Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich den Worten des Präsidenten, dass wir diese Situation mit Vorsicht und Geduld beherrschbar halten müssen – nicht nur im Hohen Haus, sondern vor allem auch draußen –, anschließen. Ich denke hierbei vor allen Dingen auch an die Verkehrsmittel und die Möglichkeit, mobil zu sein.
Wir müssen aber auch Kontrolle üben und Vorbereitungen treffen. Zum einen müssen wir kontrollieren, ob die Einschränkungen, die beschlossen wurden, auch eingehalten werden, und zum anderen Vorbereitungen dafür treffen, dass in Phasen ein öffentliches Leben unter Einhaltung der Vorkehrungen zur Eindämmung der Ausbreitung möglich ist. Vor allem müssen wir durch die Mobilität und die Logistik aber auch die Versorgung garantieren und die Ausübung der notwendigen beruflichen Arbeit bzw. Tätigkeit gewährleisten.
Wir müssen Rücksicht und Disziplin üben: Rücksicht auf den Nächsten und Disziplin im eigenen Verhalten. Deswegen möchte ich sehr herzlich allen Bürgerinnen und Bürgern danken, die so umsichtig sind, den Vorkehrungen, die die Politik entschieden und beschlossen hat, Rechnung zu tragen. Dass die Bürgerinnen und Bürger das in einem so breiten Konsens mittragen, ist die Basis dafür, dass das Virus sich nicht zusätzlich ausbreitet.
Wir als Bundesregierung informieren das Parlament gerne, nicht nur durch die vielen Staatssekretäre und Staatsminister, sondern heute auch – in kollegialer Zusammenarbeit – durch den Bundesgesundheitsminister.
Vielleicht gab es bei dem einen oder anderen noch Informationsdefizite, was das Verkehrsministerium in so einer Krise alles machen muss, um die Lieferketten aufrechtzuerhalten, die Versorgung in den Supermärkten sicherzustellen und eine stabile Grundversorgung durch die Verkehrsmittel zu erreichen, beispielsweise bei der Fernbahn und den Regionalzügen.
Wir arbeiten jetzt beispielsweise daran, verschiedene Szenarien einzuphasen. Wenn nämlich die Ministerpräsidenten und die Kultusminister darüber reden, dass der Schulunterricht wieder aufgenommen werden soll, dann ist es schon entscheidend, wie der Schüler von seiner eigenen Haustür zur Schultür kommt, und deshalb ist es notwendig, mit den Busunternehmen und den kommunalen Verkehrsbetrieben zu reden und vieles mehr zu organisieren.
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– Ja, Frau Haßelmann. Sie haben sich ja dazu geäußert. Wir als Bundesregierung kümmern uns eben um das normale Leben und diskutieren nicht nur theoretisch.
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Meine Damen und Herren, ich kümmere mich gerne darum, dass jetzt zusammen mit dem Bundesgesundheitsministerium die Beschaffung von Schutzausrüstung noch zusätzlich über eine Landbrücke angereichert wird. Heute fährt der erste Zug von China nach Deutschland los, und das in wöchentlichem Turnus, mit mehreren Millionen Schutzartikeln nicht nur für Deutschland, sondern auch – meine Damen und Herren, das freut mich ganz besonders – mit Schutzgütern und medizinischen Gütern für Italien.
Das ist eine sehr, sehr gute Botschaft, und zwar neben der Luftbrücke. Die Bemühungen dazu haben wir gemeinsam intensiviert. Wir haben gemeinsam geschaut, dass Start- und Landerechte gewährleistet sind, dass die Crews getestet sind und vieles mehr, dass wir die Lieferketten in vielen, vielen Belangen aufrechterhalten. Zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister stehen wir dazu in intensivem Kontakt, um Leben in Deutschland vorsichtig und diszipliniert zu ermöglichen, aber um vor allem auch die Produktion wieder anlaufen zu lassen.
Wir haben bei der Bahn grenzüberschreitende Verkehre beim Warentransport. Die DB Cargo fährt sehr viele Verkehre. Das ist gut so; denn es werden mittlerweile auch Güter gefahren, die normalerweise nicht auf der Schiene transportiert werden, also auch Güter, die im Supermarkt zu finden sind und normalerweise mit anderen Verkehrsmitteln transportiert werden.
Ich kann Ihnen noch eine sehr gute Botschaft über ein neues Förderprogramm für unsere Krankenschwestern und das Personal im Pflegedienst, aber vor allem auch in den Testlabors geben. Wir werden nächste Woche ein Förderprogramm starten, mit dem es ermöglicht wird, dass diese Beschäftigten auf die Mietwagenunternehmen zugehen und Mietwagen für ihre eigene Mobilität buchen können, damit sie von zu Hause sicher ins Krankenhaus oder ins Pflegeheim kommen. Ich glaube, das ist eine sehr, sehr gute Botschaft. Das ist eine Win-win-Situation. Die Mietwagenunternehmen spüren die Krise massiv. Deswegen gibt es da freie Kapazitäten, die wir mit diesem Förderprogramm nutzen können.
Darüber hinaus gibt es auch eine gute Botschaft für die Taxiunternehmen. Wir haben mit den Taxiunternehmen gesprochen und Schutzvorrichtungen eingeführt, deren Einbau wir auch fördern werden, damit zwischen der normalen Fahrgastebene und dem Fahrer eine Trennwand eingefügt wird, aber nicht mit Plexiglas und anderen starren Dingen, wie man sie vielleicht aus dem Ausland kennt, sondern mit einer Art Folie – es gibt entsprechende Nachbausysteme –, und zwar eine stärkere, transparente Folie, die dann dazu führt, dass der Fahrgast und der Fahrer gegenseitig geschützt sind.
Darüber haben wir uns mit vielen Verbänden aus der Wirtschaft sehr, sehr intensiv ausgetauscht. Wir haben vor allem auch ein stabiles Grundangebot über die verschiedenen Verkehrsträger gewährleistet und werden jetzt in die nächste Phase kommen, nämlich ein Grundangebot plus.
Zum Schluss, Herr Präsident, möchte ich mich noch mal ganz herzlich bei allen bedanken, die in der Logistik tätig sind: bei den Lageristen, bei den Gabelstaplerfahrern, aber vor allem auch bei unseren Brummifahrern, dass sie diesen harten Job machen. Wir konnten ihnen dabei helfen, dass alle Rastanlagen und Autohöfe offen sind, die sanitäre Infrastruktur vorgehalten wird und auch die Verpflegung sichergestellt ist. Ihnen möchte ich herzlichen Dank sagen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
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Liebe Kollegen, ich möchte so verfahren, dass ich den Mitgliedern des Hauses nicht vorgebe, was sie fragen sollen. Aber meine Bitte wäre, dass sie jeweils sagen, welches der beiden Kabinettsmitglieder sie fragen möchten. Das erleichtert das Ganze ein bisschen. – Die erste Frage stellt der Kollege Dr. Dirk Spaniel, AfD.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Damen und Herren, ich frage den Herrn Minister Scheuer. Es geht um die Fahrverbote, die in unseren Städten nach wie vor existieren. Wir haben jetzt in der Coronakrise erlebt, dass trotz eines erheblich gesunkenen Verkehrsaufkommens die Schadstoffwerte an vielen dieser Messstationen eben nicht wie prognostiziert zurückgegangen sind, sodass man die Fahrverbote insgesamt infrage stellen muss.
Trotzdem erleben wir, dass eine Organisation, die maßgeblich daran beteiligt war, dass wir diese Fahrverbote haben, die Deutsche Umwelthilfe, diese Forderung selbst in dieser Zeit und trotz objektiv belegbarer Gegenbeweise aufrechterhält.
Jetzt frage ich Sie nicht – das habe ich Sie heute Morgen schon gefragt –, wie Sie darüber denken; das weiß ich. Ich frage Sie jetzt aber ganz offen: Halten Sie es für richtig, dass eine Organisation, die sich gegenüber objektiven Fakten offensichtlich resistent zeigt – ich rede von der Deutschen Umwelthilfe – und die offensichtlich Menschen weiterhin eine Freiheitseinschränkung vorgibt, nach wie vor von Bundesministerien mit mehreren Millionen Euro – hier sind 5 Millionen Euro im Spiel – gefördert wird? Können Sie ausschließen, dass die Bundesregierung diese Förderung in Zukunft aufrechterhält?
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Herr Kollege Verkehrsminister Scheuer.
Herr Kollege Spaniel, ich werde jetzt nicht für andere Häuser reden. Aus dem BMVI bekommt die Deutsche Umwelthilfe nichts an Förderung. Das, glaube ich, ist eine sehr gute Entscheidung. Ich werde auch keine Kommentare zu Statements von Verbänden abgeben, sondern ich konzentriere mich auf die Fakten.
Sie wissen, dass auch mein Staatssekretär im Ausschuss sehr klar mitgeteilt hat, dass wir uns die Fakten anschauen, dass wir mit den Ländern in Kontakt sind, dass auch die Umweltbehörden der Länder und vor allem der betroffenen Städte die Aufgabe haben, diese Diskussion aufzulösen und zu sehen, ob ein Fahrverbot angebracht ist. Wenn wir in dieser Situation nur noch 15 bis 20 Prozent Verkehre haben, an den verschiedenen Messstellen aber die Messergebnisse gleich bleiben oder sogar noch schlechter sind, dann steht das Ganze in einem Missverhältnis.
Deswegen werden wir das aufarbeiten und wissenschaftlich begleiten. Aber vielleicht haben Sie Verständnis, dass wir momentan gerade nicht die Zeit dafür haben, hier in die Tiefe zu gehen. Aber wenn sich die Zeiten, was Corona betrifft, wieder entspannen, werden wir darüber sehr intensiv diskutieren wollen.
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Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Uwe Schmidt, SPD.
Herr Präsident, auch meine Frage würde an den Kollegen Bundesminister Scheuer gehen. – Herr Scheuer, mit rund 1,6 Millionen Seeleuten in der Handelsschifffahrt leistet der internationale Seeverkehr einen entscheidenden Beitrag, um die weltweiten Logistikketten am Laufen zu halten; das ist Ihnen ja durchaus bekannt.
Mit Stand vom 31. März 2020 waren 1 649 Schiffe im deutschen Schiffsregister unter fremder Flagge registriert, davon mehr als die Hälfte bei Drittstaaten wie Antigua und Barbuda sowie Liberia ausgeflaggt. Der Crewwechsel von monatlich rund 100 000 Seeleuten und die Gesundheitsversorgung der Seeleute müssen in der aktuellen Coronakrise gewährleistet werden. Die Umsetzung der vorgelegten Leitlinien der EU und eine internationale Koordination in dieser Angelegenheit sind daher dringend erforderlich.
Deswegen möchte ich Sie fragen: Wie wirken Sie in Ihrer Funktion als Bundesverkehrsminister darauf hin, dass die Flaggenstaaten ihrer Verantwortung für die Besatzungen nachkommen? Wie wirken Sie auf europäische und internationale Regierungen ein, um den systemrelevanten Status von Seeleuten anzuerkennen und die Reise- und Quarantänevorschriften für Seeleute zu lockern und damit die Rückführung in die jeweiligen Heimatländer zu gewährleisten?
Herr Kollege Schmidt, Sie sind ja ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet. Wir haben uns darüber schon intensiv ausgetauscht. Sie haben auch schon mehrere Berichte darüber bekommen. Das wird auch weiterhin so bleiben. Auch der Kollege Cezanne von der Linksfraktion hatte heute mehrere Fragen eingereicht, die wir schon im Ausschuss debattiert haben.
Es gibt keine Auffälligkeiten beim Crewwechsel. Wir sind im internationalen Dialog mit der Dachorganisation IMO und auch mit den anderen Ländern und Staaten. Es gibt jetzt an dieser Stelle keine Auffälligkeiten. Trotzdem muss klar sein, dass jeder seiner Verantwortung nachkommt.
Wir haben national vor allem Kontakt mit unseren Häfen, mit unseren Hafenstädten, weil wir nicht nur die Frachter haben, sondern auch die Kreuzfahrtschiffe. Wir wollen da eine sehr gute Lösung erzielen, sodass man die örtlichen Gesundheitsbehörden nicht überfordert, dass wir aber die Möglichkeit haben, die Seeleute zu schützen, das heißt zum einen zu schützen und zum anderen zu versorgen. Wir werden da im intensiven Austausch bleiben.
Nach dem Bericht, den Sie, glaube ich, am 8. April bekommen haben, gab es noch diverse Schalten. Ich biete Ihnen mit Blick auf die Zeit, die ich dort oben eingeblendet bekomme, an, Ihnen die nächsten Berichte der verschiedenen internationalen Schalten zu übermitteln, sodass Ihrem Anliegen Rechnung getragen wird. Aber das ist ein Anliegen, das wir beide zusammen mit meinem Staatssekretär, Enak Ferlemann, der im Bereich der Seeschifffahrt sehr kundig ist, teilen.
Danke sehr. – In der Tat, Herr Minister: Die Tatsache, dass die Schriftführer nicht hier oben sitzen, sondern da unten, ändert nichts daran, dass da oben jeweils die Zeit für Frage und Antwort eingeblendet wird. – Herr Schmidt, eine Nachfrage? – 30 Sekunden.
Ich habe aus gegebenem Anlass eine Nachfrage. – Es ist in der letzten Woche Folgendes vorgekommen: Zwei deutsche Kreuzfahrtschiffe, die unter maltesischer Flagge fuhren, wollten in den Hafen von Valletta einlaufen, um dort einen Crewwechsel vorzunehmen. Das ist ihnen vom Flaggenstaat verweigert worden. Das hat dann in internationalen Gewässern mit Tenderbooten stattgefunden. Eins der Schiffe läuft jetzt auf Bremerhaven und Hamburg zu.
Sie wissen ja, dass wir einen Hub für ausländische Seeleute machen wollen, um von Hamburg aus in die Heimat zurückgeführt werden zu können. Wie wollen Sie da auf europäischer Ebene darauf hinwirken, dass eben nicht nur die IMO die Leitlinien bestimmt, sondern die EU auch da ganz klare Mindest- und Sozialstandards setzen muss?
Am nächsten Mittwoch ist EU-Verkehrsministerrat, zu dem ich mit anderen Mitgliedstaaten wie Frankreich, Spanien und Italien wirklich aufgefordert und gedrängt habe. Neben einigen internationalen Themen der Luftverkehrswirtschaft, die wir da ebenfalls haben, werde ich auch dieses Thema ansprechen und werde das ganz intensiv einbringen: Das geht so nicht. Wir brauchen, wenn wir schon in Europa einen europäischen Kodex und internationale Verpflichtungen haben, auch hierbei die Einhaltung dieser Verpflichtungen. Auch in schwierigen Zeiten, auch in Zeiten dieser exorbitant speziellen Lage der Coronaepidemie, brauchen wir an dieser Stelle Lösungen, weil die Crews ja irgendwohin müssen und sie auch versorgt und betreut werden müssen.
Danke sehr. – Daniela Ludwig, CDU/CSU, stellt die nächste Frage. – Entschuldigung. Herr Luksic, Sie kommen dann als Übernächster. Jetzt habe ich Frau Ludwig schon das Wort erteilt. Sorry!
Herr Präsident! Meine Herren Minister! Lieber Herr Kollege, danke für den Vortritt. Das lag jetzt tatsächlich nicht an mir.
Nein, an mir.
Herr Minister Scheuer, ich wollte auf Ihre Bemerkung zu folgender Frage zurückkommen: Die Schüler müssen, wenn die Schulen wieder beginnen, an die Schulen gelangen. – Das Gleiche gilt für die Studenten, die oftmals auch noch einen weiteren Weg haben. Deswegen möchte ich hier ganz deutlich sagen: Ich bin sehr froh, dass sich auch ein Bundesverkehrsminister um diese Themen kümmert und nicht zuerst die Frage nach der Zuständigkeit stellt, sondern einfach macht. Das gilt übrigens für beide heute noch zu befragenden Minister. Vielen Dank für diesen Einsatz!
Ich schließe an der Stelle zwei Fragen an, die die Deutsche Bahn betreffen. Herr Minister Scheuer, zum einen gehe ich davon aus, dass der Zugverkehr in den nächsten Wochen wieder ein Stück weit hochgefahren werden wird. Vielleicht können Sie mir hier kurz im Detail sagen, wie sich das gestalten wird.
Wenn er denn wieder etwas hochgefahren werden muss oder wird, haben wir natürlich das Problem der Maskenbeschaffung. Inwiefern sehen Sie sich da gewappnet, und wie beziehen Sie insbesondere die betroffene Deutsche Bahn an dieser Stelle ein?
Vielen Dank.
Frau Kollegin, wir sind sehr froh, dass die Bahn ein sehr konzentriertes Krisenmanagement macht, und dies seit Monaten. Auch in der Beschaffung war die Bahn sehr schnell; denn bereits vor ein paar Monaten wurde für das DB-Personal die notwendige Schutzausrüstung besorgt. Auch beim Erstellen von Desinfektionsmitteln hilft die Bahn dem Bund, der Bundesregierung bzw. einzelnen Stellen der Bundesregierung. Das ist sehr erfreulich.
Die Bahn macht auch ein sehr gutes Krisenmanagement zusammen mit den Bundesländern, was die Regionalverkehre betrifft. Man muss sagen: Bei den Regionalverkehren haben wir das Angebot stufenweise – linear, aber geplant – heruntergefahren, auf etwa 50 bis 60 Prozent. Jetzt geht es in der nächsten Phase, vor allem ab Anfang Mai – ab 4. Mai –, wieder hoch.
Das andere ist: Wir haben 73 Prozent der Fernverkehre am Laufen, mit minus 80 Prozent Passagieren. Wir werden auch da wieder das stabile Grundangebot zu einem Grundangebot plus hochfahren, das heißt, unter allen Hygienevorschriften, unter allen Schutzvorschriften. Ich bin dafür, dass wir eine Maskenpflicht haben, und ich bin dafür, dass wir jetzt aber auch wieder Verkehre ermöglichen.
Wir sind im Kontakt mit unseren europäischen Nachbarn, um grenzüberschreitende Verkehre im Personenverkehr wieder zu ermöglichen, das heißt noch nicht jetzt, aber um uns darauf vorzubereiten. Das ist jetzt das Thema. Verkehr kann nicht morgen oder in drei Stunden beginnen, sondern muss geplant sein. In dieser Woche beraten wir verkehrsträgerübergreifend die verschiedenen Szenarien mit den verschiedenen Verkehrsträgern, sodass wir die Mobilität wieder ermöglichen, in Einhaltung aller Hygiene- und Schutzvorschriften.
Danke sehr. – Jetzt aber, Herr Kollege Luksic.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Scheuer, Sie haben gerade gesagt, Sie seien für eine Maskenpflicht. Da möchte ich noch mal einhaken.
Die Bundesregierung hat darin ja erst keinen Sinn gesehen. Die Position hat sich mehrfach geändert, und wir haben jetzt in den Bundesländern, zum Beispiel was den ÖPNV angeht, eine sehr unterschiedliche Handhabung in der Frage: Gibt es ein Maskengebot oder eine Maskenpflicht zum Beispiel in Straßenbahnen oder im Bus? Deswegen möchte ich Sie fragen, was da Ihre genaue Position ist. Gibt es jetzt ein Maskengebot, eine Maskenpflicht? Was ist Ihre Empfehlung an die Kommunen, und wann gibt es da in Deutschland eine einheitliche Linie? Da würde mich Ihre Position interessieren, weil ich sie noch nicht so ganz verstehen konnte.
Herr Kollege, das Maskengebot wurde in der Ministerpräsidentenkonferenz klar formuliert. In der Zwischenzeit haben sich einige Bundesländer dafür entschieden, eine Maskenpflicht einzuführen.
Man muss auch sagen: „Maskenpflicht“ ist ein sehr verkürztes Wort. Ich empfehle die Maske, aber eben auch in Form einer sogenannten Textil- oder Volksmaske, also keine OP- oder FFP2-Maske. Das Thema muss passen, dass wir bei OP- und FFP2-Masken für unser spezielles Personal die Beschaffung sicherstellen. Da sind wir massiv dran; da ist das BMG sehr erfolgreich, zusammen mit dem BMVI, dem BMWi und mit allen, die an dieser Stelle bei der Bundesregierung damit beauftragt sind.
Auf der anderen Seite empfehlen wir natürlich den Bürgerinnen und Bürgern, sich und andere zu schützen. Das ist erst einmal in der ersten Stufe eine Empfehlung.
Ich habe aber meine persönliche Meinung dazu abgegeben, vor allem in Bezug auf die Akzeptanz von ÖPNV. Wenn wir alles an Schutzabständen einhalten, dann werden wir zwar Verkehre haben, aber weniger Plätze, wo sich Passagiere hinsetzen können. Deswegen ist es notwendig, eigene Schutzausrüstung zu haben, um da auch die Akzeptanz beispielsweise von ÖPNV zu erhöhen; denken Sie an den Bus, denken Sie an die Straßenbahn! Ich empfehle das. Das ist meine private Meinung, weil ich das auch so erlebt habe.
Dass die Hemmschwelle fällt, dass man auch eine Maske trägt, freut mich. Keiner braucht sich zu schämen, eine Maske zu tragen; denn er schützt sich selbst und andere, und ich möchte, dass wir das im öffentlichen Raum – vor allem beim ÖPNV, bei den Transporten – den Bürgerinnen und Bürgern auch so antragen.
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Herr Minister, ich bitte einfach, das rote Zeichen ernst zu nehmen. Bei Rot ist Schluss.
Beim Thema ÖPNV sind in der Tat die Länder und Kommunen zuständig; aber beim Thema Deutsche Bahn sind Sie ja mit Herrn Spahn in der Verantwortung. Bleiben Sie da bei einer Empfehlung, oder haben Sie auch den Gedanken, da zu einer Pflicht überzugehen, und ab wann könnte diese gelten? Wie sind also Ihre Haltung und Ihre Empfehlung beim Thema Deutsche Bahn und später auch beim Luftverkehr, der für ein mögliches Öffnungsszenario ja wahrscheinlich auch auf Masken zurückgreifen muss?
Herr Kollege, dazu arbeiten wir gerade an Szenarien. Ich habe ja vorher gesagt: Die Woche werden wir nutzen, um die verschiedenen Phasen zu gestalten und gut vorbereitet zu sein.
Es gibt verschiedenste Überlegungen zu baulichen Lösungen und Ideen, die es auf der Welt gibt. Ich möchte da nichts ausschließen. Wir schauen uns jeden Verkehrsträger und die Möglichkeiten an. Wir reden von Verkehrsunternehmen, die auch wirtschaftlich agieren sollen. Also, ein Platz wird normalerweise auch als Sitzplatz an einen Passagier verkauft und ist nicht dafür da, dass er leer bleibt. Also müssen wir uns das als Verkehrsministerium ganz genau anschauen und mit dem Gesundheitsministerium oder an dieser Stelle auch mit dem Wirtschaftsministerium und dem Innenministerium abstimmen, damit wir alle gut koordiniert die nächsten Phasen organisieren können. Deswegen sind wir an dieser Stelle dran.
Es gibt keine endgültigen Beschlüsse. Es gibt aus der letzten Woche das Gebot, und ich habe Ihnen meine persönliche Meinung dazu gesagt, um die Akzeptanz zu erhöhen, im öffentlichen Raum und vor allem in den Verkehrsmitteln eine Maske zu tragen.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage richtet sich an den Minister Spahn.
Herr Spahn, Sie sind nicht nur Gesundheitsminister, sondern Sie sind auch ein erfahrener Finanz- und Haushaltspolitiker. Nun haben wir ja in der vergangenen Sitzungswoche, um die Coronakrise zumindest abzufedern, umfangreiche Finanzmaßnahmen und Rettungsschirme beschlossen. Werden Sie persönlich aus Ihrer Erfahrung heraus sich dafür einsetzen, dass die Bundesregierung dem Beispiel Dänemark folgt? Und zwar in folgender Hinsicht: In Dänemark erhalten solche Unternehmen keine Unterstützung, die ihren Sitz in Steueroasen haben oder die, bevor sie die Unterstützung zurückgezahlt haben, Boni ausschütten bzw. den Rückkauf von Aktien ermöglichen. Werden Sie sich für so ein Vorgehen innerhalb der Bundesregierung einsetzen?
Frau Kollegin, die Rahmenbedingungen für die bereits in Auszahlung oder Umsetzung befindlichen Förderprogramme des Bundes sind bekannt, die Kriterien dafür auch, und dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich habe eine Nachfrage. – Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Präsident! In der vergangenen Woche, als die Maßnahmen beschlossen wurden, haben ja Vertreter aller Fraktionen, auch der Fraktionen, die Sie tragen, also der Union und der SPD, gesagt: Wir werden sicher auch Fehler machen, und wir müssen schnellstmöglich diese Fehler korrigieren. – Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass es ein Fehler ist, an Unternehmen, die jetzt Dividenden ausschütten, Boni oder Aktienrückkauf ermöglichen, Staatshilfen auszuzahlen?
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Ich wäre, Frau Kollegin, mit Ihnen einer Meinung, dass man das wahrscheinlich in dieser Pauschalität gar nicht beurteilen kann, sondern dass man sich die Situation etwas individueller und spezifischer anschauen müsste.
Bei etwas anderem bin ich ausdrücklich Ihrer Meinung – das will ich auch grundsätzlich zu anderen Debatten, etwa auch gerade zur Maske und anderem, sagen –, dass wir nämlich miteinander in ein paar Monaten wahrscheinlich viel werden verzeihen müssen, weil noch nie –
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– ja, Sie mögen lachen; ich will es trotzdem mal sagen – in der Geschichte der Bundesrepublik und vielleicht auch darüber hinaus in so kurzer Zeit unter solchen Umständen mit dem Wissen, das verfügbar ist, und mit all den Unwägbarkeiten, die da sind, so tiefgreifende Entscheidungen haben getroffen werden müssen; das hat es so noch nicht gegeben. Ich bin immer ganz neidisch auf diejenigen, die schon immer alles gewusst haben.
Wir haben in den letzten Wochen alle gemeinsam viel dazugelernt, auch über dieses Virus und über manche Folgen von Entscheidungen. Ich bin mir sicher: Jenseits von Politik wird auch für die Gesellschaft, selbst für Virologen und Wissenschaftler, eine Phase kommen, wo wir alle im Nachhinein feststellen werden, dass man vielleicht an der einen oder anderen Stelle falschgelegen hat oder an der einen oder anderen Stelle Dinge dann noch mal korrigieren und nachsteuern muss. Das finde ich in einer Zeit wie dieser vergleichsweise normal. Wenn wir da ein Grundsatzverständnis hätten, dass das in einer Zeit solcher Unwägbarkeit dazugehört, dann wäre das schon mal ein wichtiger Schritt.
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Stefan Gelbhaar, Bündnis 90/Die Grünen, stellt die nächste Frage.
Ich möchte den Bundesverkehrsminister Scheuer befragen. – Sie haben in Ihrem Eingangsstatement sehr schön dargestellt, dass man als Staat Ge- und Verbote kontrollieren muss. Ich finde, vor der Kontrolle muss überhaupt erst mal das Ermöglichen des Einhaltens von Ge- und Verboten stehen. In dem Kontext möchte ich Sie gerne befragen.
Wir haben die Situation, dass auf den Fuß- und auf den Radwegen häufig das Abstandsgebot von 1,5 Metern, das von der Bundesregierung – von allen anderen zu Recht auch – ja häufig formuliert wird, platzbedingt schlicht und ergreifend nicht eingehalten werden kann. Nun ist es so, dass zum Beispiel die Stadt Brüssel in Belgien sehr krasse Maßnahmen ergriffen hat, indem man gesagt hat: Okay, dann müssen wir halt das Innenstadtzentrum vom Autoverkehr befreien. – In Berlin sind deswegen Pop-up-Bike-Lanes entwickelt worden. Es wird überlegt, ob man temporäre Spielstraßen einführt usw. usw. An Sie als Verkehrsminister daher die Frage: Wie werden Sie das unterstützen? Die Situation ist so, dass die StVO-Novelle am Montag in Kraft tritt. Reicht die StVO dafür? Oder was werden Sie sonst tun, damit dieses Abstandsgebot im öffentlichen Raum eingehalten werden kann?
Bei der StVO haben wir ja schwer gerungen; sie wurde ausgearbeitet vor der Coronazeit. Ich glaube, wir müssen auch eine Ebene finden, die der Kollege Spahn zutreffend angesprochen hat, nämlich außerhalb von Gesetzen und Regelungen einfach den gesunden Menschenverstand anzuwenden und auch das Thema Rücksicht zur Geltung zu bringen. Ich stelle schon fest, dass die Bürgerinnen und Bürger mit ihrer persönlichen Einstellung im Alltag oft weiter sind, als es manche politische Diskussion hergibt.
Ich werde alles unterstützen, sofern es gute Ideen enthält. Ich habe davon gelesen, was verschiedene Städte machen, was verschiedene Bundesländer machen. Ich glaube, da müssen wir auch auf Sicht fahren. Schauen Sie, wir haben unbürokratisch agiert, als plötzlich der § 23 der Straßenverkehrs-Ordnung in den Blickpunkt kam, und zwar in Bezug auf das Tragen von Mundschutz am Steuer. Dies betrifft vor allem das Pflegepersonal, die Busfahrer etc. Da werden wir jetzt mal auf Sicht fahren – durch die Coronakrise durch. Trotzdem müssen wir noch mal grundsätzlich darüber reden, wenn die Debatte gleich bleibt und der eigene Schutz im Vordergrund steht. Also, ich bitte an dieser Stelle, in dieser akuten Situation um Rücksicht. Man möge nicht jeden Paragrafen herumdrehen, sondern einfach mit gesundem Menschenverstand durch die Welt laufen, und das mit Abstand zum anderen.
Nachfrage Kollege?
An dieser Stelle möchte ich konkret fragen. Auch die Stadt Wien hat ja quasi gesagt: Okay, wir müssen insbesondere dem Fußverkehr den Raum geben. An vielen Orten in der Bundesrepublik ist es so, dass die Fußwege extrem eng sind; sie sind manchmal nicht mal einen Meter breit. Deswegen noch mal an Sie die Frage: Was werden Sie jetzt tun, damit das Abstandsgebot nicht nur von irgendjemandem kontrolliert wird, sondern überhaupt erst mal ermöglicht wird?
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Ich habe in den letzten Wochen schon mehrere Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit den Verkehrsministern aller Bundesländer geführt. Ich werde das gerne mitnehmen.
Aber es wird doch jetzt nicht vom Bund der Bürgersteig in Berlin-Mitte vermessen werden. Das meine ich damit. Wenn vor Ort eine Entscheidung zum gegenseitigen Schutz und zur gegenseitigen Rücksichtnahme getroffen wird, dann ist das okay. Ich nehme Ihr Anliegen gerne in eine entsprechende Schalte mit hinein. Ich werde noch mal mit den kommunalen Spitzenverbänden darüber reden, wie man sich das vorstellt. Aber entsprechend Ihrer Frage und so, wie Sie Ihre Politik die letzten Jahre und Jahrzehnte ausgerichtet haben, denke ich mal, dass Sie eher darauf fixiert sind, generell den Autoverkehr aus den Städten zu verbannen, um Fußgängern und Fahrradfahrern möglichst viel Raum zu geben. Das will ich mit der Coronakrise nicht verbunden sehen. Das darf nicht die Folge davon sein. Wie gesagt, jeder Verkehrsträger hat seine Berechtigung, auch die Autofahrer.
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Danke sehr. – Zusatzfrage: Frau Haßelmann.
Herr Scheuer, Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass Sie mit einer Grundsatzdebatte über die Frage, welche Position die Grünen zum Individualverkehr und zum ÖPNV haben, hier im Plenum überdecken können, dass Sie bei den Themen von Herrn Gelbhaar anscheinend völlig blank sind.
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Wir haben Sie gefragt – ich hätte gerne mal eine Antwort darauf –: Was haben Sie denn mit den kommunalen Unternehmen besprochen? Wie gehen Sie mit der ÖPNV-Situation um? Wie sollen solche Fragen, die Herr Spahn gerade in seiner Antwort an Frau Lötzsch behandelt hat, beantwortet werden? Es geht um schwierige Abwägungsfragen wie Einhaltung der Sicherheitsabstände, des Infektionsrisikos und ‑schutzes und gleichzeitige Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Welche Gedanken haben Sie sich denn darüber gemacht? Wie soll das gelingen? Da so eine billige Antwort zu geben, nach dem Motto „Sie waren immer schon gegen Individualverkehr“, zeigt doch nur, wie blank Sie bei dem Thema sind.
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Frau Haßelmann, ich weiß nicht, warum Sie jetzt so eine Schärfe da reinbringen.
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Wir kennen uns schon ziemlich lang, Herr Gelbhaar und ich, und auch seine politische Ausrichtung kenne ich. Meine Bemerkung war ein Kommentar, der in seiner politischen Ausrichtung real ist. Ich habe einfach vermutet, dass er über diesen Umweg den Autoverkehr aus den Städten bringen will.
Aber noch mal – Sie sind ja keine ausgewiesene Verkehrspolitikerin –: Der Bund zahlt nicht für den ÖPNV vor Ort, sondern wir gewährleisten mit Regionalisierungsmitteln die Organisation des ÖPNV. Genauso werden wir keinen Bürgersteig in Berlin oder in Castrop-Rauxel planen, sondern das macht die Stadt vor Ort. Das heißt, wir haben mit den kommunalen Spitzenverbänden jetzt intensiv darüber geredet, um die Vorkehrungen, die die Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten vereinbart hat, auch einzuhalten. Es kamen einige Anliegen der kommunalen Spitzenverbände, beispielsweise zur Schülerbeförderung, zu vielen Dingen, die vergütet werden müssen. Aber die Organisation selber wird vor Ort vorgenommen, nämlich von den Kommunen oder von den Bundesländern.
Nachfrage, Frau Kollegin Haßelmann. Sie haben 30 Sekunden. Das gilt auch für die Antwort des Ministers.
Alles klar. – Also, wahrscheinlich weiß Herr Scheuer nicht, dass ich die Regionalisierungsmittel im VA verhandelt habe; aber das macht nichts. Er war nicht dabei, ich schon.
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Meine Frage: Was wollen Sie in den Gesprächen zwischen Bund und Ländern über die hohen Einnahmeausfälle bei den kommunalen Unternehmen ganz konkret anbieten?
Das haben wir ganz konkret gesagt. Zum Ersten liegen wir bei den Regionalisierungsmitteln mit 8,6 Milliarden Euro auf Rekordniveau. Da legt diese Bundesregierung, diese Große Koalition, noch mal 5,4 Milliarden Euro in den nächsten Jahren drauf – vor Corona. Das ist der Finanzrahmen an dieser Stelle.
