Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer an den Bildschirmen! Zum Haushalt des Innen-, Bau- und Heimatministeriums liegen umfangreiche Beratungen hinter uns. Insgesamt sind die Ergebnisse jedoch alles andere als zufriedenstellend. Herr Minister Seehofer, da ist an vielen Stellen noch sehr viel Luft nach oben.
Die Luft bringt mich auch gleich zum Flugdienst der Bundespolizei. Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass die schrittweise Umflottung der Transporthubschrauber nächstes Jahr beginnt. Dies ist auch aufgrund des Alters der Fluggeräte vom Typ Super Puma dringend geboten. Bedanken möchte ich mich für Ihre Zusage, Herr Minister, das notwendige Konzept dem Haushaltsausschuss bereits im Mai, anstelle August, 2020 zuzuleiten.
Beim Flugdienst ist das Problem aber nicht nur das veraltete Material, sondern auch die hohe Überstundenbelastung, um den Betrieb zu gewährleisten. 20 Prozent der Piloten fehlen, die Schere geht immer weiter auseinander. 14 bis 16 Piloten pro Jahr wären notwendig, um den derzeitigen Betrieb aufrechtzuhalten. 2017 waren es gerade einmal 3. Wir benötigen 235 neue Dienstposten, um den derzeitigen Flugbetrieb zu konsolidieren, davon 40 Dienstposten in der Instandhaltung. Wie gesagt, es besteht noch deutlich Luft nach oben.
Wir begrüßen die rund 1 000 neuen Polizeianwärter bei der Bundespolizei. Allerdings ergibt sich daraus bereits die nächste Herausforderung: Viele junge Absolventen können sich in Ballungszentren die Mieten nicht leisten und bilden WGs oder pendeln häufig sehr lange zu ihren Dienststellen. Was haben wir also gemacht? Wir stellten einen Antrag zur Einführung von Ortszuschlägen in Großstädten für unsere jungen Polizisten, um die Mieten finanzierbarer zu machen. Ergebnis: Alle anderen Fraktionen haben abgelehnt. Problem: ungelöst.
Und Ihre Antwort, Herr Minister, auf die Notwendigkeit, Wohnraum für Bundesbedienstete zu schaffen, war, die dafür zuständige Wohnfürsorge des Bundes an das Finanzministerium abzugeben. Der Bauminister macht den Hüter der Finanzen zum Bauherrn. Ob dies zur Lösung des Problems führt, bezweifle ich. Eines haben Sie jedoch damit erreicht: Die Kritik richtet sich zukünftig an den Vizekanzler.
Bei allen öffentlichen Bekundungen der Koalition, wie viel für die innere Sicherheit getan wurde, gibt es in der Realität buchstäbliche Baustellen. Baustellen. wie im Magazin „BUNDESPOLIZEI kompakt“, Ausgabe 05/2019, am Beispiel Heilbronn exemplarisch aufgezeigt sind. Das dortige Revier ist in einem desaströsen baulichen Zustand. Seit 1992 sind keine Renovierungen vorgenommen worden. Zitat: „Das größte Problem ist die Eigensicherung.“ Herr Minister, da müssten doch in Ihrem Haus die Alarmglocken angehen, wenn man liest, welche unhaltbaren Zustände in der Realität bestehen!
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Heilbronn ist leider kein Einzelfall. Es gibt weitere betroffene Reviere. Die Mängel gehen von Feuchtigkeit in den Revieren der Hauptbahnhöfe Hamburg und München über fehlende Gewahrsamszellen in Bonn bis zu akutem Platzmangel in Singen. Auch in Chemnitz würde man sich über eine Mängelbeseitigung sehr freuen. Kurzum: Es besteht überhaupt kein Anlass, sich zurückzulehnen oder gar mit dem Haushaltsentwurf zufrieden zu sein. Die Investitionen in die innere Sicherheit müssen dringend gesteigert werden. Hierfür setzt sich die AfD-Fraktion ein.
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Im nächsten Jahr werden bei der Bundespolizei erstmalig Winterstiefel beschafft. Bisher – unglaublich – standen nämlich keine zur Verfügung, auch dann nicht, wenn unsere Bundespolizisten beispielsweise bei Schneekatastropheneinsätzen bundesweit im Einsatz waren. Damit ist es jedoch nicht getan. Es ist außerdem wichtig, dass der Digitalfunk in Einsatzlagen störungsfrei funktioniert. Auch bei den Bereitschaftspolizeien der Länder müssen die Ausrüstungen kompatibler und gleichwertiger werden, um gemeinsam mit der Bundespolizei Einsatzlagen erfolgreich zu meistern.
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An dieser Stelle möchte ich mich ganz ausdrücklich bei allen Polizisten für ihre geleistete Arbeit bedanken und bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Nächster Redner ist der Kollege Klaus-Dieter Gröhler, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Minister, der von Ihnen vorgelegte Haushaltsentwurf für 2020 war schon ziemlich gut. Er ist durch die Bereinigungsvorlage der Bundesregierung vor einigen Wochen noch ein bisschen besser gemacht worden. Und, ja, richtigen Schliff hat er dann durch die Veränderungen der Koalitionsfraktionen bekommen. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich beim Koalitionspartner für den wertschätzenden und konstruktiven Umgang bedanken. Lieber Martin Gerster, das war wieder klasse! Ich finde: Wir haben das in den letzten Jahren so gut gemacht, es spricht vieles dafür, dass wir auch im Herbst 2020 den Haushalt für 2021 gemeinsam machen. Also, an mir soll es nicht scheitern.
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Aber lassen Sie mich, meine Damen und Herren, an einigen Beispielen belegen, wo wir wirkliche Veränderungen vorgenommen haben, was uns wichtig ist. Im Sportbereich: 8,5 Millionen Euro zusätzlich für die Ski-WM in Oberstdorf 2021, 1,7 Millionen Euro für die Biathlon-EM im Bayerischen Wald 2022 und 10 Millionen Euro für die Biathlon- und Rodel-WM in Oberhof 2023.
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– Ja, das ist gelebter Patriotismus vor Ort. – Damit kann sich Deutschland wieder als Gastgeber der Welt beweisen, und ich glaube, das ist gut so. Wir haben dem Ministerium auch 1 Million Euro zur Verfügung gestellt, um ein neues Konzept für die Ausrichtung von weiteren Großsportveranstaltungen in Deutschland auf den Weg zu bringen.
An dieser Stelle will ich sagen: Ich finde es gut, dass zahlreiche Regionen in Deutschland im Moment überlegen, sich für die Austragung von Olympischen Spielen zu bewerben. Gestatten Sie mir, dass ich als Berliner eine Idee nochmals in den Raum stelle. Ich weiß, der eine oder andere wird jetzt seltsam gucken, aber ich finde, wir sollten die Überlegung, dass sich Berlin für die Olympischen Spiele 2036 bewirbt, nicht völlig von uns schieben.
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Ich weiß, meine Damen und Herren, dass das bei dem einen oder anderen zu der Reaktion führt: Das geht doch gar nicht! – Aber geht das wirklich nicht? Sollten wir nicht 100 Jahre später zeigen, dass Deutschland ein weltoffenes und tolerantes Land ist? Und sollten wir nicht zeigen, dass 2036 im Olympiastadion nicht mehr der Geist von 1936 weht, sondern der der Fußballweltmeisterschaft von 2006?
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Ich finde, diese Idee sollte man nicht völlig von sich wegschieben.
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Meine Damen und Herren, „Wir leben in der besten und der freisten Republik, die es jemals in Deutschland gab.“ Ich benutze gern und ganz bewusst dieses Zitat von Robert Habeck. Ich hätte mir früher nie träumen lassen, dass ich einmal einen grünen Bundesvorsitzenden zitiere und unterstütze.
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Ich finde es sehr erfreulich, dass die Grünen die Qualität unserer Republik inzwischen anerkennen, nachdem Kanzler der CDU 50 Jahre dieses Land geprägt haben und hoffentlich weiter prägen werden. Ich finde, es ist eine gute Grundvoraussetzung für Weiteres, dass auch die Grünen jetzt zur Verteidigung dieser Republik aufrufen.
In der Tat, meine Damen und Herren, unser Land ist stark und gut, und wir sollten alles tun, um es stabil zu halten. Dafür sorgt auch dieser Haushalt: 2 150 neue Stellen für die Bundespolizei, 800 für das BKA und 150 für das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik. Damit schaffen wir die Voraussetzungen, dass die Bürger in diesem Staat sicher leben können. 300 Stellen – das will ich besonders betonen – erhält das BKA und zusätzliche Stellen das Bundesamt für Verfassungsschutz, um gegen Rechtsextremismus und Terrorismus vorzugehen. Ich glaube, das ist in dieser Zeit sehr, sehr wichtig.
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Wenn wir weiterhin in der besten und freiesten Republik leben wollen, dann müssen wir denen aktiv entgegentreten, die diese Ordnung erschüttern oder beseitigen wollen, egal ob sie von rechts oder von links kommen oder ob sie religiös verblendet sind. Dieses Deutschland ist nicht die Weimarer Republik, und wir sollten alles daransetzen, dass die Feinde der Freiheit und der Vielfalt nie wieder unsere Grundordnung beseitigen können.
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Das sind wir den Opfern beider Diktaturen im 20. Jahrhundert schuldig. Das sind wir Walter Lübcke und auch den Mordopfern von Halle ganz besonders schuldig.
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Die Menschen wollen sich in diesem Land sicher fühlen. Dafür schaffen wir die Voraussetzungen, zum Beispiel auch, indem wir die Hubschrauberflotte der Bundespolizei erneuern oder indem wir die Voraussetzung schaffen, dass im kommenden Sommer acht zusätzliche Hubschrauber zur Waldbrandbekämpfung zur Verfügung stehen. Auch das ist ein wichtiges Signal. Ebenso verstetigen wir die Mittel für das THW zur Anschaffung von 670 Notstromaggregaten, um bei einem Blackout reagieren zu können. Und wir stellen den Hilfsorganisationen unter Federführung des Roten Kreuzes 35 Millionen Euro zur Verfügung, um im Notfall Menschen versorgen zu können.
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Lassen Sie mich noch ein Thema ansprechen – das liegt der Unionsfraktion und mir ganz besonders am Herzen –: Das ist die Förderung jüdischen Lebens in Deutschland. Wir hatten am Montag Josef Schuster, den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, in der Unionsfraktion zu Besuch. Sein Bericht hat mich erschüttert. Er hat nämlich deutlich dargestellt, dass immer mehr Jüdinnen und Juden in Deutschland die Frage stellen: Kann ich in diesem Land noch sicher leben? – Ich glaube, wir müssen alles dafür tun, dass solche Gedanken nicht weiter um sich greifen und dass derartige Gedanken nie Realität werden.
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Juden müssen sich in diesem Land sicher fühlen können. Wir dürfen der Zunahme des Antisemitismus nicht tatenlos zusehen oder ihn widerspruchslos akzeptieren. Dabei ist mir völlig egal, ob dieser Antisemitismus von Ewiggestrigen aus der braunen Ecke stammt, ob er in Migrantenfamilien von Generation zu Generation weitergegeben wird oder ob er aus einer Hetze gegen Israel besteht. Antisemitismus jeglicher Art darf in Deutschland keinen Platz haben.
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Deshalb ist es richtig, dass wir im Haushalt entsprechend Geld zur Verfügung stellen: für den Wiederaufbau der 1938 zerstörten Synagoge Fraenkelufer, für den Wiederaufbau der Synagoge am Hamburger Bornplatz, 4 Millionen Euro für die Fertigstellung des jüdischen Campus in Berlin-Wilmersdorf, 230 000 Euro, damit in Ruhpolding nach 85 Jahren wieder Winterspiele des jüdischen Sportverbandes Makkabi durchgeführt werden können, 5 Millionen Euro, damit im Jahr 2021 1 700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert werden kann. Im Jahr 2021 wird auch 350 Jahre Jüdische Gemeinde Berlin gefeiert. Dabei ist mir wichtig, dass wir diese Feierlichkeiten zum Anlass nehmen, darauf hinzuweisen, dass es vor der Shoah in Deutschland jüdisches Leben gegeben hat und dass es, Gott sei es gedankt, auch nach der Shoah wieder jüdisches Leben in Deutschland geben kann. Wir sollten alles dafür tun, dass das weiterhin der Fall ist.
Herzlichen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Stefan Ruppert, FDP.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an die Worte des Vorredners anschließen. In der Tat ist die Bekämpfung des Antisemitismus eine Gemeinschaftsaufgabe. Herr Gröhler hat dankenswerterweise die Aktivitäten auch in Ihrem Hause aufgezählt, die sind wichtig. Wir verlassen uns nicht allein darauf, sondern das ganze Parlament, die ganze Zivilgesellschaft muss dem Antisemitismus in Deutschland entgegentreten.
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Herr Seehofer, Sie kommen mir vor wie ein Minister, der zentrale Aufgaben unseres Landes bewältigen muss. Aber in der Kombination der Probleme – wie löse ich die Baukrise? wie löse ich das Problem der inneren Sicherheit? wie löse ich das Problem gesteuerter Zuwanderung? wie sorge ich dafür, dass es gesellschaftlichen Zusammenhalt in diesem Land gibt? – kommen Sie mir vor wie jemand, der viele wichtige Bälle in der Hand hat, dem sie aber nacheinander wieder runterfallen, weil Sie nicht zu den gewünschten Ergebnissen kommen.
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Im Bereich der inneren Sicherheit freuen wir uns mit Ihnen über Personalaufbau. Wir haben aber den Eindruck, dass viele Probleme der Rechtsdurchsetzung nicht gelöst sind. Wie kann es sein, dass ein Herr Miri 20 Jahre in unserem Land lebt, nicht abgeschoben wird und, nachdem er abgeschoben ist, gleich wieder das Land betritt? Warum kriegen Sie nicht endlich das Problem gesteuerter Zuwanderung – was man in Bremen natürlich unter Rot-Rot-Grün vielleicht gar nicht in den Griff kriegen will – endgültig in den Griff?
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Ich hätte mir nicht vorgestellt, dass ich im 21. Jahrhundert noch mal gegen Enteignung, Preisregulierung, Preissteuerung und Ähnliches vorgehen müsste. Warum sind Sie nicht mehr an unserer Seite, um den Menschen zu sagen: „Wir lösen die Probleme des Wohnungsbaus in Deutschland nicht durch neue Gesetze, durch neue Regulierungen und durch Enteignungen“? Warum kämpfen Sie nicht mit uns dafür, dass schlicht mehr gebaut wird, um diese Probleme zu lösen, statt die Menschen zu enteignen?
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Ein weiterer Punkt: die IT-Konsolidierung. Der Kollege Gröhler hat mit viel Lokalkolorit die Probleme hier in Berlin und deren Lösung durch die Koalition beschrieben. Aber die IT-Konsolidierung des Bundes ist ein Projekt, das ich schon aus meiner ersten Mitgliedschaft in diesem Hause kenne. Es ist mir unbegreiflich, dass nach zehn Jahren Vorgeschichte dieser BER der Bundesregierung nicht zu einer Lösung gebracht wird. Sie haben 2,5 Milliarden Euro Mehrausgaben. Man muss sich mal vorstellen, was man mit diesem Geld alles machen könnte. Aber leider lösen Sie es nicht. Sie geben es zum Teil ab, weil Sie sagen: Andere in der SPD können es besser. – Das ist vielleicht auch noch nicht die endgültige Lösung für das Problem.
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Ich erinnere mich an die Lektüre eines Artikels über Heimat in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“,
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den Sie geschrieben haben. Ich fand den Artikel hochinteressant. Nicht weil ich glaube, wir hätten lieber ein Digitalisierungsministerium gebraucht statt eines Heimatministeriums, sondern wegen Ihres Ansatzes, zu sagen: Wie hält unsere Gesellschaft morgen zusammen? Was ist der Kitt, der in einem freiheitlichen Staat ein Gemeinwesen zum Zusammenhalt bringt? – Ich kann Ihnen sagen: Viele Bürger sind von Einwanderungsproblemen genervt und von anderen Themen. Aber sie sind auch von Bürokratie genervt. Sie sind auch – ich bin selbst Rotkreuz-Vorsitzender in meiner Heimatstadt – davon genervt, dass die Datenschutz-Grundverordnung das Leben am Ende kompliziert macht. Und was machen Sie? Sie kürzen ausgerechnet bei der Stiftung Datenschutz,
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die dafür da ist, den Menschen das Leben einfacher zu machen, Datenschutz umsetzbar zu machen. Sie killen eine Institution im Osten und nennen das Heimat – wegen 700 000 Euro. Das Ende der Stiftung Datenschutz ist schlicht beschämend.
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Sie lassen die Menschen mit diesem Problem alleine.
Vielen Dank.
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Jetzt hat das Wort der Kollege Martin Gerster, SPD.
