt es eine Geste. Es geht darum, dass wir substanziell etwas ändern. Es soll in Deutschland bessere Arbeitsverhältnisse geben, gerade für diejenigen, auf die nicht jeden Tag geguckt wird, wenn nicht gerade Coronakrise ist, meine Damen und Herren.
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Das Gleiche gilt, wenn wir uns über die Situation unserer Familien Gedanken machen. Die Familien haben ganz besonders zu kämpfen gehabt, insbesondere in der Phase, in der viele Einrichtungen, Schulen und Kindergärten, geschlossen waren, in der viele Möglichkeiten nicht bestanden, die sonst Familien nutzen können, um mit ihren Kindern eine gute Zeit zu haben, und in der unglaublich viele Männer und noch viel mehr Frauen damit zu kämpfen hatten, wie sie alles miteinander zusammenkriegen, nämlich die Betreuung ihrer Kinder, den Unterricht für ihre Kinder, und gleichzeitig auch dafür zu sorgen, dass Beruf und Arbeit weitergehen.
Das, glaube ich, kann man nicht einfach mit mehr Homeoffice lösen. Das setzt voraus, dass wir konstant bei dem weitermachen, was wir angefangen haben, nämlich mit dem Ausbau der Kinderbetreuung, der Möglichkeit von mehr Ganztagsbetreuung, der Tatsache, dass das nicht so teuer sein darf, wie das heute der Fall ist, und dass man sich darauf immer verlassen kann. Auch das ist für die Zukunft dieses Landes wichtig.
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Deshalb ist es kein Zufall, sondern Absicht, dass sich in den Programmen, die wir jetzt auf den Weg gebracht haben, eben auch Mittel finden, die vorsehen, dass dieser Ausbau weiter stattfinden kann in all den nächsten Jahren. Denn das muss auch eine der Lehren aus dieser Krise sein, dass wir diese Infrastruktur noch viel leistungsfähiger machen müssen, als sie heute ist.
Es gehört auch dazu, dafür zu sorgen, dass unsere Schulen endlich digitalisiert werden; auch das ist ein wichtiges Thema.
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Jeder von uns weiß, wie schwierig das in einem Gefüge ist, wo so viele zuständig sind. Es braucht, glaube ich, schon eine lange Beteiligung an den vielen politischen Prozessen unserer kommunalen und föderalen Ordnung, um zu verstehen: Wer ist nun genau für welche Aufgabe zuständig? Aber im Ergebnis kommt es ja darauf an, wie es ist und wie es sein wird. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesrepublik Deutschland sich jetzt mit den Ländern darauf verständigt. Ich bin Saskia Esken und Angela Merkel dankbar dafür,
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dass sie das ein bisschen in die Hand genommen haben, um zu erreichen, dass die Schulen jetzt mehr Geld für die Digitalisierung bekommen.
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Ich denke, manchmal muss man ja die Gelegenheit für den guten Fortschritt nutzen. Ich jedenfalls finde: Dieser Fortschritt ist notwendig für unser Land. Gut, dass er jetzt anfängt!
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Wir haben die Familien in diesem Jahr finanziell unterstützt und werden dafür Sorge tragen, dass das auch so weitergeht. Neben dem Bonus, der jetzt ausgezahlt wird, wird es ja zum Jahresanfang weitergehen. Das nächste Jahr wird mit einer Kindergelderhöhung beginnen, mit der Erhöhung der Freibeträge,
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mit der Abschaffung des Solis für über 90 Prozent derjenigen, die ihn heute zahlen, und der Senkung für weitere 6,5 Prozent. Dadurch, dass wir die steuerlichen Veränderungen, die sich durch die kalte Progression ergeben, kompensieren und insgesamt dafür sorgen, dass der Steuertarif sich als eine Entlastung für Bezieher kleiner, mittlerer Einkommen und für Familien erweisen wird. Das nächste Jahr beginnt mit mehr Netto für die allermeisten Bürgerinnen und Bürger. Das ist ein gutes Zeichen mitten in der Krise, aber auch gut für unser Land insgesamt.
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Wir machen Fortschritte. Diese Fortschritte werden wir auch dafür nutzen müssen, dass wir die Zukunft unseres Landes in vielerlei anderer Hinsicht in den Blick nehmen.
Ein großes Thema, vor dem wir heute stehen und noch lange stehen werden, ist: Wie kriegen wir es eigentlich hin, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten? Wir können jetzt in der Krise nicht sagen, dass das ein Thema ist, das sich zwar nicht erledigt hat, aber das erst mal vertagt wird. Umgekehrt: Wir müssen die Zeit jetzt dafür nutzen, dass wir mit mutigen Entscheidungen dazu beitragen, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, Treibhausgasneutralität bis 2050 zu erreichen und dann CO2-neutral wirtschaften zu können. Wir müssen jetzt all die Entscheidungen auf den Weg bringen, die dazu notwendig sind.
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Es sind in der Vergangenheit sehr, sehr weitreichende Entscheidungen getroffen worden und werden jetzt gerade Stück für Stück umgesetzt. Schluss ist demnächst mit der Atomkraft.
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Ich will das ausdrücklich sagen angesichts der Tatsache, dass wir in dieser Woche eine lange Diskussion über die Frage neu begonnen haben, wo denn die nuklearen Abfallprodukte der Nutzung der Atomenergie in Deutschland auf Dauer gelagert werden; eine notwendige Debatte, die für das ganze Land bedeutet, dass man solidarisch ist und dass keiner sagt: „Bei mir nicht“, sondern dass alle dies als gemeinsames Projekt begreifen.
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Aber es ist auch dringend erforderlich, dass wir in dieser Situation wissen, dass es den Ausstieg gibt und dass es richtig ist, dass wir ihn jetzt endgültig vollziehen werden, nachdem es da eine kleine Zwischenphase gab, in der das irgendwie irritierend wieder zurückgegangen ist.
Aber gleichzeitig haben wir auch entschieden, dass wir aus der Kohleverstromung aussteigen. Ich will auch das als einen Meilenstein für die Zukunftsentwicklung unseres Landes beschreiben. Klar: In diesem Haus wird über die Frage diskutiert, wann nun genau das beste Endjahr dafür ist. Aber an einer Tatsache kann niemand vorbei. Wir haben entschieden: In Deutschland werden wir aus der Kohleverstromung aussteigen. Wir haben die Maßnahmen dazu auf den Weg gebracht und alle notwendigen Entscheidungen getroffen, damit das auch gelingen kann. Und das ist gerade in diesen Zeiten gut so.
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Nur aussteigen alleine reicht nicht. Einsteigen muss man auch irgendwo, und zwar in die Nutzung von klimaneutralen Energien. Deshalb ist es richtig, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energien auch mit zusätzlichen Mitteln vorantreiben. Deshalb ist es richtig, dass jetzt auch die Gesetze gemacht werden, die dazu erforderlich sind, dass es mehr Windstrom an Land und auf See gibt, dass es einen Ausbau des Netzes gibt; denn ohne ein stabiles Netz wird es auch nichts mit den erneuerbaren Energien. Alles das ist Teil der Politik, die diese Regierung macht. Aber es ist auch Teil der Finanzmittel, die wir zum Beispiel mit dem Konjunkturpaket und dem kommenden Haushalt und seinen Folgehaushalten bereitstellen.
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Das Klimaschutzprogramm 2030 ist ein riesiges Investitionspaket mit all den Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben und die wir sorgfältig miteinander verhandelt und besprochen haben. Sie beinhalten viele, viele Neuerungen, auf die viele lange gewartet und für die viele lange geworben haben, aber die jetzt gewissermaßen Realität werden.
Ich will einfach nur an das Brennstoffemissionshandelsgesetz erinnern; ein kompliziertes Wort dafür, dass wir in Deutschland in die CO2-Bepreisung einsteigen.
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Das ist aus meiner Sicht ein richtiger Weg, den wir hier gehen. Er wird ab dem nächsten Jahr dafür sorgen, dass sich substanziell etwas ändert.
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Wir werden CO2 teurer machen, damit unsere Volkswirtschaft sich auf CO2-Neutralität umstellt. Das ist ein richtiger Weg, meine Damen und Herren!
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Wir nutzen die Mittel, die wir zum Beispiel aus dieser CO2-Bepreisung bekommen, auch für die Zukunft. Wir nutzen sie zum Beispiel, um das technologisch möglich zu machen, worüber technologisch in diesem Land schon so lange diskutiert wird, nämlich dass wir von der Nutzung fossiler Energien und Roh- und Treibstoffe wegkommen und dass wir zur Nutzung anderer Formen hinkommen, die für die Zukunft wichtig sind.
Wir wissen: Wenn wir erreichen wollen, dass mehr auf Elektrifizierung gesetzt wird, was für die Stromversorgung, für die Versorgung von Betrieben wichtig ist, was für die Mobilität und all die Möglichkeiten wichtig ist, die wir damit verbinden – wenn wir das erreichen wollen, dann müssen wir auch erreichen, dass die EEG-Umlage nicht mehr eine solche Belastung in der Nutzung darstellt. Deshalb nutzen wir die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung dafür, die EEG-Umlage zurückzuführen. Sie wird in diesem Jahrzehnt auch endgültig abgeschafft werden; das ist das Ziel unserer Politik.
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Zum Konjunkturprogramm gehört, dass wir diesen Pfad nicht gefährden, sondern dass wir gesagt haben: Trotz der Schwierigkeiten, die mit den Veränderungen durch die Konjunktur verbunden sind, werden wir dafür Sorge tragen, dass die Mittel zur Verfügung stehen, um die Reduzierung der EEG-Preise und ihre Stabilisierung zustande zu bringen. Das sind Milliarden, die schon im nächsten Jahr und in den Folgejahren eingesetzt werden, damit die EEG-Umlage nicht die Strompreise nach oben treibt. Das ist ein richtiger Schritt für das Klima und ein richtiger Schritt für die Konjunktur gleichermaßen, meine Damen und Herren.
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In den Programmen, die wir mit dem aktuellen Haushalt und den Haushalten der Finanzplanung finanzieren, sind auch eine ganze Reihe von anderen wichtigen Zukunftsentscheidungen niedergelegt, die unverzichtbar sind, wenn wir die Zukunft für unser Land gut gestalten wollen. Eine der zentralen Weichenstellungen für Deutschland – von der ich befürchte, dass noch gar nicht alle sie wirklich in ihrer gesamten Dimension wahrgenommen haben – ist, dass wir für die industrielle Produktion unseres Landes zukünftig auf Wasserstoff setzen wollen. Man kann nicht über CO2-Neutralität 2050 sprechen und nicht gleichzeitig den industriellen Einstieg in die Wasserstoffnutzung voranbringen wollen. Wir müssen als Bundesrepublik Deutschland, als ein Land, das seit Langem über die entsprechenden technologischen Kapazitäten und Fähigkeiten, die damit verbunden sind, verfügt und das die Unternehmen hat, die das können, den industriellen Einstieg in die Wasserstoffproduktion nutzen. Wir werden das mit all den Programmen, die wir auf den Weg gebracht haben, auch tun.
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Es geht um einen schnellen Hochlauf der Produktion. Es geht darum, dass wir die Erzeugungskapazitäten auf 5, 10 Gigawatt ausbauen, damit wir das hinbekommen. Es geht darum, dass die Leitungsnetze entstehen, die dazu notwendig sind, damit Wasserstoff in den industriellen Zentren und allen Produktionsanlagen tatsächlich genutzt werden kann. Wir müssen in großem Maßstab Produktionsanlagen, Elektrolyseanlagen, bauen, damit die ganze Welt sehen kann, dass das auch funktioniert, und zwar mit einer Technologie, die hierzulande entwickelt worden ist. Die Wasserstoffwirtschaft und der Einstieg darin ist der wichtigste Zukunftsbeitrag, den Deutschland gegenwärtig für den Kampf gegen den Klimawandel leisten kann, meine Damen und Herren.
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Das führt vielleicht auch dazu, dass wir verstehen, dass die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft nur gelingen kann, wenn wir gewissermaßen einem Slogan folgen, den ein berühmter Autor mit dem schönen Titel „More from Less“ geprägt hat. Es geht ausdrücklich darum, dass wir mit modernsten Technologien beweisen, dass beides geht, nämlich ein erfolgreiches Industrieland zu bleiben, das auch 2050 noch Arbeitsplätze mit guten Einkommen sowie mittelständische und große Unternehmen hat, die auf dem Weltmarkt eine Rolle spielen, und trotzdem dann schon – anders als viele andere – CO2-neutral zu wirtschaften, mit Technologien, die wir selber entwickelt haben. Das ist die große Aufgabe für die Zukunft, und an die machen wir uns jetzt.
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Ich bin übrigens überzeugt, dass das auch eine gute Chance für unsere Volkswirtschaft ist; denn viele Leute haben Sorgen, wie es eigentlich weitergehen wird. Deshalb müssen wir ihnen sagen: Wir trauen uns das schon zu. Wir können das bewältigen als Bundesrepublik Deutschland mit unseren Unternehmen, unseren Ingenieurinnen und Ingenieuren, mit den vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – obwohl wir wissen, dass die Aufgabe nicht klein ist. Das will ich dann doch an dieser Stelle sagen, auch als Begründung dafür, warum wir so viele Milliarden für diese Projekte in die ganze Finanzplanung hineingeschrieben haben. Das wird uns viele Jahre bewegen. Die ganze Industrialisierung, der ganze Fortschritt, der ganze Wohlstand, den wir heute haben, beruhen auf der Nutzung fossiler Rohstoffe, Energien und Treibstoffe.
Wenn wir von jetzt, 2020, bis gleich, 2050, CO2-neutral wirtschaften wollen, in drei Jahrzehnten, ist das die größte Modernisierung und technologische Neuorganisation der Volkswirtschaft Deutschlands, die wir in den letzten 200 Jahren erlebt haben. Und wir sollten uns trotzdem an die Aufgabe machen, weil es wichtig ist – für uns, unsere Kinder und Enkel.
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Ich bin übrigens fest davon überzeugt, dass sich diejenigen, die glauben, dass wir das nicht tun sollten, an unserem Land eigentlich versündigen würden; denn wenn wir es nicht schaffen, diesen Wandel hinzubekommen, dann werden wir auch keine guten Arbeitsplätze haben. Nur weil wir das tun und weil wir das auf den Weg bringen, haben wir eine gute Chance.
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Über den Strukturwandel, der damit verbunden ist, muss gesprochen werden; weil er ja immer stattfindet. Es gibt überhaupt keine Geschichte der modernen Volkswirtschaft, die nicht mit ständigen Veränderungen von ökonomischen und wirtschaftlichen Strukturen verbunden wäre. Es gibt welche, die politisch veranlasst sind, es gibt welche, die durch Zeitläufte, durch die Veränderung von Ökonomie und Technik veranlasst sind. Aber immer wieder werden sie uns begegnen, und deshalb ist die Frage „Wie gehen wir eigentlich mit Strukturwandel um?“ von allergrößter Bedeutung. Lassen wir diejenigen, die er trifft, alleine, oder betrachten wir das als eine Angelegenheit des ganzen Landes? Das ist in Wahrheit eine der zentralen Fragestellungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Ich will das an dem Thema deutlich machen, das uns in diesem Jahr mit großer Freude begleitet: 30 Jahre deutsche Einheit, ein großer Strukturbruch, den unglaublich viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes miterlebt haben, hautnah bei sich selber, bei ihren Familienangehörigen, bei ihren Eltern. Überall hat es Veränderungen gegeben. Kaum einer hat an seinem Arbeitsplatz so weitermachen können, wie das vorher der Fall war. Wir haben es im 30. Jahr der deutschen Einheit überhaupt nur so weit gebracht, wie wir jetzt gekommen sind, weil wir das als eine Angelegenheit des ganzen Landes betrachtet und gesagt haben: Wir lassen niemanden allein. Wir werden füreinander einstehen und das miteinander hinbekommen. – Das ist der richtige Weg.
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Das muss auch so sein, wenn wir uns über die Frage Gedanken machen, was jetzt zum Beispiel beim Ausstieg aus der Kohleverstromung geschieht, der im Westen und Osten unserer Republik stattfindet. Da sind Regionen, die haben Jahrzehnte, fast hundert Jahre, teilweise noch länger, zum wirtschaftlichen Wohlstand dieses Landes beigetragen mit dem, was sie tun und was sie sehr gut können. Auch da gilt die gleiche Botschaft: Wir lassen niemanden alleine. Wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass es eine Zukunft gibt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für ihre Betriebe und für diese Regionen. 40 Milliarden Euro setzen wir ein, um den Strukturwandel, der mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung verbunden ist, zu begleiten, und es sind 40 Milliarden Euro gut angelegtes Geld für die Zukunft und den Zusammenhalt unseres Landes.
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Das Gleiche gilt, wenn wir über die Frage reden, was eigentlich geschieht, wenn die Verkehre jetzt elektrifiziert werden. Auch dort sind Milliarden Euro vorgesehen, die wir miteinander auf den Weg bringen, um sicherzustellen, dass unsere Unternehmen, dass die vielen Zulieferbetriebe in Deutschland, die bisher einen guten Beitrag zu unserem Wohlstand geleistet haben, das auch zukünftig können, aber eben mit neuen Technologien, die mit der Elektrifizierung von Verkehren verbunden sind. Wir wollen, dass die Automobilindustrie in Deutschland, dass alle Zulieferunternehmen auch in 10, 20, 30 Jahren ihre heutige Weltmarktstellung noch haben. Das geht auch – mit den Fähigkeiten, die wir haben, und mit den Mitteln, die wir dazu als Unterstützung bereitstellen.
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Der gleiche Grundsatz gilt, wenn wir uns etwa Gedanken über die Frage machen, wie es mit der Digitalisierung weitergeht. Auch dort sind Milliarden bereitgestellt, die wir jetzt investieren wollen, als Bund für unsere eigenen Fähigkeiten, aber auch angefangen bei den Schulen, bis zu verschiedenen anderen Dingen, die wir unterstützen. Es geht um die Infrastruktur dieses Landes, es geht um künstliche Intelligenz, es geht um Quantentechnologie, alles Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, dass die Zukunft mit uns ist; denn das ist ja das, was wir eigentlich erreichen wollen. Auch da geht es darum, dass wir Digitalisierung als eine Sache, die uns mehr Wohlstand und ein besseres Leben ermöglicht, begreifen, nicht als eine Bedrohung. Auch das geht nur, wenn man niemanden alleine lässt, meine Damen und Herren.
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Noch einmal spielt dieser Grundsatz eine Rolle: wenn wir zum Beispiel an unsere Gemeinden denken. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in diesem Jahr mit sehr breiter Unterstützung des ganzen Deutschen Bundestages und am Ende auch des Bundesrates und der Länder sogar Verfassungsänderungen auf den Weg gebracht haben, damit wir den Gemeinden helfen können, in der Krise in diesem Jahr ihre Gewerbesteuerausfälle auszugleichen, aber auch, damit wir strukturell eine Entlastung der Gemeinden zustande bringen, die gerecht ist, indem wir sagen: Der Bund trägt auf Dauer einen größeren Anteil an den Kosten der Unterkunft von Langzeitarbeitslosen. – Das hilft gerade den Gemeinden, die wirtschaftlich am schwierigsten dran sind, und das ist ein gutes Zeichen der Solidarität in ganz Deutschland.
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Krisen können zusammenschweißen, wenn die richtigen Leute regieren.
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Deshalb bin ich sehr froh, dass wir diesen Haushalt auf den Weg bringen dürfen
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und dass wir damit ein Zeichen der Solidarität in diesem Lande setzen, nämlich dass wir tatsächlich gemeinsam den ganzen Weg durch diese Krise kommen wollen und dass wir danach gemeinsam für die Zukunft dieses Landes streiten wollen.
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Lassen Sie mich noch einen Blick auf Europa werfen. Denn es wird für unseren Haushalt von allergrößter Bedeutung sein, und das wird auch für unsere Möglichkeiten von größter Bedeutung sein: Diese Krise verläuft anders als frühere Krisen, auch deshalb, weil Europa sich entschlossen hat, in der Krise gemeinsam zu handeln. Die beiden großen Programme, die wir in Europa auf den Weg gebracht haben – über 500 Milliarden Euro, um kleinen und mittleren Unternehmen zu helfen, um ein Kurzarbeitergeldprogramm überall in Europa möglich zu machen und die Finanzierung von Staaten zu erleichtern –, waren ein erster wichtiger Schritt.
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Gerade in diesen Tagen haben wir die Meldung gehört: Über 80 Milliarden Euro werden von den Ländern Europas abgerufen, damit auch anderswo Kurzarbeit wie in Deutschland gemacht werden kann. Ich finde, das ist nicht nur ein Zeichen der Solidarität, sondern das zeigt auch, dass etwas, was aus unserer Kultur der Sozialpartnerschaft und des Miteinanders von Betriebsräten, Gewerkschaften und Arbeitgebern erwachsen ist, ein Produkt sein kann, das in der Krise überall auf der Welt hilft, und ganz besonders in Europa.
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Wir haben das auch bei dem Wiederaufbauprogramm hinbekommen, das jetzt beraten wird. Das ist ein wirklicher Schritt nach vorne, dessen große Dimension, glaube ich, gegenwärtig noch gar nicht von allen wahrgenommen worden ist, weil erst einmal alle auf die wirklich großen Zahlen schauen, die damit verbunden sind: 750 Milliarden Euro, davon 390 Milliarden Euro als direkte Hilfen für die Mitgliedstaaten dafür, dass sie einen Wiederaufbau zustande bringen können. Aber das darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit mehrere Entscheidungen verbunden sind.
Erstens. Das Geld wird von der EU aufgenommen, anders als bisher.
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Es wird sofort zur Krisenbekämpfung eingesetzt und nicht – darauf haben wir geachtet – zur Budgetfinanzierung, sondern für die Zukunft.
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Es wird – zweitens – wieder zurückgezahlt,
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und zwar auch in der Zeit des jetzigen mehrjährigen Finanzrahmens, über den jetzt noch die letzten Worte zwischen dem Parlament und den Regierungen gewechselt werden. Aber auch das ist Teil der Entscheidungen, die wir vorbereitet haben.
Das Dritte ist: Es wird Finanzmittel geben, um es zurückzuzahlen, nämlich eigene europäische Einnahmen, Own Resources, damit die fiskalische Handlungsfähigkeit Europas verstärkt wird. Das ist der große Sprung nach vorne für die europäische Politik, meine Damen und Herren.
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Wir werden uns damit noch länger beschäftigen, weil wir ja zum Beispiel über diese eigenen Einnahmen zu reden haben. Auch das Thema, das wir eben besprochen haben, nämlich: „Wie bekommen wir die ökologische Transformation hin? Wie können wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten?“, spielt dabei eine zentrale Rolle; denn zu den vorgesehenen eigenen Einnahmen der EU zählen auch Einnahmen aus dem Emissionshandel, die einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung dieses Krisenbekämpfungspakets leisten werden. Das heißt, wir bekommen es mit dieser Maßnahme nicht nur hin, vielen europäischen Ländern und damit auch unseren Exporten zu helfen, sondern wir bekommen es gleichzeitig hin, den ökologischen Wandel in Europa zustande zu bringen, der dringend notwendig ist. Beides miteinander zu verbinden, ist sowohl im Lande wie auch in Europa der richtige Weg.
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Man sieht es ja: Die ganzen Populisten, die – ich habe eingangs schon darüber gesprochen – sich freuen, wenn es dem eigenen Land schlecht geht und die damit ihre Politik machen wollen,
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all diese Leute sind jetzt ganz still geworden, und die Bürgerinnen und Bürger vertrauen denjenigen, die vernünftig regieren.
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Das ist eine wichtige Entwicklung für die Zukunft unseres Landes. Eine starke, leistungsfähige Demokratie, ein starkes Europa sind die richtigen Antworten für die Zukunft.
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Deshalb, meine Damen und Herren, sind der Haushalt, über den wir jetzt beraten, und die Diskussion über die folgenden Jahre eine zentrale Weichenstellung für die Zukunft unseres Landes. Es geht um viel Geld, das wir einsetzen. Aber es geht auch darum, wie wir eigentlich sein wollen; denn in der Krise muss man zeigen, wer man ist. Das ist das, was ich mir wünsche: dass wir zeigen, wer wir sind: ein demokratisches Land mit einem leistungsfähigen Föderalismus; ein Land, das geeint ist und sich im 30. Jahr der Einheit darüber freut, dass es uns jetzt gelungen ist, so zusammenzuwachsen, und dass wir die nächste Krise gemeinsam bewältigen; aber auch ein Land, das weiß, wo es hingeht,
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dass wir den Klimawandel aufhalten müssen, dass wir zusammenhalten müssen, dass wir ein soziales Land sind und dass wir weiter wirtschaftlich und technologisch an der Spitze stehen.
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All das ist die Zukunft, um die es geht, und darum kämpfen wir auch mit diesem Haushalt.
Schönen Dank.
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ besteht derzeit einfach nicht.
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Die Sterberate liegt in Deutschland 2020 nicht über dem langjährigen Durchschnitt. Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Überlastung des Gesundheitssystems.
({1})
– Genau. – Schon die gesetzgeberische Einführung des Begriffs der „epidemischen Lage“ war rechtsmissbräuchlich, weil er mangels objektiver Kriterien gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Artikels 80 Grundgesetz verstößt.
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Der Begriff wurde erst im März 2020 völlig neu erfunden. Der uralte und bewährte § 5 des Infektionsschutzgesetzes wurde dazu grundlegend verändert, die Notlage von den Altparteien hier im Haus dann auch sofort ausgerufen und im Juli nochmals willkürlich bis heute verlängert. Vermutlich wird die Regierung sogar noch eine weitere Verlängerung bis Ende 2021 vorschlagen. Der Lehrstuhl für Gesundheitsrecht an der Uni Regensburg bezeichnet dieses Vorgehen des Gesundheitsministeriums als „verfassungsrechtlich hochgradig problematisches Ausnahmerecht“, als „Blankovollmacht“ und als „Ermächtigungsgrundlagen“.
({3})
Das von der Koalition seit Monaten vorgetragene Narrativ, wonach nur entschiedenes staatliches Handeln zur Begrenzung der Krankheitsfälle geführt hat – wir haben es ja eben wieder gehört –, ist weiterhin völlig unbelegt.
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Vielmehr hat erst die seit April faktenfern anhaltende staatliche Überreaktion
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die größte Wirtschaftsreaktion der Nachkriegsgeschichte herbeigeführt. Darum wird die Haushaltsnotsituation des Artikels 115 Absatz 2 Satz 6 Grundgesetz nun für den Haushalt 2021 von der Bundesregierung erneut missbräuchlich genutzt; denn dieser Artikel verlangt, dass sich die Notsituation „der Kontrolle des Staates“ entzieht. Die Notsituation ist aber, wie gesagt, in gesundheitlicher Hinsicht nicht mehr gegeben und der Eintritt der wirtschaftlichen Not beim nunmehr dritten Coronahaushalt des Bundes ganz sicher nicht mehr der Kontrolle des Staates entzogen. Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Schuldensonderregel des Grundgesetzes ist daher erneut nicht gegeben.
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Der PCR-Test zum Nachweis von Covid-19 ist derart unspezifisch, dass ein Großteil der „infiziert“ Getesteten einfach nur „falsch Positive“ sind.
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Darum gibt es heute trotz angeblich fürchterlich vieler Infizierter nur sehr wenige Schwerkranke und nur noch extrem wenige wirklich kausal an Covid-19 Sterbende. Selbst viel höhere Opferzahlen in den schweren Grippejahren der Vergangenheit haben niemals auch nur annähernd zu irgendwelchen Masken- oder gar Lockdown-Verpflichtungen geführt.
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Diese ganze moralinsaure Hysterie ist überflüssig.
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Warum also bei Corona? Wir haben es nicht mit Ebola oder mit der Pest zu tun.
Die AfD-Fraktion hat seit März die regelmäßige Überprüfung der Coronamaßnahmen und seitdem in über sechs Anträgen immer wieder deren Aussetzung gefordert.
Insgesamt – wir haben es gehört – begründet die Regierung inzwischen 315 Milliarden Euro Neuverschuldung seit März alleine nur mit Corona. Diese Schulden werden die Bürger jahrzehntelang abstottern müssen – etwa 17 Milliarden Euro jedes Jahr über die nächsten zwei Jahrzehnte. Nur wegen Covid-19!
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Und da sind die 750 Milliarden Euro EU-Schulden noch gar nicht mitgerechnet. Die wirtschaftliche Existenz unseres Landes wird auf dem Altar von Annahmen und Spekulationen geopfert. Das Grundgesetz wird missbraucht zum uferlosen Schuldenmachen. Wir lehnen aus diesen Gründen die Coronaverschuldung ab.
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Zwar sind – das ist wahr – viele Zahlungen wegen der durch das hysterische Regierungshandeln nunmehr bald depressiven Wirtschaftslage leider unabweisbar notwendig. Hierzu zählen zum Beispiel die Unterstützungszahlungen für Kurzarbeiter und Arbeitslose sowie andere Hilfsprogramme für deutsche Unternehmen und Bürger. Doch selbst diese notwendigen Ausgaben könnten 2021 aus Rücklagemitteln bestritten werden, also ohne Coronaneuverschuldung, alleine nur über nicht ausgegebene Budgetreste aus den Vorjahren, über die Asylrücklage oder über Einsparungen beim Klimafonds. Im Regierungsentwurf wird aber nichts davon angetastet.
Die Steuereinnahmen 2021 sollen nun nur noch 295 Milliarden Euro betragen, also 10 Prozent weniger als vor Corona; und selbst das ist noch sehr optimistisch. Das Szenario einer V-förmigen Erholung ist unwahrscheinlich und wird immer unwahrscheinlicher, je länger die Coronaeinschränkungen bestehen bleiben. Realistisch muss man eher davon ausgehen, dass sich im kommenden Jahr das ganze Ausmaß der Coronapolitik in Form von Massenkurzarbeit und Firmenpleiten zeigen wird.
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Auch die Haushaltseinnahmen aus vom Bund begebenen Anleihen sind unbillig hoch, weil durch viel zu hohe Zinscoupons heute bereits gewaltige milliardenschwere Buchgewinne für den Bundeshaushalt realisiert werden – auf Kosten der Steuerbürger der kommenden Jahrzehnte. Man verstößt hier bewusst gegen die haushaltsrechtlichen Gebote der Klarheit und Jährlichkeit – nach dem Motto
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„nach uns die Sintflut“; wie immer.
Es muss darum nun endlich an den ideologischen Punkten gespart werden: 42 Milliarden Euro für die EU – das ist nur die Direktzahlung –, Abermilliarden für Klima, Weltbeglückung, Zuwanderung, Hunderte Milliarden deutsche Haftung für EU-Neuschulden in völlig neuer Größenordnung. Dazu dann am Freitag hier etwas mehr, auch zum Wasserstoff-Wunschdenken und ‑Märchen, das wir eben hier gehört haben.
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Zunächst hilft aber nur der sofortige Ausstieg aus den inzwischen nur noch irrsinnigen Corona-Lockdown-Maßnahmen jenseits jeder Verhältnismäßigkeit. Hinzu kommt: Viele der mit dem Nachtragshaushalt eingeleiteten Programme stehen gar nicht in Zusammenhang mit Corona. Auch das wäre aber rechtliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme der doch angeblich coronabedingten Ausnahmeverschuldung. Coronakreditgelder werden stattdessen für völlig krisenfremde Daueraufgaben verwendet. Sehr klar sieht das etwa auch der Bund der Steuerzahler.
All das sind zentrale verfassungsrechtliche Probleme im Haushaltsentwurf 2021 und übrigens auch schon im zweiten Nachtragshaushalt 2020.
Auch die FDP scheint ja diese Rechtsprobleme zu ahnen. Zitat des Kollegen Dürr – mit Genehmigung des Präsidenten – hier im Bundestag am 2. Juli 2020: Dieser Bundeshaushalt „verstößt gegen das Grundgesetz.“ Sie hatten damit im Juli ja recht, Herr Dürr; leider haben Sie bislang nicht dagegen geklagt. Wir haben diese Klage nun vorbereitet. Schon im Oktober werden Sie und alle anderen Kollegen hier im Haus gerne von uns eingeladen, eine entsprechende Normenkontrollklage auf den Weg zu bringen. Wir sind sehr gespannt.
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Wir fordern die Bundesregierung auf, die Einschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens unverzüglich zu beenden, nur die kleine Risikogruppe wirklich wirksam zu schützen und die anderen Menschen endlich realistisch anstatt hysterisch über die geringe Covid-Bedrohungslage zu informieren. Stoppen Sie die Maskerade der Nation! Ziehen Sie den vorgelegten Haushalt zurück! Noch sind nicht alle Branchen und nicht alle Menschen ruiniert. Sie arbeiten aber hart daran.
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Oder in den berüchtigten Worten Ihrer Kanzlerin: Wir schaffen das noch!
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Jetzt erteile ich das Wort dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Ralph Brinkhaus.
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Sind irgendwie immer noch eine Million Tote, ne? Eine Million Menschen, die Väter, Mütter, Kinder gehabt haben. Und dann einfach so zu sagen: „Das spielt alles keine Rolle“, ist schon ziemlich ambitioniert.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben viel über Zukunft geredet; Olaf Scholz hat das auch getan. Wir können darüber reden, wie wir in der Zukunft leben wollen. Aber wir als Parlament haben auch die Verpflichtung, darüber zu reden, wovon wir in der Zukunft leben wollen. Wenn wir uns den Haushalt ansehen, dann stellen wir fest: Ja, wir haben 96 Milliarden Euro Schuldenaufnahme. – Ist das notwendig? Ja, es war notwendig; denn das ist Geld, das in die Gesundheit hineingesteckt wird, in die Wirtschaft hineingesteckt wird, in die Digitalisierung der Bildung hineingesteckt wird. Und vor allen Dingen ist es das starke Zeichen, dass wir in dieser Pandemie niemanden zurücklassen; das ist auch sehr wichtig. Insofern ist es notwendig, meine Damen und Herren.
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Können wir uns das leisten? Ja. Ich habe mit Freude vernommen, Olaf Scholz, dass Sie sich gerade eben zum Verfechter der schwarzen Null gemacht und gesagt haben: Ja, weil wir in der Vergangenheit vernünftig gewirtschaftet haben, können wir uns das jetzt leisten. – Das ist wahr, und es ist schön, dass auch Sie zu dieser Erkenntnis gekommen sind. Ich hatte in den vergangenen Haushaltsdebatten das Gefühl, dass wir bei den Themen „schwarze Null“ und „solide Haushaltführung“ immer sehr alleine gestanden haben und wir das immer verteidigen mussten. Gut, dass wir Kurs gehalten haben, meine Damen und Herren!
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Ist das ein Dauerzustand? Nein, das darf auf keinen Fall ein Dauerzustand werden.
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Schulden sind ein süßes Gift. Sie sind in zweifacher Hinsicht ein süßes Gift. Zum Ersten führen Schulden immer dazu, dass man der Versuchung erliegt, alle Probleme mit Geld zu lösen und mit Geld zu erschlagen. Ich glaube, das ist nicht richtig. Wir müssen vielmehr ein bisschen intelligenter vorgehen. Zum Zweiten ist es ein süßes Gift, weil man ja nicht selber etwas tun muss, sondern weil es die kommenden Generationen tun müssen. Deswegen ist es nicht akzeptabel. Ich glaube, wer hier in diesem Haus von Nachhaltigkeit, von Generationengerechtigkeit spricht, der muss auch von finanzieller Generationengerechtigkeit sprechen.
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Deswegen muss es unser Anspruch sein, meine Damen und Herren, da so schnell wie möglich wieder herauszukommen.
Zum So-schnell-wie-möglich-wieder-Herauskommen gibt es ja Ideen. Sie haben es im Gegensatz zu dem, was Sie in der Presse veröffentlichen, Herr Scholz, nur zart angedeutet – der Beifall war da besonders groß –: Man kann ja Steuern erhöhen; man kann es ja den Reichen nehmen.
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Das ist auch ganz einfach; denn man kann es ja den anderen nehmen. Das ist aber auch deswegen ganz einfach, weil man dabei eines verschweigt: Wir reden bei Spitzensteuersätzen doch nicht über Fußballprofis, Showmaster oder ähnliche Leute, sondern wir reden über mittelständische Unternehmer. Wir reden darüber, dass diese Leute das Geld nicht haben, um es wieder in Arbeitsplätze zu investieren, meine Damen und Herren.
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Ich habe monatelang mit Ihnen zusammengesessen und darum gebettelt und gefleht, dass wir endlich eine vernünftige Besteuerung von Personenunternehmen, von Einzelunternehmen vornehmen, damit die entlastet werden. Ich würde mich freuen, wenn wir das nach Ihrer Rede jetzt auf den Weg bringen könnten, meine Damen und Herren.
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Jetzt kann man natürlich auch übers Sparen reden. Ja, das sollten wir auch tun. Wir haben sogar im Koalitionsvertrag verankert, dass wir eine Aufgabenkritik vornehmen. Auch in schlechten Zeiten kann man einmal darüber nachdenken. Leider ist da noch nicht viel passiert.
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Ich finde, wir sollten die letzten Monate nutzen, diesen Punkt im Koalitionsvertrag auch umzusetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Aber am Ende des Tages ist es ja so – da brauchen wir uns gar nichts vormachen; das ist absolut richtig: es gilt das gleiche Rezept wie 2009 –: Wir werden aus dieser Krise nur herauswachsen können. Wir bekommen das nur hin, wenn wir ein Wirtschaftswachstum haben. – Und jetzt kommt das Entscheidende: Wirtschaftswachstum nicht, damit Unternehmerinnen und Unternehmer höhere Gewinne machen – das ist nie Selbstzweck –, sondern es geht immer – Hubertus Heil – um gut bezahlte, faire Arbeitsplätze. Das ist der Schlüssel; denn gut bezahlte, faire Arbeitsplätze schaffen Steuereinnahmen, schaffen Sozialversicherungseinnahmen, schaffen Binnenkonsum. Arbeitsplätze, meine Damen und Herren, sind der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Deswegen muss es unsere gemeinsame Anstrengung sein, die Wirtschaft möglichst schnell wieder ans Laufen zu bringen, damit die Menschen in Lohn und Brot sind, meine Damen und Herren.
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Dafür gibt es genau zwei Instrumente. Das eine Instrument – da sind wir uns zumindest einig – ist die konsequente Bekämpfung der Pandemie. Einen zweiten Lockdown wollen und können wir uns nicht leisten. Da ist viel Eigenverantwortung gefragt. Da ist gutes staatliches Handeln gefragt – Frau Bundeskanzlerin, zum Beispiel heute Nachmittag mit den Ministerpräsidenten –; denn ohne das ist alles nichts. Das zweite Instrument ist, dass wir die Wirtschaft wieder ans Laufen bringen müssen. Das ist eine Frage der Wirtschaftspolitik. Meine Damen und Herren, wir haben hier in den vergangenen Jahren viel zu wenig über Wirtschaftspolitik geredet.
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Deswegen müssen wir jetzt diese Pandemie zum Anlass nehmen, auch einmal zu erklären, wie wir den Wohlstand in Zukunft entsprechend erwirtschaften wollen. Das ist wichtig, und das ist entscheidend. Wenn wir darüber reden, dann können wir natürlich sagen: Der Staat macht das schon. Der Staat sorgt dafür, dass die Wirtschaft wieder läuft. – Falsch! Die Einzigen, die dafür sorgen können, dass die Wirtschaft wieder läuft, sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Unternehmerinnen und Unternehmer, sonst niemand.
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Deswegen, meine Damen und Herren, muss es jetzt so sein, dass wir ein Belastungsmoratorium machen, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Unternehmerinnen und Unternehmer endlich wirtschaften können.
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Das ist es, was jetzt ansteht. Und wenn wir dieses Belastungsmoratorium machen, dann müssen wir uns überlegen, was wir in den Rucksack dieser Wirtschaft, die Arbeitsplätze schaffen soll, alles hineinpacken wollen in den nächsten Wochen und Monaten. Ich rate dazu, sehr, sehr zurückhaltend und vorsichtig zu sein.
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Wir müssen darüber hinaus einen Ordnungsrahmen schaffen – das ist in der Tat die Aufgabe des Staates –, und dazu gehören faire Arbeitsbedingungen. Das werden wir auch machen, Hubertus Heil, wir müssen es nur mittelstandsfreundlich machen; aber das kriegen wir im Laufe der parlamentarischen Beratungen auch noch hin.
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Dazu gehört aber auch, dass wir ein faires Steuersystem haben; auch das ist ein Ordnungsrahmen. Meine Kollegen Fritz Güntzler und Sebastian Brehm haben Vorschläge vorgelegt, wo es darum geht, eine faire, international wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung zu machen.
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Die derzeitige Krise ist kein Grund, das jetzt sein zu lassen, vielmehr sollten wir es gerade jetzt angehen, liebe Freundinnen und Freunde.
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Bei einem Ordnungsrahmen geht es darum, dass wir faire Wettbewerbsbedingungen schaffen. Wir haben jetzt mit Peter Altmaier,
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mit der Bundesregierung, mit Christine Lambrecht das Wettbewerbsrecht entsprechend angepasst, um gegen die Plattformen vorzugehen. Auch das ist gut und richtig. Es geht auch darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir einen freien Welthandel ermöglichen.
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Was mich jetzt in der Pandemie und auch drumherum und auch in der Nachhaltigkeitsdebatte wundert, ist: Wir gehen zurück in einen nationalen Protektionismus.
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Protektionismus hat uns immer nur geschadet. Wir brauchen offene Märkte, und offene Märkte bedeuten auch, dass wir eine vernünftige Außenhandelspolitik machen. Eine vernünftige Außenhandelspolitik bedeutet auch, dass wir uns nicht alles gefallen lassen. Wir haben Außenhandelsinteressen, und wenn es Länder gibt, die Regeln dauernd verletzen, dann sollten wir das auch anmerken.
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Wenn es Länder gibt, die uns nicht die gleichen Rechte einräumen, die wir ihnen geben, dann ist auch das eine Geschichte, die nicht geht. Es muss einen fairen Welthandel geben, und das gilt für alle, die auf der Welt unterwegs sind.
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Rahmenbedingungen zu setzen, bedeutet auch, dass wir mit einer Wirtschaftspolitik für Arbeitsplätze das leisten, was der Einzelne nicht leisten kann, das ist vernünftige Infrastruktur. Da waren wir richtig gut, da haben wir richtig viel investiert. Olaf Scholz, Sie haben es gesagt: Wir werden das auch weiterhin machen. Wir werden jetzt in der Krise bei den Investitionen keinen Strömungsabriss haben, und das ist gut und richtig.
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Wir haben ein Investitionsbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht. Gut, dass Sie da endlich mitgegangen sind; denn das wird dazu führen, dass wir schneller investieren können. Das ist wichtig.
Wir werden etwas im Bereich Bildung machen. Zur Bildung muss ich eines sagen: Ich habe mich jahrelang dagegen gewehrt, dass der Bund Verantwortung für die Bildung von Kindern übernimmt. Ich muss eines sagen: Die Krise hat uns gezeigt: Es geht nicht mehr anders. Die Digitalisierung der Bildung kriegen wir nur zusammen hin, wenn der Bund eingreift. Alles andere hat sich als nicht erfolgreich erwiesen.
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Deswegen ist es gut, dass wir das jetzt entsprechend beschlossen haben und dass wir da gemeinsame Lösungen gefunden haben und vor allen Dingen auch versuchen, gemeinsame Standards in diesen föderalen Flickenteppich bei der Digitalisierung der Bildung hineinzubringen.
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Wenn wir über Rahmenbedingungen sprechen, dann wird deutlich, dass wir eines brauchen – ich glaube, das hat hier nicht jeder kapiert –: Ein Staat kann nur wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn er auf Innovation und Kreativität setzt. Innovation und Kreativität, meine Damen und Herren, bedürfen einer offenen, toleranten, liberalen Gesellschaft, sonst wird das nicht funktionieren.
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Dementsprechend sollten wir alles dafür tun, dass es so bleibt, wie es ist: dass die besten Köpfe der Welt, so wie es momentan ist, gerne nach Deutschland kommen, hier forschen, entwickeln und viel, viel tun.
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Unsere außeruniversitären Forschungsinstitute erfahren einen bemerkenswerten Zugang. Ich denke, dieses Pfund sollten wir uns auch entsprechend erhalten.
Aber – ich habe jetzt viel über Rahmenbedingungen gesprochen, die wir setzen müssen – wir brauchen auch Mut. Wir brauchen auch einfach einmal den Mut, wenn wir zum Beispiel an Daten denken, nicht an die Datenschutz-Grundverordnung zu denken, sondern an die Dinge, die man mit Daten machen kann, und daran, welche Chancen das für Gesundheit, autonomes Fahren und viele andere Sachen mit sich bringt. Wir brauchen den Mut, meine Damen und Herren, wenn wir über mobiles Arbeiten reden, nicht über Rechtsansprüche und Schreibtischgrößen zu reden, sondern darüber zu reden, dass Familie und Beruf, das Leben im ländlichen Raum dadurch besser in Balance zu bringen sind. Wenn wir diesen Mut haben, wenn wir diesen Mut aufweisen, dann bin ich überzeugt davon, dass wir aus dieser Krise gut herauskommen. Aber dafür müssen wir weniger auf Bürokraten und Bedenkenträger hören, sondern mehr auf Macher und Leute, die Ideen haben. Ich glaube, das ist wichtig.
Und wenn wir jetzt über den Bereich Unternehmensgründung sprechen, dann sage ich: Wir haben seit letzten Oktober 10 Milliarden Euro dafür zur Verfügung. Es ist von der Bundesregierung leider noch nicht umgesetzt worden.
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10 Milliarden Euro Innovationskapital. Das ist doch ein Zeichen. Darüber sollten wir uns unterhalten, nicht über Umsatzsteuervoranmeldungen und Kassenbons, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Jetzt kann man natürlich sagen – das sagen übrigens auch einige, aus unterschiedlichen Gründen –: Das alles ist aber nicht in Einklang zu bringen mit Umwelt- und Klimapolitik. – Die einen sagen: Für Umwelt- und Klimapolitik ist jetzt keine Zeit, weil wir eine große Krise haben. – Ich teile Ihre Ansicht, Herr Scholz: Das ist gefährlich, das ist eine Versündigung an unserem Land. Wir haben keine Zeit bei der Umwelt- und Klimapolitik. Wir müssen schnell handeln.
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Die anderen sagen: Wirtschaftliches Wachstum und Umwelt- und Klimapolitik sind ein Widerspruch. – Ich halte das für Blödsinn. Ich glaube, das ist eine große Chance.
Das Thema Wasserstoff wurde angesprochen, und ich will es an diesem Beispiel erläutern. Natürlich können wir den Grünen Wasserstoff, den wir brauchen, nicht alleine in Deutschland produzieren; das muss ja auch nicht sein. Deswegen haben wir 2 Milliarden Euro eingestellt, weil wir gesagt haben: Das kann auch in anderen Ländern produziert werden, in Ländern, denen es heute schlecht geht. Aber das, was wir Deutsche wollen, ist, dass wir weltweit der Ausrüster für Wasserstofftechnologie werden. Dafür müssen wir entsprechende Anlagen bauen, und ich bin sehr froh, dass wir vereinbaren konnten, das jetzt auch auf den Weg zu bringen. Ich halte das für eine zukunftsgerechte Symbiose zwischen Umwelt und Klima auf der einen Seite und Wirtschaftspolitik auf der anderen Seite.
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Wir müssen Umwelt- und Klimapolitik und Wirtschaftspolitik nur so in Einklang bringen – ich habe das letzte Woche schon gesagt –, dass der Kohlekumpel in der Lausitz, dass der Autoarbeiter im Saarland genauso viel Spaß daran hat wie der Lehrer im Prenzlauer Berg. Denn wenn uns das nicht gelingt, dann werden wir darüber die Gesellschaft spalten, und das darf uns nicht passieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Haushaltspolitik ist nie Selbstzweck, sondern damit soll immer ein Ziel erreicht werden. Das Ziel jetzt, in dieser Zeit, wo um uns herum die Welt in Krisen, ja, ich will nicht sagen, zusammenbricht, aber viele Schwierigkeiten hat, ist, dass wir zusammenbleiben in diesem Land – ich glaube, das ist das Dringendste, was wir erreichen müssen –, dass wir das fortführen, was wir in den letzten Monaten geschafft haben, dass wir das alles gemeinsam angehen. Um zusammenzubleiben, ist es notwendig, dass wir die Leute mitnehmen, auch in der Umwelt- und Klimapolitik und in vielen anderen Punkten. Ich halte das für entscheidend; denn wenn wir nicht zusammenbleiben – das sehen wir in großen westlichen Demokratien –, dann ist alles andere nichts.
Zusammenbleiben hat auch viel mit Respekt zu tun – das wird ja an der einen oder anderen Stelle auch gesagt, und ich bin auch dafür –: Respekt gegenüber den Schwächeren, Respekt gegenüber demjenigen, der dazugekommen ist, Respekt gegenüber dem Andersdenkenden. Aber wir sollten auch ein bisschen über Respekt gegenüber denjenigen, die diese Gesellschaft stützen und tragen, reden. Ich sage es noch einmal: Die Leute, die morgens aufstehen, ihre Kinder zur Schule bringen, zum Arbeiten gehen, abends im Ehrenamt tätig sind.
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Ich denke, wir sollten sie mehr in den Fokus unserer Politik nehmen. Wir sollten die Menschen, die diesen Staat schützen, unsere Polizistinnen und Polizisten, unsere Soldatinnen und Soldaten, mehr in den Fokus unserer Politik rücken. Ich finde es unerträglich, was momentan in Kreuzberg-Friedrichshain abgeht, wo die Bundeswehr sagt: „Wir wollen helfen“, und aus ideologischen Gründen von Rot-Rot-Grün gesagt wird: Das gestatten wir nicht.
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Ziehen wir einmal Bilanz: Der Haushalt 2021 ist unter dem Gesichtspunkt, was wir beide gemeinsam vorgetragen haben, Herr Scholz, ein guter Haushalt. Wir werden im parlamentarischen Verfahren da noch die eine oder andere Änderung haben.
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Aber wir haben durchaus unterschiedliche Auffassungen, wie es 2022 weitergeht. Insofern nehmen wir die Finanzplanung zur Kenntnis.
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Wir haben unterschiedliche Herangehensweisen, und das hat sich auch in unser beider Reden gezeigt, Herr Scholz. Ich habe genau zugehört: Sie haben mehrfach das Wort „beschützen“ in den Mund genommen. Ja, beschützen ist gut. Ich glaube, der grundlegende Unterschied ist die Herangehensweise. Sie sagen: Der Staat regelt das alles.
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Wir sagen: Wir vertrauen mehr dem Einzelnen, wir vertrauen den Familien, wir vertrauen dem Ehrenamt, wir vertrauen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Unternehmerinnen und Unternehmern, und wir wollen gemeinsam mit ihnen dafür sorgen, dass dieses Land stark genug ist, um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen.
Ich kann nur eines sagen: Wir als Union haben Lust auf Zukunft. Das zeigt sich in diesem Haushalt, und das wird sich in den Beratungen zeigen.
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Geschätzter Herr Präsident! Es ist schade, dass die Bundeskanzlerin jetzt den Raum verlässt, aber nach einer solchen Rede ist das vielleicht besser; denn man müsste sonst zugeben, dass das, was der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU gerade vorgetragen hat, nichts anderes war als eine scheinheilige Rede. Es war eine Oppositionsrede.
Am Ende ist es so: Das ist der Haushalt der Koalition, und Sie tun das, was Sie am Ende einer Legislatur immer tun. Sie sagen: Wir wollten es eigentlich anders, aber es ging leider nicht. Wir machen bei allem mit. – Dasselbe werden Sie in Zukunft wieder machen. Was ich bei Ihrer Haushaltspolitik, der Haushaltspolitik von CDU und CSU, so wahnsinnig vermisse, ist eine Veränderung dieser Haltung.
Sie gehen hin und sagen: Wir werden 96 Milliarden Euro Schulden machen. – Und am Ende sagen Sie sogar: Wir ändern ein kleines bisschen. – Ich habe große Hoffnung, dass der Kollege Rehberg, anders als Sie, Herr Brinkhaus, klarmachen wird, dass dieser Haushalt wesentlich verändert werden muss, damit er auch nur in Ansätzen verfassungsgerecht ist.
({0})
Meine Damen und Herren, bei der Rede des Finanzministers
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applaudierte die SPD. Die CDU applaudierte an anderer Stelle. Ihr seid gar keine Koalition mehr. Seien wir ehrlich: Das ist ein Kanzlerkandidatenhaushalt, und das war eine Kanzlerkandidatenrede. Dieser Haushaltsentwurf hat mit einem vernünftigen, nachhaltigen und umsichtigen Haushalt nichts zu tun. Das ist das, wohin wir in diesem Jahr kommen. Es sind rote Zahlen, die diese Große Koalition uns am Ende dieser Legislatur hinterlassen wird.
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Meine Damen und Herren, das Schlimme dabei ist: Wenn man diese Notsituationen vergleicht, wie Sie, Herr Scholz, und auch Sie, Herr Brinkhaus, das getan haben,
({3})
dann sollte man auf einen Punkt ganz genau gucken, und zwar nicht auf die Frage, mit wie viel Neuverschuldung man hineingeht, sondern man sollte schauen, mit wie viel Mehrausgaben man da herauskommt. Darin liegt der Unterschied zu Schwarz-Gelb und zu dem Koalitionsentwurf, den damals der hinter mir sitzende Präsident als Finanzminister vorgeschlagen hat, nämlich zu sagen: Wir halten nach einer Krise die Ausgaben stabil.
Was aber machen Sie, Herr Brinkhaus, mit Ihrer Koalition? Sie erhöhen die Ausgaben nach der Krise. Das ist Ihr Finanzplan, es ist nicht nur der Finanzplan des Finanzministers, sondern es ist der Finanzplan der Koalition.
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– Ja, ich weiß, Sie haben mit dem Kabinett und der Kanzlerin nichts zu tun. Es ist Ihr Finanzplan – dazu müssen Sie stehen –, und dieser besagt: Die CDU will Mehrausgaben, aber sie sagt noch nicht, mit welcher Steuererhöhung sie nach dem Ende der Legislatur da rangehen will, und das halte ich für falsch.
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Meine Damen und Herren, das ist der letzte Haushalt dieser Bundeskanzlerin. Eigentlich ist das heute die Einleitung des Endes der vielen Jahre – auch vielen guten Jahre; das will ich gar nicht bestreiten – mit Angela Merkel. DAber sind Rekordschulden wirklich das, was Angela Merkel hinterlassen will?
Dieser Finanzminister wird als Schuldenkönig in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingehen, und diese Bundeskanzlerin wird diejenige sein, die die höchste Neuverschuldung innerhalb von zwei Jahren einem Volk überlässt, das in die Zukunft gehen, investieren, nachhaltig werden, die Wirtschaft umbauen und erkennen muss, dass Deutschland auch weiterhin eine ganz besondere Aufgabe in dieser Welt haben wird.