Das Zweite ist: Wir haben in einer Schalte mit den Länderverkehrsministern ausgegeben, dass die Regionalisierungsmittel auch für Verkehre zur Verfügung stehen, die momentan nicht geleistet werden können, um den Unternehmen – nicht nur den kommunalen Unternehmen, sondern auch den Verkehrsbetrieben, den Privaten – Sicherheit zu geben. Dem angeschlossen haben sich einige Bundesländer, die dazu auch finanzielle Sicherheit den Unternehmen geben, die nicht in den Bankrott rutschen dürfen. Das heißt, wir sichern jetzt gerade die Unternehmen ab, obwohl sie die Verkehre momentan gar nicht leisten können und leisten müssen.
In der nächsten Phase – jetzt – reden wir zusammen mit den Bundesländern darüber, wie die Hygiene- und die Vorsichtsmaßnahmen beim Personentransport, bei der Personenbeförderung ausgestaltet werden. An dieser Stelle sind wir im Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Länderverkehrsministern, um die Vorkehrungen, die die Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung beschlossen haben, einzuhalten.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Andreas Mrosek, AfD.
Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, nicht die Seeschifffahrt, sondern die Luftverkehrswirtschaft: Folgen Sie der Einschätzung verschiedener Experten und auch der AfD-Bundestagsfraktion,
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dass im Verkehrssektor gerade die Luftverkehrswirtschaft von der Coronakrise sehr getroffen wird und diese Branche unwahrscheinlich leidet? Wenn ja, ist die Frage, ob Sie dann eine Initiative starten würden, um die Ticketsteuer abzuschaffen; denn die schadet diesem Wirtschaftszweig.
Unser Ansatz ist ein anderer, nämlich dass die Luftverkehrswirtschaft zum einen von der infrastrukturellen Seite her unterstützt wird – das heißt die Flughäfen, auch die kleineren Flughäfen, die großen Flughäfen, die Deutsche Flugsicherung, also das System der Luftverkehrswirtschaft – und dass auf der anderen Seite die Airlines unterstützt werden. Da wird es auch für die Airlines Hilfen geben.
Ich glaube, dass wir in eine sehr schwierige Phase der europäischen und globalen Luftverkehrswirtschaft gehen. Vielleicht hat sich der eine oder andere schon mal Gedanken gemacht, wie sich das zusammenruckeln oder ordnen kann. Ich bin der Auffassung, dass wir eine komplette Neuordnung der Luftverkehrswirtschaft in der Welt bekommen; es werden auch einige vom Markt verschwinden. Deswegen müssen wir als Deutsche schon auch eine gewisse Wagenburgmentalität an den Tag legen, um unsere Unternehmen zu schützen; da gibt es Gespräche. Denn wir brauchen natürlich auch nach Corona eine leistungsfähige Luftverkehrswirtschaft.
Auf der anderen Seite gibt es die unterschiedlichen Strukturen der Flughäfen: die ganz großen, die unterschiedlich strukturiert sind, aber auch die Regionalflughäfen. An dieser Stelle bieten wir Möglichkeiten an, diese Infrastruktur zu sichern. In den Gesprächen, die laufen, haben wir vor allem im Blick, wie wir direkt unterstützen können, direkt schützen können. Aber die Luftverkehrswirtschaft ist bis auf 2 bis 3 Prozent, wenn ich jetzt einmal die Luftfracht wegnehme, zusammengebrochen, und das bereitet mir schon ziemlich viele Sorgen.
Zusatzfrage? – Danke, nein.
Ich will noch einmal ausdrücklich sagen, weil es offenbar Missverständnisse gibt: Jeder Fragesteller kann jeweils einen der beiden Minister befragen. Es wird hier so ein bisschen nach Runden gemeldet, und ich fürchte, dass vom Zeitablauf her die zweite Runde eher nicht stattfindet. Deswegen habe ich gesagt: Sagen Sie bitte, wen Sie fragen.
Jetzt stellt die nächste Frage die Kollegin Marja-Liisa Völlers, SPD.
Herr Präsident, herzlichen Dank. – Meine Frage richtet sich an den Bundesminister Scheuer.
Ich hätte eine Frage zum konkreten Termin der Bekanntgabe des finalen Gutachterentwurfes zum Deutschland-Takt. Die Kollegen der Grünenfraktion, aber auch ich als einfache Abgeordnete haben mehrfach Ihr Ministerium gefragt, wann dieser Termin denn nun stattfindet. Er wurde aus verschiedenen Gründen immer weiter nach hinten verschoben. Und wenn man dann ein bisschen recherchiert, findet man heraus – ohne dass dazu aus Ihrem Haus konkrete Hinweise gekommen sind, zumindest was mich als Abgeordnete betrifft –, weshalb die Verzögerung zustande gekommen ist. Ein Hinweis findet sich auf der Homepage der Initiative Deutschland-Takt, mit der Sie als Bundesverkehrsministerium ja auch sehr gut hinsichtlich des Deutschland-Taktes kooperieren. Die Verzögerung liege – ich zitiere jetzt einmal aus der Seite – mit Hinweis auf einen sogenannten Insiderkreis an den „Wirtschaftlichkeitsberechnungen großer Neubauprojekte“.
Von daher meine Frage: Können Sie diese sogenannten Insiderinformationen als korrekt bestätigen? Und wenn Sie das nicht können: Woran lag es denn genau, dass der Termin der Bekanntgabe des Deutschland-Takts so weit nach vorne verschoben wurde, von Frühjahr auf Sommer? – Herzlichen Dank.
In der Tat hatten die Berechnungen der Wirtschaftlichkeit dies zur Folge. Wir haben ja gesagt: „Mitte 2020 wollen wir das vorlegen“, und das bleibt auch so. Ich habe auch keine anderen Rückmeldungen vom Bahnbeauftragten der Bundesregierung, der sich da intensiv reingearbeitet hat. Es sind ja auch nur ein paar Wochen. Man muss auch dazusagen: Wir haben eine sehr spezielle Zeit. Deswegen kann ich Ihnen gerne noch mal den aktuellen Stand zukommen lassen. Aber der Zeitpunkt Mitte 2020 ist mir jetzt genannt worden, und ich werde ein Auge darauf haben, dass es trotz Ihrer Ungeduld zu einem Ergebnis kommt.
Nachfrage? – Bitte, Frau Völlers.
Ich hatte konkret ja auch gefragt, ob die Verschiebung, wie es laut „Insiderkreisen“ auf der Seite der Initiative Deutschland-Takt behauptet wird, darauf zurückzuführen sei, dass man neue Berechnungen für Neubauprojekte machen müsste. Von daher wäre meine Frage mit allem nötigen Respekt: Ist das so, oder ist das nicht so?
Frau Kollegin, wir sind ständig in Berechnungen von Neubauprojekten, weil wir natürlich die Wirtschaftlichkeiten abprüfen. Wenn Sie da ein Projekt im Blick haben, können wir, denke ich mal, das gerne auflösen. Ich würde Ihnen das schriftlich zukommen lassen.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Christian Jung, FDP.
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– Ich gehe nur nach den Meldungen, wie sie mir aufgeschrieben werden, Herr Theurer; das tut mir leid. Bei mir steht als Nächster „Dr. Christian Jung“, und er hat jetzt das Wort. – Aber jetzt läuft die Uhr von Neuem.
Ich habe auch eine Frage an den Bundesminister Scheuer. – Herr Scheuer, trotz aller Differenzen, zum Beispiel bei der Pkw-Maut, haben wir beide auch Gemeinsamkeiten, zum Beispiel beim Einsatz für die Lkw-Fahrer. Damit es da nicht nur bei Sonntagsreden und PR-Terminen bleibt, hätte ich gerne von Ihnen gewusst: Was plant die Bundesregierung insgesamt, um das Arbeitsfeld der Lkw-Fahrer, aber auch der gesamten Logistik attraktiver zu machen? Was planen Sie für die Zeit nach der Coronakrise?
Danke für die Frage; denn sie gibt mir Gelegenheit, die neue Initiative „Logistik hilft“ zu nennen, die im Übrigen eine Initiative ist, die aus der Wirtschaft kommt und die wir gerne unterstützen. Wir sollten nicht nur die Arbeitsbedingungen für die Lkw-Fahrer verbessern, sondern uns generell die verschiedenen Berufsgruppen mal ganz genau anschauen. Letzte Woche am 16. April, am Tag der Logistik, war ich in Großbeeren im Logistikzentrum, um das noch mal zu dokumentieren.
Wir haben hochattraktive Berufe in der Logistik. Ich denke, wir tun gut daran – darüber habe ich auch schon mit dem Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil geredet –, zum Thema Fachkräftemangel – den haben wir seit Jahren – eine spezielle Initiative zu starten, ganzheitlich, nicht nur auf den Brummifahrer bezogen, auf die Infrastruktur, die sanitären Einrichtungen, die Situation an den Rampen, sondern generell über alle Logistikberufe hinweg. Dazu wird es eine intensive Beschäftigung zusammen mit dem Bundesarbeitsminister geben.
Nachfrage, Herr Kollege Jung? – Danke, nein.
Dann stellt die nächste Frage der Kollege Michael Donth.
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– Ich habe jetzt schon den Kollegen Michael Donth, CDU/CSU, aufgerufen.
Herr Minister, die Busse haben heute schon eine Rolle gespielt. Dazu habe ich auch eine Frage. Es zeichnet sich ab, dass, auch wenn es jetzt erste Lockerungen bei den Bussen gibt, erste Schülerverkehre wieder stattfinden, erste Verkehre in die Städte wieder hochfahren, es noch lange Zeit dauern wird, bis die eigenwirtschaftlichen Verkehre der privaten Unternehmen wieder gefahren werden können. Ich spreche von den Leistungen im ÖPNV genauso wie von anderen Leistungen, die betroffen sind: Fahrten mit Fernbussen, Ausflugsfahrten, Urlaubsfahrten etc. – all das, das Brot unserer privaten Busunternehmer. Vielleicht könnten Sie uns darstellen, welche Maßnahmen Ihr Haus ergreift, um den privaten Verkehrsunternehmen, die mit ihren eigenwirtschaftlichen Verkehren besonders betroffen sind, zur Seite zu stehen.
Herr Kollege Donth, das ist natürlich fast zum vollständigen Erliegen gekommen; so ehrlich müssen wir sein. Es sind mittelständische Unternehmen, Familienunternehmen, die in den letzten Jahren viel investiert haben in neue, moderne Busse. Deswegen haben wir die Verbände, die sich mit den Busunternehmen beschäftigen, zuallererst den bdo, in die Schalten mit den Länderverkehrsministern integriert, weil es zum einen um die Verkehre der Personenbeförderung geht, die bestellt werden, zum anderen aber auch um die Busbranche. Unter der Woche die normalen Linienverkehre, die normale Schülerbeförderung, am Wochenende dann der Trachtenverein oder der Sportverein, vielleicht auch noch eine Besuchergruppe eines Bundestagsabgeordneten, das ist ja jetzt vollständig zum Erliegen gekommen. Deswegen arbeiten wir eng mit dem Bundeswirtschaftsminister zusammen, um zum einen diesen Familienbetrieben zu helfen – jetzt – und zum anderen aber auch im engen Dialog darüber zu bleiben, was die Anforderungen, die Vergütungen sind. Der ganze Forderungskatalog wird sukzessive von uns abgearbeitet, auch was den Bereich „Hilfen über eine Gutscheinlösung“ betrifft. Da hängen wir noch auf europäischer Ebene; da gibt es noch kein Ergebnis. Der Hintergrund ist: Die Busunternehmen zahlen ja die – –
Herr Bundesminister.
Ja.
Sie haben doch hoffentlich die Funktion von Rot und Grün bei Ampeln nicht außer Kraft gesetzt.
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Der Kollege Donth würde gerne eine Zusatzfrage stellen. Bitte.
Herr Minister, auch wenn die Antwort jetzt nicht ganz rüberkam, kann ich sie mir doch erschließen.
Aber noch eine Rückfrage, und zwar: Bayern hat ein Modell entwickelt, um gerade den privaten Unternehmern, die eigentlich eigenwirtschaftlich unterwegs sind, zu helfen, indem einerseits kurzfristige Notvergaben zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung vor allem im ländlichen Raum, aber auch im ÖPNV generell und andererseits eine Entbindung von der Betriebspflicht beschlossen wurden. Wissen Sie, ob es dieses Modell auch in anderen Bundesländern gibt? Und ergänzend dazu: Hielten Sie es nicht für sinnvoll, das dann gegebenenfalls bundesweit auszurollen?
Um dem Anliegen des Präsidenten Rechnung zu tragen: Ich finde alle Pläne und Ideen des Freistaates Bayern und der Bayerischen Staatsregierung sehr gut.
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Nein, ganz im Ernst, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Genau das sind die Ansatzpunkte, die wir diskutieren. Zum einen geht es darum, auf europäischer Ebene eine Lösung zu erzielen, damit die Gutscheinlösung die Busbranche nicht gänzlich außer Acht lässt; denn diese ist in vielen Dingen dazwischengeschaltet. Das Zweite ist, der Busbranche einfach zu helfen. Es bringt uns allen ja nichts, wenn die Unternehmen jetzt in große Probleme kommen und wir dann, wenn die Verkehre wieder anspringen, keine Unternehmen mehr haben, weil sie aufgeben mussten. Es soll Ausdruck unserer gemeinschaftlichen, solidarischen Art sein, auch diesen Familienbetrieben zu helfen.
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Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Andrej Hunko, Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage geht an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Die Frage bezieht sich auf die Reproduktionszahl im Falle von Corona und auf die Frage der Evaluierung. Sie kennen ja auch die Kurve des Robert-Koch-Instituts, nach der die Reproduktionszahl zunächst auf etwa 3 gestiegen ist und dann auf unter 1 gefallen ist.
Für viele Bürger und für mich – für Sie vielleicht auch – war es überraschend, dass die Reproduktionszahl schon vor dem großen Lockdown am 23. März auf unter 1 gefallen ist. Wenn man sich das so anschaut, dann kommt man ja zu dem Eindruck, dass die ersten Maßnahmen, nämlich die Absage von Großveranstaltungen und die Hygieneaufforderung, einen großen Effekt hatten, aber der Lockdown drei Tage später, am 23. März, nur einen vergleichsweise geringen Einfluss hatte. Meine Frage ist: Wie bewerten Sie das, und welche Evaluierungsprojekte plant die Bundesregierung, um die einzelnen Maßnahmen zu bewerten?
Herr Präsident! Lieber Herr Kollege, zwei Bemerkungen. Das eine ist: Wir haben immer darauf hingewiesen, dass die Reproduktionszahl R ein wichtiger Parameter ist, aber nicht der einzig wichtige. Es geht natürlich auch um die absolute Zahl an Neuinfektionen, damit die Situation auch für das öffentliche Gesundheitswesen händelbar ist, zum Beispiel in der Nachverfolgung. Es geht um die absolute Zahl auch mit Blick auf das Gesundheitswesen in der Intensivmedizin, die Kapazitäten, die gebraucht werden. Heute haben wir doppelt so viele Genesene wie akut Infizierte; auch diese Relation spielt also eine Rolle. Insofern wundere ich mich über manche öffentliche Debatte, die alles nur auf eine Zahl reduziert. Dafür ist das Geschehen zu komplex.
Zweite Bemerkung. Ja, was wir sehen, ist, dass die Bürgerinnen und Bürger im Zuge der Ereignisse in Norditalien, im Zuge dessen, was in Gangelt passiert ist, im Zuge der öffentlichen Debatte darüber, im Zuge der Bilder, auch im Zuge der Aufforderung, die wir sehr frühzeitig seitens des Bundesministeriums für Gesundheit in den Medien, in den sozialen Medien, aber auch insgesamt verbreitet haben, Kontakte zu reduzieren oder etwa nach dem Skiurlaub zwei Wochen selbst in Quarantäne zu gehen, reagiert haben, dass das sozusagen zu einem aus freier Entscheidung mit den vorliegenden Informationen getroffenen Lockdown durch die Bürgerinnen und Bürger geführt hat. Man sieht an den Bewegungsdaten, dass nach Aschermittwoch im Zuge der öffentlichen Debatte die Bürger aus eigener Entscheidung ihr Verhalten geändert haben, weil sie eben gesehen haben: Da passiert was.
Das zeigt, wie wichtig es am Ende gerade auch in einem freiheitlichen Staat wie unserem ist, dass wir Akzeptanz und Unterstützung haben, auch eine Anerkenntnis der ergriffenen Maßnahmen, also warum wir was tun. Es zeigt aus meiner Sicht übrigens gleichzeitig auch, dass es eine gemeinsame Perspektive auf Lockerung dieser starken Freiheitseinschränkungen gibt, damit die Akzeptanz bleibt.
Insofern: Ja, die Zahl ist wegen Einsicht schon vorher zurückgegangen; aber, Herr Präsident, die zusätzlichen Maßnahmen haben natürlich in diesem komplexen Geschehen geholfen, dass es bei einer händelbaren Größenordnung geblieben ist. Das eine gehört zum anderen.
Danke sehr. – Nachfrage, Herr Hunko? – Ich habe zu dem Punkt eine Reihe weiterer Fragen; ich sage es gleich. Es wäre also gut, wenn Sie die Zeit im Blick behalten könnten; denn die Regeln sind ja nicht von mir geschaffen, sondern vereinbart: jeweils 60 Sekunden für Fragen und Antworten und für Nachfragen jeweils 30 Sekunden. – Herr Hunko.
Vielen Dank. – Ich will nur darauf verweisen, dass Sie ja die Reproduktionszahl in den Mittelpunkt der Debatte gestellt haben. Natürlich gibt es viele Parameter.
Aber noch die Nachfrage, weil es natürlich zum Teil auch weitreichende Maßnahmen sind: In welcher Form werden Sie künftig versuchen zu evaluieren, welche Wirkung welche Maßnahme hatte? Ich glaube, das ist sehr wichtig, auch was die Akzeptanz angeht. Viele Bürger wollen ja auch verstehen, wie der Effekt bestimmter Maßnahmen ist. Daher noch mal die Frage zur Evaluierung.
Ich lege erst mal grundsätzlich Wert darauf, dass ich jedenfalls in meinen öffentlichen Äußerungen jederzeit darauf hingewiesen habe, dass es ein komplexes Geschehen ist und es sich nicht auf eine Zahl reduzieren lässt.
Zum Zweiten bin ich bei Ihnen, dass wir das evaluieren müssen. Dadurch, dass die Maßnahmen so schnell hintereinander getroffen wurden, konnten wir sie bei der Einführung nicht evaluieren; das ist auch Teil der Wahrheit. Wir haben aber jetzt eine schrittweise Herangehensweise: Wir haben jetzt erste Maßnahmen ergriffen, die wir uns nach zwei, drei Wochen – so ist es ja vereinbart mit den Ministerpräsidenten – in ihrer Wirkung dahin gehend anschauen können, was das am Infektionsgeschehen verändert, und das macht eine Evaluierung natürlich besser möglich.
Es gibt Studien, auch aus anderen Ländern, und Herleitungen; aber wie eine isolierte Maßnahme „Kitaschließung“ oder eine isolierte Maßnahme „Absage von Großveranstaltungen“ wirkt oder nicht wirkt, kann man ja sozusagen nicht unter Laborbedingungen nachvollziehen, weil jede Maßnahme auch wieder Verhaltensänderung in anderen Bereichen – ich habe es gerade beschrieben – einfach aus Erkenntnissen und aus der Debatte heraus nach sich zieht. Aber natürlich – da bin ich bei Ihnen – müssen wir alles tun, um das wissenschaftlich so gut wie möglich zu begleiten.
Danke sehr. – Zum selben Themenkomplex möchte der Kollege Dr. Ullmann, FDP, eine Frage stellen.
Herzlichen Dank für die Antworten so weit. – Würden Sie mir zustimmen, dass die Daten zu R0, die vom RKI jetzt gekommen sind, einfach eine Darstellung von Gesamtdeutschland sind, aber bei den einzelnen demografischen wie auch regionalen Clustern, die wir haben, gar nicht zum Tragen kommt, dass da unterschiedliche Geschwindigkeiten existieren? Und daran anschließend: Welche Kriterien würden Sie als Gesundheitsminister eigentlich festlegen wollen, damit wir aus diesem Lockdown schrittweise wieder herauskommen können?
Also, zum Ersten: R gibt ja im Grunde – in ganz einfachen Worten – an, wie viele Personen jemand, der infiziert ist, selbst noch ansteckt. „R gleich 3“ heißt, der Infizierte steckt im Schnitt drei andere an; „R gleich 1,1“ heißt, zehn Infizierte stecken elf andere an. Das klingt nach wenig, macht aber exponentiell über mehrere Wochen dann doch einen Unterschied. Der Unterschied zwischen 0,9 – man steckt im Schnitt weniger als einen anderen an – und 1,1 klingt nach total wenig; es macht aber einen Riesenunterschied für die Dynamik der Entwicklung, wenn man das einfach mal über mehrere Tage und Wochen sieht.
Ich bin bei Ihnen: Es gibt Unterschiede in den Regionen – definitiv. Das sehen wir ja auch an der Inzidenz: Wie viele Infektionen hat es in den letzten sieben Tagen in den Landkreisen gegeben? Wir haben vier Landkreise in Deutschland, die bei über 100 Infektionen in den letzten sieben Tagen liegen; andere liegen deutlich darunter. Deswegen müssen wir das natürlich auch sehr zielgerichtet genau in diesen Regionen begleiten, was den Öffentlichen Gesundheitsdienst angeht, was Kontaktnachverfolgung angeht, was Maßnahmen angeht. Am Ende ist es aus unserer Gesundheitssicht – die anderen Faktoren spielen ja auch eine Rolle – ein Gesamtsetting aus der Reproduktionszahl, der absoluten Zahl, den Kapazitäten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in der Nachverfolgung und natürlich der Belastung des Gesundheitswesens.
Die nächste Frage zu diesem Thema stellt der Kollege Stephan Brandner, AfD.
Ich möchte noch mal auf den 23. März abstellen. Am 23. März traten ja weitgehende Verordnungen bzw. Verbote in Kraft, die das öffentliche Leben in Deutschland nahezu lahmgelegt und die Wirtschaft heruntergefahren haben. Es fanden massive Grundrechtseingriffe statt, die bis heute andauern. Es sind aufgrund der Entscheidung, ab dem 23. März so zu handeln, Kosten in Milliardenhöhe entstanden.
Das Robert-Koch-Institut hat ja mit Veröffentlichungsdatum vom 14. April gesagt, dass bereits vor dem 23. März die Reproduktionsrate auf unter 1 gesunken war. Jetzt haben Sie gesagt, die Reproduktionsrate wäre nicht das einzig Ausschlaggebende für Sie. Mich interessiert, ob der Bundesregierung am 23. März bereits bekannt war, dass die Reproduktionsrate unter 1 gesunken war,
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und; wenn nein, auf welcher Grundlage die Bundesregierung die weitreichenden Entscheidungen im Zusammenhang auch mit den Ländern ab dem 23. März getroffen hat.
Das Herausfordernde im März, Herr Kollege, war ja die Dynamik in der Steigerung, das exponentielle Wachstum, also dass die Verdopplungszeit immer kürzer geworden ist. Wir mussten in der Hochrechnung, wenn sich das so fortsetzt, von exponentiellem Wachstum ausgehen. Exponentielles Wachstum unterschätzt man immer. Es ist für uns, auch für mich persönlich, sehr schwer zu begreifen, wie schnell es bei exponentiellem Wachstum dann auf einmal geht, innerhalb von wenigen Tagen und Wochen. Wir denken nämlich immer sehr linear. Lineares Denken ist einfach, glaube ich, im Menschen angelegt.
Wir haben in anderen Ländern gesehen, was exponentielles Wachstum an Belastungen für das Gesundheitssystem mit sich bringt und welche Folgewirkungen es in anderen Bereichen haben kann. Deswegen war, ist und bleibt es notwendig, die Dynamik des exponentiellen Wachstums, also die Welle, die wir gehabt haben, zu unterbrechen, wie es gelungen ist, und die Infektionszahlen wieder in eine für uns – Stand heute – händelbare Größenordnung zu bringen, sowohl hinsichtlich der Nachverfolgbarkeit als auch der Frage, wie das Gesundheitswesen damit umgehen kann.
Ich sage es noch einmal: Ob die Reproduktionszahl bei 1,1, 1,2 oder 1,3 liegt, macht einen unendlich viel größeren Unterschied für die Dynamik, als es vielleicht beim ersten Hören erscheint. Es macht einen Riesenunterschied, ob die Reproduktionszahl 0,9 oder 1,1 ist. Das ist ein Riesenunterschied!
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Herr Brandner, möchten Sie eine Nachfrage stellen?
Darf ich denn?
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Anscheinend, wenn der Präsident es sagt. Ja, Sie dürfen.
Gerne.
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Sie dürfen meine Frage mit Ja oder Nein beantworten.
Ja, –
Bitte. Dann stellen Sie sie. 30 Sekunden.
– und ich schließe die Nachfrage dann auch an. – Fakt ist doch nach der Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts vom 14. April, dass die Reproduktionsrate am 23. März und auch leicht davor schon unter 1 lag. Das ist ja Fakt. Daran gibt es ja nichts zu deuteln. Meine Frage: War das der Bundesregierung am 23. März bekannt? Ja oder nein?
Das kann deswegen nicht bekannt sein, weil zum Ersten das Bulletin des Robert-Koch-Instituts vom 15. April, auf das Sie anspielen, sehr deutlich macht, dass die genaue Berechnung mit dem sogenannten Nowcasting-Verfahren, in das auch entsprechende Erfahrungen aus der Vergangenheit zu Meldeverhalten und Meldeverzug theoretisch und wissenschaftlich eingebaut worden sind, erst in der Zeit danach überhaupt zur Verfügung stand.
Zum Zweiten, ohne jetzt zu sehr in die Details zu gehen: Ich habe mir selbst mal nachvollziehbar aufarbeiten lassen, wie dieses R tatsächlich berechnet wird; das kann ich Ihnen gerne mal zuschicken. Da fließen viele Faktoren hinein: Die letzten drei Tage werden nicht berücksichtigt, sondern die vier Tage davor, und die werden in Vergleich gesetzt zu den vier Tagen davor. Dann wird noch hochgerechnet, welche Meldungen zeitverzögert erfolgt sind, weil wir ja auch einen Verzug haben zwischen der Laborfeststellung und der Meldung beim RKI. In die Berechnung fließen all diese Faktoren mit ein. Deswegen ist die simple Frage, ob am 23. März die Zahlen vom 20. oder 22. März bekannt waren, klipp und klar mit Nein zu beantworten.
Danke sehr. – Ich habe jetzt zu diesem Thema noch zwei weitere Fragen. Danach würde ich gerne dem Kollegen Gastel, der schon lange an der Reihe wäre, die Möglichkeit geben, seine schon angemeldete Frage zum anderen Themenbereich zu stellen.
Im Übrigen habe ich mich mit den Fraktionen gerade darauf verständigt, dass wir angesichts der Tatsache, dass wir zwei Bundesminister vor Ort haben und ein hohes Interesse des Plenums besteht, die Regierungsbefragung bis 14.30 Uhr verlängern
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und dafür die nachfolgende Fragestunde ein bisschen verkürzen.
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Also, jetzt hat das Wort die Kollegin Maria Klein-Schmeink, Bündnis 90/Die Grünen.
Danke schön. – Auch eine Frage zur Reproduktionszahl: Herr Professor Drosten warnt ja durchaus schon davor, dass wir damit rechnen müssen, dass es wieder zu einem Anstieg kommen kann. Da ist es ja besonders wichtig, dass wir Schutzkonzepte fahren. Wenn ich die Zahlen zur Bereitstellung und Beschaffung, aber auch zur Produktion von Schutzmaterialien sehe, stelle ich fest, dass wir gerade dann eine Lücke haben, wenn in vielen Bundesländern jetzt die Maskenpflicht eingeführt wird. Wie stellen Sie sicher, dass der Bedarf zum Beispiel an einfachen OP-Masken nicht zulasten der Beschäftigten im Gesundheitswesen und anderer sehr wichtiger Versorgungsbereiche geht, die ja heute oft damit zu kämpfen haben, dass sie gar keinen Zugang oder nur sehr schlechten Zugang zu diesen Materialien haben?
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Herr Präsident! Ich finde es sehr wichtig, zu unterscheiden – das tun wir hier in der Debatte auch – zwischen den medizinischen Schutzmasken für die Beschäftigten im Gesundheitswesen, die vor allem den Träger/die Trägerin vor einer Infektion schützen sollen, insbesondere die sogenannten FFP2- und FFP3-Masken, und den Alltagsmasken, meistens ja textiler Art, wie sie hier auch einige tragen.
Diese textilen Alltagsmasken, soweit ich das wahrnehme durch Empirie im Alltag, stehen sowohl in den Onlineangeboten als auch in dem, was ich sehe, wenn ich mich durch die Stadt bewege, in großer Zahl zur Verfügung. Ich sehe keine Verknappung an textilen Alltagsmasken, sondern sie stehen ausreichend, auch zum Erwerb, zur Verfügung. Das ist so, im Unterschied – da bin ich bei Ihnen – zu medizinischen Schutzmasken. Ich kann natürlich immer wieder nur darauf hinweisen, dass medizinische Schutzmasken tatsächlich primär im Gesundheitswesen zu nutzen sind, wo der Bedarf da ist, wo es uns, um das anzufügen, auch zunehmend besser gelingt, die Versorgung Woche um Woche sicherzustellen.
Nachfrage, Frau Kollegin?
Ja. – Danke schön für die Antwort. Es gibt aber trotzdem eine gemeinsame Schnittstelle, und das sind die einfachen OP-Masken, die ja beispielsweise im ÖPNV, bei der Bahn usw. in großen Mengen ausgegeben werden und durch die Maskenpflicht noch vermehrt ausgegeben werden. Das sind sehr potente Konkurrenznachfrager gegenüber einfachen Heilmittelerbringern, beispielsweise den ambulanten Pflegediensten, die einzeln nachfragen müssen und dann das Nachsehen haben. Deshalb noch mal die Frage: Was wird gerade im Segment der einfachen OP-Masken getan, um sicherzustellen, dass bis August nicht eine Situation entsteht, wo sich gerade der Bedarf da sehr verschärft?
Frau Kollegin, ich bin auch Ihrer Meinung, dass wir sehr genau im Blick haben müssen, dass es nicht im Gesundheitswesen zu einer Verknappung sogenannter OP-Masken, also der einfachen medizinischen Masken, durch den Gebrauch in anderen Bereichen kommt. Stand heute – ausdrücklich –, auch nachdem wir etwa aus der Bundesbeschaffung in den letzten Tagen OP-Masken im zweistelligen Millionenbereich an das Gesundheitswesen haben ausliefern können, sehe ich dort die Bedarfe gut gedeckt.
Gleichwohl müssen wir gemeinsam in der gesellschaftlichen, in der politischen und in der faktischen Debatte und Umsetzung dahin kommen, dass medizinische Masken primär fürs Gesundheitswesen und für die Pflege zu nutzen sind. Wenn die Bedarfe dort gedeckt sind, dann können sie möglicherweise auch in anderen Bereichen genutzt werden. Allerdings sehe ich die Lage bei den sogenannten OP-Masken auch auf dem Markt deutlich entspannter als bei FFP2-, FFP3-Masken, also den besonderen Schutzmasken vor einer Infektion. An der Stelle besteht noch eine größere Knappheit.
Zur Frage – ich weiß nicht, ob diese Aufforderung enthalten war –, ob man irgendwann in den Markt eingreift: Das sehe ich aus heutiger Sicht nicht, und ich möchte gerne mit vielen anderen alles dafür tun, dass wir auch nicht in die Situation kommen.
Danke sehr. – Jetzt stellt die im Augenblick letzte Frage zu diesem Komplex der Kollege Detlev Spangenberg, AfD.
Herr Bundesminister, ich gehe noch mal auf die Reproduktionszahl ein. Die ist ja nun unter 1, und wie wir eben schon gehört haben, ist sie immer gleich geblieben. In Schweden sind Beschränkungen in der Form, wie wir sie haben, ja nicht aufgelegt worden; die Wirtschaft läuft dort relativ weiter. Bei uns ist dadurch ja ein riesengroßer Einschnitt passiert. Das heißt – das wäre meine konkrete Frage –, Sie müssten doch aufgrund dieser Erfahrung eigentlich die Beschränkungen in dieser Form sofort wieder aufheben.
Dazu kommt noch – das ist ein Zusatz zur Frage –: Es gibt ja verschiedene Wissenschaftler, die eine andere Meinung haben. Ich nenne zwei bekannte Namen, die Sie auch kennen, Herrn Professor Streeck aus Bonn und Herrn Püschel aus Hamburg. Sie schätzen ja diese Situation ganz anders ein und stellen auch immer wieder die Formulierung in den Raum: Die Menschen sind nicht wegen Corona, sondern mit Corona gestorben. – Wir stellen uns also die Frage, warum Sie kein Expertenteam gebildet haben, damit diese Fragen mal konkret mit mehreren und nicht nur allein mit dem RKI besprochen werden.
Das ist meine Frage, danke.
Sehr geehrter Herr Kollege, zum einen findet ja richtigerweise – und nichts anderes würde ich von einer freiheitlichen, pluralen Gesellschaft erwarten – diese Debatte statt. Sie findet kontrovers statt in der Wissenschaft; sie findet kontrovers statt in der Politik; sie findet kontrovers statt in der Gesellschaft. Das finde ich auch völlig okay und angemessen.
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Gleichzeitig müssen wir immer auch anhand der bestverfügbaren Informationen und immer mit der Prämisse der Sicherheit handeln. Ich weiß nicht, was Ihre Prämisse in einer solchen Entscheidungssituation wäre.
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Ich kann Ihnen sagen, was meine Prämisse ist. Meine Prämisse als Bundesminister für Gesundheit ist, nicht in Situationen zu kommen, in denen das Gesundheitswesen überfordert ist, nicht in Situationen zu kommen, in denen diejenigen, die in der Intensiv- oder Beatmungsmedizin Verantwortung tragen, Entscheidungen treffen müssen, wie sie in anderen Ländern getroffen werden mussten. Ganz offensichtlich kommt es durch das exponentielle Wachstum zu Herausforderungen in verschiedenen Gesundheitswesen weltweit; sonst hätten wir ja nicht solche Lagen. Wenn mir manche sagen – das lese ich ja auch zum Teil in Ihren Onlineportalen –, das sei doch nur eine bessere Grippe, kann ich nur entgegnen: Also ich habe noch keine Grippe gesehen, jedenfalls nicht in den letzten hundert Jahren, die zu Massengräbern in New York geführt hat.
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Deswegen müssen wir am Ende – das ist jedenfalls meine Prämisse – vor allem den Gesundheitsschutz der Bevölkerung im Blick haben; aber – da bin ich bei Ihnen; die Komplexität des Themas macht es schwierig, das in einer Minute zu verhandeln – wir brauchen auch die richtige Balance – darum geht es ja auch gerade, und darum ringen wir gerade miteinander in der Politik und in der Gesellschaft – von Gesundheitsschutz, öffentlichem Leben und Wirtschaft. Da bin ich voll bei Ihnen. Ich halte auch nichts davon, Gesundheit und Wirtschaft gegeneinander auszuspielen; denn auch Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit machen etwas mit der Gesundheit der Menschen. Wirtschaft ist ja nichts Abstraktes; da geht es auch um Menschen. Deswegen braucht es Debatten, in denen die richtige Balance gefunden wird.