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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Verrohung, Hetze und Hass nehmen in Deutschland zu. Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straf- und Gewalttaten steigt. Bis September dieses Jahres waren es bereits über 14 000 rechtsextreme und über 1 100 antisemitische Straftaten. Mit diesem Haushalt, werte Kolleginnen und Kollegen, machen wir sehr deutlich, was eine wehrhafte Demokratie ganz konkret ausmacht: Wir legen Wert auf Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, und wir bekämpfen die Feinde der Demokratie – mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln. Das ist das Gebot der Stunde.
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Wir sichern mit den Koalitionsbeschlüssen jüdisches Leben in Deutschland. Die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger brauchen einen sicheren Platz. Das tun wir zum Beispiel, indem wir wichtige Bauprojekte wie Synagogen unterstützen oder aber auch die Feiern zu 1 700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Wir sagen Nein zu Hass und Hetze. Der Anschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle war niederträchtig und weit mehr als ein Alarmzeichen.
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Widerwärtig sind aber auch der Hohn und der Spott, den Opfer von Straf- und Gewalttaten im Nachhinein dann auch noch erfahren. Das zeigt: Bedrohte Menschen und Gruppen brauchen von uns Schutz und Beistand vor und nach Attacken.
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In den letzten fünf Jahren haben wir in der Großen Koalition die Sicherheitsbehörden gestärkt, wie es in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellos ist: gut 10 000 neue Stellen allein bei der Bundespolizei, 2 500 beim Bundeskriminalamt und viele weitere bei BSI, ZITiS und dem Verfassungsschutz. Jetzt, mit dem Haushalt 2020, haben wir die Schaffung weiterer mehrerer Hundert Stellen beschlossen, um besser gegen rechtsextremen Terror und Hasskriminalität vorgehen zu können. Wir wollen, dass Hetzer und Kriminelle ihre Schranken aufgezeigt bekommen. Das ist wichtig.
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Dazu investieren wir in die Sicherheits- und IT-Technik: 52 Millionen Euro für den Polizei-IT-Fonds, 1 000 Schutzwesten zusätzlich für die Bereitschaftspolizeien, 7 Millionen Euro für die Beschaffung von Winterstiefeln für die Bundespolizei. Und wir investieren in Einsatzfahrzeuge: 1,7 Milliarden Euro für eine umfassende Erneuerung und Erweiterung der Hubschrauberflotte der Bundespolizei.
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Wir helfen, Wohnungen sicherer zu machen. Mit dem Haushalt 2020 gibt es erneut 80 Millionen Euro für das KfW-Programm „Kriminalprävention durch Einbruchsicherung“.
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Man muss sich das mal vor Augen führen: Rund 250 000 Wohnungen konnten wir in den letzten Jahren damit fördern und sicherer machen. Ich glaube, ein großer Erfolg.
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Wir haben darüber hinaus über Hebungsprogramme zahlreichen Bundesbeschäftigten einen beruflichen Aufstieg ermöglicht und durch Tausende von Stellenentfristungen dafür gesorgt, dass viele Menschen eine langfristige berufliche Zukunft erhalten und wir gute, erfahrene Leute halten konnten und können. Das verstehen wir unter „gute Arbeit“.
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Wichtig ist uns auch die Prävention. Die Programme „Demokratie leben!“ im Haus von Franziska Giffey und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ im BMI werden weitergeführt. Darüber hinaus haben wir erneut eine zusätzliche Förderung für die Bundeszentrale für politische Bildung auf den Weg gebracht:
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58 zusätzliche Stellen, 7 Millionen Euro obendrauf. Damit stärken wir – so ist unsere Meinung – auch den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und die Prävention in Bezug auf Sicherheit.
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Lieber Kollege Stefan Ruppert, Datenschutz wird bei uns in der Koalition nicht klein-, sondern großgeschrieben.
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Schauen Sie es sich doch einmal an: Die Anzahl der Stellen beim Bundesdatenschutzbeauftragten haben wir in vier Jahren von 160 auf 320 verdoppelt.
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Allein mit diesem Haushalt kommen noch einmal 45 zusätzliche Stellen hinzu. Für unseren guten Mann im neuen Amt, Uli Kelber, ist das, glaube ich, ein sehr guter Start.
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Letztendlich kann er damit viel tun beim Thema Datenschutz.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, gute Beschlüsse haben wir auch für unsere unglaublich vielen Helferinnen und Helfer beim Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sowie bei unseren Rettungsdiensten auf den Weg gebracht. Dass das notwendig ist, zeigt schon die Zahl von über 1 700 Waldbränden in Deutschland allein im letzten Jahr. Die Feuerwehren profitieren natürlich von dem bereits im letzten Jahr beschlossenen Fahrzeugprogramm. Die Rettungsdienste, für die in erster Linie die Länder zuständig sind, unterstützen wir bei der Umsetzung der „Konzeption Zivile Verteidigung“ mit 35 Millionen Euro für den Aufbau einer zentralen Infrastruktur bei großflächigen Schadenslagen. Ich glaube, ein großer Erfolg dieser Koalition.
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Vor allem aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, unterstützen wir das THW. Hier haben wir in den letzten sechs Jahren sehr viel investiert. Ich meine, aus einer Behörde und Organisation der Mangelverwaltung haben wir eine Bewegung des Aufbruchs gemacht: moderner Fuhrpark statt Oldtimersammlung, neue Liegenschaften statt Baracken, Befreiung der Ehrenamtlichen von lästigen Arbeiten. Hier knüpfen wir an. Beim THW hat sich vieles zum Besseren gewendet. Wir bauen darauf, dass wir neue Helferinnen und Helfer, auch junge Leute, für das THW begeistern können. Das ist ein Schatz in unserer Gesellschaft, und da brauchen wir gute Rahmenbedingungen für unsere Einsatzkräfte.
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Ein Wort zum Sport. Wir unterstützen in der Koalition den Spitzensport mehr denn je. 2018 lag die jährliche Förderung bei 180 Millionen Euro. Nach den Erhöhungen in den letzten beiden Jahren haben wir den deutschen Spitzensport noch einmal mit weiteren 33 Millionen Euro gestärkt. Das sind insgesamt 100 Millionen Euro zusätzlich. Von unseren Erhöhungen profitieren vor allem die Athletinnen und Athleten, aber auch unser Trainerpersonal. Davon profitieren die olympischen Sportarten und dieses Mal auch ganz besonders die nichtolympischen Sportarten. Denn das, was dort geleistet wird, ist genauso Spitzensport wie bei den olympischen Sportarten.
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Gestärkt wird auch die Sportinfrastruktur. Denn wir nehmen noch einmal 200 Millionen Euro für die Sanierung kommunaler Sporteinrichtungen in die Hand. Seit dem Programmstart 2016 haben wir inzwischen insgesamt eine Dreiviertelmilliarde Euro in die kommunalen Sportstätten investiert.
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Auch das ist ein gutes Signal für den Sport.
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Werte Kolleginnen und Kollegen, die Koalition macht auch sehr viel beim sozialen Wohnungsbau. Seit der Föderalismusreform 2006 sind dafür eigentlich die Länder zuständig. Aber was wir hier machen – 1 Milliarde Euro –, das, glaube ich, kann sich wirklich sehen lassen
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und ist letztendlich ein guter Beitrag zur Lösung der Probleme am Wohnungsmarkt.
Wir erleichtern jetzt den Erwerb von Anteilen an einer Wohnungsbaugenossenschaft für selbstgenutzten Wohnraum. Das ist gut; das ist richtig.
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Es wurde viel diskutiert; aber wir haben es jetzt einfach gemacht,
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und das ist auch gut so, und das muss auch oft und häufig gesagt werden, damit möglichst viele Menschen diese Chance auch ergreifen.
Ja, ich finde, wir haben viel bewegt in diesem Haushalt – wieder einmal. Ich möchte mich, auch in meiner Funktion als Hauptberichterstatter für den Einzelplan 06, bedanken beim Bundesminister Horst Seehofer und beim Bundesminister Olaf Scholz sowie bei ihren Teams und Mannschaften, bei den Mitberichterstattern und ganz besonders bei Klaus-Dieter Gröhler von der CDU. Lieber Klaus-Dieter, es war wieder ein Vergnügen. Wir sind ein gutes Team. In der Tat: Ich kann mir gut vorstellen, dass wir zusammen weitermachen.
Danke schön.
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Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Victor Perli, Die Linke.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob es um die Sicherheit der Menschen in diesem Land, um bezahlbare Wohnungen oder um die Stärkung des sozialen Zusammenhalts geht: Es ist nicht erkennbar, dass Minister Seehofer für diese großen Aufgaben seines Hauses langfristige Konzepte und Strategien verfolgt. Es kommt immer nur der Ruf nach mehr Personal. 1 Milliarde Euro kostet das im nächsten Jahr. Aber man kann nicht jedes Problem mit mehr Personal lösen, wenn jetzt schon Tausende Stellen unbesetzt sind. Das ist purer Aktionismus, und das werden wir als Linke nicht mittragen.
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Allein bei den Sicherheitsbehörden sind seit 2013 über 15 000 neue Stellen geschaffen worden. Aber der große Aufwuchs erfolgt zunehmend planlos. Jetzt haben die Kontrolleure vom Bundesrechnungshof angekündigt, dass sie das untersuchen werden. Dafür sind wir jetzt schon dankbar.
Minister Seehofer hat in den letzten Monaten endlich erkannt, dass der Staat mehr gegen die Gewalt und den Terror von Neonazis tun muss. Es ist auch höchste Zeit. Viel zu lange hat man im Bundesinnenministerium den Ernst der Lage und die tatsächliche Bedrohung ignoriert. Was aber fehlt, ist ein strategisches Konzept. Beim BKA werden die Stellen im Bereich der Neonazi-Kriminalität jetzt verdreifacht, obwohl bislang jede vierte Stelle unbesetzt gewesen ist. Das zeigt zum einen Ihre Planlosigkeit, das ist aber auch ein Armutszeugnis für Ihre Politik der letzten Jahre.
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Denn so viel ist klar: Hass und Hetze im Internet werden sich nicht wirksam bekämpfen lassen, indem noch mehr Personal mit noch mehr Befugnissen das Internet überwacht. Das ändert doch nichts an den gesellschaftlichen Ursachen der Verrohung. Dafür müssen wir die Zivilgesellschaft stärken. Dazu müssen wir die vielen Vereine und Initiativen vor Ort unterstützen und das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ ausbauen.
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Aber zu oft passiert genau das Gegenteil. Der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, die von KZ-Überlebenden gegründet worden ist, ist jetzt die Gemeinnützigkeit entzogen worden. Die Ehrenvorsitzende Esther Bejarano – sie ist 94 Jahre alt und Überlebende des KZ Auschwitz – schreibt in einem offenen Brief an die Bundesregierung:
Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus! … Nie habe ich mir vorstellen können, dass die Gemeinnützigkeit unserer Arbeit angezweifelt oder abgesprochen werden könnte! Dass ich das heute erleben muss!
Meine Damen und Herren, im Januar gedenken wir des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz. Was kann gemeinnütziger sein als die Arbeit gegen das Vergessen der Schrecken von Krieg und Faschismus?
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Solches Engagement muss man stärken, anstatt es finanziell zu strangulieren.
Eine andere große Sorge der Menschen in diesem Land ist, ob sie sich in ein paar Jahren noch ihre Wohnung leisten können. Die Bilanz der Großen Koalition sieht düster aus. 1,5 Millionen zusätzliche Wohnungen haben Sie versprochen, aber – das Statistische Bundesamt hat gerade neue Zahlen herausgegeben – die Zahl der Baugenehmigungen sinkt. Der Rückgang bei der Erteilung von Baugenehmigungen setzt sich fort.
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Pro Tag gehen inzwischen 232 Sozialwohnungen verloren, alle sechs Minuten eine, über eine halbe Million seit 2010. Herr Seehofer, was sagen Sie eigentlich der alleinerziehenden Mutter und dem älteren Ehepaar, das 15 Jahre oder länger in einer Wohnung gelebt hat, die sich eine höhere Miete nicht leisten können? Im kommenden Jahr fließen vom Bund nur noch 150 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau. Das ist eine dramatische Kürzung. Für das Baukindergeld, das mit Bauen nichts zu tun hat, weil es vor allem in den Bestand fließt und der Eigentumsbildung dient, gibt es sechsmal so viel. Und die Mieten steigen weiter. Das alles ist ein Totalversagen in der Wohnungspolitik.
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Meine Damen und Herren, Die Linke hat sich in den Haushaltsberatungen dafür eingesetzt, dass die Mittel für die Sanierung von Schwimmbädern erhöht werden; denn es gibt ein regelrechtes Bädersterben. Immer weniger Kinder lernen schwimmen. Die CDU/CSU hat uns vorgeworfen, das sei eine populistische Forderung, der Bund sei überhaupt nicht zuständig.
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Aber am Ende der Beratungen haben sich die Argumente der Linken durchgesetzt. 330 Millionen Euro wurden für die nächsten Jahre für kommunale Sportstätten und für Schwimmbäder bereitgestellt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, eine der wenigen guten Nachrichten in diesem Haushalt.
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In das THW fließt viel zusätzliches Geld, aber es kommt viel zu selten bei den 80 000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern vor Ort an,
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weil es teilweise in den hauptamtlichen Strukturen hängen bleibt. Wir als Linke sind den Ehrenamtlichen vor Ort sehr dankbar. Ihnen gebührt Dank und Anerkennung. Bei ihnen muss das Geld ankommen. Dafür müssen wir uns in den nächsten Jahren noch viel stärker einsetzen.
Danke für die Aufmerksamkeit.
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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Tobias Linder, Bündnis 90/Die Grünen.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Jubelmeldungen, die die Kollegen Gröhler und Gerster hier verbreiten über die vielen Änderungen im Detail – ich will gar nicht verhehlen, dass wir bei den Themen „Sport“ und „Jüdisches Leben“ zugestimmt haben; das finden wir ja auch nicht falsch –, angesichts der Jubelarien, die Sie hier absingen, könnte man glauben, mit dem Innenetat sei alles in Butter. Aber angesichts der Größe des Ressorts und der Größe der Herausforderungen, vor denen wir stehen, kann man doch nicht ernsthaft glauben, dass der heute vorliegende Haushaltsplan eine gute Antwort darauf ist.
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Fangen wir mit einem einfachen Rechenbeispiel an. Herr Seehofer, Sie haben nach dem feigen Mord an Walter Lübcke gefordert, dass das BKA 440 zusätzliche Stellen erhalten soll. In der Bereinigungssitzung sind es dann letztendlich 300 Stellen geworden. Bilden wir die Differenz: Das sind 140 Stellen, ein Drittel weniger, als Sie selbst für notwendig und vernünftig erachtet haben. Wir als Grüne werden Sie nicht dafür prügeln, dass Sie endlich in die richtige Richtung gehen, und wir werden auch anerkennen, dass 300 Stellen nicht nichts sind. Aber angesichts der Situation 2019 in Deutschland müssen doch auch die Letzten begriffen haben, was seit Jahren offensichtlich ist, nämlich dass von rechts eine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft ausgeht und dass wir mit aller Macht gegen den Rechtsterrorismus und gegen die geistigen Brandstifter kämpfen müssen. Hier kann man doch keine halbherzigen Schritte unternehmen.
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Nicht erst seit dem Jahr 2019 ist bekannt, dass es ein Problem von rechts gibt. Ehrlich gesagt, ich finde es beschämend, dass die öffentliche Diskussion in Teilen erst nach dem Mord an Walter Lübcke begonnen hat. Seit der Wiedervereinigung sind 199 Menschen Opfer rechter Gewalt geworden. Wir hatten im Deutschen Bundestag schon vor zwei Wahlperioden einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der sich mit dem sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund befasst hat. Wer erst heute und dann auch noch halbherzig reagiert, der hat die Gefahr an dieser Stelle immer noch nicht richtig verstanden.
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Ich will ein zweites Thema ansprechen, das Thema IT-Konsolidierung. Herr Seehofer, man könnte meinen, Sie hätten damit nichts mehr zu tun. Der Kollege Ruppert sprach im Zusammenhang mit der IT-Konsolidierung des Bundes vom „BER der Bundesregierung“.
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Die Kosten sind von 1 Milliarde Euro auf 3,5 Milliarden Euro in die Höhe geschossen, ohne dass ernsthaft etwas passiert ist. Über das Konzept sagen Mitglieder Ihrer Fraktion im Haushaltsausschuss, das Konzept ist an die Wand gefahren worden, und sie haben Angst, dass auch das neue Konzept an die Wand gefahren wird. Jetzt haben Sie das ganze Thema – ich weiß, Sie sind nicht der Mann fürs Digitale, schade um Ihren Twitter-Account, Herr Seehofer – wie eine heiße Kartoffel an Herrn Scholz weitergegeben, verschweigen dabei – –
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– Herr Dobrindt, mag sein, dass Sie im Digitalen vielleicht auch nicht so fit sind; wir können das gerne privatissime klären. Vielleicht haben auch Sie nicht gemerkt, dass Herr Seehofer in Wahrheit noch die IT-Konsolidierung auf seinem Tisch liegen hat und die heiße Kartoffel weiterhin nicht los ist.