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All das ist das, was diese Große Koalition hinterlassen wird und was sich mit diesem Haushalt andeutet. Da kann ich nur sagen: Angesichts dieser Zukunft kann man sich eigentlich nur die Augen zuhalten. Man kann Herrn Brinkhaus zuhören und sagen: Ach, wäre er doch wirklich das, was er vorgibt zu sein, nämlich ein vernünftiger Mensch. – Er ist es aber nicht;
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er guckt leider immer nur auf die nächste Wahl.
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Sie, Herr Brinkhaus, gucken nicht auf die nächsten Haushalte.
Damit komme ich zu einem Punkt, der mich ganz besonders ärgert.
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Der Minister gibt es nicht zu; Sie deuten es bei der Finanzplanung lediglich an: Sie haben Lücken in Ihrer Finanzplanung. In 2022 sind es, wenn ich das richtig sehe, 10 Milliarden, in 2023 über 10 Milliarden und in 2024 wieder 10 Milliarden. Sie sagen dazu: Da besteht Handlungsbedarf. – Für diejenigen, die nicht wissen, was das bedeutet, sage ich: Diese Regierung legt einen Finanzplan vor, bei dem sie noch nicht weiß, wie sie die Schulden in den nächsten Jahren bedienen kann.
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Und Sie sagen dann auch noch: Darüber können wir noch reden. – Seien wir ehrlich, Herr Brinkhaus: Auch Sie wissen nicht, wie Sie das lösen können. Deswegen: Sie kritisieren das zwar, aber Lösungen haben Sie nicht.
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– Danke, Herr Brinkhaus. Ja, jetzt kommt meine Lösung.
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Jetzt kommt die Lösung meiner Fraktion.
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– Herr Kollege Brinkhaus, wenn Sie mich ansprechen, sollten Sie mir auch zuhören; das ist ein Gebot der Höflichkeit. Mit den Grünen können Sie später schäkern. Die werden dann die nächsten Schuldenhaushalte mit Ihnen machen; das ist auch in Ordnung.
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Ich kann Ihnen für meine Fraktion nur eines ganz klar sagen: Wir werden diese Haushaltsberatungen dafür nutzen, um genau die einzelnen Punkte anzugehen, die einzelnen Ausgaben zu hinterfragen.
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Das haben Sie nämlich nicht gemacht. Es gibt keine Ausgabe, die wesentlich gekürzt wird. Es gibt keine Subvention, die wesentlich gekürzt wird. Und was ich noch viel schlimmer finde: Obwohl Sie als Koalition behaupten, dass Sie in einer Notsituation sind, sagen Sie: Wir sind in einer Notsituation, aber wir werden neue milliardenschwere Subventionen machen und wir werden neue milliardenschwere Sozialleistungen machen. – Das kann man alles machen, aber doch bitte nicht in einer Notsituation, sondern nach einer Notsituation. Sie aber sagen: Notsituation interessiert uns nicht.
Der Finanzminister – und das will ich deutlich am Schluss sagen – hat das sehr schön gemacht. Der Finanzminister hat ein paar Wochen vor dem Vorlegen des Haushaltes zu den hinter ihm sitzenden Kollegen gesagt: Ach übrigens, ihr braucht gar nicht zu sparen. Ich sage euch schon jetzt: Wir machen eine Notsituation. Ihr könnt so viel ausgeben, wie ihr einigermaßen vernünftig wollt und was ihr immer schon wolltet. – Das ist die Art, wie man Haushaltspolitik für die Zukunft nicht machen darf. Wir werden zeigen, dass es besser geht.
Herzlichen Dank.
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Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort dem Kollegen Ernst, Die Linke.
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Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Fricke, Sie haben mit großem Enthusiasmus vorgetragen, dass Sie jetzt in der Krise die Sparpolitik der FDP in den Vordergrund stellen würden.
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Ich verstehe allerdings nicht, wo Ihre Vorschläge geblieben sind. Sie haben hier nur gesagt: Sie schauen sich die einzelnen Posten an.
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Sind Sie wirklich der Meinung, dass wir in der jetzigen Situation
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mit einem möglicherweise eingeschränkten staatlichen Handeln die Pandemie überwinden werden? Können Sie sich vorstellen, dass die Unternehmer dieses Landes, für die Sie ja immer eintreten, sich langsam fragen: Was haben wir eigentlich noch an der FDP, wenn sie uns in dieser Krise kaputtsparen will?
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Haben Sie vielleicht auch Verständnis dafür, dass sie sich deshalb mit Grauen von Ihnen abwenden? Das zeigen die Umfrageergebnisse.
Diese Pandemie und dieses Risiko erfordern – da hat der Finanzminister recht; das sage ich auch als Oppositionspolitiker –,
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dass man tatsächlich Geld in die Hand nimmt, um jetzt die Wirtschaft zu fördern. Die Wirtschaft besteht nicht nur aus Unternehmen, sondern da geht es auch um Arbeitsplätze, und diese müssen wir jetzt schützen.
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Was Sie machen, ist ein Kaputtsparen der Wirtschaft in der Pandemie. Das ist der Ruin und keine Lust auf Zukunft, Herr Fricke. Das wollte ich Ihnen einmal sagen.
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Wenn Sie mögen, haben Sie das Wort zur Erwiderung.
Sehr gern, Herr Präsident. – Ich danke für den ebenfalls zurückgegebenen Enthusiasmus. Aber, Herr Kollege, ich habe wirklich das Gefühl, dass Sie sich weder den Haushalt noch die Änderungsanträge der FDP in der Vergangenheit angesehen haben.
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Der Unterschied zwischen linker Politik – Sie haben ja Herrn Scholz gelobt und damit die CDU auch – und liberaler Politik ist, dass ich in einer Krise nicht einfach sage: Alle Ausgaben vor der Krise waren richtig. – Ich finde schon interessant, dass Sie sagen: Alle Ausgaben vor der Krise waren richtig. Da habe ich Die Linke ganz anders verstanden.
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– Sind Sie nicht. Sehen Sie und damit stimmen Sie mir zu. – Das wird unsere Aufgabe sein. Wir haben das im letzten Haushalt mit über 400 Anträgen gemacht.
Noch etwas: Ich mache einen Sparvorschlag, damit dieser Staat als Sozialstaat sich auch in Zukunft das leisten kann, was er verspricht. Ich will nicht, dass in diesem Staat noch einmal passiert – wie unter Rot-Grün –, dass man am Ende erkennen muss, dass man Versprechen, die man gegenüber Rentnern gemacht hat, rückgängig machen muss. Das ist der Unterschied. Es geht nicht um Sparen. Es geht darum, vernünftig zu haushalten, die Zukunft zu bewahren und diese Gesellschaft zusammenzuhalten, statt etwas zu versprechen, was am Ende keiner halten kann. Das ist der Unterschied zwischen links und liberal.
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Damit hat das Wort der Kollege Dennis Rohde, SPD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesfinanzminister hat uns heute einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der in die Zukunft gerichtet ist, einen Entwurf, der klar erkennbar eine soziale Handschrift trägt, eben die Handschrift eines Staates, der sich als starker Partner in dieser Krise sieht.
Der heutige Haushaltsentwurf kommt in einer Zeit großer finanzpolitischer Herausforderungen. Seit über einem halben Jahr ist unser Land von der Coronapandemie betroffen. Bei der einen oder anderen Rede, die bisher hier gehalten wurde, hatte man das Gefühl, dass das nicht der Fall wäre. Aber diese Pandemie ist eine der größten Herausforderungen in der Geschichte der Bundesrepublik. Die aktuellen Zahlen des ifo-Instituts sehen einen Wirtschaftsrückgang im Jahr 2020 von 5,2 Prozent voraus. Das ist weniger, als wir befürchtet haben. Aber es ist, auch im Verhältnis zur letzten Weltwirtschaftskrise, immer noch besorgniserregend.
Diese Entwicklung stellt die Maxime unserer bisherigen Haushaltspolitik auf den Kopf. Es war uns als Deutschem Bundestag in den letzten Jahren immer möglich, all unsere Ausgaben durch die Steuereinnahmen des Jahres zu decken. Wir mussten keine neuen Schulden machen. Wir mussten keine Kredite hierfür aufnehmen. Und noch mehr: Es war uns in dieser Zeit sogar möglich, Rücklagen zu bilden, Rücklagen, die wir in den kommenden Jahren brauchen werden und die wir in den kommenden Jahren auch nutzen werden. Denn ich bin überzeugt: Die Haushaltspolitik der vergangenen Jahre – darüber besteht in der Koalition gar kein Dissens – ist Grundstein dafür, dass wir heute und morgen weiterhin aus dem Vollen schöpfen können.
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Das müssen wir auch. Wir erleben, dass ein ganz großer Teil der Bevölkerung sich an die Regeln hält, die wir uns auferlegt haben, um durch diese Krise zu kommen. Ein ganz großer Teil der Bevölkerung trägt Maske. Ein ganz großer Teil der Bevölkerung hält Abstand und nimmt die Einschränkungen in Kauf, die auch wir als Belastung empfinden. Vor diesem Hintergrund sage ich: Ohne die Disziplin der Bevölkerung würde unser Land heute weder gesundheitlich noch ökonomisch so gut dastehen, wie wir im Kontext dieser Krise heute dastehen.
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Unsere Aufgabe als Parlament und als Koalition ist es, auf der einen Seite für den gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung zu sorgen, auf der anderen Seite aber auch den dringend notwendigen Konjunkturimpuls für die Wirtschaft und somit für die Sicherung von Arbeit und Wohlstand zu setzen. Beiden Herausforderungen sind wir nachgekommen mit zwei Nachtragshaushalten im Jahr 2020, und dieser Herausforderung wird auch der Regierungsentwurf für das Haushaltsjahr 2021 gerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Dass die Wirtschaftskennzahlen sich heute besser entwickeln, als wir noch vor einigen Wochen erwartet haben, geht zurück auf die Disziplin unserer Bevölkerung. Es geht aber eben auch zurück auf das entscheidende und konsequente Handeln von Regierung und Parlament in den letzten Wochen. Ich will Beispiele nennen.
Ich erlebe überall, dass durch die Absenkung der Mehrwertsteuer für viele gerade jetzt ein entscheidender Kaufanreiz gesetzt wurde, ein Kaufanreiz, der Geld von den Sparbüchern in den Wirtschaftskreislauf geholt hat und der dafür gesorgt hat, dass Arbeitsplätze gesichert wurden, Arbeitsplätze von Menschen, die wiederum investieren können und nicht von Sozialversicherungsbeiträgen abhängig sind.
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Wir haben das deutsche Erfolgsmodell: das Kurzarbeitergeld. Es war richtig, dass Hubertus Heil das Instrument gleich zu Beginn der Krise voll nutzbar gemacht hat. Millionen Jobs in Deutschland sind durch das Kurzarbeitergeld nicht verloren gegangen, Millionen Menschen in Deutschland haben weiterhin eine Perspektive bei ihrem bisherigen Arbeitgeber. Ich sage: Es ist richtig und wichtig, dass wir diese Brücke verlängern. Unternehmen müssen nach der Krise wieder erfolgreich sein können, und wir müssen ihnen dabei helfen.
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Wir tun das alles nicht zulasten der abhängig Beschäftigten. Dass wir die Sozialversicherungsbeiträge deckeln und nicht einseitig den Beitragszahlern aufbürden, ist Ausdruck dafür, dass niemand etwas für diese Krise kann und dass die Bewältigung dieser Krise eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
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Wir schauen nach vorne. Wir nehmen Geld in die Hand, um diese Krise hinter uns zu lassen. Wir nehmen Geld in die Hand, um das Land für die kommenden Jahrzehnte fit zu machen. Uns ist klar: Die Investitionen, die wir heute tätigen, sind die Steuereinnahmen von morgen. Olaf Scholz schlägt daher richtigerweise vor, in den kommenden Haushalten zusammen 200 Milliarden Euro zu investieren. Das sind im Vergleich zur letzten Legislaturperiode immerhin 81 Milliarden Euro mehr. Wir liegen damit deutlich über Vorkrisenniveau. Das sind die geforderten starken und deutlichen Impulse für unsere Wirtschaft; das ist der Beitrag, den wir als Parlament leisten, um unsere Wirtschaft aus dieser Krise zu führen.
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So investieren wir 73 Milliarden Euro für Straße, Schiene und Wasserstraße. Wir investieren in den Ausbau des schnellen Internets, in 5 G, aber auch schon in 6 G. Es sind 2,8 Milliarden Euro etatisiert für künstliche Intelligenz und für Quantentechnologie. Wir stellen Geld für den Ausbau von Kindertagesstätten zur Verfügung, für die ja gerade in dieser Krise deutlich hervorgetretene und immer noch große Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir setzen endlich die Grundrente um. Wir sorgen dafür, dass die Lebensleistung von Menschen anerkannt und respektiert wird. Das alles wird aus Steuern finanziert.
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Wir helfen massiv beim Strukturwandel in den Regionen, die vom Kohleausstieg betroffen sind. Wir lassen die Kumpel in den Revieren nicht alleine. Wir stehen an ihrer Seite und helfen den Regionen, sich neu aufzustellen. Wir unterstützen die Länder bei der Schaffung von preiswertem Wohnraum, und wir entlasten die Kommunen. Wir entlasten die politische Ebene, die für die Ausgestaltung des Lebens vor Ort verantwortlich ist. Das alles tun wir nachhaltig mit jährlich 4 Milliarden Euro.
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Uns ist aber auch bewusst, dass die Bekämpfung der Folgen der Coronapandemie keine rein nationale Aufgabe ist. Die Bundesrepublik Deutschland, wir, wir haben die Kraft, mit großen Unterstützungsprogrammen, mit großen Konjunkturpaketen die deutsche Wirtschaft zu stützen und sie wieder neu zu beleben. Aber gerade unsere Wirtschaft kann nur erfolgreich sein, wenn der Krise auch international begegnet wird. Deshalb stehen wir zu unserer Verantwortung innerhalb der Europäischen Union. Wir unterstützen europäische Programme wie SURE, das europäische Kurzarbeitergeld. Der Minister hat es gesagt: Anträge im Umfang von 80 Milliarden Euro – ein Riesenerfolg. Wir unterstützen den Wiederaufbaufonds, das größte Konjunktur- und Investitionsprogramm in der Geschichte der Europäischen Union. Und wir unterstützen die Garantiefonds der Europäischen Union für kleine und mittlere Unternehmen.
Noch mal: 60 Prozent der deutschen Exporte gehen in den europäischen Binnenmarkt. Unsere Wirtschaft ist eng verflochten mit Betrieben in Österreich, in Frankreich, in Spanien oder in Italien. Unsere Wirtschaft wird nur dann genesen können, wenn die europäische Wirtschaft in Gänze wieder auf die Beine kommt. Auch dieser Herausforderung werden wir gerecht.
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Wir stehen zu unserer Verantwortung darüber hinaus. Die Haushaltsansätze für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit erreichen mit über 16 Milliarden Euro ein neues Rekordniveau. Das ist in Zahlen gegossener Ausdruck unserer Verantwortung für die internationale Staatengemeinschaft.
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Uns ist bewusst, dass wir die Pandemie und ihre Folgen national bekämpfen müssen. Uns ist aber auch bewusst, dass wir die wirtschaftlichen Folgen in Gänze nur dann nachhaltig bekämpfen können, wenn wir diese Aufgabe auch international angehen. Ab heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, schlägt dafür die Stunde des Parlaments. Es liegt jetzt an uns, einen Haushalt zu beraten und zu verabschieden, der diese Krise wirksam bekämpft. Herr Finanzminister, lieber Olaf Scholz, ich danke Ihnen für diesen Regierungsentwurf. Es liegt jetzt an uns. Machen wir aus einem sehr guten Regierungsentwurf einen noch besseren Haushalt.
Vielen Dank.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke.
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Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Scholz, die zentrale Frage dieser Debatte haben Sie nicht beantwortet. Die lautet nämlich: Wer soll die Rechnung bezahlen?
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Auf diese Frage müssen die Menschen in unserem Land vor der Bundestagswahl eine Antwort bekommen. Die Bundesregierung hat – das ist eindeutig – einen Wahlkampfhaushalt vorgelegt. Das ist ein unehrlicher Haushalt; das müssen wir deutlich sagen.
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Schauen wir auf die Jahre 2020 und 2021. Dort sollen insgesamt 314 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen werden. Niemand weiß, wie sich die Steuereinnahmen in den nächsten Jahren entwickeln werden. Doch Sie haben jetzt schon eines in Stein gemeißelt: Union und SPD wollen nach der Bundestagswahl die unsinnige Schuldenbremse wieder in Kraft setzen. Wir Linke halten die Schuldenbremse für einen ökonomischen Unsinn. Die Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse. Sie muss abgeschafft werden.
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Denn Sie müssen doch ehrlich sein. Wenn Sie an der Schuldenbremse festhalten, dann haben Sie nur zwei Wege: entweder drastische Kürzungen im Sozialhaushalt oder Erhöhung der Steuern. Welchen Weg Sie gehen wollen, das haben Sie den Wählerinnen und Wählern verheimlicht. Das nehmen wir nicht hin, meine Damen und Herren.
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Wir Linke sagen ganz offen: Wir fordern eine Vermögensteuer für Milliardäre und Millionäre. Wenn 45 Deutsche genauso viel besitzen wie der untere Teil der Gesellschaft – nach den Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung –, dann ist das nicht normal. Da fordern wir endlich eine entschiedene Umverteilung.
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Die Volkswirte der Allianz haben ausgerechnet und vorhergesagt, dass die privaten Vermögen nach dem Jahr der Pandemie mit einem Plus abschließen werden. Auf der anderen Seite sind die Löhne in Deutschland in der Coronarezession im Rekordtempo geschrumpft.
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Das ist ungerecht; das nehmen wir nicht hin.
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Die Pandemie trifft arme Menschen besonders hart. Ich meine die Menschen, die schon vor der Pandemie arbeitslos waren und mit den unanständig niedrigen Hartz-IV-Sätzen auskommen müssen. Ich denke an die Menschen, die während der Pandemie ihre Arbeit verloren haben und keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben, weil sie zum Beispiel als 450-Euro-Kräfte arbeiten. Ich denke aber auch an die Menschen, die jetzt Kurzarbeitergeld beziehen und um ihren Arbeitsplatz bangen. Gleichzeitig müssen diese Menschen noch die Demütigungen eines gewissen Herrn Merz ertragen. Der sagte nämlich gegenüber der „Bild“-Zeitung:
Wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir uns nicht alle daran gewöhnen, dass wir ohne Arbeit leben können.
Augenscheinlich kann er als BlackRock-Mann sehr gut ohne Arbeit leben. Ich hoffe, dass uns dieser Kanzler nicht beschert werden wird, meine Damen und Herren. Das wäre kein christlicher Kanzler.
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Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin von Storch, AfD?
Nein, das mache ich nicht. – Gegen den Megatrend, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden, tut die Bundesregierung nichts. Im Gegenteil, Sie schützen den Reichtum der Reichen. Das sind unhaltbare Zustände. Das muss sich endlich ändern in unserem Land.
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In der Krise ist der Niedriglohnsektor weiter gewachsen. Darum fordern wir endlich die Anhebung des Mindestlohnes auf 12 Euro pro Stunde und die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 658 Euro.
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Wir fordern eine Mindestrente, die Altersarmut verhindert.
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Und, meine Damen und Herren, wir brauchen jetzt ein „ziviles“ Investitionsprogramm. Wir brauchen endlich Klimaschutz statt Aufrüstung.
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Es wurden Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung gestellt; davon sprachen der Finanzminister und andere. Das klingt erst einmal gut. Doch wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass die Bundesregierung eben nicht in der Lage war, das Geld sinnvoll auszugeben. Häufig fehlen in den Ämtern die Ingenieure, die neue Projekte planen oder bewilligen können. Die Wahrheit ist: Die schwarze Null, die hier hochgelobt wurde,
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hat zu einer strukturellen Investitionsunfähigkeit geführt. Sie haben aus dem Investitionsstau eine Investitionskrise gemacht. Das muss sich endlich ändern.
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Beim Bildungsgipfel der Kanzlerin ist das besonders deutlich geworden: Von den 5 Milliarden Euro des Bundes für die Digitalisierung der Schulen sind zum Stichtag 30. Juni gerade einmal 15,7 Millionen Euro in die Länder geflossen. Das kann nicht sein. Das ist eine Bankrotterklärung.
Meine Damen und Herren, wir brauchen ein Zukunftsprogramm für Bildung, Wohnen, Gesundheit und Klimaschutz. Ich freue mich auf die Beratungen. Die Linke ist vorbereitet.
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Nächster Redner ist der Kollege Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es am Anfang ganz klar zu sagen: Wir unterstützen, dass die Bundesregierung in dieser Ausnahmesituation, angesichts dieser schweren Pandemie, auch im Jahr 2021 die Ausnahmeregel der Schuldenbremse in Anspruch nehmen will. Unternehmen, Beschäftigte und Bevölkerung müssen in der Krise unterstützt werden. Es wäre völlig falsch, in dieser Krise auch noch zu sparen.
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Doch wenn man zu Recht so viel Geld in die Hand nimmt, dann ist es schon krass, zu sehen, wer alles bei den Hilfsmaßnahmen durch das Raster fällt und im Haushalt nicht berücksichtigt wird. Es ist zum Beispiel völlig lebensfremd, dass Soloselbstständige nicht auch ihre Lebenshaltungskosten ansetzen können.
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Und warum weigert sich die Bundesregierung, den Ärmsten der Armen, den ALG-II-Empfängerinnen und -Empfängern und ihren Kindern, einen befristeten krisenbedingten Aufschlag zu geben? Die Bundesregierung hat eine bewusste politische Entscheidung getroffen. Ich halte diese Entscheidung für extrem falsch und kaltherzig.
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Herr Scholz, Sie sind auf die Finanzplanung ab 2022 eingegangen. Sie planen, 2022 zu den unveränderten Regeln der Schuldenbremse zurückzukehren. Sie haben selbst gesagt: Das führt zu einem – Zitat – „finanzpolitischen Handlungsbedarf“. Was für ein Euphemismus! Wenn man alle globalen Minderausgaben und Mehreinnahmen zusammenzählt, haben Sie für die Jahre 2022 bis 2024 eine Deckungslücke von circa 60 Milliarden Euro, rund 20 Milliarden Euro pro Jahr. Das sorgt für eine massive Unsicherheit und einen gefährlichen Spardruck, Herr Scholz. Das sieht man auch daran, dass in Ihrem Finanzplan die Investitionen erst sinken und dann eingefroren werden. Und diese Probleme kippen Sie einfach der nächsten Regierung vor die Füße. Das nenne ich keine verantwortungsvolle Haushaltspolitik. Es darf kein Kaputtsparen nach Corona geben.
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Jetzt ist es wichtig, dass es politisch verbindliche Garantien in Deutschland und Europa gibt, dass man nicht auf einen harten Sparkurs einschwenkt. Das ist extrem wichtig für die Planungssicherheit und die Erwartungssicherheit der Unternehmen, damit sie sich neben den schweren Belastungen durch die Pandemie nicht auch noch auf sinkende Auftragszahlen und sinkende Investitionen einstellen müssen. Ebenso wenig darf es Einschnitte bei der kommunalen Infrastruktur, bei der sozialen Sicherheit oder bei der Grundversorgung geben. Das muss unbedingt verhindert werden. Herr Scholz, Sie haben in der Krise die Bazooka ausgepackt. Sorgen Sie dafür, dass nach Corona nicht die Abrissbirne kommt.
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Natürlich ist klar, dass es fair und solidarisch zugehen muss. Viele Menschen verlieren durch diese Krise; aber es gibt auch Menschen mit sehr hohen Einkommen, mit sehr hohen Vermögen, die von dieser Krise profitieren, die von staatlichen Rettungsmaßnahmen profitieren. Deswegen ist es auch richtig, dass wir sagen: Wir brauchen einen fairen, solidarischen Lastenausgleich zur Bewältigung dieser Krise und zur Kostenteilung. Wir wollen, dass starke Schultern mehr tragen; denn sie können auch mehr tragen.
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Herr Scholz, Sie haben in Ihrer Rede, die streckenweise eine Parteitagsrede war, auch die Klimakrise angesprochen und gesagt, man müsse weitreichende Entscheidungen treffen. Ja, dann fordere ich Sie auf, diese Entscheidung doch endlich einmal im Kabinett zu treffen.
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„Man müsste“, „man sollte“, „man könnte“, das reicht eben nicht. Als Finanzminister haben Sie konkrete Verantwortung. Wo ist denn zum Beispiel Ihr Vorschlag zum Abbau von klimaschädlichen Subventionen bei der Flugindustrie, beim Diesel, bei der Plastikproduktion? Da ist viel zu holen, da kann man viel Geld einsparen. Das wäre ein sinnvoller Vorschlag für den Haushalt.
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Ich verstehe auch nicht, Herr Scholz, dass Sie wieder so eine kurze Tilgungsfrist vorschlagen. Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW sieht für ihre Coronakredite 50 Jahre Tilgungsfrist vor. Sie sprechen von 17 Jahren. Das führt zur Belastung der nächsten Haushalte. Ab 2023 sind es 6 Milliarden Euro Tilgung, ab 2026 sogar 11 Milliarden Euro. Deswegen sagen wir Grüne sehr klar: Diese Tilgungsfristen müssen sehr langfristig und flexibel ausgestaltet werden, damit wir die wirtschaftliche Entwicklung nach Corona, damit wir Investitionen nach Corona nicht gefährden. Diese Tilgungsfristen müssen im parlamentarischen Verfahren geändert werden.
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Die Klimakrise macht während Corona keinen Urlaub. Wir haben das gesehen: Kalifornien brennt lichterloh. Wir haben den dritten Dürresommer in Folge, und es gibt massives Waldsterben hier in Deutschland. Die Klimakrise ist längst da; sie ist längst bei uns angekommen. Deswegen muss man jetzt investieren: in den Klimaschutz, in die Verkehrswende, aber auch in Digitalisierung, Gesundheit und Bildung. Wir haben einen riesigen Investitionsstau in Deutschland. Wir sagen: Es ist gut angelegtes Geld, wenn man jetzt investiert. Man darf nicht nur die alten Strukturen konservieren, man muss jetzt mutig in die Zukunft investieren. Wir brauchen einen Aufbruch aus der Krise.
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Herr Scholz, Sie haben es angesprochen: Unsere Industriegesellschaft steht vor riesigen Herausforderungen, vor großen Transformationen, bei der Digitalisierung, aber besonders bei der Klimakrise. Das ist die größte Herausforderung seit 200 Jahren, haben Sie gesagt. Gleichzeitig haben wir die Situation, dass die Zinsen historisch niedrig sind, bei Bundesanleihen sogar negativ. Weltweit ist in den nächsten Jahren kein Trend zu einer Zinswende zu erkennen. In dieser Situation, wo wir Hunderte Milliarden an Investitionsbedarf haben, historisch niedrige Zinsen und sich vieles ändern wird, kann man doch nicht sagen: Aber die Schuldenbremse lassen wir eins zu eins, wie sie ist. – Das sagt die Union, das sagt Bundesfinanzminister Scholz. Das ist doch keine kluge, keine sinnvolle Finanzpolitik. Man muss doch den Reformbedarf erkennen, den wir haben.
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Deswegen sagen wir klar: Wir wollen und brauchen eine Reform der Schuldenbremse. Ich sage „Reform“ der Schuldenbremse, nicht Abschaffung. Wir wollen natürlich intelligente Regelungen zur Begrenzung von Staatsschulden; aber wir haben doch in dieser Krise gesehen – wir sehen es beim Finanzplan, wir sehen es beim Investitionsstau –, dass wir über eine Weiterentwicklung der Schuldenbremse reden müssen. Wir haben einen konkreten Vorschlag dazu gemacht. Über Nettoinvestitionen, zum Beispiel beim Schienenausbau, bei der Digitalisierung, bei der Energiewende, beim klimaneutralen Umbau der Industrie, kann neues Vermögen, können neue Werte geschaffen werden. Und es ist auch klug, diese dann über Kredite zu finanzieren, gerade in der historischen Situation mit so extrem niedrigen Zinsen.
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Und deswegen erwarte ich auch, dass man sich diesen großen Herausforderungen, diesen großen Transformationsherausforderungen, vor denen wir stehen, stellt und ehrlich darüber diskutiert: Wie können wir die großen Investitionen in den nächsten Jahren finanzieren? Dafür reicht der Finanzplan bei Weitem nicht aus. Wir haben einen viel größeren Bedarf. Ich erwarte, dass sich die Union und der Bundesfinanzminister der Debatte stellen, wie wir die Schuldenbremse sinnvoll reformieren können. Diese Debatte steht an. Es ist höchste Zeit.
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kindler, ich finde, Schuldenmachen ist ein bisschen platt. Das ist weder sexy noch geil. Ich sage Ihnen auch, warum mir das so geht: Es kann sein, dass wir unterschiedlich sozialisiert sind. Ich bin Flüchtlingskind, und zu DDR-Zeiten konnte bei uns nur so viel verbraucht werden, wie wir hatten. So bin ich sozialisiert, Mutter: Näherin, Vater: Schiffbauer. Vielleicht prägt mich das heute noch. Ich bin eigentlich froh, dass vor gut einem Jahrzehnt, damals in der Finanzkrise, dieser Deutsche Bundestag die Schuldenbremse, so wie sie heute ist, eingeführt hat. Denn zum Thema Nachhaltigkeit, zum Thema Klima gehört, wenn man schon darüber redet, auch die Nachhaltigkeit in der Haushalts- und Finanzpolitik. Beides ist Generationengerechtigkeit. Beides gehört zusammen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird immer die Finanzkrise 2009/2010 mit der jetzigen Coronakrise verglichen und geschaut, wie wir damals da rausgekommen sind.
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Die Schulden in den Jahren 2003 bis 2013 betrugen gut 300 Milliarden Euro. Dieses und nächstes Jahr werden es 314 Milliarden Euro sein. Es gibt nur einen gewaltigen Unterschied – es gibt sogar mehrere – zwischen 2009/2010 und heute: Ja, wir hatten einen Haushalt von 300 Milliarden Euro und eine Neuverschuldung von 86 Milliarden Euro. Aber in fünf Kalenderjahren ist die Neuverschuldung auf null heruntergegangen; denn – erstens – gab es in der Zeit keine Ausgabenzuwächse.
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Zweitens – und das wird diesmal nicht so sein, Herr Scholz –: Die Zinsausgaben liegen seit Jahren bei 12 Milliarden Euro, aktuell bei 9,7 Milliarden Euro. Damals lagen sie bei 40 Milliarden Euro und sind sukzessive, Stück für Stück gesunken. Wir hatten im ersten Jahr, 2010, ein Wirtschaftswachstum von 4,1 Prozent; 2011 waren es 3,9 Prozent. Das heißt: In zwei Jahren hat sich die Basis ganz schnell erhöht. – Wir werden der Prognose zufolge nächstes Jahr ein Wachstum von 4,4 Prozent haben.
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Aber die Ausgaben in der alten und in der neuen Finanzplanung wachsen deutlich.
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Und: In den Folgejahren dieses Wachstum zu generieren, wird, glaube ich, schwierig. Deswegen reden wir in der Union nicht vom Sparen. Sparen ist nicht das Thema.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Maß und Mitte zu halten, ist, finde ich, schon das Thema.
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Deswegen ist es auch richtig, Kollege Kindler, dass es eine Bremse beim Schuldenmachen gibt und dass es heißt, dass das, was über die Aussetzung der Schuldenregelung nach Artikel 115 Grundgesetz aufgenommen wird, auch wieder getilgt werden muss. Ich bin schon dafür, dass noch diese Generation die Schulden tilgt, die sie heute zu verantworten hat,
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und dass man nicht Zeiträume von 40 oder 50 Jahren nimmt und es somit auf die nächste und übernächste Generation verschiebt. Es ist einfache Politik, Kollege Kindler, die Lasten wegzuschieben, die man heute verursacht. Das ist aber keine Unionspolitik an der Stelle.
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Da hier beklagt wird, dass wir zu wenig fürs Klima tun: Liebe Kolleginnen und Kollegen, guckt doch mal in den Energie- und Klimafonds. Wir haben dieses Jahr eine Zuführung von gut 26 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr stehen gute 26 Milliarden Euro in diesem Fonds zur Verfügung. Es ist, glaube ich, richtig – auch das ist „Sozialpolitik“ –, 10,8 Milliarden Euro für die Stabilisierung der Netzentgelte bereitzustellen.
In Richtung der FDP. Die Entlastung von knapp 11 Milliarden Euro plus 17 Milliarden Euro – Soli plus Kindergelderhöhung – bedeutet insbesondere eine Entlastung der Bezieher niedriger und unterer Einkommen im kommenden Jahr. Erzählen Sie uns nicht, wie wir Sozialpolitik machen sollen und wie wir die Bürgerinnen und Bürger entlasten! Das können wir schon ganz alleine an der Stelle.
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Kollege Rohde ist umfänglich darauf eingegangen, wo und wie wir investieren.
Ganz spannend finde ich das, was mir vorhin auf den Schreibtisch geflattert ist. Otto Fricke hat gesagt: Wir versprechen, was wir halten können. – Das ist ein Bauchladen, lieber Kollege Fricke. Ich habe das mal kurz überschlagen und komme auf 50 Milliarden Euro an Steuerentlastung, die die FDP strukturell in den nächsten Jahren vornehmen will.
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Mit der Abschaffung des Soli und des Mittelstandsbauchs komme ich auf über 50 Milliarden Euro.
Übrigens ist an der Stelle die Gegenrechnung ganz spannend.
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Ich bin ein großer Freund der Mütterrente
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– beider –,
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und zwar aus zwei Gründen: Erstens. Ich konnte meiner Frau nie erklären, dass sie keine Mütterrente bekommt, weil unsere Kinder vor 1992 geboren sind. Zweitens. Wisst ihr, warum die Altersarmut im Osten so gering ist? Gerade wegen der Mütterrente.
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– Ja, klar. – Wir haben im Osten relativ gesehen nur ein Viertel der Altersarmut im Westen, und ein Hauptgrund sind die Renten der Mütter. Die Mütterrente hat mit dazu beigetragen, dass die Altersarmut im Osten gerade bei Frauen so gering ist.
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Wir wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir das zurückdrehen wollen würden.
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Aber besonders spannend ist der letzte Punkt bei euch. Da wird 1 Milliarde Euro veranschlagt für die regulierte Freigabe von Cannabis für den selbstbestimmten und verantwortungsvollen Konsum. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, ich hätte da geschrieben: Kiffen gegen Schulden. – Wem nichts anderes einfällt, der tut mir leid an dieser Stelle.
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Also, passt mal auf: Wenn ihr mit dieser einen Milliarde Euro wenigstens noch dafür gesorgt hättet, dass im Rauschbereich regionale Produkte genommen werden, dann wäre ich ja vielleicht noch damit einverstanden gewesen.
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Aber außer Mecklenburger Kräuterlikör kommt bei mir nichts in den Kühlschrank.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wieder zum Ernst der Stunde zurück. Natürlich gibt es Reserven in diesem Haushalt. Ich finde, es ist nicht in Ordnung, Herr Scholz, dass die Reste von 2016 – 9 Milliarden Euro – bis heute auf über 22 Milliarden Euro angewachsen sind,
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davon 5 Milliarden Euro flexibilisiert. Warum? Warum schreitet das Bundesfinanzministerium da nicht ein? Warum wird den Ressorts nicht stärker auf die Finger geklopft an der Stelle?
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Das, finde ich, ist eine Aufgabe für die Haushaltsberatungen.
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Ein weiterer Punkt sind die Abflüsse beim Sondervermögen. Frau Kollegin Lötzsch, wenn der Bund mit allen 16 Ländern eine Verwaltungsvereinbarung schließt und den Ländern das Geld zur Verfügung steht – nach dem Königsteiner Schlüssel oder wie auch immer –, dann können Sie doch nicht das Unvermögen für den Mittelabfluss dieser Titel – beim DigitalPakt Schule, beim Schulsanierungsprogramm und, und, und – beim Bund suchen. Dafür sind die Länder und Kommunen verantwortlich, die das Geld bekommen und die Maßnahmen umsetzen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel hat bisher nicht einen Cent aus dem Schulsanierungsprogramm umgesetzt, und die Schulen bei uns sehen auch nicht gerade schön aus. Deswegen sollten wir mal deutlich machen: Wir stellen im Bundeshaushalt den Ländern und Kommunen insgesamt über 100 Milliarden Euro zur Verfügung. Aber die Verantwortung für die Umsetzung liegt nicht beim Bund, sondern vordringlich bei den Ländern und Kommunen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich freue mich wie alle anderen Redner aus den Fraktionen auf intensive Haushaltsberatungen. Das Wort von Peter Struck gilt: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es eingebracht wurde.
Herzlichen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Albrecht Glaser, AfD.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es soll eine Zeit der großen Transformation werden. Die Infektions- und daraus resultierende ökonomische Krise liefern den Vorwand dafür, im gesamten Euro-Raum die Schulden- und Haftungsgemeinschaft so zu vertiefen, dass dann niemand dieser Gemeinschaft entrinnen kann. Ein großer Ökonom schrieb dieser Tage:
Verschuldungsprogramme sind niemals Wachstumsprogramme, auch wenn die Politiker dies tausendmal so sagen.
Ein weiser Mann! – Griechenland wurde 2010 EU-vertragswidrig mit 320 Milliarden Euro subventioniert. Ergebnis: Rückgang des BIP bis heute um 20 Prozent. Italiens Verschuldung ist seit damals um 500 Milliarden Euro angestiegen. Ergebnis: Nullwachstum in Italien seit zehn Jahren.
Obwohl fast alle EU-Länder mit einer gewissen Berechtigung wegen der Coronakalamität große nationale Schuldenprogramme fahren, meint die Europäische Union, sie müsse die Gunst der Stunde nutzen, um die EU von einer Wirtschafts- zu einer Schulden- und Transferunion umzugestalten. Emmanuel Macron sieht eine große Chance, dieses Ziel, das schon Mitterrand beseelt hatte, zu erreichen. Nichts anderes hatte er in seiner Sorbonne-Rede im September 2017 gefordert. In England sagt man seit Langem: The EU is a French affair with German money.
Die EU soll 750 Milliarden Euro verteilen, davon 350 Milliarden Euro als Geschenk, obwohl sie das Geld gar nicht hat. Sie soll deshalb Anleihen begeben, welche die EZB kauft – Kreis- und Ringverkehr. Als Alibi wird auf den Artikel 122 AEUV Bezug genommen, der jedoch ein außergewöhnliches Ereignis für einen Einzelstaat voraussetzt. Das ist Corona sicher nicht, sonst wäre es keine Pandemie. Beim Maßstab der Mittelverteilung an die EU-Mitgliedstaaten spielt Corona daher auch keine Rolle. Mit einem Faustschlag auf den Tisch, so wird berichtet, musste Macron die „sparsamen Vier“ unter Druck setzen. Welche Machtmittel in Wahrheit gegen kleinere Staaten in der EU eingesetzt werden, kann man nur ahnen.
Wie sieht die Transformation aus? Erstens: ein mittelfristiger EU-Haushaltsrahmen bis 2027 von über 1 Billion Euro. Die EU-Umlage Deutschlands steigt danach von derzeit 30 Milliarden auf 65 Milliarden Euro jährlich, meine Damen und Herren – eine dauerhafte Verdopplung dieser Last; das wird der zweitgrößte Ausgabenposten im Bundeshaushalt sein. Zweitens: Target2-Kredite über 1 Billion Euro, ohne Sicherheit, ohne Zinsen und ohne Rückzahlungsverpflichtung. Drittens: Anleihekäufe im Umfang von 3,785 Billionen Euro durch die EZB, zumeist als verbotene Staatsfinanzierung. Viertens: 500 Milliarden Euro Gemeinschaftsdarlehen aus ESM, EFSF, ElB, SURE, NGEU und – davon hat kaum einer gehört – ANFA, ein Geheimabkommen, das jede Notenbank des Euro-Raums ermächtigt, selbst Euros zu erzeugen. – Und nun fünftens – 750 Milliarden Euro kollektive Coronaschulden, einmalig und vorübergehend, wie es heißt, geplante Tilgung bis 2058. Apropos „nächste Generationen“, lieber Herr Rehberg: Verwendung jetzt, Tilgung durch die nächsten Generationen. Daher die zynische Bezeichnung für das Projekt: Next Generation EU.
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Deutschland wird dadurch mit 180 Milliarden Euro belastet.
An der Pathologie, die hier vorbereitet wird, meine Damen und Herren, ist die Lateinische Münzunion – 1865 von Napoleon III. als Hegemonialinstrument gegründet – zwischen Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland und anderen Staaten
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im frühen 20. Jahrhundert gestorben, gleichermaßen die Skandinavische Münzunion und die Kronenzone. Dem gleichen Schicksal nähert sich die EU nun in riesigen Schritten, meine Damen und Herren, und Sie alle werden eifrig Ihren Beitrag dazu leisten.
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Herzlichen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Lothar Binding, SPD.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Heute beginnt ja die Haushaltswoche, also die Stunde der Haushälter, und der Haushaltsausschuss ist zuständig für kluge Ausgaben. Ich bin aber Finanzpolitiker, der Finanzausschuss, ist zuständig für die notwendigen Einnahmen, also im Wesentlichen Steuereinnahmen.
Worüber reden wir heute? Zum Ersten müssen wir denjenigen unseren Dank aussprechen, die uns die ganzen Einnahmen ermöglichen. Immerhin sind in diesem Haushalt 300 Milliarden Euro projektiert, und die kommen ja irgendwo her. Selbst in Krisenzeiten nehmen wir allein über den Bundeshaushalt – Land und Kommunen kommen hinzu – 300 Milliarden Euro ein. Ich finde, da sind wir unseren Steuerbürgern schon Dank schuldig; denn die Basis fürs Gemeinwesen sind die Abgaben aller Einzelnen. Wenn man diesen Zusammenhang versteht, macht man eine andere Steuerpolitik,
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als wenn man vergisst, was das Gemeinwesen für uns bedeutet.
Ich bin auch Europa dankbar; denn ohne Europa würden wir hier so gar nicht sitzen. Wir sind auf Europa angewiesen. Mehr muss ich dazu nicht sagen.
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Metin Hakverdi wird nachher sicher mehr zu Europa sagen.
Vorhin hat jemand gesagt – als Antwort auf Ralph Brinkhaus –, die Union mache alles mit. Nun bin ich mal gespannt, ob das stimmt; denn wenn die Behauptung stimmt
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– die Aussage kam gar nicht von dir, sondern von jemand anderem; wer es war, habe ich gerade vergessen –, dann wäre das natürlich super für uns, weil wir dann nur noch das Richtige machen würden.
Dann hat jemand gesagt, er trage die Lösungen „meiner Fraktion, der FDP“ vor. Und was kam dann? Kein einziges Beispiel, weder wo noch was noch wie.
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Er hat kein einziges Beispiel hier genannt. Das ist hier aber eine Debatte für die Öffentlichkeit.
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Gleichzeitig – deshalb habe ich das ja eben etwas vorsichtig formuliert – hat derjenige, der das vorgetragen hat, von der Scheinheiligkeit der anderen gesprochen. Das fand ich grenzwertig und auch nicht anständig.
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Gesine Lötzsch hat eine gute Frage gestellt: Wer bezahlt das alles? Und sie hat erklärt: Entweder die Sozialleistungen sinken, oder die Steuereinnahmen steigen. – Jetzt funktioniert Wirtschaftspolitik aber nicht so einfach. Es gibt in der Wirtschaft noch weitere Parameter.
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Ich will vielleicht mal sagen, dass diese Wirtschaftspolitik etwas zu schlicht ist. Kluge Investitionen dienen nämlich auch dem Zweck, Schulden abzubauen oder Schulden in der Wirtschaft zu marginalisieren.
Olaf Scholz hat eine ganze Liste von Investitionen vorgetragen, entlang derer wir uns das klar machen, nämlich in Bildung, Klima, Entwicklungszusammenarbeit – ganz wichtig für Deutschland –, Forschung – ganz wichtig für Deutschland –, Verkehr, Digitalisierung. Und er hat gesagt: Es kann ja nicht sein, dass wir alles ganz schlecht gemacht haben. – Das fand ich übrigens falsch; denn anschließend kam fast eine Stunde lang eine Rede, in der aufgezeigt wurde, was wir alles gut gemacht haben. Wir haben also in dem Haushalt ganz viel gut gemacht. Das sichert unsere Zukunft, auch wenn wir jetzt in der Not richtig helfen müssen. Wer die richtigen Investitionen versäumt, der vergeht sich an der Zukunft; denn das ist das Teuerste, was man machen kann. Im falschen Moment zu sparen, ist das Teuerste.
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Ralph Brinkhaus hat gesagt, wir wollten es dann den Reichen nehmen. Also ist meine Gegenfrage: Wem denn sonst? Den Armen können wir es nicht nehmen, wenn wir in Not geraten; das ist klar. Alle, die was haben, können was geben; wer nichts hat, der kann auch nichts geben. Das ist schon die richtige Logik. Aber es ist ja umgekehrt: Die Union will ja nicht den Reichen was nehmen, sondern uns hier im Haus und allen, die mehr verdienen, noch was geben, nämlich 10 Milliarden Euro. Und die Logik verstehe ich jetzt nicht.
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– Ja, doch, ihr wollt den Soli für die abschaffen. Also wollt ihr denen sozusagen etwas geben, worauf sie mühelos verzichten könnten. Auch ich kann den Soli mühelos bezahlen. Deshalb sollten wir auch dabei bleiben.
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Wir vertrauen übrigens auch dem Einzelnen, wir vertrauen auch den Unternehmen, wir vertrauen auch den Arbeitnehmern; das hast du alles gesagt. Wir haben großes Vertrauen in den Einzelnen. Und doch ist Tatsache: Die Unternehmen, für die du die Steuern senken willst, wären gar nicht mehr am Leben, wenn die Gemeinschaft, also alle, den Einzelnen nicht geholfen hätten.
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Diese Logik, dass die Gemeinschaft von allen Einzelnen etwas bekommt, um dann, wenn es den Einzelnen schlecht geht, zu helfen, liegt diesem Haushalt zugrunde. Deshalb ist er zukunftsfähig, und deshalb ist es auch so ein kluger Haushalt.
Für einen Steuerpolitiker ist es nicht ganz leicht, zu sagen – wir wollen uns ja um Einnahmen kümmern –, worüber wir diesmal eigentlich reden. Wir reden über Steuermindereinnahmen, weil wir jetzt ganz viel helfen. So wie die Haushälter durch Ausgaben helfen, helfen die Finanzer durch die Ermöglichung von Steuermindereinnahmen, zum Beispiel, indem wir die Kfz-Steuer umstellen und stärker am CO2-Output orientieren. Wir haben ein Familienentlastungsgesetz, das 12 Milliarden Euro – das ist ein Riesenbetrag – für Kindergeld, für Kinderfreibeträge, für die Anhebung des Grundfreibetrags vorsieht. Es gibt auch eine Rechtsverschiebung der Steuerkurve – das ist jetzt ein bisschen technisch –, die für eine Überkompensation der kalten Progression sorgt, auf der ja viele seit Jahren herumreiten, obwohl sie schon lange kompensiert wurde. Wir haben den Behindertenpauschbetrag verdoppelt.
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Leider hat das sehr lange gedauert. Aber das ist total wichtig für die Leute, weil es denen richtig schlecht geht. Und wer ein bisschen Empathie, ein bisschen Einfühlungsvermögen hat, weiß natürlich, warum das so wichtig ist.
Wir haben noch eine offene Baustelle, wenn es darum geht, dass die Zahlung der Grunderwerbsteuer durch einen Share Deal umgangen wird. In den Fällen würden wir gerne die Steuereinnahmen erhöhen, weil sich die Leute, die diesen Trick anwenden, höhere Steuern leisten können.
Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wollen wir die Investitionsabzugsbeträge für die Unternehmen anheben. Das ist sehr gut.
Wir haben also Mindereinnahmen zur Unterstützung von Unternehmen, Arbeitnehmern, Familien.
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Das ist eine kluge Zukunftspolitik; denn wenn alle überleben, dann haben wir die richtige Politik gemacht. Daran orientiert sich dieser Haushalt, sowohl bei den Einnahmen als auch bei den Ausgaben.
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Nächster Redner ist der Kollege Christian Dürr, FDP.
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Scholz, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede den Vergleich zur Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2009 und 2010 gezogen und gesagt: Damals haben wir geholfen, und auch jetzt müssen wir helfen. – Darin besteht Konsens; der Vergleich zu dieser Krise ist grundsätzlich richtig. Damals haben wir es in Deutschland geschafft, aus einer Wirtschafts-und Finanzkrise und auch aus einer schwierigen haushaltspolitischen Situation – die FDP hat damals mitregiert – herauszuwachsen. Wodurch haben wir das geschafft? Das haben wir geschafft aufgrund von Reformen, die auch Ihre Partei – ich will an dieser Stelle die SPD-Politiker Gerhard Schröder und gerade auch Wolfgang Clement nennen – auf den Weg gebracht hat. Ihre Partei hat sich historische Verdienste um unser Land erworben, weil sie eine Reformpolitik auf den Weg gebracht hat, die es unserem Land ermöglicht hat, aus der Krise herauszuwachsen.
Aber jetzt erleben wir eine andere Politik. Als Beispiele sind zu nennen das Lieferkettengesetz, das Verbot von Werkverträgen – das wird am Ende des Tages nicht nur für die Fleischindustrie gelten – und ein neues Unternehmerstrafrecht. Die SPD hat sich von Wachstum und dem Herauswachsen aus Krisen komplett verabschiedet. Deswegen ist der vorliegende Haushalt auf Sand gebaut und nicht auf die Zukunft, meine Damen und Herren.
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Noch ein Vergleich zur letzten Krise, Herr Minister Scholz. Im Vergleich zur letzten Krise planen Sie, viermal so viele Schulden zu machen. Die Rückzahlung der Schulden, die Sie jetzt planen, wird frühestens im Jahr 2042 erfolgt sein. Lieber Herr Kollege Binding, Sie haben eben gefragt, wer das zahlt: Sie werden von Menschen in unserem Land zurückgezahlt, die noch gar nicht geboren sind.
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Es geht um viel Geld – ich will das in aller Klarheit sagen –, und deswegen hat Herr Rehberg recht, wenn er fordert, Maß und Mitte zu halten. Mit Geld um sich zu werfen, das ist noch keine Politik. Sie planen an jedem einzelnen Tag 430 Millionen Euro neue Schulden. Das sind sozusagen an jedem Tag zusätzliche Schulden in der Größenordnung der Kosten für die gescheiterte Pkw-Maut. Irgendwann, Herr Minister Scholz, wird Ihnen anderer Leute Geld ausgehen, und das ist das Problem dieser Haushaltspolitik.
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Alle reden davon, wie gut wir auf die Krise vorbereitet sind. Die Frage, die wir uns auch jetzt schon stellen, ist: Wie gut sind wir eigentlich auf zukünftige Krisen vorbereitet? Ich will in aller Klarheit in Bezug auf die Haushaltszahlen sagen – Kollege Fricke hat das vorhin sehr deutlich unterstrichen –: Die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt wird man nicht dauerhaft auf Pump finanzieren können.
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Wir müssen dafür sorgen, dass die Wirtschaft wieder den Staat finanziert und nicht, wie die SPD es plant, der Staat die Wirtschaft.
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Am Anfang war es richtig, sehr hart einzugreifen – deswegen haben wir als Freie Demokraten dem ersten Nachtragshaushalt auch zugestimmt –, aber jetzt braucht Deutschland endlich eine haushaltspolitische Wende.
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Herr Scholz, Sie reden jetzt schon von Steuererhöhungen; das ist zwar grundfalsch, aber es ist zumindest ehrlich. Deswegen will ich mich an die Kolleginnen und Kollegen der Union wenden. Ich frage: Wo ist eigentlich Ihre Haushaltspolitik? Der Vorsitzende der CSU und Ministerpräsident Söder forderte am Wochenende zum hundertsten Mal Steuersenkungen, die Abschaffung des Solidaritätszuschlages und eine Unternehmensteuerreform. Das ist alles richtig. Das Problem ist, Herr Brinkhaus: Nichts davon steht im Haushalt. In Richtung der Kollegen der CSU sage ich: Sie werden einem Bundeshaushalt zustimmen, obwohl Ihr Parteivorsitzender das Gegenteil der entsprechenden Maßnahmen fordert. Das muss man erst einmal hinbekommen.
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Herr Brinkhaus, nach Ihrer Rede frage ich mich, wie Sie diesem Bundeshaushalt eigentlich noch zustimmen können.
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Es sind keinerlei Entlastungen enthalten. Übrigens müssen die CDU/CSU-Minister im Kabinett dem ja auch zugestimmt haben, sonst hätte der Haushalt den Bundestag überhaupt nicht erreicht.
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Herr Brinkhaus, ich will Ihnen einen gewissen Sinn für Humor gar nicht absprechen. Ich habe mir den Bericht des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einmal angeschaut.
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Dort steht – das ist sehr interessant vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade gesagt haben –: „Für uns als Union ist eine solide Haushaltpolitik die Grundvoraussetzung für einen handlungsfähigen Staat.“ Für die Freien Demokraten auch. Ich frage mich, warum die Union die Politik, die in diesem Bericht beschrieben wird, nicht macht.
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Dann heißt es weiter: „Bundeshaushalt 2021: Priorität für Zukunft, Technologie und Innovation“. Über den Einzelplan der Bundesministerin für Bildung und Forschung schreiben Sie: „Für den Bereich Bildung und Forschung sind im Haushaltjahr 2021 rund 20,2 Mrd. Euro vorgesehen, womit sich der Ausgabenrahmen nahezu auf Vorjahresniveau befindet.“ Richtig ist: Das Volumen des Einzelplans, mit dem in die Zukunft investiert werden soll, sinkt von 5 Prozent des Gesamthaushalts auf 4,9 Prozent.
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Herr Brinkhaus, was Sie an Politik in Deutschland machen, ist das Gegenteil von dem, was Sie hier gerade propagiert haben. Das muss man an dieser Stelle unterstreichen.
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Herr Präsident, ich möchte zum Schluss zwei Punkte ansprechen. Nur durch Wachstum – das wissen wir – werden wir aus dieser Krise herauskommen können, nur durch Wachstum werden wir die Schulden zurückzahlen können. Es gibt zwei Voraussetzungen für Wachstum: Das eine sind Entlastungen, damit Unternehmen investieren können und private Haushalte konsumieren können. Das Zweite ist, dass ausreichend Menschen am Arbeitsmarkt die Chance haben, dieses Wachstum zu erarbeiten. Sie, auch Herr Brinkhaus, haben vorhin von Einwanderung gesprochen. Deutschland ist das Land mit der zweitältesten Bevölkerung. Wir brauchen händeringend Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt, aber Ihr Fachkräftezuwanderungsgesetz
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ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Meine Damen und Herren, Einwanderung in den Arbeitsmarkt, das ist die Voraussetzung für Wachstum und für haushaltspolitische Solidität in unserem Land. Das muss man in dieser Deutlichkeit sagen.