Ein Letztes. Die Kurzarbeit bei Volkswagen hat nicht die Politik beschlossen. Weite Teile der deutschen Wirtschaft sind im Moment in Kurzarbeit nicht wegen politischer Entscheidungen, sondern weil ihre Absatzmärkte weltweit zurzeit nicht vorhanden sind, schlicht und ergreifend deswegen, weil die Situation in anderen Ländern, die offensichtlich ähnliche Entscheidungen getroffen haben wie wir, so ist, wie sie ist. Auch mit Blick auf die Wirtschaft muss man die Debatte etwas differenzierter führen, als ich es manchmal so wahrnehme.
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Danke sehr. – Ich habe Sie die Zeit relativ großzügig überschreiten lassen. Ich bitte Herrn Scheuer um Nachsicht; ich habe ihm insgesamt auch so viel Zeitüberschreitung gewährt. Aber ich kann das nicht zur Regel machen. – Herr Kollege Spangenberg, Sie haben noch eine Nachfrage.
Herr Bundesminister, noch mal die Frage, warum Sie nicht einen Stab eingerichtet haben, der auch Wissenschaftler mit anderen Meinungen zu diesem Thema zu Wort kommen ließ.
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Ich sage noch einmal: Das Robert-Koch-Institut ist eine Institution der Bundesregierung.
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– Also, ich kann Ihnen sagen, ich bekomme international Anfragen von Kolleginnen und Kollegen Gesundheitsministern, die mich bitten, ob das Robert-Koch-Institut auch ihnen zuarbeiten und sie unterstützen kann. Wir haben mit dem Robert-Koch-Institut eine der weltweit angesehensten Institutionen für öffentliche Gesundheit.
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Vielleicht nehmen wir das mal zur Kenntnis, und vielleicht bauen wir es für die Zukunft dann tatsächlich auch weiter aus.
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Das heißt nicht, dass sich die Bewertungen, die dort vorgenommen werden – wie auch meine Bewertung, wie auch Ihre Bewertung –, nicht einer kritischen Debatte stellen müssen; das ist doch völlig normal. Ich weiß gar nicht, warum Sie den Eindruck haben, dass diese Debatte nicht stattfindet. Also jedes Mal, wenn ich den Fernseher, das Radio einschalte oder in Plenardebatten hineinhöre, habe ich den Eindruck, dass alle unterschiedlichen Meinungen zur Geltung kommen.
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Das ist auch völlig okay. Wir allerdings müssen – das ist unsere Aufgabe – anhand dieser Meinungen am Ende zu Entscheidungen kommen, auch zu politischen Entscheidungen, die tatsächlich sehr weitreichende und einschneidende Folgen haben für viele Bürgerinnen und Bürger. Deswegen – auch da bin ich bei Ihnen – müssen wir sie jeden Tag aufs Neue gut erklären.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Matthias Gastel, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident, vielen Dank für die Möglichkeit, die Frage noch stellen zu können. Sie geht an den Bundesverkehrsminister, der das schon erkannt hat und aufgestanden ist.
Zu der Diskussion von vorhin über die Messwerte bei den Stickoxiden: Die Messwerte sind sehr wohl gesunken, weil der Verkehr zurückgegangen ist. Es gibt natürlich Schwankungen aufgrund von Witterungsverhältnissen, vor allem von Wind. Aber es gibt einen erkennbaren Zusammenhang zwischen Verkehrsmenge und Stickoxidkonzentration in der Luft.
Meine Frage bezieht sich aber auf das Thema Logistik. Herr Minister, Sie haben zu Beginn der Coronakrise ausländischen Lkw-Unternehmen erleichtert, in Deutschland tätig zu sein, Stichwort: Kabotage. Da diese Unternehmen eine ganz andere Kostenstruktur haben, hat das dazu geführt, dass die Preise hier extrem gesunken sind, auch aufgrund der geringeren Mengen, die zu transportieren waren. Meine Frage ist: Wie sorgen Sie dafür, dass die Lkw-Fahrenden anständig bezahlt werden? Wie kontrollieren Sie, dass die deutschen Unternehmen am Markt wettbewerbsfähig sind, dass es im Bereich Güterverkehr und Logistik zu keinem weiteren Dumping kommt, weder zwischen Lkw-Speditionen noch zwischen Lkw-Speditionen und der Bahn? Die Preise sind zum Teil unter den Selbstkosten. Was machen Sie, damit es im Logistikbereich fair zugeht?
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin deswegen schon aufgestanden, Herr Kollege Gastel, weil ich meine Kundschaft kenne. Ich kann Ihnen sagen: Die Werte in den Innenstädten werden wir wissenschaftlich evaluieren. Da brauchen wir jetzt keine Spontananalyse zu machen; das werden wir uns intensiv anschauen.
Zur Kabotage: Wir haben die Kabotageregelung vom 18. März, die Sie ansprechen, nach intensiven Gesprächen mit den Logistikern und dem Speditionsgewerbe ausgesetzt, weil wir dem deutschen Gewerbe helfen wollen. Ich habe zweitens auch mit den Logistikern, die an den Speditionen dranhängen, beispielsweise die Lebensmittelhändler und Discounter, gesprochen und sie aufgefordert, dass sie anständige Preise zahlen, damit es in dieser schwierigen Phase zu keinem Dumping kommt; denn es müssen alle Glieder dieser Kette zusammenbleiben. Deswegen habe ich einen Gütertransportpakt geschlossen, in dem fünf Verbände zusammengekommen sind, um genau dem Rechnung zu tragen: Versorgungssicherheit und Versorgungsgarantie zum einen und faire Preise und faire Löhne zum anderen.
Ich habe das rote Licht gesehen.
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Nachfrage, Herr Kollege?
Ja, ich habe eine Nachfrage. – Herr Minister, es ist aber so, dass die Preise nach wie vor sinken, dass faire Löhne und fairer Wettbewerb nicht zu erkennen sind und dass Ihr Beschluss, die Kontrollen der Lkws auszusetzen, eben auch noch Folgewirkungen hat, die sehr schwerwiegend sind und die Branche kostenmäßig massiv belasten und wettbewerbsverzerrend wirken. Es gibt ja vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung einige Vorschläge, unter anderem den Vorschlag, Lkw-Mautdaten für Kontrollen zu verwenden. Diese Vorschläge sind ja sehr konkret. Ich möchte von Ihnen gerne wissen: Was halten Sie davon? Welche dieser Maßnahmen oder Vorschläge werden Sie umsetzen, um das Logistikgewerbe vor unfairem Wettbewerb zu schützen?
Also, Herr Kollege Gastel, den Tag streiche ich mir im Kalender an. Dass Sie zwei Fragen zum Thema Lkw stellen ist für mich neu; normalerweise stellen Sie Fragen zur Bahn, und der Lkw ist nicht so Ihr Lieblingsthema.
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Aber gerne beantworte ich Ihre Fragen durch die Feststellung, dass Kontrollen stattgefunden haben. In Abstimmung mit dem Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik haben diese Kontrollen an drei Standorten stattgefunden. Anhand des Forderungskatalogs des BGL werden wir weiter daran arbeiten, dass es gute Preise und gute Löhne gibt; dafür werben wir auch zusammen mit den Verbänden. Ihr Anliegen, nämlich mit den Speditions- und Logistikverbänden einen engen Kontakt zu pflegen – die Abgeordneten der Großen Koalition sind da sehr bemüht –, hat höchste Priorität, um dem Rechnung zu tragen, dass die Lieferketten mit gut und wirtschaftlich arbeitenden Speditionen und Logistikern funktionieren.
Danke sehr. – Dr. Robby Schlund, AfD, stellt die nächste Frage.
Verehrter Herr Präsident, danke, dass Sie mich nicht vergessen haben. – Ich möchte gerne noch mal an das anknüpfen, was Herr Spangenberg gesagt hat. Es geht um die wissenschaftliche Datenlage. Herr Spahn, Sie sagten ja selber, man müsse mit gewisser Sicherheit Entscheidungen treffen und die wissenschaftliche Datenlage gebe uns die Sicherheit.
Die jüngste Studie, die im „New England Journal of Medicine“ am 14. April erschienen ist, zeigt zum Beispiel, dass Kinder in Island bis zum zehnten Lebensjahr praktisch nicht infiziert wurden.
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Auch aktuelle chinesische Daten zeigen, dass nur 0,7 bis 0,8 Prozent der Infizierten überhaupt Kinder unter zehn Jahren waren.
Können Sie nicht unter Berücksichtigung dieses Aspekts einfach die Schulen bis zur dritten Klasse und die Kindergärten öffnen? Denn stellen Sie sich einmal die Situation einer Familie mit drei Kindern vor, in der die Eltern Vollzeit im Homeoffice arbeiten: Das ist auf die Dauer fast nicht machbar. – Ich denke, angesichts dieser Studienlage kann man die Schulklassen bis zur dritten Klasse und auch die Kindergärten öffnen. – Danke.
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Zuerst einmal sind die Zahlen aus Island, die Sie angesprochen haben, was die tatsächliche Größenordnung betrifft wie auch das Studiendesign, wenn man es so nennen will, jedenfalls nicht so, dass es nicht weitere Fragen dazu geben kann. Das Robert-Koch-Institut wird auch dazu aktuell – –
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– Wissen Sie: Es geht auch hier um sehr weitreichende Entscheidungen. Ich teile auch da durchaus Einschätzungen und Vermutungen. Offenkundig ist ja: Der Krankheitsverlauf bei Jüngeren ohne Vorerkrankungen – das ist aber nichts Neues – ist deutlich weniger risikoreich und schwer als bei Menschen, die älter sind und bzw. oder Vorerkrankungen haben.
Gleichwohl ist die Frage, ob und in welchem Umfang Kinder auch ohne Symptome infektiös sind, eben noch nicht abschließend gut durch Studien beantwortet. Es geht nicht allein darum, wie es sich gesundheitlich bei den Kindern entwickelt. Das ist zwar die erste wichtige Frage, aber die zweite wichtige Frage ist: Tragen die Kinder aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen und Familien, die sich ja dann treffen, möglicherweise die Infektion in die Elternhäuser und Großelternhäuser, wo es ja möglicherweise Vorerkrankungen gibt? Das Risiko muss man ja zumindest sehen und besprechen. Das ist Teil der Debatte.
Ich weiß, Herr Präsident, die Zeit ist um, aber eines will ich noch sagen: Mich treibt es so um wie Sie – und zwar nicht nur aus persönlicher Bekanntschaft, sondern auch aus grundsätzlichem Verständnis –, wie schwer die Lage für berufstätige Eltern ist, die eigentlich mit der Betreuung ihrer Kinder in einer Kita oder einer Beschulung für ihre Kinder in diesen Zeiten gerechnet haben. Ich glaube, wir müssen, wenn wir an vielen Stellen im Moment Danke sagen, am Ende auch wahrnehmen, wie die Situation gerade für Eltern ist. Sie ist echt schwer. Das ist eine sehr stressige Zeit; denn auch Heimarbeit mit Kindern, die zu Hause sind, ist nicht etwas, was mal so eben ganz einfach zu machen ist. Deswegen kann man erstens am Ende immer wieder nur um Verständnis werben und zweitens – natürlich mit den Ländern – Schritt um Schritt alles dafür tun, um hier verantwortungsvoll zu einer besseren Situation zu kommen.
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Danke sehr. – Der Kollege Dr. Schlund stellt eine Nachfrage.
Ich möchte noch mal auf die Studie zurückkommen. Wir wissen aus der medizinischen Studie: 13 000 Personen wurden tatsächlich untersucht. Das ist also eine große Stichprobe. Und dort war kein einziges Kind infiziert. Das bedeutet also: Kein einziges Kind trug Coronaviren. – Unter Berücksichtigung dieses Aspektes sollte man tatsächlich die nächsten Entscheidungen treffen. Gut, in China ist die Datenlage nicht ganz so gut, weil man das am Anfang noch nicht so erfasst hat, aber da sind es nur 0,7 bis 0,8 Prozent der insgesamt Infizierten. Wir reden hier nicht über Symptomlosigkeit, sondern über Nichtinfektion.
Sehr geehrter Herr Kollege, die Frage, ob Kinder überhaupt nicht infiziert werden, kann man jedenfalls nach unseren derzeitigen Erkenntnissen abschließend nicht so beantworten, weil es schon jüngere Infizierte auch in Deutschland gegeben hat. Das war übrigens schon zu Beginn bei den Fällen im Umfeld von Webasto zu beobachten. Gleichwohl sehen wir – ja – Anzeichen dafür, dass es sich möglicherweise bei Kindern und jüngeren Menschen anders verhält, und zwar nicht hinsichtlich der Frage, wie sehr sie zum Infektionsgeschehen beitragen, sondern hinsichtlich der Frage, welche gesundheitlichen Folgen es für sie hat.
Aber wissen Sie: Ich bin jemand, der es lieber hat, dass erst mal genau untersucht wird, warum das so ist, wo das herkommt und ob das wirklich auch jenseits dieser einen Studie so ist, vor allem auch mit Blick auf das Infektionsgeschehen, das dann in die Familien getragen wird. Denn in den Familien gibt es möglicherweise Familienmitglieder, die Vorerkrankungen haben, die immungeschwächt sind, oder Großeltern, die hochbetagt sind. Deswegen müssen wir doch eine Vorstellung davon haben, was das für das Infektionsgeschehen bedeutet. Wir wissen aus Influenzapandemien, dass Kindergärten und Schulen durchaus einen Beitrag zur Verbreitung leisten. Wir müssen die Frage, ob das hier auch der Fall ist, miteinander doch einigermaßen nachvollziehbar beantworten.
Glauben Sie mir eines: Ich verfolge alle Studien dazu mindestens so aufmerksam wie Sie, weil ich aufgrund der Situation, die ich gerade beschrieben habe, nichts lieber hätte als einigermaßen gesicherte Erkenntnisse für Entscheidungen in dieser Frage.
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Danke sehr. – Die nächste Frage stellt die Kollegin Nicole Westig, FDP.
Herr Präsident! Ich habe eine Frage an den Minister für Gesundheit. – Herr Minister Spahn, die Situation in den stationären Pflegeeinrichtungen hat sich durch die Ausbreitung von Covid-19 dramatisch verschärft. In St. Augustin, in meinem Wahlkreis, mussten die Bewohnerinnen und Bewohner eines Pflegeheims evakuiert werden. Was tut die Bundesregierung, um dieser dramatischen Situation entgegenzuwirken? Wie sieht es aus mit Schutzkleidung für Pflegeheime? Wie verhält es sich mit der Testung?
Was wir, Frau Kollegin, an schwieriger Lage in manchen Pflegeeinrichtungen und auch Krankenhäusern sehen, ist, dass mit dem Eindämmen des Ausbruchs – darüber haben wir vorhin schon gesprochen – im Moment vor allem auch die Risiken im Gesundheitswesen selbst stark steigen, weil dort die Infizierten behandelt werden und das Risiko einer Weiterverbreitung gegeben ist. Und wir sehen, mit welcher Härte dieses Virus gerade bei Höchstbetagten mit Vorerkrankungen zuschlägt, wenn es denn dann einmal tatsächlich etwa in eine Pflegeeinrichtung gelangt ist. Es macht mich immer wieder sehr betrübt, wenn ich entsprechende Meldungen bekomme. Deswegen tun wir alles, wie auch die Länder und Kommunen, die wir dabei bundesseitig nur unterstützen können, um für ausreichend Schutzausrüstungen in den Einrichtungen zu sorgen, um auch den Testfokus darauf auszurichten – wir haben mittlerweile Regionen, die stark betroffen sind, wo bis zu 30 Prozent der Labortestungen in Pflegeeinrichtungen stattfinden, was auch richtig ist, um bei Verdachtsfällen dort sehr schnell herauszufinden, wie die Situation ist – und um den Einrichtungen finanzielle Sicherheit zu geben. Das hat der Gesetzgeber dankenswerterweise getan.
Wir wollen auch – das will ich ausdrücklich an dieser Stelle angesichts aktueller Debatten sagen – den Bonus für die Kräfte, die in der Altenpflege arbeiten, stationär wie ambulant, miteinander umsetzen. Ich möchte, dass es einen solchen Bonus gibt. Ich möchte aber gleichzeitig, dass wir darüber nicht nur in Überschriften reden, sondern ihn im Miteinander von Bund, Ländern und Arbeitgebern so gangbar machen, dass er die Beschäftigten auch tatsächlich erreicht und jeder seinen fairen Anteil daran trägt. Ich möchte jedenfalls, dass diejenigen, die in der Altenpflege tätig sind – von der Fachkraft bis zu allen anderen, die dort mithelfen –, eine faire Anerkennung dafür bekommen. Applaus ist wichtig, aber auch die finanzielle Anerkennung.
Danke sehr. – Nachfrage?
Ja, eine Nachfrage.
Bitte.
Was tut die Bundesregierung, um auch genug Ausweichmöglichkeiten zu schaffen, wenn Aufnahmestopp in Pflegeheimen herrscht?
Wir haben es dank der Unterstützung des Gesetzgebers möglich gemacht, dass Rehabilitationseinrichtungen, die ja im Moment auch weniger genutzt werden, für die Kurzzeitpflege genutzt werden können. Ich bin gerade mit den Ländern im Gespräch, wie wir regelhafter, noch bevor jemand aus dem Krankenhaus in eine stationäre Pflegeeinrichtung zurückkehrt, eine Art Kurzzeitpflege während der Quarantäne etwa in einer Rehaeinrichtung möglich machen, um das Risiko, dass etwa infolge einer Verlegung eine Infektion in die Pflegeeinrichtung getragen wird, möglichst weit zu minimieren.
Danke sehr. – Jetzt lasse ich eine Frage von Frau Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Bündnis 90/Die Grünen, zu diesem Thema zu. Danach hat der Kollege Wilfried Oellers, CDU/CSU, die nächste und vermutlich letzte Frage in dieser Regierungsbefragung. – Frau Kappert-Gonther.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben ja gerade gesagt: Die Pflegekräfte verdienen mehr Lohn. – Da sage ich: Na endlich! Wunderbar! Das ist genau das richtige Signal. – Aber Sie wissen ja auch, dass die Struktur der Pflegeversicherung vorsieht, dass diese mögliche Lohnerhöhung direkt von den zu Pflegenden refinanziert wird. Wegen dieser Gemengelage haben wir als Bündnis 90/Die Grünen vor ungefähr einem Jahr das Konzept der doppelten Pflegegarantie vorgelegt. Nun frage ich Sie: Haben Sie vor, dieses Konzept von uns zu übernehmen, oder haben Sie Alternativvorschläge? Oder finden Sie es gerecht, wenn die zu Pflegenden hierfür direkt zur Kasse gebeten werden?
Zuerst einmal, Frau Kollegin, will ich gerne auch hier noch einmal eine sehr erfreuliche Mitteilung aus dem Kabinett heute machen, dass das Kabinett nämlich die Vorschläge der Mindestlohnkommission beschlossen hat und sie damit jetzt auch rechtliche Gültigkeit bekommen. Damit steigt der Mindestlohn in der Altenpflege für Fachkräfte schrittweise auf 2 500 Euro; das sind über 15 Euro pro Stunde. Das ist für Zigtausende Pflegekräfte in Deutschland eine enorme Verbesserung ihres monatlichen Einkommens. Ich weiß, dass einige darüber liegen. Bei Twitter wird mir manchmal gesagt: Ich habe schon mehr. – Das ist okay; es handelt sich um einen Mindestlohn. Aber es gibt ziemlich viele, für die das einen Unterschied macht. Deshalb war die Entscheidung heute ein ziemlich wichtiges Signal für die Altenpflege; auch das sei erwähnt.
Zum Zweiten. Bei der Bonuszahlung wie auch bei dieser Regelung geht es um die grundsätzliche Debatte, die Sie beschreiben; die müssen wir auch führen. Für die konkrete Regelung in dieser epidemischen Lage – das betrifft den Bonus, den ich gerade angesprochen habe – möchte ich eine Lösung erreichen, die nicht zu einer Erhöhung der Eigenanteile führt.
Danke sehr. – Damit kommen wir zur letzten Frage dieser Regierungsbefragung, nämlich des Kollegen Wilfried Oellers. Sie hat auch einen regionalen Bezug zum Beginn der Krise in Deutschland.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister Spahn, ich komme aus dem Wahlkreis Heinsberg und habe damit natürlich die Erfahrungen der Coronakrise von Anfang an miterlebt. Wir haben alle Erfahrungen gemacht, vom Mangel an Schutzmaterial – der jährliche Bedarf in einem Krankenhaus wurde gleich an einem Tag verbraucht – über die Knappheit an Intensivbetten, die Frage von Grenzen des Gesundheitssystems insgesamt bis hin zum Lockdown gleich am 26. Februar – nicht erst seit dem 23. März – und zur Stigmatisierung, dass man aus dem Kreis Heinsberg kommt und damit aus dem Coronakrisengebiet. Deswegen ist es uns natürlich ein besonderes Anliegen, dass aus den Erfahrungen heraus auch gelernt wird. Meine Frage: Wie findet diese Aufarbeitung statt, und worauf wird der Fokus gelegt?
Lieber Herr Kollege Oellers, ich möchte ausdrücklich das Gleiche sagen wie Sie in Ihrer Schlussfolgerung, nämlich dass wir lernen müssen, gemeinsam. Es gibt Epidemiepläne, Pandemiepläne, es gibt auch viele Vorhaltungen. Wir haben insgesamt offensichtlich auch ein gutes Gesundheitswesen, das übrigens seit 15 Jahren kein Spargesetz gesehen hat. Das sage ich, weil ich manchmal lese, wir hätten im Gesundheitswesen gespart.
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Seit 15 Jahren ist im deutschen Gesundheitswesen nicht gespart worden. Damit haben wir eine Basis, mit der wir bis hierhin mit dem Ganzen umgehen konnten.
Aber gleichzeitig merken wir: An bestimmten Stellen hätten wir noch besser vorbereitet sein können oder bestimmte Dinge auch besser geübt haben können im Miteinander. Deswegen möchte ich ausdrücklich und proaktiv seitens des Bundesministeriums für Gesundheit nach dieser akuten Lage Vorschläge, gerne auch unter Beteiligung des Bundestages, erarbeiten und gemeinsame Schlussfolgerungen ziehen – strukturell, organisatorisch, in der Vorbereitung –, damit nicht noch mal das passiert, was wir in den Debatten in den letzten Wochen ja öfter mal hören konnten: Es hat doch schon Vorschläge gegeben. Wie sind die denn umgesetzt worden? – Ich möchte gemeinsam mit Ihnen daran arbeiten, dass wir nicht nur Vorschläge erarbeiten, sondern auch in dieser Legislatur noch entsprechende Entscheidungen treffen für eine bessere Vorbereitung.
Danke sehr. – Mit dem Dank an die beiden Mitglieder der Bundesregierung beende ich diese Regierungsbefragung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Covid-19-Pandemie trifft uns alle – als Gesellschaft, als Volkswirtschaft, aber vor allem auch jeden Einzelnen von uns ganz persönlich. Wir alle haben ganz unterschiedliche Herausforderungen zu meistern – ob ältere Menschen, Kinder und Jugendliche oder Eltern, die neben der Arbeit plötzlich Ersatzlehrerinnen, Ersatzlehrer, Erzieherinnen oder Erzieher sind.
Als Bundesregierung haben wir die Familien in dieser schwierigen Situation von Anfang an im Blick. Viele von ihnen haben gerade Probleme aufgrund des Ausfalls der Betreuung in Kita und Schule. Viele haben auch große finanzielle Sorgen, weil sie aufgrund von Kurzarbeit oder ausbleibenden Aufträgen für Selbstständige in einer Situation sind, in der das Familieneinkommen sinkt. Das Kurzarbeitergeld hilft vielen Familien in dieser Situation.
Zusätzlich haben wir für Familien, die jetzt massive Einkommenseinbrüche haben, Ende März den Notfallkinderzuschlag geschaffen, der am 1. April 2020 gestartet ist. Über 120 000 Anträge sind bereits bei den Familienkassen eingegangen. Sie werden jetzt geprüft und so schnell wie möglich bearbeitet. Bis zu 185 Euro pro Kind und Monat kann der Notfallkinderzuschlag betragen, und er wird zusätzlich zum Kindergeld und zum Wohngeld gewährt. Wir sehen an den Zahlen, dass er angenommen wird.
Das ist ein erster wichtiger Schritt. Der zweite folgt heute, um eben auch beim Elterngeld Anpassungen vorzunehmen. Auch das Elterngeld, die bekannteste und beliebteste Familienleistung Deutschlands, soll krisenfest gemacht werden, und deshalb wollen wir mit den Lösungen, die wir heute beraten, drei große Problemfelder angehen.
Erstens. Wir kümmern uns um Eltern in systemrelevanten Berufen, zum Beispiel in Krankenhäusern und in Altenheimen, die gerade gebraucht werden und deshalb ihre Elternzeit nicht wie geplant antreten können. Wir schaffen für diese Eltern die Möglichkeit, ihre Elterngeldmonate zu verschieben und zu einem späteren Zeitpunkt zu nehmen – auch nach dem 14. Lebensmonat ihres Kindes.
Zweitens. Es gibt Berufsgruppen, die gerade massiv von Kurzarbeit oder Freistellungen betroffen sind, die Verdienstausfälle haben. Die werdenden Eltern aus diesen Berufsgruppen machen sich Gedanken, ob der jetzige Verdienstausfall auf ihr Elterngeld angerechnet wird. Das wollen wir nicht. Wir schaffen eine Lösung für werdende Eltern, nach der die Monate, die jetzt mit massiven Einkommenseinbußen einhergehen, bei der Berechnung des Elterngeldes nicht berücksichtigt werden, also ausgeklammert sind.
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Es entstehen hier also keine Nachteile.
Drittens. Es gibt Mütter und Väter, die gleichzeitig in Teilzeit arbeiten. Sie haben sich auf einen Anteil an Stunden in Teilzeit geeinigt, um Familie und Beruf in Partnerschaftlichkeit zu vereinbaren, und bekommen dafür den Partnerschaftsbonus. Es droht ihnen jetzt, dass dieser verloren geht und sie sogar eine Rückzahlung leisten müssen, weil sie nicht die Möglichkeit haben, diese Regelung zur Teilzeit einzuhalten, da sie weniger oder viel mehr arbeiten müssen. Das wollen wir nicht, und deshalb werden wir mit den Regelungen, die wir hier heute beraten, dafür sorgen, dass die Familien, die gerade nicht so in Teilzeit arbeiten können wie geplant, den Partnerschaftsbonus behalten können und nicht zurückzahlen müssen.
Mit diesen Anpassungen helfen wir werdenden Eltern, Eltern, die ihre Elternzeit planen, Eltern, die aktuell Elterngeld beziehen, und Eltern, die in Teilzeit arbeiten. Damit stellen wir sicher, dass sich für sehr viele Eltern trotz der Coronakrise, in der wir uns befinden, an der Höhe des Elterngeldes nichts ändert und dass sich Mütter und Väter in Deutschland auch weiterhin auf das Elterngeld verlassen können.
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Ich will noch ein paar Worte sagen zu den aktuellen Kita- und Schulschließungen und auch zu den finanziellen Sorgen, die Eltern haben, wenn sie ihre Kinder nicht in die Notbetreuung geben können. Wir arbeiten derzeit gemeinsam mit den Ländern an einem konkreten Plan dafür, wie eine schrittweise Wiedereröffnung über die Notbetreuung hinaus aussehen kann. Bei uns im Fokus sind ganz besonders die Eltern, bei denen nur ein Elternteil in systemrelevanten Berufen arbeitet, die erwerbstätigen Alleinerziehenden, diejenigen, bei denen das Kindeswohl gefährdet ist und das Jugendamt sagt, es sei besser, wenn das Kind in die Kita geht, und auch die Vorschulkinder am Übergang zur Grundschule. All das sind wichtige Punkte.
Zur finanziellen Unterstützung will ich auch sagen: Wir haben das Instrument der Entschädigungszahlung nach dem Infektionsschutzgesetz. 67 Prozent des Nettoeinkommens können hiernach gewährt werden. Diese Regelung gilt aber nur für sechs Wochen, und abzüglich der Osterferien läuft das noch bis Mitte Mai. Ich will an dieser Stelle allen Eltern sagen, dass wir daran arbeiten, die jetzigen Regelungen über Mitte Mai hinaus weiterzuführen und zu verlängern, sie auch weiterzuentwickeln und weitere Instrumente für die Unterstützung von Familien zu schaffen. Das ist, glaube ich, auch ein wichtiges Signal, das wir heute hier senden.
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Ein letzter Punkt. Es gibt ja auch noch unsere reguläre Elterngeldreform. Auch die lassen wir nicht aus dem Blick. Sie ist in der Koordinierung mit dem Kanzleramt, und wir werden auch weiter daran arbeiten, sie umzusetzen. Heute bringen wir aber die coronabedingten Regeln auf den Weg. Das ist genau das, was die Familien jetzt brauchen, und deshalb vielen Dank für Ihre Unterstützung dabei.
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Vielen Dank, Frau Ministerin. – Der nächste Redner für die AfD-Fraktion ist der Kollege Martin Reichardt.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In Krisenzeiten offenbart sich den Menschen in Deutschland, was gut ist und was schlecht ist in unserem Land. In Krisenzeiten offenbart sich, was Bestand hat und was wichtig ist in unserem Leben.
Wichtig ist, was systemrelevant ist. Systemrelevant: Dieses Wort ist in Zeiten der Coronakrise in aller Munde. Pflegepersonal, Ärzte, Angestellte in den Supermärkten und all jene, die unser Gemeinwesen funktionsfähig halten, werden zu Recht gewürdigt. Die systemrelevanteste Gruppe der Gesellschaft überhaupt ist aber die Familie. Das ist die zentrale Lehre der Coronakrise.
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In dieser Zeit nehmen die Menschen wahr, dass die Familie seit jeher das ist – und sie wird es auch immer bleiben –, was das Grundgesetz sagt: Die Familie ist die zentrale, vom Grundgesetz privilegierte Stütze unserer Gesellschaft. Für diese Stütze der Gesellschaft wurde in den letzten Jahrzehnten eine zerstörerische Politik gemacht. Die desaströsen Folgen tragen heute besonders wieder die Familien.
Die Krise zeigt ganz besonders, dass die von Ihnen geförderte ideologische Politik gescheitert ist. Es ist eine Politik, die zum Ziel hat, Eltern – sei es aus finanziellen oder ideologischen Gründen – bei möglichst umfassender Staatsbetreuung der Kinder in die Erwerbstätigkeit zu drängen. Die AfD fordert schon lange eine wirkliche Wahlfreiheit von Familien, wenn es um die Betreuung ihrer Kinder geht.
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Heute rächt es sich, dass Sie den Weg des Betreuungsgeldes, das Sie diskriminierend „Herdprämie“ genannt haben, nicht konsequent weitergegangen sind und ein verfassungskonformes Äquivalent zum Betreuungsgeld geschaffen haben. Damit haben Sie Eltern genötigt, ihre Kinder in staatliche Einrichtungen zu geben, damit beide Elternteile oder auch Alleinerziehende arbeiten gehen können bzw. müssen. Von dieser Arbeit können sie heute nicht einmal mehr ihre Familien ernähren, und das ist eigentlich das größte Problem.
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Diese Familien erhalten den Kinderzuschlag. In unserem Antrag fordern wir, dass für diese Familien, sollten sie durch die Krise in Mietschulden geraten, ein verlässlicher Ausgleich geschaffen wird – und das vom Staat garantiert, damit das entsprechende Risiko nicht bei den Vermietern abgeladen werden wird; denn auch diese verdienen unseren Schutz.
Sie, Frau Ministerin, waren leider schon in guten Zeiten eine schlechte Familienministerin. Jetzt, wo die Familien in Deutschland verzweifelt sind und um ihre Existenz bangen, zeigen Sie überdeutlich, dass unsere Familien eine bessere Ministerin verdient haben.
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Nach fünf Wochen Kitaschließung haben Sie am Montag eine Kita-AG ins Leben gerufen, die Leitlinien für die schrittweise Öffnung von Kitas erarbeiten soll. Diese AG kommt leider fünf Wochen zu spät.
Es ist ein verheerendes Signal an Familien und für Ihre Politik, wenn Bundesligaspiele wieder stattfinden dürfen, Kinderspielplätze aber gesperrt bleiben. Es ist ein verheerendes Zeichen an Familien, wenn die Politik meint, dass Autohäuser wichtiger sind als Kitas und Kinder.
Meine Damen und Herren, in Krisenzeiten offenbart sich den Menschen in Deutschland, was gut oder was schlecht ist in unserem Land. In Krisenzeiten offenbart sich, was Bestand hat und was wichtig ist in unserem Leben. Bestand haben die Familien. Sie sind nicht nur systemrelevant. Sie sind das Bedeutendste, was dieses Land besitzt und zu schützen hat. Sie verdienen eine bessere Familienministerin. Frau Giffey, treten Sie einfach zurück!
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Meine Damen und Herren, mein besonderer Dank gilt heute allen Familien in Deutschland. Bleiben Sie stark in schwerer Zeit! Wir und die AfD stehen an Ihrer Seite.
Vielen Dank
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Marcus Weinberg.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nein, Herr Reichardt, nicht in Krisenzeiten erkennt man, was gut oder schlecht ist. Man erkennt es an den Reden, an der Gesinnung und an den Inhalten. Vielen Dank für die vier Minuten der Präsentation Ihrer Qualität.
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Ein zweiter wichtiger Punkt. Sie haben gerade massiv die gesamte Familienpolitik der letzten Jahre sowie die Maßnahmen kritisiert, die wir in der Familienpolitik in mehreren Perioden entwickelt, ausgebaut und auch mit finanziellen Mitteln unterlegt haben. Da sei der Hinweis gestattet: Gerade in dieser Zeit wird doch deutlich, dass es klug war, gewisse Maßnahmen auf den Weg zu bringen und zu stärken.
Wir haben das Thema Kinderzuschlag. Jetzt haben wir die Möglichkeit, genau und gezielt zu agieren, damit diese Familien stärker und schneller unterstützt werden. Das, was wir jetzt besprechen, ist das Elterngeld. Es gelingt uns mit der Maßnahme des Elterngeldes, Eltern, die im Elterngeldbezug sind, oder Menschen, die möglicherweise demnächst Elterngeld beziehen werden, ganz gezielt zu unterstützen. Das heißt, dank der Familienpolitik der letzten Jahre ist es heute möglich, schneller und flexibler zu reagieren. Das ist gut für die Familien und gut für die Kinder.