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Als wäre das Ganze nicht schon traurig genug, kommt dann noch die Vorsitzende der CDU Deutschlands auf dem Bundesparteitag ans Pult gerannt und sagt: Jetzt brauchen wir ein Digitalministerium. Ja, was denn nun, liebe Kolleginnen und Kollegen?
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Sie spielen mit 3,5 Milliarden Euro Steuergeld. Sie wissen nicht, in welche Richtung Sie laufen wollen. Das Geld könnten Sie vernünftiger einsetzen, und auch die IT-Konsolidierung des Bundes könnten Sie vernünftiger gestalten, um ehrlich zu sein.
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Ein letzter Punkt, an dem die Koalition nach wie vor die falschen Prioritäten setzt. Herr Gerster, Sie feiern sich hier dafür ab, dass Sie 1 Milliarde Euro in den sozialen Wohnungsbau geben. Schauen wir uns an, was die Koalition in dieser Legislaturperiode für sozialen Wohnungsbau und für Städtebauförderung zusammen tut, dann stellt man fest: Es ist weniger als das, was für das Baukindergeld ausgegeben wird. – Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich gönne jeder Familie ihr Wohneigentum, ich gönne jedem, der an die 12 000 Euro Baukindergeld herankommt. Das ist nicht das Thema. Aber wenn wir sehen, dass aus dem Baukindergeld nur 20 bis 25 Prozent Neubau finanziert werden, und wenn wir gleichzeitig sehen, dass Familien mit kleinen und mittleren Einkommen sich gar keinen Kopf über Eigentum, sondern einen Kopf über bezahlbare Mietwohnungen machen müssen, dann muss man sagen: Das ist doch die absolut falsche Prioritätensetzung, wenn Sie an der einen Stelle etwas tun, aber an anderer Stelle das Thema sträflich vernachlässigen.
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Wir Grüne haben in den Haushaltsberatungen zahlreiche Vorschläge gemacht, wie man den vorliegenden Haushalt wirklich so hätte gestalten können, dass er der Größe des Ressorts und der Größe der Herausforderungen gerecht wird. Sie sind unseren Vorschlägen nicht gefolgt, und wir folgen heute nicht Ihrem Haushaltsplan.
Herzlichen Dank.
({9})
Jetzt erteile ich das Wort dem Bundesinnenminister Horst Seehofer.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 30 Jahren erlebe ich die Generaldebatten am jeweiligen Mittwoch der Haushaltswochen im Deutschen Bundestag.
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Ich habe noch nie eine Generaldebatte erlebt, bei der die Fragen der inneren Sicherheit und der Migration so gut wie keine Rolle gespielt haben; anders dieses Mal.
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Das ist ein gutes Zeichen, weil die Dinge dort in Ordnung sind.
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Für den zuständigen Minister ist nicht entscheidend, was prognostiziert und gedichtet wird, sondern wie in den einzelnen Zuständigkeitsfeldern die Realität tatsächlich ausschaut.
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Ich beginne bei der Migration. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres haben wir eine Zuwanderung – Asylerstanträge – von 96 000 Menschen. Sie lesen manchmal noch andere Zahlen; aber in diesen Zahlen sind 26 000 Kinder enthalten, die im ersten Lebensjahr sind und hier, in der Bundesrepublik Deutschland, geboren sind. Ich sage: 96 000 Menschen. Wenn Sie sich einmal zurückerinnern, welche Größenordnungen in den letzten Jahren maßgeblich waren: Da ging es um 1 Million, über 500 000 usw. – Daher stelle ich zuallererst einmal fest: Was diese Koalition in letzter Zeit an Maßnahmen der Steuerung und der Ordnung entschieden hat, hat in der Praxis eine große, positive Wirkung.
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Da ich gerade „Null Steuerung!“ höre, möchte ich Ihnen ein Thema entgegenhalten, über das manche besonders gerne diskutieren – aber auch das haben wir im Griff –, die sogenannte Seenotrettung, die viele in eine emotionale Stimmung versetzt hat. Es ist so, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir in eineinhalb Jahren weniger Menschen aus der Seenotrettung in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen haben, als an einem Tag auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland kommen.
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Deshalb war es eine verantwortliche Entscheidung, Menschen vor dem Ertrinken zu retten und unseren Anteil zu erbringen.
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Die zweite Lebensrealität ist die Sicherheitslage in unserem Lande. Sie wird manchmal überschattet von grässlichen Verbrechen, von Schwerverbrechen. Aber die Polizeiliche Kriminalstatistik weist auch für dieses Jahr einen Rückgang der Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland aus, und das ist ein Rückgang im dritten Jahr in Folge. Deshalb besteht aller Anlass, unseren Sicherheitsbehörden Dank auszusprechen. Das, was Sie von den Koalitionsfraktionen an Investitionen in Personal, in Sachausstattung für unsere Sicherheitsbehörden eingesetzt haben – dafür bin ich sehr, sehr dankbar –, zahlt sich aus durch eine höhere Sicherheit in unserem Land. Wir gehören zu den sichersten Ländern auf dieser Erde. Dafür Danke!
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Wir haben auch schwierige Situationen bewältigt. Der Fall Miri ist hier genannt worden. Es ist ärgerlich,
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wenn jemand mit einer Liste von 19 Strafeinträgen, der des Landes verwiesen wurde – das habe ich übrigens im Sommer veranlasst; den Bremern bin ich dafür dankbar, dass sie da sehr gut mit uns zusammengearbeitet haben –, trotz Einreisesperre wieder einreist. Er wurde wieder verhaftet und von den Behörden erneut ausgewiesen. Beteiligt waren das BAMF, das die Beurteilung, ob der Asylantrag berechtigt ist oder nicht, an sich gezogen hat,
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die Polizei, die Sicherheitsbehörden, aber auch die Justiz, die die Entscheidungen der Sicherheitsbehörden bestätigt hat. Miri ist jetzt erneut ausgewiesen worden. Das ist ein großer Erfolg für die Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaates, meine Damen und Herren.
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In diesem Zusammenhang habe ich eine stärkere Überprüfung der deutschen Grenzen angeordnet.
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Dafür brauchen wir übrigens mehr Personal. Diese stärkere Kontrolle an den Grenzen ist notwendig – ich muss das dem Parlament hier so mitteilen –, solange die Kontrollen an den Außengrenzen Europas und – das füge ich ausdrücklich hinzu – das Schengen-System nicht so funktionieren, wie das funktionieren sollte.
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Ich werde demnächst dem Parlament eine Erkenntnis aus den wenigen Tagen der Grenzkontrollen vorlegen. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin immer wieder beeindruckt – nein, das wäre zu wenig –, ich bin erschüttert, wie viele Menschen, die mit Haftbefehl gesucht werden, in welch kurzer Zeit im deutschen Grenzraum aufgegriffen werden. Innerhalb von elf Tagen wurden 40 mit Haftbefehl gesuchte Menschen von der Polizei aufgegriffen, und annähernd 100 Menschen, die eine Einreisesperre haben, sind trotzdem illegal nach Deutschland eingereist. Das macht deutlich, wie richtig der Satz ist: Die Sicherheit beginnt an der Grenze. – Es wird zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Europäischen Kommission gehören, sich dieser Aufgabe so zuzuwenden, dass wir unserer Bevölkerung sagen können: Wir gewährleisten die Sicherheit an den Außengrenzen der Europäischen Union. – Aber solange das nicht gemacht ist, müssen wir unsere Binnengrenzen stärker beobachten und das Recht durchsetzen.
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Ich freue mich außerordentlich über den Aufwuchs im Bereich Sport. Ich war letzte Woche bei einer großen Veranstaltung der Sporthilfe, zusammen mit Frau Freitag, die, glaube ich, auch hier ist. Ich denke, dass die Sportlerinnen und Sportler und die Verbände den Aufwuchs sehr positiv aufgenommen haben. Ich darf den Dank weitergeben an das Parlament. Ich habe mit 160 Millionen Euro begonnen, wir sind jetzt bei fast 280 Millionen Euro. Hinzu kommt das Programm zur Sanierung von Sportstätten, Kultureinrichtungen etc. Das ist alles großartig.
Das dritte Thema, das ich ansprechen möchte, gerade an die Adresse der FDP gerichtet, ist das Wohnen. Sie werden in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kein Programm finden, das so viele Punkte umfasst wie das, das wir auf dem Wohngipfel beschlossen haben,
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und die auch alle umgesetzt sind. Jetzt sage ich Ihnen etwas zum Papier: Wir haben 700 000 Bauanträge, die genehmigt, aber noch nicht realisiert sind. Wir haben im Jahr um die 300 000 neue Baugenehmigungen. Das differiert mal um 0,4 Prozent, mal um 1 Prozent nach oben oder unten. Die Bauwirtschaft brummt.
Vielleicht darf ich einmal darauf hinweisen, dass das schmale Wachstum, das wir derzeit haben, vor allem durch die Bauwirtschaft gespeist wird; das muss man deutlich sagen.
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Mich freut besonders, dass sich das nicht nur in höheren Preisen widerspiegelt, sondern dass auch die Beschäftigtenzahl in der Bauwirtschaft deutlich gestiegen ist. Da die Unternehmen ihre offenen Stellen oft gar nicht besetzen können, wird es sehr wichtig sein, das Fachkräftezuwanderungsgesetz im Frühjahr kraftvoll umzusetzen; denn es wäre eine Wachstumsbremse, wenn wir das Beschäftigungspotenzial in diesem Bereich nicht ausschöpfen könnten. Dem dient das Fachkräftezuwanderungsgesetz.
Das heißt, die Bauwirtschaft brummt wie schon lange nicht mehr: mehr Beschäftigte, mehr Wohnungen. Linie der Koalition ist, dass wir einen sozialen Mieterschutz vorsehen. Das Wohngeld haben wir übrigens auch erhöht, und zwar schon zum zweiten Mal in meiner Amtszeit. Bei all dem folgen wir aber den Regeln der sozialen Marktwirtschaft, ohne Enteignungen und solche Dinge. Der andere Ansatz ist: Bauen, bauen, bauen. Keine Regierung hat seit langer Zeit so viel auf dem Wohnungsmarkt veranlasst wie diese. Keine!
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Ich bedanke mich für eine außerordentlich gute Zusammenarbeit mit dem Haushaltsausschuss und mit den Berichterstattern.
Ich gestehe zu, dass es Probleme bei der IT-Konsolidierung gibt; aber diesen Beschluss habe ich nicht gefasst, sondern ich habe ihn vorgefunden. Ich kann nicht etwas weiterführen, was ich für falsch halte, ich kann nicht eine Zuständigkeit ausüben, die ich in Wahrheit gar nicht habe. Sie wurde dem Innenministerium durch einen Beschluss im Jahre 2015 zugeordnet.
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Ich habe zum Beispiel keinen Zugriff auf die Rechenzentren der Bundesregierung. Die hat der Finanzminister. Deshalb war es höchste Zeit, dass wir die Verantwortlichkeiten wieder klar zugeordnet haben.
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Wer die Zuständigkeit für die Rechenzentren hat, der soll auch dieses Projekt realisieren.
Ich habe die Zuständigkeit für die Digitalisierung der Verwaltung, und die läuft auf Hochtouren. Wir werden die meisten öffentlichen Dienstleistungen des Bundes bereits im nächsten Jahr digitalisiert haben. Weil ich gestern gehört habe, wir müssten das Tempo erhöhen: Dies läuft auf Höchsttouren.
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Ich lade jeden aus dem Parlament zu mir ein, um sich genau darüber zu informieren, was unsere Labore hier voranbringen. Ein Beispiel: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt am 1. März 2020 in Kraft. Dann muss die Visaerteilung natürlich digital erfolgen. Ich habe mich jetzt in unseren Laboren vergewissert und gesehen: Sie sind hier schon sehr, sehr weit.
Danke für die Zusammenarbeit. Eine Welturaufführung ist, dass der Herr Perli zum ersten Mal meinen Rücktritt nicht gefordert hat.
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Er hat offensichtlich vom Baum der Erkenntnis gegessen.
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Lieber Herr Gröhler und lieber Herr Gerster, herzlichen Dank; das waren gute Beratungen – übrigens mit allen Berichterstattern. Die Reden, die hier gehalten werden, hören sich immer ganz anders an, als die Zusammenarbeit tatsächlich war. Insbesondere Herr Gerster und Herr Gröhler: Danke für die sehr gute Zusammenarbeit.
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Nächster Redner ist der Kollege Martin Hess, AfD.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Innenminister, wenn man Ihre Aussagen zur Lage der inneren Sicherheit hört, dann kann ein objektiver Außenbetrachter nur zu einem Schluss kommen: Entweder leiden Sie unter einer massiven Störung der Realitätswahrnehmung, oder Sie reden sich die Lage schlicht schön.
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Das, was Sie hier in Bezug auf die Sicherheitslage dargestellt haben, hat mit der Lebenswirklichkeit in unserem Land nichts zu tun. Deutschland wird immer unsicherer, und unser Rechtsstaat verliert immer mehr Boden an seine Feinde. Das ist die unumstößliche Wahrheit.
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Jeder normal denkende Mensch in diesem Land erkennt das auch. Warum sonst müssen Sie immer mehr Geld für die innere Sicherheit ausgeben? Warum sonst müssen Sie für einen Stellenaufwuchs bei den Sicherheitsbehörden sorgen, wenn Deutschland doch angeblich so sicher ist wie seit 30 Jahren nicht mehr? Herr Minister, der Bürger lässt sich nicht für dumm verkaufen und erkennt diese Widersprüche.
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Sie erzählen den Bürgern unseres Landes nur aus einem einzigen Grund ständig das wiederholte Märchen vom ach so sicheren Deutschland: Sie wollen über Ihr an Dilettantismus grenzendes sicherheitspolitisches Versagen hinwegtäuschen.
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Aber ich sage Ihnen: Immer mehr Bürger durchschauen diese Farce, und da hilft es auch nichts, dass Sie ständig versuchen, den Bürgern einzureden, ihr subjektives Sicherheitsempfinden würde nicht der tatsächlichen Lage entsprechen, ganz so, als würden sich unsere Bürger nur einbilden, dass Deutschland immer unsicherer wird. Gerade in diesen Tagen wird auf den Weihnachtsmärkten im ganzen Land doch für jeden offensichtlich, wer hier tatsächlich unter einer massiven Wahrnehmungsstörung leidet. Unsere Kinder werden sich an keine Weihnachten ohne Terrorsperren und schwerbewaffnete Polizisten erinnern können. Genau das ist der zentrale Beleg Ihres Versagens und bestätigt, dass die Bürger recht haben.
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Sie versuchen mit diesem Haushalt, sicherheitspolitische Probleme zu beseitigen, die es ohne Ihr inakzeptables Versagen im Bereich der inneren Sicherheit gar nicht gäbe. Hätte die Bundesregierung die richtigen Entscheidungen getroffen, dann wäre Deutschland heute wesentlich sicherer. Sie hatten und haben die Möglichkeit, eine Sicherheitspolitik umzusetzen, die zu einem maximalen Schutz unserer Bürger führt. Aber genau hier, bei einer zentralen, um nicht zu sagen: der zentralsten Aufgabe unseres Staates versagen Sie kläglich – mit fatalen Folgen für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit und das Eigentum unserer Bürger.
Dieses sicherheitspolitische Desaster können und werden wir weder akzeptieren noch hinnehmen. Die größtmögliche Sicherheit unserer Bürger muss endlich hergestellt werden, und dabei darf es keine Kompromisse geben.
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Sie proklamieren hier immer die Verteidigung unserer Grund- und Werteordnung, tun aber genau das Gegenteil. Sie wollen allen Ernstes 7 Millionen Euro Steuergelder an Moscheen verteilen, um die Integration zu fördern, und das auch an DITIB-Moscheen, obwohl die Sicherheitsbehörden sagen, dass DITIB massive staatsfeindliche Aktivitäten entfaltet und deshalb eigentlich nachrichtendienstlich überwacht werden müsste. Sie finanzieren Islamisten und Salafisten. Das, Herr Minister, nennt man „Den Bock zum Gärtner machen“. Bei der Finanzierung von Staatsfeinden machen wir nicht mit.
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Wer mit offenen Augen durch unsere Republik geht, erkennt jeden Tag, wie schlimm es um unsere Sicherheitslage bestellt ist: Die islamistische Terrorgefahr ist so hoch wie nie, die Migranten- und Messerkriminalität steigt stetig an, die Zahl schwerer Sexualdelikte, wie Gruppenvergewaltigungen, nimmt zu, Frauen und Kinder werden mittlerweile vor einfahrende Züge gestoßen, Krankenhäuser, Freibäder, Schulen und Jobcenter kommen ohne Sicherheitsdienste nicht mehr aus, die Angriffe gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte werden immer brutaler, Clankriminelle tyrannisieren ganze Stadtteile, stürmen Polizeiwachen und Krankenhäuser, und die Sicherheitsbehörden konstatieren einen massiven Zulauf und warnen vor neuen gefährlichen Clans mit kriegserfahrenen Zuwanderern.