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Jetzt müssen Sie zum Schluss kommen.
Zum Schluss. Zweimal, sowohl beim Thema Entlastung als auch beim Thema Einwanderung in den Arbeitsmarkt, hat sich die Union nicht für die Zukunft, sondern für die Vergangenheit entschieden. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen und würde mich freuen, wenn von dem Zukunftsspirit, den Sie in Ihrer Rede verbreitet haben, Herr Kollege Brinkhaus, sich am Ende auch etwas im Haushalt wiederfindet.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Fabio De Masi.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben mit diesem Haushalt einen alten politischen Taschenspielertrick: Bis zur Sperrstunde gibt es Getränke, und danach wird die Rechnung präsentiert. Es war richtig, in der Coronakrise die Wirtschaft mit vielen Milliarden zu stützen, weil sonst Unternehmen kaputtgegangen, Arbeitsplätze vernichtet und Steuereinnahmen weggebrochen wären. Alles andere wäre Micky-Mouse-Ökonomie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union: Wenn man in der Krise kürzt, hat man am Ende mehr, nicht weniger Schulden.
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Herr Finanzminister, Sie haben eben gesagt, dass Sie ab 2022 zur Schuldenbremse zurückkehren wollen. Das heißt, dass Sie von 218 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 10 Milliarden Euro runterbremsen,
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und das gibt eine dicke Bremsspur für die Wirtschaft. Deutschland befindet sich im Umbruch: in der Automobilindustrie, bei der digitalen Infrastruktur, beim Thema Klimawandel. Deswegen brauchen wir mehr, nicht weniger Investitionen in Deutschland, und zwar auch in der Zukunft.
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Wenn wir für unsere Enkelkinder eine Universität bauen, dann ist es doch nur normal, dass das nicht nur die heutigen Steuerzahler bei null Zinsen finanzieren. Gleichzeitig gibt es das 2-Prozent-Rüstungsziel. Aber haben wir etwa die Verteidigungsausgaben gekürzt, als die Wirtschaft eingebrochen ist? – Nein. Das ist doch völlig verrückt. Sie setzen hier die falschen Schwerpunkte.
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Man muss sich ehrlich machen: Eine Rückkehr zur Schuldenbremse nach der Wahl bedeutet einen Kürzungshammer nach der Wahl.
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Man muss sich hier ehrlich machen und sagen, an welche Bereiche man ranwill: an die Leute, die den Laden am Laufen gehalten haben, an die Pflegekräfte, an die Kassiererinnen, an die Kassierer, an die Polizisten oder eben an diejenigen in diesem Land, die von der Krise profitiert haben, wie die Quandts und die Klattens?
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Wir haben einen US-Präsidenten Donald Trump, der hat nicht nur einen teuren Friseur – das Problem haben viele in diesem Raum nicht –,
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sondern er hat auch nur 750 Dollar Steuern gezahlt.
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Darin drückt sich die Bindung zum eigenen Land aus, so wie bei der Truppe hier rechts, die Deutschlandfähnchen schwenken, aber dann ihre Steuern in der Schweiz zahlen und sich freuen, wenn es dem Land dreckig geht. Sie lieben dieses Land nicht, Sie verachten es.
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Aber auch in Deutschland gibt es den beliebten Enkeltrick: Herr Döpfner lässt sich von Friede Springer Aktien im Wert von 1 Milliarde Euro schenken und entrichtet darauf kaum Steuern. In Deutschland gibt es die Quandts und Klattens, die mitten in der Krise Hunderte Millionen Euro aus BMW herausgezogen haben. Es ist Zeit, dass diese Menschen nicht immer nur fragen, was das Land für sie tun kann, sondern dass sie auch etwas für dieses Land tun.
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Deswegen fordert Die Linke eine Vermögensabgabe mit hohen Freigrenzen auf Betriebsvermögen für die Milliardäre in diesem Land.
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Es war richtig, das Kurzarbeitergeld zu verlängern. Aber für viele Selbstständige in diesem Land geht die Krise jetzt im Winter doch erst richtig los. Es ist weltfremd, dass man denen keine Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt. Die anderen Mittel werden gar nicht abgerufen.
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Gleichzeitig werden Amazon und Co in diesem Land immer mächtiger, sie haben von der Krise profitiert, Jeff Bezos geht es nach der Coronakrise besser. Deswegen ist es eine Schande, dass ausgerechnet die Bundesregierung auf europäischer Ebene mehr Steuertransparenz blockiert und so verhindert, dass für jedes Land klar wird, wie hoch die Gewinne und die bezahlten Steuern der Multis sind.
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Und zuletzt: Wir können es nicht hinnehmen, dass die Gangster in Nadelstreifen mit ihren Cum/Ex-Geschäften ungeschoren davonkommen. Es ist richtig, dass wir dort, wo steuerrechtliche Straftaten bereits verjährt sind, jetzt strafrechtlich zugreifen können. Aber das gilt eben nicht für die Altfälle, für die Fälle vor dem 1. Juli 2020. Das müssen wir dringend korrigieren.
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Es kann nicht sein, dass bei Handwerkern jede Rechnung kontrolliert wird und die Gangster in Nadelstreifen ungeschoren davonkommen. Das wird Die Linke niemals akzeptieren.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist die Kollegin Anja Hajduk.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Mein Kollege hat es schon gesagt: Wir Grünen finden es richtig, dass für den Haushalt 2021 die Neuverschuldung hochgefahren wird, auch unter Inanspruchnahme der Möglichkeiten hinsichtlich der Schuldenbremse. Von daher besteht an dem Punkt Einigkeit.
Aber ich muss hinterherschieben: Mir war Ihre Rede insgesamt zu sorglos,
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zu sorglos angesichts der finanzpolitischen Zukunft dieses Landes.
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Wir gehen ja mit und sagen: „Wir müssen in der Krise jetzt noch mal Schulden machen, um Impulse zu setzen, um für Vertrauen zu sorgen, um Wirtschaft und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu unterstützen“, aber wir müssen auch die Frage stellen: Wie gehen wir in den Jahren 2022 folgende damit um? Um die Frage zu beantworten, muss ich nur in Ihre eigene Finanzplanung gucken: Sie haben einen finanzpolitischen Handlungsbedarf von 42 Milliarden Euro bekannt gegeben.
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Wenn man die globalen Minderausgaben, die Sie zur Gegenfinanzierung ansetzen, und die Verschuldung, die Sie draufpacken, einbezieht, dann kommt man insgesamt in dieser Zeit auf einen finanzpolitischen Handlungsbedarf von über 100 Milliarden Euro.
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Und das ist Anlass zur Sorge.
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Deswegen ist es, glaube ich, ehrlich und richtig – liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich habe sehr genau zugehört –, darüber zu reden, ob ein Tilgungsplan für die neuen Schulden, gesetzt auf 17 Jahre, der einzig sinnvolle Weg ist. Man sollte die Tilgung zwar nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag schieben, aber vielleicht sollte man darüber reden, ob man einen Tilgungszeitraum von 25 oder 30 Jahren vorsieht.
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Es ist unsere Verantwortung, die Situation im Griff zu haben. Wir können nicht zur Bundestagswahl sagen: „Wir haben die Situation im Griff“; aber 2022, 2023 und 2024 ist dann großes Chaos angesagt, dann müssen wir harte Einschnitte vornehmen. So haben Sie den Haushalt jedoch jetzt aufgestellt, und das finden wir unverantwortlich.
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Deswegen wollen wir darüber reden: Kann man die Schuldenbremse reformieren und trotzdem das Nachhaltigkeitsversprechen ganz ernsthaft einhalten? Wir wollen eine Reform der Schuldenbremse, die sich ausschließlich auf die klassischen Investitionen bezieht. Wir wollen einen Fonds, der der Wirtschaft das Vertrauen gibt, dass der Staat diese Investitionen über Jahre hinweg tätigt – mit Schuldenbremse, mit Solidität, mit einer Transformation der Wirtschaft. Wir stellen uns diese Fragen, und ich erwarte, dass sich die Union und die SPD vor der Wahl dieser Frage und dieser Reformaufgabe stellen.
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Ein letzter Punkt, ganz kurz. Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, dass wir uns auf dem Sozialstaat abstützen konnten. Wir müssen ehrlich sein: Der Sozialstaat und die gesetzliche Krankenversicherung sind mit 16 Milliarden Euro unterfinanziert. Wenn der Kollege Brinkhaus sagt, wir brauchen ein Beitragsmoratorium für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
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– ja, Belastungsmoratorium –, für Unternehmerinnen und Unternehmer,
dann müssen Sie sich in diesen Haushaltsberatungen der Tatsache stellen, dass auf Basis Ihrer Haushaltsplanung die Sozialabgaben steigen werden, wahrscheinlich sogar auf über 40 Prozent. Und das ist die nächste ungelöste Aufgabe im Bereich der Finanzplanung: Beitragszahlerinnen und Beitragszahler sind durch eine ehrliche Finanzierung der Sozialversicherungen zu schützen. Das gilt insbesondere für den Bereich Gesundheit. Da haben Sie eine offene Baustelle, Herr Brinkhaus, Herr Scholz.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. h. c. Hans Michelbach.
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Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Das Haushaltsjahr 2021 wird, wie schon das aktuelle Jahr, von der Coronakrise bestimmt. Wir haben bereits in diesem Jahr erhebliche Schulden aufgenommen, um die Coronakrise in Gesellschaft und Wirtschaft zu bewältigen.
Für 2021 sieht der Entwurf des Bundesfinanzministers
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eine weitere Schuldenaufnahme von 96 Milliarden Euro vor. Meine Damen und Herren, ich sehe das Auftürmen solcher Schuldenberge aus ordnungspolitischer Sicht mit sehr großer Sorge; denn Schulden sind Gift einer Staatswirtschaft.
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Der Vergleich mit der Finanzkrise 2009 ist grundsätzlich falsch, weil wir damals die konsumtiven Haushaltsausgaben eingefroren haben, was heute nicht stattfindet.
Angesichts der Zahlen des Etatentwurfs ist die Einhaltung der Schuldenbremse ab 2022 höchst gefährdet. In der mittelfristigen Finanzplanung bis 2024 klafft eine strukturelle Lücke von mehr als 131 Milliarden Euro. Gleichzeitig steigen die Ausgaben.
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Der Sozialetat verschlingt 51 Prozent des Gesamthaushaltes.
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Meine Damen und Herren, die mittelfristige Finanzplanung – das möchte ich betonen – verträgt keine zusätzlichen Belastungen. Meine Damen und Herren, Ausgabe- und Einnahmeseite eines Haushaltes müssen immer wieder in Einklang gebracht werden. Nur so sichern wir die dauerhafte Handlungsfähigkeit und damit die Zukunft unseres Landes.
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Und meine Damen und Herren, wer heute hohe Schulden macht, sollte auch erklären können, wie er sie morgen zurückzahlen will.
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In der jetzigen Situation eine Steuererhöhungsdebatte loszutreten, wie es Herr Scholz getan hat, ist, vorsichtig formuliert, absolut kontraproduktiv, meine Damen und Herren. Er schafft nur mehr Verunsicherung bei Wirtschaft und Verbrauchern, die aber Planungssicherheit brauchen, um zu investieren, um zu konsumieren, meine Damen und Herren. Was wir dringend brauchen, sind nicht Steuererhöhungsdebatten, sondern mehr Wachstum. Ohne Wachstum werden wir die Ziele der Konsolidierung nicht erreichen.
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Wir brauchen eine kluge, innovative und ordnungspolitische Strategie der sozialen Marktwirtschaft, damit wir Zuversicht und Perspektiven in die Wirtschaft bekommen, damit aus Kurzarbeit nicht mehr Arbeitslosigkeit wird, damit die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen wieder steigen.
Was wir brauchen, meine Damen und Herren, sind Reformen, die unser dauerhaftes Ziel verfolgen, welches auf der „3 mal 40“-Formel beruht: 40 Prozent Staatsquote, 40 Prozent Steuerquote, 40 Prozent Sozialabgabenquote. Davon sind wir leider weit entfernt.
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Es muss unser Ziel sein, das wieder zu erreichen, meine Damen und Herren. Wir brauchen dafür die Anreize einer Steuerreform.
Es kann auch nicht sein, dass bei den Cum/Ex-Steuerbetrügern eine steuerliche Verjährung eintritt.
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Steuerhinterziehungsfälle mit einem Volumen von 50 Milliarden Euro drohen zu verjähren, meine Damen und Herren. Das kann nicht sein. Wir brauchen schnell ein Gesetz. Im Rahmen der Änderung des Jahressteuergesetzes muss dies in der Abgabenordnung geklärt werden. Das muss erledigt werden, sonst erleichtern wir diesen Steuerhinterziehern das Geschäft; das kann nicht sein.
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Wir brauchen endgültig das Ende des Soli, der ohnehin verfassungsrechtlich höchst fragwürdig ist. Es macht doch keinen Sinn, eine Handwerker-GmbH mit der Mehrwertsteuersubvention zu unterstützen, sie aber gleichzeitig den Soli zahlen zu lassen. Das ist doch widersinnig, meine Damen und Herren.
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Das kann doch nicht sein. Ich kann mir das nur so erklären: Man erkennt zwar, dass das unlogisch ist, aber dass man jemand braucht, den man als Kapitalgesellschaft an den Pranger stellt,
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und das ist dann der kleine Handwerker mit seiner GmbH. Das ist aber absolut kontraproduktiv, meine Damen und Herren.
Wir brauchen deswegen auch eine Änderung des Unternehmensteuerrechts. 70 Prozent des Mittelstandes, der mittelständischen Firmen sind Personengesellschaften, und die werden im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften zu hoch belastet. Das ist Wettbewerbsverzerrung.
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Wir wollen die Personengesellschaften stärken; denn das sind die Familienunternehmen, die noch persönlich haften für die Arbeitsplätze, die sie schaffen, die Risikobereitschaft haben.
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Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir brauchen ein Belastungsmoratorium. Nicht der Staat, sondern die unternehmerische Kraft und die Motivation unserer Arbeitnehmer schaffen das notwendige Wachstum, das wir brauchen. Wir brauchen Stabilität und einen klaren Kurs der sozialen Marktwirtschaft.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Kollege Metin Hakverdi.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind nach wie vor – das war heute in der Debatte nicht so ganz klar – in einer Krise. Die Pandemie hat das ganze Land bis heute einem riesigen Stresstest unterzogen. Seit März dieses Jahres ist eine Menge passiert: Wir hatten einen Lockdown, Homeschooling, Homeoffice – mal besser, mal schlechter –, Angst vor Entlassungen, Sorge vor Überforderung des Gesundheitssystems. In dieser Phase konnten wir sehr froh sein, dass wir einen starken leistungsfähigen Staat haben.
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Wir haben eine Menge gemacht. Wir haben sehr viel Geld in die Hand genommen: mit zwei Nachtragshaushalten mit einem Volumen von über einer halben Billion Euro in diesem Haushaltsjahr. Wir haben mit dem Kurzarbeitergeld viele Tausend Menschen vor der Arbeitslosigkeit bewahrt und einen ökonomischen Schock fürs ganze Land verhindert.
Aber die Unsicherheit bleibt, weil wir keinen wirksamen Impfstoff haben, weil wir kein wirksames Medikament haben. Diese Unsicherheit hat nach wie vor Konsequenzen: für die Stimmung im Land ganz allgemein, für die Wirtschaft, und – das muss man sagen – bei den einen oder anderen Demonstrationen, die es in den letzten Wochen gab, hatte sie auch Konsequenzen für die Demokratie.
Deshalb müssen wir mit diesem Haushalt auch ein Zeichen an unser Land senden: Wir handeln. Wir werden das gemeinsam durchstehen, die Gesundheit der Menschen erhalten und den Karren so schnell es irgend geht wieder flottmachen.
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Dafür nehmen wir noch einmal viel Geld in die Hand. Wir nehmen viel Geld in die Hand für den Krankenhauszukunftsfonds. Das Konjunkturpaket setzen wir im nächsten Jahr natürlich fort. Für die Kurzarbeiterregelung, die wir bis Ende 2021 verlängern, stellen wir die Bundesagentur zum Beginn des Jahres 2022 schuldenfrei, komme was wolle.
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Hinzu kommt eine Investitionsinitiative, die historisches Ausmaß hat – das ist hier schon gesagt worden –: Von jetzt bis 2024 investieren wir 270 Milliarden Euro. Das ist die größte Investition in der Geschichte unserer Landes – ein richtiges und historisches Zeichen zu diesem Zeitpunkt.
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Ich glaube aber, wir sollten noch mehr tun. Zusätzlich würde ich mich freuen, wenn wir gemeinsam mit der Union unsere Programme noch passgenauer machen für die, für die de facto immer noch ein Berufsverbot besteht. Ich denke hier zum Beispiel an die Reise- und Veranstaltungsbranche.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, während die Coronapandemie stattfindet, bleibt die Welt um uns herum nicht stehen. Während der Haushaltsberatungen – sie dauern bis zur zweiten Dezemberwoche – wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Egal wie diese Wahl ausgeht, Europa wird in Zukunft mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen müssen. Wir haben in der Krise festgestellt, dass wir zu abhängig sind von Wertschöpfungsketten bis nach Asien; dies macht uns sehr anfällig. Wir sehen, dass sowohl die gesundheitliche Entwicklung als auch die wirtschaftliche Situation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union an uns nicht spurlos vorbeigehen, auch menschlich nicht an uns vorbeigehen. Das Virus macht an der Grenze eben keinen Halt.
Lassen Sie uns diese Krise deshalb auch nutzen, um uns national, aber auch auf europäischer Ebene handlungsfähiger zu machen. Wir werden hier in den kommenden Monaten wichtige Entscheidungen hinsichtlich des EU-Haushalts und des Recovery Fund, des Wiederaufbaufonds, treffen. Das könnte tatsächlich ein Hamilton-Moment werden.
Wir sollten diese Krise, wie wir das schon oft in der Vergangenheit gemacht haben, zum Anlass nehmen, uns zu fragen: Reicht das? Können wir als einzelnes Land tatsächlich im Konzert der Mächtigen – USA, China, Indien usw. – mitspielen? Können wir unsere Art, zu leben, global pflegen und verteidigen? Wir sollten die EU einen Schritt souveräner machen. Denn nur so können wir in Zukunft unseren eigenen nationalen Interessen auf der Weltbühne Gehör verschaffen.
Souveränität setzt aber auch finanzielle Handlungsfähigkeit voraus. Deshalb müssen wir, auch hier in diesem Haus, unsere Sichtweise auf EU-Eigenmittel und die Refinanzierungsmöglichkeiten der Europäischen Union den neuen globalen Herausforderungen anpassen.
Die Pandemie hat uns in den letzten sieben Monaten einiges gelehrt. Wir haben gelernt, dass wir nur solidarisch einer Krise entgegenwirken können. Wir haben gelernt, dass die Verantwortung tragen, die Abstand halten und Maske tragen – für alle, für Arbeitsplätze, für die Möglichkeit, Schulen offen zu halten, und für gesundheitlich besonders verletzliche Menschen. Wir haben auch gelernt, dass wir einen handlungsfähigen Staat brauchen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das will ich an dieser Stelle auch noch mal sagen: Wir haben gelernt, dass wir ohne einen Sozialstaat keine Pandemie bekämpfen können.
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Wir werden in diesem Jahr und in den nächsten Jahren handeln. Ja, es gibt weiterhin Ungewissheiten. In der Wissenschaft gibt es Ungewissheiten, in der Wirtschaft und auch im privaten Umfeld. Unsere Antwort mit diesem Haushalt ist: Wir sind bereit. Was immer nötig ist, werden wir tun, um die Menschen in unserem Land vor gesundheitlichen Schäden zu schützen, um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden und um unser solidarisches Gemeinwohl zu stärken. Die Menschen in unserem Land können sich auf uns verlassen.
Ich freue mich auf die Haushaltsberatung.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Letzter Redner in der allgemeinen Finanzdebatte ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Tankred Schipanski.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner dieser Debatte fasse ich die Debatte nicht zusammen, sondern ich möchte vielmehr zu einem Haushalt sprechen, der noch gar keinen Einzelplan hat. Es handelt sich um den Digitalhaushalt. Es ist eine gute Tradition bei der Unionsfraktion geworden, dass die Digitalpolitiker in der allgemeinen Finanzdebatte dazu zu Wort kommen.
Digitalpolitik ist Zukunftspolitik. Es sind Zukunftsinvestitionen. Es bleibt bedauerlich, dass der Bundesfinanzminister auch für diesen Bundeshaushalt nicht in der Lage ist, eine Übersicht über die Digitalausgaben der Ressorts zu erstellen.
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Daher lädt der Ausschuss Digitale Agenda nun die Ressorts einzeln ein, um diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Einige konkrete Positionen werde ich aber bereits in dieser Debatte aufzeigen.
Lassen Sie mich die drei großen digitalpolitischen Leitlinien bei diesem Haushalt darstellen:
Erstens: die finanzpolitischen Vorgaben für künstliche Intelligenz. Wir als Koalition haben die KI-Mittel mehrfach erhöht. Wir haben das in drei Tranchen getan, dreimal 500 Millionen Euro. Diese Mittel sind jetzt auch an die einzelnen Ressorts verteilt, obwohl man kritisch sagen muss, dass sich einem Parlamentarier der Ablauf dieser Verteilung nicht immer erschließt.
Wichtig ist, dass fachlich zuständige Ressorts wie das Bundesforschungsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium von diesen Mitteln profitieren; denn ihre Haushalte zeigen, wie sinnvoll diese Mittel eingesetzt werden. Ich bin froh, dass die KI-Strategie weiter mit Mitteln hinterlegt wird. Wir haben jetzt im Einzelplan 60 noch mal 2 Milliarden Euro eingestellt, die entsprechend abgerufen werden, insbesondere auch im europäischen Kontext.
Zweitens: die finanzpolitischen Vorgaben beim Thema digitale Schulbildung: 5 Milliarden für den DigitalPakt Schule, 500 Millionen Euro für die Endgeräte bedürftiger Schüler, 500 Millionen Euro für die Systemadministratoren, 500 Millionen Euro noch mal zusätzlich für Endgeräte für Lehrer – alles verpackt in Bund-Länder-Vereinbarungen, bei denen der Bundestag unseres Erachtens viel stärker in das Monitoring und die Ausgestaltung einbezogen werden muss. Der Bundesrechnungshof findet hierzu in seinem Bericht die richtigen Worte.
Lassen Sie mich aber auch sagen: Noch mehr Geld löst die strukturellen Probleme unseres föderalen Schulsystems nicht. Wenn die Länder im Bereich der digitalen Schulbildung nicht endlich zusammenarbeiten und kooperieren und auch mit dem Bund kooperieren, werden wir diese angestauten Probleme nicht bewältigen.
Drittens: die finanzpolitischen Vorgaben der Koalition beim Thema Zukunftsfonds für Start-ups. Wir hatten uns darauf geeinigt, über zehn Jahre 10 Milliarden Euro auszugeben. Mit einem Teil dieses Fonds soll Wagniskapital von institutionellen Anlegern mobilisiert werden, um unser lokales Start-up-Ökosystem zu festigen. Seit April sind Wirtschaftsministerium und Finanzministerium hier in Verhandlungen. Wir sind jetzt auf der Zielgeraden. Vielen Dank an Thomas Jarzombek, den Start-up-Beauftragten im Wirtschaftsministerium, dass er dieses Thema gemeinsam mit den Digitalpolitikern vorantreibt. Der heute veröffentlichte „Startup Monitor“ zeigt, dass unsere Aktivitäten Wirkung entfalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns beispielhaft auf einige Einzelhaushalte blicken, in die die Digitalprojekte eingebettet sind:
Beim Bundesinnenministerium sind zum Thema „E-Government“ für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes für 2021 1,4 Milliarden Euro und für das folgende Jahr 1,3 Milliarden Euro vorgesehen. Lieber Ralph Brinkhaus, vielen Dank, dass Du dieses wichtige Thema im Koalitionsausschuss so gut durchgesetzt hast.
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Ich hoffe sehr, dass die Länder jetzt im IT-Planungsrat mitziehen und nicht blockieren und dass nachhaltige Strukturen geschaffen werden.
Im Übrigen: Für die dringend notwendige Registermodernisierung wurden für dieses Jahr noch 200 Millionen Euro und im nächsten Jahr 65 Millionen Euro eingestellt. Ich hoffe, dass hier jetzt auch der Koalitionspartner mit uns an einem Strang zieht und wir auch bei diesem Thema vorankommen.
Blicken wir in den BMBF-Haushalt. Dort gibt es einen deutlichen Aufwuchs bei der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur, und knapp 200 Millionen Euro geben wir für Quantentechnologie aus.
Beim Bundeswirtschaftsministerium gibt es mit 88,5 Millionen Euro ein klares Signal für unser Projekt „Gaia-X“. Hier sind wir Taktgeber in Europa.
Blicken wir auf das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Im nächsten Jahr stehen 920 Millionen Euro für den Breitbandausbau und 40 Millionen Euro für die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft zur Verfügung. Ich hoffe sehr, Andi Scheuer, dass das, was sich die CSU da vorstellt, auch hebt. Darüber hinaus stehen 50 Millionen Euro für die Förderung der Computerspieleentwicklung zur Verfügung. Auch das ist ein wichtiger Beitrag. Vielen Dank auch dafür. Wir müssen hier Innovationstreiber bleiben.
Um Doppelförderungen zu vermeiden, ist es notwendig, dass wir ein gezieltes Projektmanagement gewährleisten. Dazu brauchen wir zukünftig ein Digitalbudget. Wir müssen als Parlament besser steuern können. Die gegenwärtige Budgetzersplitterung macht die notwendige Gestaltung, aber auch die Kontrolle durch den Haushaltsgesetzgeber schwierig. Auch die Regierung muss in der nächsten Legislatur die Digitalpolitik noch besser organisieren.
Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem Haushalt 2021 die richtigen Schwerpunkte setzen. Es sind Zukunftsinvestitionen; es ist ein Zukunftshaushalt, und ich freue mich auf die Beratungen.
Vielen Dank.
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Zuversicht“ ist der Kernbegriff dieses Haushalts des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Es braucht Zuversicht und Mut, damit es in Deutschland wieder aufwärts geht – damit die Wirtschaft wieder wächst, Arbeitsplätze gesichert werden und wir den Klimawandel bremsen können.
Dieser Haushaltsentwurf ist das klare Signal, dass unsere Gesellschaft zusammenhält und die Herausforderungen dieser schwierigen Zeiten meistern kann. Garant für diese Entwicklung ist der größte Investitionsetat des Bundes, nämlich der Etat des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Das allerdings ist nichts, was einfach so von allein passiert. Dazu müssen wir Projekte und Investitionen aktiv vorantreiben.
Natürlich gibt es auch Projekte, die nicht so gut laufen. Ich nenne hier die Fehmarnbeltquerung, den Fehmarnbelttunnel, und blicke einmal zurück: 2008 haben sich Deutschland und Dänemark auf dieses Projekt verständigt und es zusammen festgemacht. Das ist zwölf Jahre her. Seitdem gab es auf deutscher Seite 12 600 Einwendungen, auf dänischer Seite nicht einmal 50. Dieses Projekt wird jetzt gerade beim Bundesverwaltungsgericht verhandelt. Es vergeht also noch mal Zeit, bis es losgeht.
Das Geld ist nicht das Problem; das Geld ist da. Wir nehmen uns aber oftmals viel zu viel Zeit zum Investieren, Anpacken und Vorantreiben.
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Dass wir handeln, ist auch klar. Mittlerweile sind drei Planungs- und Genehmigungsbeschleunigungsgesetze verabschiedet, und eines ist auf dem Weg. Das heißt, wir wollen die Planungen und Genehmigungen beschleunigen, wie es der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus heute schon gelobt hat. Hier haben wir noch einiges vor: mehrere Projekte zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung.
Ich bin überzeugt: Wir können für alle Bedenken Lösungen finden, wenn sich alle grundsätzlich darauf verständigen, dass wir Schienenwege, Straßen, Brücken, Tunnel, Breitbandnetze und Mobilfunk als lebensnotwendige Adern für unsere Gesellschaft brauchen. Es wäre hilfreich, wenn wir einen nationalen Grundkonsens pro Infrastruktur hätten. Dann würden wir uns bei der Umsetzung in Deutschland viel leichter tun.
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Ich bin daher froh, dass wir verkünden können: Im nächsten Jahr werden 21 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stehen. Damit ist das BMVI das Investitions- und Innovationsministerium für Fortschritt, Wohlstand und Arbeitsplätze. Wenn man die Mittel aus dem Digitalfonds – mein Vorredner, lieber Kollege Schipanski, hat schon darauf verwiesen – und dem Energie- und Klimafonds dazurechnet, dann sind es gar 23 Milliarden Euro. 18,6 Milliarden Euro sind allein für die Verkehrsinfrastruktur gedacht: für Schiene, Straße, Wasserstraße und den kombinierten Verkehr.
Dabei liegen Schiene und Straße übrigens mittlerweile fast gleichauf – und das, obwohl das Straßennetz im Vergleich zum Schienennetz ein Vielfaches an Kilometern umfasst. In den nächsten Jahren werden wir sogar erstmals mehr Geld in die Schiene investieren als in die Straße. Diese Regierung und diese Koalition starten ein Jahrzehnt der Schiene wie kein anderer vor uns.
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Im Übrigen: Wir kommen unserer Verantwortung für die Strukturstärkung nach. Die Gelder aus dem Strukturstärkungsgesetz kommen noch obendrauf.
Besonders freut mich, dass wir auch noch 120 Millionen Euro für ein Sofortprogramm zur Sanierung von Bahnhöfen bekommen. Zusammen mit dem Sofortprogramm, das wir schon in diesem Jahr gestartet haben, verbessern wir damit die Attraktivität und die Atmosphäre von rund 400 bis 500 Bahnhöfen.
Ich sage: Jede Zugfahrt beginnt am Bahnhof.
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Neben vielen Projekten, die schon laufen, nutzen wir auch dieses Schnellläuferprogramm vor allem dafür, um jetzt, in der Krise, ordentlich etwas für die Handwerksbetriebe zu tun, die unsere Bahnhöfe verschönern. Das ist eine gute Botschaft an viele Wahlkreise.
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Wir setzen daneben auf klimafreundliche Mobilität und darauf, dass die Investitionen und Förderungen passgenau für den Klimawandel sind.
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Das gilt gerade auch hinsichtlich der Art, wie wir uns fortbewegen.
Viele haben das Fahrradfahren neu entdeckt; es gibt einen Boom. Es freut mich, dass wir dies zur Kenntnis nehmen können und endlich eine Diskussion darüber führen, wie wir noch besser Modellprojekte, Radschnellwege sowie den Neu-, Um- und Ausbau von Radwegen fördern können. Hier investieren wir so viel wie nie zuvor: 1,45 Milliarden Euro bis 2023.
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Beim Auto ist der schnelle Umstieg auf alternative Antriebe sehr wichtig. Deswegen haben wir das schon in den letzten Jahren intensiv gefördert – mit dem Klimaschutzpaket, mit dem Konjunkturpaket.
Wir haben den Masterplan Ladeinfrastruktur. Die Menschen müssen einfach und überall laden können, damit die Fahrzeuge der Zukunft auch auf die Straße kommen.
Wir fördern klimafreundliche Lkws, Busse, Handwerkerfahrzeuge, kommunale Flotten und werden im Bereich der Nutzfahrzeuge im Herbst ein Gesamtkonzept für Null-Emissions-Logistik auf der Straße vorstellen.
Wir haben darüber hinaus die Nationale Wasserstoffstrategie und sind spitze in ganz Europa, wenn es um das Tankstellennetz für Wasserstoff geht. Wir sind hier mit bald 100 Tankstellen am Start. Keiner hat mehr in ganz Europa.
Daneben setzen wir auf die Produktion von synthetischen Kraftstoffen. Diesel ohne Erdöl ist das Ziel, und daran arbeiten wir.
Strom, Wasserstoff und E-Fuels sind die Kraftstoffe der Zukunft. Wir wollen technologieoffen agieren, aber nicht beliebig. Und ja, wir können selbstbewusst, mutig und zielorientiert sein. Das Ende des fossilen Verbrenners muss bis 2035 gelingen. In 15 Jahren schaffen wir es aber auch, einen Verbrenner zu entwickeln, der mit neuen synthetischen Kraftstoffen fährt. Damit hat der Verbrenner Zukunft – mit synthetischen Kraftstoffen.
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Wir müssen dafür sorgen, dass das durch die Coronakrise verloren gegangene Vertrauen in Bus und Bahn wieder zurückkehrt. Wir haben so viel Geld für den ÖPNV vor Ort bereitgestellt, für den Betrieb von Bus und Bahnen – Rekordinvestitionen! –, und auch für die Digitalisierung.
Mein Haus ist auch Digitalisierungsministerium.
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Wir setzen nicht nur auf Konzepte von Homeoffice, sondern auch auf Homeschooling. Bundesfinanzminister Scholz hat heute vielen gedankt. Ich danke vor allem der Bundeskanzlerin und der SPD-Parteivorsitzenden, Frau Esken, dafür, dass wir das Konzept Homeschooling unterstützen, dass wir die schnellen Datenleitungen an die Schulen bringen und dass das schnelle Internet flächendeckend ausgerollt wird.
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Genauso geht es uns um flächendeckenden Mobilfunk. Das Ergebnis der letzten Mobilfunkgipfel zeigt: Durch die Entscheidungen der letzten zwei Jahre gibt es einen richtigen Schub für die Flächenabdeckung beim Mobilfunk; das bestätigen alle Experten. Aber wir müssen auch bei den Genehmigungen an dieser Stelle viel schneller werden.
Wir wollen was bewegen: Deutschland mobil und digital. Das Investitionsgeschehen macht ja nicht irgendwo halt, sondern wir sind flächendeckend unterwegs, auch mit dem Ziel der Koalition, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land herzustellen.
Das Verkehrsministerium ist auch ein Wiedervereinigungsministerium.
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Da wir in diesen Tagen 30 Jahre Wiedervereinigung feiern, nenne ich als Beispiele nur die 17 Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“. Damit ist unser Land zusammengewachsen. Die Infrastruktur ist der Garant fürs Zusammenwachsen, und diese Investitionen sind einzigartig.
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Wir werden diese Projekte auch dokumentieren. Wir haben über 100 Personen in ein Projekt gebracht, in dem sie erzählen, wo sie in den Tagen der Wiedervereinigung unterwegs waren, wie sie Straßen, Schienenwege, Tunnel, Brücken gebaut haben: der Baggerfahrer, der Polier, der Umweltbeauftragte, die Planerin, der Bauleiter. Dank an die Helden der Mobilität und Logistik, die jeden Tag auf den Baustellen Deutschlands und überall in den Planungsbüros dafür sorgen, dass die jetzige und zukünftige Infrastruktur in Deutschland exzellent ist und bleibt!
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Wir haben mit der Fotodokumentation das Ziel, zu beweisen, dass wir viele große Projekte auf den Weg bringen können. Und diese Anpackmentalität wünsche ich mir: Stemmen statt hemmen! Deswegen freue ich mich auf die Beratungen in der Haushaltsdebatte.
Ich bedanke mich schon im Vorfeld bei den Verkehrspolitikern und den Haushaltspolitikern, ebenso bei den Berichterstattern. Ich habe einen Wunsch: Machen Sie den Haushalt, der ohnehin schon exzellent ist, noch ein Stück besser!
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Dr. Dirk Spaniel.
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Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Für eine moderne Industrienation ist eine leistungsfähige Infrastruktur lebensnotwendig. Insofern ist der investive Teil der Ausgaben in diesem Haushalt des Bundesministeriums grundsätzlich eine sinnvolle Geldanlage.
Aber kommen wir erst mal zum Trümmerfeld des digitalen Breitbandausbaus. Es ist begrüßenswert, dass mittlerweile nur noch der Ausbau mit Glasfaser gefördert wird. Es ist aber bedauerlich, dass immer noch über 400 Millionen Euro in die Förderung laufender Projekte mit der nicht zukunftsfähigen Vectoring-Technologie fließen und dass dort kurzfristig eine Modernisierung der heute noch gar nicht vorhandenen digitalen Infrastruktur notwendig wird. Das ist offensichtlicher Unsinn, und das wird von uns natürlich abgelehnt.
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Nun zur Verkehrsinfrastruktur. Wir sind der Auffassung, dass es die Aufgabe der Regierung ist, Verkehrsinfrastruktur strikt nach Bedarf und nicht nach Ideologie zu planen. Deutschland hat nun mal eine Verteilung der Verkehrsleistung im Personenverkehr von etwa 89 Prozent auf der Straße und 10 Prozent auf der Schiene. Im Güterverkehr sind es etwa 71 Prozent Transportleistung auf der Straße, 19 Prozent auf der Schiene und 7 Prozent auf den Wasserwegen.
Die so oft propagierte Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene bedeutet für die Schiene gigantische Ausbauziele. Im Personenverkehr würde die von Ihnen angestrebte Verdoppelung der Passagierzahlen gerade einmal eine Reduktion von 10 Prozent im Straßenverkehr bedeuten. In Summe bleibt die Straße – das können Sie drehen, wie Sie wollen – der mit Abstand wichtigste Verkehrsträger.
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In einem vernunftorientierten Staat würde sich genau das auch im Budget für die Erhaltung und den Ausbau der Straßen widerspiegeln. Genau diese vernunftgesteuerte Priorisierung können wir aber in Ihrem Entwurf hier nicht erkennen. Entgegen allen Beteuerungen kürzen Sie die Mittel für den Straßenausbau der Bundesautobahnen um 25 Prozent. Die ausgewiesene Erhöhung der Erhaltungsaufwendungen entspricht der jährlichen Preissteigerung und ist damit keine Nettoinvestition.
Die Einnahmen, die Sie aus dem Straßenverkehr generieren, wie Kfz-Steuer, Energiesteuer, Maut usw., summieren sich auf eine Größenordnung von 60 Milliarden Euro pro Jahr. Demgegenüber stehen im Etat des Verkehrsministeriums Ausgaben in der Größenordnung von 11 Milliarden Euro für die Straße. In Summe verdient dieser Staat am Autofahrer und am Straßenverkehr einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag.
Ganz anders ist die Situation beim Verkehrsträger Schiene. Die Bahn kostet uns inklusive Regionalisierungsmittel circa 21 Milliarden Euro jährlich. Und nein: Ein Großteil dieses Geldes für die Bahn sind Betriebskostenzuschüsse und keine Investitionen. Pünktlichkeit, Sauberkeit und Zuverlässigkeit sind weit von den Standards Schweizer oder ostasiatischer Bahnbetreiber entfernt. Wenn uns also die heutige Bahn über 20 Milliarden Euro kostet, was kostet uns dann eigentlich erst eine ausgebaute, pünktliche und saubere Bahn?
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Die Bahn darf nicht ein steuerfinanziertes Eins-zu-eins-Modellbahnprojekt für Politiker werden.
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Wir sind für rationale Priorisierung beim Infrastrukturausbau. Projekte, die sich volkswirtschaftlich rechnen, werden priorisiert. Den Rest – sofern er keine strategische Bedeutung hat – sollten wir in diesem Land lassen.
Wir sind für den bevorzugten Straßenausbau, weil er schlicht die vernünftigste Lösung zur Bewältigung der Verkehrsleistung in diesem Land ist. Wir erwarten, dass diese Vernunfthaltung im Umgang mit Steuergeldern – es ist ja nicht Ihr Privatvermögen – auch in den Köpfen der Regierung endlich ankommt.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Arno Klare.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist ein guter Haushalt; erste Bemerkung. Zweite Bemerkung: Dies ist ein innovativer Haushalt. Und drittens – ganz wichtig; das hat der Minister aber auch gerade gesagt –: Dieser Haushalt wird in dem Durchgang, den wir heute beginnen, verbessert werden. – Das ist immer so.
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Ich möchte am Anfang, weil ich ja in meiner letzten Rede von kleinen Rädchen gesprochen habe, die man betrachten muss, auf ein Kapitel im Einzelplan 12 hinweisen, das nie so im Rampenlicht steht: Kapitel 1205. Da sind lächerliche 354 Millionen Euro eingestellt, aber zum Beispiel auch ein Programm, das jetzt schon seit Jahren das Navigationssystem Galileo fördert und weiter fördert.
Warum erwähne ich das? Wenn wir einen modernen vernetzten Verkehr der Zukunft organisieren wollen, dann geht das nur mit einem solchen System. Anders als das NAVSTAR-System der Vereinigten Staaten – NAVSTAR kennen wir als GPS – ist es eben zivil und nicht militärisch, und es ist wesentlich genauer: auf 20 Zentimeter genau. Das ist sehr wichtig.
Einen Titel, der auch in Kapitel 1205 zu finden ist, müssen wir noch mal verbessern – da werden wir das aufgreifen, was der Minister vorgeschlagen hat –, da müssen wir nacharbeiten, nämlich die Unterstützung kleinerer Flughäfen.
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Da steht im Moment null. Wir haben im letzten Haushalt dafür 50 Millionen Euro für 2021 veranschlagt; die möchte ich da wieder sehen.
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Den Blick muss man natürlich, wenn man Verkehr bewerten will, noch mal ein bisschen weiten. Es steht ganz viel auch im Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“, was den Verkehr angeht. Da steht zum Beispiel die Erhöhung der Mittel von Modellprojekten zur Stärkung des ÖPNV von 25 Millionen auf 49 Millionen Euro; Maßnahmen zur Weiterentwicklung der E-Mobilität 2019: 234 Millionen Euro, jetzt 630 Millionen Euro. Und – jetzt kommt wirklich ein Wumms –: Für die Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie stehen da 1,7 Milliarden Euro.
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1,7 Milliarden Euro! In den Verpflichtungsermächtigungen stehen noch mal 4,47 Milliarden Euro. Insgesamt 6,17 Milliarden Euro: für den Verkehr, die Mobilität der Zukunft enorm wichtig.
Auch bei dem Titel, der direkt danach folgt, nämlich 100 Millionen Euro PtL für die Luftfahrt, steht jetzt eine Verpflichtungsermächtigung bis 2036; das summiert sich auf insgesamt 1,54 Milliarden Euro. Auch das ist ein ganz wichtiger Schritt. Denn wer eine Kerosinquote bei Flugzeugen will, der muss in diesem Punkt die Technologie hochfahren und die industrielle Verfügbarkeit sicherstellen; denn sonst wäre das eine Sonderbelastung, die die deutsche Luftverkehrswirtschaft nicht tragen kann.
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Herr Klare, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kraft von der AfD?
Nein. – Insgesamt, wenn man den Energie- und Klimafonds betrachtet, betragen die Ausgaben für Verkehr in diesem Sektor 5,5 Milliarden Euro. Das waren im vorigen Jahr nur 1,85 Milliarden Euro. Im Jahre 2022 wird der Verkehrssektor sogar mehr Geld haben als der Gebäudesektor.
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Unser Ziel ist die klimaneutrale Mobilität; darauf hat der Minister gerade richtigerweise hingewiesen. Auf dieses Ziel müssen wir uns konzentrieren. Die Mittel, die bereitgestellt werden, dienen genau diesem Ziel.
Wir haben – ich habe das schon erwähnt – einen guten Haushalt, einen innovativen Haushalt. Aber ich betone auch, dass im Jahre 2021 – schon jetzt startend – die Umsetzung beginnen muss. Die 1,7 Milliarden Euro für die Wasserstoffstrategie und insbesondere die 100 Millionen Euro, die für PtL eingestellt sind, müssen umgesetzt werden. Das muss jetzt ein wenig schneller gehen als bisher.
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– Wenn ich „ein wenig schneller“ sage, dann meine ich, dass es schneller gehen muss.
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Ich glaube, darin sind wir in diesem Hause einer Meinung.
Die letzte Bemerkung ist eine persönliche Bemerkung. Ich weiß, dass unser Kollege Stephan Kühn von den Grünen uns verlassen wird, weil er einen tollen neuen Job hat. Ich hoffe, dass du da Vernünftiges für unsere Sache machst. Ich erwähne das deshalb in meiner Rede, weil ich nicht weiß, ob ich ihn noch mal sehe: Du warst immer ein wirklich kompetenter und auf gleicher Augenhöhe diskursiv arbeitender Kollege. Ein hohes Lob von mir!
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In der letzten Diskussion, die wir gemeinsam geführt haben, ging es um Green Logistik. Kannst du dich noch daran erinnern? Das war irgendwo ganz im Süden von Berlin. Es war eine spannende Diskussion und schön, mit dir dort auf dem Podium zu sitzen. Ich hoffe, dass du nun eine tolle Zeit in Dresden hast.
Danke.
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Vielen Dank. – Ich gestatte dem Kollegen Kraft die Möglichkeit einer Kurzintervention.
Vielen Dank. Wir wollen es auch kurz halten. – Herr Klare, Sie haben den zivilen Charakter des Galileo-Projekts gelobt und die militärische Nutzung von GPS verurteilt. Warum ist es dann eigentlich so, dass seit circa 20 Jahren die Europäer erlauben – ich glaube, es war sogar eine rot-grün geführte Bundesregierung, die dem damals zugestimmt hat –, dass die Amerikaner das Galileo-System abschalten oder dessen Qualität verschlechtern dürfen? Warum ist das den Amerikanern erlaubt worden, wenn Sie hier diese Unterscheidung fordern?
Es ist nicht erlaubt. Das, was Sie erzählen, stimmt nicht; das verwundert mich jetzt nicht. Es ist jedenfalls nicht erlaubt. Passiert ist in der Tat, dass die Daten ungenauer wurden, wenn die Amerikaner es wollten, und zwar bei GPS. Das hat schon einmal dazu geführt, dass KEP-Dienste erhebliche Probleme hatten, Pakete zuzustellen. Die Amerikaner hatten nicht mehr so genaue Daten geliefert. Das ist im ersten Golfkrieg passiert; daran kann ich mich gut erinnern. Wahrscheinlich sind Sie zu jung, um sich daran zu erinnern. Ich bin ja schon ein bisschen älter.
Das, was Sie behaupten, wird also nicht passieren. Dieses Faktum gibt es nicht. Ich weiß nicht, wovon Sie hier sprechen. Das System, das wir aufbauen, ist das modernste der Welt und das einzige zivile auf dem ganzen Globus. Darauf sollten wir eigentlich stolz sein.
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Vielen Dank. – Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat für die FDP der Kollege Christoph Meyer.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was haben wir in den letzten drei Jahren erlebt? Einen Minister, der Projekte nicht fertig bekommt, immer zu viel Geld ausgibt, mit seinem zentralen Prestigeobjekt, der Pkw-Maut, ein Debakel erlebt hat und immer – auch in dieser Rede, Herr Scheuer, heute wieder – von der Zukunft schwelgt. Die Umsetzung hinkt dann leider – das haben wir eben auch von einem Vorredner gehört – immer ein bisschen hinterher.
Sie haben Ihren Etat unter die Überschrift „Zuversicht“ gestellt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit Zuversicht bei Ihnen noch weiterkommt. Am Schreibtisch des Ministers sitzt das Generalversagen, und ich glaube, das weiß auch jeder hier im Haus, wenn man sich die Bilanz der letzten Jahre anguckt.
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Als Haushälter reiben wir uns ja schon öfter die Augen. Doch was Sie in den letzten Jahren mit Blick auf den Etat des BMVI abgeliefert haben, ist schon speziell. Ich sagte es schon: die gescheiterte Pkw-Maut, anhaltender Milliardeninvestitionsstau, langsamer Breitbandausbau, das Versagen als Gesellschafter beim Berlin-Brandenburg Flughafen, bei der Deutschen Bahn und – so eine Art Evergreen – die konstante Kritik des Bundesrechnungshofs an Ihrem Etat, immer Rekordzahlen, was die Kritik angeht, immer Kritik, aber von Ihnen keine Handlungen, die diese Kritik sinnvoll und durchgreifend abstellen. Das ist so viel Minus, dass die fünf Minuten, die ich habe, hier an der Stelle nicht reichen. Sie versagen schon im Kleinen. Der Berliner Flughafen ist hochverschuldet, schlittert vermutlich in die Insolvenz. Sie glauben immer noch an Bilanzmärchen und Mondplanung. Sie winken einfach immer mehr Geld durch. Wann wollen Sie sich ehrlich machen, Herr Scheuer?
Und wenn wir aufs Große gucken: Am Minuskonzept der Deutschen Bahn ändert sich nichts, obwohl das Staatsunternehmen mittlerweile über 30 Milliarden Euro Schulden wieder angehäuft hat, über 6 Milliarden Euro Eigenkapitalspritze. Der Eigenbeitrag der Deutschen Bahn, der versprochen wurde, ist noch nicht mal in Umrissen klar. Warum haben Sie bei den Beraterverträgen der Deutschen Bahn nicht weiter aufgeklärt? Und so lässt sich die Liste munter fortführen. Breitbandausbau? Sie wollen schnelles Internet, und blinden Aktionismus liefern Sie, Herr Scheuer.
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In der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses haben Sie uns berichtet, dass Sie eine neue Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft haben gründen lassen. Dabei haben wir schon drei Einrichtungen, die sich mit Netzabdeckung befassen. Das wirklich Ärgerliche ist, dass private Investoren, private Betreiber vor der Tür stehen. So was ist keine solide Politik. Das ist eine Bankrotterklärung an die Wirtschaftlichkeit von politischem Handeln, was Sie machen.
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Da Sie sich für die Investitionsquote loben, die Sie in Zukunft verbessern wollen: Gucken wir uns die letzten Jahre an! Sie haben einen Milliardeninvestitionsstau zu verantworten, und das Konjunkturpaket bei den Coronahilfen ist nur ein Deckmantel, um dieses Investitionsversagen der Bundesregierung aus den letzten Jahren zu verschleiern. Beispiel Gigabitausbau: Ende 2019 wurden von rund 1,5 Milliarden Euro Fördermitteln gerade mal 107 000 Euro ausgezahlt: 0,007 Prozent. Da ist sogar Frau Karliczek schneller als Sie, Herr Minister.
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Das ist kein Investitionsstau, das ist eine Vollsperrung. Ich glaube, man muss immer wieder verdeutlichen, dass Sie als Minister dafür Verantwortung tragen. Sie tragen zwar Verantwortung dafür, dass wir hier einen zielgerichteten Mitteleinsatz nach dem tatsächlichen Bedarf sehen. Aber alles, was Sie anfassen, dauert nur länger, kostet mehr oder wird gar nicht abgerufen.
Zu Beginn der Legislaturperiode haben Sie sich ja mit Ihrem Neuigkeitenraum, dem Newsroom, geschmückt, der Ihre Erfolgsprojekte in die Welt hinaus berichten soll. Wenn man sich jetzt diesen Kanal anguckt, hat man das Gefühl, dass sogar dem Newsroom nichts mehr einfällt, wie man Ihre Bilanz verbessern kann. Ich glaube auch nicht, was die Vorredner formuliert haben, nämlich dass wir diesen Haushalt in den Haushaltsberatungen durchgehend deutlich besser machen können. Es bleibt eigentlich nur, dass Sie für Ihr Versagen geradestehen und die Konsequenzen ziehen, vielleicht schon vor der Schlusslesung, spätestens im nächsten Jahr. Machen Sie den Weg frei für einen Neuanfang im Verkehrsministerium!
Ich danke Ihnen.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Victor Perli.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute findet ein Warnstreik der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes statt, weil die Arbeitgeber sich weigern, über einen bundesweiten Tarifvertrag zu verhandeln. Der ist aber nötig, damit die Arbeitsbedingungen besser werden, damit sich mehr Menschen für diese Berufe entscheiden. Es wird auch dringend mehr Personal gebraucht, damit wir mehr Busse und Bahnen in die Spur bringen. Deshalb rufen wir von hier den Streikenden zu: Ihr habt unsere Solidarität! Ihr seid unverzichtbar!
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Der vorliegende Haushaltsentwurf ist gemessen an dem, was viele Bürgerinnen und Bürger jetzt von der Politik erwarten, eine Vollkatastrophe. Auch kleine Lichtblicke können darüber nicht hinwegtäuschen. Geklotzt wird wieder vor allem bei neuen Autobahnen und bei den milliardenschweren Prestigeprojekten, die reihenweise in den Sand gesetzt werden. Das neueste Milliardengrab für die Steuerzahler sind die Autobahnprojekte A 3 und A 49. Innerhalb eines Jahres sind die kalkulierten Kosten um über 1 Milliarde Euro gestiegen, weil diese Regierung auf eine Teilprivatisierung setzt. Private Konzerne bauen und betreiben diese Autobahnabschnitte 30 Jahre lang. Der Staat zahlt dafür, allerdings viel mehr als bei einem Bau in Eigenregie. Das kritisiert auch der Bundesrechnungshof. Für uns Linke ist klar: Straßen sind keine Melkkühe für private Profite. Mit der Privatisierung muss endlich Schluss sein!
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Auch die Reform der Autobahnverwaltung läuft völlig aus dem Ruder. Eigentlich sollte bei der Autobahn GmbH schon am 1. Januar 2021 alles startklar sein. Aber der Zeitplan wurde gerissen, und die Kosten explodieren. Jetzt lesen wir in den Medien, dass überhöhte Gehälter gezahlt werden. Der Neujahrsempfang war so pompös, dass die Aufsichtsräte aus Sorge um ihren Ruf gar nicht erst hingegangen sind. Solche Zustände sind ein Führungsversagen des Ministers. Es stellt sich die Frage: Herr Scheuer, was machen Sie eigentlich beruflich?
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Die neuen Enthüllungen zum Pkw-Mautskandal legen nahe, dass der Minister hier im Haus die Unwahrheit gesagt hat. Es gab das Angebot der Betreiberfirmen, erst das Gerichtsurteil abzuwarten. Über eine halbe Milliarde Euro Schaden wäre erspart geblieben. Wann zieht die Kanzlerin, wann zieht CSU-Chef Söder endlich Konsequenzen?
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Es ist doch klar: Wer mit Steuergeld Roulette spielt, wer hier im Parlament die Unwahrheit sagt, der darf nicht Minister sein.
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Meine Damen und Herren, bei der Deutschen Bahn gibt es einen neuen Negativrekord. Die Aktiengesellschaft hat in den letzten 26 Jahren mehr Schulden angehäuft, als die alte Bundesbahn jemals hatte. Zudem wurde in derselben Zeit jeder fünfte Schienenkilometer stillgelegt und jeder siebte Bahnhof geschlossen.
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Aber für Stuttgart 21 ist Geld da. Der unterirdische Bahnhof soll inzwischen über 8 Milliarden Euro kosten. Das ist der teuerste Bahnhof aller Zeiten. Stoppen Sie endlich diese Geldverschwendung!
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Das zentrale Problem ist die falsche Bahnstrategie der Regierung. Das Modell einer auf Wettbewerb getrimmten Bahn war schon vor Corona gescheitert. Jetzt hat Deutschland einen weltweit agierenden Bahnkonzern, aber 123 mittelgroße Städte ohne Zugang zum Bahnnetz.