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Wir führen heute sehr konkret die Diskussion über eine wichtige Maßnahme. Ich glaube, es herrscht weitgehend Einvernehmen, dass die Maßnahmen, die heute mit dem Gesetz auf den Weg gebracht werden, klug und sinnvoll sind. Dabei lassen wir uns von drei Parametern leiten, die wichtig sind: Das, was wir in dieser Krise machen, muss zielgenau sein. Es muss bedarfsorientiert sein, und es muss möglichst früh eingeleitet werden. – Genau das, was wir heute mit Blick auf die Reform des Elterngeldes machen, ist richtig.
Es war auch richtig – das wurde angesprochen –, dass wir den Kinderzuschlag mit Blick auf die aktuelle Krise reformiert haben. Wir werden – da bin ich bei der Ministerin – jetzt darüber nachdenken: Was sind die nächsten Maßnahmen, die wir machen müssen? Wir werden sehr zielgenau, sehr klar und sehr klug darüber nachdenken: Was brauchen Eltern jetzt?
Wir werden nicht Mittel ausschütten, die wir nicht haben. Vielmehr müssen wir in der jetzigen Krise in der Verantwortung für die Menschen, die uns die Möglichkeiten geben, Familien zu stärken, genau darauf achten, dass diese Maßnahmen klug und zielgenau sind.
Das, was die Koalition jetzt vorlegt, ist der nächste Schritt. Wir haben uns von der konkreten Situation der Menschen leiten lassen. Was ist denn mit einer Pflegekraft, die in Elterngeldbezug ist und jetzt möglicherweise im Krankenhaus gebraucht wird? Sie wird doch sagen: Ich würde in dieser schwierigen Zeit gerne in meinen Beruf zurückkehren, weil ich meinem Gemeinsinn nachgehen und in dieser Krise helfen möchte. – Jetzt ermöglichen wir es dieser Pflegekraft, zurückzukehren, indem wir sagen: Ja, du kannst wieder Vollzeit arbeiten, und du hast davon keinen Nachteil. Das heißt, dir werden die Elterngeldmonate gutgeschrieben. Das ist klug und sinnvoll.
Was ist denn mit denjenigen, die möglicherweise in sechs, acht oder zwölf Monaten Vater oder Mutter werden und jetzt arbeitslos oder im Kurzarbeitergeldbezug sind? Diesen Menschen sagen wir ganz deutlich: Wir schützen euch, indem wir heute festlegen, dass wir die jetzigen Monate nicht anrechnen; ihr könnt später Elterngeld auf der Basis des Einkommens bekommen, das ihr vor der Krise bezogen habt. – Das, glaube ich, ist genau die Antwort, die Eltern von uns erwarten. Sie sagen: Bitte gebt uns kluge Antworten. – Diese Maßnahmen sind klug.
Ein Blick auf die Partnerschaftsmonate. Es gibt Familien, in denen sie Erzieherin und er Pfleger ist oder umgekehrt. Diese sagen beide: Wir wollten uns partnerschaftlich um die Kinder kümmern. – Jetzt arbeitet der eine Elternteil ein bisschen mehr, weil er im Krankenhaus gebraucht wird, und der andere Elternteil möglicherweise weniger, weil auf seiner Arbeitsstelle momentan weniger zu tun ist. Wir geben den Eltern Sicherheit, indem wir sagen: Macht euch keine Sorgen. Ihr verliert den Partnerschaftsbonus nicht. Wir garantieren euch in dieser schwierigen Zeit, dass ihr diesen Bonus behaltet. So könnt ihr euer Familienleben flexibler gestalten. – Das ist das, was Familien brauchen.
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Hier geht es um gesetzliche Änderungen für die betroffenen Personen. Die Basis dieser Regelungen muss sein – das ist uns ganz wichtig –, dass sie Rechtssicherheit mit sich bringen. Eltern achten sensibel darauf: Welche Wirkung haben welche Entscheidungen für die Familie? Sie wollen die rechtliche Absicherung.
Deswegen war es für uns als CDU/CSU und für die Koalition wichtig, dass wir gesetzliche Änderungen systemkonform umsetzen. Im Übrigen stärkt das auch diejenigen, die betroffen sind; denn nach geltender Rechtslage hätte der Pfleger seine Elterngeldmonate nicht auf später, also beispielsweise auf die Zeit nach dem 14. Lebensmonat des Kindes, verschieben können. Auch das garantieren wir. Insoweit haben wir in der Familienpolitik der Großen Koalition jetzt kluge Maßnahmen ergriffen.
Richtig ist tatsächlich die Systemrelevanz. Wir merken jeden Tag und jede Woche, was Familien, die sich um ein Kind im Kitaalter kümmern müssen, das nicht mehr betreut wird, die Homeschooling und Homeoffice machen müssen, momentan leisten. Das ist mehr als ein zweiwöchiger Urlaub an der Nordsee oder Ostsee. Es geht mittlerweile um fünf Wochen. Diese Familien kämpfen tapfer und opfern sich auf: die Mütter und die Väter.
Was wir, glaube ich, diesen Familien für die Zukunft geben müssen, ist Vertrauen und eine Perspektive. Deswegen wird es mit Blick auf die Fragestellung: „Wann öffnen wir für welche Gruppen wieder die Kitas?“ wichtig sein, dass wir das einvernehmlich machen und dass wir einen engen Abstimmungsprozess haben. Aber wir müssen den Eltern und den Kindern auch eine Perspektive geben; denn viele Eltern laufen mittlerweile auf Reserve. Deswegen müssen wir diese Vertrauensbasis schaffen; das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt wird sein, dass wir – die ersten Maßnahmen laufen jetzt aus – auch dafür sorgen, dieses System zu stabilisieren. Für die Änderungen im Infektionsschutzgesetz war eine Dauer von sechs Wochen, wenn Eltern ihre Kinder betreuen, vorgesehen. Auch da wird man dazu kommen müssen, dass die Eltern Vertrauen haben. Sie wissen, dass wir uns in einer Krise befinden und sind vielleicht auch mit weniger zufrieden, wenn sie dafür auf die Verlässlichkeit setzen können.
Dafür stehen wir als Große Koalition, Herr Reichardt. Dafür haben wir Gott sei Dank in den letzten Jahren die richtigen Maßnahmen auf den Weg gebracht. Jetzt profitieren wir davon, dass wir diese verbessern, diese krisenfest machen können und dass wir den Eltern auch mit dem heutigen Gesetzentwurf eine klare Perspektive mit Blick auf das Thema Elterngeld geben.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Der nächste Redner ist der Kollege Grigorios Aggelidis für die FDP-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Weinberg, lassen Sie es mich so sagen: Für uns ist jede Familie systemrelevant. Ohne Familien, ohne Eltern keine Kinder und ohne Kinder keine Zukunft. Das ist eine relativ einfache Gleichung.
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Es stimmt: Pflegeberufe, Ärzte, Polizisten und viele andere Berufsgruppen sind im Wirtschaftsleben und in der Aufrechterhaltung unserer gesellschaftlichen Ordnung und unserer Wirtschaft tatsächlich systemrelevant, aber eben so, wie ich es gesagt habe: Ohne Eltern, ohne Familien geht nichts. Sie müssen die Hauptlast tragen. Sie müssen arbeiten, lehren, betreuen – alles zusammen. Sie müssen – auch darauf haben Eltern und Familien Anrecht – ein Familienleben, eine Partnerschaft führen.
In dem Sinne müssen wir auch sehen, welche Aktionen wir machen. Deswegen, glaube ich, ist es absolut berechtigt – dies fordern wir auch –, dass die Maßnahmen gemäß Infektionsschutzgesetz, die die finanzielle Ausgestaltung der Situation der Eltern und ihre Unterstützung während dieser Zeit betreffen, selbstverständlich verlängert und entfristet werden und quasi parallel mit allen anderen Maßnahmen erfolgen. Wieso Sie da eine Unterscheidung mit Blick auf einen Zeitraum von sechs Wochen getroffen haben, erklärte sich damals nicht und erklärt sich heute immer noch nicht.
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Darüber hinaus brauchen wir natürlich auch beim Thema der Infrastruktur rund um die Familie eine Öffnung. Es erklärt sich immer noch nicht, warum Sie heute erst damit anfangen, darüber nachzudenken. Vielleicht haben sich alle zu sehr an das Denkverbot von Frau Merkel von vor zwei Wochen gehalten. Für die Öffnung von Kitas, Spielplätzen und Sportplätzen müssten eigentlich schon längst ein Plan und eine Vorstellung vorliegen.
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Die Familienministerin hat uns nach zwei Jahren, was die reguläre Reform des Elterngeldes angeht, wieder vertröstet. Deswegen will ich nicht allzu sehr auf diese Dinge eingehen, die sozusagen in diesem Punkt fehlen. Dazu haben wir unseren entsprechenden Antrag eingebracht.
Was Ihren Gesetzentwurf zu Corona angeht: All die Dinge, die darin stehen, begrüßen wir. Nur sind sie mal wieder Trostpflaster und Flickwerk. Es ist nicht entscheidend, was darin steht, sondern für uns ist vor allem entscheidend, was fehlt.
Warum in Herrgotts Namen gibt es immer noch eine Befristung bei der Anrechnung des Kurzarbeitergeldes bei der Berechnung der Leistung Elterngeld? Warum haben Sie bis heute immer noch nicht bei der Berechnung auch die Berücksichtigung von Insolvenz- und Krankengeld eingeführt? Auch das sind Krisensituationen, die Familien wirklich sehr belasten, und es ist überhaupt nicht ersichtlich, warum Sie eine Familie, die jetzt während der Coronazeit Kurzarbeitergeld bezieht, anders behandeln wollen oder, andersherum formuliert, warum Sie diejenigen Familien, die nach der Coronazeit in eine Kurzarbeit, in Krankentagegeldbezug oder vor allem in Insolvenzgeldbezug kommen, benachteiligen, schlechterstellen und bestrafen. Das verstehe ich nun überhaupt nicht.
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Genau dahin geht unser Antrag: Bitte entfristen Sie das, bitte geben Sie diesen Familien ebenfalls Sicherheit. Sie haben sie verdient.
Zu den regulären Verbesserungen oder zu den Dingen, die sozusagen fehlen, will ich nur kurz einen letzten Satz äußern, Herr Präsident.
All die Dinge, die seit zwei Jahren in Rede stehen – Frühchenregelung, Verbesserung der Arbeitszeitkorridore auch und vor allem für Getrennt- und Alleinerziehende, Anspruch auf eine Entschädigung für den Fall, dass die Anträge drei, vier Monate bearbeitet werden, aber auch und vor allem die uns ganz wichtige Öffnung dieser Leistungen für Pflegefamilien und Pflegeeltern –, mahnen wir seit zwei Jahren an. Bei alldem wird es endlich Zeit, dass Sie das im Interesse der Familien machen. Wir kämpfen weiter dafür.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Aggelidis. – Die nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Katrin Werner.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist gut, dass wir heute über den Gesetzentwurf für Maßnahmen im Elterngeld aufgrund der Covid-19-Pandemie diskutieren. Damit soll verhindert werden, dass sich für Eltern aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 Nachteile beim Elterngeld ergeben. Es ist gut, dass einerseits niemand einen Anspruch auf Partnerschaftsmonate oder Elterngeldmonate verlieren soll, wenn Eltern in ihre systemrelevanten Berufe zurückkehren wollen.
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Andererseits soll auch verhindert werden, dass sich die Höhe des Elterngeldes für Eltern aufgrund von Lohnausfällen reduziert. Wir begrüßen die Regelungen ausdrücklich, da sie Eltern und gerade jungen Familien in schwierigen Zeiten mehr Flexibilität und Sicherheit geben.
Familien sind, wie schon erwähnt, gerade in der jetzigen Zeit besonderen Belastungen ausgesetzt. Sie werden auf sich selbst zurückgeworfen und müssen oft ihre Probleme alleine klären. Aufgrund der Schließung von Kitas und Schulen müssen Eltern die Kinder zu Hause betreuen, Homeschooling organisieren und oft eben weiterhin ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine Betreuung durch Großeltern wie in der Vergangenheit fällt so gut wie aus oder ist gar nicht mehr möglich.
Nach dem Infektionsschutzgesetz haben Eltern zwar einen Anspruch auf eine Entschädigung von Lohnausfällen, wenn Kitas und Schulen geschlossen sind und sie ihre Kinder betreuen müssen, doch das reicht eben nicht aus. Der Anspruch gilt bei Weitem nicht für alle Eltern. Er ist zeitlich begrenzt, läuft bald aus, und gerade für Familien mit geringem Einkommen ist der Ausgleich immer noch viel zu niedrig.
Es wird in absehbarer Zeit keinen vollständigen Betrieb der Kitas und auch der Schulen geben. Für Familien ist somit eben keine Entlastung in Sicht. Sie brauchen aber eine Unterstützung, und sie brauchen eine wirkliche Perspektive. Daher sagen wir: Wir brauchen jetzt dringend ein zusätzliches und flexibles Coronaelterngeld, das es allen Eltern ermöglicht, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder auszusetzen.
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Dafür erhalten Eltern eine Lohnfortzahlung für die gesamte Dauer der Krise, die auch Familien mit geringem Einkommen oder eben Alleinerziehende absichern muss. Das Coronaelterngeld würde Eltern spürbar entlasten, die Situation zu Hause entzerren und ihnen vor allen Dingen mehr Zeit für die Betreuung ihrer Kinder geben.
Und was wieder einmal vergessen wurde, Frau Giffey, sind Familien, die Hartz IV beziehen. Sie fallen bisher immer noch komplett durchs Raster. Der Hartz-IV-Regelsatz war schon vor der Pandemie viel zu gering. Jetzt schließen Tafeln, die Lebensmittelpreise steigen, und der Unterricht findet zu Hause statt. Außerdem fällt das kostenlose Mittagessen in Schulen oder Kitas weg. Für Familien, die bis jetzt eh schon jeden Cent zweimal umdrehen mussten, ist das alles ein massiver finanzieller Einschnitt. Wir sagen auch daher: Der Hartz-IV-Regelsatz muss jetzt dringend um 200 Euro pro Monat angehoben werden.
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Vielleicht abschließend einfach: Wir müssen wirklich gucken und weitaus mehr anstellen, damit die Coronakrise nicht zur Krise in den Familien und für die Familien führt. Wir finden durchaus, dass wir dringend einen Rettungsschirm für Familien brauchen.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Werner. – Die nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Katja Dörner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Familien brauchen Unterstützung. Das gilt immer, aber in der Coronakrise gilt es natürlich in ganz besonderer Weise. Ich muss leider sagen, dass die Bundesregierung in dieser schwierigen Situation die dringend notwendige Unterstützung für viele Kinder und Familien vermissen lässt.
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Wir beschließen hier im Bundestag milliardenschwere Pakete, und das ist auch gut so. Aber gerade weil so viel möglich ist, frage ich mich: Wie kann es sein, dass gerade Kinder und Familien zu wenig in den Blick genommen werden? Wir Grüne wollen das ändern.
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Selbstverständlich werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen, den wir heute beraten. Es ist richtig, dass werdende Eltern aufgrund von Kurzarbeit keine finanziellen Nachteile erleiden sollen. Aber dieser Gesetzentwurf kann eben nur ein Baustein sein, so wie auch der Notkinderzuschlag nur ein Baustein sein kann. Sie sind gerade keine Antworten auf die Probleme, die die Familien zurzeit in der Breite haben, und sie sind keine Antwort auf die Probleme, die die ärmsten Familien haben. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie auch für diese Familien und ihre Probleme Lösungen vorsieht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich will zwei unserer Vorschläge besonders hervorheben. Wir schlagen einen Krisenzuschlag von 60 Euro für Kinder und Jugendliche im SGB II vor. Hartz IV reicht sowieso nicht zum Leben, und diese Situation hat sich in der Krise noch mal verschärft, beispielsweise weil das oft kostenlose Mittagessen in Kita und Schule entfällt. Die Regelsatzerhöhung kann flott und unbürokratisch passieren. Sie hilft eben armen Familien unmittelbar, und deshalb fordern wir das auch unmittelbar ein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Wir schlagen ein Coronaelterngeld vor, weil die Betreuung für viele Familien in der Breite eine absolute Herkulesaufgabe darstellt. Kitas und Schulen bleiben vielerorts auf nicht absehbare Zeit zu. Die Großeltern können nicht einspringen, Babysitter dürfen nicht kommen, die Eltern sind auf sich gestellt.
Zudem ist klar: Kleinkinder betreuen, mit der Großen Mathe im Homeschooling machen und an einer Videokonferenz im Homeoffice teilnehmen, das kann man vielleicht mal ein paar Tage machen; aber diese paar Tage dauern schon viel zu lange. Viele Eltern sind in dieser Situation überfordert, die Herausforderung ist zu groß, jedem und jeder anderen würde das auch so gehen. Deshalb brauchen wir ein Recht auf Arbeitszeitreduzierung in Kombination mit einer Lohnersatzleistung für den Zeitraum, in dem die Kinder nicht in die Schule oder in die Kita können. Wir müssen jetzt den Druck aus den Familien nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Das ist nicht nur wichtig für die Eltern, sondern insbesondere auch für die Kinder, deren Rechte durch Schul- und Kitaschließungen und Kontaktsperren zu anderen viel stärker eingeschränkt sind, als, glaube ich, vielen Erwachsenen tatsächlich bewusst ist.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir lesen gerade viel darüber, was die Krise mit den Kindern macht. Wir können ihnen leider ihren gewohnten Alltag nicht so schnell zurückgeben. Aber wir können das, was den Stress in den Familien ausmacht, reduzieren und damit das Leben der Kinder besser machen. Das sollten wir tun. Deshalb bitte ich, dass gerade die Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen sich unserem Vorschlag eines Coronaelterngelds annähern. Ich habe hier von vielen aus den Regierungsfraktionen, die schon gesprochen haben, Bereitschaft gehört, in den nächsten Tagen und Wochen noch mal nachzulegen. Ich finde, ein Coronaelterngeld ist jetzt genau die richtige Antwort. Wir schlagen das vor, und wir sind gerne bereit, konstruktiv mit Ihnen darüber zu beraten, wie das im Detail aussehen kann.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der SPD der Kollege Stefan Schwartze.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mein Dank geht an alle im Land, die den Laden im Moment am Laufen halten, die alles tun, um die Folgen der Krise so gering wie möglich zu halten. An dieser Stelle gilt aber mein ganz besonderer Dank allen Eltern, die den Ausfall von Unterricht und Kinderbetreuung zu Hause auffangen. Ich glaube, wir alle wissen, dass es an vielen Stellen nicht einfach ist und mit harten Einschnitten verbunden ist. Auch wir in Berlin tun alles, um die Auswirkungen der Krise zu mildern. Ich bedanke mich dafür bei der Regierung und bei unserer Ministerin Franziska Giffey. Mein Dank gilt ausdrücklich auch dem Parlament, das auch in diesen Zeiten handlungsfähig ist und seiner Verantwortung stets gerecht wird.
Heute ist allen klar, wie unabdingbar ein starker Sozialstaat und ein starkes Gesundheitssystem sind. Auch wenn wir nicht erst heute sehen, dass es in dieser Gesellschaft Dinge gibt, die es zu verbessern gilt, wie zum Beispiel eine faire Bezahlung in vielen Branchen,
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so bin ich doch froh, dass unsere Strukturen so gut funktionieren und dass wir entschlossen handeln, um die Auswirkungen der Krise zu mildern.
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Mit den Änderungen zum Beispiel beim Kinderzuschlag haben wir das auch für Familien bewiesen.
In der jetzigen Situation sind junge und werdende Eltern in besonderer Weise herausgefordert. Viele können ihre Pläne von einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung nicht umsetzen, weil sie von uns allen gebraucht werden. Und weil die gesamte Gesellschaft sie braucht, können sie ihre Elterngeldmonate nicht nehmen oder die Voraussetzungen für den Partnerschaftsbonus nicht einhalten.Bei vielen werdenden Eltern kommt neben der Unsicherheit einer Schwangerschaft in Pandemiezeiten noch die Sorge um die finanzielle Zukunft hinzu: Wie viel Elterngeld werden wir bekommen, da ich ja jetzt auf Kurzarbeit gesetzt worden bin?
Für die drängendsten Fragen, die bei den Familien entstehen, legen wir heute Lösungen vor. Eltern, die ihre Elternzeit mit Elterngeld jetzt nicht nehmen können, können dies später nachholen. Für Eltern, die aufgrund der Situation die Voraussetzungen für den Partnerschaftsbonus nicht einhalten können, bleibt das unschädlich. Eltern, die einen Einkommensverlust wegen der Pandemie in den Monaten erleiden, die später zur Berechnung des Elterngelds herangezogen würden, können diese Monate ausklammern. Ich glaube, bei einer Reform des Elterngeldes sollten wir wirklich darüber nachdenken, ob das nicht grundsätzlich in das Gesetz hineingehört.
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Es ist auch gut, dass die Weiterführung von Maßnahmen, die Familien unterstützen sollen, vorbereitet wird; die Ministerin hat dazu eben einiges gesagt. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg, dort auch voranzukommen.
Ich denke, wir leisten in schwierigen Zeiten einen wichtigen Beitrag für junge Eltern, zumindest, um sie von ganz aktuellen Sorgen zu befreien. Ich kann Ihnen zusagen: Die Diskussion um die Reform des Elterngelds geht weiter, und sie wird auch in dieser Wahlperiode kommen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Maik Beermann.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, wir haben es bei den Vorrednerinnen und Vorrednern heute auch schon gehört: Wir haben mittlerweile diverse Milliardenpakete auf den Weg gebracht; und es ist natürlich auch unsere Pflicht, die Wirtschaft zu stützen, gerade in Zeiten wie diesen. Aber genauso ist es unsere Aufgabe – dafür gehen wir heute einen nächsten Schritt und schlagen einen weiteren Weg ein –, jene zu unterstützen, die die Keimzelle unserer Gesellschaft darstellen, nämlich unsere Familien. Darum beschäftigen wir uns anschließend an die Weiterführung des Kinderzuschlags jetzt mit dem Thema Elterngeld. Es geht nicht um die eigentliche Reform, die ansteht – die Ministerin hat darauf hingewiesen –, sondern darum, das Elterngeld in dieser Coronakrise krisenfest zu machen.
Kurz vor Weihnachten im letzten Jahr haben wir hier alle noch über Anträge der FDP und der Linken zum Elterngeld debattiert. Ich habe damals noch über die eben schon erwähnte geplante Elterngeldreform gesprochen und gesagt, wie wir diese Leistung weiter entbürokratisieren, flexibilisieren und digitalisieren wollen. Nun, das Ziel haben wir immer noch; aber jetzt ist die Zeit für andere Maßnahmen, für Maßnahmen und Anpassungen, die das Elterngeld, wie gesagt, krisenfest machen. Wir wollen dafür sorgen, dass werdende oder frischgebackene Eltern wegen der Coronakrise keine Nachteile bei uns im Land hinnehmen müssen. Ich hoffe sehr, dass wir im Schnellverfahren die gesetzlichen Anpassungen Anfang Mai auf den Weg bringen werden und das Gesetz dann rückwirkend zum 1. März dieses Jahres beschließen.
Denn die Lage ist für die Betroffenen ernst – wir haben es eben schon gehört – : Wenn wir jetzt nicht handeln, würde nach jetziger Lage eine Mutter, die in Kurzarbeit gehen muss oder gar freigestellt worden ist, finanzielle Einbußen bei der Elterngeldberechnung hinnehmen. Das wollen wir verhindern. Deshalb passen wir das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz an. Konkret heißt das: Für Eltern und werdende Eltern, die aktuell Einkommensverluste durch Corona haben, sollen eben keine Nachteile entstehen. Das bedeutet: Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld I – wegen Corona – reduzieren das Elterngeld nicht. Auch bei der späteren Berechnung des Elterngeldes für ein weiteres Kind fließen sie nicht mit ein und werden dann dementsprechend ausgeklammert. Meine Vorredner sind darauf schon eingegangen. Eltern, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, können ihre Elterngeldmonate aufschieben, da sie jetzt besonders gebraucht werden.
Wir haben Anträge der Oppositionsfraktionen vorliegen. Natürlich werden wir uns auch damit auseinandersetzen und beschäftigen. Aber ich möchte auch noch mal eines sagen: In dieser besonderen Krise, in dieser besonderen Zeit, die wir jetzt aktuell haben, sollten wir uns nicht in einem gewissen Überbietungswettbewerb befinden, sondern wir müssen jetzt darauf achten, dass die Maßnahmen, die schnell umsetzbar sind, auch umgesetzt werden können. Wir müssen es unkompliziert machen. Wir müssen es unbürokratisch machen. Das ist, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiger Schritt, den wir hier gehen werden.
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Was eben auch wichtig ist, ist, dass Eltern ihren Partnerschaftsbonus nicht verlieren, wenn sie aufgrund der Coronakrise aktuell mehr oder weniger arbeiten als beispielsweise geplant. Was für alle Beteiligten wichtig ist: Wir müssen eine schnelle und unbürokratische bundeseinheitliche Lösung finden.
Ich hoffe, dass wir das Gesetz, wie gesagt, zügig verabschieden, um schnell helfen zu können. Ich hoffe natürlich noch viel mehr, dass wir in naher Zukunft wieder zum normalen und gewohnten Leben in unserem Land zurückkehren.
Frau Ministerin, ich möchte Ihnen danken, dass Sie sich eben auch damit auseinandersetzen und beschäftigen, wie wir Familien bei der Betreuung ihrer Kinder wieder entlasten können. Ich möchte das ganz deutlich sagen: Ich bekomme derzeit nicht nur Anrufe von Menschen aus der Gastronomie, aus der Wirtschaft generell, die sich bei mir melden, um Unterstützung bitten und sich zum Teil natürlich auch für die Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben, bedanken; sondern es werden immer mehr Eltern, die sich bei mir melden und ganz konkret auch darum bitten, dass wir Lösungsmöglichkeiten finden, um eine teilweise Wiedereinführung der Kinderbetreuung auf den Weg zu bringen. Von daher: Danke, dass Sie sich damit beschäftigen! Unsere Unterstützung bei dieser wichtigen Frage ist Ihnen sicher. In diesem Sinne: Lassen Sie uns da gemeinsam auf den Weg machen!
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, und vor allen Dingen: Bleiben Sie gesund!
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Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Kurzarbeitergeld ist viel zu niedrig; Beschäftigte sind in ihrer Existenz bedroht. Deswegen muss es dringend auf 90 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens aufgestockt werden.
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Und Beschäftigte, die zum Mindestlohn arbeiten, sollen 100 Prozent erhalten.
Man muss sich die Situation mal vor Augen führen: Ich nehme als Beispiel eine Hotelangestellte im Servicebereich. Sie hat ein Vollzeit-Nettoeinkommen von 1 300 Euro; das ist wirklich nicht viel. Branchen wie die Gastronomie sind jetzt doppelt davon betroffen, dass die Tarifbindung so schlecht ist, zum einen, weil die Löhne so niedrig sind, zum anderen, weil es keine tarifvertraglichen Vereinbarungen zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes gibt. Die Kollegin bekommt bei Kurzarbeit null aktuell 780 Euro – 780 Euro! Wie soll sie davon die Miete bezahlen, die Rechnungen und die laufenden Kosten? Das ist unmöglich, weil diese Kosten nämlich nicht um 40 Prozent sinken.
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Millionen Beschäftigte werden mit 60 bzw. 67 Prozent ihres Nettoeinkommens abgespeist und zum Teil in Armut geschickt, und im Gegenzug bekommen Arbeitgeber 100 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge erstattet. Diese Erstattung kostet die Bundesagentur für Arbeit monatlich mehrere Hundert Millionen Euro. Das ist auch das Geld der Beschäftigten, und deswegen steht ihnen eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes zu.
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Es kann nicht sein, dass einseitig nur die Arbeitgeber profitieren.
Wir erleben die gleichen Mechanismen wie in der Finanzkrise: Konzerne schicken ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit, flüchten sich unter staatliche Rettungsschirme, und Beschäftigte wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen. Konzerne wie BASF, BMW und VW wollen Milliarden an Dividenden ausschütten, während sie der Allgemeinheit Solidarität abverlangen. Wenn Unternehmen so etwas machen, dann muss die Politik klare Worte finden, nämlich: So nicht!
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Dann sind diese Unternehmen dazu zu verpflichten, die Kassen der Arbeitslosenversicherung und die Rücklagen, aus denen das alles finanziert wird, wieder aufzufüllen.
In dieser Krise muss doch wohl wirklich der Letzte kapiert haben, wie wichtig gut ausgestattete Sozialversicherungssysteme sind und dass es sinnvoller ist, gute Rücklagen zu haben, anstatt Geschenke zu verteilen. Wenn es nach der FDP gegangen wäre, wäre die Kasse wahrscheinlich schon fast leer.
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Selbst die Bundesregierung hat sich allein in dieser Legislatur zweimal an der Arbeitslosenversicherung vergriffen und die Beiträge gesenkt. Und jetzt? Jetzt jammert die Union rum, sagt, eine Aufstockung wäre nicht zu bezahlen, und blockiert den Arbeitsminister bei seinem richtigen Ansinnen, das Kurzarbeitergeld zumindest auf 80 Prozent zu erhöhen – die gleiche Union, deren Vorsitzende für Zigmilliarden Euro Kampfjets in den USA ordern will, die keiner braucht. Sie merken hoffentlich selber, wie irre das ist.
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Meine Damen und Herren von der Union, geben Sie endlich die Blockadehaltung auf! Heute Abend im Koalitionsausschuss haben Sie die Chance dazu. Ansonsten sind Sie dafür verantwortlich, dass die Kolleginnen und Kollegen im Regen stehen.
Deutschland hat den größten Niedriglohnsektor in Europa, und der ist politisch verursacht. Umso dringender besteht Handlungsbedarf beim Kurzarbeitergeld. Irland, Österreich, Frankreich, die skandinavischen Länder, sie alle haben bessere Regelungen als wir – ein Armutszeugnis für Deutschland!
Liebe Bundesregierung, erhöhen Sie das Kurzarbeitergeld! Lassen Sie den Beschäftigten in diesem Land endlich das gleiche Maß an Solidarität zukommen, wie Sie es auch den Arbeitgebern zukommen lassen!
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. Matthias Zimmer.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Anträge, die wir jetzt beraten, haben zum Hintergrund, dass man das Kurzarbeitergeld erhöhen will, und im Augenblick – gleichzeitig – ist ein Koalitionsausschuss, der sich mit dieser Frage beschäftigt. Das hat zur Folge, dass der Redner, der hier vorne am Rednerpult steht, vielleicht den dringenden Rat befolgen sollte, angesichts der Dynamik und der Rationalität von Koalitionsverhandlungen nicht allzu viele Ausrufezeichen zu machen, weil er dann am Ende vielleicht mit den Ausrufezeichen alleine dasteht, und das sieht ziemlich dämlich aus.
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– Na, dass ausgerechnet von der Seite der Beifall kommt, das wundert mich jetzt schon. Denn ich bin ja noch gar nicht fertig mit meiner Rede; es kommt ja noch was.
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Ich will ihnen drei Argumente nennen, die sozusagen ordnungspolitisch gegen eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes sprechen.
Das erste Argument lautet: Es gibt einen inneren Zusammenhang zwischen dem Kurzarbeitergeld und der Höhe des Arbeitslosengeldes. Es wäre ja fragwürdig, wenn das Kurzarbeitergeld deutlich höher wäre als das Arbeitslosengeld, zumal die Arbeitslosen anders als die Kurzarbeiter ja keine unmittelbare Rückkehroption auf ihre Arbeitsplätze haben. Die wären dann also doppelt bestraft, und das wäre aus Fairnessgründen nicht akzeptabel. Wir wollen das Äquivalenzprinzip hier nicht ohne Not aufheben. Wir würden nämlich im Rahmen der Arbeitslosenversicherung eine Zweiklassengesellschaft schaffen, und das wollen wir nicht.
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Zweitens. Viele Firmen stocken aus guten Gründen das Kurzarbeitergeld aus eigenen Mitteln auf. Das ist nachvollziehbar; es ist richtig. Sie wollen ihre guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verlieren. Wenn wir nun das Kurzarbeitergeld aufstocken, entlassen wir die Unternehmen aus ihrer Verantwortung. Das kann man machen; das wollen wir aber nicht.
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Ein drittes Argument. Nicht jeder ist voll in der Kurzarbeit, also Kurzarbeit 100 Prozent, sondern viele nur zum Teil, und das schafft erneut Ungleichheiten. Ein Beispiel: Jemand, der vorher 2 000 Euro netto verdient hat, ledig und nun in voller Kurzarbeit ist, erhält 60 Prozent: 1 200 Euro netto. Ist er hingegen zu 50 Prozent in Kurzarbeit, erhält er 1 000 Euro von seinem Arbeitgeber und 600 Euro Kurzarbeitergeld, also 1 600 Euro. Erhöhen wir das Kurzarbeitergeld nun auf 80 Prozent, dann sieht die Rechnung wie folgt aus: Volle Kurzarbeit nun 1 600 Euro, 50 Prozent Kurzarbeit: 1 800 Euro. Es verringert sich also der Nettolohnabstand zwischen denjenigen, die durchgehend zu Hause bleiben, weil sie auf Kurzarbeit 100 gesetzt sind, und denjenigen, die noch zu 50 Prozent arbeiten gehen. Das setzt einen Anreiz, lieber gleich in die volle Kurzarbeit zu gehen, weil sich Arbeit im Vergleich zu Nichtarbeit nicht lohnt. Das ist aus meiner Sicht kein kluger Gedanke, und ich finde, deswegen sollten wir das auch nicht machen.
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Meine Damen und Herren, das waren drei ordnungspolitische Argumente gegen das Ansinnen der beiden Anträge. Es waren keine Ausrufezeichen, es waren eher Fragezeichen in diesem Fall. Ich hoffe, dass diese Fragezeichen aus dem Plenum des Deutschen Bundestages im Kanzleramt kraftvoll widerhallen und im Koalitionsausschuss zu klugen Entscheidungen beflügeln mögen.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Jörg Schneider.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war als Mitglied der Leitung eines kleinen Softwareunternehmens Anfang der 2000er-Jahre selbst in einer solchen Situation. Wir waren in einer wirtschaftlich schwierigen Situation in unserem Unternehmen. Wir haben damals Kurzarbeit gemacht und haben damit diese Krise überstanden. Das Unternehmen existiert heute noch; viele der Mitarbeiter sind dort auch immer noch beschäftigt. Seitdem bin ich ganz klar davon überzeugt: Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld sind ein ganz wichtiges Element unserer sozialen Marktwirtschaft.
Gleichzeitig müssen wir aber auch sehen: Wir belasten unsere Arbeitnehmer mit den weltweit höchsten Steuern und Sozialabgaben. Nur wenn es darum geht, mal Leistungen zu bekommen, dann sind wir ziemlich schnell am unteren Ende der Liste. Insofern kann ich es nachvollziehen und halte ich es für sinnvoll, dass gerade in einer Situation, wo so viele Menschen davon betroffen sind, mal darüber nachgedacht wird, zu unseren europäischen Partnern in gewisser Weise Anschluss zu finden.