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Das sind Kriegsmaschinen, die Sie mit Ihrer fatalen Migrationspolitik ungehindert in unser Land lassen, und das ist ein Skandal.
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In der Hauptstadt dürfen Drogendealer mit Billigung und Duldung aller staatlichen Institutionen völlig ungehindert Drogen verkaufen. War wohl nichts mit dem sichersten Deutschland aller Zeiten! Im Gegenteil: Deutschland ist offensichtlich zu einem sicherheitspolitischen Irrenhaus mutiert.
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Angesichts dieser verheerenden Bilanz bleibt mir nur ein eindringlicher Appell: Es ist Ihre Aufgabe, die Bürger bestmöglich zu schützen. Fangen Sie um Gottes Willen endlich damit an!
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Sebastian Hartmann, SPD, ist der nächste Redner.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir merken es in dieser Debatte: Wenn wir über die innere Sicherheit reden, dann müssen wir über etwas mehr als nur über Repressionen oder konsequente Strafverfolgung reden; denn die innere Sicherheit umfasst immer auch die persönliche, soziale und wirtschaftliche Sicherheit. Damit reden wir über den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land.
Sicherheit bedeutet, dass Menschen unter gerechten Bedingungen für ihre eigene Existenz sorgen und sich darauf verlassen können, ohne Angst in ihren Wohnungen, ihrer Stadt, ihrem Landkreis zu leben – und das in allen Bezirken im ganzen Land. Das hält diese Gesellschaft zusammen, und das ist aus meiner Sicht auch das Grundversprechen eines starken und leistungsfähigen Staates, gegenüber dem seine Bürgerinnen und Bürger eben nicht nur eine Holschuld haben, sondern der auch eine Bringschuld hat, wenn es darum geht, in diesen gesellschaftlichen Zusammenhalt zu investieren und damit Ordnung und Regeln zu schaffen, damit jeder seine Freiheit in diesem Land auch wirklich verwirklichen kann.
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Wir haben es gemerkt: Wenn über diesen Staat gesprochen wird, dann werden sehr hohe Forderungen gestellt. Sie sind aber – das sage ich jetzt auch in Richtung der Liberalen – nicht konsequent; denn Sie sind dafür verantwortlich, dass das, was Sie eingefordert haben, nicht geleistet werden konnte. Um diese Bringschuld zu erfüllen, muss ein starker und handlungsfähiger Staat nämlich auch ausreichend finanziert sein und entsprechende Investitionen tätigen können.
Dieser Haushalt ist im Bereich der inneren Sicherheit so stark wie noch nie, aber Sie, meine Damen und Herren von den Liberalen und den Konservativen, waren es, die den schlanken Staat erst stark gemacht haben. Sie waren stolz darauf, als es darum ging, Personal abzubauen, weniger Sicherheitskräfte und längere Gerichtsverfahren zu haben.
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Sie haben dafür gesorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger eben keinen starken, solidarischen und leistungsfähigen Staat erlebt haben. Das müssen Sie sich ans Revers heften.
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Dieser starke, solidarische Staat lebt davon, dass er Einsatzkräfte hat, die vernünftig bezahlt und durch Gesetze geschützt werden. Die Rettungskräfte sind im engsten Sinne auch solidarisch. Das sind Menschen, die ihre Gesundheit und ihr Leben im Ehrenamt einsetzen. Wir haben dafür gesorgt, dass Gesetze verschärft wurden, weil der Respekt vor Einsatzkräften fehlte, Straftaten verübt und Polizistinnen und Polizisten angegriffen wurden.
Dieses Ehrenamt macht den starken, solidarischen Staat aus. Die Solidarität vieler Tausender Helferinnen und Helfer geht so weit – damit sind sie nicht neutral –, dass sie ihre eigene Gesundheit für andere Menschen einsetzen. Eine Sache muss dabei klar sein: Sie wenden sich den Bürgerinnen und Bürgern, den Einwohnern unseres Landes zu, die Hilfe bedürfen. Diese Hilfe kennt keine Nationalität, keine Hautfarbe, kein Geschlecht und keine Religion.
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Darum sind wir in diesem Sinne als Staat und als Gemeinschaft auch nicht neutral, wenn es um eine starke, wehrhafte Demokratie geht. Es ist richtig, dass in den Organisationen und in den Einheiten eine Debatte darüber geführt wird.
Ich erinnere an den Deutschen Feuerwehrverband. Ich erkläre mich solidarisch mit dem Präsidenten Ziebs, der klar gesagt hat: Wir sind nicht neutral. Wir treten für die Demokratie ein, für die Menschenrechte
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und sagen Nein zu Rechtsnationalismus und Faschismus. Nein, das wollen wir in unseren Reihen nicht. Das ist die Nichtneutralität, die wir brauchen.
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Deswegen verdient er unsere Solidarität. Jeder, der sich da einsetzt, weiß uns an seiner Seite.
Wir lassen sie nicht alleine. Das sind nicht nur Worte. Wir investieren massiv in die Ausstattung mit Fahrzeugen. Wir investieren massiv dahin gehend, dass auch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer eine höhere Aufwandsentschädigung bekommen.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wer hat eigentlich das Ehrenamtspaket in der 17. Legislaturperiode auf den Weg gebracht?
Die Kampagnen laufen dahin gehend, dass man sich im Ehrenamt entsprechend einsetzt.
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– Herr Buschmann, Sie haben in diesem Land in der schwarz-gelben Koalition Verantwortung getragen und eine Kürzungsorgie nach der anderen gemacht, die das Ehrenamt getroffen haben. Als es darum ging, dieses Land zu regieren, haben Sie sich verweigert, weil Sie gesagt haben: Besser nicht regieren als schlecht regieren! – Jetzt wollen Sie uns Tipps geben, wie man es besser machen kann? Es ist Ihre Verantwortung, dass Sie ihr nicht nachgekommen sind.
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Auch wenn konservative und sozialdemokratische Abgeordnete im Gesellschafts- und Menschenbild einiges unterscheidet, insbesondere auch darin, was den starken und solidarischen Staat angeht, so kann man, obwohl man unterschiedlicher Auffassung ist, zu einem Ergebnis kommen: Wir nehmen mehr Geld in die Hand.
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Wir machen dieses Land sicherer. Wir sorgen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Darum ist es wichtig, dass die Sozialdemokratie Verantwortung trägt. Das kann man in diesem Haus niemand anderem überlassen.
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Nächster Redner ist der Kollege Hagen Reinhold, FDP.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anders als Horst Seehofer bin ich, wenn ich an Bauen und Wohnen denke, wenn ich daran denke, dass er am Anfang der Legislatur angekündigt hat, die Entwicklung der Mieten würden in dieser Legislaturperiode eine zentrale Frage werden, um den Schlaf gebracht. Mittlerweile sieht man mir das unglücklicherweise auch an.
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Das ist schon schlimm genug.
Natürlich meine ich damit zuallererst die feuchten sozialistischen Träume von Rot-Rot-Grün in Berlin. Ich meine den Mietendeckel, der nichts anderes macht, als kleine private Vermieter dazu zu bringen, ihre Wohnungen zu verkaufen, der nur noch großen Vermietern die Chance lässt, die Verluste in Berlin durch Gewinne aus anderen Bereichen auszugleichen, um hier zu agieren.
Viel schlimmer – da sieht man, dass Sie überhaupt nicht überblicken, was hier los ist –: Jeder Quadratmeter Wohnraum braucht zu seiner Erhaltung zwischen 7,50 und 10 Euro im Jahr. Bei über 100 Millionen Quadratmetern in Berlin macht das eine Investition von 1 Milliarde Euro.
Ich bin selber Maurer. Ich rede mit den Leuten, die hier in Berlin unterwegs sind. Diese erzählen mir: Verträge werden nicht verlängert, Rahmenverträge gekündigt. Die Handwerker, die Malerinnen, die Fliesenleger, die Bodenleger dieser Stadt machen sich Gedanken darüber. Die schicken Sie bald in die Arbeitslosigkeit.
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Das ist überhaupt keine verantwortungsvolle Politik. Diese Menschen wollen nicht von einer Miete von 6,20 Euro auf 5,50 Euro kommen. Sie wollen, dass sie nächstes Jahr noch ihre Miete bezahlen können, und zwar selber, nicht durch das Amt.
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Jetzt zu Ihnen, Herr Minister. Herr Seehofer, Sie stellen sich hier hin und sagen, Sie wollten über die Realität reden. Die Realität ist, dass auf Ihrer Internetseite steht: Sie sind der Wächter der Verfassung. – Verdammt noch mal, dann seien Sie doch der Wächter der Verfassung! Ihr eigenes Haus sagt, ein solcher Mietendeckel sei verfassungswidrig. Dann tun Sie doch etwas dagegen. Schön, dass die Kollegen der Union gesagt haben, dass sie den Weg der FDP nach Karlsruhe mitgehen. Sie haben Ihre Kollegen der Union-Bundestagsfraktion aufgefordert, da mitzugehen
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und gegen die Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes anzukämpfen. Der Minister könnte es schon heute, aber er tut es nicht.
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Sie wollen über die Realität reden? Die Realität ist, dass Sie 1,5 Millionen Wohnungen bauen wollten und davon fast 200 000 Wohnungen entfernt sind. Das ist die Realität. Zum Ende der Legislatur – das sage ich Ihnen – sind Sie davon ein Drittel entfernt. Bevor Sie den Bau von 1,5 Millionen Wohnungen gebacken bekommen – das sage ich Ihnen –, ist Olaf Scholz Kanzler. Das wird beides nicht eintreten.
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Was nämlich die Leute brauchen, um Wohnungen zu bauen, ist Verlässlichkeit, und die kann diese Regierung nicht bieten. Den Haushalt können Sie aufblasen, so viel Sie wollen. Der Bau von 1 bis 2 Millionen Wohnungen kostet 300 bis 400 Milliarden Euro. Die haben nicht Sie im Bundeshaushalt. Die haben private Investoren, die dieses Geld in diesem Land investieren wollen. Diese brauchen Verlässlichkeit und keine Strohfeuer.
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Diesen Investoren nutzt kein Baukindergeld. Die Regierung hat es noch nicht einmal gebacken bekommen, damit die Eigentumsquote in Deutschland zu erhöhen. Investoren nutzt keine Sonder-AfA, die nur über ein paar Jahre läuft. Was die Bauwirtschaft braucht, ist Verlässlichkeit. Die ist in dieser Regierung – verdammt noch mal – nicht zu finden.
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Angesichts der Summe von 300 bis 400 Milliarden Euro – das ist ja das Geile dabei – an Investitionskosten weiß ich, dass davon durch Mehrwertsteuer und Grunderwerbsteuer 25 Prozent an den klebrigen Händen des Staates bleiben. In dieser Summe sind sehr viele Steuern enthalten, die zurück in Ihr Säckel fließen. Daher sollten Sie ein Interesse daran haben, dass in Deutschland gebaut wird. Das Gegenteil ist der Fall.
Sie wollen die energetische Sanierung in diesem Land vorantreiben. Ist Ihnen klar, dass vor 1989 70 Prozent des Wohnungsbestands in Deutschland gebaut wurden, weitere 13 Prozent zwischen 1990 und 1999? Da gibt es enorm viel zu tun. Wen brauchen Sie dafür? Investoren und private Anleger, die Geld in die Hand nehmen und ihre Wohnungen sanieren. Angesichts von Mietpreisbremsen und zurückgesetzten Mietenspiegeln, die wahrscheinlich bald, wenn das so weitergeht, in die Zeit zurückreichen, als wir Schlaghosen trugen: Wie wollen Sie denn die Leute mit solchen Signalen dazu bewegen, Geld zu investieren?
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Ich würde sagen: Streichen Sie das Wort „Verfassung“ auf Ihrer Internetseite. Das Wort „Bau“ können Sie ganz klein schreiben oder auch streichen. Dann bleibt nicht viel mehr als das Wort „Heimat“ übrig. Wie Sie den ländlichen Raum in den letzten Jahren vorangetrieben und unterstützt haben, haben wir auch gesehen. Sie hatten oftmals die Chance, über die Grundsteuer etwas zu bewirken. Sie hätten in den ländlichen Räumen wie verrückt Bahnverbindungen bauen können. Nichts davon ist passiert – außer große Worte. – Setzen! Sechs! Das hat meine Lehrerin immer gesagt.
({9})
Caren Lay, Die Linke, ist die nächste Rednerin.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Seehofer, Sie sind ja auch Bauminister. Ich möchte das gerne erwähnen, denn es kann gut sein, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer davon bisher noch nicht so viel mitbekommen haben.
Ich muss sagen, dass sowohl in Ihrer Rede als auch in Ihrer Amtsführung und vor allen Dingen in diesem Haushalt, über den wir heute sprechen, dem Thema Baupolitik bestenfalls eine Nebenrolle zukommt. Das wird der Herausforderung, vor der wir stehen, einfach nicht gerecht.
({0})
Die wenigen Worte, die Sie heute dazu gesagt haben, lassen wirklich tief blicken. Das Kriterium für eine gute Wohnungspolitik sind nicht die Wachstumsraten der Bauwirtschaft. Das ist die Frage, ob es uns gelingt, dass Geringverdiener, dass Durchschnittsverdiener noch eine bezahlbare Wohnung finden. Darauf kommt es doch an.
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Dann schauen wir uns Ihre Halbzeitbilanz in der Frage des sozialen Wohnungsbaus doch einmal an. Im letzten Jahr sind gerade einmal 27 000 Sozialwohnungen neu gebaut worden – bundesweit. Das ist natürlich viel zu wenig.
({2})
Schlimmer noch: Jedes Jahr fallen deutlich mehr Sozialwohnungen aus der Bindung heraus, als neu gebaut werden.
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Im letzten Jahr hatten wir ein Minus von 42 000 Sozialwohnungen. Wenn das so weitergeht, müssen wir Sozialwohnungen unter Artenschutz stellen. Das ist einfach unverantwortlich.
({4})
– Ich höre hier immer die Zwischenrufe von der FDP und der Union: Die Länder sind schuld, Berlin ist schuld.
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Mal davon abgesehen, dass es die gleiche GroKo war, die 2006 die Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau an die Länder gegeben hat – übrigens gegen unseren Willen als Linke –,
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habe ich mir die Bilanzen einmal angeschaut. In welchen Ländern wird pro Einwohner die größte Zahl an Sozialwohnungen gebaut?
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In Hamburg und Berlin werden pro Einwohner die meisten Sozialwohnungen gebaut.
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Daran können sich vielleicht die unionsregierten Länder einmal ein Beispiel nehmen.
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Nein, meine Damen und Herren, der Fehler liegt in diesem Haushalt, denn die geringen Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau von 1,5 Milliarden Euro wollen Sie ja noch weiter auf eine einzige Milliarde Euro kürzen. Das ist einfach viel zu wenig.
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Schauen wir einmal nach Wien. Allein in der Stadt Wien, ungefähr so groß wie Hamburg, werden Jahr für Jahr 680 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben. Diese Stadt hat eine bessere Bilanz. Da zahlen die Leute im Schnitt nämlich nur 21 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen, in München sind es 36 Prozent. Deswegen sagen wir Linke: Lasst uns das Wiener Modell auf Deutschland übertragen. Lasst uns in den sozialen Wohnungsbau investieren und in den Gemeindewohnungsbau. Das ist der richtige Weg.
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Jeder Euro, der in den Bau von bezahlbarem Wohnraum investiert wird, ist gut angelegtes Geld. Aber das, was Sie hier tun, nämlich in das Baukindergeld zu investieren und nachträglich die Wohnungen zu subventionieren, die schon längst gebaut sind, ist wirklich eine Verschwendung von Steuergeldern.
Herr Seehofer, Sie haben gesagt: bauen, bauen, bauen. – Da möchte ich Sie fragen: Warum tun Sie es denn eigentlich nicht selber?
({12})
Sie haben die Möglichkeit, zu bauen, zumindest für die ständig wachsende Zahl von Bundesbediensteten. Ich habe Sie gefragt: Wie viel haben Sie in diesem Jahr gebaut? Meine Damen und Herren, diese Regierung hat in dieser Legislaturperiode 40 Wohnungen gebaut. Bis zum Ende der Legislatur sollen es 100 Wohnungen werden. Eines können wir festhalten: Wer so eine miserable Bilanz hat, der ist nicht in der Situation, mit dem Finger auf die Bundesländer zu zeigen.