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Das gibt’s doch gar nicht.
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Das wäre bei unseren Nachbarn in der Schweiz undenkbar. Die Schweizer geben pro Kopf fünfmal so viel für die Bahn aus, aber eben für die Stärkung der Schiene und nicht für Milliardengräber. Wir brauchen jetzt eine Bahnreform für Land, Leute und Klima,
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das heißt eine starke öffentliche Bahn, die Menschen und Regionen verbindet, eine Bahn, die deutlich günstiger wird, die Güter von der Straße auf die Schiene bringt, damit weniger Lastwagen auf den Autobahnen sind. Eine gute Sache wäre doch auch, wenn der Bund die Kommunen unterstützen würde, die den Preis für den öffentlichen Nahverkehr senken wollen. Das wäre ein Konjunkturprogramm für soziale Gerechtigkeit und ein gutes Klima, und genau dafür steht Die Linke.
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Meine Damen und Herren, ich erwähnte eingangs den Arbeitskampf im öffentlichen Nahverkehr; er ist nicht der einzige. Die aktuelle Krise birgt eine Menge sozialen Sprengstoff. Wir erleben gerade, dass verschiedene Unternehmen – MAN, Conti, Bosch, Schaeffler – trotz großzügiger Staatshilfen die Coronakrise als Vorwand für Massenentlassungen und für eine Verlagerung der Produktion ins Ausland nutzen. Das ist nichts anderes als Tarif- und Standortflucht. Das darf nicht zugelassen werden.
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Wir fordern: Wer so was macht, muss die Staatshilfen zurückzahlen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter die Räder kommen.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Sven-Christian Kindler.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Scheuer, Sie haben am Anfang Ihrer Rede von der Zuversicht geredet, die Sie bei diesem Haushalt haben. Es ist ja der vierte Haushalt von Ihnen in dieser Legislaturperiode. Auch ich habe Zuversicht bei diesem Haushalt; denn es ist damit auch der insgesamt letzte Haushalt von Ihnen. Vielen Dank!
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Es ist auch Zeit, kurz Bilanz zu ziehen. Herr Minister, Sie haben in den letzten zweieinhalb Jahren für Milliarden Euro Autobahnen privatisiert. Sie haben die Bahnreform blockiert. Sie haben beim Mautdesaster das Vergaberecht gebrochen – das hat Ihnen der Rechnungshof sehr deutlich klargelegt –, und – Kollege Perli hat es gesagt – Sie haben den Deutschen Bundestag belogen. Sie haben die Reform der Straßenverkehrs-Ordnung gegen die Wand gefahren, Sie haben massiv für die Autoindustrie lobbyiert und den Klimaschutz blockiert. Man kann es so zusammenfassen: Sie haben alles – wirklich alles – getan, um die Verkehrswende und den Klimaschutz gegen die Wand zu fahren. Diesen Minister kann sich Deutschland in Zeiten der Klimakrise nicht mehr leisten.
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Wir haben am Wochenende ein großes Schauspiel beim CSU-Parteitag erlebt. Da hat Ihr Parteichef, Herr Söder, gesagt, er fordere das Aus für den fossilen Verbrennungsmotor bis 2035; das haben Sie heute widerwillig auch wiederholt. Nur hat derselbe Markus Söder 2007 dem „Spiegel“ schon mal ein Interview gegeben und dabei gesagt, man brauche „ein klares Ultimatum“ für den Verbrennungsmotor, das bringe den „notwendigen Innovationsdruck“. Er hat damals das Datum 2020 genannt; das ist das Jahr, in dem wir gerade leben. Es ist aber nichts passiert. Alles hat die CSU getan, alles haben die CSU-Verkehrsminister Herr Ramsauer und Herr Dobrindt, Sie und Herr Söder in Bayern getan, damit der Verbrennungsmotor weiter künstlich am Leben erhalten wird. Das nenne ich scheinheilig.
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Man kann nicht gleichzeitig Öko-PR machen und sich dann wie Herr Söder oder wie Sie für Prämien für Verbrennungsmotoren aussprechen. Das passt nicht zusammen. Wir brauchen jetzt einen deutlichen Wechsel in der Automobilindustrie, in der Verkehrspolitik. Man muss auf Elektromobilität und andere Antriebe setzen; das ist wichtig für den Klimaschutz. Da kann man nicht gleichzeitig für Prämien für Verbrennungsmotoren werben; da kann man nicht gleichzeitig gegen die Klimaziele der Europäischen Union schießen. Herr Scheuer, das passt nicht zusammen; das ist scheinheilig.
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Kollege Perli hat es gesagt: In diesem Haushalt gibt es auch wieder viele öffentlich-private Partnerschaften. Noch nie wurde so viel Geld für Privatisierungsprojekte bei Autobahnen ausgegeben wie in dem Haushalt 2021. In der Coronakrise haben Sie für den Ausbau der A 3 und der A 49 zwei große ÖPP-Verträge mit riesigen Kostensteigerungen – insgesamt 4,2 Milliarden Euro – abgeschlossen. Die Verträge dazu und die Wirtschaftlichkeitsberechnung dazu haben wir bis heute nicht. Ich habe unzählige Anfragen an Sie gestellt und viele Briefe geschrieben. Gleichzeitig haben Sie sich in dem Koalitionsvertrag verpflichtet, alle Verträge zu ÖPP-Projekten und die Wirtschaftlichkeitsberechnung dazu zu veröffentlichen – im Internet! Ich habe heute Morgen auf bmvi.de nachgeschaut: Da war nichts zur A 3, da war nichts zur A 49 zu sehen.
Ich kann Ihnen sagen: Die Wirtschaftlichkeitsberechnung, die Sie mir geschickt haben, war ein schlechter Scherz. Original alle Zahlen waren in diesem Dokument entfernt, original alle Zahlen waren geweißt. Ich frage mich schon, wie viel Zeit Ihre Beamtinnen und Beamten dafür verwendet haben. Ich frage mich auch: Wovor haben Sie eigentlich Angst? Wenn Sie davon überzeugt sind, dass das wirtschaftlicher ist, dann können Sie die Zahlen doch auch offenlegen. Dann können Sie auch zeigen, welche Zahlen in der Realität da sind. Aber ich glaube, Sie wissen genau: Ihre teuren Berater rechnen Ihnen die ÖPP-Projekte schön. Sie wissen, das sind hohe Renditen, hohe Beraterkosten, und deswegen wollen Sie sie nicht veröffentlichen. Das ist maximale Transparenz, wie wir sie bei Ihnen, Herr Scheuer, immer wieder erleben.
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Wir sehen auch, wenn wir uns den Haushalt und die Finanzmittel bei der Deutschen Bahn angucken, dass jetzt massiv gespart wird. Sie haben mir in einer Antwort auf eine Anfrage schwarz auf weiß bescheinigt, dass wir von 2021 bis 2040 beim Schienenausbau 74 Milliarden Euro für Investitionen brauchen. Das ist ohne den Deutschlandtakt, das ist ohne Digitalisierung und ohne den Abbau des Sanierungsstaus erforderlich. Wenn ich jetzt Ihren Haushalt angucke, dann gehe ich davon aus, dass diese Gelder auch eingestellt sind. Wir bräuchten jährlich 3,7 Milliarden Euro. Wenn ich den Haushalt schaue, was sehe ich? Da sind 1,5 Milliarden Euro vorgesehen. So wird das nichts mit der Verkehrswende, sage ich Ihnen. So wird das nichts mit den 2030-Zielen beim Personenverkehr, so wird das nichts beim Güterverkehr. So geht keine Verkehrswende, Herr Scheuer.
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Natürlich ist auch klar: Mehr Geld alleine wird es nicht richten. Aber wir können natürlich auch viel Geld im Haushalt einsparen und das Geld umschichten. Wir haben ganz viele überflüssige Straßenbauprojekte; ich habe die A 3 und die A 49 erwähnt. In Zeiten der Klimakrise brauchen wir keine neuen Straßenbauprojekte mehr. Was wir brauchen, ist ein Straßenbaumoratorium; damit können wir viel Geld einsparen. Das Geld können wir einsetzen für die Verkehrswende, für die Schiene.
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Ich will noch mal einen Satz zur Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft sagen; Kollege Meyer hat das schon angesprochen. Der Bundesrechnungshof hat Ihnen aufgeschrieben, dass Ihre Wirtschaftlichkeitsberechnung, die Sie für 100 000 Euro durchgeführt haben, Herr Scheuer, das Blatt Papier nicht wert ist, auf dem sie geschrieben ist. Er hat klar nachgewiesen, dass man eine Wirtschaftlichkeitsberechnung so nicht anstellen kann, weil die Wirtschaftlichkeit eben nicht bewiesen ist.
Sie haben die Behörde trotzdem bei Ihnen im Bereich von Toll Collect angesiedelt. Ich finde es schon krass, wenn Sie einfach eine Megabehörde schaffen, dafür mehrere Millionen Euro im Haushalt einstellen, neues Personal einstellen, obwohl wir nicht wissen, ob diese Behörde nachher wirklich gut arbeiten kann. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Bundeshaushaltsordnung, sage ich Ihnen.
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Was jetzt im Haushalt notwendig ist, ist eine klare Verkehrswende mit Schwerpunkt auf der Bahn, auf der Schiene, auf dem öffentlichen Nahverkehr und auf dem Radverkehr sowie ein klarer, konsequenter Abbau von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen im Verkehrssektor. Das ist jetzt notwendig im Haushalt. Dafür werden wir uns einsetzen.
Danke.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Reinhold Sendker.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Verkehrsaufkommen ist schon ein sehr zuverlässiges Barometer für die Wirtschaftskraft. Die Bilder aus den Frühjahrsmonaten mit den verwaisten Flughäfen, Autobahnen, den leeren Zügen, Straßenbahnen und Bussen haben uns das dramatisch vor Augen geführt. Deshalb war es sehr wichtig, dass die Bundesregierung nach Ausbruch der Coronapandemie besonnen und schnell gegengesteuert hat.
Da gilt mein und unser Dank der Bundeskanzlerin und der gesamten Bundesregierung für die schnellen und, ich sage, wirkungsvollen Hilfen in den letzten Monaten, meine Damen und Herren.
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Die zeitweise Aussetzung des Sonntagsfahrverbotes für Lkw war absolut richtig, genauso das historische Rettungsprogramm für Bahn und ÖPNV. Ich weise auf die Hilfen für die Bustouristik hin, die wohl auch weiterhin unsere Unterstützung benötigt.
Der zweite Nachtragshaushalt 2020 – auch das sei gesagt – hat im Übrigen enorm zur Stabilisierung im Verkehrsbereich beigetragen, unter anderem mit zusätzlichen Mitteln in Milliardenhöhe für die Digitalisierung und den Breitbandausbau sowie der Förderung von Mobilität und alternativer Antriebe zur weiteren Absenkung der Emissionen.
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Wir werden jetzt Rekordinvestitionen in die Schiene tätigen, ohne den notwendigen Straßenneubau und ‑ausbau zu gefährden. Lieber Andi Scheuer, die Richtung stimmt. Wir als Unionsfraktion sind gerne dabei, diese Politik mit weiteren Vorschlägen zu unterstützen.
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Zu den Schieneninvestitionen äußerte sich Dirk Flege von der Allianz pro Schiene – ich zitiere ihn-: „Mit diesem Bundeshaushalt legt Deutschland bei den Schieneninvestitionen einen kraftvollen Sprung nach vorne hin.“ So ist es, und ein 10-Milliarden-Ansatz für die Schiene ist nicht mehr weit weg – so viel Geld, wenn ich mal daran erinnern darf, wie vor gut zehn Jahren noch für die gesamte Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stand. Die Investitionslinie steht nunmehr bei 18,5 Milliarden Euro. Das sind 1,4 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr.
Mehr noch: Der Blick in den Finanzplan zeigt Kontinuität mit vergleichbar hohen Ansätzen für die nächsten Jahre. Herr Meyer, das ist kein Generalversagen, ganz im Gegenteil. Das generiert enorm viel Gestaltungskraft für Straße, Schiene und Wasserwege in Deutschland. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest: Dieser Entwurf ist schon deshalb ein sehr guter Aufschlag für die Haushaltsdebatte in den nächsten Wochen.
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Im Blickpunkt der Schieneninvestitionen – die sind ja angesprochen worden – stehen die weitere Sanierung der Bahnhöfe und die Herstellung von Barrierefreiheit im Sinne von mehr Attraktivität und reibungslosem Zugang zu den Gleisen, der Investitionshochlauf bei der digitale Schiene mit mehr als einer Verdoppelung der Ansätze und der Zielsetzung hoher Verlässlich- und Pünktlichkeit und mehr Tempo bei der Verwirklichung des Deutschlandtaktes, was wir sehr begrüßen. Das alles sowie die weitere Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene stärken den Klimaschutz und schaffen bei den Menschen erheblich mehr Akzeptanz für die Bahnverkehre, und genau das wollen wir.
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Diejenigen, die hier noch immer – das haben wir eben wieder gehört – Kritik üben, sollten aufpassen, dass sie diesen Zug nicht verpassen; denn er hat gewaltig an Fahrt aufgenommen. Herr Minister, der Investitionsplan Schiene ist absolut zielführend und erhält deshalb von uns volle Unterstützung.
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Bei der Verlagerung deutlich ansteigender – auch das will ich sagen – Güterverkehre rücken immer mehr unsere Wasserwege ins Blickfeld. Allein die jährlich 20 000 geschleusten Schiffe auf dem Wesel-Datteln-Kanal entsprechen etwa 1,8 Millionen Lkw-Fahrten. Damit wir diese emissionssparenden Güterverkehre aufrechterhalten können, braucht es eine möglichst schnelle Sanierung unserer Schleusen.
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Planungsbeschleunigung ist dafür die beste Voraussetzung. Unsere Koalition hat deshalb schon in der letzten Haushaltsrunde mit weiteren, ich betone, 165 Stellen für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ein gutes Fundament geschaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden hier für die Reparatur und den Ausbau unserer Kanäle weiter entschlossen kämpfen. Genauso soll die Autobahn GmbH schneller planen und mit effizienteren Abläufen mehr Investitionen tätigen können.
So lautet mein Fazit: Dieser Haushaltsentwurf 2021 hat dank der Rekordinvestitionen eine Menge an Optionen und Zukunftsperspektiven wie kaum einer vor ihm. Ja, Herr Minister, es ist richtig: Da macht es richtig Freude, sich auf die nächsten Wochen Haushaltsdebatte einzustellen und einen ohnehin schon sehr guten Haushalt noch besser zu machen.
In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der AfD der Kollege Marcus Bühl.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer an den Bildschirmen! Wir beraten heute mit dem Haushaltsentwurf für den Bereich Verkehr und digitale Infrastruktur den größten Investitionshaushalt des Bundes. Hohe Ausgabenreste, Bauverzögerungen und Kostensteigerungen bei Projekten waren die deutlichen Kritikpunkte der vergangenen Jahre. Aber heute muss ich, Herr Minister Scheuer, noch einmal deutliche Worte zu Ihrer größten Baustelle finden: die Deutsche Bahn AG.
Im zweiten Nachtragshaushalt hat die Regierungskoalition eine Eigenkapitalerhöhung bei der Deutschen Bahn von 5 Milliarden Euro durchgedrückt. Für 2021 sollen noch einmal über 1 Milliarde Euro dazukommen. Der Bahnvorstand hat dem Parlament ein Szenario vorgelegt, das komplett auf Annahmen beruhte, und dem Steuerzahler die Rechnung präsentiert. Gleichzeitig werden mit der Eigenkapitalerhöhung auch die zahlreichen Auslandsunternehmen der Deutschen Bahn mit Steuergeld gerettet, was mit Bahnfahren in Deutschland so gar nichts zu tun hat. Unternehmerische Verantwortung des Vorstands der Deutschen Bahn? Fehlanzeige! Politische Konsequenzen der Regierung? Ebenso Fehlanzeige!
Bereits im letzten Jahr, Herr Minister, hatten Sie angeregt, über Strukturreformen bei der Bahn nachzudenken. Geschehen ist dazu allerdings leider nichts.
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Lieber sprechen Sie über den Deutschlandtakt und darüber, mehr Verkehr auf die Schiene zu lenken. Dies bedarf jedoch transparenter Strukturen und eines klaren Sanierungskonzepts.
Die Bahnreform von 1994 ist in ihrer Umsetzung völlig gescheitert.
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Die Schulden sind astronomisch, und auch die Leistungsfähigkeit lässt viele Wünsche offen. Den Mitarbeitern wird ein Beitrag zur Überwindung der Coronakrise abverlangt, aber das Management vergibt millionenschwere Beraterverträge an ehemalige Politiker. Der Bundesrechnungshof sprach in seinem jüngsten Bericht richtigerweise von politischer Landschaftspflege.
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Manche Verträge wurden sogar am Aufsichtsrat vorbei geschlossen. Wir kritisieren den mangelnden Aufklärungswillen von Bahn und Bundesregierung in dieser Affäre.
Herr Minister Scheuer, Sie sind hier in der Verantwortung, lückenlos aufzuklären. Die Beraterverträge der Bahn mit ehemaligen Politikern müssen beendet werden. Der Vorstand der Bahn muss zur Verantwortung gezogen werden, auch mit personellen Konsequenzen. Das Missmanagement gilt es zu beenden. Das Auslandsgeschäft muss abgewickelt und mit einem Sanierungskonzept muss das Kerngeschäft Bahn neu aufgestellt werden. Sie, Herr Minister, sind aufgefordert, sich dem Thema persönlich zu widmen und die Krise der Bahn als Chance für neue Anfänge zu begreifen. Ein Weiter-so wird der Bahn noch mehr schaden und die Steuerzahler massiv belasten.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Nächster Redner für die Fraktion der SPD ist der Kollege Thomas Jurk.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die diesjährigen Haushaltsberatungen stehen ja ganz im Zeichen der Coronakrise und des damit verbundenen massiven Wirtschaftseinbruchs. Haushaltspolitisch haben wir deshalb zweifellos eine besonders herausfordernde Situation. Mit Blick auf 2021 geht es für mich daher nicht nur um Krisenbewältigung, sondern auch zugleich darum, klug in die Zukunft zu investieren. Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung bietet dafür mit Investitionsausgaben von insgesamt 55 Milliarden Euro eine gute Grundlage. Wir setzen die Investitionsoffensive des Bundes fort, stärken so die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und stützen auch die Konjunktur.
Der Etat des Bundesverkehrsministeriums ist bekanntlich der größte Investitionshaushalt des Bundes. Daher ist es kein Wunder, dass sich die Investitionsoffensive des Bundes auch hier niederschlägt. Zwar sinken die Ausgaben im Einzelplan 12 insgesamt gegenüber 2020, die Mittelansätze für die klassischen Verkehrsinvestitionen – ich denke an Straße, Schiene und Wasserstraße – steigen dagegen im kommenden Jahr um 1,4 Milliarden Euro auf rund 18,6 Milliarden Euro; das ist erneut Rekordniveau. Dies gilt im Übrigen auch für die Finanzplanung bis zum Jahr 2024, und das trotz coronabedingt stagnierender Mauteinnahmen.
Wir nehmen also Geld in die Hand für die Modernisierung der Schieneninfrastruktur; denn Investitionen in eine zeitgemäße Infrastruktur sind eine unverzichtbare Voraussetzung für ein modernes Land. So werden im Rahmen des Konjunktur- und Zukunftspaktes für die Digitalisierung des Schienenverkehrs im kommenden Jahr weitere sage und schreibe 400 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit soll die Umstellung von konventionellen auf digitale Stellwerke beschleunigt werden. Insgesamt stehen damit für die Digitalisierung im Finanzplanungszeitraum jetzt über 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist auch eine spürbare Verbesserung.
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Hinzu kommen zusätzliche 120 Millionen Euro für das Sofortprogramm zur Sanierung der Bahnhöfe. Damit soll das Erscheinungsbild vieler Bahnhöfe verbessert und zugleich ein Beitrag zur konjunkturellen Belebung geleistet werden. Wir nehmen Geld in die Hand, damit die Fahrgäste sich wohler fühlen und die Handwerker vor Ort mehr Aufträge haben.
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Wenn wir unsere Ziele für 2030 bei den Fahrgastzahlen erreichen wollen, dürfen wir natürlich nicht nur auf Digitalisierungseffekte und schöne Bahnhöfe setzen, sondern wir müssen die Kapazitäten der Schieneninfrastruktur weiter erhöhen. Deshalb ist es richtig, die Mittel für Investitionen in Bundesschienenwege im nächsten Jahr um über 60 Millionen Euro zu erhöhen und ab 2023 dann jährlich 2 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Ich kann nur dazu auffordern, die hierfür vorgesehenen Mittel auch tatsächlich zu nutzen, was ja in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen ist.
Auch für die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Klimapaket gibt es zusätzliche Mittel im Schienenbereich. So soll das Eigenkapital der DB AG bekanntermaßen um 1,125 Milliarden Euro jährlich erhöht werden. Außerdem sollen gegenüber der letzten Finanzplanung zusätzlich 40 Millionen Euro für die Reduzierung der Anlagenpreise im Schienengüterverkehr und 10 Millionen Euro für das Bundesprogramm „Zukunft Schienengüterverkehr“ eingesetzt werden. Zudem wachsen die Mittel für die Förderinitiative zur Elektrifizierung von Güterbahnstrecken um 15 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro auf. Und für die Umsetzung des Deutschlandtaktes sind im nächsten Jahr 11 Millionen Euro geplant.
Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass das Konjunktur- und Zukunftspaket nicht nur bei der Schiene wirkt. Wir nehmen auch Geld in die Hand für Investitionen in Bundeswasserstraßen und die Förderung der Schifffahrt; einige Vorredner haben bereits darauf hingewiesen. Bis 2024 sollen dafür aus dem Konjunktur- und Zukunftspaket 554 Millionen Euro allein im Einzelplan 12 ausgegeben werden.
Ab 1. Januar 2021 wird die Autobahn GmbH des Bundes die Planung, den Bau, die Erhaltung und den Betrieb unserer Autobahnen von den bisherigen Auftragsverwaltungen der Länder übernehmen. Nach dem Regierungsentwurf soll die Autobahn GmbH im nächsten Jahr knapp 5,5 Milliarden Euro investieren. Gleichzeitig wird bei den Verwaltungskosten der Autobahn GmbH mit dem Haushaltsplan 2021 erstmals Transparenz über die tatsächlichen Kosten hergestellt. Das betrifft unter anderem Personal-, Planungskosten, die Kosten der Immobilien und der notwendigen Konsolidierung der unterschiedlichen IT-Systeme der 16 Bundesländer. Diese Kosten waren bisher überwiegend in den Länderhaushalten versteckt. Daran wird auch deutlich, in welchem Umfang der Bund mit der Reform der Auftragsverwaltung die Länder finanziell entlastet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich an dieser Stelle bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Autobahn GmbH, die die größte Reform der deutschen Straßenbauverwaltung stemmen müssen, ganz herzlich für ihren Einsatz zu bedanken.
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Bekanntlich lagen zwischen dem Kabinettsbeschluss und dieser Debatte nur sechs Tage. Dies verdeutlicht, dass wir uns in einer außergewöhnlichen Zeit befinden, dass die anstehenden Haushaltsberatungen intensiv werden und dass wichtige Entscheidungen zu treffen sind. Ich bin überzeugt, dass die Regierungskoalition dabei erneut ihre Fähigkeit zum entschlossenen Handeln beweisen wird, ohne sich zuerst am Koalitionspartner abzuarbeiten.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Oliver Luksic.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Infrastruktur, der gesamte Mobilitätssektor, ist Voraussetzung für Wachstum, auch für Aufschwung; aber da hakt es an allen Ecken und Enden. Wir müssen feststellen, dass das Geld vom Ministerium nicht immer verplant und verbaut wird – es gibt immer mehr Haushaltsreste –, und die Investitionslinie ist um 3,3 Milliarden Euro nach unten korrigiert worden. Insofern müssen wir ebenfalls feststellen: Bei Minister Scheuer versickert das Geld, es fließt nicht ab, und bei der Maut wird es jetzt auch noch verschwendet.
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Die großen Investitionsprojekte wurden ja eben gelobt. Das entspricht aber leider nicht so ganz den Tatsachen. Schauen wir uns die großen Projekte an: Beim Bau von Zulaufstrecken zum Gotthardtunnel warten die Schweizer auf uns. Der Brenner-Nordzulauf soll erst 2040 fertig werden. Der Straßenbauetat für Sanierung wird gerade um 10 Prozent gekürzt. Also, da zu behaupten, dass es mit der Investitionslinie gut aussieht, ist doch sehr gewagt. Wir sind der festen Überzeugung: Wir müssen mehr investieren und nicht weniger.
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Bei der Autobahnreform – sie wurde eben angesprochen; es gibt jetzt schon den vierten Entwurf eines Planungsbeschleunigungsgesetzes – hakt es leider vorne und hinten: Auch da ist der Fortschritt eine Schnecke. Das konnten wir gerade im „Handelsblatt“ nachlesen. Das muss dringend im Parlament diskutiert werden. Es kann doch nicht sein, dass die Aufbaukosten explodieren auf 1,4 Milliarden Euro und dass ein externer Revisor kommen muss.
Herr Minister Scheuer, wir haben Fragen dazu gestellt. Wir wollen ja, dass diese Reform ein Erfolg wird. Wir haben ja gefragt: Was ist mit der DEGES? Was ist mit den Anteilen der Länder? Was ist mit der Mischverwaltung bei den Bundesstraßen? – Da wurde abgewiegelt, wurde gesagt, es sei kein Problem. Aber jetzt müssen wir hören und vernehmen, dass nicht nur die Kosten explodieren. Es gab sogar eine Rüge für die Führungskräfte, die sich auf der Reeperbahn getroffen haben. Also, auf der Reeperbahn nachts um halb eins, da wird in Ihrem Ministerium anscheinend die Verkehrspolitik gemacht.
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Zu Recht wurde die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft angesprochen; der Bundesrechnungshof übt massive Kritik. Leider müssen wir auch da feststellen: Hier entsteht eine unnötige Doppelbehörde, eine Megabehörde; wir haben schon eine Reihe anderer Behörden dieser Art. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung stimmt vorne und hinten nicht. Es kommt zu Geldverschwendung. – Leider müssen wir auch feststellen, dass bei der Bahn immer nur mehr Geld reingeschüttet wird, ohne die Strukturen zu ändern. Auch deswegen fand kürzlich eine Demo für privaten Wettbewerb statt, die wir unterstützen; denn es fehlt leider an Richtlinien für einen fairen Wettbewerb. Der Luftverkehrssektor ist in der Krise, ebenso der gesamte Logistiksektor, der Fahrzeugbau. Da braucht man jetzt Verlässlichkeit, Planungssicherheit.
Und was erleben wir? Im Hinblick auf den Gas-Lkw hat die EU-Kommission schon frühzeitig gesagt, dass es eine Ausnahme vom Erheben der Lkw-Maut nicht geben kann. Darüber wurde das Parlament nicht informiert. Jetzt merken wir: Die Spediteure, die Hersteller leiden am Schluss unter diesem Chaos. Die Branche braucht Verlässlichkeit; Verlässlichkeit gibt es bei diesem Minister aber nicht.
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Beim Untersuchungsausschuss „Maut“ muss man mittlerweile schon von „House of Maut“ reden. Was wir da jede Woche erfahren müssen! Letzte Woche waren Vertreter der Telekom da und haben auch noch mal klar dargestellt: Die ganze Maut war falsch konzipiert –
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völlig analog, nicht digital.
Es wurde die Frage gestellt, ob man die Lkw-Maut-Zahlstellen von Toll Collect mitbenutzen dürfe. Das wurde verneint. Dann hat man aber nachher erfahren, dass autoTicket das machen durfte – ganz klar vergaberechtswidrig, ein Bruch des Haushaltsrechtes. Und Herr Minister Scheuer kommt auf die Idee, sich in einem laufenden Verfahren am 3. Oktober 2018 mit Betreibern zu treffen – vergaberechtlich ein totales Unding. Wie kommen Sie überhaupt auf diese Idee? Das wird Ihnen jetzt am Donnerstag wirklich auf die Füße fallen.
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Sie haben hier im Deutschen Bundestag auf meine Frage, ob es ein Angebot der Betreiber gegeben habe, die Maut zu verschieben, fünf Minuten um den heißen Brei herumgeredet, und dann haben Sie gesagt, ein solches Angebot habe es nicht gegeben. Jetzt haben wir aber Protokolle der Vernehmungen mehrerer Zeugen, die das Gegenteil sagen. Deswegen ist für uns ganz klar: Wenn es offensichtlich ist, dass Sie hier die Unwahrheit gesagt, das deutsche Parlament und die deutsche Öffentlichkeit belogen haben, dann sind Sie im Amt nicht mehr zu halten, Herr Scheuer.
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Wir müssen feststellen, dass in Ihrem Ministerium das Geld versickert oder nicht abfließt. Bei der Maut wird es verschwendet. Wir müssen leider feststellen, dass „House of Maut“ nicht nur ein Krimi ist, für Sie ist es eher ein Horrorfilm, vor allem auch für den Steuerzahler. Und deswegen müssen Sie daraus endlich Konsequenzen ziehen.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Andreas Wagner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wer oft mit dem Zug unterwegs ist oder in einer ländlichen Region wohnt, kennt das: nervige Funklöcher und lahmes Internet. Da macht das Arbeiten und Lernen im Mobile Office beim besten Willen keinen Spaß. Hinzu kommen unzuverlässige und teure Bahnverbindungen sowie nicht barrierefreie Züge und Bahnhöfe, die nicht nur Menschen mit Mobilitätseinschränkung, sondern auch Eltern mit Kinderwagen oft vor Probleme stellen. Während man auf dem Land froh sein kann, wenn überhaupt ein Bus fährt, wird von der Bundesregierung geduldet, dass Mietwagenunternehmen wie Uber das Taxigewerbe in den Städten kaputtmachen und das Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs gefährden. Das kann es ja wohl nicht sein!
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Herr Bundesminister Scheuer, was den Ausbau der digitalen Infrastruktur und des öffentlichen Personennahverkehrs betrifft, insbesondere in den ländlichen Räumen, ist noch deutlich Luft nach oben. Die Linke wird daher in den Haushaltsberatungen darauf hinwirken, dass die Weichen richtig gestellt werden. Die Coronapandemie hat gezeigt: Wir brauchen eine deutlich besser ausgebaute digitale Infrastruktur, und wir brauchen eine Verkehrspolitik, die sich an den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen orientiert, den Klimaschutz in den Mittelpunkt stellt und nicht die Profitinteressen großer Konzerne!
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Allein im laufenden Jahr rechnet der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen mit pandemiebedingten Einnahmeausfällen von 5 bis 7 Milliarden Euro. Das ist eine enorme finanzielle Belastung sowohl für die Nahverkehrsbetriebe als auch für die Länder und Kommunen. Hinzu kommen zusätzliche Aufwendungen im Bereich des Infektions- und Arbeitsschutzes. Die Kommunen und Nahverkehrsbetriebe werden angesichts sinkender Steuereinnahmen und wegfallender Ticketeinnahmen nicht in der Lage sein, die Einnahmeausfälle ohne Unterstützung des Bundes zu kompensieren. Die im Rahmen des zweiten Konjunkturpaketes von der Bundesregierung einmalig bereitgestellten 2,5 Milliarden Euro halten wir für völlig unzureichend. Herr Bundesminister Scheuer, hier muss deutlich nachgebessert werden!
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Damit ist es allerdings nicht getan. Die Kommunen brauchen auch das nötige Geld, um dringend erforderliche Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchführen und das Angebot mit Bus und Bahn ausbauen zu können. Die Bundesregierung muss die Verkehrsbetriebe durch eine auskömmliche öffentliche Finanzierung in die Lage versetzen, mehr Personal einzustellen, um die Arbeitsbelastung der Beschäftigten zu senken und so die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Nur so wird es gelingen, das Personal zu halten und die für den Ausbau des Angebots dringend benötigten zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen.
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An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen und den Beschäftigten in den Verkehrsbetrieben danken, ohne die es ein Angebot mit Bus und Bahn nicht geben würde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche euch viel Kraft und Erfolg in der laufenden Tarifrunde! Solidarische Grüße an euch alle, die heute im Streik sind! Ihr habt mehr verdient als Klatschen und warme Worte!
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Und an Sie gerichtet, Herr Bundesminister: Wie wäre es statt eines Autogipfels mal mit einem ÖPNV-Gipfel? Ich finde, ein solcher Gipfel ist längst überfällig. Verkehrspolitik muss alle im Blick haben, auch diejenigen, die sich kein Auto leisten können oder aufgrund des Alters oder aus gesundheitlichen Gründen nicht fahren dürfen. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle mobil sind; denn Mobilität bedeutet auch, Freunde, Bekannte und die Familie besuchen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.
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Unser Ziel ist: ein unschlagbar günstiger, gut ausgebauter, sicherer und attraktiver ÖPNV – für alle, in der Stadt und auf dem Land. Und in den anstehenden Haushaltsberatungen werden wir uns dafür starkmachen.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Als Nächster erhält das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Stephan Kühn,
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dem ich ganz herzlich gratulieren möchte zu seiner Wahl als Baubürgermeister der sächsischen Landeshauptstadt Dresden,
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weshalb er hier heute vermutlich seine letzte Rede im Bundestag halten wird.
Herr Kühn, Sie haben das Wort.
Ja, Herr Präsident, so ist es. Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verkehrsminister hat recht, wenn er sagt: Es mangelt nicht am Geld, aber es mangelt an klaren und vor allen Dingen mutigen Entscheidungen für den Klimaschutz in diesem Haushalt.
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Als ob es keine Klimakrise gäbe, wächst der Straßenbauetat weiter. Trotz Digitalisierung und Automatisierung in der Mobilität wird weiter Landschaft zubetoniert und werden Wälder abgeholzt. Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Überprüfung der Straßenbauprojekte. Diese müssen endlich auf den Prüfstand.
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Corona hat gezeigt: Die Schiene ist das Rückgrat für eine krisenfeste Verkehrsinfrastruktur, gerade im Güterverkehr.
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Aber die Infrastruktur ist ausgelastet und überlastet. Wir brauchen mehr Aus- und Neubau für die Schiene im Netz. Das Bundesverkehrsministerium hat dafür jährlich 3,7 Milliarden Euro als Bedarf bemessen. Wieder gibt es keinen Mittelaufwuchs dafür im Haushalt. Wieder stehen nur 1,5 Milliarden Euro im Etat drin. Die Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030, die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene oder die Umsetzung des Deutschlandtakts, meine Damen und Herren, das alles bleibt nur Ankündigung.
Der Minister hat jetzt ein europaweit schnelles Fernverkehrsangebot auf der Schiene voranbringen wollen. Dabei ist er selber der größte Bremsklotz, weil der Ausbau der Infrastruktur gerade in Deutschland nicht vorankommt, sei es der Brenner-Nordzulauf, sei es das Oberrheintal. Meine Damen und Herren, mit diesem Verkehrsminister bleibt die Schiene leider unter ihren Möglichkeiten.
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Der Haushalt ist, wenn man so will, ein einziger Gemischtwarenladen. Es ist für jeden etwas dabei: von allem etwas, aber keine klare Prioritätensetzung.
Für den Energie- und Klimafonds gibt es einen erfreulichen Mittelaufwuchs bei der Tank- und Ladeinfrastruktur für alternative Kraftstoffe und Elektromobilität sowie für die Förderung von Bussen und Nutzfahrzeugen. Gleichzeitig bleibt aber der Steuerrabatt für Diesel weiter über der Förderung von klimafreundlichen Alternativen. Alte Technologien zu subventionieren, gleichzeitig neue zu fördern, das funktioniert nicht. Das muss ein Ende haben.
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Wenn Sie jetzt drei Jahre fossile Gas-Lkws mautfrei stellen wollen, dann unterstützt das einerseits nicht die CO2-basierte Maut, es führt andererseits auch zu einer Rückverlagerung von Verkehren von der Schiene auf die Straße und hilft uns beim Klimaschutz überhaupt nicht weiter.
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Es ist schon gesagt worden: Corona hat die Mobilität verändert. Immer mehr Menschen fahren Fahrrad. Das werden sie aber nur auf Dauer tun, wenn die Verkehrsinfrastruktur für den Radverkehr weiter wächst und vor allen Dingen sicher ist. Aber im Verkehrsetat macht die Radmobilität weiterhin nur 1 Prozent aus. Es gibt jetzt mehr Geld im Etat – das sehen wir wohl –, beispielsweise für das Sonderprogramm „Stadt und Land“. Aber das Geld kommt bei den Kommunen nicht an, weil die notwendige Verwaltungsvereinbarung fehlt.
Wir brauchen jetzt außerdem einen starken Impuls für den ÖPNV. Erfreulich ist, dass die GVFG-Bundesmittel für den Aus- und Neubau auf 1 Milliarde Euro steigen. Aber wo bleiben denn die Verbesserungen beim Planungs- und Genehmigungsprozess, Herr Minister? In dem von Ihnen angesprochenen Investitionsbeschleunigungsgesetz finde ich nichts zum Personenbeförderungsrecht. Genau hier wäre es aber notwendig, die Verfahren zu verkürzen, damit das Geld eben auch schneller abfließt, sonst kommt der ÖPNV nicht voran.
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Die Kommunen sind die Treiber für die Verkehrswende. Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, dann brauchen wir die Kommunen. Sie brauchen deutlich mehr Unterstützung durch den Bund. Das sage ich zugegebenermaßen mit einem gewissen Eigeninteresse. Der Präsident hat es gesagt: Ich wurde am letzten Donnerstag in der Landeshauptstadt Dresden zum Beigeordneten für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften gewählt. Das ist also deshalb heute voraussichtlich meine letzte Rede hier im Hohen Haus nach elf Jahren. Es war eine gute Zeit. Es hat mir Spaß gemacht. Ich möchte mich an der Stelle für die überwiegend sehr gute Zusammenarbeit mit Ihnen hier bedanken, insbesondere natürlich im Verkehrsausschuss, in den fraktionsübergreifenden Parlamentsgruppen, beispielsweise „Elektromobilität“ und „Kulturgut Alleen“, und natürlich in der fraktionsübergreifenden Fußballmannschaft FC Bundestag, die jetzt einen neuen Schatzmeister braucht.
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Ich war gerne Parlamentarier. Ich freue mich aber natürlich jetzt auch auf die neue Herausforderung. Lassen Sie uns in Kontakt bleiben.
Schönen Tag!
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Vielen Dank, Herr Kühn. Wir wünschen Ihnen für Ihre neue Aufgabe alles Gute und immer ein gutes Händchen.
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Jetzt machen wir weiter mit der Debatte. Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Ulrich Lange.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Verkehrshaushalt ist ein Investitionshaushalt und damit ein Konjunkturprogramm für sich. Das ist genau das, was unser Land jetzt braucht: Modernisierung von Straße, Schiene, Wasserstraße, Breitband, Mobilfunk und ganz, ganz viel Klimaschutz.
Lieber Kollege Kindler, wenn Ihnen dann nicht mehr als „scheinheilig“ einfällt und dieses Wort als Hauptvokabel Ihre Rede prägt, dann haben Sie eigentlich nicht viel zu kritisieren und inhaltlich nichts mehr auszusetzen.
({0})
Zum Kollegen Luksic. Wir sehen uns ja am Donnerstag länger im Untersuchungsausschuss, sehr lang.
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Es wird mir eine Freude sein. Ich hoffe, Sie sind besser vorbereitet als beim letzten Mal, als Sie nur aus dem „Handelsblatt“ zitiert haben. Wer keine andere Quelle als das „Handelsblatt“ hat, der ist nämlich schon ziemlich arm dran.
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Denn oberflächlicher kann man nicht informiert sein, als wenn man nur das „Handelsblatt“ liest.
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Lieber Kollege Luksic und liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, ich warne Sie vor Hybris am Donnerstag. Ihr Kronzeuge gibt ein Protokoll ab, datiert auf den 19. September 2020. Das ist doch eine ganz spannende Frage, die wir da am Donnerstag diskutieren können, und dann schauen wir mal, wer zum Schluss lacht.
({4})
Jetzt zum Verkehrshaushalt. Die Schiene stärken wir durch Eigenkapitalerhöhung, durch attraktive Bahnhöfe, durch Modernisierung von Signaltechnik, durch Elektrifizierung und neue Stellwerke, durch Reparaturen an den Bahnhöfen. 120 Millionen Euro extra für kleine Bahnhöfe, für kleinere Maßnahmen, digitale Stellwerke, 125 Millionen Euro extra für Mobilfunkempfang, Senkung der Trassenpreise. Klimafreundlicher geht es nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen!
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Und dann geben wir noch zusätzliche Mittel für die Regionalisierung, für den Schienenpersonennahverkehr: im ÖPNV-Paket 2,5 Milliarden Euro. Wer dann sagt, man würde den öffentlichen Verkehr nicht stärken, der kann Haushalte nicht lesen. Das ist auch ein Teil der Wahrheit.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Straßenbau werden wir auch weiter brauchen: Sanierung der Straßen, Sanierung der Brücken.
({7})
Denn eines ist doch klar: Der Rückhalt und das Rückgrat der Wirtschaft, und zwar in ganz Deutschland und besonders im ländlichen Raum, war doch in der Coronakrise der Lkw. Erinnern wir uns hier in Berlin doch mal bitte an die Autobahn Richtung Polen. Wer war denn der Rückhalt, der uns versorgt hat? Wer?
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– Ja, aber es führt kein Weg daran vorbei: Die Menschen brauchen Lebensmittel und – ich will nicht nur daran erinnern – Toilettenpapier. Aber genau das ist mit dem Lkw transportiert worden, und genau das haben wir sichergestellt.
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Und genau deshalb, um die Autobahnen zu sanieren, zu erhalten und auszubauen, haben wir die Autobahngesellschaft gegründet. Diese Autobahngesellschaft wird allen Unkenrufen zum Trotz funktionieren. Anders als in der Presse zu lesen war, ist da keine Reißleine gezogen worden. Das ist doch einfach Unfug! Die Autobahngesellschaft startet, lieber Kollege Jurk, zum 1. Januar 2021, so wie wir das beschlossen haben.
({10})
Der Transformationsprozess ist eine Herausforderung. Das Fernstraßen-Bundesamt in Leipzig wird aufgebaut, auch mit diesem Haushalt. Wir sind da also auf dem richtigen Weg.
Lassen Sie mich noch einen Satz zum Luftverkehr sagen. Über den redet interessanterweise kaum mehr jemand.
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– Kaum mehr. – Aber auch der Luftverkehr ist wichtig für uns. Der Luftverkehr ist wesentlich für Deutschland. Deswegen war die Hilfe für die Lufthansa richtig. Ich möchte aber jetzt Richtung Lufthansa ganz bewusst den Zeigefinger heben: Wenn wir unterstützen, erwarten wir Kundenorientierung bei dem, was die Lufthansa derzeit an Hausaufgaben zu erledigen hat.
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Auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein wichtiger Hinweis dieser Debatte.
Wir werden in den nächsten Wochen im Rahmen der TKG-Novelle natürlich auch über Breitband sprechen müssen, wir werden über Mobilfunk reden müssen. Wichtig ist, dass unser Minister in Brüssel durchgehalten hat,
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dass die alte deutsche Kupfergesellschaft weiß, dass der Kupferdraht nicht die Zukunft ist, sondern Glasfaser und dass wir Gigabit in ganz Deutschland wollen.
Wir haben viele wichtige Themen auf den Weg gebracht. Wir arbeiten weiter erfolgreich, weil die Menschen das von uns erwarten.
Danke schön.
({14})
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Wiehle von der AfD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Der Lockdown hat die Schwächen der Infrastruktur in Deutschland schonungslos offengelegt und wird ihre Nutzung auch auf Dauer verändern.
Die digitale Infrastruktur ist in wichtigen Teilen unseres Landes mangelhaft.
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Viele andere Länder sind uns da weit voraus – beschämend weit. Wer von zu Hause arbeiten will, merkt das, wenn zum Beispiel eine Videokonferenz mit Arbeitskollegen nicht funktioniert. Schülerinnen und Schüler merken es, wenn sie am Onlineunterricht nicht teilnehmen können. Wo es weit und breit keine Glasfaserleitung gibt, könnte der Mobilfunk helfen. Könnte! Funklöcher sind aber gerade auf dem Land allgegenwärtig. Alles spricht dafür, dass Büroarbeiten von zu Hause – auf neudeutsch: im Homeoffice – für sehr viele zur Dauerlösung werden. Auch deshalb, meine Damen und Herren, wird der Ausbau der digitalen Infrastruktur immer mehr zur Lebensfrage für unser Land. Die Anstrengungen dafür reichen bei Weitem nicht aus.
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Die staatliche MIG, die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft, gerät geradezu zur Lachnummer.
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Das Ziel, dass sie von den Haushaltsmitteln, die ihr zufließen, künftig einmal Mobilfunkmasten aufstellt, ist in weite Ferne gerückt. Vielmehr ist sie inzwischen ein Beobachtungsobjekt für den Bundesrechnungshof.
Der Bahnverkehr, vor allem der Personenverkehr, hat durch den Lockdown dramatische Einbrüche erlebt. Die Erholung verläuft langsam.
Die regelmäßigen ideologischen Abgesänge auf das Automobil, wie sie vor allem aus den Reihen der Grünen kommen, sind klar widerlegt. Gerade das Auto bietet vielen Bürgern auf ihren Fahrstrecken einen unübertroffenen Schutzraum.
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Busse und Bahnen haben Marktanteile verloren: durch die Coronaangst. Damit sich die Fahrgäste wohlfühlen, muss jetzt mehr für die Hygiene getan werden, zum Beispiel durch Luftfilterung mit verbesserten Klimaanlagen. Wir brauchen höhere Standards für Sauberkeit und Sicherheit.
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Das ist hundertmal wichtiger als die linke Strategie, Herr Kollege Perli, Fahrpreise mit Milliardenaufwand noch mehr zu subventionieren. Staatliche Fördermittel müssen deshalb verstärkt in bessere Qualität fließen.
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Leistungsfähige Bahnstrecken sind gerade da besonders wichtig, wo die Bahn große Verkehrsströme bündeln kann. Das ist volkswirtschaftlich und strategisch sinnvoll. Deutschland braucht mehr schnelle Bahnlinien zwischen den großen Städten. Mehr Transitgüterverkehr muss von den Autobahnen auf die Schiene geholt werden. Damit der Bahnverkehr von seinen Nachbarn akzeptiert wird, muss mehr Geld in den Lärmschutz fließen.
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Wir haben hier im Bundestag vor wenigen Wochen beschlossen, mehr für den Lärmschutz zu tun beim Aus- und Umbau der Bahnstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden. Das muss auch für andere große Vorhaben der Maßstab sein, zum Beispiel beim Zulauf des Brennerbasistunnels bei Rosenheim in Oberbayern. Auch das Mittelrheintal, zum Weltkulturerbe erklärt, braucht eine Perspektive, wie es vom Lärm der vielen Güterzüge entlastet werden kann.
Mit klaren Maßstäben kann der Ausbau der Bahn eine Erfolgsgeschichte sein. Wer die Bahn aber zum Spielball der Ideologie macht und ehrgeizige Planziele für Verkehrsmengen vorgibt, der wird Milliarden an Steuergeld verschwenden. Und das, meine Damen und Herren, macht die AfD nicht mit!
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Gero Storjohann.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die aktuelle Pandemie hat gezeigt: Die individuelle Mobilität kann sich sehr schnell verändern. Und der Radverkehr hat eine große Chance erfahren. Wir sehen, dass immer mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen, um ihre individuelle Mobilität zu erhalten, und sei es auch bei Streiks in Berlin.
Rad- und Fußverkehr sind deutliche Gewinner der Coronakrise. Ein Viertel der Menschen in Deutschland ist nach einer Befragung des Fahrrad-Monitors im Sommer 2020 mehr Rad gefahren als im Vorjahreszeitraum. 30 Prozent der Befragten haben angegeben, häufiger zu Fuß unterwegs gewesen zu sein. Auch das Auto wurde mehr genutzt. Einen Rückgang gab es nur beim ÖPNV. Auch die Fahrradbranche boomt trotz Lockdown. Mit einem Umsatzplus von über 9 Prozent im ersten Halbjahr 2020 zum Vorjahr legte sie deutlich zu – Tendenz steigend. Bereits 2019 konnte die Branche mit 4,2 Milliarden Euro Rekordumsätze einfahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beraten heute den Haushalt für das Jahr 2021. Der Verkehrshaushalt ist der drittgrößte Einzelhaushalt des Bundes, er ist der größte Investitionshaushalt. In der Vorankündigung, Herr Präsident, auf der Homepage des Deutschen Bundestages wird der Radverkehr mit keinem Wort erwähnt, obwohl wir alle wissen, dass er ein Schwerpunkt des Ministeriums und von Andi Scheuer ist. Und darauf möchte ich jetzt auch eingehen.
Für den Haushalt 2020 bis 2023 stehen insgesamt 900 Millionen Euro für den Radverkehr bereit. Und davon gewährt das BMVI über die Richtlinie zur Förderung innovativer Projekte zur Verbesserung des Radverkehrs in Deutschland im Zeitraum 2020 bis 2023 für investive Modellprojekte insgesamt 127 Millionen Euro. 34 Projekte mit Modellcharakter und einem Fördervolumen von 127 Millionen Euro wurden im Rahmen der Interessenbekundung bereits ausgewählt.
Mit dem Sonderprogramm „Stadt und Land“ werden investive Maßnahmen der Länder und Kommunen mit bis zu 657 Millionen Euro gefördert. Wir möchten das Sonderprogramm nutzen, um möglichst getrennten und sicheren Radverkehrsnetzen, modernen Abstellanlagen und Fahrradparkhäusern eine Chance zu geben.
Zur Unterstützung der Länder und Gemeinden bei Planung und Bau von Radschnellwegen stellt der Bund seit 2017 jeweils 25 Millionen Euro bereit. Und dies ist etwas Besonderes: Hier werden nämlich im Gegensatz zum Straßenbau auch Planungskosten finanziert. Es wurden bereits über 20 Förderanträge gestellt und insgesamt 280 Kilometer mit einem Volumen von 41,5 Millionen Euro bewilligt.
Das ist alles schön. Und der Minister hat jetzt über zehn Professuren auf den Weg gebracht, um letzten Endes auch Kompetenz in die Kommunen und Länderverwaltungen zu bringen, damit Radverkehr auch umgesetzt werden kann, wenn wir das Geld zur Verfügung stellen.
Meine Damen und Herren, wir haben aber auch ein Problem in der Abwicklung unserer Programme. Und deshalb müssen wir über Haushaltsrecht noch mit unseren Haushältern sprechen. Der Zeitraum bis 2023 ist viel zu kurz, um letzten Endes Projekte, die wichtig sind – auch für den Klimaschutz –, auf den Weg zu bringen. Zur Deckung des unabweisbaren Bedarfs der Förderung klimafreundlicher Mobilitätslösungen ist es zwingend erforderlich, die Mittel für den Radverkehr auch nach 2023 fortzuschreiben. Deshalb müssen die Haushaltsmittel inklusive Verpflichtungsermächtigungen insgesamt für mindestens fünf Jahre zur Verfügung stehen. In den Haushaltsverhandlungen muss also sichergestellt werden, dass die aktuell nicht benötigen Verpflichtungsermächtigungen der Anlaufjahre auf die späteren Haushaltsjahre ab 2024 verschoben werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion begrüßt, dass unser Minister Andi Scheuer engagiert den Radverkehr nach vorne gebracht hat.
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An der Beseitigung des haushaltsrechtlichen Wurzelwerks werden wir jetzt noch arbeiten müssen.
Danke schön.
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Vielen Dank, Herr Storjohann, für den Hinweis auf die Homepage des Deutschen Bundestages. Das ist sicher ein Thema von allgemeinem Interesse; denn vermutlich sind noch nie so viele Menschen Fahrrad gefahren wie in den letzten sechs Monaten.
Wir fahren fort in der Debatte. Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Gustav Herzog.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gab noch keinen Bundeshaushalt, in dem, verteilt auf die verschiedenen Ressorts, so viele Mittel für das Digitale bereitgestellt worden sind: für Forschung, für Infrastruktur, aber auch um die Transformation unserer Gesellschaft zu begleiten, um den Menschen zu helfen, die nicht auf der digitalen Sonnenseite sind, sondern eher Probleme damit haben, dass sich vielleicht am Arbeitsplatz ganz viel ändert. Olaf Scholz hat heute Morgen bei der Einbringung des Haushaltes sehr deutlich gesagt: Ziel dieses Haushaltes ist es auch, die Menschen in diesem Prozess nicht alleinzulassen.
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Ich möchte noch eine Vorbemerkung machen. Herr Kollege Wiehle, Ihre Partei hat ja Interesse daran, dass es dem Land schlecht geht, weil Sie hoffen, dass es Ihnen dann gut geht.
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Sie brauchen das nicht fortzusetzen, indem Sie das Land schlechtreden. Ja, wir haben Nachholbedarf bei der digitalen Infrastruktur. Aber mit Blick auf das, was sich in der Coronakrise abgespielt hat, gestatten Sie mir den Hinweis, dass die Netze stabil waren. Wir waren niemals, weder im Festnetz noch beim Mobilfunk, irgendwo an der Leistungsgrenze, sondern das, was vorhanden war, hat auch hervorragend funktioniert. Und wenn Schülerinnen und Schüler Probleme hatten, dann lag es eher an den fehlenden pädagogischen Konzepten als an den Bits und an den Bytes, die nicht durch die Leitung gegangen sind.
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Ich will etwas zum Festnetz, zum Mobilfunk und zu den Anwendungen sagen:
Zum Festnetz. Die Bagger rollen. Oder noch besser: Die Bagger baggern. In meinem Landkreis gibt es kaum noch eine Gemeinde, in der man jetzt nicht dabei ist, die Leerrohre für die Glasfaser zu verlegen. Der Mittelabfluss rollt. Ich bin dem Bundesminister dankbar, dass wir den Gordischen Knoten in Europa für die nächste Welle der Förderung durchschlagen haben und somit 2025 wirklich das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel erreichen, dass jeder Zugang zu einem schnellen Anschluss hat.
Aber, Herr Minister, das Scharnier dazu ist die Modernisierung im Rahmen des Telekommunikationsgesetzes. Vielleicht nehmen Sie mal den Herrn Seehofer und den Herrn Altmaier mit in eine Klausur und kommen da in die Puschen. Wir als Parlamentarier würden das Gesetz gerne beraten; das sage ich Ihnen.
Zum Mobilfunk. Es wird kräftig ausgebaut. Nahezu kein Tag vergeht, ohne dass in der Zeitung steht: Antennen wurden aufgerüstet. – Wir mussten da etwas schieben, weil es sich die Telekommunikationsunternehmen bei den Versorgungsauflagen wohl etwas zu leicht gemacht haben. Aber auch der eigenwirtschaftliche Ausbau rollt. Ich schaue in die Richtung der Grünen: 5 G ist natürlich auch deutlich klimafreundlicher als die Vorgängergenerationen im Mobilfunk. Da wollen wir hin.