Der Antrag der Grünen geht in diese Richtung. Er ist noch nicht genau ausformuliert; aber wenn ich es richtig verstanden habe, dann möchten Sie, dass wir eine Staffelung einführen. Für denjenigen, der ungefähr den Durchschnittslohn verdient, würde sich nichts ändern; derjenige, der auf Mindestlohnbasis arbeitet, würde im Fall von Kurzarbeit ungefähr 90 Prozent bekommen. Das ist eine Staffelregelung, die sich ungefähr am österreichischen Modell orientiert, und das ist sinnvoll; denn es verhindert, dass derjenige, der als Mindestlöhner in die Kurzarbeit rutscht, danach noch extra irgendwelche sozialen Leistungen beantragen muss.
Der Antrag der Linken geht weit darüber hinaus. Ich bin über einen Punkt besonders gestolpert: Sie möchten zukünftig das Kurzarbeitergeld bei Verheirateten auf Basis der Steuerklasse IV berechnen. Konkret bedeutet das: Wenn jemand einen gutverdienenden Ehepartner hat, bisher in Steuerklasse V war und nach Ihrem Vorschlag sein Kurzarbeitergeld berechnet wird, dann kann das dazu führen, dass er mehr Kurzarbeitergeld bekommt, als er vorher netto verdient hat. Ich hatte Ihre Einstellung bisher eigentlich immer so verstanden, dass Sie dem Ehegattensplitting eher streng, eher etwas distanziert und kritisch gegenüberstehen. Deswegen wundert es mich, dass Sie jetzt, gerade in dieser Situation, so viel Solidarität ausgerechnet für die entwickeln, die heute schon vom Ehegattensplitting profitieren; aber bitte.
Eine weitere Forderung von Ihnen: Erhöhung der Kurzarbeitergeldzahlungen auf 90 Prozent. Ich denke, wir müssen da einfach ein bisschen vorsichtig sein. Die Reserven der Bundesagentur sind begrenzt: Je höher wir diese Leistung gestalten, desto eher schmelzen diese dahin, und dann laufen wir unter Umständen Gefahr, Beitragserhöhungen durchsetzen zu müssen. Ich gehe davon aus, dass unsere innovativen Unternehmen diese Coronakrise gut überstehen werden. Aber Beitragssatzerhöhungen und damit eine Erhöhung der Lohnnebenkosten sind mit Sicherheit keine guten Rahmenbedingungen, die wir in einer solchen Situation setzen können.
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Wir von der AfD möchten gerne eher die Selbsthilfe stärken. Wir möchten, dass jeder, der in dieser Situation einen Minijob aufnimmt, das verdiente Geld auch tatsächlich vollständig behalten darf.
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Die Regelungen sind da im Moment etwas unübersichtlich: Teilweise wird das, was man als Minijobber bekommt, mit den eigenen Einkünften, mit dem Kurzarbeitergeld verrechnet, teilweise geschieht das nicht. Wir möchten, dass jeder, der in dieser Situation sagt: „Ich habe jetzt Zeit, ich möchte mir selber helfen; ich suche mir einen 450-Euro-Job“, diesen Betrag auch vollständig behalten darf.
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Ich denke, damit liegen eine Menge Vorschläge auf dem Tisch, und insofern freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss.
Ich danke Ihnen. Bleiben Sie gesund!
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der SPD die Kollegin Kerstin Tack.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen, dass wir uns in der vermutlich größten Herausforderung der Menschheit befinden und wir diese Situation noch lange nicht überwunden haben – wenn wir sie überhaupt irgendwann überwinden werden. Wir haben aber hier im Deutschen Bundestag – das war, glaube ich, sehr gut – als Allererstes einen Rettungsschirm für Arbeitsplätze beschlossen –
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das geschah Ende März hier in diesem Hohen Hause, und zwar einstimmig, durch die Unterstützung des kompletten Parlamentes –, und zwar in einer Höhe von 60 bzw. 67 Prozent. Das haben wir einstimmig beschlossen, und das war richtig, weil wir auch in der Krise 2008/2009 damit eingestiegen sind und im Nachhinein noch mal erhöht und aufgestockt haben. Deshalb ist die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt auch richtig, weil wir alle wissen, was es für Familien, was es für den Einzelnen heißt, in dieser Situation auf mehr als 20, 30 Prozent seines Einkommens zu verzichten. Wir alle können uns vorstellen, was das bedeutet. Es trifft nicht nur die unteren Lohngruppen, es trifft genauso die Schichtzulagen und anderes. Es trifft die Facharbeitenden ganz genauso wie die mit den niedrigen Löhnen.
Wer stockt heute auf? In der Regel sind die aufstockenden Betriebe die tarifgebundenen Betriebe. Was heißt das also? Tarifgebundene Beschäftigte profitieren dreifach. Das ist gut so. Erstens profitieren sie, weil sie in guten Zeiten bessere Löhne als andere in ihrer Branche bekommen durch die Tarifbindung. Zweitens profitieren sie davon, dass sie durch ihre höheren Löhne bei Kurzarbeit auch ein deutlich höheres Kurzarbeitergeld bekommen. Und drittens profitieren sie davon, dass sie sich – tarifgebunden – in der Regel in Betrieben befinden, die auch noch aufstocken.
Was lernen wir daraus? Tarifbindung ist das A und O für eine gute soziale Partnerschaft, und deshalb ist Tarifbindung eines der zentralen Elemente, für die es sich jeden Tag aufs Neue deutlich zu kämpfen lohnt.
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Aber – und auch das ist richtig – die, die heute sagen: „Eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, das brauchen wir nicht!“, sind doch genau diejenigen, die in vier Wochen zu uns kommen und rufen werden: Wir brauchen dringend Konjunkturprogramme für die Wirtschaft. – Ja, aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Was ist denn Kaufkraft in diesem Land? Und ist nicht gerade deshalb die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auch für die Wirtschaft zentral? Denn genau das, was wir erleben werden, nämlich dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre Produkte am Markt an den Mann und an die Frau zu bringen, bedeutet doch, dass wir Beschäftigte brauchen, die auch in der Lage sind, zu konsumieren. Das ist ein Teil gelingender Konjunkturpolitik, das ist eine Win-win-Situation. Auch deshalb sind wir für eine deutliche Anhebung des Kurzarbeitergeldes, und wir hoffen sehr darauf, dass wir genau das in wenigen Minuten auch durch den schon erwähnten Koalitionsausschuss noch mal bestätigt bekommen.
Ich würde mir sehr wünschen, dass wir in einer Zeit leben, wo wir nicht nur für die Wirtschaft einen Rettungsschirm nach dem anderen machen und bei Bedarf erneuern und erweitern. Jetzt ist die Zeit, auch an die Beschäftigten zu denken. Auch sie müssen bessergestellt und ihr Schutzschirm erweitert werden.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Johannes Vogel.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Danke an die Kollegen der Opposition, dass wir heute die Möglichkeit haben, über Kurzarbeitergeld zu diskutieren! Ihr werdet mir verzeihen, dass ich trotzdem in erster Linie zur Koalition rede, die ja auch gerade in diesen Stunden über dieses Thema verhandelt.
In der Tat: Das Kurzarbeitergeld ist eine erfolgreiche und zentrale Krisenmaßnahme, die wir übrigens – darüber war ich sehr dankbar – einstimmig hier im Deutschen Bundestag verabschiedet haben. Nur deshalb war das Schnellverfahren möglich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
Den Kolleginnen und Kollegen von den Linken möchte ich sagen: Uns zu unterstellen, wir wären nicht der Meinung gewesen, dass es richtig ist, eine Rücklage für das Kurzarbeitergeld aufzubauen, ist nun wirklich Quatsch. Im Gegenteil: Wir mussten doch die Rücklage gegen Ihre Begehrlichkeiten in den letzten Jahren überhaupt erst verteidigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken;
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Sie wollten sich immer neue Ideen ausdenken.
Ich möchte aber auch klar sagen: Gerade weil das Kurzarbeitergeld so eine erfolgreiche Maßnahme ist, ist es, glaube ich, ernsthaft klug, die Folgen zu bedenken, wenn man jetzt in der Krise Anpassungen vornimmt. Es ist richtig, darüber zu reden, dort etwas zu tun, wo 100 Prozent Kurzarbeit und niedrige Löhne zusammenkommen. Denn in der Tat können da Menschen in sehr schwieriger Lage sein, und ich glaube, das geht uns alle an, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zu einer seriösen Debatte gehört aber auch, dass das ganze Thema nicht so einfach ist; denn es gibt zahlreiche Unternehmen, die bereits aktiv sind – per Tarifvertrag und auch nicht per Tarifvertrag – und Kurzarbeitergeld aufstocken. Es gibt zahlreiche Branchen, wo es nicht 100 Prozent Kurzarbeit gibt und deshalb Einkommen von 80, 90 Prozent. Da jetzt mit der Gießkanne, mit einer pauschalen Erhöhung aus Beitragsmitteln für alle Kurzarbeiter eine Erhöhung vorzunehmen, kann natürlich dazu führen, dass am Ende Folgendes passiert: Es werden nur die Kosten der Unternehmen übernommen, die das Kurzarbeitergeld ohnehin aufstocken. Die Beschäftigten haben gar nichts davon. In künftigen Krisen wird aber kein Tarifpartner und kein Unternehmen mehr eine Aufstockung vornehmen. Gleichzeitig schmilzt die Rücklage der Bundesagentur für Arbeit in dieser Krise wie Schnee in der Sonne. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann hätten wir dem Instrument der Kurzarbeit einen Bärendienst erwiesen, und das darf man auch nicht tun.
({1})
Herr Vogel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst?
Natürlich gerne.
Herr Präsident! Herr Vogel, danke, dass Sie die Frage zulassen. – Der erste Teil bezieht sich auf die Frage der Beiträge und zu der Aussage, dass die Linke Anträge gestellt hätte, die dazu geführt hätten, dass die Kassen leer sind. Ich glaube, die Kassen wäre noch viel leerer, wenn Sie sich durchgesetzt hätten, nämlich dauernd Beitragssenkungen durchgesetzt hätten, Herr Vogel.
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Wenn Sie sich hierherstellen und sagen, wir würden das Geld verbrauchen, kann ich nur sagen: Sie hätten dafür gesorgt, dass gar keines da ist. Das ist, glaube ich, viel schlimmer.
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Zweitens. Wir haben gerade gehört, dass besonders tarifgebundene Betriebe teilweise auf 100 Prozent aufzahlen. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass das gut ist? Und sind Sie mit mir der Auffassung, dass das daran liegt, dass wir starke Gewerkschaften haben? Sind Sie bereit, mit mir einen Aufruf zu unterschreiben, in dem man die Beschäftigten auffordert, morgen in die Gewerkschaft einzutreten? Wenn Sie das sind, sind wir einen Schritt weiter.
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Die letzte Bemerkung. Ist Ihnen eigentlich klar, Herr Vogel, dass wir momentan in einer besonderen Situation sind, die übrigens dazu führt, dass eine große Solidarität in diesem Lande zustande kommt, auch hier im Parlament? Wir alle waren damit einverstanden, dass wir die Unternehmen fördern. Wir haben übrigens nicht einmal genau hingeschaut, wie es eigentlich wirkt, wenn man 9 000 oder 14 000 Euro beantragen kann und man das Geld drei Tage später hat. Wir waren dafür. Das waren übrigens alles Steuergelder.
Warum glauben Sie ausgerechnet dann, wenn es um die Beiträge der Bundesagentur für Arbeit geht, die die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer gemeinsam eingezahlt haben, dass es sinnvoll ist, die Arbeitgeber besonders zu begünstigen, indem wir die Sozialbeiträge bezahlen, aber nicht eine vernünftige Aufzahlung für die Beschäftigten hinbekommen? Diese Ungleichgewichtigkeit müssen Sie mir einmal erläutern, Herr Vogel.
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Herr Präsident, ein bisschen Zeit werde ich brauchen, um auf diese drei Bemerkungen, die am Ende mit einem Fragezeichen versehen wurden, einzugehen.
Die Uhr steht.
Die Uhr steht. – Lieber Kollege Ernst, erstens: Bitte auf der Höhe des Gegenstands hier miteinander debattieren. Ich habe als jemand, der übrigens bei der Bundesagentur für Arbeit Verantwortung getragen hat, sehr genau darauf geachtet, dass die Freien Demokraten Beitragssenkungen bei der Bundesagentur für Arbeit erst dann beantragt haben – dann waren sie auch richtig –, als eine ausreichende Krisenrücklage aufgebaut war.
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Währenddessen haben Sie, lieber Kollege Ernst, mit Ihren Anträgen der Linksfraktion gar nichts Dringenderes zu tun, als irgendwelche neuen Leistungen zu erfinden, die dafür sorgen würden, dass diese Rücklage ganz schnell weg ist.
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Zweitens. Ich bin absolut der Meinung, dass es großartig ist, dass sowohl tarifgebundene Unternehmen wie übrigens auch nicht tarifgebundene Unternehmen jetzt in großer Zahl Kurzarbeitergeld aufstocken – diejenigen, die es sich leisten können, das in der Krise zu tun. Ich bin sofort bereit, mit Ihnen gemeinsam einen Aufruf zu unterschreiben, der besagt: Es ist großartig, dass wir die Koalitionsfreiheit im Grundgesetz haben; es ist großartig, dass wir Tarifpartnerschaft haben. Und ich finde es – das sage ich ganz offen – großartig, wenn sich Beschäftigte in Gewerkschaften organisieren. Ich kann jeden nur dazu aufrufen, zu überlegen, ob das für ihn das Richtige ist. Das sage ich ganz offen, lieber Kollege Ernst.
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Statt jetzt hier die Frage zu stellen, wie wir mit den Beitragsgeldern in dieser wirklich existenziellen Krise umgehen, bitte ich doch, ein bisschen Seriosität in die Debatte zu bringen. Von der Bundesregierung erwarte ich, dass wir jetzt erst einmal konkrete Zahlen, Daten und Fakten vom Arbeitsministerium bekommen. Die haben wir nämlich noch gar nicht; wir haben bisher nur die Voranzeigen. Sie, lieber Herr Kollege Ernst, sind ja auch Experte bei diesem Thema; Sie werden wissen: Das sagt nichts aus. – Wir brauchen zuerst klare Zahlen, Daten und Fakten: In welcher Branche haben wir Kurzarbeit? In welchem Umfang haben wir Kurzarbeit? – Dann können wir beurteilen, wo das mit niedrigen Löhnen zusammenkommt, und zielgenaue Lösungen finden.
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Die müssten übrigens gar nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden. Wir haben auch heute in vielen Branchen Situationen, wo Kurzarbeitergeld durch zusätzliche Leistungen aufgestockt wird. Das lässt sich auch für den Staat aus Steuermitteln organisieren. Da brauchen wir ein bisschen Kreativität, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
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Eine letzte Bemerkung aber noch an die Bundesregierung. Ich finde es richtig, dass sich die Koalition Gedanken macht: Was ist mit Menschen, wo 100 Prozent Kurzarbeit und niedrige Löhne zusammenkommen? – Dahinter steht immer auch die Aussage: Wir wollen die Menschen jetzt nicht in den Bereich des Existenzminimums kommen lassen, also zum Jobcenter schicken. – Das habe ich in den letzten Tagen mehrfach gehört. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde diese Frage sehr berechtigt, und wir müssen gemeinsam darum ringen, wie wir das hinbekommen.
Aber dieselbe Bundesregierung macht genau das bei einer anderen von dieser Krise massiv betroffenen Gruppe in unserem Land, nämlich Freelancern und Selbstständigen. Alle Bundesländer, egal wer dort regiert – alle Farben: Gelb, Schwarz, Grün, Rot –, fordern die Bundesregierung einstimmig auf, endlich dafür zu sorgen, dass die Krisenhilfen für Selbstständige auch ausgezahlt werden können, wenn es um die Deckung des eigenen Lebensunterhaltes geht.
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Und was sagt diese Bundesregierung? Dann sollen die doch aufs Jobcenter gehen.
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Das ist nicht überzeugend, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
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Es gibt in diesem Land heute sehr viele Freelancer und Selbstständige, Coaches, Künstler. Die haben keine Betriebskosten in Form von Miete, sondern deren Betriebskosten sind sie selbst. Aber durch politische Maßnahmen haben sie derzeit null Aufträge. Deshalb rufe ich Sie dringend auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Bundesregierung, Herr Minister Heil, Herr Minister Altmaier, Herr Minister Scholz: Behandeln Sie Selbstständige nicht länger als Erwerbstätige zweiter Klasse, und passen Sie diese Regeln an!
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten beiden Sitzungswochen Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld gemeinsam beschlossen. Wir haben ein Sozialschutzpaket gemeinsam beschlossen. Das waren gute und wichtige Schritte, um schnell helfen zu können.
Wir sind jetzt in einer Situation, wo wir aber auch nachbessern müssen. Das liegt ein Stück weit in der Natur der Sache, weil es damals schnell gehen musste. Wir Grünen stellen in dieser Woche diverse Anträge zu verschiedenen Tagesordnungspunkten, wo wir Nachbesserungen fordern. Es gibt einen grünen Faden in den Anträgen: Es geht nämlich bei vielen Anträgen um die Sicherung des Existenzminimums oder eines Minimums. Da haben die bisherigen Pakete noch Lücken, und diese Lücken müssen dringend gefüllt werden.
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Was uns dabei wichtig ist, ist, dass wir die Grundsicherung zumindest befristet erhöhen, dass wir sagen: Kinder sollen einen um 60 Euro höheren Regelsatz und Erwachsene einen um 100 Euro höheren Regelsatz bekommen; denn in dieser Zeit haben sie besonders starke Probleme. Deswegen brauchen wir jetzt eine Anhebung der Grundsicherung.
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Gleichzeitig wollen wir durch einzelne Maßnahmen dafür sorgen, dass bestimmte Gruppen eben nicht in die Grundsicherung rutschen; im Hinblick auf die Selbstständigen kann ich dem Kollegen Johannes Vogel nur zustimmen. Wir haben dazu gleich zwei Anträge vorgelegt: einen zu Künstlerinnen und Künstlern – wir werden ihn gleich noch beraten –, der andere betrifft die Selbstständigen – wir beraten ihn morgen – und enthält die gleiche Forderung, nämlich, die Hilfspakete bei den Selbstständigen entsprechend zu verbessern, dass auch der Lebensunterhalt gedeckt werden kann, damit die Selbstständigen nicht auf Leistungen vom Jobcenter angewiesen sind. Auch das ist ein wichtiger Punkt.
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In dem vorherigen Tagesordnungspunkt haben wir über Eltern geredet. Der dritte große Baustein ist die Kurzarbeit, von der Millionen Menschen betroffen sein werden, wahrscheinlich heute schon sind; genaue Zahlen haben wir noch nicht. Wir müssen auch da nachbessern. Lieber Matthias Zimmer, die ordnungspolitischen Maßnahmen sind in normalen Zeiten durchaus richtig. Wir befinden uns aber nicht in normalen Zeiten; deswegen brauchen wir hier auch ungewöhnliche Lösungen.
Normalerweise reicht das Kurzarbeitergeld, da die Betroffenen ihre Arbeitszeit in der Regel nicht auf null, sondern nur teilweise reduzieren; dann reichen 60 oder 67 Prozent in den meisten Fällen aus. Das ist jetzt aber nicht so; vielmehr werden viele auf Kurzarbeit null gehen, die Arbeitszeit auf null reduzieren. Es ist wichtig, dass das Existenzminimum gedeckt wird, damit die Menschen nicht wegen Kurzarbeit auf Grundsicherung angewiesen sind.
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Eine Anhebung auf 80 Prozent – das ist wichtig – reicht bei geringen Einkommen nicht aus; da müssen wir auf mindestens 90 Prozent erhöhen.
Nun könnte man, wie das die Linken machen, sagen: Dann erhöhen wir doch für alle auf 90 Prozent . – Diese Lösung überzeugt uns aus zwei Gründen nicht. Erstens nimmt das tatsächlich die Arbeitgeber ein Stück weit aus der Verantwortung; denn sie sind aufgefordert, das Kurzarbeitergeld auf 80, 90 oder am besten auf 100 Prozent – die, die es können – aufzustocken.
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Zweitens. Wir müssen auch die Finanzen im Blick behalten. Wir wissen nicht, wie lange die Krise dauert und welche Maßnahmen aus der Arbeitslosenversicherung noch notwendig sind.
Deswegen schlagen wir Grüne eine zielgenaue Lösung vor. Dazu muss man wissen, dass schon bei einem mittleren Einkommen bei Kurzarbeit null das Kurzarbeitergeld gerade so über dem Grundsicherungsniveau liegt. Das heißt, selbst Menschen mit mittlerem Einkommen brauchen Unterstützung, aber nicht 90 Prozent , sondern da reicht etwas mehr als nach dem heutigen Stand. Aber die unteren Einkommen brauchen starke Unterstützung, eine Aufstockung bis zu 90 Prozent .
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Deswegen ist der Vorschlag, den wir Grüne machen, zielgenau, finanziell die Augen öffnend, nachhaltig und gerecht. Die Bundesregierung sollte noch einmal überlegen, ob die Möglichkeit besteht, in diese Richtung zu gehen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Albert Weiler.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Zuallererst möchte ich mich einmal bei den vielen Menschen bedanken, die das Rad in Deutschland am Rollen gehalten haben, die gerade in dieser harten Zeit Tag für Tag gearbeitet haben, damit wir ordentlich versorgt wurden. Seien es die Lkw-Fahrer, die Verkäuferinnen im Lebensmittelladen, die Dienstleister bis hin zum medizinischen Personal: Vielen Dank an Sie alle für Ihre geleistete Arbeit.
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In den letzten Wochen waren die Bundesregierung und auch das Parlament als Krisenmanager stark gefordert. Ich denke, wir alle haben hierbei einen guten Job gemacht. Dazu gehörte auch, dass von fast allen Seiten einhellig die wichtigsten Maßnahmen im Rekordtempo beschlossen wurden: Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs zum Kurzarbeitergeld, Maßnahmen zur Soforthilfe für Unternehmen, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen, Maßnahmen zur Unterstützung der Solo-Selbstständigen und nicht zuletzt auch Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Außerdem wurden in dieser Zeit viele neue Vorschläge, wie wir diese Krise so gut wie möglich meistern können, aus der Bevölkerung, von allen Seiten in Gremien und Abgeordnetenbüros getragen, was sehr hilfreich war. Die wirklich praktikablen Vorschläge wiederum waren auch gleich mit einer soliden Finanzkalkulation versehen. Das, meine Damen und Herren von den Linken und auch von den Grünen, vermisse ich in Ihren Anträgen zutiefst.
Aber lassen Sie uns die Konsequenzen Ihrer Anträge kurz gedanklich durchspielen. Sie fordern den erheblichen Ausbau des Kurzarbeitergeldes. Das müsste konsequenterweise auch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes I nach sich ziehen, da wohl nur schwer zu vermitteln ist, warum jemand mit 60 Prozent des Nettogehalts durch ALG I auskommen soll und jemand, der Kurzarbeitergeld bezieht, eben nicht. Das bedeutet also mit einem Schlag eine Erhöhung der Haushaltsbelastung um ein Vielfaches und in der Folge auch eine erhöhte Belastung der Beitragszahler.
Wir haben durchgesetzt, dass die Beitragszahler entlastet werden, indem wir den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung reduzieren. Durch Maßnahmen, deren Finanzierung nicht durchdacht ist, wie von Ihnen vorgeschlagen, müssten wir dies gerade wieder umkehren. Gerade in Zeiten einer wieder anzukurbelnden Wirtschaft wäre das absolutes Gift. Das wollen und machen wir nicht.
Es ist schon erstaunlich, wie konsequent Sie den Leistungsgrundsatz ignorieren. Es darf auch der aus Steuermitteln finanzierte Regelbedarf der Sozialhilfe nicht zu einem höheren verfügbaren Einkommen führen als der Einsatz der eigenen Arbeitskraft bei Vollzeitarbeitstätigkeit. Arbeit, meine Damen und Herren, soll und muss sich lohnen. Wenn Lohnersatzleistungen fast genauso hoch sind wie ein normales Einkommen, gibt es keine Anreize, Situationen wie Arbeitslosigkeit zu verändern; auch das wollen wir nicht.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns auch weiterhin einen ganzheitlichen Ansatz, der alle Akteure einschließt, verfolgen. Die Kosten unserer Instrumente sind im Gegensatz zu Ihren Vorschlägen seriös kalkuliert, und viele Maßnahmen laufen bereits heute erfolgreich, wofür die Regierungsparteien auch sehr gelobt werden. Ich würde mir wünschen, dass Ihre Anträge in Zukunft konzeptionell mehr durchdacht und vor allem finanziell untersetzt sind. Dann können wir auch konstruktiv über Ihre Vorschläge diskutieren. Solange das aber nicht der Fall ist, müssen wir die Vorschläge leider ablehnen.
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Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben. Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht der fraktionslose Abgeordnete Uwe Kamann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Vogel, ich habe das gerade richtig verstanden, dass die FDP Kurzarbeiter erster und zweiter Klasse akzeptiert: Kurzarbeiter, die in einem Großkonzern arbeiten, wo das Kurzarbeitergeld aufgestockt wird, denen es gut oder besser geht. Und dann gibt es Kurzarbeiter, die im Mittelstand arbeiten, die bei Kleinunternehmen arbeiten, und die sollen das nicht bekommen, sie sollen den ganz normalen Satz bekommen. Und das finden Sie absolut in Ordnung. Ich fasse es nicht, sorry, ich fasse es nicht.
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Das sind genau diejenigen, die 40 Prozent weniger haben, wo am Ende des Geldes noch ganz viel Monat übrig ist.
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Genau diese Mitarbeiter, diese Kurzarbeiter brauchen mehr Geld; sie können sich weniger nicht leisten.
Kurzarbeit als solches ist überhaupt nicht planbar; das kommt von heute auf morgen. Also ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass das Kurzarbeitergeld aufgestockt wird, und zwar in den ersten sechs Monaten sogar auf 100 Prozent, damit sich die Kurzarbeiter darauf vorbereiten können, damit sie ihre Kosten reduzieren können; das geht nämlich nicht von heute auf morgen. Das können Sie; aber das können viele andere nicht.
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Zusätzlich – das ist kaum angesprochen worden – ist die Abschaffung des Progressionsvorbehalts wichtig. Durch das Kurzarbeitergeld wird die Progression nach oben geschraubt, und damit werden wir eine mittelbare Versteuerung erzeugen. Das bedeutet im Endeffekt, dass das Kurzarbeitergeld nicht netto ist, sondern mittelbar noch zusätzlich versteuert wird. Zusätzlich zu den Hunderttausenden, die jetzt Kurzarbeit beziehen, haben ganz viele zusätzlich den Bedarf, eine Steuererklärung abzugeben, obwohl sie es gar nicht wissen; viele müssen es heute noch gar nicht.
Durch das Kurzarbeitergeld und den Progressionsvorbehalt müssen diese Steuerpflichtigen zukünftig eine Steuererklärung abgeben. Wenn das viele Hunderttausende sind, können Sie sich vorstellen, was auf unsere Finanzämter zukommt. Das sollten wir zumindest während der Coronakrise aussetzen. Das erspart bürokratischen Aufwand, damit werden die fehlenden Steuereinnahmen entsprechend kompensiert, und wir belasten nicht diejenigen, die unter der Krise ohnehin massiv zu leiden haben.
Den Rest des Linkenantrags lehne ich allerdings entschieden ab. Ich kann mit meiner Zwei-Minuten-Redezeit hier nicht ins Detail gehen, nur so viel: Hier zeigt sich wieder der ideologiegetriebene Ansatz, die bösen Unternehmer wollen die Belegschaft und die Gesellschaft ausbeuten, und deshalb müssen sie noch enger an die Kandare genommen werden. – Schade um den Antrag.
Ich appelliere daher an die Regierungskoalition, über die Höhe des Kurzarbeitergeldes und den Progressionsvorbehalt nochmals eingehend zu beraten.
Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Nächster Redner für die Fraktion der SPD ist der Kollege Bernd Rützel.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Wir haben noch nie einen solchen Schock auf dem Arbeitsmarkt gesehen seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Alle Bereiche unseres Lebens und alle Menschen auf der Welt sind von dieser Pandemie betroffen, und trotzdem ist unser Arbeitsmarkt in Deutschland robust und stark und wird nicht ins Bodenlose fallen. Das liegt auch an unserem starken Sozialstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Schauen wir in die USA: Dort haben in vier Wochen 22 Millionen Menschen ihre Jobs verloren. In Großbritannien hat sich die Zahl der Sozialleistungsempfänger versiebenfacht, und Österreich hat die höchste Arbeitslosigkeit seit 1946. Hier in Deutschland bewahrt uns das Kurzarbeitergeld vor solchen Einbrüchen.
725 000 Betriebe haben Kurzarbeit angemeldet. Das bewahrt Millionen Arbeitnehmende vor Arbeitslosigkeit. Und die Bundesagentur für Arbeit macht einen Riesenjob.
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„Der Spiegel“ schreibt dazu:
Wenn es neben den Krankenhäusern eine Einrichtung gibt, die gerade nicht kollabieren darf, dann ist es die Bundesagentur für Arbeit.
Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Agenturen, aber auch in den Jobcentern leisten, ist enorm. Vielen Dank dafür.
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Der Bundestag hat schnell reagiert. Einstimmig haben wir am 13. März das Krisen-Kurzarbeitergeld hier im Eilverfahren beschlossen. Wir müssen die Wirkung unserer Beschlüsse beobachten und auch nachsteuern, wo immer es notwendig ist. Letzte Woche hat unser Bundesarbeitsminister Hubertus Heil verordnet, dass das Kurzarbeitergeld länger und ohne die sonst vorgeschriebenen Sperrzeiten ausgezahlt wird.
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Das hilft vielen Unternehmen, die schon 2019 in Kurzarbeit gehen mussten. Für Beschäftigte haben wir die Zuverdienstmöglichkeit erhöht. Wir tun alles dafür, dass möglichst viele Betriebe gut durch die Krise kommen. Und denjenigen, deren Probleme länger andauern, hilft unser Arbeit-von-morgen-Gesetz, das den Bezug von Kurzarbeitergeld auch bei Teilstörungen des Arbeitsmarktes ermöglicht und die Beschäftigten durch Qualifizierung auf die Arbeit von morgen vorbereitet.
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Ich appelliere an alle Arbeitgebenden, das Kurzarbeitergeld aufzustocken. Viele machen das. Es sind auch in jüngster Zeit neue Tarifverträge hinzugekommen. Dafür vielen Dank. Aber es gibt auch Menschen, deren Kurzarbeitergeld nicht aufgestockt wird. Sie müssen ihre Mieten und ihre Rechnungen auch bezahlen, und zwar über Monate hinweg. Es ist schwer und manchmal fast unmöglich, von 60 Prozent des letzten Lohnes zu leben. Da müssen wir schnell helfen. Mehr Geld in den Taschen der Beschäftigten bewahrt diese Menschen vor der Grundsicherung, hilft den Kommunen, die sonst einen Teil der Unterkunftskosten bezahlen müssten, und unterstützt auch die Wirtschaft, weil dadurch die Nachfrage angekurbelt wird.
Der Bund und die Länder, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Milliardenpakete für die Wirtschaft auf den Weg gebracht. Lasst uns nun die Menschen nicht vergessen, denen wir oft zujubeln und die wir „Helden des Alltags“ nennen!
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Stephan Stracke.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Coronavirus hat unser Land fest im Griff. Es hinterlässt massive Bremsspuren im Gesundheitssystem, in der Gesellschaft und natürlich auch in der Wirtschaft. Nach den letzten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit haben bereits 725 000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet. Wie viele Kurzarbeiter sich hinter dieser Zahl tatsächlich verbergen und wie hoch der Umfang der Kurzarbeit tatsächlich ist, das wissen wir noch nicht. Aber bereits heute dürfte feststehen, dass die Zahl der Kurzarbeiter deutlich über der Spitze von 1,4 Millionen während der Finanzkrise 2008 und 2009 liegen wird.
Der Bezug von Kurzarbeitergeld ist mit spürbaren Einkommenseinbußen für die Beschäftigten verbunden. Viele Arbeitgeber stocken auf, wenn es wirtschaftlich geht; das tun natürlich längst nicht alle. In vielen Bereichen ist dies auch über Tarifverträge organisiert, bei einigen war das im Übrigen auch schon vor der Krise der Fall. Da ist aber sicherlich noch mehr drin.
Die Menschen, deren Kurzarbeitergeld nicht durch betriebliche oder tarifvertragliche Regelungen aufgestockt wird, müssen sehen, wie sie über die Runden kommen. Deswegen habe ich viel Verständnis für das Anliegen, die Einkommenseinbußen während der Kurzarbeit abzumildern – vor allem dann, wenn ein kompletter Arbeitsausfall und niedrige Löhne gegeben sind.
Wir haben zwei zentrale gesetzliche Verbesserungen bereits eingeführt, von denen die Betroffenen profitieren können: Zum einen haben wir die Hinzuverdienstmöglichkeiten neben dem Kurzarbeitergeld erweitert, damit Lohnlücken auch abgefedert werden können. Danach können Kurzarbeiter bis zur Höhe ihres früheren Verdienstes dazuverdienen, wenn sie eine Beschäftigung in einem systemrelevanten Bereich aufnehmen. Künftig bleibt ein Minijob neben dem Kurzarbeitergeld immer anrechnungsfrei. Im Übrigen braucht auch keiner Angst vor der Kündigung der Wohnung zu haben. Wenn der Mietzins nicht bezahlt werden kann, gibt es keine Kündigungen. Es gibt Stundungen bei Verbraucherdarlehensverträgen, Notfall-Kinderzuschlag und vieles mehr. Zum anderen haben wir einen deutlich erleichterten Zugang auf ergänzende Grundsicherung geschaffen – ohne Vermögensprüfung, ohne die Überprüfung von Wohnraum in diesem Bereich.
Eins ist zentral: Eine pauschale Anhebung des Kurzarbeitergeldes führt zur Folgefrage, warum nicht auch das Arbeitslosengeld entsprechend angehoben wird. Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben und auf Arbeitslosengeld angewiesen sind, finanziell schlechterzustellen als Menschen, die in Kurzarbeit sind, ist sicherlich kaum begründbar. Kurzarbeit ist ein Beschäftigungssicherungsinstrument. Es soll Arbeitsplätze erhalten. Völlig überzogene Forderungen vonseiten der Linken, wie sie jetzt wieder auf dem Tisch liegen, beschädigen diese Beschäftigungssicherung und führen letztendlich auch zu mehr Arbeitslosigkeit.
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir zu Verbesserungen kommen, gerade für niedrige Einkommen. Der Koalitionsausschuss tagt dazu. Ich hoffe, dass wir hier zu vernünftigen Lösungen kommen, die Maß und Mitte wahren, eine Balance, die auch nicht überlastet.
In diesem Sinne herzliches Dankeschön.