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Zu guter Letzt. Natürlich brauchen wir neben bezahlbaren Wohnungen auch eine wirkungsvolle Regulierung der Mietpreise. Es ist schlimm genug, dass diese Regierung es bis heute versäumt hat, den Mietenanstieg per Gesetz zu stoppen. Was ich aber wirklich ein starkes Stück finde, ist, dass Sie jetzt auch noch den Berlinerinnen und Berlinern dazwischenfunken wollen, die endlich einen wirkungsvollen Mietendeckel unter einer linken Bausenatorin einführen wollen.
({14})
Da hat Ihr Haus ein Gutachten erstellt, das Sie dem Parlament vorenthalten, aber per E-Mail an einen Parteifreund schicken und nebenher der „Tagesschau“. Dieses Gutachten besagt: Das kann alles so nicht funktionieren. – Also, das ist wirklich ein starkes Stück.
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Meine Damen und Herren, wir brauchen ein Rettungsprogramm für den sozialen Wohnungsbau, einen öffentlichen Wohnungsbau nach Wiener Vorbild und eine wirkungsvolle Regulierung der Mietpreise. Das wäre der richtige Weg. Dieser Herausforderung werden Sie mit diesem Haushalt nicht gerecht.
({16})
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit der ersten Lesung dieses Haushaltes ist viel passiert: immer mehr Hinweise auf rechtsextremistische, militante, terroristische Strukturen in Deutschland, über ein halbes Dutzend rechtsterroristischer Verfahren beim Generalbundesanwalt und der grauenvolle Anschlag von Halle. Die Aufgaben liegen eigentlich klar auf dem Tisch: mit Geld hinterlegte bessere Schutzkonzepte für jüdische Einrichtungen, eine Stärkung der Programme gegen Antisemitismus und Rassismus, eine konsequente Aufklärung und Zerschlagung der rechtsterroristischen Netzwerke, die es in diesem Land leider zweifellos gibt, all das braucht es jetzt.
({0})
Vieles davon liefern Sie leider nicht. Die 440 Stellen – sie wurden hier angesprochen –, mit denen Sie sich, Herr Seehofer, von Pressekonferenz zu Pressekonferenz gehangelt haben, schrumpfen in ihrer Anzahl um ein Drittel, und die von Ihnen stets propagierten Erweiterungen von Befugnissen – Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner für den Verfassungsschutz, flächendeckende Gesichtserkennung und Ähnliches – gehen knallhart an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH vorbei.
({1})
Die naheliegenden Dinge, die machbaren Dinge, die effektiven Schritte zur Erhöhung der Sicherheit in unserem Land gehen Sie eben nicht an. Eine Taskforce im Innenministerium zur rechtsextremistischen Bedrohungslage gibt es bis heute nicht. Eine zentrale Beratungs- und Hilfestelle für die von Rechtsextremen bedrohten Menschen fehlt, und auch das reformbedürftige NetzDG bleibt dieses Jahr entgegen vielen Ankündigungen von vielen Seiten unverändert. Was ist eigentlich mit der in diesem Haus längst fraktionsübergreifend beschlossenen Umsetzung der Maßnahmen gegen Antisemitismus? Einen entsprechenden Beauftragten gibt es, und das ist gut. Die beschlossenen Baumaßnahmen – auch das will ich an dieser Stelle sagen – sind gut. Aber viele andere Punkte des hier gefassten Beschlusses sind nicht umgesetzt, und da müssen wir ran.
({2})
Dazu kommen Geschichten, die man bestenfalls als kurioses Irrlichtern beschreiben kann. In Zeiten, in denen es wie nie zuvor wirklich einer seriösen und rechtsstaatlichen Innenpolitik bedarf, versucht ein CDU-Landesminister jemanden in die Regierung zu holen, der dem rechtsextremistischen „Compact“-Magazin Interviews gibt und aktuell ein beamtenrechtlich relevantes Disziplinarverfahren an der Hacke hat. Nun fordern Mitglieder der sogenannten WerteUnion den Rücktritt dieses Landesinnenministers. Das ist das innenpolitische Fallrückziehereigentor des Jahres, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union.
({3})
In diesen Zeiten braucht es eine seriöse und rechtsstaatliche Politik zur Bekämpfung der sehr realen Gefahren durch gut vernetzte Rechtsextremisten, Rechtsterroristen, Dschihadismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land. Das heißt, es braucht eine gute personelle und materielle Ausstattung, also einen wissenschaftlichen, faktenbasierten In- und Output, eine bessere Analysefähigkeit, rechtsstaatliche und individuelle Beobachtungsinstrumente statt anlasslose Massenüberwachung, und ein Demokratieförderungsgesetz, das die Präventionsarbeit endlich verstetigt, statt in diesem Bereich Chaos und Verunsicherung zu stiften.
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Im Bereich der IT-Sicherheit brennt die Hütte lichterloh. Da ist viel zu tun, was Sie nicht angehen. Sie sprechen jetzt hier beim IGF von der Notwendigkeit eines offenen Netzes, von den Chancen von Open Data und E-Government und von effektivem Grundrechtsschutz. All das liefern Sie in der Realpolitik hier im Haus nicht ab, und das geht so nicht. Wo ist Ihr Sicherheitsgesetz 2.0, das Sie versprochen haben, Herr Seehofer? Wir warten bis heute darauf. Das zweite Open-Data-Gesetz, die IT-Konsolidierung des Bundes – ein einziges Desaster. Die Kakofonie bei Huawei zeigt: In diesem Bereich sind wir schlecht aufgestellt. Das muss sich ändern. Insofern können wir nicht zustimmen.
Herzlichen Dank.
({5})
Thorsten Frei, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man das Zahlenwerk des Bundeshaushaltes 2020 für das Bundesinnenministerium in einen größeren Kontext stellt und vergleicht, in welchen langen Linien wir unterwegs sind, dann kann man sagen, dass schon in der letzten Legislaturperiode die Innen- und Sicherheitspolitik ein Handlungs- und Investitionsschwerpunkt für diese Bundesregierung war. Das, lieber Herr Bundesminister, ist, verbunden mit den Erfolgen, sicherlich auch der Grund, warum die Redner der Opposition so wenig über die Kernthemen des Innenressorts in dieser Debatte gesprochen haben. Da haben Sie völlig recht.
({0})
Wir haben uns von drei Maximen leiten lassen. Erstens: mehr Polizistinnen und Polizisten. Zweitens: mehr und bessere Ausstattung und Ausrüstung. Drittens. Wir nehmen uns die Gesetze vor, bei denen eine Verschärfung geboten und notwendig ist, und das machen wir konsequent.
Da haben wir Erfolge vorzuweisen. Allein in der letzten Legislaturperiode gab es 10 000 zusätzliche Stellen für die Sicherheitsbehörden des Bundes. In dieser Legislaturperiode gab es 7 500 zusätzliche Stellen. Mit dem Bundeshaushalt 2020 sind 6 500 davon auch tatsächlich durchfinanziert und etatisiert.
Das ist der Erfolg dieser Bundesregierung, und das kann man im Übrigen auch an Ergebnissen messen. Herr Bundesminister – Sie sind darauf eingegangen –: Wir leben im sichersten Deutschland der letzten Jahrzehnte.
({1})
Wir haben die niedrigste Kriminalitätsbelastung seit 1992, und das korreliert mit der höchsten Aufklärungsquote seit 2005. Das sind die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik. Ich kann Ihnen nur den Ratschlag geben: Schauen Sie sich das mal an! Orientieren Sie sich an Fakten! Das macht klüger.
({2})
Im Übrigen: Für den Erfolg dieser Regierung und insbesondere dieses Ministers spricht noch eine weitere Zahl. Sie wissen, dass die Bertelsmann-Stiftung festgestellt hat, dass die 296 Versprechen des Koalitionsvertrages bis zur Mitte der Legislaturperiode zu 61 Prozent umgesetzt sind.
({3})
– Entweder vollständig oder teilweise umgesetzt. – Im Bereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat liegt die Umsetzungsquote bei 71 Prozent. Wenn das kein Erfolg ist, dann weiß ich auch nicht.
({4})
Wir haben uns in diesem Jahr sehr intensiv mit einem umfangreichen Migrationspaket beschäftigt. In den nächsten Wochen muss ein großes Sicherheitspaket folgen. Die Themen liegen auf dem Tisch. Ob das das IT-Sicherheits-Gesetz 2.0 ist, ob das ein Gesetz zur aktiven Cyberabwehr ist, ob das beispielsweise das Verfassungsschutzgesetz ist, ob das die Novelle des Polizeigesetzes ist: Es sind all diese Gesetze, die wir brauchen, um die Handlungsoptionen für die Sicherheitsbehörden, die in der analogen Welt selbstverständlich sind, in die digitale Welt zu übertragen.
Es ist offensichtlich, dass terroristische Gruppen heute nicht mehr mit der klassischen Sprachtelefonie unterwegs sind, sondern dass dort Chatrooms und Verschlüsselungen benutzt werden, dass Messenger-Dienste genutzt werden. Jetzt müssen wir die Sicherheitsbehörden in die Lage versetzen, auf dieser Grundlage etwa Organisationsstrukturen oder auch mögliche Anschlagspläne offenzulegen. Das ist zwingend notwendig, und dem müssen wir uns in den nächsten Wochen ganz intensiv widmen.
Ich würde einfach mal den Ratschlag geben, dass wir uns auch in der Sicherheitspolitik hier in diesem Hause nicht von großen Schadensereignissen und Anschlägen treiben lassen, sondern dass wir aus eigener Souveränität das tun, was notwendig ist, um die Sicherheit für die Menschen in unserem Land tatsächlich zu gewährleisten. Deswegen gilt in dieser Situation: Wir dürfen uns auf den Erfolgen der Vergangenheit nicht ausruhen,
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sondern müssen alles tun, damit die Sicherheit auch für die Zukunft gewährleistet bleibt. Denn Sicherheit in unserem Land ist die Grundlage von wirtschaftlichem Wohlstand, ist die Grundlage von Lebensqualität, und deshalb setzen wir uns dafür ein.
Lassen Sie mich ganz zum Schluss in der Debatte zum großen Etat des Bundesinnenministeriums nur auf einen kleinen Punkt hinweisen. Dass sich die Koalitionsfraktionen Ende Juni mit einem Antrag zur Aufarbeitung der Folgen der DDR-Zwangsadoptionen hier im Bundestag durchgesetzt haben und dass es gelungen ist, in der Bereinigungssitzung tatsächlich 2 Millionen Euro für die Vermittlungsstelle zur Verfügung zu stellen, für eine DNA-Datenbank, für personelle Ausstattung, um diese Probleme zu lösen und in einer umfangreichen Studie zu klären, ist ein großer Erfolg der Regierung. Wir schauen uns auch diese Probleme an, und das ist gut so.
Herzlichen Dank.
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Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Marc Bernhard, AfD.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Familien sollten sich nicht zwischen Wohneigentum und Kindern entscheiden müssen – das waren die Worte von Kanzlerin Merkel, als sie völlig utopisch versprochen hat, bis zum Ende der Legislaturperiode 1,5 Millionen zusätzliche Wohnungen zu bauen, und Sie, Herr Seehofer, haben dieses Versprechen vor Kurzem bekräftigt. So viel zu Ihrer Märchenstunde.
Die Realität in Deutschland nach 14 Jahren Merkel ist jedoch: Alle sechs Minuten geht eine Sozialwohnung verloren. 678 000 Menschen haben in unserem Land gar keine Wohnung. In Stuttgart kommen auf eine bezahlbare Wohnung über 1 400 Bewerber, in Berlin sind es 1 700 und in München sogar mehr als 2 000. Viele Millionen Haushalte müssen fast die Hälfte ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgeben. Es ist ganz offensichtlich, dass hier gewaltig etwas schiefläuft und Sie in der Wohnungspolitik in jedem Bereich komplett versagt haben.
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Für die Einhaltung Ihres völlig unrealistischen Versprechens müssten Sie bis September 2021 noch mehr als 1 Million Wohnungen bauen. Das wären 1 500 pro Tag. Eines ist jedenfalls sicher: Bevor Sie das auch nur ansatzweise erfüllen können, ist selbst der Berliner Flughafen nicht nur fertig, sondern schon längst wieder renovierungsbedürftig.
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So kommt der Wohnungsbau in Deutschland ganz sicher nicht vom Fleck.
Die soziale Ungerechtigkeit spitzt sich mit Ihrem missratenen Klimapaket noch weiter zu. Noch nie zuvor hat die Regierung den Menschen mehr Steuern und Abgaben abgepresst als nach 14 Jahren Merkel. Wenn man sich den Zustand unserer Straßen, Schulen und der inneren Sicherheit anschaut, muss man sich die Frage stellen: Wo bleibt eigentlich das viele Geld der Bürger? Für 2020 planen Sie Ausgaben in Höhe von 362 Milliarden Euro. Das sind 100 Milliarden Euro mehr als bei Ihrem ersten Amtsantritt 2006.
Wie sieht Ihre Bilanz aus? Die Kinderarmut ist um 10 Prozent gestiegen, der Strompreis um 50 Prozent, die Altersarmut um über 60 Prozent und das Rentenniveau gleichzeitig um 10 Prozent gesunken. Das sind nur ein paar wenige Beispiele Ihres totalen Versagens. Was haben Sie denn in den letzten Jahren für die Menschen in Deutschland getan? In erster Linie sind Sie den Bürgern unseres Landes verpflichtet und nicht China, Indien oder dem Rest der Welt.
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Im Jahr 2019 haben wir in Deutschland kein flächendeckendes Internet, kein Zug fährt pünktlich, die Infrastruktur ist marode, die von der Regierung finanzierte Deutsche Umwelthilfe zerstört die Automobilindustrie, die Negativzinspolitik enteignet die Sparer, Ihr Klimapaket zockt die Bürger ab, die Meinungsfreiheit ist in Gefahr, das Land ist tief gespalten – und Frau Merkel fragt allen Ernstes gestern hier im Deutschen Bundestag, was mit uns los ist. 14 Jahre politische Inkompetenz, Frau Merkel, das ist los!
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Ihre Regierung hat eine Bilanz, ohne die wir gut und gerne leben könnten.
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Detlev Pilger, SPD, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuschauer! Zunächst darf ich feststellen: Wir haben den höchsten Sporthaushalt aller Zeiten, und das ist gut so. Ich möchte an dieser Stelle unserem Haushälter und Berichterstatter Martin Gerster herzlich danken. Du hast gut verhandelt – aber wir bauen im nächsten Jahr wieder auf dich.
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Sport, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist mehr als Bewegung und Begeisterung. Sport ist Gesundheit, Vorbild und nicht zuletzt gesellschaftliche Klammer; hier finden Menschen mit den unterschiedlichsten Lebenshintergründen zusammen.
Wir haben für das Haushaltsjahr 2020 einen Sportetat in noch nie dagewesener Höhe. Die Spitzensportförderung verzeichnet nochmals einen Aufwuchs von 32,5 Millionen Euro – das wurde eben vom Minister erwähnt –, davon allein 10 Millionen Euro für die nichtolympischen Verbände. Das ist ein gutes Zeichen.
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Damit ist der Sportetat in den letzten drei Jahren um 100 Millionen Euro gestiegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, das kann sich wahrlich sehen lassen.
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Nachdem wir im letzten Haushalt die unabhängige Athletenvertretung etatisiert und nun verstetigt haben, konnten wir diesmal den Einstieg in die Altersversorgung für Athletinnen und Athleten in den Haushalt eintragen.
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Hiermit soll der Beitragsausfall in der Rentenversicherung von Spitzensportlerinnen und ‑sportlern ausgeglichen werden, die nicht bei einer Bundesbehörde ihren Dienst ausüben können oder wollen. Die 2,7 Millionen Euro sind gut investiert, weil sie den Sportlerinnen und Sportlern zugutekommen, und die müssen stets im Mittelpunkt stehen. Wir wollen nicht nur erfolgreiche Athletinnen und Athleten; nein, wir wollen auch gut abgesicherte.
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Das Programm zur Sanierung kommunaler Einrichtungen wird fortgeschrieben. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben allerdings gezeigt, dass es einen wesentlich höheren Bedarf an Mitteln vonseiten der verschuldeten Gemeinden und Kommunen gibt. Im nächsten Jahr können wir durch Bundesmittel 67 Schwimmbäder neu bauen bzw. sanieren. Das ist ein gutes Zeichen, aber es reicht bei Weitem nicht aus.
Mir ist natürlich bewusst, dass die Bereitstellung von Schwimmbädern vordringlich eine kommunale Aufgabe ist, zumal ich auch Mitglied im Koblenzer Stadtrat und im Sportausschuss bin. Aber der Anteil der Kinder, die nicht schwimmen können, ist dramatisch: 60 Prozent der Zehnjährigen. Die werden nicht fragen, wer das Schwimmbad bezahlen soll, sondern, ob sie schwimmen lernen können.