Nicht nur an diesem Haushalt, sondern auch am Ordnungsrecht haben wir als Koalition gearbeitet. Ich will nur daran erinnern, dass wir das Bundesfernstraßengesetz so geändert haben, dass die Masten nun an den Straßen aufgestellt werden können und die Verkehrswege besser ausgeleuchtet werden. Ich bin meinem Kollegen Thomas Jurk insbesondere dafür dankbar, dass wir über 140 Millionen Euro zur Verfügung haben, um die Trennung von Zugfunk und LTE 900 hinzubekommen, sodass also auch die Versorgung entlang der Schiene deutlich besser wird.
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Der Innovationswettbewerb läuft. Die 5x5G-Strategie läuft. Ich will nur daran erinnern, dass in meiner Heimatstadt Kaiserslautern in den nächsten Tagen acht Campusnetze zugeschaltet werden. Alle sind mit vertrauenswürdiger Technik von europäischen Herstellern gebaut. Da kann man wirklich alles ausprobieren, was es nur gibt. Ich glaube, da sind wir gemeinsam auf einem richtigen Weg, und dieser Haushalt ist dazu eine gute Grundlage.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Eckhard Pols für die CDU/CSU-Fraktion.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja viel über Straße, Schiene und eben auch übers Fahrrad gehört, und es wird Zeit, dass wir mal aufs Wasser gehen. Ich möchte heute hier über die Binnenschifffahrt und die Wasserstraßen sprechen. An gleicher Stelle habe ich das schon 2018 getan. Heute, zwei Jahre später, kann ich sagen: Die Koalition hat die Binnenschifffahrt und die bundeseigenen Binnenwasserstraßen weiter gestärkt und auch entsprechende Maßnahmen dazu im Bundeshaushalt ergriffen.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt es: Die Investitionen in Bundeswasserwege steigen von knapp 845 Millionen Euro auf rund 1 Milliarde Euro in 2021, und das trotz eines geringeren Gesamtvolumens des Bundeshaushaltes und des Einzelplans 12 in 2021. In meinen Augen enthält der Einzelplan 12 gerade für die Binnenschifffahrt viele gute Aspekte. Positiv bewerte ich, dass für Ersatz-, Aus- und Neubaumaßnahmen an Bundeswasserstraßen rund 700 Millionen Euro vorgesehen sind. Das sind rund 240 Millionen Euro mehr als noch in diesem Jahr. Auch für einen erneuten Stellenzuwachs bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes – kurz: WSV – werden zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt.
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Zusätzliches Personal wird dringend benötigt; denn die WSV, die für den Betrieb und den Unterhalt unserer Bundeswasserstraßen zuständig ist, ist mehr als ausgelastet und steht vor großen Herausforderungen. Ein Problem bereitet hierbei allerdings auch der angespannte Fachkräftemarkt in Verbindung mit einer wahrgenommenen mangelhaften Attraktivität des öffentlichen Dienstes, was die Stellenbesetzung zusätzlich verzögert. Durch den Fachkräftemangel bei der WSV, aber auch im privaten Baugewerbe kommt es deswegen immer wieder zu zeitlichem Verzug bei der Umsetzung von Bauvorhaben an unseren Wasserstraßen. Das ist ein ernstzunehmendes Problem, da viele Wasserbauwerke inzwischen stark in die Jahre gekommen sind. Etwa die Hälfte der Wehranlagen und rund 66 Prozent der Schleusenanlagen wurden vor 1950 errichtet, etwa 10 bis 20 Prozent vor 1900. Deshalb müssen zahlreiche Wasserbauwerke jetzt und in naher Zukunft zeitgleich saniert bzw. auch neu errichtet werden.
Das dabei angewandte Prinzip „Erhalt vor Aus- und Neubau“ kann angesichts der Umstände nur die richtige Prioritätensetzung sein. Doch hierbei dürfen wir übrigens auch die Nebenwasserstraßen nicht zu kurz kommen lassen; denn die sind gerade für den Wassertourismus und damit für die lokale Wirtschaft besonders in den jeweiligen Regionen von zentraler Bedeutung. Der Erhalt und die Funktionsfähigkeit dieser Wasserstraßenverkehrsinfrastruktur sind für den Bund ebenfalls wichtig.
Ebenso werden die Mittel für die Beihilfen zur Aus- und Weiterbildungsförderung für die Binnenschifffahrt um fast 1 Million Euro steigen. Mehr Geld gibt es auch für die Förderung von Motoren und die Modernisierung der Binnenschifffahrt. Neu geschaffen werden außerdem die Haushaltsziele „Digitale Testfelder in Häfen“ und „Digitale Testfelder an Wasserstraßen“ sowie der Titel „Nachhaltige Modernisierung für die Küstenschifffahrt“.
Im Großen und Ganzen freue ich mich natürlich über die positive Tendenz, gerade was die Erneuerung und Ersatzneubauten anbelangt. Aber, lieber Andi Scheuer, Sie müssten vielleicht noch mal eine Schippe drauflegen, um auch zeitgemäß zu bleiben und in die Zukunft blicken zu können. Aber ich glaube, das werden wir in den anstehenden Haushaltsverhandlungen noch leisten. Ich sehe, das ist auch hier richtig und gut investiertes Geld. Ein kleines Beispiel – das haben wir hier heute vielleicht auch schon gehört –: Große moderne Motorgüterschiffe können bis zu 150 Lkws ersetzen.
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Das ist letztendlich auch etwas, das wir für unser Klima tun können.
Vielen Dank.
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Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Korkmaz-Emre das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niemand von uns konnte das Ausmaß der Coronapandemie wirklich absehen. Stand jetzt sind wir gut durchgekommen. Unser Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat Wort gehalten: Es wird nicht nur gerettet, es wird investiert. Das ist ein verantwortungsvoller Haushalt mit richtig Wumms dahinter, damit wir nämlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen können.
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Im letzten Jahr standen wir an dieser Stelle mit der schwarzen Null. Wir kommen von einem soliden Fundament und von einer niedrigen Schuldenquote. Genau deshalb können wir uns diesen Haushalt leisten. Wir können uns heute selbstbewusst gegen die Krise stemmen, und das ist die sozialdemokratische Handschrift.
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Sozialdemokratische Politik ist es auch, dass wir in dieser Legislaturperiode über 80 Milliarden Euro mehr investieren als in der letzten. Davon fließen knapp 19 Milliarden Euro allein im nächsten Jahr in den Bereich Verkehr. Das sind Investitionen auf Rekordniveau. Dieses Geld, liebe Bürgerinnen und Bürger, kommt bei Ihnen allen an. Denn die anstehenden Herausforderungen bewältigen wir nur gemeinsam, und das vor Ort und gerade bei der Verkehrswende.
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Warum Verkehrswende? Ich möchte es noch einmal sagen – kurzer Nachhilfeunterricht, weil es immer noch nicht alle verstanden haben –: Wir brauchen die Verkehrswende, weil nämlich nachhaltige Verkehrspolitik konkreter Klimaschutz ist. Wir brauchen die Verkehrswende, weil wir Mobilität für alle brauchen, damit Teilhabe und Selbstbestimmung Selbstverständlichkeit werden. Auch das ist Sozialdemokratie pur.
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Für die Gemeinden heißt das ganz konkret: Die Mittel im Topf der Gemeindeverkehrsfinanzierung steigen auf 1 Milliarde Euro an. Das sind 1 Milliarde Euro für konkrete Verbesserungen der Verkehrsverhältnisse. Das sind 1 Milliarde Euro für Streckenreaktivierungen, für Straßenbahnen, für Haltestellen, für Bahnhöfe. Das sind alles Maßnahmen, die wir dringend brauchen. Jetzt ist das Geld da. Also: Packen wir es an!
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Für die Länder heißt das auch: Sie können im nächsten Jahr mehr Geld auf die Schiene bringen, und zwar konkret 9,2 Milliarden Euro. Und – das will an dieser Stelle einmal gesagt werden –: Wir haben gerade bei den Regionalisierungsmitteln in diesem Jahr außer der Reihe 2,5 Milliarden Euro draufgesattelt, um eben die Auswirkungen der Coronapandemie abzufedern und dem SPNV durch die Krise zu helfen. Und ja, man sieht: Wir können eben Wumms, und zwar an den richtigen Stellen, wenn es darauf ankommt.
Allen, die jetzt denken: „Das war’s“, sage ich Nein. Denn eine Sache möchte ich am Schluss noch anmerken, weil sie mir besonders wichtig ist und ich mich darüber sehr freue: Der Bund gibt im nächsten Jahr 280 Millionen Euro für den Ausbau von Fahrradnetzen – für alle, die auf dem Radschnellweg schnell und stressfrei zur Arbeit pendeln wollen, für alle, die lieber mal mit dem Lastenrad einkaufen fahren, statt nach Parkplätzen zu suchen. Deshalb auch die Bitte an die Länder und die Kommunen: Macht was mit dem Geld! Denn Verkehrswende braucht nicht nur Haushaltsmittel, sondern auch den absoluten Willen, tatsächlich vor Ort zu gestalten und zu verändern. Wir brauchen engagierte Planungsbehörden und natürlich handlungsfähige Kommunen.
Corona hat uns gezeigt, dass gerade im Bereich des Radverkehrs verdammt viel Potenzial steckt. Deshalb kommen die 200 Millionen Euro mehr als im letzten Jahr für Radverkehr auch genau zur richtigen Zeit. Und wenn ich Titel an die Bundesregierung vergeben dürfte, dann stünde für mich eins zumindest fest: Mein Fahrradminister, das ist Olaf Scholz.
Vielen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Rüdiger Kruse das Wort.
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Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Korkmaz-Emre, ich sage Ihnen mal ganz pragmatisch: Wenn Sie meinen, dieser Haushalt trage allein die sozialdemokratische Handschrift, dann nehmen wir gern auch noch ein bisschen mehr davon.
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Wir hätten gar nichts dagegen – auch der Kollege Thomas Jurk nicht –, wenn Sie den „Verkehrsminister“ bzw. „Fahrradminister“ Olaf Scholz dazu brächten,
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den Verkehrsetat noch mal zu erhöhen.
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Ich glaube, sogar die Kollegen von den Grünen würden applaudieren, wenn im parlamentarischen Verfahren, vielleicht in der Bereinigungsvorlage der Bundesregierung, zum Beispiel für die Bahn noch die fehlenden 2,5 Milliarden Euro für Investitionen drin wären. Das würden Thomas Jurk und ich dann auch gerne entsprechend in den Etat einbringen.
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Es sind ja auch andere Bestellungen gemacht worden, und es ist daher gut, so einer Debatte zu folgen. Dann spart man sich zum Beispiel dank der Rede des Kollegen Storjohann morgen den Termin, für den eine Stunde angesetzt ist. Du hast vier Minuten gebraucht, um klarzumachen, was du gerne im Haushalt hättest. Ich streiche dann mal diese eine Stunde aus meinem Kalender.
Der Verkehrsetat ist der größte Investitionsetat, und damit ist er auch der größte Gestaltungsetat. Der Minister hat vorhin gesagt – das zeugt ja auch von einem gewissen Selbstbewusstsein –: „Machen Sie den Haushalt, der ohnehin schon exzellent ist, noch ein Stück besser!“ Vielen Dank für die Erinnerung daran, dass es vorrangig die Aufgabe des Parlaments ist, den Haushalt zu gestalten! Aus der Erfahrung weiß der Verkehrsminister auch, dass wir das immer sehr liebevoll gemacht haben.
In der Vergangenheit – wenn man sich mal diese Legislatur anguckt – haben wir den Hochlauf der Investitionen hinbekommen. Und ich muss auch sagen: Ich bin richtig glücklich, dass dieser Minister so viel Geld ausgibt. Denn das war ja nicht immer so. Wir haben Jahre gehabt, in denen man die Mittel erhöht hat, und dann hat man am Ende damit sozusagen die Reste erhöht. Das ist Ins-Schaufenster-Stellen, das nützt uns nichts. Und der Investitionshochlauf, der gelungen ist, ist wirklich ein Produkt dieser Legislaturperiode. Das hat auch viel damit zu tun, dass wir die Planungskapazitäten hochgefahren haben. Das heißt, dass das Parlament im Verfahren mehr Stellen bewilligt hat und damit natürlich auch die Planung ermöglicht hat.
Was uns dann aber immer Schwierigkeiten macht, ist die Umsetzung. Wir sind uns hier in vielen Dingen einig. Wir wissen zum Beispiel, dass wir, wenn wir den Güterverkehr stärken wollen, die Maßnahmen für den Einsatz von 740‑Meter-Zügen hinbekommen müssen. Natürlich können sie schon heute fahren, aber sie können nicht überholt werden und sind damit ein großes Problem.
Neue Strecken zu bauen, ist absolut notwendig. Aber man muss es natürlich auch vor Ort umsetzen. Die Mühsal der Ebene ist ja die Umsetzung. Wichtig wäre, dass wir den Konsens finden, zu sagen: Wenn wir hier im Parlament Verkehrswege beschließen, dann müssen wir in der Umsetzung auch dahinterstehen, und zwar die Politik insgesamt, damit es zu einer Beschleunigung kommt,
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sodass wir zukünftig nicht mehr schätzungsweise 20 oder 25 Jahre von der Idee einer schnellen Bahnstrecke bis zu deren Verwirklichung brauchen.
Übrigens glaube ich, dass es auch für denjenigen, der gegen eine solche Strecke klagt, besser ist, wenn er nicht 15 Jahre lang seine Energie in eine Sache stecken muss und erst dann die Entscheidung erfährt. Kann man es nicht hinbekommen, die Dinge innerhalb von drei, vier oder fünf Jahren endgültig abzuwägen, dann zu bauen oder vielleicht auch nicht? Dafür muss auch die Bereitschaft bestehen, vor Ort gemeinsam dafür zu kämpfen.
Signifikant ist jedenfalls, dass der Schienenanteil am Haushalt deutlich gewachsen ist. Ich will jetzt nicht weiter auf den Konflikt Schiene/Autoverkehr eingehen. Denn wir müssen im Sinne der Nachhaltigkeit schauen, wie wir die Transportleistung am besten erbringen. Wir müssen sicherlich auch zukünftig in den Straßenbau investieren, weil es uns nichts bringt, wenn wir marode Straßen haben; das macht den Güterverkehr nicht besser.
Die alternativen Kraftstoffe sind angesprochen worden. Sie werden manchmal ja auch belächelt. Wenn ich mir die Situation in meinem Wahlkreis angucke, dann glaube ich beinahe, dass diese E-Fuels eigentlich nur dafür gemacht werden, damit die Grünen mit besserem Gewissen ihre SUVs fahren können.
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Jedenfalls lag bei der letzten Europawahl das Wahllokal mit den meisten Stimmen für die Grünen in dem Stadtteil, der die meisten neuen Anmeldungen von SUVs hat. Wir tun also was dafür, dass man alle Möglichkeiten des Lebens nutzt und sich dabei wohlfühlt.
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– Was war schlecht?
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– Danke. Stimmt ja auch. – Aber so ist eben die Lebenswirklichkeit.
Eines wollen wir alle gemeinsam tatsächlich nicht, nämlich miesepeterig unterwegs sein, sondern wir wollen eine Verbesserung in Richtung Nachhaltigkeit hinbekommen. Das wird der entscheidende Faktor sein. Und wenn man hier den größten Investitionshaushalt zu verantworten hat, dann ist natürlich die spannende Frage: Welchen Beitrag leisten wir damit zu einer nachhaltigen Entwicklung? Schaut man sich die Entwicklung dieses Etats an, dann sieht man: Er ist noch nicht perfekt, aber er ist mit jedem Jahr besser geworden.
Herzlichen Dank.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Umwelt- und Klimaschutz zahlen sich aus – das hat heute Morgen unser Finanzminister Olaf Scholz sehr eindrucksvoll dargelegt. Das ist eine der zentralen Botschaften des Bundeshaushaltes für 2021, den die Bundesregierung diese Woche hier in den Deutschen Bundestag einbringt. Sie zahlen sich aus, weil sie gute, gesunde Lebensbedingungen sicherstellen, sie zahlen sich aus, weil sie Standortvorteile sind und Wettbewerbsfähigkeit von morgen sicherstellen, und sie zahlen sich aus, weil sie die Teilhabe aller Menschen in unserem Land sichern und damit auch den Zusammenhalt stärken.
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Der Klimaschutz ist daher – und das ist genau richtig – auch nicht die alleinige Aufgabe der Umweltministerin. Ich habe immer wieder eingefordert, dass die gesamte Bundesregierung, also alle Ministerien, hier Verantwortung übernehmen. Und dieser Haushaltsentwurf zeigt, dass inzwischen alle Ministerien auf dem Weg sind, Klimaministerien zu werden. Das haben Sie gerade bei der Einbringung des Haushalts des Verkehrsministeriums gehört
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– ja, natürlich! –, welches dank Olaf Scholz verstärkt in Bus, in Bahn, in Elektromobilität investiert. Und das sehen Sie in den Haushaltsentwürfen des Wirtschafts-, des Landwirtschafts-, des Bauministeriums.
Die Bundesregierung wird in 2021 so viel wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik in den Klimaschutz investieren.
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Sehen Sie sich allein die Ausgaben für den Energie- und Klimafonds an: Sie werden mit knapp 27 Milliarden Euro – nicht Millionen – mehr als verdreifacht. Der vorliegende Haushaltsentwurf ist damit die konsequente Fortsetzung des Weges, den die Bundesregierung mit dem Klimaschutzprogramm 2030 und dem Klimaschutzgesetz eingeschlagen hat. Wir bekennen uns zum Ziel der Klimaneutralität in 2050, und wir unterstützen Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Weg dahin. Wir investieren ganz massiv in Forschung und Innovation. Wenn Sie sich allein mein Ministerium ansehen: Über den Energie- und Klimafonds sind Investitionen in die Dekarbonisierung der Industrie vorgesehen. Im Finanzplan bis 2024 stehen dafür rund 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Ich glaube, das ist sehr gut investiertes Geld.
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Wir unterstützen den Markthochlauf von Grünem Wasserstoff – das ist wichtig, weil wir Klimaneutralität in der Stahlproduktion sowie in den Bereichen Chemie und Luftfahrt wollen; das eröffnet starke industriepolitische Perspektiven für Deutschland –, und wir setzen im Umwelt- und im Klimaschutz beim Kampf gegen den Artenverlust auf neue Technologien wie Digitalisierung und KI und fördern innovative Pilotprojekte.
Mir ist besonders wichtig, zu betonen: Wir schaffen neue Perspektiven in den vom Strukturwandel besonders betroffenen Regionen. Mit diesem Bundeshaushalt werden erstmals Mittel zur Strukturstärkung in den Kohleregionen eingestellt. Im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes ist das Bundesumweltministerium mit einer Vielzahl von Projekten an der Umsetzung von Fördermaßnahmen beteiligt. Hierzu zählen das Zentrum für Biodiversitätsmonitoring in Leipzig, das Kompetenzzentrum für PtX, das Kompetenzzentrum Elektromagnetische Felder sowie das Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien, alle in der Lausitz beheimatet.
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Diese Einrichtungen liegen alle in Ostdeutschland. Ich weise noch mal ausdrücklich darauf hin, weil wir in dieser Woche 30 Jahre deutsche Einheit feiern; das wird am Freitag mit einer Debatte hier im Bundestag begleitet. Das Bundesumweltministerium hat in der letzten Woche daran erinnert, dass aus dem ehemaligen Todesstreifen, den die DDR an der Grenze zur Bundesrepublik errichtet hatte, in den vergangenen 30 Jahren das Grüne Band geworden ist. Es ist inzwischen eine Lebenslinie, die Ost und West verbindet und heute zum Lebensraum von vielen bedrohten Tier- und Pflanzenarten und gleichzeitig ein sehr bemerkenswerter Ort der Erinnerungskultur geworden ist.
Umweltschutz wird auch hier immer wieder als Streitthema wahrgenommen. Das ist gut so; denn wir wollen den Wettstreit um die besten politischen Konzepte und Ideen. Was aber unterschätzt wird, ist, wie verbindend die Wirkung des Umweltschutzes ist. Das Grüne Band ist wirklich ein Symbol dafür. Wir verdanken der Umweltbewegung in der DDR einen wichtigen Anteil an der Friedlichen Revolution und auch das großartige Nationalparkprogramm, das inzwischen zu einer verbindenden Erfolgsgeschichte in ganz Deutschland geworden ist.
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Meine Damen und Herren, ein Ende der weltweiten Coronapandemie ist noch nicht in Sicht. Wichtig ist, dass der wirtschaftliche Neustart nach dem Lockdown jetzt genutzt werden muss, um mit dem staatlichen Konjunkturprogramm den Aufbruch in eine klimaneutrale Zukunft zu beschleunigen, um den Weg dahin zu ebnen. Die Fenster, die Türen für diese Veränderungen stehen weit offen, und deswegen ist es jetzt so wichtig, zu handeln und umzusteuern.
Unsere deutsche Ratspräsidentschaft ist die perfekte Gelegenheit dafür, das europäische Band im Klimaschutz enger zu knüpfen. Der European Green Deal ist die richtige Antwort der EU-Kommission auf die Klimakrise genauso wie der Vorschlag für eine Anhebung des EU-Klimaziels auf mindestens 55 Prozent Minderung der Treibhausgase. Beides liegt im deutschen Interesse und verdient unsere volle Unterstützung. Morgen beim informellen Treffen der EU-Umweltministerinnen und ‑minister werde ich mit daran arbeiten, dass wir bald eine Einigung auf europäischer Ebene bei der neuen Klimapolitik und den Klimazielen hinbekommen.
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Meine Damen und Herren, schließen möchte ich mit einem Thema, das wichtig ist und das uns seit Anfang der Woche auch öffentlich stärker beschäftigt. Es geht darum, Verantwortung für die Endlagerung unseres Atommülls zu übernehmen. Drei Generationen haben die Atomkraft in Deutschland genutzt, 30 000 Generationen werden sich mit den Hinterlassenschaften beschäftigen müssen.
Gestern hat die Bundesgesellschaft für Endlagerung ihren ersten Zwischenbericht vorgelegt. Das ist ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer sicheren Lagerung der Hinterlassenschaften der Atomenergienutzung. Wir brauchen den sichersten Ort in Deutschland für den Atommüll. Entscheidend ist für mich – und ich denke, für alle hier im Haus –, dass das Verfahren strikt wissenschaftlich ist und dass die Geologie am Ende über den Standort entscheidet. Politische Überzeugungen dürfen hier keine Rolle spielen. Es geht nicht darum, das hier politisch auszufechten, sondern wir brauchen wirklich den sichersten Ort. Wir haben, glaube ich, über Jahrzehnte schmerzhaft gelernt, dass die Endlagersuche nur gemeinsam, dass sie nur solidarisch gelingen kann. Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, hier im Bundestag daran zu erinnern, dass wir mit allen 16 Bundesländern, mit allen damals im Parlament vertretenen Parteien über Parteigrenzen hinweg diesen Weg der Suche beschlossen haben. Das ist ein breiter Konsens gewesen, und ich bitte darum, diesen Konsens zu bewahren. Ich erwarte von allen, dass sie zu dieser Verantwortung stehen.
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Der Einzelplan 16 stellt sich den aktuellen und den langfristigen Herausforderungen. Ich freue mich sehr auf die Beratungen mit Ihnen und werbe natürlich um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Karsten Hilse für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Landsleute! Einer von Donald Trumps Leitsprüchen lautet „Make America Great Again“, macht Amerika wieder großartig. Er sieht also im Zentrum seiner Politik die Interessen des amerikanischen Volkes. Das mag uns nicht passen und führt an der einen oder anderen Stelle zu Verwerfungen in Deutschland, aber auch nur deshalb, weil die deutsche Regierung nicht konsequent deutsche Interessen vertritt.
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Macht Deutschland wieder großartig – diesen Satz werden wir von einem der hier schon länger Herumsitzenden niemals hören,
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und das nicht nur aus Angst vor dem zu erwartenden Shitstorm der links-grünen Gesinnungsgenossen, es ist auch Ihre Grundüberzeugung. Sie möchten nicht, dass Deutschland großartig ist. Sie alle möchten, dass Deutschland über kurz oder lang von der Landkarte verschwindet
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und aufgeht in einer sozialistisch geprägten Union europäischer Räterepubliken,
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zentral geführt, aller kulturellen und wirtschaftlichen Unterschiede, aller Vielfältigkeit und aller Verschiedenartigkeit beraubt.
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Die einzige im Bundestag vertretene Partei, die sich die Erhaltung und Bewahrung des Nationalstaates Deutschland, unseres Vaterlandes, auf die Fahne geschrieben hat,
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die die Interessen des deutschen Volkes ohne Wenn und Aber vertritt, ist die Alternative für Deutschland.
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Der Rest des Bundestages ist darauf bedacht – oder nimmt es zumindest billigend in Kauf –, Deutschland mit immer mehr Migranten zu fluten,
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die deutsche Wirtschaft zu zerstören, getreu der Anweisung eines grünen Steinewerfers, so viel Geld wie möglich aus den Deutschen herauszupressen, ihr Geld zu verschwenden und möglichst viel davon in alle Welt zu verteilen,
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Hauptsache, die Deutschen haben es nicht. Dann wäre die Welt gerettet.
Allein für sogenannte Klimaschutzmaßnahmen wechseln verteilt über den Haushalt und über die abgepresste EEG-Abgabe circa 45 Milliarden Euro den Besitzer,
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raus aus dem Portemonnaie des Steuerzahlers, rein in die schon jetzt prall gefüllten Taschen weniger Profiteure wie global agierender Konzerne, Finanzspekulanten und vor allem aber auch dubioser NGOs.
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Auf unsere Kleine Anfrage, welche Projekte mit wie viel Steuergeld finanziert werden, bekamen wir das hier: 700 Seiten DIN A3
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mit insgesamt 10 000 Projekten, die Deutschland pampert, und das nur im Umweltbereich.
Liebe Zuschauer, wenn Sie das nächste Mal über marode Straßen fahren, wenn Sie sich fragen, warum Schulen, Kindergärten und Sporthallen nicht saniert werden, warum wir das fast niedrigste Rentenniveau haben,
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warum die Alters- und Kinderarmut immer mehr um sich greift und viele Dinge, die eigentlich von Ihrem Steuergeld bezahlt werden sollten, nicht verwirklicht werden, dann denken Sie an diesen Packen bedrucktes Papier – und das im digitalen Zeitalter und angesichts einer vermeintlich drohenden Klimakatastrophe.
Dass es den Protagonisten keinesfalls um die Abwendung des drohenden Weltuntergangs geht, wie es fast täglich in den Leitmedien kolportiert wird, ist jedem klar, der sich nur ein wenig mit dem Thema beschäftigt, statt nur Nachrichten vom Propagandastaatsfunk zu schauen. Alle geologischen Daten, die für jeden öffentlich zugänglich sind, belegen, dass CO2 in der Erdgeschichte noch nie der treibende Faktor für Klimaveränderungen war.
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Worum geht es dann? Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung bringt es auf den Punkt – ich zitiere mit Ihrer Genehmigung –:
Wir verteilen durch die Klimapolitik de facto das Weltvermögen um ... Man muss sich von der Illusion freimachen, dass internationale Klimapolitik Umweltpolitik ist. Das hat mit Umweltpolitik, mit Problemen wie Waldsterben oder Ozonloch, fast nichts mehr zu tun.
Zitat Ende.
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Es geht also um Geld, um viel Geld und um eine grundlegende Transformation unserer Gesellschaft. Und, liebe Landsleute, es geht hier nicht um irgendjemandes Geld, es geht um Ihr Geld, das nicht dafür verwendet wird, Deutschland wieder zu einem großartigen Land zu machen, sondern dafür, es schlussendlich zum Schafott zu führen; und das ist mit der AfD nicht zu machen.
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Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD – Zuruf von der CDU/CSU – Gegenruf des Abg. Karsten Hilse [AfD]: Bald ohne Sie! – Jan Korte [DIE LINKE]: Mein Gott! Was für ein Faschoschrott! Faschogelaber! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Pressesprecher, Hilse, alles das Gleiche! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So etwas Peinliches!
Das Wort hat die Kollegin Marie-Luise Dött für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die unionsgeführte Bundesregierung wird laut vorliegendem Haushaltsentwurf 2021 so viel wie nie zuvor in den Klimaschutz investieren. Zugegeben, allein die Höhe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel sagt noch nichts über den Erfolg der Politik und ihrer Instrumente aus. Aber ich kann die Opposition beruhigen: Erste Prognosen von einschlägigen Denkfabriken und auch der Klimaschutzbericht 2019 der Bundesregierung kommen zu dem Schluss, dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 erreichen wird.
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Das ist der Erfolg dieser Bundesregierung.
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Es ist also nicht immer alles schlecht; lassen Sie uns auch über die positiven Punkte sprechen. Auch die Kritik, dass der Einspareffekt aufgrund der sich im nächsten Jahr hoffentlich erholenden Wirtschaft wieder verpufft, ist nicht richtig. Damit dieser Trend anhält, haben wir in unserem Konjunkturprogramm zahlreiche Elemente verankert, die im Sinne der Nachhaltigkeit diesen Entwicklungspfad unterstützen.
Meine Damen und Herren, natürlich können und wollen wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen. Im Klimaschutzbereich ist kontinuierliche Arbeit erforderlich. Vor zwei Wochen hat zum Beispiel die EU-Kommission die Erhöhung des EU-Klimaziels für 2030 auf minus 55 Prozent gegenüber 1990 vorgeschlagen. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: CDU und CSU stehen zu den internationalen Verpflichtungen, und natürlich ist es wichtig, dass die EU einen angemessenen Beitrag leistet, um das Übereinkommen von Paris umzusetzen.
Zwei Dinge sind bei der EU-Zielerhöhung elementar:
Erstens müssen wir von den abstrakten Zieldiskussionen wegkommen. Wenn ich höre, dass die Berichterstatterin im Umweltausschuss im Europäischen Parlament eine Zielverschärfung auf mindestens minus 65 Prozent fordert, dann sieht mir das sehr nach einem Überbietungswettbewerb aus.
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Wichtiger ist doch, dass wir bei den Instrumenten und Wegen, wie wir die EU bis 2050 klimaneutral aufstellen können, ansetzen. Darüber sollten wir politisch streiten und im Wettbewerb die besten Lösungen finden.
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Hier steht die Union für einen technologieoffenen Ansatz. Daher sind beispielsweise die 1,5 Milliarden Euro aus dem Energie- und Klimafonds für Technologien und großtechnische Anlagen, die fossile Energieträger durch Wasserstoff ersetzen sollen, gut investiertes Geld. Wenn wir bis 2050 klimaneutral werden wollen, dann müssen wir alle vertretbaren Möglichkeiten zur CO2-Reduktion nutzen. Da kann es nicht sein, dass man beispielsweise einen Feldzug gegen klimafreundliche synthetische Kraftstoffe führt, nur weil einem das gerade nicht ins Weltbild passt, da es zu einer weiteren Verwendung von Verbrennungsmotoren führen würde. Da kann es nicht sein, dass nachhaltige Biokraftstoffe, die allein 2018 9,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart haben, kleingehalten werden, nur weil das Bundesumweltministerium einseitig auf Elektromobilität setzt.
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Selbst die vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebene Studie des Öko-Instituts zum Klimaschutzprogramm 2030 kommt zu dem Schluss, dass wir die Klimaziele im Verkehrssektor durch Batterieautos allein nicht erreichen werden. Wir brauchen vielmehr einen sinnvollen Mix. Also, liebe Frau Ministerin Schulze, setzen Sie die Erneuerbare-Energien-Richtlinie dergestalt um, dass wir auf allen Ebenen signifikante CO2-Einsparungen erreichen können.
Um zu meiner Aufzählung zurückzukommen: Es kann ferner nicht sein, dass man die technischen Abscheide- oder Entnahmemöglichkeiten von CO2 und dessen anschließende Speicherung verteufelt. Selbst der IPCC sagt, dass solche Maßnahmen notwendig werden, um die Welt klimaneutral aufzustellen. Es gilt also das Motto: Wer A sagt, muss auch B sagen.
Ich werbe für einen breiten Ansatz, für Innovationen und für die bereits vorhandenen Brückentechnologien. Sonst, meine Damen und Herren, werden wir die Klimaziele nicht einhalten können.
Zweitens müssen wir bei den auf die EU-Klimazielerhöhung folgenden Schritten genau hinschauen: Was bedeutet ein neues europäisches Ziel für 2030 konkret für Deutschland? Die EU-Kommission erwägt, die Obergrenze des europäischen Emissionshandels anzupassen und ihn auf die Sektoren Seeverkehr, Gebäude und Straßenverkehr auszuweiten.
Einer Ausweitung des europäischen Emissionshandels steht die Union grundsätzlich positiv gegenüber. Fraglich ist aber, ob die Lastenteilung zwischen den EU-Mitgliedstaaten in den Sektoren Verkehr, Wärme und Landwirtschaft angepasst wird. Hier fordert die Unionsfraktion eine faire Verteilung der Lasten der CO2-Reduktion. Meine Damen und Herren, wir müssen an den Punkt kommen, wo auch unsere europäischen Freunde ihre Ambitionen steigern. Nur wenn wir gemeinsam unsere Anstrengungen erhöhen, werden wir erfolgreich sein.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeiten im Umweltbereich ist die Kreislaufwirtschaft. Dazu müssen wir neben einer Stärkung der internationalen Zusammenarbeit die Forschungsaktivitäten deutlich steigern.
Auch bei der Frage der ökologischen Vorteile bestimmter Getränkeverpackungen haben wir Informationsdefizite. Deshalb haben wir im Haushalt 2020 unter anderem 400 000 Euro für die Erstellung von Ökobilanzen für Getränkeverpackungen bereitgestellt. Festzustellen ist: Es ist nichts passiert, und das, obwohl im UBA eine Methodik zur Erstellung von Ökobilanzen erarbeitet wurde. Ich halte das für nicht akzeptabel.
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Es kann nicht sein, dass im Haushalt Mittel bereitstehen, ein klarer Auftrag für die Erstellung von Ökobilanzen formuliert ist und dieser Auftrag schlicht ignoriert wird. Wenn es tatsächlich bei der Erarbeitung der Ökobilanzen Probleme gibt, dann hätte ich mir zumindest ein Gesprächsangebot vom BMU gewünscht. Dass dieses Gespräch jetzt stattfindet, ist den Haushältern zu verdanken, denen die Untätigkeit des BMU aufgefallen ist.
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Wir erwarten jetzt schnell Vorschläge, wie das Thema „Ökobilanz von Getränkeverpackungen“ weiterbearbeitet werden soll und wann das BMU endlich den Auftrag an das UBA zur Erarbeitung der Ökobilanz geben wird, und zwar ohne ideologische Vorfestlegungen.
Ein weiteres Thema aus dem Bereich der Kreislaufwirtschaft ist der Rezyklateinsatz. Stoffkreisläufe zu schließen, das ist unser Ansatz. Das wird aber nur gelingen, wenn wir aus Abfällen wieder hochwertige Produkte machen. Wir haben mit einem Entschließungsantrag zum Gesetz zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Rezyklatnutzung gemacht. Ein wichtiger Ansatz ist die Identifikation von Produkten, bei denen Rezyklate ohne größere Probleme genutzt werden können. Starten Sie jetzt mit den Branchendialogen, Frau Ministerin; unsere Unterstützung haben Sie. Starten Sie endlich mit den Arbeiten!
Vielen Dank.
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Das Wort hat die Abgeordnete Ulla Ihnen für die FDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte Ihnen an dieser Stelle heute gerne zum Geburtstag gratulieren. Dass Sie heute da sind, ist natürlich sehr schön. Leider kann ich im Namen der Freien Demokraten nicht zu Ihrem Haushaltsentwurf gratulieren.
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Dieser Haushaltsentwurf steht nicht unter dem Vorzeichen sprudelnder Steuereinnahmen, sondern beinhaltet, wie auch der Haushalt des aktuellen Jahres, eine massive Neuverschuldung. Generationengerecht ist das nicht und damit eben leider auch nicht nachhaltig. Deshalb muss wenigstens sichergestellt sein, dass die Ausgaben auf Pump, die Sie in Ihrem Haushaltsentwurf einplanen, eine kluge Investition in die Zukunft des Landes sind. Und haben Sie, Frau Ministerin, für uns bisher zukunftsgewandte Politik gemacht? Nach zweieinhalb Jahren kann man, glaube ich, konstatieren: eher nicht. Denn die Eisberge schmelzen, und die Schuldenberge wachsen ins Unermessliche.
Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf des Bundesumweltministeriums sieht für 2021 Gesamtausgaben in Höhe von 2,68 Milliarden Euro vor. Hinzu kommen weitere milliardenschwere Programme, die im Energie- und Klimafonds veranschlagt sind; große Summen.
Aber was bringt das, wenn die verfügbaren Mittel nicht abfließen? Ein Beispiel: Für Ihr Programm zur Dekarbonisierung in der Industrie standen in diesem Jahr 80 Millionen Euro bereit. Aber die Programmmittel fließen bislang nicht ab, weil – da zitiere ich Sie – die für die Projekte notwendigen Investitionsentscheidungen in den Unternehmen fehlten. Das müssen wir uns aber mal auf der Zunge zergehen lassen, Frau Ministerin. Das heißt doch nichts anderes, als dass ihr Programm in der Wirtschaft gar nicht angenommen wird.
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Es gibt viele weitere Beispiele. Zu Ende gedacht bedeutet das jedenfalls für uns: Ihre Politik der Förderprogramme ist schwerfällig, bürokratisch und leider ineffizient.
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Die Folge: Sie haben aus dem Jahr 2019 für dieses Jahr sagenhafte 495 Millionen Euro an Ausgaberesten angehäuft. Und wie passend: Ihr Haus liefert zur ersten Lesung dieses Haushaltes keine Istzahlen für dieses Jahr über den Mittelabfluss. Wir als Haushälter sind wirklich gespannt, wie der Mittelabfluss sein wird. Wo sind Ihre Anstrengungen, Frau Ministerin, für eine zielgerichtete Aufgaben- und Förderkritik?
Die Konsequenz für uns Freie Demokraten ist: So kann keine Zukunft gestaltet werden. Die deutsche Umwelt- und Klimapolitik braucht einen Neustart. Als Serviceopposition unser Rat: Wettbewerb ist immer noch der beste Klimaschützer.
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Meine Damen und Herren, spätestens seit gestern – Sie haben es erwähnt, Frau Ministerin – ist das Thema der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle wieder präsent. Ich stimme Ihnen für die Freien Demokraten zu: Alle beteiligten Akteure müssen jetzt den Suchprozess transparent gestalten, die Bevölkerung mitnehmen und auch Verantwortung übernehmen, und das gilt für alle Bundesländer.
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Aber dieser Suchprozess kostet natürlich wie die gesamte Zwischen- und Endlagerung enormes Geld. Allein für 2021 sind dafür über 1 Milliarde Euro in Ihrem Haushalt vorgesehen.
Meine Damen und Herren, bei den Zukunftstechnologien steht sich die Bundesregierung leider selbst im Weg. 1,7 Milliarden Euro für die Wasserstoffstrategie stehen für 2021 zwar im Haushaltsentwurf; diese Gelder sind jedoch gesperrt, weil um die Mittelverteilung – wie schon bei der für dieses Jahr – ein Kleinkrieg – wenn ich das so sagen darf – zwischen den Ressorts Energie, Bildung, Verkehr und Umwelt über die Verteilung dieser Mittel tobt. Die Bundesregierung selbst verhindert, dass Deutschland beim Zukunftsthema Wasserstoff endlich vorankommt. Wir fordern Sie auf, dieses Problem mit Ihren Kollegen zu lösen.
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Frau Ministerin, nicht nur beim Klimaschutz sollte das Verursacherprinzip gelten – Stichwort „erfolgreicher Emissionshandel“ –, sondern auch in der Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Dieses Prinzip wird konterkariert durch die Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie. Die Produktproduzenten sollen künftig die Kosten der Entsorgung ihrer Produkte tragen, nicht die Verursacher des Mülls. Wollen Sie, Frau Ministerin, die Hersteller der dringend benötigten Masken an den Kosten der Entsorgung der Masken beteiligen? Es kann doch nicht sein, dass wir Hersteller von Produkten pauschal für die Entsorgung von Müll bezahlen lassen. Auf die Ökobilanzen hat die Kollegin Dött, die ich da sehr unterstütze, schon hingewiesen.
Macht die Bundesregierung also zukunftsgewandte Umweltpolitik? Nein! Ganz egal ob Wasserstoff, Emissionshandel oder Naturschutz: Für das Können gibt es nur einen Beweis, Frau Ministerin: das Tun. Fangen Sie am besten im Haushaltsverfahren damit an. Schulden sind ein süßes Gift.
Wir können den Wind nicht ändern; aber wir können die Segel richtig setzen – sagte Aristoteles.
Frau Kollegin, Sie können selbstverständlich weitersprechen. Sie tun es aber auf Kosten Ihres Kollegen.
Ich bin fertig. – Sorgen Sie, Frau Ministerin, dafür, dass Sie in Ihrem Ressort nachhaltig wirtschaften. Das wäre generationengerecht.
Vielen Dank.
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Frau Ministerin, ich nutze die Gelegenheit, Ihnen zu gratulieren. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
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Damit ist die Beschwerde von dieser Seite des Hauses geheilt, dass man die Glückwünsche vorhin nicht entsprechend unterstreichen konnte, weil der Glückwunsch gleich mit der Kritik gekoppelt war.
Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster für die Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Frau Ministerin, auch von mir herzliche Glückwünsche! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will das Fazit meiner Rede vorwegnehmen: Es ist aus meiner Sicht zu erkennen, dass diese Regierung ein Jahr vor der Bundestagswahl keine neuen Projekte wagt. Alles, was nicht exponentiell sichtbar Problem ist, wird also in die nächste Regierung verschoben.
Die Koalition präsentiert uns für 2021 einen Etatentwurf, der im Wesentlichen dem entspricht, was auch für das laufende Jahr 2020 vorgesehen war, und das in Zeiten, in denen umweltpolitisch sicherlich nicht von Entwarnung, Entspannung oder auch Besserung der Lage gesprochen werden kann.
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Nun denn, so etwas sagt ja die Regierung auch nicht. Stattdessen heißt es in der Erläuterung der Kabinettsvorlage: Auch in diesem Haushaltsjahr werden in erheblichem Umfang Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und des Klimas, insbesondere zur internationalen Klimaschutzfinanzierung, zur internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes und zur Anpassung an den Klimawandel, finanziert. Die Erhöhung der Mittel – es ist hier schon genannt worden – für die Internationale Klimaschutzinitiative auf 600 Millionen Euro in 2021 trägt dabei den besonderen Bedarfen einer klimafreundlichen Erholung der Wirtschaft nach dem Schwerpunkt der Coronapandemie Rechnung. – Da frage ich mich: Wodurch eigentlich? Das ist hier bisher nicht beantwortet worden.
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Das sieht auf den ersten Blick nach Engagement, Durchsetzungsvermögen oder auch Weitsicht aus. Dahinter verbirgt sich aber gewissermaßen ein Taschenspielertrick, der lautet: Wir von der Regierung wissen, dass wir für Umweltschutz und Nachhaltigkeit bei Weitem zu wenig tun; aber das, was wir tun, machen wir richtig und seriös. – Ich finde nicht nur, dass das nicht reicht. Ich finde auch, dass die Koalition mit diesem Umweltetat die Bürgerinnen und Bürger eigentlich für dumm verkauft. Das dürfen wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
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Seit Jahren benennt Die Linke die Widersprüche in der Regierungspolitik. Hier: vollmundige Versprechungen, Kanzlerrunden, Klimagipfel, Nachhaltigkeitskommissionen. Dort auf der anderen Seite: die praktische Politik, Stillstand, Agonie, Problemverwaltung und Innovationsverweigerung. Der Stellenwert der Umweltpolitik war noch nie so hoch wie heute, und im Kabinett ist er angesichts der jetzigen Probleme so unterbewertet wie zu keiner Zeit vorher.
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Das Bemühen der Umweltministerin um die stärkere Verankerung der Umweltpolitik im Regierungshandeln scheint keine wirklichen Früchte zu tragen. Denn der Etat des Ministeriums hat sich kaum verändert. Er stagniert wie schon in den Vorjahren bei 0,6 Prozent des Gesamthaushaltes.
Ich glaube, Frau Ministerin, trotz Geburtstag: Ihre gewählte Taktik funktioniert nicht. Viel Zeit, diese Taktik zu ändern, haben Sie aber auch nicht mehr. Mit Sicherheit ist in dieser jetzigen Phase weltpolitischer Unsicherheiten, ökonomischer Unwägbarkeiten und gesundheitspolitischer Belastungen wegen der Coronapandemie ein robustes und nachhaltiges Krisenmanagement gefragt. Dass die Bundesregierung hierfür die kontraproduktive und antisoziale Schuldenbremse aussetzt, finden wir richtig; besser wäre jedoch, sie ganz aufzuheben.
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Und richtig ist auch, großflächige Hilfsmaßnahmen für die von der Pandemie besonders Betroffenen einzusetzen. Aber deswegen haben doch der Klimawandel und die Erderwärmung nicht aufgehört.
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Wir haben in Mitteleuropa sehr trockene Sommer erlebt, auch diesen Sommer wieder. Waldbrände, Unwetter prägen die Klimarealität.
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Jetzt zeigt uns ein Beispiel ausgerechnet aus den USA, welche politischen Möglichkeiten auch beim Klimaschutz auf der Ebene der Administration bestehen. Der US-Bundesstaat Kalifornien hat verkündet, fossile Verbrennungsmotoren in Neuwagen ab 2035 zu verbieten. Ob das reicht, weiß ich nicht; aber ein richtiges Zeichen ist es sehr wohl.
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Man kann es daher nicht oft genug wiederholen: Eine separierte und isolierte Umweltpolitik ist nicht möglich. Sie funktioniert einzig und allein im Zusammenspiel zwischen Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft – mit nachhaltiger Entwicklung und vor allem mit der Einsicht, dass nur eine neue Lebensweise mit neuem und anderem Wachstum, ohne Profitstreben und Ausbeutung von Mensch und Natur unseren Lebensraum erhalten kann.
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Wenn es eine progressive Pandemieerfahrung des Jahres 2020 gibt, dann doch wohl die, dass uns weniger Reisen trotzdem gut leben lässt und dass wir dafür auch eine Atempause in Bezug auf die Klimabelastung bekommen haben. Das weiterzuführen – und nicht überall hinfliegen und überall den Sonderangeboten nachjagen –, muss für uns ein Anreiz sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss zum Ende dieser Rede kommen. Deshalb will ich an dieser Stelle noch mal deutlich sagen: Als Hauptberichterstatterin werde ich dafür werben, dass wir mit diesem Haushalt, wie er eingebracht wurde, nicht am Ende sind, sondern hier im parlamentarischen Verfahren noch große Qualifizierungen vornehmen.
Ich freue mich auf die Beratungen mit den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss und in den Berichterstattergesprächen.
Danke schön.
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Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Steffi Lemke das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, in meinen Augen ist Ihr Haushalt einer, der vor 15 Jahren möglicherweise ein guter gewesen wäre; das war die Zeit, als Frau Merkel und Herr Gabriel, der damalige Umweltminister, auf einem grönländischen Gletscher in roten Parkas posiert haben. Den Gletscher gibt es heute nicht mehr; er ist abgeschmolzen. Hätten Sie einen solchen Haushalt zu dieser Zeit vorgelegt, hätten wir ihn möglicherweise sogar loben müssen, aber jetzt, da wir in diesem Sommer in Deutschland und international von Hitzewellen, Dürrekatastrophen und Waldbränden in einem sehr immensen Ausmaß betroffen sind, ist er einfach komplett aus der Zeit gefallen.
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Hinzu kommt, dass mit diesem Bundeshaushalt, wenn er so beschlossen wird, so viel Geld vom Deutschen Bundestag in die Hand genommen wird wie in den letzten Jahrzehnten nie, und in einer solchen Situation setzen Sie keinerlei Akzente für Investitionen in Naturschutz, in Klimaschutz und in Umweltschutz, und legen Sie keinerlei wirksame ordnungsrechtliche Maßnahmen für Umweltschutz und Klimaschutz vor; das Kohleausstiegsgesetz nehme ich an dieser Stelle aus. Nach drei Jahren legen Sie außerdem lediglich einen Referentenentwurf zum Insektenschutzgesetz vor, der die Pestizidreduktion, eine der wichtigsten Stellschrauben, auch noch komplett ausklammert. Das ist Versagen auf der ganzen Linie.
({1})
Ich möchte daneben anfügen, dass Sie auch die umweltschädlichen Subventionen – seien es die Plastiksubventionen, das Dieselprivileg oder das Privileg für Dienstfahrzeuge – mit diesem Haushalt um keinen Millimeter abbauen; sie bleiben auf der Höhe von 57 Milliarden Euro. Auch an dieser Stelle und in dieser Situation, in der sich in unserer Welt so viel verändert und wir durch die Coronapandemie sehr viel in Bewegung setzen mussten, muss ich sagen: Das ist einfach schlichtweg zu wenig.
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Am 15. September 2020 haben die Vereinten Nationen ihren Globalen Bericht zur Lage der biologischen Vielfalt vorgelegt: komplettes Scheitern bei allen vereinbarten Zielen von vor zehn Jahren. Auch Sie sind fast bei allen Zielen der nationalen, deutschen Biodiversitätsstrategie komplett gescheitert; es wurde kaum eines erreicht.
Sie, Frau Ministerin, haben im April verkündet, dass die Coronapandemie dazu führen muss, dass wir daraus Lehren für mehr Naturschutz ziehen, und dass dies ein Weckruf für Naturschutz sein muss, weil die Naturvernichtung eine der Ursachen für eine solche Pandemieentwicklung ist. Mit diesem Haushalt und Ihren Gesetzen liefern Sie an dieser Stelle aber überhaupt gar nichts.
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– Ich habe gerade über den Naturschutz geredet.
Dieser Haushalt ist im Klein-Klein verhaftet. Er bildet an den entscheidenden Stellschrauben nichts ab – und das, ich habe es gesagt, obwohl so viel Geld wie nie zuvor in die Hand genommen wird. Der Umweltetat sinkt gegenüber dem Nachtragshaushalt vom letzten Jahr sogar um 11 Prozent. Unter anderem sinken die Mittel für das Biodiversitätsprogramm, das Programm für die biologische Vielfalt. An dieser Stelle nehmen Sie 7 Millionen Euro weg. Das ist für mich komplett unverständlich und passt mit den Reden, die Sie zur Coronapandemie, zum Naturschutz und zum Insektenschutz gehalten haben, überhaupt nicht zusammen.
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Ihr Haushalt ist einer, der den von Ihnen selbst eingeforderten Perspektivwechsel beim Umgang mit den natürlichen Ressourcen zum Klimaschutz eben nicht vornimmt. Zum Klimaschutzfonds wird meine Kollegin Badum noch ausführen, aber in den anderen Bereichen bleiben Sie komplett blank.
Positiv an diesem Haushalt ist, dass die Sicherungsleistungen für die Altlasten aus der Atomenergie in der Tat abgesichert bleiben; das ist gut, und das begrüßen wir. Ebenso begrüßen wir, dass Gorleben beim Endlagersuchgesetz jetzt aufgrund wissenschaftlicher Kriterien – eine These, die wir Grüne seit langer Zeit vertreten haben – ausgegliedert wurde. Das ist ein positives Fazit.
Die Leistung der Bundesregierung für den Etat, mit dem wir jetzt in das letzte Jahr der Legislaturperiode starten, ist aber einfach dürftig.
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Das Wort hat der Kollege Metin Hakverdi für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronapandemie ist wohl eine der schwierigsten Herausforderungen unserer Lebenszeit. Sie ist eine gesundheitliche, aber auch eine wirtschaftliche Herausforderung für uns alle.
Seit März dieses Jahres haben wir schwere politische Entscheidungen treffen müssen, um die Gesundheit der Menschen in unserem Land zu schützen. Gleichzeitig haben wir einen Haushalt historischer Dimension auf den Weg gebracht, um die Folgen der Pandemie für die Menschen in unserem Land zu lindern. Die Coronapandemie und ihre Folgen sind im Zentrum unserer Aufmerksamkeit – zu Recht; denn es geht um die Gesundheit der Menschen in unserem Land, es geht aber auch um ihre wirtschaftliche Existenz.
Aber selbst diese Pandemie darf uns den Blick auf die größte Herausforderung dieses Jahrhunderts, auf den Klimawandel, nicht verstellen. Bei aller Notwendigkeit, die Folgen der Coronapandemie für die Menschen in unserem Land abzufedern, ist es trotzdem wichtig, festzuhalten: Wir haben keine Zeit zu verlieren, um die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen.
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Fridays for Future haben uns zuletzt mit Demonstrationen wieder daran erinnert; recht haben sie.
Der Einzelplan 16 – der Haushalt des Bundesumweltministeriums – ist vielleicht nicht der größte Haushalt, der heute in diesem Haus beraten wird. Mit knapp 3 Milliarden Euro gehört er zu den eher kleineren Etats unseres Bundeshaushalts. Umso gewichtiger und wegweisender sind die Entscheidungen und die Weichen, die in diesem Ministerium gestellt werden. Sie strahlen auf alle Ministerien aus.
Je länger und intensiver wir uns mit Umwelt- und Klimaschutz beschäftigen, desto sichtbarer ist in den letzten Jahren geworden: Bei der Umwelt- und Klimapolitik geht es neben der ökologischen Nachhaltigkeit eben auch um ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Die Ursachen des Klimawandels werden wir nur im Dreiklang von ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit wirksam bekämpfen können.
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Ein Beispiel: Um unsere Klimaziele zu erreichen, werden industrielle Produktionsprozesse dekarbonisiert werden müssen. Das wird in vielen Branchen einen massiven Strukturwandel auslösen.
Mein Wahlkreis liegt im Hamburger Süden; mit Strukturwandel kennen wir uns aus. Diese Region wurde durch die Krisen der Werften, vom Strukturwandel der 70er-Jahre stark gebeutelt. Daher haben die Menschen in meinem Wahlkreis sehr viel Erfahrung mit Strukturwandel. Wir wissen, dass jeder Strukturwandel von umfassender Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftspolitik begleitet und abgefedert werden muss.
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Deshalb gehören zum Anforderungsprofil einer modernen Umweltpolitikerin und eines modernen Umweltpolitikers auch Kompetenzen in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.
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Deswegen ist es gut, dass eine Sozialdemokratin an der Spitze des Bundesumweltministeriums steht.
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Herzlichen Glückwunsch, liebe Svenja.