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Vielen Dank. – Damit ist die Aussprache beendet.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Auch wenn die Zahl der infizierten Menschen in Deutschland erfreulicherweise nicht mehr so stark steigt wie in den letzten Wochen und gerade im Vergleich zu manchen Ländern besser ist, haben wir nach wie vor allen Grund, wachsam zu sein und insbesondere Veranstaltungen wie Konzerte und Sportevents nicht zuzulassen, so leid es uns allen auch tut. Auch Freizeiteinrichtungen müssen wir leider noch geschlossen halten; denn es geht darum, die Schutzbedürftigen in unserer Gesellschaft zu schützen. Deswegen ist das leider erforderlich.
Aber auch die Veranstaltungsbranche wird dadurch vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Deswegen müssen wir hier handeln. Wir müssen die Veranstalter unterstützen, die Musiker, die Sportler, die Künstler und vor allem all diejenigen, die in der Veranstaltungsbranche tätig sind. Deswegen ein herzlicher Dank an Justizministerin Lambrecht dafür, dass sie dieses gute Gesetz, das wir heute hier beraten und das wirklich helfen wird, so schnell auf die Beine gestellt hat.
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Es geht insbesondere darum, dass wir den Veranstaltern die Liquidität erhalten; denn genau diese Finanzmittel brauchen sie jetzt, damit sie Ersatzveranstaltungen organisieren können oder neue Veranstaltungen für das nächste Jahr, um dort die Veranstaltungen, die jetzt leider ausfallen, nachholen zu können.
Was machen wir konkret? Wer wie ich Tickets für die Toten Hosen oder für die Ärzte ergattert hat, der könnte nach heutiger Rechtslage den Kaufpreis zurückfordern und dadurch dafür sorgen, dass bei den Veranstaltern ein erheblicher Abfluss von Liquidität und finanziellen Mitteln erfolgte. Ich würde das nicht machen. Ich freue mich auf das Ersatzkonzert, wenn die Konzerte nicht stattfinden werden. Aber viele könnten das heute zurückfordern. Und genau deshalb müssen wir dieses Gesetz beschließen: damit nicht der Kaufpreis zurückgefordert werden kann, sondern damit es einen Gutschein gibt, der dann im nächsten Jahr oder schon in diesem Jahr für ein Ersatzkonzert oder eine andere Veranstaltung eingelöst werden kann. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme, um die Liquidität der Veranstalter zu erhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Wir regeln also konkret, dass die Tickets, die vor dem 8. März gekauft wurden, nicht vor Januar 2022 gegen den Kaufpreis eingetauscht werden können, sondern dass die Ticketinhaber dafür Gutscheine bekommen, die sie dann nach freier Wahl für das Ersatzevent oder eine andere Veranstaltung einlösen können. Und – uns ganz wichtig – wir brauchen eine Härtefallklausel, damit in den Fällen, in denen es für den Ticketkäufer unzumutbar ist, den Kaufpreis nicht zu bekommen, schon heute der Ticketpreis zurückgefordert werden kann. Da werden wir im parlamentarischen Verfahren sicherlich prüfen müssen, ob wir noch präziser und genauer die Unzumutbarkeit im Gesetz definieren und regeln.
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Wir wollen auch klarstellen, dass die Gutscheine nicht personenbezogen sind, sondern dass sie übertragen werden können. Sicherlich wird uns auch die Frage beschäftigen, ob wir nicht eine Insolvenzsicherung für die Gutscheine brauchen. Auch damit werden wir uns im Gesetzgebungsverfahren beschäftigen.
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Wir helfen also mit diesem Gesetz nicht nur den Veranstaltern, sondern – und das möchte ich ausdrücklich noch mal sagen – auch all den Musikern, Künstlern und Sportlern und all denjenigen, die in der Veranstaltungsbranche tätig sind, ihre Verdienstmöglichkeiten möglichst bald nachzuholen; denn wir wollen eben nicht, dass die Veranstalter pleitegehen. Das wäre nämlich die Folge, wenn wir diesen Gesetzentwurf heute hier nicht einbringen würden. Vielmehr wollen wir insbesondere die lebendige Musikszene mit den vielen Festivals, die wir in Deutschland haben – ob es Wacken ist, Rock am Ring oder viele andere kleine Festivals: für jeden Musikgeschmack gibt es etwas –, erhalten. Für die wollen wir dieses Gesetz machen. Stimmen wir also der Ausschussüberweisung heute zu.
Long Live Rock ʼnʼ Roll.
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der AfD der Kollege Dr. Marc Jongen.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der gegenwärtige Ausnahmezustand, hervorgerufen durch das Coronavirus, erfordert außergewöhnliche Maßnahmen. Die AfD ist bereit, Maßnahmen der Regierung mitzutragen, wenn sie für den gesundheitlichen Schutz der Bürger oder als Nothilfe für die Wirtschaft unabdingbar sind, wenn sie regelmäßig evaluiert werden und vor allem wenn sie zeitlich strikt befristet sind.
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Bei allem aber, worüber wir heute und in diesen Tagen reden, werden wir Sie an eines immer wieder erinnern, werte Regierende: Es ist Ihrem nachlässigen Umgang mit dieser Pandemie in der Anfangsphase zu verdanken, als wir bereits davor gewarnt haben und hier verlacht wurden,
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Ihrem Beschwichtigen und Ihrem Missmanagement, dass jetzt das ganze Land in den Ausnahmezustand geraten ist,
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dass uns seit Wochen elementare Grundrechte entzogen sind, sich Schuldenlöcher von Hunderten Milliarden Euro in den Haushalt fressen und dass viele Wirtschaftstreibende wie auch Kulturschaffende vor dem Ruin stehen, meine Damen und Herren.
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– Ja, Frau Weidel hat das von diesem Pult aus gesagt. Sie haben damals gelacht, Sie lachen heute noch.
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Ich habe hier öfter Gelegenheit gehabt, ideologische Auswüchse im Kulturleben und vor allem in der staatlichen Kulturförderung zu kritisieren. Heute, in dieser Notlage, ist dafür nicht der Platz. Heute gilt es, daran zu erinnern, was für die vielzitierte und zu Recht so genannte Kulturnation Deutschland auf dem Spiel steht. Es geht wirklich an die Substanz. Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes analysiert laufend die Lage und stellt fest: Wegen der Coronamaßnahmen ist für die Kultur- und Kreativbranche insgesamt mit Einbußen zwischen 21,7 und 39,8 Milliarden Euro im „gravierenden Szenario“ zu rechnen.
Zur Einordnung: Der Gesamtumsatz der Branche lag 2018 bei 90 Milliarden Euro, also fast die Hälfte droht hier wegzubrechen. Es geht um Opern- und Konzerthäuser, Theater, Kinos, Museen, Klubs, die alle geschlossen sind oder teils bereits vor der Insolvenz stehen. Es geht um Hunderttausende sogenannte Solo-Selbstständige, Musiklehrer, Instrumentalisten, freie Journalisten, Museumspädagogen, Filmleute, bildende und darstellende Künstler, die von einem Tag auf den anderen ihr gesamtes Einkommen verloren haben, die ihre Miete nicht mehr zahlen können und für die die bisherigen Fördertöpfe übrigens gar nicht greifen, weil diese eben falsch konzipiert worden sind. Für diese Gruppe soll jetzt ein sogenanntes Sozialschutzpaket installiert werden, eine Art Grundsicherung nach dem Muster von Hartz IV.
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Meine Fraktion wird dazu noch einen alternativen Vorschlag einbringen, der die Künstlersozialkasse ins Spiel bringt. Aber vor allem gilt doch eines, meine Damen und Herren: Diese Künstler und Kreativen wollen keine Almosenempfänger sein; sie wollen so bald wie möglich ihre Arbeit wieder ausüben, für die sie brennen.
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Kultur braucht Öffentlichkeit wie die Luft zum Atmen, und es ist doch widersinnig, ja geradezu zynisch, dass wir ihr jetzt aus Angst vor physischen Lungenschäden im übertragenen Sinn die Luft abschneiden und sozusagen das Kulturleben zum Ersticken bringen. Das darf nicht sein.
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Die Koalition hat heute eine Gesetzesänderung eingebracht, wonach – es wurde soeben ausgeführt – der Preis für Eintrittskarten zu Konzerten, Theaterstücken, auch Sportveranstaltungen, die jetzt wegen Corona nicht mehr stattfinden können, von den Veranstaltern nicht zurückgezahlt werden muss, sondern in Form von Gutscheinen vergütet werden kann, die die Kunden dann später einlösen können. Das ist eine durchaus sinnvolle Notmaßnahme, um Akutinsolvenzen zu vermeiden, die wir als AfD-Fraktion im Wesentlichen auch unterstützen. Aber wir müssen doch bitte sehen, dass das nicht viel mehr als Symptombekämpfung ist und dass das Problem damit nur in die Zukunft verschoben wird. Nein, meine Damen und Herren von der Koalition, sorgen Sie bitte dafür, dass all diese Institutionen möglichst bald wieder öffnen dürfen, und das flankiert natürlich von den gebotenen Hygienevorschriften, Abstandsregeln, Schutzmasken usw., damit das Kulturleben wieder Fahrt aufnimmt. Die kulturelle Infrastruktur in Deutschland droht sonst irreparablen Schaden zu nehmen. Es ist vor allem Ihre Politik, die das zu verantworten hat.
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Und wenn das jetzt eine Öffnungdiskussionsorgie war, die Frau Merkel ja verbieten will: Sei es drum; wir müssen uns jetzt in diese Orgie stürzen und diese Diskussion jetzt führen. Denn auch hier gilt wie immer: Die Politik der Alternativlosigkeit führt zu nichts Gutem.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. Jan-Marco Luczak.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Coronavirus hat unser Land fest in der Hand. Auch wenn wir jetzt langsam erfreuliche Zahlen bei den Infizierten bekommen: Die Folgen für die Gesundheit der Menschen sind massiv, auch für die persönliche Freiheit der Menschen, aber eben auch für die Wirtschaft. Diejenigen, die in besonderer Weise unter der Coronapandemie leiden müssen, das sind die Veranstalter von Kulturevents, von Theateraufführungen, von Musikfestivals oder auch von Sportereignissen. Die sind in besonderer Weise, besonders hart davon betroffen. Das gilt für das Festival Wacken Open Air, das gilt für die Bayreuther Festspiele, das gilt aber auch für die Bundesliga. All diese Veranstaltungen mussten abgesagt werden wegen der Kontaktsperren, die wir ergreifen und verhängen mussten, damit wir die Infektionszahlen ein Stück weit runter bekommen.
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Das hat natürlich massive Folgen, nicht nur was die aktuellen Einnahmen anbelangt. Es führt natürlich auch dazu, dass absehbar kein Umsatz mehr gemacht wird. Bis zum 31. August werden Großveranstaltungen verboten sein, und all das, was im öffentlichen Bereich, was in Häusern stattfindet, wird nicht stattfinden können. Deswegen sind viele Veranstalter jetzt in der schwierigen Situation, dass sie vor dem wirtschaftlichen Aus stehen. Wenn jetzt noch hinzukommt, dass die Verbraucher, die Kunden ihre Ticketpreise zurückverlangen – das können sie nach dem aktuellen Recht –, dann wird es sehr schnell so sein, dass viele Veranstalter das Handtuch werfen müssen. Viele werden ins wirtschaftliche Aus gedrängt und müssen Insolvenz anmelden. Die Folge wäre ein wirklich radikaler Kahlschlag im Bereich der Kultur, im Bereich des Sports und auch in der Kunstlandschaft. Unser Anliegen als Große Koalition ist, dass wir das verhindern.
Unser Weg, das zu erreichen, ist die Gutscheinlösung. Der Kollege Fechner hat die wesentlichen Dinge, worum es geht, schon adressiert. Uns geht es darum, dass wir die kulturelle Vielfalt, die sportliche Vielfalt in unserem Land zum einen erhalten und zum anderen aber auch die Kunden, die Verbraucher vor Schaden bewahren. Uns als Unionsfraktion ist bewusst, dass das ein tiefer Eingriff ist. Es ist ordnungspolitisch nicht ganz unproblematisch, dass wir statt der Rückerstattung, die die Kunden normalerweise verlangen könnten, die Möglichkeit eröffnen, einen Gutschein auszureichen,
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der bis zum 31. Dezember 2021 gelten soll und der sich dann in einen Rückerstattungsanspruch umwandeln soll. Das ist ein Eingriff in ein bestehendes Vertragsgefüge. Das ist nicht unproblematisch. Hier muten wir den Menschen schon einiges zu.
Ich finde, die einzige Rechtfertigung für diesen Ansatz ist: Wenn die Verbraucher alle von ihrem Rückerstattungsanspruch Gebrauch machen würden – ich habe das gerade schon erwähnt –, dann würde das zwingend dazu führen, dass viele Veranstalter Insolvenz anmelden müssten. Dann würden die Verbraucher am Ende mit leeren Händen dastehen. Sie hätten dann zwar einen Rückerstattungsanspruch auf dem Papier; sie könnten ihn am Ende aber nicht durchsetzen. Es ist unser Anliegen, dass wir das zeitlich nach hinten schieben, dass wir Luft geben für wirtschaftliche Entwicklung, für wirtschaftliche Entspannung, damit zum einen die Verbraucher am Ende nicht mit leeren Händen dastehen und damit wir zum anderen die vielen Veranstalter im Bereich der Kultur, des Sports und in anderen Freizeiteinrichtungen schützen.
Aber es ist richtig – ich freue mich, dass der Kollege Fechner das erwähnt hat –: Wir müssen im parlamentarischen Verfahren an einigen Dingen noch Veränderungen vornehmen. Die Härtefallregelung war uns als Union besonders wichtig. Wir haben darauf gedrungen, dass diese in das Gesetz aufgenommen wird. Diejenigen Verbraucher, die jetzt aufgrund der Coronakrise selbst in wirtschaftliche Existenznot geraten sind, sollen schon jetzt die Möglichkeit haben, sich die Tickets erstatten zu lassen. Wir wollen sie nicht darauf verweisen, diesen Gutschein nehmen zu müssen. Ich glaube, wir sollten auch im Gesetzestext, nicht nur in der Gesetzesbegründung, die Voraussetzung noch klarer herausarbeiten.
Ein ganz wichtiger Punkt ist: Es wird natürlich viele Menschen geben, die sagen: Ich nehme zwar den Gutschein, aber ich will ihn am Ende nicht einlösen. Ich möchte ihn möglicherweise verkaufen, ihn verschenken. – Die Handelbarkeit, die Übertragbarkeit des Gutscheins müssen wir noch im Gesetzgebungsverfahren regeln.
Unter dem Strich, meine Damen und Herren: Ich glaube, es ist ein schwieriger Kompromiss, es ist aber ein vertretbarer Kompromiss, weil am Ende alle Interessen fair berücksichtigt werden. Deswegen glaube ich, dass wir mit den Änderungen im parlamentarischen Verfahren, die wir noch anstreben, ein gutes Gesetz vorlegen werden. Dafür bitte ich Sie um Unterstützung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Der Kollege Dehm erhält die Gelegenheit zu einer Kurzintervention.
Danke, Herr Präsident. – Herr Luczak, Sie waren so in Fahrt, dass Sie mich nicht bemerkt haben. Ich wollte Sie eigentlich fragen, was Sie davon hielten, wenn die Konzertveranstalter – Sie wissen, dass ich aus diesem Bereich komme – an einen runden Tisch gebeten werden, um mit denen, die in den Fraktionen interessiert sind und Vorerfahrungen haben, deren Sorgen ein bisschen tiefgreifender zu diskutieren.
Ein Konzertveranstalter kam zu mir und sagte: Ihr im Bundestag schafft es, hier mit zwei Meter Abstand oder etwas weniger zu sitzen. Aber auch wir könnten in einem Fußballstadion, das wir für ein Rockkonzert mieten würden, diese Abstände gewährleisten. – Was wäre von dieser Idee zu halten?
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Darüber sollte man auch mit dem Betroffenen diskutieren. Das kann zu sinnvollen Ergebnissen führen. Mit ihnen gemeinsam ist eine Diskussion in diesem Fall besser.
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Lieber Herr Kollege Dehm, ein runder Tisch ist natürlich immer gut. Sie können sich sicher sein, dass wir mit denjenigen gesprochen haben, für die wir jetzt eine Regelung treffen. Aber Sie haben natürlich recht: Ein Konzert hat ganz andere Voraussetzungen als – ich darf den Kollegen Fechner zitieren – „Long Live Rock ʼnʼ Roll“. Ich stelle mir einmal Wacken Open Air vor und wie man dort Abstandsregelungen einhalten will, wenn dort alle gemeinsam Headbanging machen wollen. Ich glaube, es wäre etwas schwierig, das zu gestalten. Deswegen haben wir versucht, eine Regelung zu finden, die zumindest allen verschiedenen Branchen, allen verschiedenen Sparten gerecht wird. Natürlich gibt es im Einzelfall immer auch Möglichkeiten, es anders zu gestalten. Die Möglichkeit, Gutscheine auszureichen, schließt nicht aus, dass man andere Lösungen findet. Wir wollen die Veranstalter insgesamt vor der Insolvenz bewahren. Es gibt auch viele, die das nicht können. Das ist ein richtiger Ansatz. Deswegen können wir trotzdem miteinander reden.
Vielen Dank. – Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort für die Fraktion der FDP hat der Kollege Dr. Jürgen Martens.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, wir machen uns Sorgen um die Veranstalter, um die Kulturschaffenden, die von diesem Gesetz, wie es die Bundesregierung meint, profitieren sollen. Herr Fechner hat gesagt, es sei ein gutes Gesetz, es ist ein Gutscheingesetz. Ein anderer meinte, es ist ein gutes Scheingesetz, meine Damen und Herren.
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Einer der Grundsätze unseres Zivilrechts lautet: Leistung wird getauscht gegen Leistung. In diesen Fällen ist jemand bereits in Vorleistung getreten, nämlich der Kunde beim Kauf von Tickets. Er hat dem Veranstalter ein Darlehen gegeben. Jetzt kommt dazu, dass er den Anspruch auf die Leistung verlieren soll, weil Veranstaltungen abgesagt werden. Das kann man nachvollziehen. Aber was passiert stattdessen? Sein Rückzahlungsanspruch wird in ein Zwangsdarlehen umgewandelt, obwohl er bereits in Vorleistung getreten ist. Herr Luczak hat selbst gesagt, es sei rechtspolitisch bedenklich.
Meine Damen und Herren, wir halten dies für rechtspolitisch kaum erträglich, zumal es andere Wege gibt, den Veranstaltern tatsächlich wirtschaftlich zu helfen und Insolvenzen zu vermeiden. Das tut dieses Gesetz nämlich nicht.
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Dieser Gutschein, meine Damen und Herren, ist befristet bis zum 31. Dezember 2021. Spätestens dann, ab 1. Januar 2022, muss gezahlt werden von den Veranstaltern, jedenfalls von denen, die bis dahin nicht in Insolvenz geraten sind. Dann wird der geneigte Kunde feststellen, dass diese Gutscheine praktisch wertlos geworden sind; denn sie sind in keiner Weise besichert, und sie sind auch nicht insolvenzfest. Dann wird der Kunde feststellen, was es bedeutet, eine kleine Forderung bei einem Insolvenzverwalter geltend zu machen, und vor allem, wie lange es dauert und was dabei herauskommt. Man mag es als bittere Ironie empfinden, aber dieses Fälligkeitsdatum liegt zufälligerweise erst nach der nächsten Bundestagswahl. Ich will aber nicht unterstellen, dass das hier irgendeiner beabsichtigt.
Wir haben eine andere Vorstellung. Wir möchten, dass die Zwangsgutscheine nicht verteilt werden. Die Kommission übrigens hat im Bereich des Reiserechts klar und deutlich erkannt, dass sie Zwangsgutscheinen nicht zustimmen wird. Wir wollen es auch nicht. Wir wollen, dass wir die Verbraucher fair behandeln. Wir wollen zugleich, dass die Unternehmer, die Veranstalter eine reale Chance haben, der Insolvenz zu entgehen, indem wir nämlich den Wirtschaftsstabilisierungsfonds auch für solche Unternehmen öffnen, die im Bereich der Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft tätig sind.
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Das wäre eine Lösung, mit der die sich hier auftuenden Schieflagen vermieden werden könnten und in der auch die Verbraucher sich nicht hinters Licht geführt, sondern fair behandelt fühlen würden.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Simone Barrientos.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Moment erreichen uns und auch meine Kolleginnen und Kollegen im Minutentakt Hilferufe aus der Kultur-, Medien- und Kreativbranche. Den Versprechungen der Bundesregierung, dass niemand vergessen werden wird, folgten Maßnahmen, die sich jetzt zu Teilen als ungeeignet und unzureichend herausgestellt haben. Entstanden ist ein undurchschaubarer Flickenteppich von Bundes- und Ländermaßnahmen. Verunsicherung und auch Ungerechtigkeit sind die Folgen. Wir können mit den Kulturschaffenden nicht Russisch Roulette spielen. Es darf nicht Glückssache sein, dass man etwas bekommt.
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Die einzige Antwort in dieser Sitzungswoche aus der Koalition ist der Entwurf zur Gutscheinregelung. Dass wir hier trotzdem eine Debatte zur Lage der Kreativen führen, das ist der demokratischen Opposition zu danken, die Anträge dazu vorgelegt hat. Wir Linke fordern in unseren Anträgen die Coronahilfe an die Lebens- und Arbeitswirklichkeit der Kulturschaffenden anzupassen und Medienvielfalt und Journalismus zu schützen.
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Wir orientieren uns mit unseren Forderungen an denen der Betroffenen. Die sind die Expertinnen und Experten. Die Verbände aller Sparten, allen voran der Deutsche Kulturrat, belegen ihre Forderungen mit Zahlen, mit Fallbeispielen, mit Fakten. Sie belegen, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft eben nicht eine Branche wie jede andere ist. Nicht nur die betroffenen Künstlerinnen und Künstler, sondern auch zum Beispiel Schausteller, Vermieterinnen und Vermieter von Veranstaltungstechnik, Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker, Journalistinnen und Journalisten, selbst Solo-Selbstständige jeder Couleur, also alle, die in irgendeiner Form davon leben, dass Veranstaltungen, ob in Klubs, in Theatern, in soziokulturellen Zentren, dass Märkte, Festivals, Stadtfeste usw. usf. stattfinden, waren die Ersten, die von den notwendigen Einschränkungen wegen der Pandemie betroffen waren. Und sie werden vermutlich die Letzten sein, für die es eine Normalisierung geben wird. Es kann aber nicht sein, dass die Letzten die Hunde beißen. Es kann nicht sein, dass sie in der Grundsicherung landen.
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In diesem Punkt sind wir uns erfreulicherweise sehr einig – das hat sich heute im Kulturausschuss gezeigt –: Natürlich braucht es auch geeignete Maßnahmen zum Erhalt der kulturellen Infrastruktur. Kredite und Stundungen sind nachweislich zu oft nicht geeignet. Aber jede verlorene Spielstätte bedeutet, dass es langfristig weniger Arbeitsmöglichkeiten für Künstlerinnen und Künstler gibt. Und ja, Kultur ist systemrelevant. Medien sind systemrelevant. Das Problem ist aber, dass ausgerechnet diese Gruppe, die so besondere demokratierelevante Arbeit leistet, nach kürzester Zeit am Limit ist. Dieses Problem ist systemimmanent. Der Fehler liegt im System.
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Kulturförderung nimmt immer schon die Selbstausbeutung der Kulturschaffenden billigend in Kauf. Es braucht Vergabekriterien, die soziale Aspekte beinhalten. Wir brauchen Lösungen für die soziale Absicherung von Solo-Selbstständigen. Wir brauchen Mindesthonorare und Mindestgagen. Die Branche braucht nicht nur Applaus. Sie verdient Respekt.
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Es liegen viele wirklich gute Vorschläge auf dem Tisch; wir werden sie im Ausschuss diskutieren. Bitte nehmen Sie sie nicht nur zur Kenntnis! Bitte machen Sie was draus!
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Tabea Rößner.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen geht es gerade ziemlich schlecht: keine Veranstaltungen, keine Einnahmen. Viele Ticketinhaber unterstützen deshalb bereits jetzt ihr Festival, ihr Theater oder ihren Marathon-Veranstalter, indem sie einen Gutschein statt einer Rückerstattung des Ticketpreises akzeptieren oder sogar ganz darauf verzichten. So bekunden sie ihre Solidarität, und das ist toll. Diese Freiwilligkeit sollten wir unterstützen.
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Die Koalition will aber alle Menschen verpflichten, Gutscheine anzunehmen. Das wird der individuellen Situation von Verbrauchern und Unternehmen nicht gerecht. Auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind hart von der Krise getroffen und auf jeden Euro angewiesen. In Ihrem Gesetzentwurf sehen Sie eine Härtefallklausel für den Fall vor, dass die Annahme eines Gutscheins für Verbraucher unzumutbar ist. Was aber ist „unzumutbar“? Das ist total unklar. Daher brauchen wir Regelbeispiele: zum Beispiel von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit Betroffene. Schülerinnen und Schüler, Studierende oder Azubis müssen pauschal ausgenommen bleiben. Denn die brauchen ebenfalls unsere Unterstützung.
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Und was ist, wenn das Unternehmen pleitegeht? Dann ist der Gutschein wertlos. Deshalb müssen Sie diese Zwangsgutscheine gegen Insolvenz absichern. Die Rettung der Unternehmen darf nicht einseitig auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher gehen.
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Sie unterscheiden auch nicht nach Art und Größe des Veranstalters. So besteht natürlich die Gefahr, dass alle Unternehmen, egal ob groß oder klein, ihre Kunden mit Gutscheinen abspeisen, unabhängig davon, ob dies für das Überleben des Unternehmens notwendig ist. Daher sollten nur Unternehmen unter die Regelung fallen, die wirklich nicht in der Lage sind, Erstattungsansprüche auszuzahlen.
Wir halten freiwillige Lösungen für den besseren Weg. Um es mit den Worten einer Betroffenen aus der Klubszene zu sagen – Zitat –: Gutscheinpflicht ist Mist. – Wir brauchen also statt eines zinslosen Zwangskredits ausgewogene und gerechte Lösungen.
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Das ist Ihr Vorschlag nicht. Im Gegenteil: Die geplante Regelung könnte sogar nach hinten losgehen, wenn nämlich die Kultur- und Sportinteressierten in Zukunft beim Kauf von Tickets zurückhaltend sind. Das befürchten übrigens auch viele Veranstalter. Ein verlorenes Vertrauen wäre langfristig ein weitaus größerer Schaden für die Branche, und den gilt es wirklich dringend abzuwenden.
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Wir Grüne wollen die vielfältige Kulturlandschaft natürlich auch retten. Deshalb fordern wir einen Kulturrettungsfonds, der mit Direktzahlungen Kulturschaffende und Veranstalterinnen und Veranstalter zielgenau unterstützt. Kredite gehen an der Lebensrealität der Branche vorbei.
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Es ist schon unverzeihlich, wie wenig Engagement die Kulturstaatsministerin bei direkten Hilfen für Kultureinrichtungen zeigt.
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Unsere Vorschläge anzunehmen, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Machen Sie diesen Schritt, Frau Staatsministerin!
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Lassen Sie uns also an Lösungen arbeiten, mit denen wir gerecht, gemeinsam und solidarisch diese Krise bewältigen können!
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Als Nächstes spricht für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Elisabeth Motschmann.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein ganz großer Dank: Wirtschaftspolitiker, Justiz und Verbraucherschützer haben mit den Kulturpolitikern gemeinsam diese Lösung mit den Gutscheinen gefunden, und das ist gut so. Danke!
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Im Kulturbereich – auch das will ich ausdrücklich sagen – war es Monika Grütters, die an der Spitze all die vielen Hilfsmöglichkeiten für Kulturschaffende erkämpft hat, und das bereitet ihr inzwischen schlaflose Nächte.
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Dass sie nicht kämpft, liebe Frau Rößner, das stimmt nicht.
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Die Lösung mit den Gutscheinen, die wir gefunden haben, stabilisiert die vielen Veranstalter, insbesondere – und das liegt mir am Herzen – die kleineren Kultur- und Konzertveranstalter. Wir rechnen übrigens inzwischen – ich habe vorhin noch mal mit dem Chef des Verbandes der Veranstalter gesprochen – mit 160 000 ausgefallenen Veranstaltungen, und wir reden über einen Schaden von 4 Milliarden Euro. Das muss man erst einmal verkraften.
Bis Ende 2021 können nun diese Konzerte oder Veranstaltungen – wo auch immer – nachgeholt werden. Erst wenn das nicht klappt, müssen die bereits gekauften Karten zurückerstattet werden. Das setzt allerdings voraus – und das ist wichtig –, dass auch diejenigen, die auf der Bühne stehen, in dieser schwierigen Zeit über die Runden kommen. Es ist gut, dass die Künstlerinnen und Künstler in den Coronahilfspaketen berücksichtigt wurden. Das ist alles keine Selbstverständlichkeit – und doch so wichtig.
In staatlichen Kulturinstitutionen greift das Instrument der Kurzarbeit. Davon träumen manche selbstständigen Künstler. Für die Solo-Selbstständigen haben wir ein Sozialschutzpaket auf den Weg gebracht; auch das hilft. Aber: Das ganz große Problem ist für uns, dass nur ein kleiner Teil aus der Kulturszene von dem Programm der Solo-Selbstständigen profitiert. Künstler haben in der Regel keine Betriebskosten. Künstler haben großes Talent. Die wenigsten haben aber Probenräume, Studios oder Mitarbeiter, und Reisekosten haben sie aktuell erst recht nicht.
Das hat dramatische Folgen. Ich will Ihnen eine Folge nennen: Viele freie Orchester sind ohne ihre selbstständigen Musiker ernsthaft bedroht. Ich rede von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, vom Freiburger Barockorchester, vom Ensemble Modern in Frankfurt, vom Mahler Chamber Orchestra. Ihr kennt sie alle: Botschafter in der Welt! Ihren Musikern und vielen anderen Künstlern bleibt zurzeit nur der erleichterte Zugang zur Grundsicherung. Keine Bühnen, kein Auftritt, keine Gagen: Das bedeutet 100 Prozent Einnahmeausfall, und das mindestens bis zum 31. August, wahrscheinlich sogar länger. Wir sprechen hier von Existenzen vieler Musiker, Schauspieler, Sänger, Filmschaffender, Bühnentechniker und Kreativer.
Natürlich freuen wir uns über die Programme der einzelnen Bundesländer, die zusätzlich aufgesetzt wurden. Ich appelliere aber an die Kultusministerkonferenz: Einheitliche Hilfe statt Förderflickenteppich! Bayern ist ein gutes Beispiel: Hier gibt es zusätzlich für die Künstler monatlich 1 000 Euro für drei Monate.
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Großartig! Ihr könnt von Bayern lernen.
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– Das ist natürlich richtig.
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ARD und ZDF haben Liquiditätshilfen für Filmproduzenten bereitgestellt. Aber da geht noch mehr im Hinblick auf Ausfallhonorare. Übrigens könnten Ausfallhonorare im Zusammenhang mit den vielen Kirchenkonzerten – darüber hat noch niemand geredet – von den Kirchen bezahlt werden. Da wäre die Kirchensteuer gut aufgehoben.
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Alle Maßnahmen und Programme – ich höre gleich auf, Herr Präsident – müssen wir weiter überprüfen und nachschärfen. Das hat die Staatsministerin versprochen, und das tut sie auch. Unsere lebendige Kulturlandschaft müssen wir erhalten. Die Kreativität unserer Künstler erfordert jetzt politische Kreativität. Kultur ist ein entscheidender Standortfaktor. In dieser Zeit des Kulturverzichts, unter dem wir alle leiden, wird deutlich, wie systemrelevant die Kultur in unserem Land ist.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Martin Rabanus.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich kann da weitermachen, wo Frau Motschmann aufgehört hat. Tatsächlich: Kunst, Kultur und Medien sind systemrelevant. Wir müssen dafür sorgen, dass die Kultur- und Medienschaffenden gut durch diese Krise kommen, und wir müssen dafür sorgen, dass die kulturelle Infrastruktur in unserem Land nicht kaputtgeht. Die Debatte heute zeigt – das ist die gute Nachricht –: Das ist uns allen hier im Hause klar.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir einen weiteren Baustein gegen die finanziellen Auswirkungen der Coronapandemie, gerade auch im Bereich der Kultur. Die Erlaubnis, Gutscheine für bereits gekaufte Tickets auszugeben, gibt den Veranstaltern ein Stück weit Planungssicherheit und Liquidität. Das ist gut so. Aber genauso gut ist es – das ist von vielen benannt worden –, dass auch die Verbraucherrechte gewahrt bleiben, und zwar dadurch, dass eine Erstattung geleistet werden muss, wenn es die persönliche Lebenssituation erfordert.
Diese Lösung ergänzt Programme und Hilfen, die wir bereits beschlossen haben – ich will sie gerade in der Debatte um die Kulturpolitik noch einmal benennen –: Natürlich kommen auch die Coronasoforthilfen, die mit Zuschüssen für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen helfen, der Kultur zugute. Natürlich ist es auch so, dass die Ausweitung des Kurzarbeitergelds, die Liquiditätshilfen auf Darlehensbasis und andere Maßnahmen auch den Kulturbetrieben nutzen. Und natürlich ist es auch so, dass der erleichterte Zugang zur Grundsicherung de facto wie eine Art Coronagrundeinkommen auch für Kulturschaffende wirkt.
Aber wir haben von Anfang an gesagt: Wir werden die Maßnahmen zu überprüfen und zu evaluieren haben, und wir werden immer wieder dort nachzuschärfen haben, wo es nötig ist. Ich will dafür zwei Beispiele nennen:
Ein erstes Beispiel ist das bereits genannte Programm für Solo-Selbstständige. Kulturschaffende sind formal ganz oft keine Solo-Selbstständigen und sind doch in durchaus vergleichbaren Lebenssituationen. Ich glaube, dass es wichtig ist, klarzustellen, dass und in welchem Umfang auch Kulturschaffende Möglichkeiten haben, an diesem Programm zu partizipieren.
Ein zweites Beispiel. Kulturschaffende – das hat Kollegin Barrientos angedeutet – sind ganz oft nicht in Regelarbeitsverhältnissen, sondern in ganz unterschiedlichen Beschäftigungssituationen: unständig Beschäftigte, unstetige Beschäftigungsverhältnisse mit schlechten, unzureichenden, nicht gut ausgebauten sozialen Sicherungssystemen. Corona ist dafür nicht der Grund, aber es wird mit aller Deutlichkeit klar, dass wir an dieser Stelle Dinge neu zu organisieren haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind nur zwei Punkte von denjenigen, die uns beschäftigen, die uns in den vergangenen Wochen beschäftigt haben und uns in den nächsten Wochen weiter intensiv beschäftigen werden. Das Wichtige ist: Kulturschaffende in Deutschland können sich sicher sein, dass die SPD-Bundestagsfraktion, dass diese Koalition die Kulturschaffenden und die Kultur in Deutschland nicht aus dem Blick verliert.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Volker Ullrich für die Fraktion der CDU/CSU.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir weder im Konzertsaal noch im Kino oder in der Oper Kunst und Kultur genießen können, merken wir erst, was uns fehlt. Auch wenn viele Künstlerinnen und Künstler durch Videostreams und andere Formate tollen Ersatz schaffen, so merken wir doch, dass das unmittelbare Erfahren des Wirkens von Kulturschaffenden durch nichts zu ersetzen ist. Deswegen müssen wir als Kulturnation auch Künstlerinnen und Künstlern, Veranstaltern und Sportvereinen unter die Arme greifen.