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Sie brauchen eine funktionierende Schwimmbadinfrastruktur, und diese gehört nach meinem Verständnis zur Daseinsvorsorge.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, lieber Eberhard Gienger, lassen Sie uns überlegen, wie wir gemeinsam im Haushalt 2021 ein Schwimmbadsanierungsprogramm auflegen können;
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denn der Bedarf ist riesig. Die Kinder und deren Eltern werden es uns danken. Nicht zuletzt lernen die Kinder, die aus sozial benachteiligten Situationen kommen, nicht mehr schwimmen, und die trifft es in diesem Fall dann besonders dramatisch.
Zum Schluss möchte ich noch bitten, lieber Martin Gerster, für die Universiade Mittel in den Haushalt einzustellen, die wir 2025 gerne nach Deutschland holen würden. Ich weiß, die gesamten Strukturen, das Konzept steht noch nicht so, wie wir uns das gegenwärtig wünschen. Aber es wäre, glaube ich, ein gutes Zeichen, diese Sportveranstaltung zu präsentieren, die nicht so stark dem Kommerz unterworfen ist wie viele andere Sportgroßveranstaltungen und in der es in erster Linie um den sportlichen Vergleich internationaler Studentinnen und Studenten geht.
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Die Universiade könnte auch ein guter Vorbote für unsere Olympiabewerbung 2032 oder gegebenenfalls 2036 sein.
Herr Präsident, letzter Satz. – 1 Million Euro haben wir für den Bereich „künstliche Intelligenz“ angesetzt. Ich habe gestern ein Gespräch mit Professor Dr. Wolfarth geführt; der hat das sehr begrüßt. Es ist auch da ein erster Schritt. Wir dürfen uns nichts vormachen: Sportlicher Erfolg wird sich zukünftig auch an der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz messen.
Ich danke Ihnen. In diesem Sinne: Es lebe der Sport!
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Britta Dassler, FDP, ist jetzt die nächste Rednerin.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle wissen um die gesellschaftliche und integrative Bedeutung des Sports für unser Land. Auch dank der Unterstützung der Freien Demokraten ist es uns gelungen, dass der Bundeshaushalt nun knapp 35 Millionen Euro bereitstellt, um Berlin bei der Austragung der Special Olympics 2023, des weltweit größten Sportereignisses geistig behinderter Menschen, zu unterstützen. Meine Damen und Herren, dieses große Sportvorhaben zeigt deutlich den inklusiven Charakter des deutschen Sports, und das verdient unsere Anerkennung.
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Dennoch steht der Sport vor großen Herausforderungen. Um es klar zu sagen: Wenn die Bundesregierung jetzt nicht reagiert, wird es in Zukunft, Herr Seehofer, viele Sportvereine so nicht mehr geben. Das wäre verheerend, gerade für den ländlichen Raum. Auch der Freiburger Kreis, ein Zusammenschluss großer Sportvereine, berichtet seit Jahren über erhebliche Finanzierungslücken bei vereinseigenen Sportanlagen. Beim Spitzensport ist die Finanzsituation ähnlich angespannt. Auch hier muss, obwohl wir schon viel gemacht haben, dringend weiter verstärkt investiert werden.
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Liebe Bundesregierung, Deutschland ist eine Sportnation. Wir alle freuen uns über sportliche Höchstleistungen unserer Athletinnen und Athleten, und es ist Ihre Aufgabe, die Sportler dabei zu unterstützen, auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Das geht nur mit moderner Ausstattung und zeitgemäßer Infrastruktur.
Ebenso engagiert, wie der Leistungssport in Deutschland gefördert werden muss, muss endlich auch die Antidopingarbeit vorangetrieben werden. Wir brauchen hier einen Mentalitätswandel, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn wir haben es heute mit international agierenden Dopingnetzwerken zu tun, die immer perfidere Methoden entwickeln. Wenn wir eine schlagkräftige Dopingbekämpfung wollen, dann müssen wir sie auch mit moderner und innovativer Technik ausstatten.
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Dazu muss investiert werden, besonders in die Forschung; denn ein Dopingvergehen ist nicht nur moralisch verwerflich, es sollte auch unser Anspruch sein, konsequent Betrügern das Handwerk zu legen.
Zum Schluss noch ein wichtiger Punkt, der häufig übersehen wird. Sportlicher Erfolg hat einen Wegbereiter: das Ehrenamt. In Zeiten, in denen wir uns doch alle einig sind, dass wir den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken müssen, kommt dem Sport und den Sportvereinen eine Schlüsselrolle zu. Warum geht die Bundesregierung da nicht mit gutem Beispiel voran und sorgt endlich für eine finanzielle Entlastung im Ehrenamt? Und warum folgt die Bundesregierung nicht endlich dem Beschluss des Bundesrates, die Ehrenamts- und die Übungsleiterpauschale zu erhöhen? Freiwillig engagierte Menschen sind der Kitt unserer Gesellschaft. Lassen wir diese Menschen doch nicht im Stich! Ihre Arbeit ist heute wichtiger als je zuvor.
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Das sind die großen Herausforderungen, die vor Ihnen und vor uns liegen. Wir Freie Demokraten bleiben konstruktiv-kritisch, und Sie, lieber Herr Seehofer, werden sich auch in Zukunft an Ihren Taten messen lassen müssen.
Vielen Dank.
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Ulrich Lange, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Ausflug in die Welt des Sports darf ich zum Bereich Bau zurückkommen und für uns als Koalition zunächst einmal feststellen, dass das, was wir in dieser Legislaturperiode bisher geschafft haben, sich durchaus sehen lassen kann: Investitionen, Anreize, gezielte Förderung. Und vor allem, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es das nicht: Regulierungsfantasien, verfassungswidrige Mietendeckel oder Enteignungen. All das wird uns bei den Herausforderungen im Wohnungsbau nämlich nicht helfen.
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Wir setzen auf Investitionen. Wir dürfen Investitionen nicht abwürgen; denn genau das würden wir mit all dieser Regulierung tun. Wir brauchen aber auch entschlossene Kommunen, die Bauland ausweisen, wir brauchen verantwortungsvolle Investoren, die Wohnraum schaffen,
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und wir brauchen natürlich den politischen Rahmen, den wir in vielen Punkten in dieser Legislaturperiode bereits gesetzt haben.
Ich darf noch mal ganz kurz daran erinnern: Natürlich waren der Wohngipfel und die Abarbeitung der Themen des Wohngipfels ein Erfolg. Natürlich war das Baukindergeld ein Riesenerfolg:
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65 Prozent der Baukindergeldbezieher haben Kinder im Vorschulalter, 60 Prozent der Baukindergeldbezieher haben ein Einkommen von maximal 40 000 Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schaffen mit dem Baukindergeld ein Zuhause für Familien, und das ist gesellschaftlich ein unendlich hoher Wert.
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Wir haben das Wohngeld erhöht, die soziale Wohnraumförderung gestärkt, die Einführung einer Sonderabschreibung beschlossen, zahlen die attraktive Wohnungsbauprämie weiter und haben die Verbilligung von Flächen des Bundeseisenbahnvermögens erwirkt. Es ist viel passiert, und wir haben natürlich für die nächsten Monate noch einiges vor. Wir werden weiter für ein Brachflächenprogramm kämpfen; denn wir brauchen eine Strukturierung und Räumung der Flächen, um hier Wohnraum schaffen zu können.
Wir arbeiten an der Novelle des Baugesetzbuches, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch dort werden wir die Handlungsempfehlungen der Baulandkommission eins zu eins umsetzen; das ist unsere Arbeitsgrundlage. Dazu gehört auch die Verlängerung der Geltungsdauer des § 13b Baugesetzbuch, auch wenn das der einen oder anderen Kollegin, vor allem von den Grünen, nicht passen mag.
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Das ist Beschlusslage der Baulandkommission, und diese Ortsrandbebauung macht Sinn.
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Wir stehen anders als Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich habe gelesen: „Die Grünen sind dem Haus im Grünen nicht mehr grün“ –, auch weiterhin dafür, dass man Eigenheime bauen kann und bauen darf.
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Wir stehen dazu, dass Eigentum etwas gesellschaftlich Wertvolles ist.
Und dann haben wir, lieber Bundesminister, eine ganz große Reform auf den Weg gebracht, nämlich die Reform der Städtebauförderung: nur noch drei Programme, übersichtlich strukturiert, einfach für die Kommunen und gut handhabbar in der Förderbeantragung. Das ist das, was wir brauchen. Das ist das Signal von Berlin an die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker: dass wir die Wohnzimmer der Orte verschönern können,
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dass wir in den Denkmalschutz investieren, dass wir die Ortsbilder prägen, dass wir gemeinsam generationengerechte Angebote für die Daseinsvorsorge schaffen können.
Gemeinsam wollen wir auch die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse weiter voranbringen. – Der Präsident gibt mir ein Signal; ich weiß um meine Zeit.
400 Millionen Euro für die Sanierung kommunaler Sport-, Jugend- und Kultureinrichtungen, das ist ein Aufwuchs. Aber wir wissen, dass viele Gebäude aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren stammen. Da kommt viel auf uns zu; auch das werden wir angehen.
Der Haushalt für Bau ist – zusammengefasst – der Haushalt für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Herzlichen Dank.
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Bernhard Daldrup, SPD, ist der nächste Redner.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann unmittelbar an die Rede von Uli Lange anschließen; denn es handelt sich in der Tat um einen Haushalt, der so hohe Investitionsmittel bereitstellt wie kaum ein Haushalt zuvor. Das stärkt ganz maßgeblich auch die Kommunen. Das ist eine ausgesprochen gute Ausgangslage.
Ich will an dieser Stelle sagen – ich bin nicht im engeren Sinne ein Innenpolitiker; wir sind Konkurrenten hier im Deutschen Bundestag –: Wenn ich mir anhöre, meine Damen und Herren von der AfD, wie Sie über dieses Land reden, dann stelle ich fest, dass Sie die Brandbeschleuniger von Hass und Hetze sind,
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in einer Art und Weise, die geradezu widerlich ist. Sie sind keine Patrioten in diesem Land!
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Die Städtebauförderung ist eben angesprochen worden. Sie trägt zum sozialen Zusammenhalt in unserem Land bei. Sie befindet sich auf einem Rekordniveau,
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und das ist überhaupt keine Selbstverständlichkeit.
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Wir fördern den Wohnungsbau. Der Minister hat auf eine ganze Reihe von Maßnahmen hingewiesen; der Kollege Lange hat es ebenfalls getan: Das geht vom Wohngipfel über das Mietrechtspaket, das Wohngeld bis zum Baugesetzbuch. Herr Reinhold, ich habe genau zugehört bei der Philippika, die Sie losgelassen haben. Der Punkt ist nur: Es war kein einziger konstruktiver Vorschlag dabei. – Das ist der Unterschied.
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Wir sind beim sozialen Wohnungsbau dabei. 2 Milliarden Euro stellen wir dafür zur Verfügung. Das ist keineswegs eine Absenkung, sondern eine Stabilisierung. Das weiß auch Caren Lay; ich will es an dieser Stelle mal sagen.
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Zur BImA will ich sagen: Wir gehen mit gutem Vorbild voran. Sie stellt den Kommunen nicht nur die Grundstücke preiswert zur Verfügung; sie hat sogar einen Mietendeckel – und keiner hat sich darüber beschwert, Herr Minister. Ist doch gut! Also, ein richtiger Weg.
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Ich habe übrigens auch kein Problem damit, dass die Wirkungen des Baukindergeldes positiv dargestellt worden sind. Eben ist es gesagt worden: Wenn 150 000 Familien das in Anspruch nehmen und wenn 60 oder 65 Prozent dieser Familien ein Haushaltseinkommen von nur 40 000 Euro brutto im Jahr haben, dann ist das doch eine vernünftige Maßnahme.
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Ich will hier nicht alle KfW-Programme darstellen, aber ich will schon darauf hinweisen, dass wir jetzt durch ein zusätzliches KfW-Programm den Erwerb von Anteilen an einer Wohnungsgenossenschaft für selbstgenutzten Wohnraum durch zinsgünstige Kredite mit 6 Millionen Euro unterstützen werden. Das ist etwas, was in den Städten unmittelbar wirken wird und meines Erachtens jedenfalls eine vernünftige Maßnahme ist.
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Leider habe ich nicht so viel Zeit wie andere, die das im Einzelnen darstellen können. Aber ich will an dieser Stelle noch sagen: Wenn wir gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland wirklich wollen, dann müssen die Länder ihre Kommunen an den Mehreinnahmen beteiligen. Das gilt sowohl für die zusätzlichen Einnahmen bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die es gegeben hat – 10 Milliarden Euro –, als auch mit Blick auf die eigenen Aufgaben bei der Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung wie beispielsweise bei den Geduldeten; das passiert in Nordrhein-Westfalen gar nicht.
Es gelingt aber auch nur, wenn wir den Vorschlag von Olaf Scholz zur Reduzierung der kommunalen Altschulden aufnehmen und konstruktiv begleiten. Der Vorschlag von Olaf Scholz muss von den Ländern – übrigens auch von meinem Bundesland NRW – endlich konstruktiv aufgenommen werden.
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Mich freut jedenfalls, dass Horst Seehofer die Scholz-Initiative begrüßt und unterstützt.
Wer gestern den Bundestagspräsidenten beim „Berliner Salon“ gehört hat, der weiß, wie eminent wichtig der Zusammenhalt der Gesellschaft für ihre Zukunftsfähigkeit ist. Es geht nicht um eine verfassungsrechtliche Abgrenzung von Zuständigkeiten, sondern es geht an dieser Stelle um staatspolitische Verantwortung, und die müssen wir in der Großen Koalition gemeinsam mit den Ländern tragen.
Danke schön.
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Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Eberhard Gienger, CDU/CSU.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine besondere Freude, heute zum Haushalt des Sports noch einmal Stellung beziehen zu können. Ich freue mich, dass wir im kommenden Jahr 32 Millionen Euro mehr zur Verfügung haben und insgesamt auf einen Rekordhaushalt von 279 Millionen Euro kommen werden. Das ist ein massiver Anstieg. Dabei geben wir nicht nur mehr Geld in das System, sondern der Leistungssport selbst hat sich einem intensiven Reformprozess unterzogen und ist hierbei, wie ich finde, auch auf einem guten Weg.
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Hierbei sollten wir berücksichtigen, dass zwar die Trainer etwas davon haben, aber in erster Linie die Athletinnen und Athleten; denn sie stehen für uns im Mittelpunkt. Sie sind diejenigen, die für unsere Kinder und Jugendlichen als Vorbilder dienen. Und sie sind schließlich auch diejenigen, hinter denen sich die Menschen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen versammeln können. Deswegen werden wir die unmittelbare Athletenförderung fortsetzen, aber – das ist mir ganz besonders wichtig – auch die künftige Altersvorsorge für die Athletinnen und Athleten voranbringen. Denn dann – das weiß ich nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch aus vielen Gesprächen mit Athletinnen und Athleten – kann man die Zukunft gut planen, muss sich keine Sorgen um die Zukunft machen, sondern kann sich voll und ganz auf seinen Sport konzentrieren.
Der Sporthaushalt 2020 ist aber auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber unseren Talenten und Leistungsträgern. Er ist auch ein Zeichen in Richtung der Gesellschaft für mehr Sport, mehr Bewegung, mehr Fair Play, mehr friedliches Miteinander, mehr Integration und Inklusion und schließlich auch mehr Bildung und Wertevermittlung und – nicht zu vergessen – das Eintreten für einen sauberen Sport.
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Meine Damen und Herren, uns allen sind noch die Bilder von der Fußballweltmeisterschaft 2006 in vitaler Erinnerung, die zu einem veränderten Bild von Deutschland in der Welt geführt hat. Deswegen werden wir 1 Million Euro für die Entwicklung einer Strategie zu Großsportveranstaltungen ins Leben rufen. Ich habe von den Kollegen schon gehört, welche Meisterschaften und Weltmeisterschaften dies sind: 2021 die Skiweltmeisterschaften in Oberstdorf, die Biathlon-EM, die Biathlon- und Rodel-WM in Oberhof usw. Ich denke, darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Sportfans freuen.
Wir stellen auch unseren Forschungsinstituten FES und IAT Gelder zur Verfügung, und hier vor allem für ein Pilotprojekt, das sich „Künstliche Intelligenz“ nennt. 1 Million Euro wird hierfür zur Verfügung gestellt, um Trainings- und Wettkampfdaten besser auswerten und für die Praxis nutzbar machen zu können.
Eines ist mir allerdings auch noch wichtig zu erwähnen. Ich bin sehr froh, dass wir den Bundesländern und Kommunen in der kommenden Zeit die Teilnahme am Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ weiter ermöglichen können. 414 Millionen Euro werden wir hier zur Verfügung stellen. Das klingt nach sehr viel Geld, ist aber, wenn man es herunterbricht, nicht so viel. Aber wir wollen damit zeigen, dass wir den Sport – Spitzen- und Breitensport – als Einheit sehen.