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Sozialdemokratische Umweltpolitik wirkt: Auf der einen Seite haben wir ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen CO2-Mengen für alle Bereiche verabschiedet und den Kohleausstieg beschlossen. Das ist ein echter Strukturwandel. Gleichzeitig bringen wir sehr große Mittel auf, um den von diesem Strukturwandel betroffenen Regionen zu helfen und neue Perspektiven zu entwickeln. Wir lassen die Kumpel und ihre Familien in den Kohleregionen nicht im Regen stehen,
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und wir alle wissen: Das ist eine Herkulesaufgabe.
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Diesen Weg wollen wir weitergehen: einerseits die notwendigen Entscheidungen für den Klima- und Umweltschutz treffen, andererseits die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen auffangen.
Die soziale Dimension ökologischer Nachhaltigkeit ist Gegenstand einer jüngst erschienenen Studie des Umweltbundesamtes. In der Studie „Verkehrswende für ALLE“ wird festgestellt, dass Haushalte mit niedrigen Einkommen überdurchschnittlich stark von verkehrsbedingten Emissionen betroffen sind, obwohl sie vergleichsweise wenig zur Verkehrsbelastung beitragen. Gleichzeitig sind die Preise im öffentlichen Personennahverkehr doppelt so stark gestiegen wie die Kosten für Kauf und Unterhaltung von Kraftfahrzeugen. Sozial gerechte Umweltpolitik muss hier ansetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Haushaltsentwurf 2021 unterstreichen wir unsere Verantwortung für den Umwelt- und Klimaschutz. Neben dem Etat des Umweltbundesministeriums stehen erhebliche Mittel aus dem Energie- und Klimafonds zur Verfügung. 2021 werden wir so viel wie nie zuvor in den Klimaschutz investieren. Dazu gehört die Erhöhung des Etats auf insgesamt knapp 27 Milliarden Euro. Damit werden die Mittel aus 2020 mehr als verdreifacht. Wichtige Förderprogramme zur Elektromobilität und zur Dekarbonisierung unserer Industrie sind auf den Weg gebracht, die Programme „Sozial und Mobil“ und „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ ebenso.
Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns aber nichts vor: Ohne die internationale Zusammenarbeit wird es uns nicht gelingen, den Klimawandel mit seinen Folgen in den Griff zu bekommen. In den Monaten März bis Mai dieses Jahres sind trotz Lockdowns die CO2-Emissionen nur um 17 Prozent zurückgegangen. Das hat eine internationale Forschergruppe rund um die kanadische Klimaforscherin Corinne Le Quéré jüngst ermittelt. Das ist eine bedauerlich niedrige Zahl, wenn wir bedenken, welche wirtschaftlichen Folgen die Coronamaßnahmen für unser Land haben. Das liegt daran, dass China und andere asiatische Staaten nach nur wenigen Wochen wieder zur Normalproduktion zurückgekehrt sind. Daher werden wir verstärkt auf internationale Zusammenarbeit setzen, wenn wir uns mit dem Klimawandel auseinandersetzen wollen. Für den Haushalt des Umweltbundesministeriums bedeutet das, dass internationale und europäische Klimaschutzinitiativen einen weiteren Aufwuchs erfahren, und das ist auch gut so.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Klimawandel findet statt; manchmal offensichtlich, dramatisch und spektakulär, aber meistens still und schleichend. In meiner Heimat, in Hamburg-Wilhelmsburg, sind die Deiche die Seismografen des Klimawandels. Sie werden aktuell wieder erhöht, weil die Intensität und Häufigkeit von schweren Sturmfluten zunimmt. Wir haben keine Zeit zu verlieren, wir müssen jetzt handeln – und nicht nur das Umweltministerium. Ich freue mich auf die Beratung im Haushaltsausschuss.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Martin Hohmann für die AfD-Fraktion.
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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Ministerin, wir feiern heute nicht nur Ihren Geburtstag, sondern auch das Fest des heiligen Erzengels Michael. Er gilt als der Patron der Deutschen,
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daher wohl die bekannte Wendung „der deutsche Michel“, und des jüdischen Volkes. Er wird in schwierigen Lagen zur Hilfe gerufen. Ein Blick in die umweltpolitische Situation zeigt, die Lage ist schwierig – also: Sankt Michael, hilf!
({1})
Auf der einen Seite stehen die deutschen Verbraucher; sie zahlen den höchsten Strompreis der Welt. Auf der anderen Seite steht die schwarz-rote Energiepolitik; sie führt dazu, dass ein Blackout immer wahrscheinlicher wird.
({2})
Man spricht von Flatterstrom. Die Verantwortlichen in den Schaltzentralen der Energieverteiler haben keine ruhige Minute mehr. Die ständig steigende Zahl von Windkraftanlagen produziert zwar sogenannten Ökostrom, aber eben nur, wenn der Wind weht. Weht er zu stark, wird zu viel Ökostrom produziert. Dann wird der Überschussstrom ins Ausland verschenkt, oder, schlimmer noch, die dortigen Energieversorger erhalten hohe Zahlungen, damit sie den Überschussstrom abnehmen.
({3})
Ökonomisch ist das reiner Irrsinn. Aber es gibt den Ausfallbürgen, den deutschen Michel; er muss mit der EEG-Umlage auf seiner Stromrechnung alles bezahlen.
({4})
Und wenn der Wind nicht weht? Über Jahrzehnte hatten wir ein zuverlässiges System der Grundlastversorgung.
({5})
Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke stellten diese sicher. In einem großen Konsens von Rot-Rot über Grün, Schwarz, Rot und Gelb
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haben Sie den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen.
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Es ist weltweit einmalig,
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aus beiden Energiearten zugleich auszusteigen.
({9})
Die Regierung, mit einer Physikerin an der Spitze, hat nie eine hieb- und stichfeste Prognose vorgelegt, woher der Strom nach diesem Doppelausstieg kommen soll.
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Dem Ausland ist es völlig unverständlich,
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wie ein hochentwickeltes Industrieland eine sichere Energieversorgung preisgibt, die Basis seines Wohlstandes. Das harte, aber verdiente Urteil über diese Politik lautet: „Die dümmste Energiepolitik der Welt“; so schreibt es das „Wall Street Journal“.
({12})
Die Niederlande planen neue Atomkraftwerke, weltweit werden neue Atomkraftwerke geplant und gebaut. Ihr Betrieb ist immerhin klimaneutral – das bestätigt sogar die Ikone der Umweltbewegung, Greta Thunberg.
({13})
Frau Ministerin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie haben sich geradezu verschworen, der Ideologie des Doppelausstiegs zu folgen – für die Menschen in Deutschland eine Katastrophe.
({14})
Es wird Zeit, dass unser Land zu einer realistischen Energie- und Umweltpolitik zurückkehrt – unter Verantwortung der AfD.
({15})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Rüdiger Kruse das Wort.
({0})
Herr Kollege Hohmann, ich weiß ja nicht, wann Ihre Begegnung mit dem Erzengel Michael sein wird,
({0})
aber ich glaube, so, wie Sie hier reden, wird sie nicht gut ausgehen.
({1})
Wenn – führen wir uns den Beginn der Debatte vor Augen – Herr Hilse hier davon redet, dass man Deutschland wieder groß oder großartig machen möchte, dann hat das natürlich damit zu tun, dass Sie für sich erkannt haben, dass Sie dieses Land erst mal schlechtreden müssen,
({2})
und das machen Sie permanent, in jeder Debatte. Dabei ist es in Wirklichkeit so, dass wir in einem großartigen Land leben.
({3})
Aber das heißt eben nicht, dass es nicht auch Punkte gibt, die es besser zu machen gilt. Wir sind nicht in diesem Parlament, um nur zu sagen: Deutschland ist großartig, und wir sind stolz darauf.
Wir haben jetzt eine Debatte zum Etat Umwelt, zum Thema Umwelt. Das ist mit Sicherheit ein Thema, das den Deutschen sehr, sehr wichtig ist.
({4})
Deswegen wird diese Debatte auch so geführt, deswegen bemühen wir uns darum, unsere Art und Weise, unseren Erfolg der letzten Jahrzehnte, den wir erreicht haben, in Einklang damit zu bringen, dass diese Umwelt, dass diese Natur, die wir so schätzen und lieben, auch erhalten bleibt für die nächsten Generationen.
Natürlich ist es so, dass Sie an der Großartigkeit dieses Landes keinen Beitrag hatten – weil Sie, zum Glück, nicht da waren, als das aufgebaut wurde. Wahrscheinlich wären Sie glücklich gewesen, wenn Pläne – die es ja gegeben hat –, aus Deutschland nach dem Krieg einen Kartoffelacker zu machen,
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umgesetzt worden wären. Das wäre das Land gewesen, das Sie sich gewünscht hätten, da hätten Sie zwischen dem Kartoffelkraut Ihre dumpfen Gedanken ausbringen können,
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da hätten Sie vielleicht auch eine Ernte einfahren können.
Aber Sie werden es niemals erreichen, dass die Deutschen nicht stolz auf ihr Land sind. Das können sie auch zu Recht sein. Wir stehen kurz vor einem Feiertag, der Deutschland die Wiedervereinigung beschert hat – zu der Sie auch nichts beigetragen haben.
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Ich bin auch froh, dass Sie nichts beitragen; denn jeder Beitrag von Ihnen ist ein schlechter Beitrag.
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Da ist sicherlich Einigkeit in diesem Parlament. Ansonsten ist es vollkommen richtig, dass wir uns darüber streiten, wie wir dieses Land weiter nach vorne bringen, und da gibt es verschiedene Ansätze.
Ja, Frau Lemke, Sie haben recht: Manchmal ist gestern der beste Augenblick gewesen. Das können wir nicht nachholen. Heute ist der Augenblick, wo wir es schaffen müssen.
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Es ist wichtig, zu sehen: Die Bemühungen gehen in die richtige Richtung. Können wir noch mehr machen? – Mein Wunsch ist – genauso wie es Frau Dött ausgeführt hat –, dass wir energischer an dieses Thema herangehen, dass wir zum Beispiel das Thema der Kreislaufwirtschaft aufgreifen und sagen: Wir sind in Europa ein Land, das ziemlich weit vorne ist. Aber wir können die Bremse weiter lösen. Wir müssen klare Vorgaben machen und dürfen uns nicht im Klein-Klein verstricken, sondern müssen eine Perspektive eröffnen.
Da hier über die Zukunftstechnologie Wasserstoff diskutiert und darauf hingewiesen wurde, dass es eine Haushaltssperre gibt: Das ist ein übliches Haushaltsinstrument. Wir haben hier ein großes, milliardenschweres Gesamtpaket hingestellt und haben dann natürlich gesagt: Es geht darum, genau zu schauen, welche Maßnahme man zu welchem Zeitpunkt macht. – Das ist ein vollkommen normaler Vorgang. Wir wollen doch das Parlament nicht entmachten. Haushaltssperren werden wir sicherlich noch einige ausbringen. Da mag die Regierung sagen: Das ist aber nicht nett. – Das sind wir auch nicht. Wir wollen als Parlament steuern können, und das ist eines der Instrumente, mit denen wir steuern können, damit wir, bevor Geld ausgegeben wird, noch einmal entscheiden können, wie es dann im Kleinen ausgegeben wird. Die Perspektive, die wir uns mit diesem Programm eröffnen, ist groß.
Was wir auch gesehen haben: Durch die starken Einschränkungen wegen Corona – das wurde bereits erwähnt – sind die CO2-Emissionen zwar gesunken. Aber obwohl diese Einschränkungen sehr stark waren, war der Effekt nicht groß genug, um das Problem zu lösen. Das heißt im Umkehrschluss: Durch Verzicht werden wir es nicht hinbekommen. Wir werden es nur hinbekommen durch Innovation und Aufbruch sowie durch eine grundsätzliche Veränderung.
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Genau das ist, perspektivisch gesehen, auch das Gute. Das bedeutet, dass wir eine Zukunft für wirtschaftliches Wachstum haben, wenn dieses Wachstum in die richtige Richtung gelenkt wird, nämlich nicht in ein Weiter-so, sondern in ein „Weiter nach vorne“-Kommen. Wir wollen weiter nach vorne kommen. Das können wir mit der Innovationskraft unseres Mittelstands schaffen. Dafür müssen wir Rahmenbedingungen setzen, die Planungshorizonte eröffnen. Es ist nicht so, dass kein Geld zum Investieren da wäre; das ist nicht das Problem.
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Vielmehr muss es Sicherheit geben, dass wir die Rahmenbedingungen nicht halbjährlich oder jährlich verschärfen; denn im Unterschied zum politischen Bereich kann man in anderen Bereichen nicht jede Woche zu einer neuen Bewertung kommen. Wenn man in Anlagen investiert, dann handelt es sich um Zeiträume von 15 bis 20 Jahren. Das heißt, wir müssen jetzt ganz klar anspruchsvolle Perspektiven beschließen, dann dazu stehen und sagen: So bleibt es! – Wir dürfen nicht ständig nachbessern. Das ist in Wirklichkeit gar kein Vorteil, sondern würde uns in die Situation führen, dass zu wenig investiert wird.
Allein die Ankündigung eines Wasserstoffprogramms hat in den entsprechenden Branchenbereichen – das betrifft sehr viele Felder – den Korken aus dem Flaschenhals gezogen. Es gibt nun einen Schub. Viele Unternehmen sagen jetzt: „Davon wollen wir Teil werden“, weil sie sehen, dass das ein Wachstumsmarkt ist. Dort holen wir sozusagen das nach, was wir versäumt haben, als es um die Batterietechnologie ging. Aber da gibt es kein Zurück. Deswegen konzentrieren wir uns nun auf diese Fortschrittstechnologie und werden sie voranbringen. Dazu muss jeder Etat seinen Beitrag leisten. Nachhaltigkeit findet sicherlich nicht ausschließlich in einem Etat und erst recht nicht in diesem – dafür ist er viel zu klein – statt, sondern muss als Querschnittsaufgabe dieser Regierung und dieses Parlaments gemeinschaftlich gelöst werden.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat Dr. Lukas Köhler für die FDP-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kruse, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass wir ein hervorragendes Land, ein großartiges Land sind, dass Deutschland fantastisch ist und fantastisch dasteht. Da bin ich hundert Prozent bei Ihnen. Die Untergangsrhetorik, die wir vom rechten Teil des Hauses hören, ist nicht dazu geeignet, sinnvolle Klimapolitik in den nächsten Jahren zu machen, sinnvolle Gesamtpolitik zu machen, sinnvolle Politik innerhalb Deutschlands zu machen. Ich bin bei Ihnen. Aber ich bin nicht sicher, ob der Umwelthaushalt und das Regierungshandeln geeignet dafür sind, zu entscheiden, dass es wegen der Bundesregierung oder trotz der Bundesregierung ein großartiges Land ist. Ich glaube, es gibt ein paar Hinweise darauf, warum das so ist.
Effizientes Handeln in Klima- und Umweltpolitik bedeutet vor allen Dingen, zielorientiert zu handeln und dafür zu sorgen, dass wir die Ziele, die wir uns in der Politik setzen, auch einhalten. Es gibt zwei Kriterien, die relevant sind und die wir erfüllen müssen, um zielgerichtet zu handeln. Das erste Kriterium ist, dass wir Risiken erkennen und sie ausschalten. Da muss die Bundesregierung noch ein paar Hausaufgaben erfüllen. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz weist zwei Probleme auf und birgt zwei massive Haushaltsrisiken. Das eine ist, dass – das sind Ihre Zahlen – in den ersten drei Jahren bis zu 25 Milliarden Euro an Kosten entstehen. Wenn diese 25 Milliarden Euro – weil dieses Gesetz möglicherweise verfassungswidrig ist – an die Unternehmen zurückgezahlt werden müssen – nicht an die Bürgerinnen und Bürger –, dann ist das ein Riesenhaushaltsrisiko, das Sie sich hier ins Buch schreiben und das Sie nicht adressieren und das Sie auch über eine Normenkontrolle nicht adressieren wollen. Meine Damen und Herren, wir legen uns hier ein Ei in den nächsten Haushalt, das wir vielleicht nicht ausgeräumt bekommen.
Das Brennstoffemissionshandelsgesetz ist aufgrund seiner niedrigen CO2-Preise, vor allen Dingen aber aufgrund seines fehlenden Deckels auch nicht dazu geeignet, die Klimaziele zu erfüllen.
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Das, meine Damen und Herren, ist ein weiteres Haushaltsrisiko. Weder werden die aktuellen Klimaziele der Europäischen Union noch die – Frau Dött hat das schon ausgeführt – auf 55 Prozent erhöhten Ziele erfüllt. Was bedeutet das für uns? Wir werden als Deutschland höchstwahrscheinlich Strafzahlungen über die Lastenteilung leisten müssen. Das ist ein weiteres Haushaltsrisiko, das nicht adressiert wird. Es geht nicht, dass wir diese Risiken nicht erkennen und nicht auf sie reagieren.
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Meine Damen und Herren, gerade in der Haushaltspolitik, gerade dann, wenn es um Nachhaltigkeit und Zukunftsgerechtigkeit geht, müssen wir dafür sorgen, dass Risiken erkannt und ausgemerzt werden.
Kollege Köhler, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der SPD-Fraktion?
Gerne.
Lieber Kollege Dr. Köhler, Sie kennen ja das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung, das Sie gerade geltend gemacht haben. Aber wie stellen Sie sich das denn vor? Sie haben gerade angedeutet, dass Sie einen höheren CO2-Preis und keine Einführungsphase haben wollen. Wir sehen eine Einführungsphase vor, um dann 2027 zu einem Deckel zu kommen. Sie wollen alles ganz schnell machen. Was sagen Sie eigentlich den Menschen in unserem Land, wie sie in der Übergangsphase, die Sie offensichtlich gar nicht haben wollen, auf den erhöhten CO2-Preis reagieren sollen? Wie wollen Sie denn die Unternehmen schützen? Wie wollen Sie die Wohnungswirtschaft bei der ökologischen Transformation begleiten, wenn Sie sagen, es müsse alles viel schneller laufen und von Anfang an viel teurer sein? Können Sie einmal erklären, welche Folgen dieser Marktliberalismus, den Sie gerade predigen, ohne es offen auszusprechen, für die Gesellschaft hat?
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Mit dem größten Vergnügen. Das haben wir ja auch des Öfteren schon erklärt.
Klar ist doch, dass ein CO2-Limit, das dazu geeignet ist, die Klimaziele zu erfüllen, als Ziel gesetzt werden muss. Darum herum bauen wir einen Rahmen. Aber das Ziel haben Sie nicht gesetzt.
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Das Ziel ist im Emissionshandel nicht verankert; denn der Emissionshandel funktioniert dadurch, dass die Menge das Ziel steuert. Die schnelle Ausweitung des Emissionshandels – Sie haben gerade richtigerweise gesagt, das sei möglich; wir könnten das also jetzt angehen – führt dazu, dass wir im Komplex des europäischen Emissionshandels eine Gesamtzahl an Reduktionen haben. Das heißt, die Kosten des europäischen Emissionshandels, die Kosten pro Tonne CO2 werden am effizientesten festgesetzt. So einen großen Mittelaufwuchs – dazu gibt es diverse Studien – gibt es also nicht. Das heißt, es wird nicht unendlich viel teurer, aber es wird zielgerichteter.
Hinzu kommt: Der Emissionshandel ist – das sind nicht meine, sondern die Worte der Wirtschaftsweisen – das Rückgrat der Klimapolitik. Aber zu einem Rückgrat gehört ja ein ganzer Körper. Deswegen fordern wir ein, dass zum Beispiel Investitionen in eine Wasserstoffstrategie – dazu komme ich gleich – erhöht werden, dass die Flottengrenzwerte endlich so ausgestaltet werden, dass sie CO2-neutral funktionieren können, dass die Umweltpolitik so gemacht wird, dass wir am Ende die Kosten reduzieren. Natürlich müssen wir das Geld an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben, aber nicht über die EEG-Umlage. Vielmehr müssen wir den Menschen das Geld im Haushalt zurückgeben. Wir müssen aus dem EEG mittelfristig und zuvor aus den Steuern und Umlagen aussteigen.
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– Der Kollege hat nach einer Antwort gefragt. Ich antworte ihm. Dann muss er auch zuhören, wenn er mir die Möglichkeit zum Antworten gibt. Ich habe es ihm gerade erklärt; es scheint ihm nur nicht zu gefallen.
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Das ist eine gut funktionierende, sinnvolle Klimapolitik. Aber es ist doch nicht meine Schuld, dass wir Ihnen zeigen müssen, wie Klimapolitik funktioniert.
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Meine Damen und Herren, ich glaube, ich mache mit meiner Rede weiter, weil der Punkt klar geworden ist.
Klimapolitik kann effizient und zielgerichtet funktionieren. Sie kann auch dafür sorgen, dass dieses Land wächst, dass die Wirtschaft wächst. Wir kommen zum zweiten Teil eines funktionierenden Haushaltes: Sie kann dafür sorgen, dass wir mehr Einnahmen generieren; denn, meine Damen und Herren, Wohlstand muss erarbeitet werden. Er wird nicht hier im Bundestag erarbeitet. Er wird von den Bürgerinnen und Bürgern da draußen, von den Unternehmen erarbeitet, und die müssen wir stärken; die können wir aber auch stärken.
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Kollegin Ihnen hat es schon angesprochen: Die Frage des Mittelabflusses muss geklärt sein. Denn es bringt nichts, Haushalte und Projekte aufzusetzen und dann so viel Bürokratie anzuhängen, dass niemand die Mittel abruft. Das ist Wahnsinn, weil es am Ende nicht effizient funktioniert. Das ist, glaube ich, eine der großen Herausforderungen.
Der zweite Punkt betrifft sicherlich die Nationale Wasserstoffstrategie. Frau Dött, ich habe mich sehr über Ihre Rede gefreut. Sie war ein bisschen eine Oppositionsrede. So leid es mir tut, ein bisschen war es schon so. Denn Sie sind ja in der Regierung. Sie haben die Möglichkeit, mit Ihrem Koalitionspartner dafür zu sorgen, dass die E-Fuels, die synthetischen Kraftstoffe, endlich umgesetzt werden, dass sie sowohl in der Renewable Energy Directive als auch bei den Flottengrenzwerten endlich angerechnet werden können.
Denn Märkte sind es doch, die für Innovationen sorgen. Diese Märkte anzureizen, erwarte ich von einer Bundesregierung, und das sehe ich nicht. Das sehe ich weder bei den Investitionen, die getätigt werden, noch bei den Rahmenbedingungen, die geändert werden sollen. Ich hoffe darauf, dass das noch vor dem Wahlkampf umgesetzt werden kann. Denn das gehört zu einer funktionierenden, nachhaltigen Politik; das gehört dazu, dass wir Kosten reduzieren: Märkte und Innovationen reduzieren Kosten. Auch wenn das einige in diesem Haus nicht hören wollen: Das ist der einzige Weg, wie wir wirklichen Klimaschutz erreichen können: indem wir die Kosten für die neuen Technologien reduzieren. Dazu gehört die Versorgung mit billiger Energie. Dazu gehört die Versorgung mit billiger nichtfossiler Energie. Das bedeutet: Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe.
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Zu sagen und zu denken, dass der Wasserstoff der Champagner der Energiewende wäre, ist völlig absurd. Wir müssen Wasserstoff zum neuen Öl der Energiewende machen. Das muss das Ziel sein.
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Denn wir werden überhaupt nur mit billiger nichtfossiler Energie zu mehr Klimaschutz kommen.
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– Von Champagner kann Die Linke ein Lied singen.
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Deswegen, meine Damen und Herren: Setzen wir einen anständigen Haushalt auf! Setzen wir auf Innovation und Wettbewerb! Dann schaffen wir auch Klima- und Umweltschutz.
Herzlichen Dank.
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Ich habe mich vorhin schon gewundert, woher die Kollegin Ihnen den Optimismus nahm, dass Sie unter Ihrer Redezeit bleiben. Ich bitte wirklich, nach Ankündigung des Schlusses des Beitrags auch zum Schluss zu kommen und die Zeit im Auge zu behalten.
Das Wort hat der Kollege Lorenz Gösta Beutin für die Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Frühjahr sind wir alle hier im Deutschen Bundestag aufgestanden und haben geklatscht für die Berufe, die systemrelevant sind. Heute streiken die Menschen in diesen Berufen,
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weil auf das Klatschen keine Taten gefolgt sind. Die Fahrerinnen und Fahrer von Bussen und Bahnen sind die, die systemrelevant sind, das sind die Klimahelden, das sind die, die für die Verkehrswende stehen. Deswegen senden wir ihnen heute solidarische Grüße und wünschen ihnen viel Erfolg für ihren Arbeitskampf.
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Am Wochenende war ich im Dannenröder Wald in Hessen. Dort wird ein jahrhundertealter Wald für eine Autobahn, die A 49, abgeholzt; mein Kollege Victor Perli hat es vorhin schon erwähnt. Klimaschützerinnen und Klimaschützer haben diesen Wald besetzt; denn sie wissen: In der Klimakrise bedeutet jeder Baum, der abgeholzt wird, mehr CO2 in der Atmosphäre, das nicht entzogen wird.
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Statt neue Autobahnen in diesem Haushalt vorzusehen, statt den Verbrennungsmotor weiter zu fördern, statt Güter auf die Straße zu setzen, brauchen wir eine Priorität beim Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes.
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Der Haushalt zeigt: Die Bundesregierung setzt die falschen Prioritäten. 2021 ist der Umweltetat mit 2,68 Milliarden Euro wieder der kleinste Einzelplan. Das Kanzleramt beispielsweise hat im Etat rund 1 Milliarde Euro mehr eingestellt, und – man möge sich das einmal anhören – Armee und Rüstung haben 46,8 Milliarden Euro eingestellt. Das ist 17-mal so viel wie der Umweltetat. Das zeigt das Ungleichgewicht in diesem Haushalt. Das ist das wirkliche Problem.
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Aber absurd wird es dann, wenn man sich ansieht, dass allein 47 Prozent des Umwelthaushaltes für die unmittelbaren Folgen der Nutzung von Atomenergie draufgehen, für radioaktive Abfälle und Strahlenschutz. Wie beim Kohleausstieg haben wir auch bei der Atomenergie die Situation, dass die Allgemeinheit für die Gewinne der Energiekonzerne aufkommen muss. Das ist eine falsche Weichenstellung.
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Aber wir hören nicht nur aus der AfD-Fraktion, sondern auch aus FDP und auch aus Union immer mehr Stimmen, die für ein Revival der Atomkraft einstehen.
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Schon am Beispiel des Endlagers haben wir doch gesehen, dass das Augenwischerei ist. Ich will da gar nicht von der Asse reden. Aber es ist eine Absurdität, zu glauben, für 1 Million Jahre könne man Atommüll einfach so sicher verschwinden lassen.
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Der Atomstrom ist teuer, der Atomstrom ist lebensgefährlich, und die Menschheit wird noch Tausende von Jahren dafür bezahlen müssen. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, stoppen Sie diese gefährliche Diskussion!
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Aber auch für fossile Subventionen werden weiterhin mehr als 50 Milliarden Euro Steuergelder verwendet. Zum Vergleich noch einmal: Für den Kampf gegen die Vermüllung unseres Planeten, gegen das Artensterben, für den Naturschutz und für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen sind das 2,68 Milliarden Euro. Rund 50 Milliarden Euro für fossile Subventionen! Die Bundesregierung versäumt es, hier die Weichen zu stellen. Wir müssen raus aus fossilen Investitionen, wir müssen raus aus fossiler Energie. Das bedeutet: Wir müssen die Erneuerbaren fördern. Auch das muss zentraler Bestandteil dieses Haushalts sein.
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Wir als Linke sagen: Die Bundesregierung hat es in der Coronakrise versäumt, soziale und ökologische Kriterien insbesondere für die Förderung von Konzernen aufzustellen. Hier muss nachgebessert werden. Wir sagen ganz klar: Wir brauchen eine Bundesregierung, die nicht die Politik der Konzerne macht; wir brauchen eine Bundesregierung, die für die Mehrheit der Menschen da ist.
Vielen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Lisa Badum für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir als Fränkin und Bayerin eine Vorbemerkung aus regionaler Betroffenheit. Frau Bär und Frau Weisgerber, auch Sie sind Fränkinnen, vielleicht auch noch andere hier. Ich muss sagen: Ich schäme mich für die peinlichen und die schädlichen Äußerungen der Bayerischen Staatsregierung zur Atomendlagersuche.
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Bayern hat maßgeblich mit Atommüll produziert, Bayern hat das Standortauswahlgesetz mit unterschrieben. Wie schon Franz Josef Strauß sagte: Unterschriebene, geschlossene Verträge müssen auch eingehalten werden. – Deswegen erwarte ich, dass die CSU da ihre Verantwortung wahrnimmt.
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Aus Angst ist die CSU heute auch kaum vertreten. Das verstehe ich, weil wir so einen peinlichen Anblick abgeben. Aber nicht ganz Bayern steht dahinter.
Jetzt zu Ihnen, Frau Ministerin Schulze. Ich habe ein paar Interviews von Ihnen nachgelesen. Sie haben gesagt, dass in der Klimaschutzpolitik der vergangenen Jahre Fehler passiert sind, dass da zu wenig passiert ist. Da möchte ich Ihnen ausdrücklich recht geben. Ich habe mir die Aktionen mal angeschaut: 2007 wurde das Integrierte Energie- und Klimaprogramm verabschiedet, 2014 das Aktionsprogramm 2020, 2016 der Klimaschutzplan 2050. Wenn wir jetzt, im Jahr 2020, Bilanz ziehen und fragen: „Haben wir es geschafft, der Klimakrise die Stirn zu bieten, was haben wir effektiv erreicht?“, dann müssen wir sagen: In der Bundesrepublik Deutschland ist seit 2005 kaum CO2 eingespart worden. Im Verkehrssektor ist der Ausstoß sogar gestiegen. – Das ist die skandalöse Realität, in der wir leben.
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Was bedeutet es vor Ort, wenn wir die Erderhitzung nicht stoppen können? Ich habe für Bayern aus Ihrem Ministerium eine Antwort bekommen; aber, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, für alle Ihre Wahlkreise gibt es ähnliche Antworten. Bei uns ist die Durchschnittstemperatur in den letzten Jahren um 0,8 Grad gestiegen. Wir haben mehr heiße Tropennächte. Wir haben vertrocknete Felder.
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Die Zahl der Flächen, die bewässert werden müssen, hat sich seit 2009 verdoppelt. Die Gefahr für Waldbrände ist gestiegen. Die Zahl der Hitzetoten in Städten ist gestiegen.
Ich weiß, dass Sie das genauso schockiert wie mich, Frau Schulze. Aber was mich sehr besorgt, ist, dass Sie im Ministerium die Kosten dieser ganzen Klimaschäden nicht mal dokumentieren. Das haben Sie mir auch geantwortet: Sie wissen nicht, was Kommunen, Bund und Länder insgesamt für Klimaschäden, für diese Schäden in Wasserwirtschaft, Tourismus, Bauwesen, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, ausgeben.
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Das wissen Sie nicht. Aber trotzdem zögern Sie nicht, das Geld für Maßnahmen und Anpassungen an den Klimawandel von 60 auf 22 Millionen Euro im Haushalt zu kürzen. Das sind 38 Millionen Euro weniger für betroffene Regionen und Kommunen, die wir mit den Folgen der Klimakrise alleinlassen. Das ist unverantwortlich.
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Zugleich – das haben alle Vorrednerinnen und Vorredner auch erwähnt – geben Sie weiterhin 57 Milliarden Euro Geschenke an die Öl- und Gasindustrie. Dem stellen Sie Ihr Klimapaket mit Zahlungen in Höhe von 52 Milliarden Euro bis 2023 gegenüber. Das sind zweimal Milliardenbeträge; das hebt sich gegenseitig auf. Der politische Effekt ist sozusagen gleich null.
Aber die Krone setzen Sie dem Ganzen mit dem Energie- und Klimafonds auf. Aus einem Klimafonds, würde ich denken, sollen saubere, neue Energien finanziert werden. Aber Sie bezahlen daraus zum Teil die Abwicklung von dreckigen, von alten Energien. Sprich: Die Entschädigungen an die Kohlebetreiber zahlen Sie aus dem Energie- und Klimafonds. Ich frage Sie: Soll der Klimafonds Klimaschutz oder Geschenke an diejenigen finanzieren, die in den letzten Jahrzehnten unser Klima zerstört haben, Frau Schulze? Diese Antwort hätte ich gerne von Ihnen.
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Wenn Sie hier in der Regierung wirklich verstanden hätten, was die Klimakrise bei uns bedeutet, was sie weltweit bedeutet, dann würden Sie handeln, dann würden Sie das Geld aus den fossilen Energien in erneuerbare Energien stecken, dann würden Sie uns zeigen, wie massenhaft Autos ohne Öl und Gas fahren können,
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wie wir Fahrrad-Highways quer durch Deutschland ziehen, wie wir in Nachtzügen ausgeruht ankommen. Das wäre der Spirit, Frau Schulze. Das wären die Klimaministerien, die Sie wollen. Packen Sie Herrn Altmaier und seine Klimacharta, und zeigen Sie Herrn Scheuer die Tür, damit Sie endlich eine erfolgreiche Klimapolitik in dieser Regierung machen, damit wir endlich eine Veränderung hinkriegen.
Vielen Dank.
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Für die SPD-Fraktion hat nun Dr. Nina Scheer das Wort.
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Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eigentlich direkt anknüpfen an das – das macht lebendigen Parlamentarismus ja auch aus –, was meine Vorrednerin gerade ausgeführt hat.
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Denn es ist, glaube ich, ein verbreiteter Irrglaube, dass mehr Klimaschutz immer nur bedeutet, auf das hinzuweisen, was man alles noch nicht hat. Vielmehr müssen wir darauf schauen: Was ist in der Vergangenheit gut gelaufen, und was wird verkannt?
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Meines Erachtens wird das manchmal ganz gezielt eingesetzt. Da muss ich jetzt – selbst wenn Sie, Frau Dött, gerade geklatscht haben – auch mit uns in der Koalition ein bisschen kritisch umgehen.
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Nach meiner Beobachtung ist der Einstieg in die Energiewende immer ganz gezielt mit dem Ausstieg aus der Atomenergie in der zweiten Runde, nämlich 2011 nach Fukushima, kommunikativ verknüpft worden; ganz geschickt kommunikativ. Das hat dann aber zur fatalen Folge, dass alle Energiewende- und Klimaschutzmaßnahmen, die uns bis dahin erfolgreich nach vorne gebracht hatten, ausgeblendet werden und dass das EEG als der Klimaschutzmotor schlechthin,
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nämlich durch den Ausbau erneuerbarer Energien, einfach nicht mehr wahrgenommen wird.
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Das ist kommunikativ eine „Glanzleistung“ gewesen.
Insofern appelliere ich an uns alle, nicht nur darauf zu schauen, was man zukünftig noch mehr machen muss, sondern dringend auch wieder darauf zu schauen, welche Hemmnisse in den letzten Jahren eingebaut wurden. Denn gerade von der fossil-atomaren Energiewirtschaft wurde alles getan, den Prozess hin zu erneuerbaren Energien zu verlangsamen. Welche Hemmnisse wurden eingebaut, und an welcher Stelle muss man wieder etwas abbauen, um zu dem zurückzukommen, was unter Rot-Grün 2000 mit dem EEG eingeführt wurde?
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Ich wiederhole es: Die größten CO2-Einsparungen, die wir bisher hinbekommen haben, sind über den Ausbau erneuerbarer Energien geschehen. Das ist Fakt.
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– Das ist einfach falsch, Herr Köhler. Das wissen Sie genau! Der von Ihnen so viel beschworene Emissionshandel hätte nicht ein bisschen wirken können,
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wenn man nicht die Alternativen hätte und wenn die nicht Markteinführung bekommen hätten. Das wissen Sie genau.
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Es ist Teil der Vernebelungstaktik, und es ist Teil der Verzögerungstaktik, wenn immer wieder nur auf diesen Emissionshandel abgestellt wird
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und ignoriert wird, welche Markteinführungsinstrumente man braucht und welche Anreize man braucht. Man braucht Anreize, um Alternativen zu geben.
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Und diese Alternativen müssen verstärkt gegeben werden.
Ich bin, ehrlich gesagt, erneut ziemlich verärgert über unseren Koalitionspartner; das muss ich leider sagen. Wir in der Koalition haben eine Reihe von sehr guten Ansätzen dank der SPD hinbekommen – Stichworte „Kohleausstiegsgesetz“, „Klimaschutzgesetz“. Jetzt, wo es um die Umsetzung geht, nämlich die Hemmnisse beim EEG, die ich gerade erwähnt habe, endlich zu beseitigen, da kommt auf einmal aus dem Hause Altmaier ein 20-Punkte-Programm
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– ich würde gerne meine Redezeit auch zum Reden nutzen dürfen –, in dem er nur wiederholt, was wir schon beschlossen haben, und eine Beschwörung des Emissionshandels stattfindet. Er lenkt damit davon ab, dass er im gleichen Moment eine EEG-Novelle anzuschieben hat, die endlich den Ausbau der Erneuerbaren wieder dahin bringt, wo wir einmal waren und wo wir auch wieder hin müssen.
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Es ist mir wichtig, das auch in das Zentrum der Haushaltsdebatte zu setzen, weil die ganzen Gelder, die man bereitstellt – in welchen Ressorts auch immer – nichts helfen, wenn an einer anderen Stelle an Stellschrauben gedreht wird, die die Alternativen, den Ausbau und die Generierung von neuen Jobs verhindern.
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Aber genau das passiert gerade; das passiert mit dieser EEG-Novelle.
Deswegen hat Svenja Schulze zu Recht eine Protokollerklärung an ihre Zustimmung gehängt. Anders wäre es nicht gegangen, überhaupt noch rechtzeitig ins parlamentarische Verfahren zu kommen. Insofern finde ich das einen guten Schachzug von ihr – auch noch mal von mir: Herzlichen Glückwunsch! –, dass dies so gelöst wurde. Sonst wäre die Rechnung aufgegangen, dass wir am Ende des Jahres wieder nur mit weiteren Zielbestimmungen und weiteren Punkten in Form der schon erwähnten 20-Punkte-Planung nach Hause gegangen wären und wieder keine Umsetzungsschritte bekommen hätten. Das darf so nicht passieren. Wir als SPD-Fraktion werden alles daransetzen, dass die Erneuerbare-Energien-Gesetz-Novelle auch das einlösen kann, was sie verspricht.
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Es ist noch vieles weitere zu tun. Wir haben in der letzten Sitzungswoche auch im Bereich „nachhaltige Entwicklung“ etwas beschlossen. Ich erwarte, dass die Bundesregierung dies so umsetzt, damit wir den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung weiterentwickeln. Wir als Abgeordnete haben Vorarbeit geleistet, sodass aus Nachhaltigkeitsprüfungen auch tatsächlich Nachhaltigkeitsprüfungen werden und wir die Nachhaltigkeitsziele auch wirklich in die Gesetzgebung implementiert bekommen; das will ich nur noch kurz erwähnt haben. Aber ich bin, wenn ich das richtig sehe, schon über meiner Redezeit.
Danke.
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Das Wort hat der Abgeordnete Marc Bernhard für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Geehrte Kollegen! Noch nie war die Abgabenlast für die Menschen in unserem Land so hoch und so erdrückend wie heute. Getrieben von Ihrer Klimahysterie pressen Sie den Menschen eine Steuer nach der anderen ab:
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Energiesteuer, Ökosteuer, EEG-Umlage, Stromsteuer. Und jetzt wollen Sie uns auch noch weismachen, dass eine CO2-Steuer im nationalen Alleingang
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den globalen Klimawandel aufhalten könnte.
Gleichzeitig steuern wir auf die größte Wirtschaftskrise seit 1929 zu. Die Lebenshaltungskosten steigen unaufhörlich. Und dank Ihrer völlig vermurksten Energiewende haben wir in Deutschland die höchsten Strompreise der Welt: doppelt so hoch wie in unseren Nachbarländern; so hoch, dass jedes Jahr 400 000 Haushalten der Strom abgestellt wird. Bereits 3 Millionen Menschen sind arbeitslos, 5 Millionen in Kurzarbeit, und durch Ihre Weltretterallüren vertreiben Sie noch die restlichen Arbeitsplätze aus Deutschland.
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Sie erzwingen die Elektromobilität, obwohl es die schmutzigste Antriebsart überhaupt ist, und zerstören unsere Automobilindustrie, das Rückgrat unseres Wohlstands.
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Jeder dritte Zulieferbetrieb ist in seiner Existenz bedroht, jeder zweite Mitarbeiter wird seinen Arbeitsplatz verlieren, in einer Branche mit über 2,2 Millionen Menschen.
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Ich höre es ja: Ihnen ist das ganz offensichtlich völlig egal.
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Ihr eigenes Pariser Klimaabkommen gibt dem Rest der Welt doch noch zehn Jahre Zeit, bevor er sich in irgendeiner Weise beim CO2-Ausstoß einschränken muss. Daher sollten auch wir diese zehn Jahre nutzen, in neue Technologien investieren und nicht in blindem Aktionismus die Zukunft unserer Kinder zerstören.
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Denn es gibt bereits neue Technologien und Lösungen wie synthetische Dieselkraftstoffe, die sofort den CO2-Ausstoß um 60 Prozent verringern würden; aber Sie blockieren die Zulassung aus rein ideologischen Gründen. Was Sie hier machen, ist eine einzige Abrisspolitik, die die Bürger abzockt, Arbeitsplätze vernichtet und die Umwelt zerstört, und das Ganze ohne irgendeinen Nutzen.
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Das Konzept Ihrer CO2-Steuer nannte man im Mittelalter Ablasshandel. Wenn Sie tatsächlich glauben, den Klimawandel mit einer Steuer stoppen zu können, werden Sie vermutlich morgen auch noch eine Antivirussteuer gegen Corona einführen.
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Das Wort hat Dr. Anja Weisgerber für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist bislang gut durch die Krise gekommen. Deutschland ist auch deshalb gut durch die Krise gekommen, weil wir eine nachhaltige und sehr vernünftige Haushalts- und Finanzpolitik machen. Warum ist diese Haushalts- und Finanzpolitik klug?
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Weil wir investieren. Der Bund investiert, nimmt Geld in die Hand. Der Bund hilft den Unternehmen mit Sofort-, mit Überbrückungshilfen. Wir haben jetzt auch ein Konjunkturpaket verabschiedet, um die Folgen der Pandemie, des Lockdowns abzumildern und Arbeitsplätze zu sichern. Wir nehmen Geld in die Hand, um aus der Krise durchzustarten, und gleichzeitig sagen wir auch ganz klar: Im kommenden Jahr muss die Schuldenbremse wieder eingehalten und die Neuverschuldung zurückgefahren werden. Denn das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit und der Nachhaltigkeit, meine Damen und Herren.
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Wir haben in der letzten Sitzungswoche eine Nachhaltigkeitswoche auf die Tagesordnung gesetzt. Wir reden nicht nur, wir handeln auch. Ich bin stolz, dass wir Umwelt- und Klimapolitiker Einfluss auf dieses Konjunkturprogramm genommen haben in dem Sinne, dass wir jetzt in die Zukunft investieren. Corona hat uns gelehrt, dass wir präventiv handeln müssen, dass wir nachhaltig aus dieser Krise durchstarten müssen, dass wir uns gleich für die nächste Herausforderung, den Klimawandel, der im Moment schon intensiv greift, wappnen müssen, dass wir dem begegnen müssen. Wir investieren mit diesem Konjunkturpaket 40 Milliarden Euro in den Umwelt- und Klimaschutz, in Umwelt- und Klimainnovation, zum Beispiel in die Innovationsprämie, in Flottenaustauschprogramme, in das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, in Wasserstoff. Das ist ein starkes Signal für Innovation und Zukunft.
Zur Wahrheit gehört auch, dass wir mit diesem Haushalt die Mittel für den Klimaschutz verdreifachen. Deswegen sage ich ganz klar an die Adresse der Opposition: Hören Sie doch einmal auf mit dem Märchen, dass wir nicht in Klimaschutz investieren! Das stimmt einfach nicht.
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Als Nächstes: Hören Sie auf mit dem Märchen, dass die Regierung, dass der Bundestag nichts für Klimaschutz macht! Wir haben ein Klimapaket auf den Tisch gelegt – wir haben dieses Klimapaket verabschiedet,
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sind jetzt in der Umsetzung –, das seinesgleichen sucht, mit einem Klimaschutzprogramm mit 60 Maßnahmen, mit dem Klimaschutzgesetz, mit Monitoring, mit Zielen in den Sektoren, und wir geben CO2 einen Preis. Das ist ein umfassendes Paket, das es in der Geschichte der Bundesrepublik so noch nicht gegeben hat.
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Und jetzt sage ich auch an die Adresse der Opposition: Eine solche Kraftanstrengung haben auch die Grünen unter Rot-Grün nicht hinbekommen. Das gehört zur Wahrheit dazu. Die Grünen haben damals die Chance verpasst, ein solches Paket zu verabschieden.
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– Ja, das gehört zur Wahrheit dazu. Man merkt an Ihrer Rede, dass Ihnen die Argumente bezüglich der Kritik an diesem Paket ausgehen.
Es ist ein gutes Paket. Warum ist das Paket gut?
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Wir führen jetzt einen Emissionshandel für Wärme und Verkehr ein. Wir sind damit Vorreiter in ganz Europa. Dass dieses marktwirtschaftliche Instrument, das keine CO2-Steuer ist, wie Sie immer versuchen zu behaupten,
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funktioniert, sehen wir im Bereich Industrie und Energie. Durch den europäischen Emissionshandel sind in diesem Bereich die CO2-Emissionen nachhaltig zurückgegangen. Dieses marktwirtschaftliche Instrument funktioniert, und deswegen ist es jetzt auch der richtige Weg, dass wir in den Bereichen Wärme und Verkehr dieses Instrument auf nationaler Ebene einführen. Ich bin stolz darauf, dass wir mit dieser Einführung eine Bewegung in ganz Europa ausgelöst haben, dass Ursula von der Leyen jetzt bekannt gegeben hat, dass die Europäische Union für die Bereiche Wärme und Verkehr schon im nächsten Jahr ein Gesetzgebungspaket auf den Tisch legen wird, um den Emissionshandel EU-weit auf Wärme und Verkehr auszuweiten. Das ist der konsequente und richtige Schritt, dieses Herzstück des Klimaschutzes auch europaweit auszuweiten. Dafür haben wir gesorgt, meine Damen und Herren.
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Wir machen einen nationalen Emissionshandel mit Augenmaß. Wir berücksichtigen, dass wir die Akzeptanz der Menschen behalten müssen und dass wir auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Arbeitsplätze berücksichtigen müssen,
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was die FDP komplett außen vor lässt. Wenn die FDP sagt: „Der Preis soll sich ausschließlich am Markt bilden“, ja, dann müssen Sie aber auch Ihren Unternehmen, die Sie angeblich vertreten, sagen, dass der Preis dann durch die Decke schießt. Wenn man den europäischen Emissionshandel ausweiten will, dann führt das letztendlich dazu, dass der Verkehr diese ganzen Rechte wegkauft und es für die Industrie noch schwieriger wird. Das gehört zur Wahrheit dazu; an dieser Stelle muss man die FDP stellen, meine Damen und Herren.
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Zu dem Thema „Akzeptanz der Menschen“ möchte ich noch sagen: Wir nehmen die Einnahmen und deckeln damit die EEG-Umlage.
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Das ist eine ganz wichtige, richtungsweisende Entscheidung; denn wir müssen dafür sorgen, dass, wenn wir in Zukunft immer mehr auf Strom aus erneuerbaren Energien umsteigen, der Strompreis stabil bleibt, perspektivisch soll die EEG-Umlage – das hat heute der Finanzminister Scholz gesagt – komplett wegfallen.
({12})
Das ist unser Ziel. Wir machen eine nachhaltige Finanzpolitik, die auch auf Klimaschutz und Innovationen ausgerichtet ist. Das ist unser Weg, und das ist der richtige Weg.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Karsten Möring für die CDU/CSU-Fraktion.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir machen das arbeitsteilig: Meine Kollegin Weisgerber hat eben mit einem Argument der FDP widersprochen, weil das einfach nicht logisch ist, was Herr Köhler von sich gegeben hat,
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und ich stürze mich jetzt auf eine Bemerkung von Herrn Bernhard, die er eben gemacht hat. Herr Bernhard hat behauptet: Weil in Deutschland die Strompreise doppelt so hoch sind wie in Frankreich, haben wir 5 Millionen Arbeitslose.
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– Dem Sinne nach, Herr Bernhard; ist gut. – Ich weiß aber nicht, ob Sie zur Kenntnis nehmen, dass die Arbeitslosenzahlen, auch wenn die Preise für Strom in Frankreich vielleicht nur halb so hoch sind wie bei uns, wesentlich höher sind als bei uns.
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Wie kommt das denn jetzt zustande?
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Die Logik, die Sie dort anwenden, funktioniert nach folgendem Muster: Das Einkommen hängt von der Schuhgröße ab.
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Wissen Sie, warum? Wenn wir die Einkommen derjenigen Menschen mit einer großen Schuhgröße auf der einen Seite und die Einkommen derjenigen Menschen mit einer kleineren Schuhgröße auf der anderen Seite betrachten, dann sehen wir, dass diejenigen mit den größeren Schuhen das höhere Einkommen haben. Daher kommt übrigens der Spruch: auf großem Fuße leben.
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Aber Sie wissen natürlich in Wirklichkeit nicht, warum es so ist; denn die größeren Schuhe werden in der Regel von Männern und die kleineren Schuhe von Frauen getragen. In der Realität sind die Einkommen der Männer insgesamt größer als die der Frauen.
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Über die Ursachen will ich nicht reden. Aber nach diesem Muster funktioniert Ihre Argumentation,
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und das ist nicht sinnvoll.
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Jetzt komme ich zu dem Thema, um das es hier geht. Frau Ihnen, Sie haben vorhin beklagt, dass die Verschuldung sehr hoch ist und für die Umwelt nichts passiert. Ich möchte Sie trösten, und eigentlich hätten Sie sich selbst daran erinnern können, weil Sie ja beteiligt sind. Ungefähr 40 Prozent des Haushalts unseres Umweltministeriums wird gar nicht vom Steuerzahler getragen. 40 Prozent – sogar etwas mehr als 40 Prozent – wird aus dem Kernenergieentsorgungsfonds bezahlt.
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Der wiederum wird aus den Geldern gespeist, die die Unternehmen abgegeben haben, damit wir als Staat für die Entsorgung und die Zwischenlagerung sorgen und bezahlen – aber nicht mit Steuerzahlergeld, sondern mit dem Geld der Unternehmen.
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– Ja, sonst hätten sie das auch nicht zahlen können, Herr Beutin. Das ist auch eine Form von Logik, die Sie mal lernen müssen.
Ich möchte an dieser Stelle gerne die Gelegenheit nutzen, um zu sagen, welche Rolle der KENFO für die Entsorgung der Kernenergiereste spielt, weil es nämlich wichtig ist. Auf die gesamte Zeit der Entsorgung brauchen wir diese Mittel. Jetzt liegen sie ungefähr bei 1,14 Milliarden Euro im Haushalt. Davon bezahlen wir die gesamte Endlagersuche beispielsweise; davon bezahlen wir Schacht Konrad, die Asse. All diese Punkte bezahlen wir aus diesen Mitteln, die den Steuerzahler jetzt nicht belasten.
Damit das so bleibt, legt dieser Fonds Geld an. Und ich kann Ihnen sagen – das weiß Frau Ihnen auch –: Das tut er mit so großem Erfolg, dass wir selbst in der Coronazeit noch Gewinne mit diesem Fonds machen, weil er nachhaltig anlegt und wir ein gutes Management haben. Dafür, dass wir ein gutes Management haben, sorgen wir im Kuratorium; da sind wir uns doch wieder einig.
Wenden wir uns also jetzt mal dem Punkt zu, der für den Haushalt so wichtig ist, nämlich die Frage der Entsorgung des atomaren Mülls. Wir haben am Montag gerade einen Zwischenbericht bekommen. Und voller Erstaunen haben der eine mit Begeisterung und ein anderer vielleicht mit weniger Begeisterung festgestellt, dass das Ergebnis des Verfahrens das Herausfallen von Gorleben aus der weiteren Untersuchung ist.
Ich möchte an eines erinnern: Es gibt einen fundamentalen Unterschied zur Situation vor 50 Jahren, als man sich auf einen Standort, Gorleben, verständigt hat, der dann auf seine Eignung untersucht wurde. Der Streit darüber, ob er geeignet ist, dauerte über Jahrzehnte an.
Was wir jetzt machen, ist ein völlig anderes Verfahren. Wir haben Kriterien aufgestellt, und wir machen ein vergleichendes Verfahren. Wir wollen nicht wissen, ob ein Standort, den wir einfach aussuchen, geeignet ist, dass man dort sicher lagern kann, was man im Laufe der Zeit positiv oder negativ erkennen kann, sondern wir suchen auf diese Weise den bestmöglichen Standort. Deswegen ist es auch richtig, dass wir in der Anfangsphase, in der wir jetzt sind, auf einer weißen Landkarte alle Gebiete identifizieren, die von der geologischen Voraussetzung her infrage kommen. Nur diese Punkte werden jetzt untersucht. Alles andere folgt im nächsten Schritt.
Deswegen kann ich nur jedem, der sich jetzt aufregt und sagt: „Ich muss mich wehren; vielleicht kommt ein Endlager zu uns“,
({11})
einmal abgesehen davon, dass wir einen Standort brauchen, –
Herr Kollege – –.
– sagen: Er soll dafür sorgen, dass die Leute sich nicht unnötig Sorgen machen. Er soll teilnehmen an dem Prozess, den wir transparent gestalten, und er soll mitmachen, sich informieren. Wenn wir das sorgfältig und vertrauensvoll durchführen, –
Kollege Möring, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Hilse?
– werden wir zu einem guten Ergebnis kommen. – Herr Hilse kann gleich noch eine Intervention machen.
Das Wort erteilen Sie nicht.
Genau.
Ein letztes Wort zum Stichwort „Bayern“.
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Es kann doch keiner bestreiten, dass der bayerische Ministerpräsident gesagt hat: Wir Bayern blockieren dieses Verfahren nicht. Wir machen es mit – kritisch. – Das kann man ja niemandem verdenken. Ich gehe auch sicher davon aus.
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Die Bayern haben bisher über ihre geologischen Landesämter die Daten geliefert, die wir gebraucht haben. Sie haben das Verfahren mitgemacht. Sie haben es mitbeschlossen. Keiner will das gerne haben; völlig klar. Irgendwo wird es landen.
Wir sorgen dafür, hier in diesem Hause mit unserer Gesetzgebung in der nächsten Wahlperiode, dass das Verfahren richtig weitergeht und die nächsten Standorteingrenzungen dazu führen, dass wir nicht mehr über 54 Prozent des Bundesgebiets reden, sondern über eine deutlich kleinere und dann intensiver zu untersuchende Fläche. Wenn Sie daran mitwirken und nicht die Bewohner auf die Bäume treiben und dann hinterherkriechen – man kommt irgendwann schwer wieder herunter –, dann ist das Verfahren positiv und gut.