Das, was wir heute als kulturelles Rettungspaket vorschlagen, ist sicherlich juristisch keine leichte Kost. Im Bürgerlichen Gesetzbuch gilt der Grundsatz, dass, wenn eine Leistung unmöglich gemacht wird oder unmöglich ist, Wertersatz in Geld zu leisten ist. Aber wir müssen auch sehen, dass wir im Augenblick gerade für die Kultur- und Veranstaltungsszene eigentlich die Figur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im gesellschaftlichen Maßstab haben.
Vor dem Hintergrund, dass es hier, übrigens anders als im auch diskutierten Urlaubsbereich, um eher mittelgroße Beträge geht – 30, 40, 80, 120 Euro –, ist es vielleicht im Ergebnis zumutbar, dass Kulturschaffende im Augenblick überall dort, wo es möglich ist, Gutscheine ausreichen. Dadurch möchten wir die Liquidität und damit die Existenzgrundlage der Kulturschaffenden retten; denn es ist den Kulturschaffenden im Augenblick nicht möglich, das, was sie für ausgefallene Veranstaltungen zahlen müssen, über ihre Einnahmen zu finanzieren. Und im Augenblick ist es noch nicht absehbar, wann es wieder weitergeht. Deswegen wird jeder, der einen Gutschein in Anspruch nimmt, auch ein Stück weit dazu beitragen, dass wir die vielfältige kulturelle und sportliche Landschaft in Deutschland erhalten können.
Klar ist aber auch, dass dieser Eingriff in die Vertragsfreiheit beschränkt sein muss und dass er von uns auch gut begründet werden muss. Das bedeutet, dass wir ganz strenge rechtliche Voraussetzungen an diese Gutscheinlösung anlegen müssen. Das bedeutet für mich erstens, dass diese Lösung natürlich zeitlich befristet sein muss, und zweitens muss es sich typischerweise um kleinere oder mittlere Beträge handeln.
Klar muss auch sein, dass wir eine taugliche Härtefallregelung brauchen, damit nicht jeder Veranstalter mit dem Einwand, das sei ja gar kein Härtefall, die Zahlung verweigern kann, sondern die Menschen, die jetzt auch kleine Beträge brauchen, diese auch bekommen. Und letztlich muss auch klar sein, dass wir eine Art Insolvenzschutz brauchen, weil niemandem geholfen ist, wenn am Ende des Tages auch der Gutschein ausfällt. Ich glaube, da brauchen wir eine pragmatische gesamtwirtschaftliche Lösung.
Insgesamt ist wichtig, dass wir mit diesem Gesetz klar- und deutlich machen, dass wir auch in der Krise eine Kulturnation sind und eine solche bleiben werden.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen wird vielfach der europäische Zusammenhalt beschworen. Der Ausbruch des Coronavirus verdeutlicht wieder einmal die vielen Hürden, die wir auf dem Weg zu einer wirklich solidarischen EU noch überwinden müssen. Wir dürfen aber trotz und gerade angesichts der Coronapandemie die Schwächsten nicht vergessen:
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weder die Menschen, die weiter vor dem Bürgerkrieg in Libyen über das Mittelmeer fliehen, noch die Menschen, die auf europäischem Boden unter katastrophalen Bedingungen leben müssen und diesem Virus nahezu schutzlos ausgeliefert sind. Es ist unsere Pflicht, dort zu helfen, wo wir es können, dort miteinander solidarisch zu sein, wo wir es können.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Umgang mit Geflüchteten in Europa ist für die Frage der Solidarität exemplarisch. Es braucht eine Überwindung des Dublin-Systems, weil es unfair ist, weil es Staaten wie Griechenland und Italien alleinlässt, weil es andere Mitgliedstaaten aus ihrer Verantwortung entlässt und weil es die Aufnahme und faire Verteilung von Geflüchteten zu einem Akt der Großzügigkeit verkommen lässt.
Trotzdem und obwohl wir spätestens seit 2015 wissen, dass dieses System nicht funktioniert und schon gar nicht krisenfest ist, hat sich unsere Bundesregierung bis heute nicht durchringen können, es aufzugeben.
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Im Gegenteil: Sie hat ihr Heil im EU-Türkei-Deal gesucht und darauf vertraut, dass er ewig hält. Das Ende vom Lied kennen wir. Sie haben sich nicht darum bemüht, eine gemeinsame, dauerhafte europäische Lösung hinzubekommen. Das zeigen auch die neuesten Vorschläge der Bundesregierung, künftig Vorprüfungen an Außengrenzen durchzuführen. Das beseitigt nicht die Fehler des Systems, sondern das verstärkt sie, das manifestiert sie doch erst.
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Genau deshalb haben wir einen Vorschlag vorgelegt, der eine echte Verantwortungsteilung vorsieht, und zwar nicht nur bei der Aufnahme und Erstversorgung, sondern auch bei der Verteilung, der Durchführung von Asylverfahren und bei der Integration.
Meine Damen und Herren, wie wichtig eine Reform ist, kann man dieser Tage auf den griechischen Inseln und an den katastrophalen Zuständen in den dortigen Hotspots sehen. Die Gefahr der Ausbreitung des Virus verschärft die Situation dort zusätzlich. Menschen haben nicht die Möglichkeit, sich meterweit entfernt voneinander hinzusetzen, wenn sie etwas zu essen bekommen oder die sanitären Einrichtungen nutzen möchten. Sie haben nicht die Möglichkeit, sich nach jedem Kontakt die Hände zu waschen, wenn es in den Lagern die meiste Zeit kein fließendes Wasser gibt.
Dass die EU-Mitgliedstaaten vor diesem Hintergrund um die Rettung von knapp 1 500 Kindern ein so langes Tauziehen veranstalten, ist beschämend. Man kann es nicht anders sagen.
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Dass Deutschland nach vier Monaten Diskussion knapp 50 Kinder aufnimmt, ist leider mindestens genauso beschämend.
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Ich möchte nicht falsch verstanden werden – das kommt ja auch ab und zu vor –: Jedes Kind, das dem Leben in den Lagern entkommen und in Deutschland Schutz finden kann, ist eine gute Nachricht und ein Grund zur Freude, aber leider ändert das an der Dramatik vor Ort überhaupt nichts. Das ist das Grundproblem.
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Ich gehe davon aus, dass der Redner der CDU/CSU, Herr Frei, oder auch das Bundesinnenministerium gleich wieder aufzählen wird, wie viel Deutschland tut und dass eigentlich nicht wir schuld sind an der Situation, sondern irgendwer anders, nur nicht wir: Griechenland, das sich nicht helfen lassen möchte, oder der UNHCR, den Sie dafür verantwortlich machen, dass noch nicht mehr Menschen für eine Verteilung nach Deutschland ausgewählt wurden. Dabei sind es die Konditionen Ihres Programmes, die nicht zu den Bedarfen vor Ort passen.
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Ich werde es mit Blick auf die letzten Monate noch einmal sehr deutlich formulieren: Hören Sie auf, sich hinter anderen zu verstecken oder es als Solidarität zu verkaufen, dass Sie nur gemeinsam mit anderen Staaten aktiv werden wollen! Denn momentan ist jeder Tag entscheidend, und danach sollten Sie handeln.
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Wenn Sie dauerhaft wirklich solidarisch sein wollen, dann befassen Sie sich mit unserem Antrag. Dort steht, wie es gehen kann.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Sie wurden ja schon angekündigt, Herr Frei. Sie sind für die Fraktion der CDU/CSU der nächste Redner.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Unionsfraktion ist klar: Wir stehen zu der Entscheidung der Koalition vom 8. März, dass wir als Deutschland uns im europäischen Kontext auch als Zeichen einer humanitären Geste daran beteiligen, dass kranke, minderjährige Kinder auch nach Deutschland kommen können.
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Wir sind damit am vergangenen Samstag gestartet.
Es ist aber durchaus richtig – Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, Frau Kollegin Amtsberg, dass damit strukturell vor Ort nichts verbessert wird –, sich darüber Gedanken zu machen, wie wir ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem auf eine neue Qualitätsstufe heben können. Da gibt es in der Tat große Dysfunktionalitäten. Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen.
Erstens. Im Jahr 2018 sind 75 Prozent aller Schutzanträge in nur fünf europäischen Staaten gestellt worden. Proportional zur Einwohnerzahl betrachtet bedeutet das im Klartext, dass sich die Belastungen in den Mitgliedstaaten um mehr als das 300-Fache unterscheiden.
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Was bedeutet diese Asymmetrie für Deutschland? Deutschland hat seit 2015 1,8 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Das entspricht mehr als 41 Prozent aller Asylanträge in der Europäischen Union. Alleine im Jahr 2016 hat Deutschland mehr Asylbewerber aufgenommen als alle anderen 27 europäischen Staaten zusammen.
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Das sollte man vielleicht einfach mal klarstellen.
Auch die Behauptung, Frau Amtsberg, die Sie heute wiederholt haben, nämlich dass Deutschland bis 2015 mit anderen europäischen Staaten bei der Bewältigung der Migrationsherausforderung unsolidarisch gewesen ist, ist eine falsche Behauptung, und sie wird durch ständige Wiederholung nicht besser.
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Ich will Ihnen die Fakten nennen: Seit 2010 hat Deutschland jedes Jahr mehr Asylbewerber aufgenommen, als Deutschland anteilig an der Bevölkerungszahl zugekommen wären. Italien – um ein Gegenbeispiel zu nennen – hat das exakt zweimal gemacht, und zwar in den Jahren 2011 und 2017. In den übrigen Jahren waren die Aufnahmezahlen teilweise eklatant unterdurchschnittlich. Das sind die Fakten, die man in diesem Zusammenhang auch zur Kenntnis nehmen sollte.
Der zweite Punkt. Ja, das europäische Zuständigkeitszuschreibungssystem Dublin ist in der bisherigen Ausformung gescheitert; das kann man nicht anders formulieren. Es ist tatsächlich so, dass es vor allen Dingen bürokratische Hindernisse gibt und die Verfahren verlängert werden. Schauen wir uns die Zahlen an: In ganz Europa sind nur etwa 3 Prozent der Asylbewerber tatsächlich in das Ursprungs- bzw. Zuständigkeitsland zurückgeführt worden. Auch für Deutschland war das nichts anderes als ein großes Nullsummenspiel. Wir haben genauso viele Dublin-Überstellungen veranlasst, wie wir von anderen europäischen Staaten nach Deutschland bekommen haben. Es hat also nichts gebracht.
Deswegen ist es richtig, wenn wir uns jetzt darüber Gedanken machen, wie man das weiterentwickeln kann. Wir rufen die Europäische Kommission auf, jetzt entsprechende Vorschläge auf den Tisch zu legen. Denn die deutsche Bundesregierung hat das bereits getan. Bundesinnenminister Seehofer hat mehrfach Anlauf genommen, um das Gemeinsame Europäische Asylsystem vorwärtszubringen. Erst vor wenigen Tagen hat er gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, Italien und Spanien einen Brief an die zuständigen Kommissare geschrieben. Wir haben das große Ziel, dass es vorwärtsgeht. Wir wollen jetzt etwas vorbereiten, das wir in der zweiten Jahreshälfte unter deutscher Ratspräsidentschaft tatsächlich zum Erfolg führen können.
Ich will an der Stelle aber auch sagen: Bei der Beurteilung der Vorschläge werden wir uns natürlich davon leiten lassen müssen, ob das im Ergebnis zu mehr oder zu weniger Asylanträgen in Deutschland führt. Denklogisch kann das nur zwei Konsequenzen haben: Zum einen brauchen wir eine solidarische Verteilung von Asylbewerbern in Europa, und zum anderen brauchen wir ein Zuständigkeitszuschreibungssystem, also ein Dublin-Nachfolgesystem, das irreguläre Migration nach Europa verhindert, das ein klares Schutzangebot für diejenigen bietet, die verfolgt sind, und an alle anderen die klare Botschaft sendet: Es gibt kein Bleiberecht in Europa; macht euch nicht auf den gefährlichen Weg hierher!
Wenn man das will – jetzt komme ich zu den Anträgen, die Linke und Grüne hier gestellt haben –, dann muss das aus meiner Sicht auf vier wesentlichen Säulen beruhen:
Erstens. Die Verteilung der Asylbewerber muss nach dem Zufallsprinzip erfolgen. Wenn sie sich aussuchen dürfen, wo sie hinkommen, wenn ein erweiterter Familienbegriff zugrunde gelegt wird, dann bedeutet das, dass die 1,8 Millionen Asylbewerber seit 2015 sich in Ankerpersonen verwandeln, die neuen Nachzug und neue Antragsteller nach sich ziehen.
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Zweitens kommt es darauf an, dass ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem auf einem effektiven Außengrenzschutz basiert und die Asylverfahren im Wesentlichen an den Außengrenzen stattfinden. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir Sogeffekte reduzieren und dass wir nicht Menschen durch Europa bringen, die gar keine Bleibeperspektive haben.
Zum Dritten brauchen wir Staaten der ewigen Zuständigkeit.
Und viertens dürfen nur in den Staaten, die die ewige Zuständigkeit haben, entsprechende Leistungen – Unterbringungs- oder sonstige Leistungen – gewährt werden. Das ist notwendig, um Sekundärmigration zu begrenzen.
Das sind die Voraussetzungen für ein erfolgreiches, realistisches Gemeinsames Europäisches Asylsystem.
Und jetzt müssen Sie zum Schluss kommen.
Ich komme zum Ende, Herr Präsident. – Das sind die Voraussetzungen. Wer wissen will, wie es nicht geht, der muss die Anträge von Grünen und Linken lesen.
Danke schön.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Dr. Bernd Baumann.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen wollen einen sogenannten Neuanfang in der europäischen Flüchtlingspolitik. Das ist eigentlich eine gute Idee. Aber was ist denn hier das Neue? Letztlich bedeutet Ihr Antrag, dem weltweiten Migrationsdruck einfach nachzugeben, Millionen Menschen in Europa aufzunehmen. Dafür soll die EU viele neue sogenannte Registrierungszentren schaffen. Dann soll die EU von Brüssel aus alle Mitgliedstaaten letztlich mit Strafen zwingen, diese Migranten aufzunehmen. Dafür gibt es eine neue EU-Asylagentur. Und dann sollen alle Migranten überall gut versorgt werden – auf dem Niveau der Einheimischen. Dafür gibt es den neuen EU-Asylfonds und die EU-Grundrechte-Agentur.
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Was soll an diesem Konzept neu sein? Daran ist nichts neu. Das ist der alte links-grüne Einwanderungsfanatismus, mit dem Sie unser Land seit Jahren schon traktieren,
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technokratisch ein bisschen aufgepeppt, aber immer noch der alte, abgestandene Geist der 68er, spießig, weltfremd und völlig realitätsfern, meine Damen und Herren.
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Der Antrag ist auch nur scheinbar menschenfreundlich. Mit solchen Angeboten locken Sie doch Hunderttausende neuer Migranten auf die löchrigen Boote der Schleppermafia. Und in den Problemvierteln unserer Städte lassen Sie die armen Deutschen mit islamischen Parallelgesellschaften und Clankriminalität allein.
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Das ist nicht menschenfreundlich, das ist teilweise schon menschenverachtend, meine Damen und Herren.
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Der heute vorliegende Grünenantrag mit dem Titel „Neuanfang in der Europäischen Flüchtlingspolitik“ bringt also nichts Neues, und er wird auch niemals europäisch sein.
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Italien hat seine Häfen für die Schlepperboote doch längst geschlossen, auch ohne Salvini. Spanien lässt keine Migranten mehr rein, Ungarn, Polen und Tschechien schon gar nicht. Selbst Länder wie Dänemark schotten sich ab. Begreifen Sie doch endlich: Sie stehen in Europa völlig alleine da. Die anderen machen nicht mit. Die halten Ihre Willkommenskultur für gemeingefährlich.
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Sie spalten Europa. Ihr Antrag ist nicht europäisch, er ist europafeindlich, meine Damen und Herren.
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Und alle Welt kann sehen: Für gefährliche historische Sonderwege sind in Deutschland heutzutage die Links-Grünen verantwortlich, und die reichen mittlerweile tief in die CDU hinein.
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Dabei stimmt es ja: Wir brauchen einen Neuanfang in der Flüchtlingspolitik, aber einen echten Neuanfang. Wir müssen endlich die europäischen Außengrenzen wirksam schützen, statt jahrelang darüber zu reden wie all die Seehofers, Söders und Laschets. Wir müssen Frontex stärken, sofort. Wir brauchen einen Aufwuchs von jetzt 1 500 auf mindestens 10 000 Mitarbeiter, und das nicht erst 2027. Wir müssen die endlose Asylkarawane nach Deutschland hinein stoppen. Wer aus europäischen Nachbarländern über die Grenze kommt, hat keinen Anspruch auf Asyl. Das steht so im Grundgesetz, meine Damen und Herren.
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Setzen wir es endlich um!
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Das wäre wirklich mal neu, vor allem für die Grünen.
Länder wie Australien oder Kanada machen doch längst vor, wie eine moderne, zeitgemäße Asylpolitik aussieht. Wie viele Flüchtlinge ertrinken denn im Meer vor Australien im Moment? Null. Vor wenigen Jahren waren das noch Tausende. Der Schleppermafia ist das Handwerk gelegt worden, die Grenzen werden kontrolliert. Australien hilft jetzt jährlich 20 000 echten Flüchtlingen und nicht 10 000 anderen, die den Schleppern die allerhöchsten Preise zahlen können.
Meine Damen und Herren, jeder vernünftige Neuanfang in der Asylpolitik muss sich an solchen modernen Erfolgsmodellen orientieren. Wenn nicht, wird der links-grüne Traum von einer Welt ohne Grenzen zu einem grenzenlosen Albtraum für unser Land und für Europa. Und das müssen und werden wir verhindern, meine Damen und Herren.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Dr. Lars Castellucci.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon von verschiedener Seite angesprochen worden, dass am Samstag das erste Flugzeug mit insgesamt 47 unbegleiteten Minderjährigen von den griechischen Inseln nach Deutschland fliegen konnte, als erster deutscher Beitrag.
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Ich möchte an dieser Stelle eines sagen, Luise Amtsberg: Ich verstehe, dass letztlich Verzweiflung aus den Worten spricht, dass das ein kleiner erster Schritt ist. Aber ich finde es nicht beschämend, sondern ich finde es gut, dass wir es endlich geschafft haben, im Rahmen einer europäischen Koalition diesen ersten Schritt zu gehen. Diesem Schritt müssen selbstverständlich weitere Schritte folgen.
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Als ich im Februar auf Lesbos war – die Bilder verlassen mich nicht –, habe auch ich nicht damit gerechnet, dass es noch weitere zwei Monate braucht, bis das erste Flugzeug starten kann. Ich will mich damit nicht zu sehr aufhalten, aber doch sagen: Es muss mit Widerständen zu tun haben, wenn es so lange dauert.
Lieber Herr Kollege Frei, nach Ihrer heutigen Rede möchte ich einen Punkt aufgreifen, mit dem Sie in den letzten Wochen in der Öffentlichkeit aufgetreten sind. Sie haben gesagt, es wäre wirtschaftlich sehr viel sinnvoller, das Geld, das wir für unbegleitete Minderjährige in Deutschland ausgeben, dort auszugeben, wo die Menschen herkommen, weil man mit diesen Geldern dort ein Vielfaches bewirken könnte.
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Lieber Herr Kollege Frei, ich stimme Ihnen da dezidiert zu – das ist eine völlig richtige Rechnung –; das Problem ist aber, dass die Kinder und die Familien auf den Inseln längst nicht mehr dort sind, wo sie herkommen. Das Problem ist, dass sie dort feststecken, unter unwürdigsten Bedingungen.
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Deswegen ist der Verweis auf diese Hilfe in den Herkunftsländern überhaupt nicht hilfreich.
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– Weil Sie jetzt hier so reagieren, möchte ich Folgendes ergänzen: Herr Müller, Ihr Minister – er ist gerade nicht anwesend – äußert sich öffentlich, dass es zu einer Evakuierung dieser Lager kommen muss.
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Sie sind anscheinend dafür da, die Flanke nach rechts außen offenzuhalten oder vielmehr zu schließen. Das ist eine Arbeitsteilung, die der Notlage der Menschen in keiner Weise gerecht wird. Wir müssen unserer Verantwortung schon gemeinsam nachkommen.
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Lassen Sie mich zum Schluss noch das Perspektivische ansprechen. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen, die Anträge eingebracht haben, für die viele Arbeit ausdrücklich danken; denn wir müssen dieses europäische Asylsystem wieder in die Gänge bringen. Da hilft es uns aber eben nicht, nur kluge Gedanken aufzuschreiben, sondern wir müssen in Europa gleichzeitig mit Umsicht und Weitsicht agieren
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und wieder den Mut stärken, zu gemeinsamen Vorgehensweisen zu kommen.
Ich möchte hier darauf verweisen: Wir haben im letzten Jahr mit dem Notfallmechanismus, was die die Seenotrettung angeht, einen ersten Schritt geschafft. In der vergangenen Woche haben wir damit, dass die ersten Geflüchteten im Rahmen der Koalition der europäischen Staaten ausgeflogen werden konnten, einen zweiten Schritt geschafft. Auf diesem Weg müssen wir beherzt weitergehen, damit aus dem, was zu Papier gebracht worden ist, auch wirklich reale Politik wird, die bei den Menschen ankommt und die humanitäre Bedingungen in Europa wiederherstellt.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der FDP die Kollegin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das sind schon krasse Zeiten, und das war vor Wochen noch unvorstellbar. Ich glaube, das oberste Gebot ist, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, aber auch die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, Arbeitsplätze zu sichern, Existenzen zu retten. Auch das bedeutet für die betroffenen Menschen nämlich, psychische Not zu lindern. Und wir müssen – das sage ich von Anfang an – auch die Grundrechte schnellstens wiederherstellen.
Wir sollten aufpassen, dass wir jetzt nicht damit anfangen, alles mit Corona zu labeln, wie leider auch die Anträge von den Linken und Grünen das tun. In diesen Anträgen ist natürlich noch viel mehr drin als das, was Sie vorgestellt haben, und das ist auch der Grund, warum wir sie nicht mittragen können.
Meine Damen und Herren, ich fühle mich als Europäerin deutscher Nation, und ich ertrage es kaum, dass die Grenzen zugemacht werden, dass wieder kleinkarierter Nationalismus herrscht. Der Wert einer Beziehung zeigt sich besonders in schweren Zeiten. Ich frage mich: Was ist los mit Europa? Jedes Land kreist um sich. Wir vergessen dabei, was sich in Griechenland nach wie vor abspielt. Und: Griechenland ist Europa.
Ja, Migration muss geordnet vonstattengehen – rechtsstaatlich und am besten gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, nach klaren Regeln und Gesetzen.
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Kleine Kinder im Dreck sitzen zu sehen – sichtbar an Leib und Seele erkrankt, ohne Bildung, ohne Zukunft –, ist für mich aber unerträglich, und wenigstens um die Kinder sollte es uns gehen.
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Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte ...
Artikel 2 Satz 1 EU-Vertrag.
Meine Damen und Herren, Deutschland hat 49 Kinder aufgenommen – in Hannover –, und ich danke an dieser Stelle unserem FDP-Integrationsminister Joachim Stamp für die Bereitschaft, für eine weitere Evakuierung von Kindern bereitzustehen und in Nordrhein-Westfalen Platz für mehrere Hundert Kinder zu schaffen.
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Deutschland, uns allen hier im Plenum stünde es gut zu Gesicht, nicht gegen die europäischen Partner, aber als Vorbild voranzugehen, um Kinder aus dieser Situation zu retten. Wir alle werden uns eines Tages nicht daran messen lassen müssen, wie oft wir die europäische Fahne geschwenkt und die „Ode an die Freude“ gemeinsam mit den Nachbarn besoffen vor Rührung auf dem Balkon gesungen haben. Wir werden auch nicht daran gemessen werden, wie viele Erntehelfer wir mit den Flugzeugen nach Deutschland geholt haben, um den Spargel zu retten. Wir werden uns nur daran messen lassen müssen, wie wir mit denen umgegangen sind, die sich am wenigsten wehren können, mit den Schwächsten der Gesellschaft, und das sind und bleiben die Kinder.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Michel Brandt.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fassungslos stand ich am 4. März 2020 in Edirne in der Türkei und schaute ich Richtung Griechenland auf die europäische Außengrenze. Rauch stieg auf, und alle paar Sekunden hörte man Schüsse. Immer wieder rannten uns schutzsuchende Menschen entgegen, darunter Familien, verletzt mit Platzwunden und gezeichnet von Tränengas. Die Festung Europa hatte in diesen Tagen ihre Schießscharten geöffnet. Mit offener Gewalt ging man gegen Menschen vor, die doch eigentlich Schutz suchten. Das sind Bilder, die ich so schnell nicht vergessen werde.
Die EU hat beschlossen, Schutzsuchende in diesen Tagen mit allen Mitteln zu bekämpfen. Als die griechische Regierung das Asylrecht für einen Monat aussetzte, gab es aus der EU Beifall. Frau von der Leyen hat Griechenland zum Schutzschild Europas erklärt, um Menschen in Not abzuwehren. Bis heute schweigt die Bundesregierung zu diesen Gräueltaten an der griechisch-türkischen Grenze. Noch nie hat sich die EU so offen gewalttätig gezeigt wie in den Tagen im März.
Aber nicht nur das hat der EU-Türkei-Deal angerichtet. Ende September 2019 war ich zuletzt im Camp Moria auf Lesbos. Schon damals waren dort über 13 000 Geflüchtete in einem Lager zusammengepfercht, das für 3 000 Menschen ausgelegt ist. Mittlerweile sind es 20 000. Die Situation in diesen Elendslagern stand nie im Einklang mit den Menschenrechten. Nein, es ist menschenunwürdig, was da passiert, und zwar von Anfang an.
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Aber spätestens seit Corona muss doch klar sein: Diese EU-Hotspots müssen evakuiert werden, und zwar eher gestern als heute. Wir rennen dort sehenden Auges in die Katastrophe. Es ist fünf nach zwölf!
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Und was macht die Bundesregierung? Sie holt 47 unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach Deutschland – 47! Dabei stehen hier in Deutschland 140 Kommunen bereit, die sagen: Wir würden Menschen aufnehmen. Evakuieren Sie diese Lager endlich! Es ist doch wahnsinnig.
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Und was passiert auf dem Mittelmeer? Die Osterbilanz: Zwölf Menschen sind verdurstet oder ertrunken, Dutzende weitere werden vermisst, Hunderte wurden illegal in libysche Folterlager zurückgezwungen. Und der Bundesregierung fällt nichts Besseres ein, als die Seenotrettungs-NGOs, die dort noch aktiv sind, aufzufordern, ihre Rettungen einzustellen. Wie zynisch ist das denn!
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Wir müssen uns angesichts dieser Zustände doch fragen: Wollen wir wirklich die Generation an Abgeordneten sein, die die Errungenschaften der Menschenrechte und die Errungenschaften der Genfer Flüchtlingskonvention – eine direkte Folge und eine direkte Lehre aus dem deutschen Faschismus – über Bord wirft? Dass die Truppe auf der rechten Seite das will, das wissen wir; aber der Rest kann das doch nicht ernsthaft wollen. Kehren wir zurück zu den Menschenrechten!
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Wir als Linke fordern in unseren Anträgen: Lasst uns die EU-Hotspots evakuieren und schließen, die Geflüchteten auf dem EU-Festland sicher und menschenwürdig unterbringen! Dasselbe gilt im Übrigen auch für Sammelunterkünfte in Deutschland. Zustände wie beispielweise in Ellwangen in Baden-Württemberg, wo Hunderte Coronainfizierte mit Nichtinfizierten zusammengepfercht bleiben, sind einfach nicht hinnehmbar.
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Jetzt müssen Sie Ihren Schlusssatz sprechen.
Die Forderungen können Sie alle nachlesen. Ob wir die Krise solidarisch bewältigen, werden wir auch daran erkennen können, ob die Lager in Griechenland in vier Wochen leer stehen oder nicht.
Danke schön.
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. Volker Ullrich.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ordnung und Steuerung der Migration bleibt auch in schwierigen Zeiten ein wichtiger politischer Auftrag, und wir müssen ihn unter Berücksichtigung der Humanität und der Geltung der Menschenrechte wahrnehmen.
Ich möchte zunächst einmal darauf zu sprechen kommen, dass es richtig war, dass sich Anfang März zehn Staaten der Europäischen Union und die Schweiz darauf verständigt haben, insgesamt 1 600 Kinder – unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – aus den Lagern in Griechenland europaweit zu verteilen und aufzunehmen. Das war auch deswegen richtig, weil das der Einstieg in einen europäischen Verteilmechanismus und in die gemeinsame Willenserklärung war, dass das Problem uns alle angeht und dass wir es nur in europäischer Solidarität gemeinsam lösen können.
Deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir zu dieser Vereinbarung stehen und dementsprechend 350 Kinder in Deutschland aufnehmen. So wichtig es ist, dass wir unseren Beitrag leisten, so wichtig ist es aber auch, dass auch alle anderen europäischen Partner, die sich darauf verständigt und sich verpflichtet haben, Kinder aufzunehmen, ihren Anteil solidarisch leisten. Das müssen wir auch in schwierigen Zeiten einfordern.
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Klar ist auch: Das UN-Flüchtlingshilfswerk und die IOM brauchen vor Ort die Unterstützung, damit die Auswahl der Menschen, die über diese Kontingente nach Europa kommen, auch nach den Grundsätzen erfolgen kann, die wir gemeinsam aufgestellt haben. Es ist wichtig, dass wir ein entsprechendes Signal setzen, damit sich die Europäische Union insgesamt aufmacht, um das europäische Asylsystem zeitnah zu reformieren. Diese gemeinsame Erklärung muss der Startpunkt sein, damit wir in Europa nicht weiter zögern, sondern nach Dublin zu einem neuen System mit einer Gemeinsamen Europäischen Solidarität im Rahmen des Asylrechts kommen.
Das setzt übrigens auch voraus, dass wir darüber sprechen, warum die Menschen sich auf die Flucht begeben und warum sie in diesen Lagern gelandet sind. Deswegen ist ein wichtiger Baustein einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik auch die Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort. Das darf in keiner Debatte fehlen, meine Damen und Herren.
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Eine künftige gemeinsame europäische Asylpolitik muss in den nächsten Wochen und Monaten auf den Weg gebracht werden. Vielleicht schafft es die kroatische EU-Ratspräsidentschaft nicht mehr, alle Dossiers abzuhandeln, weil durch Corona vieles überlagert wird. Aber dann wird es unter Führung der deutschen Ratspräsidentschaft unsere Aufgabe sein, die wesentlichen Dossiers einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik klar und deutlich zu benennen und voranzubringen. Es wird ein Lackmustest für Zusammenarbeit und Solidarität in Europa sein, wie es uns gelingt, dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem zu reformieren.
Für uns ist klar, dass wir Humanität, Ordnung und Steuerung der Migration als die Eckpunkte eines europäischen Asylsystems sehen. Wir wollen, dass die europäische Außengrenze geschützt wird, dass aber auch klar ist, und zwar bereits an der europäischen Außengrenze, wer nach Europa kommt. Aber wer nach Europa kommt, dem muss auch klar sein, ob er einen Asylanspruch hat oder nicht. Deswegen ist eine kursorische Prüfung an der europäischen Außengrenze Teil dieses Asylsystems.
Dann muss auch klar sein, welches Land zuständig ist. Dieser Verteilmechanismus muss innerhalb Europas solidarisch gelten. Da brauchen wir die Solidarität aller 27 EU-Mitgliedstaaten. Auch bei diesem Thema darf es letztlich keine Sonderrollen geben, sondern Europa muss seine Werte und seinen Zusammenhalt auch darin sehen, dass in Europa bei dieser Frage alle mitmachen.
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Dann muss auch deutlich werden, dass die Probleme, die das Dublin-System hervorgerufen hat, nämlich unklare Fragen der Zuständigkeit, fehlende Rücküberstellungen im neuen europäischen Asylsystem ausgeräumt werden. Das bedeutet, dass ein Staat zuständig ist und zuständig bleibt und dass wir Sekundärmigration in Europa unterbinden, um damit allen Staaten insgesamt zu helfen.
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Wenn wir das hinbekommen, dann, glaube ich, kann Europa mit Stolz und mit Recht sagen, dass wir die Situation solidarisch und menschenrechtlich einwandfrei in den Griff bekommen und so handeln, wie es unsere Pflicht ist.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist für die Fraktion der SPD der Kollege Helge Lindh.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sozusagen rhetorischer Advocatus Diaboli spreche ich jetzt zu Ihnen. Ich konzentriere mich auf eine These, einen Punkt. Ich glaube, diese These ist für uns zentral, um überhaupt den Weg einer geeinten und auch humanitären europäischen Asylpolitik gehen zu können. Die These lautet: Die größte Bremse ist die permanente Instrumentalisierung und Funktionalisierung der Asylpolitik für andere Zwecke. Das möchte ich Ihnen demonstrieren.
Weil das aber so ist, bin ich überaus dankbar für die Texte in Ihren Anträgen, den fast schon staatstragenden Grünenantrag, aber auch den Linkenantrag mit Aspekten wie Aufnahmeverteilungszentren, Registrierung, Ausdruck von Solidarität, Pflichtigkeit, Freiwilligkeit oder dezentrale Aufnahme, obwohl ich mitnichten allen Punkten zustimme. Aber der wesentliche Schritt ist – den begrüße ich –, dass wir zu etwas Handwerklichem kommen, zu einer praktischen Frage, zur Frage der Pragmatik in der Asylpolitik.
Jetzt komme ich aber zu meiner These. Ich kann am heutigen Tag nicht umhin, diese These an einem persönlichen Beispiel zu illustrieren. Vergangene Woche hat laut Indymedia eine sich selbst als linksautonom begreifende Gruppe mein Wahlkreisbüro angegriffen und unter anderem den Arbeitsplatz meiner Mitarbeiterin verwüstet – mit Verweis auf Moria, auf die europäische Asylpolitik und auf meine Haltung zum Geordnete-Rückkehr-Gesetz.
Meine Mitarbeiterin, die dort arbeitet, ringt schon zeit ihres Lebens mit antimuslimischem Rassismus, der ihr begegnet, und mit zig Hassmails, die sie in meinen E-Mail-Accounts lesen muss. Was hilft, frage ich an dieser Stelle, die künftige Angst meiner Mitarbeiterin an ihrem Arbeitsplatz im Eintreten für eine geeinte europäische Asylpolitik?