Meine Damen und Herren, der massive Anstieg der Sportfördermittel des Bundes steht für eine starke Wertschätzung des Sports, ist aber zugleich auch ein Arbeitsauftrag. Deswegen lassen Sie uns zusammen Sportdeutschland nach vorne bringen! Lassen Sie uns die Herausforderungen gemeinsam anpacken und die Menschen hierfür begeistern!
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Damit schließe ich die Aussprache.
Sehr geehrter Herr Präsident! Kollegen! Liebe Bürger!
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Dieser Justizhaushalt wurde mit Regierungsmehrheit bereits eingetütet und hat auch nur marginale Änderungen im Haushaltsausschuss erfahren.
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Große Würfe wurden nicht gemacht. Diese können unter den derzeitigen Vorzeichen auch gar nicht stattgefunden haben; denn – so macht man sich zumindest frei – sehr viel liegt in der Länderzuständigkeit, und von der anderen Seite schreibt uns die EU sowieso 80 Prozent der Gesetze zur Umsetzung vor, und – so lautet der Ansatz – ganz allgemein sollte man sich tunlichst von jeder Initiative fernhalten, solange diese nicht ohnehin bereits im Feuilleton von jedem Dach gepfiffen wird. So heult die „taz“ zum Beispiel auf, dass mal die falsche Fahne angezündet wurde, nämlich die der EU. Und prompt gibt es dazu Aktivitäten im Justizministerium.
Halbwegs seriöse Zeitungen berichten zu Recht über das grassierende Fotografieren unter die Röcke von Frauen. Jetzt merkt man auf einmal: Hoppla, man muss mal was tun. – Ganz genau, und das ist auch richtig. Aber schon hier zeigt sich bei der Ursachenbenennung ganz schnell das Beamtenmikado in seiner Unterform der politischen Angststarre. Wo ist sie denn, die finanzierte Werbekampagne an Bahnhöfen in der Richtung „Bei uns ist Freizügigkeit kein Freibrief“? Davon sehe ich rein gar nichts. Viel zu heikel! Lieber die bekannten Großplakate mit der Formulierung „Bei uns ist man unschuldig, bis das Gegenteil feststeht“,
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und daneben ist ein beleidigt dreinblickender Angeklagter zu sehen. Ja, die Aussage ist natürlich richtig; aber sie ist auch feige, weil beliebig, und sie bestärkt gerade die Falschen in ihrer Meinung, unser Rechtsstaat sei schwach und in der Waldorfschule groß geworden.
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Meine Damen und Herren, es ist nicht damit getan, den deutschen Rechtsstaat nur zu verwalten. Man muss ihn auch entschieden verteidigen, und zwar mit offenem Visier und in die richtige Richtung, dorthin nämlich, wo es auch einmal der links-mittigen Komfortzone wehtut. Ja, natürlich, wenn sich jemand illegal mit Waffen eindeckt und sein eigenes Fantasieland ausruft, dann ist dieser definitiv ein Feind unseres Rechtsfriedens. Aber wenn sich hier jemand eine weitgehend gesetzlose ethnische Enklave schafft, mit eigenen Regeln, eigenen Werten und eigenen Erwerbsbiografien
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– ich habe es gerade auch erwähnt –, dann ist dieser erst recht ein gefährlicher Feind an der Wurzel unseres Grundkonsenses. Da schauen Sie dann bitte genauso entschlossen hin! Denn da schlägt der Puls unserer Zeit – und uns vor allem zunehmend bis zum Hals.
Wenn erst einmal eine kritische Masse unserer Bürger nicht mehr an unser Rechtssystem glaubt, dann wird es irgendwann im Museum verschwinden. Und ironischerweise planen Sie ja gerade auch ein solches Museum. Aber diese kritische Masse wird gerade nicht durch Reichsbürger aus dem Bayerischen Wald erreicht, sondern durch Clanmitglieder in Berlin und Bottrop.
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Das wissen Sie auch, Frau Ministerin.
Sie wissen ferner ganz genau, dass die vielzitierte Verbrechensstatistik mit gesunkenen Fallzahlen durch resignierte Bürger, die gar keine Anzeige mehr erstatten, zustande kommt. Sie wissen genau, dass Upskirting ein importiertes Problem ist und dass früher im Sommer das Freibad nicht jeden zweiten Tag geräumt werden musste.
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Also bitte, Frau Lambrecht, wirkungsvolle Gesetze gegen aggressive, kriminelle Parallelgesellschaften!
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Verteidigen Sie zum Beispiel offensiv den richtigen Paradigmenwechsel bei der Beweislastumkehr bei illegal erworbenen Vermögensgegenständen! Eine veränderte Gesellschaft braucht auch verändertes, mutiges Recht.
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Nehmen Sie Geld in die Hand, um mal sinnvolle Plakate zu schalten! Bieten Sie Staatsanwälten und Richtern in diesem Land eine breite Rückendeckung; da lässt sich auch mit der Bundeszuständigkeit einiges denken. Kurz gesagt: Vermitteln Sie endlich den Bürgern, dass diese nicht alleingelassen werden! Oder, noch besser: Lassen Sie sie nicht allein!
Vielen Dank.
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Jetzt erteile ich das Wort der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab möchte ich mich bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern des Haushaltsausschusses sehr herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit in den Beratungen bedanken. Das war wirklich eine sehr angenehme Erfahrung. Man geht als neue Ministerin das erste Mal in eine Bereinigungssitzung, und ich muss sagen: Es hat nicht wehgetan.
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Der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ist ein kleiner Haushalt, ja, aber unsere Arbeit ist dafür umso wichtiger. Das habe ich vor einigen Wochen wieder einmal erlebt, als ich mit Schülerinnen und Schülern des Jüdischen Gymnasiums hier in Berlin diskutiert habe. Ich kann Ihnen sagen: Es geht unter die Haut, wenn junge Menschen erzählen, dass sie staatliche Schulen verlassen, weil sie dort gemobbt, weil sie drangsaliert,
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weil sie schikaniert werden und deswegen das Jüdische Gymnasium quasi als Zufluchtsort empfinden.
Meine Damen und Herren, für mich ist es unfassbar, und ich schäme mich, dass junge Menschen diese Erfahrung machen, dass Jüdinnen und Juden in diesem Land sich überlegen, ob sie hier noch leben können, leben wollen oder ob sie das Land nicht besser verlassen sollen. Das beschämt mich.
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Aber ich will es bei dieser Scham nicht belassen. Wir müssen ein deutliches Signal gegen Antisemitismus setzen. Deswegen habe ich zahlreiche Gespräche geführt, unter anderem gestern noch mal mit Herrn Dr. Schuster, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ich werde Ihnen eine Gesetzesänderung vorschlagen, nämlich zu § 46 Absatz 2 StGB. Ich werde vorschlagen, dass antisemitische Motive in Zukunft ausdrücklich als strafschärfend benannt werden. Meine Damen und Herren, das ist ein richtiges und wichtiges Signal gegen Antisemitismus.
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Wir wollen – das ist vorhin angesprochen worden – es nicht bei Bekundungen belassen, dass wir keine Hasskommentare im Internet, Drohmails gegen Politikerinnen und Politiker und Todeslisten akzeptieren. Wir wollen nicht bei der Erklärung stehen bleiben, wie gefährlich es für unseren Rechtsstaat ist, dass diese Entwicklung sich ausbreitet. Deswegen haben wir, Herr von Notz, vor vier Wochen, am 30. Oktober, ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen und vorgestellt. Das ist von der Bundesregierung auch beschlossen worden. Ich sage Ihnen zu, dass spätestens Ende des Jahres auch ein entsprechendes Gesetz vorliegen wird. Es sind dann acht Wochen vergangen. Ich glaube, das zeigt, mit welcher Intensität wir hier entschlossen vorgehen wollen.
Wir werden so vorgehen, indem wir das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verschärfen. Die Plattformen werden in Zukunft verpflichtet sein, Hass und Hetze, zum Beispiel Morddrohungen und Volksverhetzungen, zu melden. Es reicht dann eben nicht mehr, nur zu löschen und zu sperren, sondern es muss auch an das BKA gemeldet werden, damit eben die Strafverfolgung schnellstmöglich erfolgen kann.
Meine Damen und Herren, wir werden dafür sorgen, dass Beleidigungen, die im Internet öffentlich begangen werden und damit eine unglaubliche Entwicklung lostreten, weil nämlich mancher meint, er müsse noch Widerlicheres von sich geben und das Ganze noch mehr verschärfen, eine besondere Berücksichtigung erfahren.
Und ich will, dass endlich Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker von uns das Signal bekommen, dass sie genau den gleichen Schutz wie Bundes- und Landespolitiker verdienen. Deswegen werden wir sie auch in den Schutz gemäß § 188 StGB aufnehmen. Meine Damen und Herren, das ist ganz wichtig. Diejenigen, die sich Tag für Tag für unser Gemeinwesen, für unsere Gesellschaft einsetzen, haben auch den entsprechenden Schutz verdient.
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Für all diejenigen, die diese Bedrohungen, diese Beleidigungen erleben müssen und es nicht mehr akzeptieren wollen, dass ihre Adressen im Internet herumgereicht werden und somit weitere Schreckensszenarien für sie entstehen, werden wir die Sperrung von Adressen leichter möglich machen als bisher; dafür werden wir sorgen. Es kann doch nicht sein, dass Privatadressen von engagierten Menschen in verschiedenen Gruppen herumgehen, aus denen heraus dann versucht wird, Menschen, die sich für unsere Gesellschaft einsetzen, einzuschüchtern oder mundtot zu machen. Deswegen muss es leichter möglich sein, eine solche Adresssperrung vorzunehmen.
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Genauso gehört dazu, dass Waffen nicht in die Hände von Extremisten gelangen. Deswegen wird es eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz geben, bevor jemand eine Waffe in die Hand bekommt. Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal.
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Meine Damen und Herren, all diese Strafverschärfungen, all diese Veränderungen sind wichtig, ja sie sind notwendig. Genauso wichtig ist aber, dass wir die, die Hass und Hetze erfahren, stark machen.
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Deswegen freut es mich sehr, dass es gelungen ist,
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das Projekt HateAid, das Opfern von Hass und Hetze eine psychologische und gegebenenfalls juristische Beratung anbietet, im nächsten Jahr mit 350 000 Euro zu unterstützen.
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Es ist wichtig, hier Farbe zu bekennen. Aber es muss sich auch etwas in den Köpfen ändern. Deshalb freue ich mich, dass es ebenfalls gelungen ist, eine Förderung für das Anne-Frank-Zentrum zu erreichen.
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Hier setzen sich zum Beispiel Kinder und Jugendliche mit der Geschichte auseinander. Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen und sich für Demokratie und Freiheit zu engagieren. Das ist wichtiger denn je. Herzliches Dankeschön!
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Wir stärken die Kriminalprävention. Das Deutsche Forum für Kriminalprävention leistet hervorragende Arbeit, bei der es zum Beispiel darum geht, in Schulen verstärkt gegen Hass, Mobbing, Gewalt und gegen Extremismus vorzugehen. Deswegen freut es mich, dass wir diese Mittel um 400 000 Euro erhöhen konnten.
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Dieses Geld für Prävention ist gut investiertes Geld.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, ich bin auch für den Verbraucherschutz zuständig, und in dieser Funktion habe ich letzte Woche in Darmstadt ein interessantes Projekt besucht, das Bundesprojekt „Verbraucher stärken im Quartier“. Es bringt den Verbraucherschutz dorthin, wo Menschen ihn brauchen. Wir überwinden damit Schwellenängste und bieten Verbraucherinnen und Verbrauchern vor Ort ganz konkrete Hilfe an. Da geht es um unüberlegte Vertragsabschlüsse im Internet, an der Haustür oder am Telefon, um überlange Vertragslaufzeiten – das sind die meisten Fälle.
Meine Damen und Herren, mit diesem Projekt leisten wir wichtige Arbeit, aber wir könnten noch wichtigere Arbeit leisten, wenn wir endlich dazu kämen, auch den von mir vorgelegten Gesetzentwurf für faire Verbraucherverträge zu beschließen
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und zu beraten. Deswegen appelliere ich an alle, die da momentan noch nachdenken müssen: Lassen Sie uns das endlich anpacken! Es ist wichtig, dass Verbraucher vor überlangen Laufzeiten oder auch vor Überrumpelungen am Telefon geschützt werden. Das müssen wir endlich anpacken.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz zwei Themen ansprechen; denn diese Themen sind sehr wichtig, und ich will noch einmal besonders auf ihre Bedeutung aufmerksam machen.
Vor 25 Jahren wurde Artikel 3 Absatz 2 ins Grundgesetz eingeführt. Es geht darum, dass der Staat verpflichtet ist, auf die Gleichstellung von Mann und Frau hinzuwirken.
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– Darum geht es. – Deswegen haben wir feste Quoten für die Aufsichtsräte eingeführt.
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Und was ist passiert? Am Anfang wurde gesagt: Die können wir gar nicht erfüllen; denn so viele qualifizierte Frauen gibt es nicht.
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Wir waren schon immer skeptisch. Und tatsächlich: Was ist passiert? Die Quote ist eingeführt worden,
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und es gibt ausreichend qualifizierte Frauen. Die entsprechende Quote konnte auch eingehalten werden.
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Aber was ist da passiert, wo wir keine Quote eingeführt haben, wo nur Zielgrößen eingeführt wurden?
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Die Unternehmen müssen eine Zielgröße angeben und sagen, wie sie das in Zukunft weiterführen wollen. 70 Prozent dieser Unternehmen geben als Zielgröße null an. Null!
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Sie wollen also gar nicht, dass sich etwas verändert.
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Meine Damen und Herren, bei dieser Frage sehe ich uns gemäß Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes im Handlungszwang.
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Es waren dicke Bretter, die für die Einführung von Artikel 3 Absatz 2 gebohrt wurden. Da brauchte man einen langen Atem. So ähnlich kommt mir das jetzt beim Thema „Kinderrechte ins Grundgesetz“ vor. Darüber diskutieren wir seit über 30 Jahren. Die Kinderrechtskonvention liegt vor.
Meine Damen und Herren, ich habe einen Entwurf vorgelegt, der, wie ich finde, sehr ausgewogen ist. Er macht klar, dass Kinder eigene Rechte haben, dass deren Rechte verankert werden müssen, dass sie einen Anspruch auf unseren Schutz und unsere Förderung haben, weil sie eben keine kleinen Erwachsenen sind, sondern besondere Berücksichtigung erfahren müssen.
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Ich habe in diesem Entwurf deutlich gemacht, dass es uns auf keinen Fall darauf ankommt, in das Eltern-Kind-Verhältnis einzugreifen.
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Wir brauchen eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Wir könnten das jetzt umsetzen, jetzt, nach 30 Jahren.
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Deswegen bitte ich Sie alle im Interesse der Kinder – sie haben es verdient; die Zeit ist reif –: Lassen Sie uns in dieser Frage schnellstmöglich zu einer Verankerung im Grundgesetz kommen!
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Ministerin. – Bedauerlicherweise muss die SPD-Fraktion jetzt mit drei Minuten weniger Redezeit auskommen, weil die Ministerin die vereinbarte Zeit um drei Minuten überschritten hat. Ich werde das entsprechend des Hinweises des Parlamentarischen Geschäftsführers auf die verbleibenden Redner der SPD gleich verteilen.
Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Stefan Ruppert, FDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Haushälter muss ich zunächst einmal sagen: Es freut einen, dass es ein Ministerium im Bund gibt, das sich weitgehend selbst refinanziert. Das ist ja eine ganz gute Botschaft. Das Geld, das wir an anderer Stelle einnehmen, nutzen wir für dieses Ministerium.
Ein weiteres Lob will ich am Anfang aussprechen. Ich finde es gut, dass auch die Ministerin das Forum Recht, das wir als parlamentarische Initiative beschlossen haben, und zwar mit den Standorten in Leipzig und Karlsruhe, unterstützt. Ich glaube, es wäre gut, in Leipzig nicht zu warten, bis man in Karlsruhe schon fertig ist. Und an die Adresse der SPD gesagt: Wenn das Forum Recht das Glück hätte, in Hamburg zu residieren,
({0})
was nicht angemessen wäre, dann würde es von Johannes Kahrs sicherlich mit dem Faktor 10 oder 12 gefördert.
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Leider ist es nicht in Hamburg situiert. Deswegen wird es nur normal gefördert.
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Es ist ja so: Eine Hamburger Institution kriegt von der Großen Koalition automatisch eine Förderung mit dem Faktor 4, 5 oder 6.
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Das ist erfolgreicher Lobbyismus für ein Bundesland.
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Dass sich der gesamte Osten das bieten lässt, ist schon etwas beschämend.
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Auch da verweise ich wieder auf die Stiftung Datenschutz, die Sie einfach gestrichen haben.