Verzeihen Sie mir die 15 Sekunden mehr. Ich danke Ihnen für die Geduld und wünsche uns alles Gute und ein erfolgreiches Verfahren.
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Ich erteile dem Abgeordneten Hilse das Wort zu einer Kurzintervention.
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Kurzintervention zulassen. – Herr Möring, ich wollte Ihnen eigentlich nur eine ganz kurze Frage stellen, nämlich ob Sie mit mir übereinstimmen, dass Sie mit dem Verfahren, das Sie jetzt durchführen, in dem erst einmal 90 Gebiete zur Auswahl gestellt worden sind, die noch weiter untersucht werden sollen, Streit provozieren zwischen den einzelnen Gebieten, die sich vehement dagegen wehren. Wir haben ja gesehen, was da in Bayern passiert ist. Haben Sie mit einberechnet, dass es dazu kommen wird?
({0})
– Ach Mann, lassen Sie mich doch einfach ausreden. Habe ich jetzt eine sehr schlimme Frage gestellt, oder was?
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Herr Möring, das war alles, was ich Sie fragen wollte, nämlich ob Sie das letztendlich mit bedacht haben. – Mehr wollte ich eigentlich gar nicht wissen.
Wollen Sie antworten, Herr Kollege? – Dann bitte.
Ja, Herr Präsident. – Wir haben das mit bedacht. Es ist auch sinnvoll, wenn den Menschen gleichzeitig gesagt wird, dass dieses Verfahren dazu dient, den geeigneten Standort zu finden, nicht aber, irgendjemandem einen Standort aufzudrücken.
Herzlichen Dank. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich – –
({0})
– Oh!
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Herr Kollege Gädechens, ich bitte vielmals um Entschuldigung. Von Schleswig-Holstein zu Schleswig-Holstein: Sie haben jetzt das letzte Wort.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem das Präsidium gewechselt hat und die Schleswig-Holstein-Connection jetzt hier im Plenum präsent ist,
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freue ich mich, dass wir heute wie schon vor einem Jahr eine ähnlich lebendige Diskussion zum Einzelplan 16 haben, in dem es um Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geht. Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Seit dieser Debatte vor einem Jahr hat sich unser Leben grundlegend geändert; es ist mehrfach benannt worden. Wir leben in einer Pandemie.
Diese Pandemie hat nicht nur Auswirkungen auf unsere Umwelt- und Naturschutzpolitik, sondern insbesondere auch auf die Haushaltspolitik. Wir haben in diesem Jahr schon zwei außergewöhnliche Nachtragshaushalte hier in diesem Hause beschlossen und sind mit dem Regierungsentwurf für den Haushalt 2021 jetzt fast wieder im regulären Rhythmus. Auch hier wird schnell klar, wie umfassend die Auswirkungen sind, nicht nur mit Blick auf Umwelt und Naturschutz, sondern auch mit einem geschärften Blick auf unsere Staatsfinanzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf Initiative der CDU/CSU-Fraktion haben wir in der letzten Woche intensiv über das Thema Nachhaltigkeit debattiert. Meiner Fraktion ist es ein großes Anliegen, diesen Begriff aus der politischen Verengung zu lösen. Ziel ist die Bewahrung der Schöpfung und damit die Gestaltung unseres Lebensraumes in einer Art und Weise, sodass nicht nur wir, sondern auch die nachfolgenden Generationen ein gutes Leben auf diesem Erdball führen dürfen.
Damit meint Nachhaltigkeit natürlich ganz besonders den Umwelt- und Klimaschutz, darüber hinaus aber noch viel mehr. Nachhaltigkeit ist ein Grundprinzip in allen Politikfeldern. Für mich als Haushaltspolitiker gilt das insbesondere für unsere Staatsfinanzen, natürlich gerade mit Blick darauf, dass wir unseren Kindern und Enkelkindern nicht nur eine heile Welt hinterlassen, sondern kommenden Generationen auch keinen riesigen Schuldenberg überlassen. Auch das ist ein gutes Stück nachhaltige Politik.
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Dieses Ziel unter den Auswirkungen der Coronapandemie zu erreichen, ist anspruchsvoll. Die Große Koalition stellt sich dieser Verantwortung und wird sie auf Grundlage eines guten Regierungsentwurfes am Ende dieser Haushaltsberatungen erfolgreich meistern. Dabei wird es in den kommenden Beratungen vor allen Dingen darauf ankommen, jede Ausgabeposition genau zu durchleuchten – diese Mühe machen wir uns – und in ihrer Sinnhaftigkeit zu hinterfragen. In den vergangenen Jahren konnten wir dank sprudelnder Steuereinnahmen viele Wünsche erfüllen. Mit dem Blick auf eine Rekordneuverschuldung in diesem und angesichts einer immer noch signifikanten geplanten Neuverschuldung von 96 Milliarden Euro im nächsten Jahr sind diese „goldenen Zeiten“ auf absehbare Zeit erst einmal vorbei. Das werden wir leider auch im Einzelplan 16 zu spüren bekommen.
Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Regierungsentwurf liegt ein aus meiner Sicht zunächst einmal ausgewogener Haushaltsentwurf vor. Damit werden wir Kurs halten und die notwendigen Mittel für Umwelt-, Klima- und Naturschutz bereitstellen. In diesem Sinne kann ich Ihnen, Frau Ministerin, nur zustimmen: Mit dem Bundeshaushalt 2021 sind Investitionen in den Klima- und Umweltschutz in beachtlicher Höhe geplant. Der hierfür einschlägige Energie- und Klimafonds, aus dem die nationalen Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden, wächst erneut deutlich auf nun 42 Milliarden Euro auf. Damit unterlegen wir die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms mit der notwendigen Finanzierung und werden so unserer Verantwortung für einen schnellen und effektiven, zugleich aber auch menschenverträglichen Klimaschutz gerecht. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Nachhaltigkeit pur.
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Neben den Bereichen Umwelt-, Klima- und Naturschutz haben wir aber noch ein etwas ungeliebtes Stiefkind, um das wir uns gerade mit Blick auf die Haushaltsauswirkungen intensiv kümmern müssen. Dabei geht es um die Entsorgung nuklearer Abfälle. Mein Vorredner Karsten Möring hat darauf hingewiesen: Schon jetzt stehen im Bundeshaushalt jährlich über 1 Milliarde Euro für diese wichtige Aufgabe zur Verfügung. Auch hier geht es natürlich um Nachhaltigkeit, wollen wir diese Abfälle doch sicher und dauerhaft lagern, damit unsere Kinder und Kindeskinder keine negativen Auswirkungen befürchten müssen. Umso wichtiger ist es, dass die Suche nach einem neuen Endlagerstandort, die diese Woche ja hohe Wellen geschlagen hat, in aller Gründlichkeit und Nachvollziehbarkeit weitergeführt und erfolgreich beendet wird. Hier ist weiterhin – da wiederhole ich das, was Karsten Möring gesagt hat – die wissenschaftliche Expertise gefordert, bevor eine politische Bewertung erfolgen kann.
Meine Damen und Herren, es stehen noch schwierige Haushaltsverhandlungen vor uns. Die Leichtigkeit der letzten Jahre, in denen immer genug Geld vorhanden war, wird uns fehlen. Umso mehr sind wir jetzt gefordert, im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel, wie es immer so schön heißt, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. In diesem Sinn bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf unsere gemeinsamen Beratungen, bis wir dann in der zweiten und dritten Lesung diesen Haushalt beschließen werden.
Frau Ministerin, ich gratuliere Ihnen nicht nur zum Geburtstag; als letzter Redner darf ich Ihnen dann auch noch einen schönen Geburtstag wünschen. Ich hoffe, diese lebendige Debatte zum Einzelplan 16, zum Haushalt Ihres Hauses, hat Sie erfreut und bereichert.
In diesem Sinn, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Bleiben Sie alle negativ in der Pandemie! Denn wenn Sie ein Negativattest bekommen, dann ist das in der Coronakrise positiv.
Herzlichen Dank.
({3})
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrtes Parlament! Auf die Afrikanische Schweinepest gehe ich in dieser Haushaltsrede nicht ein. Zu dieser Frage sind wir im permanenten parlamentarischen Kontakt.
Verehrte Kollegen, die Coronapandemie hat unser Leben, das Arbeiten von uns allen beeinflusst, so auch das unserer Landwirtinnen und Landwirte und der Lebensmittelbranche. Ihre Systemrelevanz ist deshalb nicht nur so dahingesagt. Dass wir trotz zeitweise geschlossener Grenzen jeden Tag mit Lebensmitteln versorgt waren und sind, gilt uns in der Regel als selbstverständlich. Aber in der Coronahochzeit ist es uns noch mal besonders bewusst geworden: Wenn unsere Bauern aufhören, zu ackern, haben wir alle ein Problem.
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Es muss also in unser aller Interesse sein, dass Bauernfamilien Freude an ihrem Beruf haben und dass sie sich nicht in erster Linie dafür rechtfertigen müssen, was sie tun. Es muss in unser aller Interesse liegen, dass in der Landwirtschaft tätige Familien mit ihrer Arbeit ein auskömmliches Einkommen erzielen. Und warum? Damit auch die junge Generation Lust darauf hat, Höfe zu übernehmen.
Lebensmittel zu erzeugen, das hat Sinn, nämlich uns zu ernähren. Aber Nahrungsmittelproduktion geht auf Dauer nicht gegen die Akzeptanz von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Konsument und Produzent, sie schauten mal gemeinsam in eine Richtung. Heute macht sich der Eindruck eines Gegeneinanders breit. Hohe Erwartungen gibt es auf der einen Seite an die anderen, an die Bauern, nämlich nach mehr Tierwohl, noch mehr Klima- und Umweltschutz, mehr Nachhaltigkeit, mehr Biodiversität und auch nach bezahlbaren Lebensmitteln. Auf der anderen Seite steht die Forderung der Landwirte, dass diese hohen Erwartungen mit entsprechenden Verbraucherpreisen und Ausgleichszahlungen unterlegt werden. Denn welcher Landwirt, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte mit Freude jahrelang drauflegen und das auch noch seinen Kindern empfehlen?
Ich will, dass Verbraucher ihren Landwirten vertrauen. Und ich will, dass Landwirte mit Zuversicht die Weiterentwicklung ihrer Arbeit angehen. Die Antwort auf diese Anforderungen ist dieser Zukunftshaushalt der Großen Koalition. Dieser Haushalt ist ein ganz klares Bekenntnis dazu.
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Wir sagen Ja zu den ländlichen Räumen, Ja zu starken, wettbewerbsfähigen Bauernhöfen, Ja zu einer innovativen Ernährungswirtschaft am Standort Deutschland, Ja zum größten Aufforstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und Ja zum größten Stallumbauprogramm für mehr Tierwohl. Auch das setzen wir auf die Tagesordnung unserer EU-Ratspräsidentschaft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich lege erneut einen Rekordhaushalt vor: für die Land- und Ernährungswirtschaft, für die ländlichen Räume, den Wald, die Nachhaltigkeit, das Tierwohl, den gesundheitlichen Verbraucherschutz, die Fischerei. 7,66 Milliarden Euro, diese Zahl steht für eine Zukunftszusage.
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Denn das, was wir von landwirtschaftlicher Erzeugung mehr erwarten und was die Arbeit unserer Landwirte teurer macht, müssen wir ausgleichen. Ja, liebe Kollegen, ich will, dass unsere Bäuerinnen und Bauern in Deutschland weitermachen.
Die Landwirtschaft steht vor vielen Zielkonflikten, Umwelt- und Klimaschutz auf der einen und Erntesicherung auf der anderen Seite. Ich will es konkreter sagen: Weniger Schädlingsbekämpfungsmittel sind gesellschaftlich gewünscht. Fällt aber der komplette Schutz für die Pflanze weg, ist die Ernte gefährdet, die Ressourcen aber auch.
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Wunsch und Wirklichkeit liegen oft sehr weit auseinander: perfektes Obst und Gemüse in ausreichender Menge zu bezahlbaren Preisen, am liebsten hergestellt ganz ohne Pflanzenschutzmittel und ganz ohne Düngung, höchste Tierwohlstandards, große Ställe und Freilauf, am liebsten zu ganz günstigen Preisen an der Ladentheke. Aber wie soll das gehen? Die Lösung liegt nicht nur, aber eben auch in der richtigen Finanzierung und nicht im Entweder-oder.
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Wir als Ministerium setzen deshalb auf Innovationen, die sich in der Praxis bewähren. Das sind Ställe der Zukunft, die mehr Tierwohl bieten, moderne Maschinen, digitale Technologien, die Dünger präziser ausbringen, Böden schonen, die Arbeit erleichtern und zugleich Geld sparen. Übersetzt in unseren Haushaltsentwurf heißt das: Das Investitions- und Zukunftsprogramm Landwirtschaft ist 2021 mit 207 Millionen Euro unterlegt. Insgesamt sind das in den kommenden vier Jahren sage und schreibe 816 Millionen Euro für unsere deutsche Landwirtschaft.
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Damit unterstützen wir die Landwirte ganz konkret, um Wirtschaftsdünger emissionsärmer zu lagern, umweltfreundlicher aufzubringen. Wir fördern die Entwicklung von Geräten, um Pflanzenschutzmittel einzusparen und präziser auszubringen. Das wollen die Verbraucher. Das wollen auch die Landwirte. Das will auch die Ernährungswirtschaft, und das will auch der Handel, aber umsetzen müssen es die Landwirte. Deshalb benötigen gerade die Landwirte mehr als alle anderen in der Kette unsere Unterstützung.
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Ich sage ganz klar: Wer fordert, muss auch fördern, damit ein Umsetzen möglich ist. Wir fordern mehr Tierwohl; wir fördern den Umbau der Ställe. Dafür nehmen wir 300 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket in die Hand. Das hat es in diesem Umfang noch nie zuvor gegeben. Das macht die Große Koalition,
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für bessere Ställe, für mehr Tierwohl, für mehr gesellschaftliche Akzeptanz und mehr landschaftliche Planbarkeit. Zudem richten wir mit fast 40 Millionen Euro Tierwohlkompetenzzentren ein, entwickeln die Ställe der Zukunft. Mit Blick auf den Boden gibt es die Ackerbaustrategie: Mit 24 Millionen Euro für Forschung und Förderung des modernen Pflanzenbaus machen wir den Ackerbau fit für die Zukunft, angepasst an den Klimawandel. Es geht um Bodenfruchtbarkeit, abwechslungsreiche Fruchtfolgen, passgenaue Düngung. Und Landwirte wollen die Grundlagen ihrer Arbeit schützen, und sie tun dies durch Insektenschutz. Mit dem Sonderrahmenplan Insektenschutz stellen wir sage und schreibe 85 Millionen Euro zur Verfügung; denn wir als Große Koalition sagen Ja zum Insektenschutz und zum Ernteschutz. Aber wir sagen Nein zum Schädlingsschutz und zur Ressourcenvernichtung.
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So, liebe Kollegen, geht Umweltschutz, so geht Artenschutz, so geht Ernteschutz: machen statt klagen, helfen statt hängen lassen. Hier sind wir Vorreiter. Wir sind Treiber einer Entwicklung für die Landwirtschaft – mit Augenmaß. Nicht gegen, sondern mit den Bauern, nicht gegen, sondern mit den Verbrauchern. Genau deshalb investieren wir in die Digitalisierung, in digitale Forschungsfelder; denn wir wollen Arbeit erleichtern und präziser machen, Ressourcen schonen und am Ende auch den Geldbeutel schonen. Das ist gut für die Entwicklung in den ländlichen Räumen.
Aber wir vergessen die Landwirte auch nicht in schwierigen Situationen, bei Unfällen, bei Krankheit, im Alter. Wir nehmen über 4 Milliarden Euro für die landwirtschaftliche Sozialpolitik in die Hand. So stärken wir denen den Rücken, die uns jeden Tag den Tisch decken. Das ist in unser aller Interesse.
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Verehrte Abgeordnete, noch einen Gedanken zu den zusätzlichen 30 Millionen Euro, die nicht im Haushalt zu finden sind, aber für die landwirtschaftliche Krankenkasse eingesetzt werden. Diese zusätzlichen 30 Millionen Euro kommen aus dem Gesundheitsfonds. Das habe ich mit Gesundheitsminister Spahn ausgemacht und auch mit dem Kabinett vereinbart. Das hat zur Folge, dass die Beiträge stabil bleiben, dass sie nicht steigen. Das sind Zeichen der Wertschätzung gegenüber der Landwirtschaft.
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Eine weitere Wertschätzung, die man kaum besser fassen kann, betrifft unseren Wald, eine Jahrhundertaufgabe. Stürme, Dürre, Borkenkäfer – der Wald leidet wie nie zuvor, und wir helfen ihm so stark wie nie zuvor: 800 Millionen Euro mit den Ländern zusammen und jetzt noch einmal 700 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket, um Wälder zu räumen, um wieder aufzuforsten. Klimaresiliente, standortangepasste Mischwälder werden gepflanzt. Wir führen in Deutschland erstmalig eine Nachhaltigkeitsprämie ein. 1,5 Milliarden Euro für diesen Wald. Ich kann nicht glauben, dass die Grünen, die viel über den Wald reden, so etwas überhaupt hinbekommen hätten.
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Wald hat etwas mit Lebensqualität zu tun, aber das Land auch. Deshalb fördern wir das Ehrenamt auf dem Land. Wir fördern gleichwertige Lebensverhältnisse. Wir wollen, dass am Ende Stadt und Land nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten.
Ich möchte schließen mit einem ganz wichtigen Punkt, der uns alle verbindet, das Essen. Im November kommt der Nutri-Score. Und ich werde Ihnen sagen: Diesen Nutri-Score werden mehr nutzen als alle, die dagegen sind, die jetzt darüber reden und sagen, er werde nie kommen. Er wird kommen, und er wird breit genutzt werden.
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Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe Ihnen zu Beginn dieser Legislatur versprochen: Die gesunde Wahl wird einfacher werden. – Wir sind sehr erfolgreich mit unserer Ernährungspolitik – nicht mit Verboten; dafür sind andere zuständig. Wir haben erreicht, dass bei den Fertigprodukten Zucker, Salze und Fette merklich reduziert werden. Wir gehen den Weg. Wir reden nicht darüber, wir machen. Und am Ende sage ich Ihnen ganz klar: Weil wir verändern, können wir das bewahren, was uns wichtig ist.
Herzlichen Dank.
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Herzlichen Dank, Frau Ministerin. – Nächster Redner ist der Kollege Wilhelm von Gottberg, AfD-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Klöckner! Zunächst eine kritisch-zornige Bemerkung:
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Es ist nicht in Ordnung, dass uns der zu erörternde Haushaltsplan erst am vergangenen Freitag vorgelegt wurde. Das Budgetrecht ist das wichtigste Instrument des Parlaments zur Kontrolle der Regierung. Dieses Recht hatten sich die Parlamentarier schon in vordemokratischen Zeiten erkämpft. Wir können nicht schweigend hinnehmen, dass dieses Budgetrecht durch die ganz kurzfristige Vorlage des Haushaltsplans eingeschränkt wird.
({1})
Der Agrarhaushalt 2021 hat gegenüber 2020 einen Aufwuchs von 9 Prozent auf rund 7,7 Milliarden Euro. Dass dieser Teilhaushalt auch für das Verschwinden der schwarzen Null verantwortlich ist, darf nicht übersehen werden; denn im Finanzplan des Bundes für den Einzelplan 10 waren für die Jahre 2021 und 2022 jeweils 6,5 Milliarden Euro vorgesehen. Durch Corona ist die Missachtung dieses Planansatzes nicht zu begründen.
Ein flüchtiger Blick auf den Planentwurf gibt wenig Grund zur Kritik: 200 Millionen Euro für Stallumbauten zur Verbesserung des Tierwohls bei der Sauenhaltung, eine erste Tranche in Höhe von 250 Millionen Euro für das Investitions- und Zukunftsprogramm, ein weiterer Aufwuchs bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Im Bereich der Nachhaltigkeit wird die Förderung des ökologischen Landbaus fortgesetzt. Das Sozialstaatsgebot bei der sozialen Sicherung der Menschen wurde beachtet.
Aber bei den Haushaltsberatungen darf der Blick auf die Situation der Bauern und Landwirte nicht fehlen. Wir haben die düstere Perspektive der Schweinemäster wegen der ASP vor 14 Tagen hier im Hause erörtert. Die Ministerin hat Hilfe versprochen. Wann und wie?
Die Lage der Milchbauern ist keinen Deut besser. Die Milchbauern erhalten deutschlandweit durchschnittlich 28 Cent je Liter Milch. Um den Milchviehhaltern einen angemessenen Lohn zu gewähren, damit sie wirtschaftlich über die Runden kommen, müsste der Milchpreis auf etwa 38 Cent je Liter ansteigen. Die Milchbauern machen derzeit bei einer durchschnittlichen Milchviehherde von 100 Kühen etwa zwischen 3 000 und 5 000 Euro Minus, und dies bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 85 bis 90 Stunden. Der ruinöse Milchpreis kommt auch durch eine falsche Politik zustande. Die Russlandsanktionen der Bundesregierung haben vonseiten Russlands bereits einen Importstopp von deutschen Milchprodukten zur Folge.
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Frau Bundeskanzlerin, verbessern Sie die Situation der Milchbauern durch Aufgabe der Russlandsanktionen!
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Die Kartoffelbauern haben in diesem Jahr umsonst gepflanzt und geerntet. Der derzeitige Preis für einen Zentner Kartoffeln beträgt irgendwo zwischen 1 und 2 Euro. Die Kartoffelpreise für Verarbeitungsware am europäischen Terminmarkt verfielen in kurzer Zeit von 17 Euro auf weniger als 2 Euro je 100 Kilogramm. Natürlich: Die Coronapandemie hat im Wesentlichen den Kartoffelmarkt zusammenbrechen lassen. Bisher hält die Regierung Marktstützungsmaßnahmen für nicht erforderlich. Wann, wenn nicht jetzt? Das ist widersprüchlich. Es gibt keine Marktstützungsmaßnahmen für den Kartoffelanbau, aber 41,5 Millionen Euro für eine Ackerbaustrategie, um den Landwirten zu erklären, welche Fruchtfolge sie einzuhalten haben. Oder: Einerseits gibt es 200 Millionen Euro für Tierwohlmaßnahmen bei Schweinen, andererseits aber keinen Cent Beihilfe für die private Lagerhaltung von Schweinefleisch zur Stützung des Marktpreises.
Deutlicher als je zuvor tritt beim Haushaltsentwurf 2021 zutage, dass die verpflichtenden Grundsätze, nämlich Wahrheit und Klarheit sowie Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, nicht beachtet wurden. Ein Beispiel: Die Personalkosten bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung haben gegenüber dem Haushalt 2020 einen Aufwuchs von 12,3 Millionen Euro zu verzeichnen. Aber im Haushalt 2020 war bereits an dieser Stelle ein Aufwuchs von 15,3 Millionen Euro zu registrieren. Weitere derartige Beispiele lassen sich im Entwurf finden. Für Kürzungsvorschläge ist reichlich Luft nach unten. Wir werden entsprechende Vorschläge machen.
Abschließende Bemerkung. Wir begrüßen alle Bemühungen zur Verbesserung des Tierwohls. Die Vorschläge der Borchert-Kommission dazu sind hilfreich. Wir haben für die Einsetzung der Kommission, mit dem exzellenten Fachmann Borchert an der Spitze, Frau Klöckner Respekt gezollt. Aber Grundsatz muss sein: Bauernwohl vor Tierwohl.
Danke.
({4})
Vielen Dank, Herr Kollege von Gottberg. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Rainer Spiering.
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Herr Präsident! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen!
Was du ererbt von deinen Vätern hast,erwirb es, um es zu besitzen!Was man nicht nützt, ist eine schwere Last.
Das ist nicht von Rukwied, sondern von Goethe.
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Wenn Sie das einmal sinnbildlich auf die heutige Zeit übertragen, erkennen Sie: Das ist nicht eine Verpflichtung für die Landwirtschaft, sondern eine Verpflichtung für alle Väter und Mütter in diesem Land. Das heißt im Klartext: Wir haben das zu erhalten, was man uns in einem guten Zustand gegeben hat: Boden, Luft und Wasser. Das ist sinnbildlich das, was Goethe uns mitgibt, was wir für unsere Kinder und Kindeskinder zu schützen haben.
({1})
Kein Wirtschafts-, Öko- und Sozialbereich ist so komplex wie die Landwirtschaft. Es gibt keine einfachen Antworten. Wir hatten gestern ein Gespräch mit der Initiative „Land schafft Verbindung Deutschland“. Ich werde jetzt ein paar Punkte nennen, die man uns mitgegeben hat: Anerkennung, faires Verhalten, angemessene Verteilung von Mitteln im Einklang mit Gesellschaft und Landwirtschaft, Stärkung regionaler Kulturlandschaft, Steigerung der Wertschöpfung in der Landwirtschaft. Kurz: Man kann besser an der Landwirtschaft Geld verdienen als in der Landwirtschaft. Das, Kolleginnen und Kollegen, haben wir zu ändern.
Eine Kernbedingung dafür ist ein gemeinsames Fundament und das wahre Benennen der Zielkonflikte. Ich möchte jetzt auf ein paar Felder eingehen: Wenn wir die Landwirtschaft nüchtern als einen Teil von Ernährungswirtschaft betrachten, dann haben wir es mit drei unabhängigen Wirtschaftskreisläufen zu tun, die ineinander greifen. Das sind die Landmaschinentechnologie, die Saatgutindustrie, die Chemie, dann die Landwirtschaft als Produktionszweig selber und dann nachgelagert der gesamte Bereich der Fleischindustrie, der Fleischverarbeitung und des Lebensmitteleinzelhandels. Ich würde mich jetzt gern jedem einzelnen Feld zuwenden.
Wenn wir uns dem Bereich der Landmaschinentechnologie, der Saatgutherstellung und der Chemie nähern, dann stellen wir fest: durch die Bank gut bezahlte Arbeitsplätze, ordentliche Verhältnisse an den Arbeitsplätzen, hohe Erträge durch hohe Innovationskraft. Das wird gespeist durch wissenschaftliche Leistung und durch die Tätigkeit der jeweils dort anwesenden Kolleginnen und Kollegen. Hier ist es unsere Aufgabe, deutlich besser zu unterstützen.
Die Firmen sind dazu in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen. Tun wir das als Staat auch? Sind wir genügend ausgerüstet mit 4 G/5 G, mit Breitband? Nein. Wir können unsere Intelligenz nur auf die Felder bringen, wenn der Staat dort seine Aufgabe wahrnimmt. Da besteht, Kolleginnen und Kollegen, durchaus Verbesserungsbedarf.
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Wir brauchen eine deutlich bessere Verzahnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem, was wir tun.
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Wir sind aber in diesem Bereich in der Lage, es zu tun. John Deere und The Climate Corporation halten jeweils Datensätze für 40 Millionen Hektar. Unsere landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst nur 17 Millionen Hektar. Haben wir die Datensätze dazu? Haben wir die Kenntnisse? Nein. Da muss man die Frage stellen: Warum haben wir sie nicht? Weil wir weder die Infrastruktur aufbauen noch die gesetzlichen Regelungen schaffen, um dafür Sorge zu tragen, dass die Daten und Datenmengen an ihre jeweiligen Adressaten kommen. Da besteht deutlicher Verbesserungsbedarf. Wir müssen endlich die IT-Plattform der Bundesrepublik Deutschland für die Landwirtschaft an den Start bringen.
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Das Ziel bei allem Vorgehen muss sein, die natürlichen Ressourcen sorgfältig einzusetzen, und zwar nach einem alten Schlosserspruch: So wenig wie möglich und so viel wie nötig. Davon, Kolleginnen und Kollegen, sind wir, weil wir nicht digitalisiert sind, weil wir nicht die Verzahnung der Datensätze haben, leider noch weit entfernt. Aber wir haben als SPD eine Forderung für den Haushalt aufgestellt: Wir möchten, dass alle Güllefässer in Deutschland GPS-ausgerüstet sind, wir alle Verfahrwege kennen, wir den jeweils Eintragenden und den jeweils Austragenden kennen, damit die Datensätze vorliegen und wir diejenigen, die Verursacher sind, benennen können und vor allen Dingen die, die nicht Verursacher sind, schützen können.
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Ich komme zur Afrikanischen Schweinepest und zum Export. Wie hoch ist der Preis? Der Import großer Mengen an Futtermitteln und ein großer Eigenverbrauch an Wasser haben eine Nitratbelastung und den Verlust von Phosphor zur Folge, und das bei einem Preis von 1,27 Euro pro Kilogramm Fleisch. Das ist ökologisch sinnlos, sozial sinnlos und leider auch ökonomisch sinnlos.
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Die Antwort muss sein: Weniger ist mehr. Das bedeutet: Wir wollen bessere Tierhaltungssysteme, größere Ställe, mehr Licht, mehr Luft, bessere Lebensbedingungen für die Tiere, weniger Tiere, mehr Geld für den Landwirt für die Erzeugung der Tiere.
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Dazu haben wir einen Forderungskatalog zur Förderung der regionalen Vermarktung aufgestellt: Obst und Gemüse für Kindergärten, Schulen, Universitäten und die großen Mensen der Betriebe, welch ein Absatzmarkt. Aber wir müssen ihn fördern. Wir müssen auch die regionalen Schlachthöfe fördern. Hubertus Heil hat mit seinem Gesetz dafür gesorgt, dass die ganz großen Schlachthöfe in ihrer Konkurrenzsituation gegenüber den kleinen Schlachthöfen geschwächt werden. Und deswegen unterstützen wir nachhaltig den Gesetzentwurf von Hubertus Heil. Ich hatte letzte Woche Gespräche mit großen Fleischverarbeitern. Die haben im Regelfall kein Problem mit Werkverträgen. Die haben im Regelfall kein Problem mit Zeitarbeitsverträgen. Aber sie haben ein Problem damit, dass die vier großen Schlachthöfe permanent Gesetze unterlaufen. Und deswegen müssen wir Hubertus Heil nachhaltig unterstützen.
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Ein letztes Wort an die Kolleginnen und Kollegen aus dem Südwesten. Ich hatte Ihnen versprochen – und das werden wir halten –, wegen der Situation im Handwerk auf Hubertus Heil zuzugehen. Wir werden keine Zugeständnisse bei der Zeitarbeit machen. Wir werden keine Zugeständnisse bei den Werkverträgen machen. Aber wir werden uns dafür einsetzen, dass sich die Situation des Handwerks verbessert und es den Machenschaften der Schlachtindustrie Paroli bieten kann.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
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Vielen Dank, Herr Kollege Spiering. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Ihnen, FDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz Coronakrise haben unsere Landwirte unermüdlich gearbeitet. Im Homeoffice kann man eben keine Felder bestellen, und unsere Versorgung mit Lebensmitteln in dieser außergewöhnlichen Zeit hätte man im Homeoffice auch nicht sicherstellen können. Dafür gilt den Landwirten in Deutschland mein persönlicher, aber, ich denke, auch unser aller aufrichtiger Dank.
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Vielen landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland geht es aber nicht so gut. Es ist kaum noch aufzuzählen, welche Belastungen Land- und Forstwirte in den vergangenen Monaten und Jahren hinnehmen mussten. Mit Regulierung, Bürokratie, praxisfernen Vorgaben, die über ihre Köpfe hinweg beschlossen wurden, macht man keine Politik für systemrelevante Berufe. Das rächt sich eben jetzt.
Ein paar Beispiele: Die Düngeverordnung sorgte für Aufruhr in der Landwirtschaft. Der Einsatz von Glyphosat steht vor dem Aus, aber Sie, Frau Ministerin, haben nicht für rechtzeitigen Ersatz an neuen Pflanzenschutzmitteln gesorgt.
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Das Wasserhaushaltsgesetz wurde geändert und die Bewirtschaftung von Flächen eingeschränkt. Und weitere neue Auflagen drohen und hängen wie ein Damoklesschwert über unseren Landwirten. Doch um daran etwas zu ändern, müssten eigentlich ein Konzept und der Wille zur Gestaltung aus dem Haushalt ersichtlich sein. Das können wir nicht erkennen. Zukunft gestaltet man eben nicht, indem man sie verbietet; Zukunft gestaltet man mit Innovationen und Mut. Sie aber haben nur einen einzigen Lösungsansatz: noch mehr Geld.
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Der Haushaltsentwurf für 2021 sieht insgesamt 7,6 Milliarden Euro vor, davon 4,2 Milliarden Euro für die landwirtschaftlichen Sozialsysteme. Neu in dem Haushaltsentwurf – Sie haben es selber angeführt –: gut 200 Millionen Euro für Güllelagerung, 200 Millionen Euro für Stallumbauten, 85 Millionen Euro für Insektenschutzmaßnahmen. Dahinter verbirgt sich aber am Ende des Tages ja nur eines, Frau Ministerin: Sie stellen Subventionen bereit, und im Gegenzug haben die Landwirte Ertragseinbußen und Vorschriften zu akzeptieren. – Das ist aus unserer Sicht weder wirtschaftlich, noch ist es effizient.
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Liebe Frau Ministerin, es gibt den schönen Satz von Laotse: „Wer kein Ziel hat, kann auch keines erreichen.“ Ich sehe im vorliegenden Haushalt kein großes Ziel, das Sie verfolgen, abgebildet. Es ist zu wenig im Bereich Digitalisierung; der Kollege hat es angesprochen. Fakt ist auch, dass die Bundesregierung keine Politik mit den Landwirten macht, sondern über ihre Köpfe hinweg.
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Wir als Freie Demokraten wünschen uns – das ist unser Ziel –: Landwirtschaftspolitik mit den Menschen, die im Landwirtschaftssektor arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ministerin hat gesagt, sie wolle heute über die Afrikanische Schweinepest nicht sprechen.
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Ich will darüber sprechen. Die Afrikanische Schweinepest ist im Land und belastet unsere Schweinehalter ganz massiv. 1 Million Euro haben wir Ihnen hier im Bundestag im Nachtragshaushalt 2020 auf Ihren Antrag hin bewilligt – für einen auf polnischer Seite zu bauenden Zaun. Der steht bis heute nicht, und die Schweinepest ist da. Und auch die Schweinepest ist doch eine Art von Pandemie. Deswegen verlangen wir, dass Sie das Krisenmanagement zu Ihrer persönlichen Chefsache machen.
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Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten unterstützen, dass Sie, Frau Ministerin, sich jetzt für ein europäisches Tierwohlkennzeichen einsetzen. Aber was soll dann Ihr nationales, freiwilliges und teures Tierwohllabel noch? Seit einem Jahr ist da nichts passiert, und schon wieder stehen dafür im Haushaltsentwurf fürs nächste Jahr 20 Millionen Euro. Ich glaube, wir haben das oft genug gerügt, Frau Ministerin. Die Zeit ist gekommen, das Label endlich zu vergessen.
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Wir haben in Deutschland großflächige Waldschäden. Es stehen im Haushalt – in diesem Jahr wie im neuen Entwurf – massive Summen für Waldumbau und Aufforstung. Doch die Programme laufen leider nur sehr schleppend an. Bis heute haben Sie es nicht geschafft, für die Waldhilfen, die wir mit dem Konjunkturpaket bewilligt haben, eine Förderrichtlinie auf den Weg zu bringen. Das Geld, das der Bundestag bewilligt hat, kommt in unseren Forsten nicht an. Es ist bezeichnend, dass Sie zur heutigen Lesung des Haushaltes noch keine Istzahlen zu den Mittelabflüssen in diesem Jahr durch Ihr Haus haben vorlegen lassen. Das empfinde ich ein bisschen als Zumutung. Wir erwarten da mehr Tempo.
Wohl und Funktionsfähigkeit unserer Land- und Forstwirtschaft sind Ihnen, Frau Ministerin, anvertraut. Deshalb erwarten wir von Ihnen Akzente für eine Politik mit den Landwirten, Akzente für eine Digitalisierung. Und diese Akzente spiegelt der Haushaltsentwurf bisher nicht wider.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Ihnen. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster, Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es eben in der Rede zum Umweltetat schon gesagt: Egal in welchen Haushalt man schaut – es ist zu erkennen, dass diese Regierung ein Jahr vor der Bundestagswahl keine neuen Projekte wagt. Alle nicht exponentiell sichtbaren Probleme werden wohl an die nächste Regierung delegiert.
Aber wir alle wissen doch: Das aktuelle Haushaltsjahr ist wiederum eine große Herausforderung für die Menschen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft – zunächst die Waldkrise, dann die Coronakrise und nun auch noch die Afrikanische Schweinepest. In dieser Krise werden aber einige Dinge klar: Zusammenhalt und kooperatives Handeln sind für die Zukunft Deutschlands und Europas gerade angesichts der aktuellen, aber auch der kommenden Krisen existenziell.
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Und der Schutz der Natur, der Tiere sowie der Menschen in der Gesellschaft ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die Entwicklung der ländlichen Räume, insbesondere der strukturschwachen Gebiete, ist wichtiger als je zuvor.
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Neben der noch immer unzureichenden und nicht zielgenauen Bedarfsförderung im Osten Deutschlands zeichnet sich aber auch ab, dass sich weite Teile des nördlichen, westlichen oder auch südwestlichen Deutschlands in einem neuen Schwellenzustand befinden. Wird hier insgesamt nicht entschlossen gehandelt, um die deutlich erkennbaren Strukturschwächen anzugehen, werden die Menschen weiter stärker in die Städte ziehen. Es ist schon lange fünf vor zwölf, und für strukturschwache ländliche Räume erst recht. Das ist eine gesamtgesellschaftliche, ressortübergreifende Aufgabe, die die Regierung bis heute so nicht begriffen hat.
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Und es stellt sich die Frage, ob dafür eine Umverteilung von Haushaltsmitteln im Einzelplan 10 ausreicht oder ob die Bundesregierung es schafft, ihren „Plan für Deutschland“, den ja auch Frau Ministerin Klöckner unterschrieben hat, als Gemeinschaftsaufgabe von historischer Bedeutung zu begreifen und entsprechend zu handeln.
Bisher ist es nicht erkennbar, welchen Kurs die Bundesregierung im nächsten Jahr einschlagen wird. Die verfügbaren Zahlen des Einzelplans 10 vor den Beratungen mit den Berichterstattern in den Ausschüssen verweisen jedoch stark auf ein Weiter-so. Hier gibt es nur wenige, marginale Veränderungen zum Vorjahresetat, was vermuten lässt, dass wir alles im Griff haben oder auch alles prima läuft. Dem muss ich leider entschieden widersprechen.
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Wie soll mit diesem Finanzpaket der dringend notwendige, aber immer wieder nur angekündigte sozialökologische Umbau der Landwirtschaft gelingen? Meine Damen und Herren, Herausforderungen werden leider nicht durch ein Weiter-so bewältigt. Was wir im nächsten Haushaltsjahr erwarten, ist die Umsetzung längst fälliger und bereits versprochener Reformen für die Bäuerinnen und Bauern, insbesondere um den sozialökologischen Umbau in der Landwirtschaft voranzutreiben.
Ich will zwei Beispiele nennen. Die Landwirtschaft kann einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen ökologischen, ökonomischen und sozialen Entwicklung in den ländlichen Räumen leisten. Das Stichwort hierzu lautet „Regionalisierung“.
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Vollmundig wird sie im Koalitionsvertrag angekündigt durch ein – ich zitiere –: „klares Bekenntnis zur bäuerlichen und regional verwurzelten Landwirtschaft.“ Seit 2017 ist das ein Lippenbekenntnis, mehr leider nicht.
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Ich erinnere an unseren Antrag „Regionale Ernährungssysteme stärken“, der sich gerade im parlamentarischen Verfahren befindet. Hier zeigt Die Linke auf, was zu tun wäre, um gesunde Ernährung so zu organisieren, dass landwirtschaftliche Produktion und regionale lebensmittelverarbeitende Betriebe in den ländlichen Räumen mit den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher verknüpft und langfristig und nachhaltig gestaltet werden. Noch ist es nicht zu spät, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Nachdem Sie zumindest im Ausschuss unseren Antrag gelobt haben, um ihn dann trotzdem abzulehnen, könnten Sie in der zweiten und dritten Lesung vielleicht über Ihren Schatten springen.
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Es ist also nicht so, dass es keine guten und machbaren Vorschläge gäbe, sie kommen halt nicht von der Regierung.
Eine regionale Produktion von gesunden Lebensmitteln ist immer stark verknüpft mit der Ernährungswirtschaft. Die Diskussion über eine Politik für eine nachhaltigere Ernährung – so lautet auch der Titel einer kürzlich veröffentlichen Studie eines komplexen Gutachtens, dass das Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat – fehlt bislang weitgehend in der öffentlichen Debatte. Das Gutachten macht aber deutlich, dass der Konsum von Lebensmitteln wesentlich von der Ernährungsumgebung – dazu gehören zum Beispiel Werbung und soziale Medien sowie der Zugang zum Angebot von Lebensmitteln – beeinflusst ist. Eine stärker konsumorientierte Ernährungspolitik würde dazu beitragen, dass die hierzulande zunehmende Ernährungsarmut verringert wird. Sie fördert die Gesundheit jedes Einzelnen und hilft darüber hinaus bei der Erreichung der Klimaschutzziele.
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Eine beitragsfreie und qualitativ hochwertige Kita- und Schulverpflegung – das fordern wir Linke schon lange – ist eine wesentliche Empfehlung aus dem Gutachten.
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Die Ministerin wird zu dem Gutachten wie folgt zitiert: Politik muss lernen, dass Gutachter auch manchmal aufschreiben, was man nicht gern hört. – Ich sage: Politik ist gut beraten, wenn sie sich von wissenschaftlichem Sachverstand leiten lässt.
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Um die ebenfalls erforderliche Transformation in der Landwirtschaft ernsthaft einzuleiten, Artenvielfalt zu fördern, in Klima- und Naturschutz zu investieren und die Bäuerinnen und Bauern bei der Umstellung auf ökologische Verfahren zu unterstützen, würde die Umschichtung der Mittel von maximal 15 Prozent von der ersten Säule in die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik auf europäischer Ebene ein Zeichen setzen. Mit der Festlegung Deutschlands auf eine Umschichtung von 6 Prozent bleiben die Bereiche jedoch massiv unterfinanziert, und die Ziele, die Frau Klöckner hier vorgetragen hat, werden dadurch sicher nicht erreicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch offene und ungelöste Aufgaben sind die Umsetzung der Ackerbaustrategie, der Umbau der Stallhaltung, des Insektenschutzes und auch die Hilfen für den Wald. Aber auch hier zeigen sich aus unserer Sicht fundamentale Fehlentwicklungen. Nun legen Sie ein dreiteiliges Förderprogramm für Wald und Holz vor. Ein Teil ist ein 500 Millionen Euro starkes Programm, das Prämien für besonders nachhaltige Forstwirtschaft vorsieht. Bisher ist aber gar nicht klar, wie die Richtlinien zur Verteilung dieser Gelder aussehen sollen. Wir reden über Hunderte von Millionen, und keiner weiß, wie sie verteilt werden sollen. Das beklagten im Übrigen auch die Agrarminister auf ihrer letzten Konferenz in der vergangenen Woche.
Stichwort „Umbau der Stallhaltung“: 300 Millionen Euro stehen für den Umbau nach der neuen Nutztierhaltungsverordnung zur Verfügung – das finden wir gut –, aber der beantragende Viehhalter oder die beantragende Viehhalterin soll binnen 15 Monaten, also bis spätestens 31. Dezember 2021, das gesamte Stallumbauprojekt umsetzen, inklusive Projektierung, Baugenehmigung, Baufertigstellung und Abrechnung. Wir alle wissen, das ist unmöglich. Allein die Einholung einer emissionsschutzrechtlichen Genehmigung dauert schon mindestens ein Jahr. Offensichtlich gab es bei der Erstellung des Programms keine Rückkopplung mit möglichen Antragstellern. Das ist weltfremd und reiner Aktionismus, oder aber es wurde bewusst gemacht, um die 300 Millionen Euro nicht zur Auszahlung zu bringen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, zurück zum ländlichen Raum. Aus Sicht der Fraktion Die Linke reicht es nicht, den ländlichen Raum mit zentral ausgedachten Förderprogrammen zu alimentieren; bei BULE wollen Sie sogar kürzen. Hier müssen wir vielmehr klotzen und dürfen nicht kleckern. Zum Beispiel mit der Ansiedlung von Bundesbehörden und Ressortforschungseinrichtungen kann der Wandel strukturschwacher Regionen angeregt werden. Erste Erfolge können wir dabei verbuchen; Vorrednerinnen und ‑redner haben darauf Bezug genommen, auch ich habe mit dem im Aufbau befindlichen Waldkompetenzzentrum in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern allen Grund, stolz zu sein. Wichtiges Ziel dabei muss sein, den ländlichen Raum in die Lage zu versetzen, die ihm innewohnenden Potenziale selbstständig und nachhaltig zu erschließen. Dazu sind Wissen und neue Denk- und Handlungsansätze notwendig, und die entstehen vornehmlich durch Forschung und Lehre. Die Ansiedlung neuer sowie der Ausbau und die Spezialisierung vorhandener Hoch- und Fachschulen im ländlichen Raum ist ein Gebot der Stunde, vor allem aber eine Voraussetzung, um Perspektiven für die Zukunft in dem ländlichen Raum zu schaffen und wissenschaftlich zu begleiten, um das gesamtgesellschaftliche nachhaltige Leben weiter zu organisieren.
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Die Linke möchte, dass die verfügbaren Mittel so eingesetzt werden, dass durch ihre Verwendung der größtmögliche Entwicklungsschub in Richtung einer sozialökologischen und damit zukunftsfesten Agrarstruktur und eines selbstbestimmten, sich wirtschaftlich selbsttragenden Aufschwungs im ländlichen Raum genutzt werden kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was in diesem Etat allerdings komplett fehlt, ist ein Haushaltstitel für die Zahlung einer Weidetierprämie.
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Schäferinnen und Schäfer, die täglich mit der Weidetierhaltung auch wichtige Umweltaufgaben erledigen, werden dafür nicht honoriert. In 27 anderen europäischen Ländern ist das möglich.
Bitte kommen Sie zum Schluss.
Unser Ministerium versäumt sogar absichtlich die Anmeldefristen in Brüssel, um diesem Berufsstand die notwendige Unterstützung zu verwehren. Da meckern nicht nur die Schafe.
Danke schön.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Bluhm-Förster. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Etatentwurf – so muss man sagen – beendet diese Regierung ihre Arbeit, und das ist auch gut so. Viele Herausforderungen gab es in den letzten drei Jahren im Bereich „Ernährung und Landwirtschaft“, und was machen Sie, Frau Ministerin? Sie treten hier auf und jonglieren mit Zahlen und sagen: „Großartig, so viel Geld gab es noch nie“, aber Sie beantworten nicht die Frage, wohin das Geld fließen soll.
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– Ja, das ist die Haushaltsberatung, aber wissen Sie: In den Haushaltsberatungen legt man nicht nur fest, wie viel Geld man ausgibt, sondern man muss auch sagen, wofür man das Geld ausgibt. Noch besser wäre es, man würde es sinnstiftend einsetzen und Antworten geben und Probleme lösen.
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Sie haben den Haushalt schöngeredet, aber keinen Weg aufgezeigt, wie die Mittel verwendet werden. Das bleibt völlig offen.
Was ist los? Nach drei Jahren Dürre fürchten die Bauern die nächsten Dürrejahre, weil zum entscheidenden Zeitpunkt kein Wasser und zu anderen Zeitpunkten zu viel Wasser vorhanden ist. Die Bauern wollen endlich faire Preise für die Produkte ihrer Arbeit gezahlt bekommen. Es besteht die Notwendigkeit, endlich regenerativ zu arbeiten und die Biodiversität und das Klima zu schützen. Was tun Sie? Geben an mit 300 Millionen Euro hier und noch 24 Millionen oder 30 Millionen Euro da. Meine Damen und Herren, aus Geld allein wird kein Programm, das Probleme löst.
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Alles, was Sie tun, ist, eine Zukunftskommission Landwirtschaft einzusetzen, die am Ende der Wahlperiode sicher ihre Ergebnisse vortragen wird. Denen haben Sie aber nicht einmal zugesagt, dass Sie in der Zwischenzeit keine Fakten schaffen werden. Nein, uns erzählen Mitglieder, dass von der Ministerin noch gesagt wurde: Bei der GAP-Reform in Brüssel haben sie nicht mitzureden. – Meine Damen und Herren, hier läuft die Showveranstaltung mit der Zukunftskommission Landwirtschaft, die ihre Ergebnisse nächsten Sommer passend zum Wahlkampf veröffentlichen wird, und zeitgleich werden mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik auf europäischer Ebene für die nächsten Jahre Fakten geschaffen, und zwar genau für die Jahre, in denen ein Umsteuern organisiert werden müsste.
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Und noch schlimmer: Sie blockieren die GAP-Reform in Brüssel sogar und machen sie zu einem Papiertiger. Was ist denn Ihr Vorschlag? Die Eco-Schemes, die Öko-Regeln, könnten in der ersten Säule zu einer Veränderung führen, indem die Gemeinwohlleistungen der Landwirte wirklich honoriert werden können, wenn die Felder kleiner werden, Hecken und Stoppelacker vorhanden sind und keine Chemie eingesetzt wird. Wir könnten an dieser Stelle eine echte Gemeinwohlprämie einsetzen.
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So würde man Respekt zeigen. Es geht nicht darum, nur respektvoll darüber zu reden.
Wir haben noch zwei Jahre Übergangszeit. Und Frau Klöckner setzt sich dafür ein, dass die Eco-Schemes, die Öko-Regeln, in den ersten zwei Jahren nach Inkrafttreten ausgesetzt werden können und es doch wieder zu den dürren, reinen Direktzahlungen kommt. Meine Damen und Herren, das sind doch wieder vier verlorene Jahre, und zwar nicht nur in Bezug auf die Geldausgabe. Wir helfen den Bauern auf diese Weise nicht nur nicht, sich umzustellen, sondern honorieren sie für das Umstellen auch nicht.
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Sie haben genauso Ihren Unwillen ausgedrückt, die zweite Säule zu unterstützen, über die konkrete Projekte finanziert werden. Meine Damen und Herren, so geht es im wahrsten Sinne des Wortes nicht. Und jetzt, nachdem Sie Fakten geschaffen haben – deshalb sitzt die CDU/CSU-Fraktion, glaube ich, auch etwas stinkig oder emotional erschöpft in den Sesseln –,
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laden Sie die Fraktionsvorsitzenden für morgen kurzfristig zu einem weiteren Showtermin ein, den Sie damit überschreiben: Man sollte jetzt mal mit dem Bundestag über die Zukunft und den Umbau der Tierhaltung reden.
Frau Ministerin, erst Fakten schaffen, eine Borchert-Kommission einberufen, eine Zukunftskommission einrichten, in Brüssel Fakten schaffen und danach sagen: Könnten wir mal bitte diskutieren? – Nee, so wird keine Zukunft der Landwirtschaft daraus, und so wird auch kein Gesellschaftsvertrag daraus, Frau Ministerin.
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Mein letzter Satz: Sie loben sich für den Bereich Ernährung, aber auch dort werden Sie der Aufgabe, etwas gegen Lebensmittelverschwendung und ernährungsbedingte Erkrankungen, gegen Übergewicht zu tun, nicht gerecht. Alles freiwillig, alles nur im Interesse der Industrie gedacht.
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Sie schützen nicht mal die Kinder, um deren Gesundheit wir uns sorgen müssten. Wir müssten überlegen, ob man für Softdrinks für Kinder überhaupt werben darf und ob man vielleicht den Zucker in Softdrinks besteuern muss. Nein, meine Damen und Herren, Sie können in diesem Haushaltsentwurf gern mit Zahlen jonglieren, aber es wird Zeit für ein anderes, ein ehrgeiziges, ein angemessenes Programm.
Frau Kollegin, bitte.
Es wird Zeit, dass endlich etwas getan wird, wovon die Bauern etwas haben.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Albert Stegemann, CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Frau Künast, gestatten Sie mir einen Kommentar zu Ihrer Einschätzung, wie wir uns hier darstellen: Sie sitzen mit sechs Personen in Ihrer Fraktion.
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Wenn ich in unsere Reihen schaue, dann kann ich sagen: Ich sehe dort viel mehr Elan, viel mehr Leute. Also sollten Sie sich etwas zurückhalten.
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Sie stellen sich hier als Reformerin der Landwirtschaft dar, können aber Ihre Kollegen noch nicht mal ermuntern, ins Parlament zu kommen; das ist schon traurig.
Ich will mich an dieser Stelle zunächst einmal ganz herzlich bei Julia Klöckner für diesen Haushaltsentwurf bedanken und an dieser Stelle auch einen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium richten. So einen Haushaltsentwurf zu erarbeiten, ist unheimlich viel Arbeit. Dafür schon mal ganz herzlichen Dank!
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Ich will aber auch einen herzlichen Dank an unseren Berichterstatter Christian Haase aussprechen. Er wird dafür sorgen, dass das Ganze auch wirklich ein rundes Paket wird. Wir als Haushaltsgesetzgeber werden das dann natürlich vernünftig verabschieden. Dafür schon mal ganz herzlichen Dank.
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Wir beraten diesen Haushalt in Krisenzeiten, bedingt durch die Coronapandemie. Wir haben alle gesehen, dass dieser Lockdown einiges mit unserem Land gemacht hat, auch mit unserer Wirtschaft. Vor allem die Bereiche Ernährung und Landwirtschaft waren betroffen. Wir haben gesehen, dass Grenzschließungen auch Lieferketten unterbrochen haben. Wir haben gesehen, dass wir große Probleme hatten, Saisonarbeitskräfte auf die Höfe zu bekommen. Wir haben auch gesehen, dass Restaurants schließen mussten, dass teilweise Wochenmärkte gar nicht öffnen konnten. Das waren ganz große Herausforderungen, aber ich finde, wir haben das angesichts der Größe der Herausforderungen hervorragend hinbekommen.
Deswegen danke ich an dieser Stelle noch mal der Bundesregierung, auch noch mal namentlich Julia Klöckner. Ich glaube, wir haben die Dinge gut auf den Weg gebracht. Ich will mich aber auch bei den anderen Ministerien bedanken. Wir haben ja auch sehr gut mit dem Bildungsministerium und dem Innenministerium zusammengearbeitet. Ich denke, der Dank ist angebracht.
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Ich glaube, dass wir hier heute das Fundament für eine wirtschaftliche Erholung legen. Wir müssen anerkennen, dass der Arbeitsmarkt wirklich ganz erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde, dass auch die Haushalte der nächsten Jahre erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurden. Deswegen ist es richtig, dass wir jetzt wirklich mit Schub nach vorne gehen, dass wir die Sache wieder in den Griff bekommen, und das natürlich eben auch im Bereich der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist ein ganz maßgeblicher Bereich der Gesamtwirtschaft. Innerhalb der Landwirtschaft ist eine starke Tierhaltung für uns wahnsinnig wichtig, auch ökonomisch sehr relevant. Deswegen will ich das hier gerne noch etwas ausführen.