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Gar nichts hilft sie. Tätige Menschenverachtung, die sich aber auf Menschlichkeit an den deutschen Außengrenzen und auch an den europäischen Außengrenzen beruft, solche Menschenverachtung im Namen der Menschlichkeit dient nichts anderem als der Unmenschlichkeit. Das muss so auch ausgedrückt werden.
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Aber jetzt kommen wir zur nächsten Stufe der Instrumentalisierung – das ist die perfideste –: Wenn ich in diesen Tage lese, wie AfD-Bundestagsabgeordnete, wie „PI-News“, wie auch andere geradezu mit klammheimlicher, nein, unverhohlener Freude darüber schreiben, dass ein doch so um humanitäre Aufnahme bemühter Abgeordneter jetzt von einem Angriff aus der linken Richtung getroffen sei, dann ist das – erst recht in Zeiten von Corona – der Gipfel der Anstandslosigkeit, des Zynismus und der Menschenverachtung.
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Gerade deswegen werde ich – wie auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – meine humanitäre und pragmatische Position nicht aufgeben und werde nicht in die Falle der Instrumentalisierung tappen.
Um ein letztes Beispiel zu geben: Wenn dann noch glatt die rechte Kampfschrift – man muss das hier mal so ausdrücken – „Junge Freiheit“ dieser Tage schreibt, ich hätte ein Interview mit Sawsan Chebli abgesagt, und das in verschwörungstheoretischer Manier, weil dieser Angriff ja nicht von rechts gekommen wäre, dann ist das nicht nur bester Ausdruck dieses rechtspopulistischen Giftes; es ist auch noch dreist gelogen. Gerade weil das so ist, werden wir uns nicht beirren lassen, dieses Interview führen und weiter für Pragmatismus in der Flüchtlingspolitik kämpfen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Damit ist die Debatte beendet. Ich schließe die Aussprache.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Coronakrise ist für viele Menschen in unserem Land eine schwierige Situation. Dabei muss man immer sehen: Es trifft jeden in seiner speziellen Lage, in seiner speziellen Situation. Wir stemmen uns nun schon seit Mitte März mit aller Kraft gegen diese Pandemie und ihre Folgen.
Auch für Bildung und Forschung sind die Betroffenheiten vielfältig, und wir sind auch vielfältig gefordert. Gerade die Gesundheitsforschung kann und muss in diesen Tagen zeigen, was sie kann. Deshalb haben wir in den letzten Wochen vielfältig unsere Initiativen verstärkt. Wir haben unsere Beteiligung an der internationalen Impfstoffforschung aufgestockt, damit neue Forschungslinien aufgesetzt werden können. Wir beschleunigen die Forschung zu Medikamenten und Therapieverfahren. Wir bauen mit der Universitätsmedizin ein Forschungsnetzwerk auf, das schnell die wirksamsten Ideen und Konzepte überall verfügbar macht, und weil wir wissen, dass globale Krisen auch globale Lösungen brauchen, gehen wir über die Grenzen unseres Landes hinaus. Wir beteiligen uns an der „Solidarity“-Studie der WHO und unterstützen weltweite Medikamentenforschung zu Covid-19 mit weiteren 1,5 Millionen Euro.
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Die deutsche Forschung ist für diese Krise gut gerüstet. Deshalb ist auch die Hoffnung berechtigt, dass wir sehr viel schneller als in früheren Fällen Medikamente und Impfstoffe entwickeln können. Ich sage es hier noch einmal ganz klar und deutlich: Wir tun alles, was in unserer Macht steht. Am Geld wird aussichtsreiche Forschung zu Covid-19 nicht scheitern.
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Aber wir helfen auch an anderen Stellen. Gerade dort, wo im Wissenschaftsbetrieb oder in den Hochschulen der Betrieb nur eingeschränkt stattfinden kann, schaffen wir schnelle und flexible Lösungen. Um Wissenschaftlern mit befristeten Arbeitsverträgen zu helfen, stehen wir heute hier.
Wir verlängern die Höchstgrenzen für befristete Verträge im Wissenschaftszeitvertragsgesetz um ein halbes Jahr, und sollte die Pandemie noch länger dauern, können wir die Zeit nochmals um ein halbes Jahr verlängern. Diese Pandemie soll niemanden hindern, seine Forschungsprojekte umzusetzen. Ich will so viel Alltag wie möglich für so viele Menschen wie möglich.
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Aber auch die, die in besonderen Situationen besondere Hilfe leisten, sollen von uns entsprechend gewürdigt werden. Deshalb stellen wir die Zusatzverdienste im BAföG frei, wenn die Studierenden oder Schüler sich in systemrelevanten Branchen und Berufen engagieren. Diese Regel gilt für das BAföG, aber auch für das Aufstiegs-BAföG, für die Ausbildungsbeihilfe und für das Ausbildungsgeld, damit wir gemeinsam, Hand in Hand, diese Krise bewältigen können.
Ich habe es schon mehrfach gesagt: Niemand soll sein Studium aufgeben müssen, weil er unverschuldet in der Pandemie in Not gerät. Ich weise ganz bewusst an dieser Stelle auch noch einmal darauf hin: Wenn sich die finanziellen Verhältnisse in der Krise geändert haben, empfehle ich jedem Studierenden, seine BAföG-Berechtigung überprüfen zu lassen und auch neu zu beantragen.
Wir haben alle Studierendenwerke in unserem Land gebeten, diese Anträge zügig und mit Wohlwollen zu behandeln, und gerade deshalb suchen wir auch für die, die nicht BAföG-berechtigt sind, eine andere Lösung. Auch den ausländischen Studierenden, Studierenden im Zweitstudium oder Studierenden, die die Regelstudienzeit hinter sich haben, soll schnell, wirksam und unbürokratisch geholfen werden.
Wer seinen Job verloren hat und auf die Schnelle nichts Neues findet, soll eine kurzfristige Überbrückungshilfe erhalten. Betroffene sollen möglichst schnell ein zinsloses Darlehen beantragen können. Wir sprechen aktuell mit dem Deutschen Studentenwerk und auch mit Banken über eine gute Lösung, und allen ist klar, dass es jetzt schnell gehen muss.
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Denjenigen, denen in unserer sozialen Marktwirtschaft eine Sozialleistung zusteht, helfen wir im BAföG, und allen anderen helfen wir dann über ein zinsloses Darlehen.
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Dieses Land ist stark, weil wir gut gewirtschaftet haben. Dieses Land ist stark, weil Eigenverantwortung und Solidarität für uns immer zusammengehören. Wie wir diese Krise meistern, hängt von uns allen gemeinsam ab. Wenn wir uns an Abstandsregeln und Hygieneregeln halten, wenn wir angemessen, schnell und flexibel auf veränderte Bedarfe reagieren, dann haben wir auch den langen Atem, den wir brauchen, um den Kampf gegen Covid-19 zu gewinnen. Wir müssen die Zeit bis zu einem wirksamen und sicheren Impfstoff gemeinsam stemmen.
Bildung und Forschung stehen in diesen Tagen in einem besonderen Fokus, und dieser besonderen Verantwortung sind wir uns sehr bewusst. Deshalb möchte ich auch an dieser Stelle noch einmal die Gelegenheit nutzen, allen Kolleginnen und Kollegen im Parlament sehr herzlich zu danken, die uns in den letzten Tagen stets und unkompliziert geholfen haben.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der AfD der Kollege Dr. Götz Frömming.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin etwas verwundert und frage mich, ob gerade die Ministerin zu uns gesprochen hat oder vielleicht doch die Abgeordnete, die ja auch einer Fraktion angehört; an der Anzeigetafel stand keine Fraktionsangabe. Wir debattieren aber einen Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD.
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Nun können wir der kundigen Presse entnehmen, dass die Regierung so freundlich war, Ihnen mit ihrem Apparat eine Formulierungshilfe zuzuleiten, die Sie dann übernommen haben. Aber jetzt spricht dann doch wieder die Bundesregierung. Nun gut, das nennt man vielleicht „moderne Arbeitsteilung“. Aber, meine Damen und Herren, das bringt doch ein Problem mit sich, nämlich:
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Durch eine solche Vorgehensweise werden die Grenzen zwischen der Exekutive und der Legislative verwischt, und das ist nicht gut, meine Damen und Herren.
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Deutschland befindet sich in einem historischen Ausnahmezustand. Man muss weit in die Geschichte zurückgreifen, um zu Ereignissen zu gelangen, die unser Volk, unsere Gesellschaft, auf eine ähnliche Bewährungsprobe gestellt haben. Er kenne keine Parteien mehr, nur noch Deutsche, sagte Kaiser Wilhelm II. im August 1914. Das sollte auch als Appell verstanden werden, dass Kritik an der Obrigkeit, an der Regierung, von da an, bitte schön, zu unterbleiben habe. Wie es ausging, lernen unsere Schüler gerade im Onlineunterricht: Der Burgfrieden zerbrach, und nach dem Krieg brach die Revolution aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kritik und Streit um den besten Weg müssen in einer funktionierenden Demokratie auch und gerade in der Krise erlaubt sein. Die Tatsache, dass Angela Merkel schon länger regiert als so mancher Monarch, sollte uns das nicht vergessen lassen.
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Der vorliegende Gesetzentwurf ist demnach auch nicht alternativlos; die zahlreichen Korrekturvorschläge der Opposition beweisen es.
Zunächst einmal aber erkennen wir an, dass die Bundesregierung oder die Koalitionsfraktionen mit diesem Entwurf ein tatsächliches Problem adressieren. Viele Studenten wissen durch den Wegfall ihrer Verdienstmöglichkeiten oder derer ihrer Eltern derzeit tatsächlich nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.
Dieses Problem wird allerdings durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht gelöst, Frau Ministerin. Was Sie vorschlagen – zum einen die Befristungsgrenzen zu verlängern und zum anderen die Einkünfte aus systemrelevanten Tätigkeiten nicht mit dem BAföG zu verrechnen –, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Das sind Hausaufgaben, die Sie zu erledigen hatten; aber, Frau Ministerin, für ein Fleißbienchen reicht das noch nicht.
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Immerhin hörten wir heute Morgen im Ausschuss von Ihnen, dass Sie sich auf den Weg gemacht hätten, um den Studenten mit einem zinsfreien Darlehen unter die Arme zu greifen. Frau Ministerin, halten Sie das tatsächlich für eine gute Idee? Derzeit bekommt man Darlehen auch bei den Banken; die Zinsen sind relativ moderat. Ich glaube nicht, dass das ein guter Weg ist, um den in Not geratenen Studenten zu helfen; sie haben es übrigens in einer Stellungnahme und in einer Onlinepetition bereits zurückgewiesen. So werden wir und so werden Sie Ihrer Fürsorgepflicht nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, wir schlagen stattdessen mit unserem Antrag vor, allen Studenten, die ihre Bedürftigkeit in einem unbürokratischen Onlineverfahren dargelegt haben, mit einem einmaligen Zuschuss zu helfen. So kann die maximale Effizienz des eingesetzten Steuergeldes erreicht werden.
Die Anträge der kleineren Oppositionsfraktionen werden wir im Ausschuss noch ausführlicher besprechen. Sie haben aber alle die Tendenz, die Krise für eine grundsätzliche BAföG-Reform zu nutzen – um nicht zu sagen: zu instrumentalisieren – und damit den Kreis der Empfänger auszuweiten, was unter Beachtung einer soliden Haushaltsführung auf der einen Seite dazu führen muss, dass die Summe für den einzelnen Empfänger natürlich geringer wird. Auf der anderen Seite haben wir Mitnahmeeffekte für diejenigen, die eigentlich gar keine Unterstützung brauchen.
Frau Ministerin, unsere konstruktiven Vorschläge liegen Ihnen vor. Für eine einmalige gezielte und begrenzte Krisenhilfe in Form eines Zuschusses bekämen Sie in diesem Hause wahrscheinlich eine breite Unterstützung. Machen Sie sich auf den Weg, wie Sie immer zu sagen pflegen, aber kommen Sie bitte auch an – und bitte schnell und bitte bald.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
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Vielen Dank. – Als Nächstes spricht für die Fraktion der SPD die Kollegin Bärbel Bas.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Ministerin, es ist richtig, dass wir gemeinsam in diesem Gesetzentwurf, den wir jetzt vorlegen, die Höchstbefristungsgrenzen für das wissenschaftliche Personal verlängern. Es ist auch richtig, dass darin vorgesehen ist, dass bestimmte Einkünfte für Studierende nicht auf das BAföG angerechnet werden. Das ist alles richtig. Aber ich will noch mal auf den Bereich zu sprechen kommen, der unter uns noch zu Diskussionen führen wird, bis wir zum Beschluss des Gesetzes kommen.
Gut zwei Drittel der Studierenden in Deutschland haben neben ihrem Studium einen Nebenjob. Den haben viele jetzt verloren. Deshalb brauchen viele von ihnen jetzt Hilfe, und zwar schnell, weil sie sonst ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können.
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Ihre Eltern können ihnen auch nicht helfen, weil sie in Kurzarbeit sind und auch Einkommensverluste haben. Deshalb ist im Moment die Diskussion, die wir miteinander führen – und deshalb bitte ich auch den Koalitionspartner, noch mal darüber nachzudenken –, ob es nicht Sinn macht, jetzt in dieser Krise wirklich unbürokratische Hilfen für die Studierenden zu erreichen.
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Unser Anspruch ist es, dass wir schnell helfen. Dass das geht, haben wir bei anderen Schutzschirmen schon bewiesen, und zwar, indem wir hier den Zugang zu bestehenden Instrumenten genutzt haben. Wir haben ihre Beantragung einfacher gemacht. Warum nutzen wir jetzt für die Studierenden, denen wir schnell helfen wollen, nicht das BAföG? Das ist der gravierende Unterschied in der Diskussion, die wir gerade haben. Deshalb will ich noch mal darauf hinweisen: Dieses Instrument ist das Instrument, mit dem die Studierenden umgehen und die Studentenwerke. Deshalb sollten wir dieses BAföG jetzt fit machen. Das ist kein Ausnutzen oder Ausweiten, sondern es ist für diese Krise das richtige Element. Deshalb: Lassen Sie uns das nutzen!
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Lassen Sie uns ein Nothilfe-BAföG schaffen! Dafür braucht es kein langwieriges Gesetzgebungsverfahren. Das könnten wir, wenn wir uns einigen, relativ schnell auch mit einem Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf lösen.
Deshalb bitte ich noch mal darum, dass wir die Zeit jetzt nutzen, demnächst Diskussionen führen, die Förderdauer verändern und dass wir die Studierenden in dieser Krise eben nicht mit neuen Schulden konfrontieren. Darüber haben wir ja unterschiedliche Auffassungen. Denn was passiert dann? Sie müssen, wenn sie das Glück haben, wieder einen Nebenjob zu finden, die Schulden wieder abbauen. Das kann Auswirkungen auf die Länge des Studiums haben; und das ist genau das, was wir nicht wollen.
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Deshalb brauchen wir jetzt entsprechende Hilfemaßnahmen. Lassen Sie uns die in Not geratenen Studenten jetzt schnell unterstützen, und lassen Sie uns das Element des BAföG dafür nutzen!
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Jens Brandenburg.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Viele Studierende stehen jetzt in der Coronakrise vor großen Geldsorgen. Sie sind oft auf umfangreiche Nebenjobs angewiesen, um ihr Studium zu finanzieren. Diese Nebenjobs fallen jetzt weg – in der Gastronomie, im Tourismus, bei Großveranstaltungen.
Frau Karliczek, dass ausgerechnet Sie jetzt auf zeitliche Engpässe verweisen, ist doch wohl ein schlechter Witz. Die Nöte sind seit vielen Wochen bekannt. Sie haben bisher nur die 12 Prozent BAföG-Empfänger in den Blick genommen. Vor allem Nicht-BAföG-Empfänger stehen aber aktuell vor großen Problemen. Die haben Sie bisher völlig im Stich gelassen. Die Sorgen kennen wir. Jetzt ist Zeit, zu handeln, Frau Ministerin!
({0})
Ein Darlehen haben Sie letzte Woche angekündigt. Konkretes bleiben Sie uns ja auch heute wieder schuldig. Klar ist nach Ihren Medienäußerungen bisher nur, dass es wieder nur einer kleinen Gruppe helfen soll, diesmal denen, die für das BAföG schon aufgrund ihrer Studiensituation gar nicht erst infrage kommen. Durchs Raster fallen wieder all jene jungen Menschen im Erststudium, deren Eltern auf dem Papier fürs BAföG zu viel verdienen. Was nützt denn der formale Unterhaltsanspruch, wenn die Eltern in Kurzarbeit sind, aber deshalb noch lange nicht ihr Eigenheim verkaufen werden? Öffnen Sie das BAföG-Volldarlehen für alle, die ihren Nebenjob verloren haben! Die Verfahren sind eingespielt, der Förderanspruch ist sehr schnell zu prüfen, und die Rückzahlung, Frau Bas, wäre dann erst nach dem Studium bei gutem Einkommen fällig. Das wäre eine schnelle, pragmatische, finanzierbare Lösung, die vielen erst mal Luft zum Atmen verschafft. Also handeln Sie, Frau Ministerin!
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Wir brauchen eine krisenfeste Studienfinanzierung für alle.
Schaffen Sie einen unbürokratischen Härtefallfonds, um Studierenden in besonderen finanziellen Notlagen auch mit direkten Zuschüssen direkt unter die Arme greifen zu können. Die Mittel sind vorhanden: 900 Millionen Euro BAföG-Mittel wurden allein im letzten Jahr nicht verausgabt.
Schaffen Sie mit der Arbeitsagentur und den Studierendenwerken vor Ort eine schnelle Vermittlung in neue Nebentätigkeiten zur Unterstützung der Landwirte, der Supermärkte, der Gesundheitsbehörden.
Sorgen Sie dafür, dass neue BAföG-Ansprüche schneller berechnet werden. Vereinfachen Sie die Verfahren, indem Sie wie ja schon bei der Grundsicherung auf die aufwendige Vermögensprüfung verzichten.
Stellen Sie klar, dass das aktuelle Sommersemester nicht auf die BAföG-Höchstförderdauer angerechnet wird.
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Und öffnen Sie sich endlich für eine strukturelle Reform zu einem elternunabhängigen BAföG, wie wir Freie Demokraten es längst vorgeschlagen haben.
Also, handeln Sie, Frau Ministerin!
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Ein eigenes Konzept für eine krisenfeste Studienfinanzierung bleiben Sie uns auch heute schuldig. Ihre Planlosigkeit macht mich fassungslos. Kommen Sie jetzt endlich in die Pötte! Unterstützen Sie die Studierenden, damit Corona nicht auch noch zur Bildungskrise wird!
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Vielen Dank. – Als Nächstes spricht für die Fraktion Die Linke die Kollegin Nicole Gohlke.
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Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Karliczek, was Sie den Studierenden und den Beschäftigten an den Hochschulen heute vorschlagen, das ist kein krisensicherer Schutzschirm, sondern das ist löchrig und unvollständig. Vielen der 2,9 Millionen Studierenden und der rund 700 000 Beschäftigten an den Hochschulen geht es gerade ans Eingemachte. Zehntausende, vielleicht Hunderttausende Studierende haben bereits wegen Corona ihre Jobs verloren, Jobs, mit denen sie die Miete, den Internetanschluss und die Semestergebühr bezahlen. Meist sind das Jobs in der Gastro, auf Messen, in Bibliotheken, in Kinos: allesamt Minijobs, die beim Shutdown als Erstes gekündigt wurden und die jetzt die Menschen ohne irgendeine soziale Absicherung dastehen lassen.
Jetzt, Frau Ministerin, bieten Sie an, dass die Studierenden einen Kredit aufnehmen können. Wovon und wann sollen sie den denn zurückzahlen? Wenn sie dann irgendwann Seminare und Prüfungen nachholen müssen und vielleicht gar keinen Job so schnell finden, weil das Kino um die Ecke nämlich dauerhaft zugemacht hat? Das ist völlig weltfremd, was Sie da vorschlagen.
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Was es braucht, ist ein Notfallfonds, der den Studierenden unbürokratisch und ohne Verschuldung unter die Arme greift.
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Und, Frau Karliczek, ich finde, es ist unredlich, so zu tun, als könnten die Hochschulen einfach so auf Onlinelehre umstellen. Das hat mit der Realität auch nichts zu tun.
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An vielen Unis ist das Netz nicht mal stabil genug dafür. Und viele Lehrende schuften gerade neben der Betreuung ihrer eigenen Kinder oft bis zum Umfallen, um die Onlinebetreuung sicherzustellen. Auch darauf bräuchte es übrigens Antworten, nämlich zum Beispiel, die Lehrverpflichtungen zu verringern, damit das für die Beschäftigten überhaupt zu schaffen ist.
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Gut ist, dass die Bundesregierung für den wissenschaftlichen Mittelbau jetzt die Verlängerung der Verträge um sechs Monate ermöglicht. Denn die sage und schreibe 90 Prozent, die von Ihnen nur einen befristeten Kurzzeitvertrag haben, dürfen jetzt nicht auch noch darum bangen müssen, ob ihr Vertrag mitten in der Coronakrise endet. Aber machen Sie diese Regelung auch wirklich rechtssicher! Das darf keine Kannbestimmung sein. Das müssen die Betroffenen auch wirklich einklagen können.
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Insgesamt rächt sich doch gerade eins, Kolleginnen und Kollegen: Wie beim Gesundheitssystem rächt sich auch beim Bildungs- und Hochschulsystem, dass es so unterfinanziert ist, dass eigentlich schon der Normalbetrieb im Krisenmodus ist. Die Hochschulen werden seit Jahren nicht bedarfsgerecht finanziert. Die kurzen Vertragslaufzeiten sind immer eine Zumutung für die Beschäftigten, nicht nur zu Coronazeiten. Und nur noch 13 Prozent der Studierenden erhalten überhaupt noch BAföG. Man kann davon weder studieren noch leben. Und Sie, Frau Ministerin, ändern daran seit drei Jahren nichts. Die Situation sähe jetzt aber anders aus, wenn das BAföG existenzsichernd wäre und wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unbefristete Stellen hätten.
Deswegen: Wir sollten die Coronakrise auch als Weckruf verstehen, als Weckruf, die Hochschulen endlich sozial und demokratisch und arbeitnehmerfreundlich zu gestalten.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht der Kollege Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als Grüne im Bundestag wollen gerade in Krisenzeiten so viel Sicherheit wie möglich für alle. Und wenn Sie, Frau Ministerin Karliczek, in diesem Tempo weiterregieren, dann machen wir uns wirklich ernsthaft Sorgen um den Wissenschaftsstandort Deutschland in dieser Krise.
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Denn die Coronarettungsschirme haben offenkundig Lücken, und diese Bundesregierung muss jetzt endlich diesen Schirm auch über die Studierenden spannen. Wer die finanzielle Lage der Studierenden jetzt verharmlost, der nimmt Studienabbrüche und massenhaft Existenzsorgen in Kauf. Das kann es nicht sein.
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Von den knapp 3 Millionen Studierenden erhalten doch nur noch 13 Prozent überhaupt BAföG. Das heißt, Corona macht damit die Strukturprobleme des BAföGs wie unter einem Brennglas sichtbar. 87 Prozent kriegen keins, und insgesamt müssen zwei Drittel der Studierenden deshalb dringend arbeiten für die Sicherung und Finanzierung ihres Lebensunterhalts. Die studentischen Nebenjobs fallen jetzt reihenweise weg, und die Eltern landen dann noch in Kurzarbeit. Damit geraten immer mehr Studis in finanzielle und damit auch soziale Nöte. Deshalb: Frau Ministerin, das darf Sie nicht kaltlassen; da müssen Sie endlich handeln, Frau Karliczek!
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Der Gesetzentwurf von Ihnen, den wir hier heute diskutieren, adressiert das Problem ja überhaupt nicht,
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sondern da steht nur drin, dass der Hinzuverdienst von BAföG-Empfängern, die jetzt bei der Pandemiebekämpfung helfen, nicht noch aufs BAföG angerechnet wird. Ja, ich meine, sinnvoller geht es ja nicht, aber kleiner geht es auch nicht angesichts dieser Lage, die wir gerade haben.
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Außer Ausflüchten und Ankündigungen jetzt noch Darlehen schaffen zu wollen: Ich frage mich, wann. Also, da müssen Sie langsam wirklich in die Hufe kommen. Aber nichtsdestotrotz: Diese Darlehen sind ja ein Freifahrtschein für Schulden, und das kann es doch nun wirklich nicht sein. Da muss mehr passieren; denn Sie sind schließlich BAföG-Ministerin. Also: Öffnen Sie das BAföG! Machen Sie das BAföG jetzt krisenfest! Und sorgen Sie dafür, dass kein Studium in der Krise am Geld scheitert!
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Sie nennen das Ganze heute „Unterstützungspaket“, aber Sie haben es eigentlich nicht mit Inhalt gefüllt. fzs, DSW, HRK, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Landesminister, die demokratische Opposition, sogar die SPD – seit Montag –
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will deutlich mehr. Und das ist doch wirklich toll. Deshalb: Wenn alle demokratischen Oppositionsfraktionen und sogar ein Regierungspartner sagen: „Öffnen Sie das BAföG“, ja, dann tun Sie es doch! Dann machen Sie es doch! Seien Sie Regierungspartner, liebe SPD, und setzen Sie das um! Wir nehmen Sie da beim Wort. Wir finden es extrem wichtig, dass hier mehr passiert.
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Wir wollen ein Notfall-BAföG aus Zuschüssen und Darlehen für alle, die pandemiebedingt ihren Job verloren haben, für alle, die hier eingeschrieben sind, auch für die Internationalen, für mindestens drei Monate. Eine BAföG-Lösung würde auf jeden Fall viel, viel mehr bringen. Wir nehmen Sie beim Wort, dass „Unterstützungspaket“ nicht nur so ein Titel bleibt, sondern zwischen der ersten und der zweiten Lesung da auch wirklich Substanz und Inhalt reinkommt.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Als Nächste spricht die Kollegin Dr. Astrid Mannes für die Fraktion der CDU/CSU.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Laboren ruht die Arbeit, wertvolle Versuche werden nicht weitergeführt, viele Bibliotheken sind geschlossen, und viele Wissenschaftler und Studenten können ihren Forschungsarbeiten derzeit nicht oder nur reduziert nachgehen. Die Forschungsbereiche, die sich nicht auf das Coronavirus beziehen, sind weitgehend auf Eis gelegt. Die deutschen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind in den Präsenznotbetrieb übergegangen. Forscher, die sich im Rahmen ihrer Arbeit im Ausland aufhielten, wurden zurückgeholt.
In einer Welt befristeter Promotionsstellen ist es für die Doktoranden ein großes Problem, wenn sie plötzlich über viele Monate ihren Forschungsaktivitäten nicht oder nur eingeschränkt nachgehen können. Diese Monate fehlen, um ein Forschungsprojekt erfolgreich abschließen zu können. Das betrifft gleichermaßen befristete Stellen für Habilitationen, Postdocstellen, ebenso Stellen, die sich auf bestimmte Forschungsprojekte beziehen. In dieser Situation legen die Regierungsfraktionen ein Wissenschafts- und Studierendenunterstützungsgesetz vor. Das klingt gut, und das ist gut.
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Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und das künstlerische Personal, die nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz befristet beschäftigt sind, soll mit diesem Gesetz ein Ausgleich von sechs Monaten für den Zeitraum pandemiebedingter Einschränkungen ermöglicht werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird ermächtigt, diese Höchstbefristungsgrenze – abhängig von der Dauer der Krise, längstens um weitere sechs Monate – zu verlängern, wenn dies aufgrund fortbestehender Auswirkungen der Pandemie erforderlich erscheint. Damit soll vermieden werden, dass wissenschaftliches und künstlerisches Personal, das derzeit pandemiebedingt nicht oder nur eingeschränkt der vorgesehenen Arbeit nachgehen kann, Nachteile erleidet. Mit diesem Gesetz werden also weitere Verbesserungen für Studierende und die Wissenschaft geschaffen – über die Maßnahmen hinaus, die bereits umgesetzt bzw. vorgesehen sind.
Beim BAföG hat Ministerin Karliczek frühzeitig entschieden, dass Studierende keine Nachteile haben sollen, wenn Vorlesungen oder Veranstaltungen ihrer Hochschule pandemiebedingt ausfallen oder verschoben werden. Auch für Studierende im Ausland, die BAföG erhalten oder durch die Pandemie Nachteile fürs Studium haben, wurden Erleichterungen geschaffen.
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Auch wurden bereits Anreize für Auszubildende bzw. Studenten mit BAföG-Bezug geschaffen, während der Pandemie nebenher in Gesundheits- und sozialen Einrichtungen und in der Landwirtschaft zu arbeiten. Diese Regelungen sollen nun erweitert werden auf weitere systemrelevante Bereiche wie zum Beispiel die Lebensmittelbranche. Und damit es für die jungen Menschen attraktiv ist, sich in diesen Bereichen zu engagieren, soll der Anreiz durch noch weiter gehende Anrechnungsfreistellungen der Zuverdienste auf das BAföG verstärkt werden.
Wenn Helmholtz-Präsident Professor Otmar Wiestler sagt – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –: „Wir wollen durch Spitzenforschung dazu beitragen, die Krise zu bewältigen. Ein signifikanter Teil der Forschung fokussiert sich nun auf das Coronavirus“, so müssen wir als Politiker ergänzen: Wir wollen durch unsere Politik dazu beitragen, die Wissenschaft so zu stärken und zu unterstützen, dass unsere Wissenschaftler heute und auch morgen durch erstklassige Spitzenforschung dazu beitragen können, die heutigen und künftigen Krisen und Herausforderungen zu bewältigen. Von daher ist es richtig, die Wissenschaftler zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass sie für ihre Forschungsprojekte und für die persönliche Entwicklung und Qualifikation keine Nachteile durch die Coronakrise erleiden.
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Die Politik gibt heute das Signal, dass sie hinter den Wissenschaftlern und der Forschung steht und alles tut, damit wir auch morgen weiterhin dieses hohe Forschungsniveau in Deutschland erleben dürfen.
Bleiben Sie gesund!
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Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist für die Fraktion der SPD der Kollege Oliver Kaczmarek.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worum es uns jetzt in dieser Lage geht, ist, für Auszubildende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende Sicherheit in der Krisensituation zu schaffen und deutlich zu machen, dass wir wollen, dass alle ihre Ausbildung erfolgreich und mit wirksamer Unterstützung der Regierung zu Ende führen können.
In diesen Tagen hat an den Hochschulen das Sommersemester begonnen, und mit viel Kreativität, Engagement und manchmal auch Improvisation stellen die Hochschulen weitgehend einen digital unterstützten Lehrbetrieb sicher. Das ist tatsächlich eine herausragende Leistung unserer Hochschulen, und dafür gebührt ihnen auch unser Dank.
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Knapp 3 Millionen Studentinnen und Studenten sind an den Hochschulen in Deutschland eingeschrieben, davon knapp 400 000 internationale Studierende. Auch sie gehen mit Engagement, aber häufig auch mit Sorge in dieses Semester; denn viele von ihnen brauchen in der Krise Unterstützung. Da muss man differenzierte Antworten finden. Ich will das mal versuchen etwas zu sortieren.
Da sind die Studierenden, die jetzt schon BAföG bekommen. Sie bekommen es auch weiter – das haben wir gewährleistet –, und zwar, wenn nötig, auch länger: wenn sich Prüfungen verschieben, Leistungsnachweise später eingereicht werden müssen oder Ausbildungsstätten geschlossen bleiben. Das hilft sehr vielen Auszubildenden und sehr vielen Studentinnen und Studenten jetzt schon und direkt.
Da sind die Studierenden, deren Eltern sie nicht mehr unterstützen können, weil sie kurzfristig in Kurzarbeit gekommen sind oder weil sie ihren Job verloren haben. Die brauchen genauso kurzfristig BAföG, und zwar so schnell und unbürokratisch wie möglich. Ich will gerne eingestehen und hier noch mal deutlich machen: Da sind viele Dinge im Rahmen des jetzigen Gesetzes schon möglich und auch möglich gemacht worden. An einigen Stellen müssen wir da noch nachschärfen; aber da ist das Haus – das war sehr gut – im Sinne der Studierenden auch auf die Studentenwerke zugegangen.
Und dann gibt es noch die, die kein BAföG bekommen, sondern ihren Lebensunterhalt bislang durch Nebenjobs gesichert haben. Das ist der Punkt, über den wir diskutieren; denn die haben oft jetzt schon ihren Nebenjob infolge der Coronakrise verloren. Auch für die brauchen wir eine schnelle, unideologische, pragmatische und lebensnahe Lösung, die sie auch direkt in ihrer Lebenslage abholt. Die SPD ist der Meinung, dass es für diesen Fall in Deutschland ein Gesetz gibt, das denjenigen Studentinnen und Studenten hilft, die ihre Ausbildung nicht aus eigener Kraft gestalten können: das BAföG. Und das BAföG können wir ganz schnell anpassen, wenn wir wollen – ganz schnell.
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Denn was sollte noch schneller gehen als das in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen, das wir heute beginnen? Das laufende Gesetzgebungsverfahren können wir dann nutzen, um auch beim BAföG Lösungen zu kreieren. Wir wollen das BAföG für diejenigen, die wegen der Coronakrise ihre Nebenjobs verloren haben und deswegen in eine soziale Notlage zu geraten drohen, befristet öffnen und damit eine Förderung für diese Gruppe ermöglichen.
Ihren Vorschlag, Frau Ministerin – das muss man leider so deutlich sagen –,
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Studentinnen und Studenten in Notlagen ein Darlehen anzubieten, halten wir in der SPD nicht nur für unzureichend. Wir lehnen ihn ab.
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Zu Recht bezuschussen wir derzeit verschiedene Gruppen in außergewöhnlichen Notlagen für die Zeit der Krise. Das ist zu Recht so gemacht worden und auch parteiübergreifend beschlossen worden. Warum also ausgerechnet für Studentinnen und Studenten kein Zuschuss?
Mit unserem Vorschlag bieten wir Studentinnen und Studenten dagegen eine echte Unterstützung an, die schnell hilft; und darüber müssen wir jetzt sprechen. Denn, meine Damen und Herren, die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung haben vor allem deshalb neues Vertrauen in Politik und Regierung geschaffen, weil sie übergreifende Akzeptanz hatten. Im Fall der Absicherung von Notlagen von Studentinnen und Studenten sieht das anders aus. Von der Hochschulrektorenkonferenz über die Gewerkschaften bis hin zu Verfassten Studierendenschaften, von der Kultusministerkonferenz – nicht der A-Länder-Konferenz! – bis hin zu den Studierendenwerken: Alle bitten Sie, Frau Ministerin, eine Öffnung des BAföG zu ermöglichen. Die SPD sieht das genauso.
Lassen Sie uns nun in der Koalition miteinander eine gute und gemeinsame Lösung finden, die auch Studentinnen und Studenten die Sicherheit gibt, ihre Ausbildung erfolgreich fortsetzen zu können.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.