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Viele Tierhalter haben tatsächlich mal wieder ein Krisenjahr vor der Brust. Einige Tierhalter sind in einer Dauerkrise, beispielsweise – das wurde jetzt schon einige Male erwähnt – unsere Schweinehalter. Im Mastbereich haben wir im Frühjahr noch über 2 Euro für 1 Kilogramm Schlachtgewicht bekommen. Dort liegen wir jetzt bei 1,27 Euro, bei den Ferkeln sind wir bei 27 Euro. Das alles ist sehr katastrophal, die Branche ist hart getroffen.
Ich glaube, dass wir, was das Seuchenbekämpfungsmanagement angeht, vielleicht in den Ländern noch ein bisschen besser werden können. Aber mit dem, was wir vom Bund zugesteuert haben, haben wir wirklich gut vorgelegt und die richtigen Instrumente auf den Weg gebracht. Ich glaube, dass wir da auf einem guten Weg sind.
Vielleicht noch eine Bitte um Unterstützung beim Regionalisierungsprinzip: In Europa ist das Regionalisierungsprinzip anerkannt, aber wir müssen dafür sorgen, dass auch in Drittländern anerkannt wird, dass Deutschland ein großes Land ist. Es geht nicht, dass wegen einiger regionaler Befunde ganz Deutschland vom Handel ausgeschlossen wird. Diesbezüglich unterstützen wir das Ministerium, um in den Gesprächen, vor allen Dingen mit China, endlich eine vernünftige Lösung zu finden.
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Ich glaube, dass wir über diese Dinge hinaus über weitere finanzielle Hilfen für die Schweinehalter sprechen müssen. Eins müssen wir unbedingt verhindern: Wir müssen ein Wegbrechen der Schweinehaltung in Deutschland verhindern. Das dürfen wir auf gar keinen Fall zulassen. Es geht hier am Ende nicht nur um Geld, es geht nicht nur um Wertschöpfung; sondern es geht wirklich um ein Stück Identität des ländlichen Raumes.
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Dafür brauchen wir die Unterstützung des Hauses. Das bringen wir hiermit auf den Weg.
Ich nehme an dieser Stelle auch die Schlacht- und die Verarbeitungsbetriebe in die Pflicht, aber auch den Handel. Wir müssen momentan alles dafür tun, dass der Handel und die Schlachtindustrie jetzt nicht auch noch dazu übergehen, die Afrikanische Schweinepest zu nutzen, um den Schweinepreis noch weiter zu drücken. Von daher sollten wir die Schweinehalter unterstützen.
Ich war ja gerade bei den Dauerkrisen; wir sehen, dass die landwirtschaftlichen Tierhalter viele offene Baustellen haben. Es geht auch um die gesellschaftliche Anerkennung. Ich glaube, wir alle wissen, dass die Landwirte nicht die gesellschaftliche Wertschätzung bekommen, die sie verdienen. Aber es gibt auch immer neue ordnungsrechtliche Anforderungen. Ich will das beispielhaft an dem Bundesratsbeschluss zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung festmachen. Natürlich war dieser Beschluss notwendig, aber jetzt werden die Bauern ein Stück weit allein gelassen. Deswegen wollen wir sie auch in diesem Bereich finanziell unterstützen.
Wir müssen dafür arbeiten, weiterhin eine vernünftige Schweinehaltung in Deutschland zu haben; denn eines ist klar: Eine Verlagerung der Produktion ins Ausland hilft nun wirklich keinem.
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Wenn wir weiter Einfluss auf die Produktionsweise im Bereich Tierhaltung behalten wollen, dann müssen wir Veränderungsprozesse in der Landwirtschaft so gestalten, dass die Bauern mitkommen können. Ich glaube, dass wir hierzu die richtigen Instrumente auf den Weg gebracht haben. Wie angesprochen stehen 200 Millionen Euro dafür im Haushaltsentwurf. Insgesamt bringen wir ja 300 Millionen Euro auf den Weg. Ich finde, das ist mehr als ein Lippenbekenntnis; das ist ein Signal, dass wir hinter unseren Sauenhaltern stehen, dass wir sie unterstützen.
Viele Menschen wünschen sich wesentlich mehr Tierwohl. Ich glaube, auch das ist klar. Ich will an dieser Stelle noch einmal die besondere Verantwortung der Verbraucher herausstellen. In Umfragen sagen drei Viertel aller Verbraucher: „Jawohl, ich wäre bereit, für mehr Tierwohl mehr Geld auszugeben“, aber die bekannte Studie der Hochschule Osnabrück belegt, dass nur 16 Prozent auch tatsächlich bereit sind, für mehr Tierwohl mehr Geld ausgeben. Da haben wir wirklich ein Verbraucherparadoxon. Ich will nicht die Verbraucher allein in die Pflicht nehmen. Die Politik hat eine Verantwortung, die Landwirte haben eine Verantwortung, die Ernährungswirtschaft hat eine Verantwortung, der Handel hat eine Verantwortung, aber eben auch der Verbraucher. Ich glaube, der Verbraucher versteht mehr und mehr, dass er diese Verantwortung hat.
Ich freue mich deshalb umso mehr, dass wir uns neben diesem freiwilligen Ansatz, der ja eigentlich der bessere ist, als Koalition jetzt auch eindeutig zu den Empfehlungen der Borchert-Kommission bekannt haben. Die Umsetzung dieser Empfehlungen müssen wir weiter vorantreiben, wir müssen die Empfehlungen der Borchert-Kommission in Gänze umsetzen. Vorschläge sind gemacht. Ich freue mich auf die Machbarkeitsstudie aus dem BMEL. Wenn die Machbarkeitsstudie da ist, dann lassen Sie uns keine Zeit verlieren, Frau Ministerin. Lasst uns vital ans Werk gehen. So vital, wie die Union hier heute sitzt, werden wir das dann auch schnell umgesetzt bekommen.
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Ich will mich an dieser Stelle auch noch mal ganz herzlich bei den 4,6 Millionen Menschen in Deutschland bedanken, die jeden Tag dafür arbeiten, dass wir vernünftige, qualitativ hochwertige Produkte auf den Tisch bekommen.
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Sie haben gerade in der Coronapandemie bewiesen: Jawoll, wir lassen euch nicht alleine!
Genau mit dieser Prioritätensetzung, mit diesem Schub, mit diesem Haushalt 2021 wollen wir auch weiterhin die Landwirtschaft unterstützen. Das tun wir hiermit.
Jetzt bedanke ich mich fürs Zuhören.
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Vielen Dank, Herr Kollege Stegemann. – Viel Freude beim „vitalen“ Sitzen.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Birgit Malsack-Winkemann, AfD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Nahrung kann töten. Besonders Kinder fallen Infektionen und Vergiftungen durch kontaminierte Lebensmittel zum Opfer. In Deutschland sind Salmonellen das höchste Risiko. Jedes Jahr werden rund 200 000 Erkrankungsfälle gemeldet.
Nur zum Vergleich: Stand 20. August 2020 gab es in ganz Deutschland rund 229 000 Covid-19-„Fallzahlen“. Die sogenannten Fallzahlen spiegeln jedoch nicht die Zahl der an Covid-19 tatsächlich Erkrankten wider, sondern allein die Zahl der positiv Getesteten.
Stand 17. August 2020 gab es seit vielen Wochen – sogar nach den offiziellen Daten des RKI – laut Professor Bhakdi, einem Facharzt für Mikrobiologie sowie Infektionsepidemiologie, kaum neue Fälle einer Covid-19-Erkrankung.
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Demgegenüber gibt es Listerien in der Wurst, Salmonellen im Ei, Bakterien in der Milch. Die Lebensmittelskandale häufen sich.
Nach dem Wilke-Skandal kündigte Ministerin Klöckner endlich mehrere Initiativen an. Und was kam dabei heraus? Neue Regeln für Lebensmittelkontrollen, genauer gesagt: Frau Klöckner will allen Ernstes die Zahl der Pflichtkontrollen verringern. In Fleischbetrieben wie Tönnies, die zur höchsten Risikoklasse zählen, sollen in Zukunft nur noch wöchentliche statt tägliche Kontrollen stattfinden. Und andere Lebensmittelbetriebe, die bisher monatlich kontrolliert wurden, sollen künftig nur noch vierteljährlich kontrolliert werden.
Frau Ministerin verkauft diese ihre lebensgefährlichen Pläne als „mehr Lebensmittelsicherheit durch gezieltere Kontrollen“.
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Was Sie jedoch verschweigen, ist: Probleme bei Betrieben werden oft erst durch Pflichtkontrollen bemerkt. Zudem orientiert sich die Zahl der Lebensmittelkontrolleure an der Zahl der Kontrollen. Werden diese Vorgaben verringert, führt dies dazu, dass weniger Kontrolleure benötigt werden.
Das aber scheint Ihnen, Frau Klöckner, zupasszukommen. Die Organisation Foodwatch kam im Dezember 2019 in einer Studie zu dem Ergebnis, dass jede dritte Kontrolle in Lebensmittelunternehmen wegen Personalmangels entfällt. Wohlgemerkt: jede dritte!
Laut Angaben des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure gibt es bundesweit circa 2 500 Lebensmittelkontrolleure; rund 1 500 zusätzliche werden – nach den alten Regelungen – benötigt. Da passt es doch hervorragend, nicht wahr, dass nach dem neuen sogenannten Sicherheitssystem mit wesentlich weniger Pflichtkontrollen auch wesentlich weniger Kontrolleure benötigt werden, oder?
Nein, Sie, Frau Klöckner, haben aus den Vorfällen bei Wilke und Tönnies offensichtlich nichts gelernt.
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Mit Ihren absurden Plänen ebnen Sie nur und ausschließlich den Weg für den nächsten Lebensmittelskandal.
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Wie sieht eine der Gesundheit der Bevölkerung angemessene Lebensmittelüberwachung jedoch wirklich aus? Wird Ihr Vorhaben verwirklicht, Frau Ministerin, wird der Personalmangel in den Behörden zwangsläufig verstärkt. Deshalb bedarf es einer grundlegenden Reform der Lebensmittelüberwachung.
Derzeit haben wir sage und schreibe rund 400 politisch abhängige Behörden, die unter immensem Personalmangel leiden. Darüber hinaus halten die Behörden die allermeisten Kontrollergebnisse geheim. Als Bürger und Steuerzahler fragt man sich daher, was mit dem Etat von 62 Millionen Euro für 2019 und sogar 65 Millionen Euro für 2020 für das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, eine Bundesoberbehörde unter Ihrer Verantwortung, Frau Ministerin, überhaupt geschieht. Denn diese Bundesoberbehörde soll gerade das Risikomanagement im Bund-Länder-Verhältnis zentral koordinieren und über die Durchführung der Lebensmittelüberwachung Bericht erstatten.
Das aber bedeutet nicht, dass Sie, Frau Klöckner, nunmehr zentral Ihre Aufgaben zur Kontrolle der Lebensmittelsicherheit in Bezug auf Pflichtkontrollen verringern, sondern dass Sie diese Kontrollen mit dem entsprechend künftig gut noch auszubildenden Personal erhöhen.
Ihre Behörde muss die ihr übertragenen Risikomanagementaufgaben endlich ernsthaft wahrnehmen und zudem alle negativen und gesundheitsgefährdenden Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen ohne jede Einschränkung transparent machen, also veröffentlichen.
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Denn nur eine große Anzahl an Pflichtkontrollen, Klarheit und Transparenz schaffen einen Anreiz für Lebensmittelbetriebe, sich an Hygienevorschriften überhaupt zu halten, und nur das sorgt für Klarheit und Sicherheit bei Verbrauchern.
Ihr Ministerium erhält jährlich immer mehr Millionen des Steuerzahlers. Was soll das, wenn Sie Ihre Aufgaben nicht wahrnehmen? Wohin verschwinden die Gelder?
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Die Steuerzahler sind nicht für die Regierung da, sondern die Regierung für die Steuerzahler, und nur dafür wurde Ihnen Verantwortung übertragen.
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Verantwortung bedeutet aber nicht, Diäten einzukassieren, auf irgendwelchen Empfängen herumzustehen
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und Schönwetterreden zu schwingen, während ringsum alles den Bach heruntergeht.
Sie alle vermitteln hier den Eindruck, als seien Sie Mitglieder der Bordkapelle der leckgeschlagenen Titanic, die ihren Swinging-Jazz spielt, bis sich der halbe Dampfer – nämlich unser Land – senkrecht stellt und im großen weiten Ozean versinkt.
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Nein, werden Sie sich endlich der wahren Sorgen und Nöte der Menschen unseres Landes bewusst, und erfüllen Sie die Aufgaben, für die Sie von den Bürgern gewählt worden sind! Eine wirksame Lebensmittelsicherheitskontrolle und eine artgerechte Tierhaltung für gesunde Nahrung sind dafür die Grundlage, und dafür stehen wir, die AfD.
Danke schön.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Malsack-Winkemann. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ursula Schulte, SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung den Haushalt des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Das Ministerium wird in der Öffentlichkeit vorrangig mit dem Thema Landwirtschaft in Verbindung gebracht. Das spiegelt sich auch in den Zahlen des Haushaltsplans wider. Allein für die landwirtschaftliche Sozialpolitik geben wir über 4 Milliarden Euro aus und stellen damit den größten Teil unserer Haushaltsmittel für diesen Bereich zur Verfügung.
Dagegen stehen lediglich 212,5 Millionen Euro für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und das Thema Ernährung und damit noch einmal 200 000 Euro weniger als in 2020 zur Verfügung. Ich empfinde das als ein krasses Missverhältnis, das wir zwingend ändern müssen, zumal sich der Haushalt mit 7,661 Milliarden Euro auf einem Rekordniveau befindet.
Ich fand es auch sehr schade, Frau Klöckner – ich habe Ihrer Rede sehr aufmerksam gelauscht –, dass Sie erst ganz am Ende auf das Thema Ernährung eingegangen sind, und da – in Anführungsstrichen – „nur“ auf den Nutri-Score. Ich hoffe, dass Ihr Optimismus recht behält.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ernährungsreport 2020, den Sie, Frau Klöckner, vorgelegt haben, hat uns eine wunderbare Welt vorgegaukelt, in der die Menschen bewusst einkaufen, selber kochen und sich regional ernähren. Die Ernährungsprobleme und deren gesundheitliche Folgen wurden einfach ausgeblendet. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft attestierte uns nach dem Erscheinen des Reports noch einmal ein massives Ernährungsproblem, und die Kinder- und Jugendärzte merkten an, dass das Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen gar nicht erwähnt worden ist. Angesichts solcher Kritik, die berechtigt ist, wie ich finde, stelle ich mir die Frage, welchen Mehrwert so ein Report für unsere Gesellschaft überhaupt hat.
Beim Thema „gesunde Ernährung“, liebe Kolleginnen und Kollegen, denke ich immer zuerst an Kinder und Jugendliche. Sie verbringen immer mehr Zeit in Kitas und Schulen und nehmen dort ihre Mahlzeiten ein. Das Essen sollte natürlich schmecken und gesund sein. Dieser Wunsch verbindet uns sicher alle. Genau hier beginnt die Arbeit der Schulvernetzungsstellen. Diese vermitteln Wissen rund um das Thema Ernährung.
Ich weiß auch, dass man sich redlich abmüht, für gesundes Essen nach DGE-Standards zu werben. Die Ernüchterung kommt allerdings, wenn man mit Kommunalpolitikern, Verwaltung und Schulleitern spricht. Denn viele der gerade Genannten kennen die DGE-Standards überhaupt nicht. Wenn Sie, Frau Ministerin, nun die DGE-Standards verpflichtend für alle Schulen und Kitas fordern, haben Sie mich ausdrücklich an Ihrer Seite.
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Es geht aber nicht nur ums Essen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, was wir „Ernährungsumgebung“ nennen. Dazu gehören auch die Mensen, in denen die Kinder ihr Essen einnehmen. Die sollten freundlich, hell und einladend sein. Aber das ist noch längst nicht überall erreicht. Es gibt viel zu tun, wenn wir ideale Rahmenbedingungen für unsere Kinder wollen.
Unser Land ist ein gespaltenes Land. Ich weiß, das hört niemand gerne, aber Fakt ist: Einkommen und Lebenschancen sind sehr unterschiedlich verteilt. Kinder leiden in besonderer Weise unter Ungerechtigkeit und mangelnden Teilnahmemöglichkeiten und können persönlich an ihrem Umstand gar nichts ändern. Die SPD-Fraktion will mit einer Studie die Ursachen und Folgen der sogenannten Ernährungsarmut in Deutschland näher beleuchten, um angemessen reagieren zu können. Um diese Studie zu finanzieren, brauchen wir natürlich Geld im Haushalt – Geld, das aber gut angelegt ist.
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Wir können den Kindern aber schon jetzt helfen. Daher will die SPD-Fraktion Projekte zur Ausgabe eines gesunden Frühstücks unterstützen. Wir wollen daneben das kostenlose Mittagessen und einen flächendeckenden Ernährungsführerschein gerade für Kinder aus bildungsfernen Schichten. Wer sagt denn, dass Eltern nicht auch einmal von ihren Kindern lernen können? Das ist jedenfalls die Hoffnung, die hinter dieser Idee steckt.
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Im Gutachten zur nachhaltigen Ernährung des Wissenschaftlichen Beirats heißt es zum Thema „Beitragsfreie Kita- und Schulverpflegung“: „Alle Kinder profitieren!“ Diskriminierung und Stigmatisierung entfallen. Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit werden dauerhaft gestärkt. Kita- und Schulverpflegung sind ein Element gesamtgesellschaftlicher Daseinsvorsorge. – Diese Botschaften teile ich uneingeschränkt, und ich wünsche mir, dass sie zum Maßstab unseres Handelns werden.
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Liebe Frau Ministerin, Sie nennen Ihr Ministerium gerne „Lebensministerium“. Ich finde, das ist ein richtig schöner Begriff. Wie wäre es denn, wenn wir diesem Begriff gemeinsam noch mehr Leben einhauchen würden? Das könnten wir tun, wenn wir das Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel und eine deutliche Reduzierung des Zuckergehaltes in den von Kindern so geliebten Limonaden auf den Weg bringen würden. Dafür braucht man nicht einmal Geld in die Hand zu nehmen. Man muss nur den politischen Willen haben, das zu tun.
Wenn wir dann auch noch eine klinische Studie zum Gefährdungspotenzial von Energydrinks miteinander verabreden könnten, hätten wir viel für unsere Kinder und Jugendlichen getan, und ich wäre glücklich.
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Zum Schluss möchte ich noch ein Herzensthema von mir ansprechen; das ist die Lebensmittelverschwendung. 12 Millionen bis 18 Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich im Müll. Deswegen haben wir die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung im Februar letzten Jahres beschlossen. Diese Strategie beruht auf Freiwilligkeit. Das ist wirklich schade, weil sich eigentlich alle Experten einig waren, dass die Zeit der Freiwilligkeit und der Appelle in diesem Bereich vorbei ist. Die SPD – das ist auch kein Geheimnis – will eine gesetzliche Lösung.
Ohne die Tafeln und die anderen Lebensmittelretter, Frau Klöckner, sähe unsere Bilanz wahrscheinlich noch sehr viel schlechter aus. Ich bin sehr froh, dass die Tafeln immerhin von der Sondermaßnahme „Ehrenamt stärken. Versorgung sichern.“ profitieren konnten; denn allein die Tafeln retten jedes Jahr 264 Tonnen Lebensmittel. Es könnten noch wesentlich mehr sein, es fehlt ihnen aber an Lager-, Kühl- und Transportkapazitäten.
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Ich weiß, Herr Präsident, aber das möchte ich noch kurz zu Ende führen. -
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Wir sehen den Bund durchaus in der Verantwortung, weil wir die Tafeln als Teil unserer Strategie empfinden.
Frau Kollegin, ich bitte Sie jetzt.
Wir werden fordern, 5 Millionen Euro zur Unterstützung der Tafeln in den Haushaltsplan einzustellen.
Verbunden mit einem herzlichen Dankeschön an alle Lebensmittelretterinnen und ‑retter beende ich meine Rede und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Frau Kollegin Schulte, was meinen Sie, wie viele Rednerinnen und Redner hier alles zu Ende führen wollen, was sie noch in ihrem Kopf haben? Dann sitzen wir um Mitternacht noch hier.
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Ich finde, nun lauschen wir sehr gespannt den Worten des Kollegen Dr. Gero Hocker, FDP-Fraktion.
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Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einem knappen Jahr haben mehrere Zehntausend Landwirte in ganz Deutschland demonstriert – auch hier in Berlin. Für viele Kolleginnen und Kollegen – auch für mich – war es ein sehr beeindruckendes Bild, was sich da ergeben hat.
Auf den Plakaten, die die Demonstranten damals dabeigehabt haben, standen Sätze wie „Redet mit statt nur über uns“, „Wir brauchen Verlässlichkeit“ und „Wir wollen mitreden“. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit, meine Damen und Herren.
Umso ernüchternder erscheint es mir und meiner Fraktion, dass in den vergangenen Monaten aus den politischen Bemühungen der Bundesregierung nicht viel mehr herausgekommen ist als eine hastig einberufene Zukunftskommission, deren Ergebnisse quasi schon festgestanden haben, als die Teilnehmer gerade ins Auto gestiegen sind, um nach Berlin zum Kanzleramt zu fahren, und eine hastig zusammengekratzte Bauernmilliarde, von der bis heute niemand wirklich weiß, wofür genau sie überhaupt aufgewendet und wie sie ausgeschüttet werden soll, und die vor allem niemand gefordert hat.
Es ist ein Armutszeugnis dieser Bundesregierung, dass sie das Wesen der Demonstrationen vor einem Jahr so missverstanden hat und glaubt, ihrer schlechten Politik wahllos gutes Steuergeld hinterherwerfen zu müssen, das Betroffene aus guten Gründen überhaupt nicht haben wollen.
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Ich habe in den vergangenen Jahren – und ich weiß, dass das viele Kollegen aller Fraktionen in diesem Hohen Hause auch getan haben – viele intensive Gespräche mit Landwirten geführt. Mein Eindruck ist, dass nicht ein einziger Landwirt, mit dem ich gesprochen habe, die Forderung erhoben hat, er wolle mehr Geld aus Brüssel oder aus Berlin oder in irgendeiner Form mehr finanzielle Unterstützung. Nicht einer! Diese Bauernmilliarde wird von der gesamten Branche vollständig abgelehnt.
Dass Ihnen vor dem Hintergrund dieser Entwicklung nicht mehr einfällt, als Geld zusammenzukratzen, um die Landwirte ruhigzustellen, und man dann noch empört ist, dass die Landwirte dafür nicht auch noch Dankbarkeit zeigen, demonstriert nur sehr deutlich, wie weit Sie sich von den tagtäglichen Herausforderungen entfernt und entfremdet haben, die die Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland gegenwärtig zu bestreiten haben, und deswegen machen wir Ihnen das zum Vorwurf, verehrte Frau Ministerin.
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Deswegen fordern wir mit unserem Haushalt auch nicht mehr finanzielle Mittel. Das könnte man ja als Oppositionsfraktion politisch sehr leichtfertig tun; ich sage das ganz ausdrücklich. Das tun wir aber nicht, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Probleme der Landwirtschaft im Jahre 2020 nicht einfach mit mehr Geld gelöst werden können. Was wir tatsächlich brauchen, ist eine Politik, die auch mal den Rücken gerademacht, wenn es bestimmte gesellschaftliche Trends gibt, die vielleicht gar nicht wissenschaftlich fundiert oder fachlich geboten sind. Es ist erforderlich, dass die Politik zu solchen Trends auch mal Nein sagt, und da hilft es nicht, irgendwelchen Landwirten irgendwelche Milliarden zu versprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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Ich sage das ganz ausdrücklich: Diese Bauernmilliarde hilft keinem Landwirt, solange bei der Düngeverordnung in Deutschland, die nach ganz anderen grundsätzlichen Werten und Messverfahren zustande gekommen ist als in anderen Staaten, überhaupt keine Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen anderer Nationalstaaten existiert. Diese Bauernmilliarde hilft keinem einzigen Tierhalter, der vor wenigen Jahren vielleicht in einen neuen Stall investiert hat, einen Kredit zu tilgen hat und jetzt wieder neuerliche Auflagen auf sich zukommen sieht, sodass er wieder zur Bank laufen und einen zweiten oder dritten Kredit zusätzlich bedienen muss. Diese Bauernmilliarde hilft auch keinem einzigen Landwirt, der es mit Verbrauchern zu tun hat, die nach dem Prinzip „Geiz ist geil“ Lebensmittel einkaufen und jetzt zusätzlich den Eindruck bekommen: Na ja, das ist ja auch legitim; denn die Landwirtschaft kriegt ja schon auf anderem Wege Gelder durch den Bundeshaushalt zugesteckt.
Das sind die Gründe, warum wir diese Bauernmilliarde vollständig ablehnen.
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Ich sage es Ihnen ganz ausdrücklich, verehrte Frau Ministerin: Statt mit Geld könnten Sie den Landwirten tatsächlich helfen – unmittelbar und sehr viel kostensparender für unseren Bundeshaushalt.
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Nutzen Sie die EU-Ratspräsidentschaft, verehrte Frau Ministerin – ich hoffe, dass Sie auch zu diesem Thema gerade in Ihrem Telefon Hinweise finden –,
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um endlich eine Angleichung der Wettbewerbsstandards innerhalb Europas zu erkämpfen! Jedes in Süd- oder in Osteuropa gebaute Auto muss bestimmte Standards erfüllen, wenn es auf deutschen oder auf europäischen Straßen fahren soll. Nur bei Lebensmitteln, nur bei den Haltungsbedingungen und Fragen der Düngung und des Pflanzenschutzes ziert man sich, solche einheitlichen Standards in Europa zu schaffen. Dabei würde man genau damit tatsächlich etwas für die Wettbewerbsfairness zwischen den Landwirten in Deutschland und ihren süd- und osteuropäischen Kollegen sowie für das Tierwohl und die Reinheit von Boden, Luft und Wasser erreichen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Frau Ministerin, die Hälfte der EU-Ratspräsidentschaft geht in diesen Tagen zu Ende. Nutzen Sie wenigstens die zweiten drei Monate dieser EU-Ratspräsidentschaft!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hocker. – Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns einmal, mit welchen Vorhaben Ministerin Klöckner startete: Sie wollten Dynamik im ländlichen Raum schaffen, „ideologische Grabenkämpfe“ beenden, Ihr Augenmerk auf einen naturverträglichen Ackerbau und auf Pflanzenschutz richten. Die Landwirtschaft sei „ein Verbündeter des Naturschutzes“. – So sprachen Sie in Ihrer Regierungserklärung im März 2018.
Eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung – staatliche! – mit verbindlichen Kriterien – verbindliche Kriterien; das muss man immer wiederholen – wollten Sie bis zur Mitte der Legislatur schaffen, Kriseninstrumente für den Milchmarkt entwickeln – Worte statt Taten, reine Selbstinszenierung statt Umsetzung! Die staatliche Tierwohlkennzeichnung ist ein einziges Gemurkse. Verlierer sind Bäuerinnen und Bauern, Verlierer sind Verbraucher und die Gesellschaft. Die Stimmung in der Landwirtschaft ist auf dem Tiefpunkt. Erst nach dem Eingreifen der Kanzlerin kommt jetzt endlich – sehr, sehr spät – die Zukunftskommission.
Kommen wir zur Bauernmilliarde, dem Wahlkampfgeschenk im Januar für Herrn Söder. Es herrscht großes Chaos im Haus, wie man nun auch noch dieses Geld ausgeben soll; Ausgabereste von über 500 Millionen Euro sind ja schon für letztes Jahr zu verbuchen. Sie schaffen es nicht, dass die bestehenden Programme ausgeschöpft werden, Frau Klöckner. Hier sei gestattet, einmal Mario Adorf zu zitieren, der sehr drastisch sagte: den Gegner draußen mit Geld zuschei… – So wurde es von ihm genannt.
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Das war der legendäre Satz, den man hier sicherlich hinterfragen kann.
Keine nachhaltige Zukunftspolitik, sondern blanke Notstandsverwaltung. „Umbau der Tierhaltung beginnt jetzt“, so Ihre Presseerklärung vor drei Wochen. Ja, gut. Aber beim genauen Lesen erkennt man: Das ist wieder Schaufensterpolitik. Das ist symptomatisch, auch für den heutigen Wahlkampfhaushalt, den Sie vorlegen: Die Scheine sitzen locker, Geld spielt keine Rolle, jeder wird bedient – Scheine statt Konzepte.
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Ein Rekordaufwuchs von 643 Millionen Euro im Haushalt – viel Geld ohne Substanz. Denkt noch mal darüber nach, wie Mario Adorf das nannte! 300 Millionen Euro zusätzlich bis Ende 2021 für den Umbau der Tierhaltung. Ja, die Höfe brauchen viel Geld, um die Tierhaltung zukunftsfähig zu machen. Aber wie sollen die Höfe das denn schaffen? Bis Ende 2021 Baukonzepte, Baugenehmigung, Umweltverträglichkeitsprüfung, Bauen im Hauruckverfahren? Das ist doch völlig illusorisch, das ist lächerlich. Ihre Kollegin in Nordrhein-Westfalen, Frau Heinen-Esser, sagte: Zwei Jahre Planungs- und Projektierungszeit sind normal. – Von daher müssen hier Antworten gegeben werden, wie das gehen soll.
Wir müssen jetzt in die Zukunft investieren, Frau Ministerin. Wir brauchen aus grüner Sicht einen Zukunftsfonds, aus dem der Umbau längerfristig finanziert werden kann. Stattdessen betreiben Sie Flickschusterei. Statt Zugpferd einer zukunftsfähigen Landwirtschaft zu sein, sitzen Sie, Frau Klöckner, wieder mal im Besenwagen und fahren der Entwicklung hinterher. Ihr Rumgeeiere beim Kükentöten: Statt es, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, 2019 zu beenden, kündigen Sie den Ausstieg für 2022 an. Ihr Plan war, die Geflügelindustrie sollte es selber regeln, freiwillig natürlich – wie immer bei Ihnen. Nichts ist passiert – wie immer bei Ihnen.
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Dem einzigen in der Praxis angewandten Verfahren nehmen Sie gleich auch noch die Zukunft.
Ein Letztes noch: Ihr Agieren zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, der GAP. Eine sogenannte Lernphase für die Eco-Schemes, die Umweltmaßnahmen, bis 2025 schlagen Sie vor, das heißt Vertagen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, in die übernächste Legislatur, meine Damen und Herren; das bedeutet es ja.
Davon haben wir endgültig genug. Klimakrise, Klimaanpassung, Güllebelastung unseres Grundwassers, das Arten- und Insektensterben, der Umbau der Tierhaltung, der Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft: darum geht es, Frau Klöckner, und um nichts anderes.
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Wir brauchen endlich die Honorierung von Gemeinwohlleistungen durch eine Gemeinwohlprämie.
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Wir brauchen eine starke Konditionalität.
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Das sind die Bedingungen, unter denen Landwirtschaft auf der Fläche gefördert wird. Wir brauchen eine starke zweite Säule für gezielte Länderprogramme.
Die EU-Kommission fordert von den Ländern: Ausbau des Ökolandbaus, Reduzierung der Grundwasserbelastung, Antibiotika-/Pestizidminimierung. Das muss die zukünftige GAP liefern. Wo nehmen Sie das denn auf? Wir brauchen Mut zum Aufbruch. Aber mit Ihrer ambitionslosen Schaufensterpolitik, keinem wehzutun, die Probleme auszublenden, immer nach hinten zu schauen, schaden Sie den bäuerlichen Betrieben. Es ist Zeit für den Politikwechsel. Schauen wir nach vorn!
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Vielen Dank, Herr Kollege Ostendorff. – Nächster Redner ist der Kollege Artur Auernhammer, CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute schon mehrfach angeklungen: Wir reden von einem Haushalt auf Rekordniveau. Eine Steigerung von, wenn man alles mit einrechnet, 12 Prozent ist beachtlich. Gerade in diesen bewegten Zeiten, die den Menschen, der Wirtschaft, aber auch den politisch Verantwortlichen viel abverlangen, bin ich der Ministerin sehr dankbar, dass sie heute diesen Rekordhaushalt vorlegt, den wir dann im Parlament beraten.
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Ja, unsere Bäuerinnen und Bauern haben zurzeit sehr viele Aufgaben; ich sage nur: Düngeverordnung, Insektenschutz und Gewässerschutz. Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Landwirtschaft bei der Erledigung dieser Aufgaben unterstützen, und deshalb ist es auch wichtig, dass wir diese Milliarde im Koalitionsausschuss beschlossen haben, dass wir hier an der Seite unserer Bäuerinnen und Bauern stehen.
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Wenn ich heute höre, die Bauern wollen das Geld nicht: Also, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – das hat vielleicht etwas damit zu tun, dass Sie in der Opposition sind und nichts zu sagen haben –, aber ich bekomme sehr viele Anfragen: Wie kann ich den NIR-Sensor jetzt unterstützen? Wie kann ich jetzt die Gülleprogramme in Anspruch nehmen? – Die Nachfrage aus der Landwirtschaft ist da, und die wollen wir auch bedienen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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Was unsere Bäuerinnen und Bauern in erster Linie brauchen, ist Anerkennung: Anerkennung für ihre Arbeit, die sie gerade auch in der Coronazeit geleistet haben. Wir haben nie gemerkt, wie fragil unser System ist. Die Landwirtschaft hat diese Zeit mit Bravour gemeistert.
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Die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern, die Landwirtschaft, ist systemrelevant.
Es hat sich auch gezeigt, wie wichtig regionale Produktion vor Ort ist. Deshalb ist es für mich von ganz entscheidender Bedeutung, dass wir mit den Haushaltsmitteln dafür sorgen, dass auch unsere kleinen und mittleren Betriebe mit ihren Verarbeitungsstrukturen eine Zukunftsperspektive haben. Ich schaue hier natürlich auch etwas nach Bayern. Wir haben in Bayern über 100 000 landwirtschaftliche Betriebe mit durchschnittlich 30 Hektar. Das ist für manche in Ostdeutschland gerade mal das Vorgewende, aber bei uns leben Familien davon. Jeder sechste Arbeitsplatz in Bayern hängt mit dem Cluster Land- und Forstwirtschaft zusammen. Das zeigt: Land- und Forstwirtschaft ist der Jobmotor im ländlichen Raum.
Meine Damen und Herren, das Thema Tierwohl bewegt uns alle. Das Thema Tierwohl verlangt auch Antworten. Ich sage nur, was wir in den letzten Wochen und Monaten alles beraten haben: Zuchtsauenhaltung, Hühnerhaltung, Käfighaltung. Wir werden auch über die Rinderhaltung reden müssen. Deshalb ist es richtig und es ist für mich auch besonders wichtig, dass wir die Vorschläge der sogenannten Borchert-Kommission in die Praxis umsetzen und diese Kommission auch zum Erfolg führen. Ich finde, hier ist ein guter Ansatz gemacht, um eine Zukunftsperspektive für unsere Bäuerinnen und Bauern und gerade für unsere kleinstrukturierten Betriebe zu geben.
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Meine Damen und Herren, gerade wurde der Umweltetat diskutiert. Da ging es auch um Klimawandel. Wir – gerade in der Landwirtschaft – merken, wir spüren diesen Klimawandel: Die letzten Jahre waren sehr niederschlagsarm, die Zahl der Hitzetage nimmt zu, die Schädlinge nehmen zu. Deshalb müssen wir auch hier die Landwirtschaft unterstützen. Ich finde es sehr gut, dass im Haushalt bereits Finanzmittel angedacht sind, damit wir hier die Klimaherausforderung bewerkstelligen können. Denn eines ist auch sicher: Unsere Landwirtschaft ist nicht der Auslöser für den Klimawandel, sondern unsere Landwirtschaft ist die Antwort auf den Klimawandel.
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In den letzten Wochen und Monaten und eigentlich schon immer ist sehr viel über Landwirtschaft diskutiert worden, und nicht immer fachlich orientiert. Was ich letzte Woche erlebt habe, noch dazu von einem öffentlich-rechtlichen Sender, das macht mich zornig: Es werden undifferenziert polemische Schlagzeilen gegen unsere Landwirtschaft gemacht. Ich denke da an den Facebook-Post einer sogenannten Wissenschaftssendung eines öffentlich-rechtlichen Senders von letzter Woche. Dort werden mit Blick auf den Biodiversitätsverlust drei Branchen aufgeführt, unter denen – so wörtlich – „die Natur am meisten leidet“. Das ist die Landwirtschaft, das ist die Fischerei, und das ist die Forstwirtschaft. Solche Verunglimpfungen dürfen wir nicht durchgehen lassen. Wir müssen unseren Bäuerinnen und Bauern zur Seite stehen.
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Gerade die Landwirtschaft leistet mit den Umweltprogrammen sehr viel für den Erhalt der Biodiversität. Sie nimmt hier sehr viel in Anspruch. Die Forstwirtschaft sorgt – das ist schon angesprochen worden – für klimastabile Wälder. Da sind wir auf einem guten Weg; da müssen wir auch weitermachen. Aber solche Diffamierungen – erst recht von öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern – dürfen wir nicht durchgehen lassen.
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In der Coronazeit kam meiner Meinung nach ein Aspekt viel zu kurz. Wir alle haben gemerkt: Die Coronazeit, der Lockdown,
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hat bei dem einen oder anderen zu Coronaspeck geführt. Deshalb ist es für mich wichtig, dass wir über die Themen „Ernährung“, „Bewegung“, „sportliche Betätigung“ und vor allem auch „Kennzeichnung von Lebensmitteln“ wieder diskutieren.
Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen. Ich wünsche uns allen gute Beratungen über den Agrarhaushalt für das Jahr 2021.
Danke schön.
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Vielen Dank, Herr Kollege Auernhammer. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Nezahat Baradari, SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wenn wir in einem Spielzeuggeschäft einkaufen, dann gehen wir davon aus, dass diese Produkte sicher sind. Doch gerade im Plastikspielzeug lauert eine unsichtbare Gefahr: die sogenannten endokrinen Disruptoren. Doch was sind diese Stoffe genau? Endokrine Disruptoren sind hormonähnliche Stoffe, die den menschlichen Organismus schädigen können. Die möglichen Folgen sind vielfältig. Sie reichen von Fruchtbarkeits- und Entwicklungsstörungen bis hin zu Diabetes und einem erhöhten Krebsrisiko. Nennen wir es beim Namen: Endokrine Disruptoren sind Hormongifte. Ein Beispiel hierfür ist das weitverbreitete Bisphenol A. Jährlich wird allein in Deutschland rund eine halbe Million Tonnen dieses Stoffes hergestellt. Weltweit sind es mehr als 6 Millionen Tonnen. Dieser Plastikzusatz ist heftig umstritten.
Hormongifte finden sich aber nicht nur im Spielzeug, sondern mittlerweile überall: in der Luft, im Hausstaub, in vielen Haushaltsgegenständen sowie in Lebensmittelverpackungen wie Plastiktrinkflaschen, in der Beschichtung von Joghurtdeckeln oder Konservendosen. Bereits im Kinder-Umwelt-Survey von 2009 wurde gezeigt, dass in insgesamt 600 untersuchten Blut- und Urinproben Abbauprodukte von Hormongiften gefunden wurden. Passiert ist seither wenig. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier besteht dringender Handlungsbedarf.
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Laut Umweltbundesamt gibt es zu fast allen hormonwirksamen Stoffen Alternativen, die beispielsweise keine Phthalate als Weichmacher enthalten. Die Hersteller könnten somit auf die Verwendung dieser gefährlichen Weichmacher in Alltagsprodukten verzichten. Genau dort muss angesetzt werden. Wir benötigen erstens eine Aufklärungskampagne zur Problematik der Hormongifte, zweitens die Beratung besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen wie Schwangere und Kinder und drittens Forschung zu alternativen und weniger schädlichen Ersatzstoffen. Ziel dieser Forschung muss zudem sein, dass endlich einheitliche Kriterien zur Identifizierung von hormonstörenden Chemikalien aufgestellt werden. Eine systematische Analyse und die Erarbeitung einer Reduktionsstrategie sind nötig zum gesundheitlichen Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern.
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Der Staat hat seinem Vorsorgeprinzip gerecht zu werden.
Die bisherigen Regulierungen auf europäischer und nationaler Ebene sind nicht ausreichend. Hier können wir von unserem Nachbarn Frankreich lernen, der einen nationalen Aktionsplan zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor hormonstörenden Chemikalien verabschiedet hat. Die endokrinologischen Fachgesellschaften fordern schon seit Langem und zu Recht zum Handeln auf. Daher brauchen wir im kommenden Haushalt Mittel zur Erforschung von sicheren Grenzwerten und Alternativen zu Hormongiften – zum Schutz von Bürgerinnen und Bürgern und zum Schutz von unseren Kindern.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Christian Haase, CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist kein Haushalt wie jeder andere. Dies wird kein Haushaltsjahr wie jedes andere. Mit Blick auf die nächsten Jahre und die strukturelle Unterfinanzierung des Gesamthaushaltes stehen wir vor einer echten Zäsur. Wir werden, auch um die Schuldenbremse einzuhalten, mehr priorisieren müssen. Corona ist dabei nicht der Auslöser, hat das Problem aber deutlich verschärft. So weit vor der Klammer.
Meine Damen und Herren, die Coronakrise hat uns vieles gelehrt. Eine wichtige Erkenntnis: Die Landwirtschaft ist genauso wie die Ernährungswirtschaft systemrelevant. Landwirte stellen unsere Lebensmittel her. Was heute nicht gesät oder gepflanzt wird, kann morgen nicht geerntet werden. Deshalb waren zum Beispiel auch die Soforthilfen wichtig. Maßnahmen, die wir in den Nachträgen angelegt haben, spiegeln sich nun auch im Haushalt 2021 wider. Ja, wir erreichen erstmals eine Marke von 7,8 Milliarden Euro. Das ist unterm Strich ein starkes und wichtiges Signal für die Landwirtschaft. Wir dürfen hier nicht nur den Einzelplan 10 sehen; wir müssen in den EKF gucken, wir müssen in den Einzelplan 60 gucken.
Jedoch handelt es sich aus Sicht eines Haushälters nicht um Aufwüchse, mal hier ein bisschen, mal da ein bisschen. Eigentlich sehe ich vor mir einen Haushalt, der wie nie zuvor priorisiert und in dem es teilweise auch starke Einsparungen gibt. Nur drei der sieben nachgeordneten Institute beispielsweise verzeichnen überhaupt Aufwüchse; beim Rest wird gespart. Herr Gottberg, wenn Sie sich mal die BLE oder das BfR angucken, bei denen Sie starke Aufwüchse kritisieren – dort gibt es Organisationsuntersuchungen, dort gibt es Personalbemessungen –, dann werden Sie feststellen, dass sich Ihre Vorwürfe wieder einmal in Luft auflösen.
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Meine Damen und Herren, uns wurde ein solider Haushaltsentwurf vorgelegt. Wir begegnen damit den Themen und Herausforderungen der Zeit. Die Land- und Forstwirtschaft sowie die Ernährungsbranche befinden sich in der Zeit eines Strukturwandels. Damit ziele ich nicht nur auf klimatische Veränderungen und ihre Folgen ab. Auch das, was von der Land- und Forstwirtschaft gesellschaftlich erwartet wird, ist enorm. Längst reicht es nicht mehr aus, Lebensmittel zu produzieren und für sich und die Familie den Unterhalt zu erwirtschaften. Nein, Land- und Forstwirtschaft soll Umwelt- und Klimaschützer sein, Land- und Forstwirtschaft soll Biodiversität im Blick haben, Land- und Forstwirtschaft soll sich ständig wandelnden gesellschaftlichen Ernährungsbedürfnissen anpassen, und wenn überhaupt noch Tiere gehalten werden, dann doch bitte mit zugehörigem Wellnessbereich.
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Meine Damen und Herren, auch wenn ich überspitze, so ist doch in jeder sarkastischen Bemerkung auch ein Funke Wahrheit. In meinen Gesprächen mit der heimischen Landwirtschaft erkenne ich: Wir sind bei diesen Dingen am Limit. Da sind es noch nicht einmal die Auflagen, die die Bauern vor Ort meistern. Vieles davon wird bereitwillig umgesetzt. Frau Kollegin Ihnen, wenn Sie zum Beispiel über Bremsen bei Pflanzenschutzalternativen sprechen, dann sollten Sie nicht auf das BMEL, sondern auf das UBA gucken. Letzteres macht den Landwirten Sorgen, nicht das BMEL.
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Meine Damen und Herren, unsere Bauern üben ihren Beruf aus Leidenschaft zu Vieh und Acker aus. Deswegen schmerzt das Image der bösen und profitorientierten Landwirtschaft, welches viel zu oft, Frau Künast, vermittelt wird. Es stimmt nämlich einfach nicht, meine Damen und Herren.
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Ich möchte in einem Land leben, in dem unsere Land- und Forstwirte wirtschaften können, ohne ständig auf Notprogramme angewiesen zu sein. Ich möchte in einem Land leben, in dem man keinen Keil zwischen die ökologische und die konventionelle Landwirtschaft treibt. Und ich möchte in einem Land leben, in dem man Bäuerinnen und Bauern Respekt und Anerkennung entgegenbringt.
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Meine Damen und Herren, ich will zu den Zahlen zurückkommen. Der vorliegende Haushaltsentwurf begegnet vielen dieser Themen, die uns beschäftigen, und unterlegt sie mit entsprechenden Mitteln. So kann die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zusammen mit den Mitteln der Länder im nächsten Jahr 1,9 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Die Digitalisierung der Landwirtschaft wird mit 63 Millionen Euro vorangetrieben. 14 Experimentierfelder sind am Start. Dort wird die Landwirtschaft der Zukunft erprobt. Die von uns, von dem Parlament geforderte Machbarkeitsstudie zur Agrarmasterplattform wird im November vorgestellt. Wir werden Fragen beantworten können wie: Wem gehören eigentlich die Daten, die auf dem Feld entstehen, und wer darf anschließend darauf zugreifen? Das sind wichtige Fragen, die am Anfang eines solchen Prozesses stehen müssen.
Meine Damen und Herren, ich bin auch froh darüber, dass wir vor der Sommerpause ohne Gegenstimme – Frau Künast, auch ohne Gegenstimme von Ihnen – die Ergebnisse der Borchert-Kommission positiv aufgenommen haben. Wir brauchen, so hat es die Ministerin richtig formuliert, an dieser Stelle einen Generationenvertrag. Noch in dieser Legislaturperiode wird das Ministerium eine Strategie zur Umsetzung und damit auch zur Finanzierung vorlegen.
Trotzdem müssen wir schon vorher aktiv werden. Für Tierwohl und Stallumbauten stellen wir mehr als 200 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld – darauf ist von Vorrednern auch schon hingewiesen worden – kann aber nur ausgegeben werden, wenn endlich die Blockaden im Bau- und Emissionsrecht aufgegeben werden und wenn hier keine Ideologie vorangetrieben wird.
Ich komme noch einmal zu weiteren großen Herausforderungen; ich meine den Wald. 1,5 Milliarden Euro stellen Bund und Länder für den privaten und den Kommunalwald zur Verfügung. Trockenheit, Stürme und Schädlingsbefall haben die Wälder in Deutschland massiv geschädigt. Die Dürrejahre haben dafür gesorgt, dass wir in den nächsten Jahren 245 000 Hektar vollkommen neu bewalden müssen. Insgesamt müssen in Deutschland 11 Millionen Hektar an den Klimawandel angepasst werden. Deswegen ist das Geld, das wir dafür einstellen, ein wichtiges Signal für die Erwerbsforstwirtschaft.
Aber es kann nicht sein, dass dann so viel Zeit vergeht, bis die Mittel vor Ort ankommen. Im Herbst hat der PLANAK dazu beschlossen. Bis heute haben nicht alle Länder diese Richtlinien umgesetzt. Daher liegt es nicht am BMEL, sondern an den langsamen Ministerien in den Ländern.
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Das kann und das muss besser werden. Deswegen bin ich froh, dass vom Ministerium eine Waldprämie auf den Weg gebracht wird. Auch da – ich gucke in Richtung BMF – erwarte ich, dass die zögerliche Haltung im BMF aufgegeben wird und dass die Prämie endlich zum Wald kommt. Da müssen wir Blockaden lösen.
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Eine letzte Herausforderung steht nicht mehr vor der Tür; sie ist quasi im Wohnzimmer: die Afrikanische Schweinepest. Das Ministerium, das FLI und die Länder haben bisher gut darauf reagiert. Die Ausbreitung ist am Beginn. Wir wissen nicht, wie sie sich weiterentwickelt; wir müssen das beobachten. Wir wissen nicht, was das noch für den Haushalt an der Stelle bedeuten kann. Ich zumindest bin bereit dazu, auch Mittel umzuschichten, wenn wir hier improvisieren und noch Geld ausgeben müssen. Aber das werden wir im Laufe der nächsten zwei Monate dann noch sehen.
Zum Schluss will ich der Ministerin und dem Ministerium für die Vorarbeiten danken. Ich denke, wir werden noch einige Diskussionen zum Haushalt führen. Er wird nicht so verabschiedet, wie er eingebracht worden ist. Das ist unser Recht; das werden wir auch in Anspruch nehmen. Ich freue mich jetzt auf die Beratungen.
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich freue mich jetzt auf den letzten Redner in dieser Debatte. Das ist der Kollege Uwe Schmidt, SPD-Fraktion.
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Sie haben auch allen Grund dazu. – Moin, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Forschungseisbrecher „Polarstern“ nimmt nach fast einem Jahr im ewigen Eis Kurs auf meine Heimatstadt Bremerhaven. Es gibt kaum ein besseres Beispiel als die Arktis, um zu zeigen, was der Klimawandel eigentlich mit der Erde anrichtet. Keine andere Region der Welt erwärmt sich schneller. Das ewige Eis schmilzt. Der globale Klimawandel führt zu einer Erhöhung des Meeresspiegels, zur Häufung von Wetterextremen wie Stürmen oder Starkregen und in manchen Regionen zu extremer Trockenheit.
Diese Herausforderung müssen wir angehen. Der vorliegende Etat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft orientiert sich daran. Extreme Trockenphasen und lange Hitzeperioden führen für die Landwirtschaft in Deutschland im dritten Jahr in Folge zu hohen Ernteausfällen. Der Kostendruck durch Einnahmeausfälle steigt. Dieser darf nicht auf den Rücken der Beschäftigten abgeladen werden.
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Sie sind ohnehin schon die Leidtragenden der Coronapandemie. Das geht auch aus dem Bericht 2020 zur Saisonarbeit der Initiative Faire Landarbeit hervor. Jährlich kommen Hunderttausende nach Deutschland, um Spargel zu stechen oder Erdbeeren und Gemüse zu ernten. Diese Saison- und Wanderarbeiter stellen 60 Prozent der dortigen Beschäftigten. Das zeigt, wie abhängig Deutschland von ihnen ist. Die aktuelle Krise hat die Saisonarbeit in der Landwirtschaft zusätzlich erschwert. Die Koordinierung der Einreise nur einem Sozialpartner zu überlassen, Frau Bundesministerin Klöckner, war keine gute Idee; das hätten Sie anders organisieren müssen.
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Saison- und Wanderarbeiter leisten Arbeit, die wir wertschätzen müssen. Genau wie alle anderen Beschäftigten auch. Mit fairen Bedingungen bei der Arbeitszeit und den Unterkünften, bei der Lohnzahlung und beim Gesundheitsschutz. Arbeitnehmerrechte gelten für alle Beschäftigten. Für uns als SPD ist das eine Selbstverständlichkeit.
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Den Arbeitgebern, die ihrer Verantwortung nicht nachkommen, müssen wir bei der Einhaltung der Arbeitnehmerrechte besonders auf die Finger schauen. Zustände wie in der Fleischindustrie – mein Kollege Spiering hat es vorhin schon gesagt – wollen wir nicht. Wir wollen Handwerk vor Ort, wir wollen sozialpartnerschaftlich organisierte Poolsysteme, um flexibel auf Produktionsspitzen vor Ort reagieren zu können. Hier steht die SPD an der Seite der Gewerkschaften, solange sie im Sinne der Beschäftigten agieren; das haben wir auch schon anders erlebt.
Saison- und Wanderarbeiter müssen ihre Rechte kennen. Die zuständige Berufsgenossenschaft kann jetzt vor Ort beraten, muttersprachlich und, wenn nötig, direkt auf dem Feld. Das hat die SPD durchgesetzt. Uli Freese, recht schönen Dank dafür, dass du das da reinbekommen hast.
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Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung in Höhe von fast 177 Millionen Euro können und müssen auch dafür eingesetzt werden. Liebe Ministerin Klöckner, hier müssen Sie mal von der Bremse gehen und endlich mal tätig werden. Wir brauchen hier ein gesetzlich verankertes Zugangsrecht der Gewerkschaften und der Berufsgenossenschaften zu den Beschäftigten sowie eine langfristige Finanzierung der arbeitsrechtlichen Beratungsstellen.
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Denn nicht nur die Bäuerinnen und Bauern brauchen unseren Schutz, sondern auch deren Beschäftigte. Die sichern durch ihre wertvolle Arbeit die Existenz der Betriebe vor Ort.
Die Mission MOSAiC der „Polarstern“ zeigt auch die künftigen Probleme der Landwirtschaft auf: Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt; das habe ich eben schon gesagt. Gerade wir an der Küste, wo ich herkomme, sind besonders davon betroffen. Umso wichtiger ist der wirksame Küstenschutz; er ist Bevölkerungs-, Umwelt- und Klimaschutz. Das geht uns alle an. Bei der Finanzierung der Maßnahmen zum Küstenschutz muss der Bund die Länder noch stärker unterstützen. Auch Hafenanlagen müssen berücksichtigt werden. Sie stellen oftmals die erste Deichverteidigungslinie dar. Es ist richtig, dass wir die GAK-Mittel auf insgesamt 1,16 Milliarden Euro erhöhen. 25 Millionen Euro stehen für den Sonderrahmenplan „Maßnahmen des Küstenschutzes in Folge des Klimawandels“ zur Verfügung. Das ist ein richtiger Ansatz; aber ich fürchte, das wird in Zukunft nicht mehr ausreichen.
Abschließend noch eine Bemerkung zu den Bundesforschungseinrichtungen – ich habe es gesehen, Herr Präsident –, die im Etat des BMEL liegen: In Bremerhaven forschen die beiden Thünen-Institute für Fischereiökologie und Seefischerei. Es muss ein besonderes Anliegen sein, die biologische Vielfalt in den Meeren zu erhalten. Das sichert auch nachhaltige Erträge für die deutsche Berufsfischerei. Nur in intakten marinen Lebensräumen kann das Meer seine Rolle als eine der wichtigsten Nahrungsquellen erfüllen.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Die Forschungsinstitute brauchen daher weiter finanzielle Unterstützung. Davon profitieren wir alle.
Recht schönen Dank, schönen Feierabend und danke für die Zeit.
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