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Meine zweite Bemerkung: Vor einiger Zeit las ich einen Vorschlag der Grünen, der besagte, sie wollten die Quengelzone im Supermarkt – ich bin Vater von zwei kleinen Kindern – beseitigen. Sie kennen das: Das ist diese Zone, wo Süßigkeiten stehen und wo man vorbeigehen muss. Ich habe mich da gefragt: Was ist eigentlich meine Aufgabe als Vater bzw. als Mutter bei der Erziehung? Muss ich das wirklich verbieten? Oder muss ich vielleicht eine Erziehungsleistung erbringen?
So in etwa empfinde ich es auch bei der Frage der Festlegung von Laufzeiten. Das BGB ist mal im Gedanken der Privatautonomie entstanden.
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Wir hatten mal die Idee, dass zwei Menschen einen Vertrag schließen. Ich finde, im Verbraucherschutz ist es nur richtig, dass man den einen vor Überrumpelung oder vor Übervorteilung schützt. Aber ist es wirklich ein zeitgemäßes Menschenbild, dass wir einem Deutschen verbieten müssen, einen Mobilfunkvertrag oder einen Vertrag für die Mitgliedschaft in einem Sportstudio mit einer Laufzeit von länger als einem Jahr zu schließen?
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Glauben wir, die Menschen dort draußen sind so doof, dass sie sich nicht aussuchen können, mit wem sie einen Vertrag und für wie lange – ein oder zwei oder drei oder vier Jahre Laufzeit – schließen?
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Das ist eine Form wohlmeinender Entmündigung, Ausdruck von Paternalismus.
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Ich glaube, wir erziehen den Menschen ihre Eigenverantwortung sukzessive ab.
Als ich studiert habe, gab es noch den berühmten Fall der Katze in der Mikrowelle. Damals wurde ein amerikanisches Unternehmen verklagt, weil es nicht den Warnhinweis angebracht hatte, dass man Katzen nicht in der Mikrowelle trocknen dürfe. Das arme Tier hat es nicht überlebt. Ich glaube, wir tendieren mittlerweile dazu, den Menschen ihre kritischen Rückfragen und ihre Mündigkeit sukzessive abzutrainieren.
({11})
Deswegen sollten wir eher auf Mündigkeit setzen, statt sie abzuschaffen.
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Wie gesagt: Überrumpelung nein, da Verbraucherschutz. Aber eine mündige und begründete Entscheidung darf ja wohl jeder noch treffen.
Sie von der SPD werben wie Ihr gegebenenfalls künftiger Parteivorsitzender für eine Regelung, nach der reine Männervereine nicht mehr als gemeinnützig gelten sollen. Ich bin kein Karnevalist, aber man muss sich schon mal fragen: Sind all diese Brauchtumsvereine, all diese reinen Männergruppierungen, auch wenn sie nicht mehr in jeder Form zeitgemäß sind, wirklich solche Vereine, die wir nicht mehr fördern sollten?
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Viele davon machen eine tolle Arbeit, und sie genießen unser Vertrauen. Deswegen sind wir auch dagegen.
Ich hätte mir insgesamt auch mal ein Wort für Bürgerrechte in Deutschland gewünscht. Auch dazu haben Sie leider nichts gesagt. Insofern können wir diesen Haushalt nur ablehnen.
Vielen Dank.
({14})
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ruppert. – Als nächster Redner hat der Kollege Markus Uhl, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute abschließend den Einzelplan 07 des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Es ist der kleinste Ressorteinzelplan mit einem Volumen von 919 Millionen Euro, vor allen Dingen mit Verwaltungsaufgaben für Personal- und Sachmittel. Aber wir haben in den parlamentarischen Beratungen auch eigene Akzente gesetzt, indem wir gezielt eigene Projekte auf den Weg bringen und eigene Förderungen ausbauen. Dabei haben wir diesen Haushaltsansatz noch mal um 7,5 Millionen Euro erhöht. Daher möchte ich vorwegschicken: Ein herzliches Dankeschön an die Kollegin Hauptberichterstatterin, die anderen Mitberichterstatter, aber auch an Sie, Frau Bundesministerin, stellvertretend für die Mitarbeiter Ihres Hauses. Das war eine gute, das war eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Vielen Dank dafür!
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Meine Damen und Herren, positiv ist auch, dass die Einnahmen steigen. Es ist schon angeklungen: Wir nehmen in diesem Einzelplan 615 Millionen Euro ein, hauptsächlich durch das Bundesamt für Justiz und durch das Deutsche Patent- und Markenamt. Das entspricht einer Deckungsquote dieses Einzelplans von 67 Prozent. Das ist ein Spitzenwert unter allen Ressorts.
Meine Damen und Herren, unsere Welt wird schnelllebiger, wird immer komplexer. Daher ist es wichtig, Orientierung zu geben und für den Schutz und für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Im aktuellen Verbraucherreport 2019 sagen daher 90 Prozent aller Befragten, dass sie einen funktionierenden Verbraucherschutz für die persönliche Sicherheit als unerlässlich erachten. Daher ist es gut und richtig, dass wir gerade auch diesen Bereich mit dem vorgelegten Einzelplan stärken.
Beim Verbraucherzentrale Bundesverband werden wir die Marktwächter, also das Frühwarnsystem der Verbraucherzentralen, in den Bereichen Energie, Finanzmarkt und digitale Welt nun in eine dauerhafte Förderung überführen. Zusätzlich haben wir beim Verbraucherzentrale Bundesverband die Bereiche IT-Sicherheit und Lebensmittel gestärkt. Hier geht es um die Wahrnehmung der Verbraucherperspektive in informationstechnischen Belangen, um Anforderungen an die IT-Sicherheit, aber auch um die Themen Lebensmittelüberwachung, Herkunft und Kennzeichnung von Lebensmitteln, regionale Ernährung und Lebensmittelverschwendung.
Drei Viertel der Bevölkerung haben ein großes oder ein sehr großes Vertrauen in den deutschen Verbraucherschutz. Das ist ein guter Wert. Damit das so bleibt, ist es wichtig, dass unsere verbraucherschutzpolitischen Maßnahmen zielgerichtet und effektiv sind. Daher nehmen wir in den kommenden Jahren 3,5 Millionen Euro in die Hand, um die Verbraucherwissenschaften zu fördern, mit dem Ziel, mehr Evidenz in die Verbraucherpolitik einzubringen, das heißt, eine Politik zu ermöglichen, die mehr auf konkreten Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht.
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Meine Damen und Herren, wir stärken den Verbraucherschutz und sorgen dafür, dass die persönliche Sicherheit der Menschen erhöht wird.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist das Rechtsstaatsministerium unseres Landes, und unser Rechtsstaat basiert auf unserem Grundgesetz. Artikel 1 des Grundgesetzes – das ist eben schon angeklungen – sagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Gestern hat an dieser Stelle unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel gestanden. Ich zitiere sie auszugsweise wörtlich:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das bedeutet Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit in unserem Land ist gegeben. … Aber die Meinungsfreiheit kennt auch Grenzen.
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Sie beginnen da, wo gehetzt wird, wo Hass verbreitet wird … wo die Würde anderer Menschen verletzt wird. Dagegen … müssen wir uns … stellen. … Denn sonst ist diese Gesellschaft nicht mehr das, was sie einmal war.
Deshalb ist es richtig, dass wir auch in diesem kleinen Einzelplan 07 Projekte gegen digitale Gewalt, gegen Hassreden im Internet, gegen Antisemitismus, gegen Rassismus zusätzlich mit 2 Millionen Euro fördern.
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Ein funktionierender Rechtsstaat, meine Damen und Herren, setzt aber gleichzeitig voraus, dass seine Bedeutung jedem Einzelnen bewusst ist und dass er ein Verständnis davon hat, wie die oftmals komplexe und undurchsichtige Funktionsweise vonstattengeht. Deshalb freue ich mich, dass wir mit dem Haushalt 2020 erneut fraktionsübergreifend weitere richtige Schritte hin zur Realisierung des Forums Recht gehen. Die beiden Standorte in Karlsruhe und in Leipzig werden gleichwertig betrachtet. Wir stellen die notwendigen Mittel bereit, um im Sinne eines pragmatischen Vorgehens jetzt auch das Gründungsdirektorium zu berufen und in die konkreten Bauplanungen einzusteigen.
Zugleich will ich noch mal daran erinnern, dass wir den Pakt für den Rechtsstaat zwischen dem Bund und den Ländern weiter umsetzen. Bestandteil dieses Paketes sind unter anderem 2 000 neue Richterstellen bei den Ländern. Die Länder haben nun erklärt, dass sie seit 2017 insgesamt 1 217 neue Stellen geschaffen haben. Damit haben die Länder mehr als die Hälfte der Stellen neu geschaffen, und der Bund wird ihnen dafür 110 Millionen Euro zukommen lassen. Die zweite Tranche gibt es sozusagen, nachdem die Aufpersonalisierung vollständig abgeschlossen ist. Ich würde mir als Haushälter wünschen, dass wir dann auch eine Aufschlüsselung bekommen, welche Länder wie viele Stellen geschaffen haben.
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Sie sehen, meine Damen und Herren: Wir machen die Justiz zukunftsfest. Das ist gut für die innere Sicherheit, das ist gut für unseren Rechtsstaat.
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Meine Damen und Herren, ich möchte auch auf ein Zukunftsthema eingehen, das Thema Blockchain-Technologie. Blockchain ist eine der Schlüsseltechnologien in der Digitalisierung. Als Anwendungsbereich kennt man vielleicht Bitcoin. Die Anwendungsmöglichkeiten darüber hinaus sind vielfältig, von öffentlich-rechtlichen Nutzungen in der digitalen Verwaltung über digitale Wertpapiere bis hin zu digitalen Identitäten oder den schon angesprochenen Kryptowährungen. Die Blockchain-Technologie birgt enormes Potenzial, unsere Wirtschaft, unsere Verwaltung zu verändern und zu entbürokratisieren. Wir haben in Deutschland dabei die Chance, hier weltweit führend zu sein.
Doch bislang gibt es in diesem Bereich wenig Rechtssicherheit in der Anwendung, und deshalb geht es darum, dass wir hier die rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend schärfen. Es ist nicht klar, wer für Fehlfunktionen oder Fehlverhalten im Bereich der Blockchain-Technologie verantwortbar gemacht werden kann. Wer haftet denn beispielsweise, wenn mir jemand meine Bitcoins klaut? Und: Welche Rechtsordnung gilt für die Datenketten, die in dieser Technologie über die ganze Welt verteilt sind? Daher müssen wir jetzt aktiv werden und die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, um die Chancen dieser Technologie zu nutzen und die Risiken zu begrenzen. Deshalb ist es auch richtig und wichtig, dass wir in diesem Einzelplan knapp 1 Million Euro bereitstellen, um in einem großen interdisziplinären Forschungsprojekt die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu erforschen.
Eine zweite Schlüsseltechnologie will ich an dieser Stelle auch erwähnen, nämlich die künstliche Intelligenz.
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Im Einzelplan 07 werden wir Mittel bereitstellen – insgesamt 5 Millionen Euro in den nächsten Jahren –, um ein KI-Trust-Center aufzubauen, meine Damen und Herren. Das Ziel des Centers ist es, als unabhängige Instanz einen sicheren und vertrauenswürdigen Umgang mit künstlicher Intelligenz zu unterstützen.
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Aufgaben sind unter anderem, die Bewertung von KI-Technologien im Sinne des Verbraucherschutzes zu ermöglichen und eine Beratung der Zivilgesellschaft als Unterstützungsleistung bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Wir widmen uns im Justizhaushalt auch gezielt zwei wichtigen Zukunftstechnologien. Obwohl der Einzelplan 07 vornehmlich ein Verwaltungshaushalt ist, ist er damit gleichzeitig auch ein echter Zukunftshaushalt. Auch im Bereich der Justiz und des Verbraucherschutzes gilt: Wir handeln – mit Zuversicht, mit Mut und mit Entschlossenheit! Daher bitte ich um Zustimmung für den Einzelplan 07.
Vielen Dank.
({8})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während für Aufrüstung und mehr Waffen anscheinend immer genug Geld vorhanden ist, zeigen sich Regierung und Koalition an anderen Stellen knauserig. Bei diesen Haushaltsberatungen ist der Verbraucherschutz unter die Räder gekommen. Die Große Koalition stellt für diesen Bereich im kommenden Jahr fast 2 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Die Linke findet das völlig falsch.
({0})
Von der Kürzung betroffen sind vor allem die Marktwächter. Sie sind dazu da, die Bürgerinnen und Bürger vor Abzocke im Energiebereich, in der digitalen Welt und auf den Finanzmärkten zu schützen. Das ist eine Aufgabe, die immer wichtiger wird. Deshalb ist es falsch, dass hier die Zahl der Personalstellen gesenkt worden ist und insgesamt 3 Millionen Euro gestrichen worden sind.
Das Wirtschaftsleben wird immer stärker von großen, oft global agierenden Unternehmen dominiert. Wenn große Konzerne ihre Macht ausnutzen, um Verbraucherrechte zu umgehen, dann ist eigentlich ganz einfach, was daraus folgen muss: Die Politik muss dafür sorgen, dass Recht und Gesetz im Interesse der Verbraucher durchgesetzt wird.
({1})
Das ist der Sinn des Verbraucherschutzes, und wenn man ihn gut organisieren möchte, dann kostet das eben auch Geld.
Auf der einen Seite stehen Rechtsabteilungen von Unternehmen mit Budgets in Millionenhöhe, auf der anderen Seite Einzelpersonen, die sich wehren müssen, und das zwischen Frühschicht, Kindergeburtstag und „Sportschau“.
({2})
Deshalb ist es gut, dass es Verbraucherzentralen gibt. Es ist im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, sie zu stärken. Es geht um mehr Information, es geht um mehr Aufklärung, und es geht um Rechtsschutz. Jedes Jahr entsteht vielen Menschen in diesem Land zum Beispiel ein großer Schaden dadurch, dass sie bei provisionsgetriebener Anlageberatung falsch beraten worden sind. Da geht es um Omas Erspartes, um das Geld junger Familien. Alle haben das Recht auf eine seriöse und unabhängige Finanzberatung. Niemand würde doch zu einem Arzt gehen, der nur die Medizin einer bestimmten Firma verschreibt, weil er von dieser Firma bezahlt wird. Deshalb muss die unabhängige Finanzberatung gestärkt werden, wie die Verbraucherzentralen sie machen. Die müssen wir ausbauen. Dazu gehört auch eine bundesweit einheitliche Schuldnerberatung. Dafür macht sich Die Linke stark.
({3})
Meine Damen und Herren, im gesamten Bundesgebiet sind die Mieten in den letzten Jahren gestiegen, teilweise dramatisch. Inzwischen sind nicht nur Metropolen und Unistädte betroffen, sondern auch kleinere Städte. Die Große Koalition wollte diese Entwicklung mit der sogenannten Mietpreisbremse stoppen. Die Justizministerin ist dafür zuständig. Gestern hat „Zeit Online“ exklusive Zahlen zur mangenden Wirksamkeit dieser Mietpreisbremse veröffentlicht. Die Bilanz ist für die Koalition verheerend. Ich zitiere:
Über die Jahre hinweg könne man jedoch keinen „gravierenden Einfluss der Reform auf die Preisentwicklung erkennen“.
Von wegen Bremse! Die Mietpreisbremse von CDU/CSU und SPD ist ein zahnloser Tiger, eine Alibiveranstaltung, mit der entschlossenes Handeln vorgetäuscht werden sollte.
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Wie die Exzesse gestoppt werden könnten, das zeigt dagegen der rot-rot-grüne Senat in Berlin mit dem Mietendeckel.
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Mit diesem Gesetz wird es ab kommendem Jahr Mietpreisobergrenzen für alle Wohnungen geben, die vor 2014 gebaut worden sind.
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Wuchermieten sind verboten, sie müssen gesenkt werden. Preissteigerungen sind nur in Ausnahmefällen in ganz begrenztem Rahmen möglich. So setzt man bezahlbare Mieten durch, meine Damen und Herren!
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Der Berliner Senat geht davon aus, dass die Mieterinnen und Mieter durch diesen Mietendeckel um 2,5 Milliarden Euro entlastet werden. In Meinungsumfragen haben 71 Prozent der Befragten diese Reform begrüßt. Übrigens ist sogar die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler von CDU und CSU für den Mietendeckel. Die Linke setzt sich dafür ein, dass dieser Mietendeckel nach Berliner Vorbild bundesweit eingeführt wird.
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Deswegen, Frau Ministerin, lade ich Sie ein: Tun Sie es Ihren Berliner Genossen gleich! Kämpfen Sie mit der Linken für einen Mietendeckel! So schaffen wir bezahlbaren Wohnraum für alle.
Vielen Dank.
({9})
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie sind jetzt fünf Monate im Amt, und wir stehen einigen Ihrer ersten Ankündigungen durchaus offen gegenüber. Sie machen auf uns den Eindruck, als hätten Sie im Justizbereich einiges vor
({0})
und als würden Sie sich gerade mit den Justizthemen deutlich mehr identifizieren als Ihre Vorgänger. Das macht Hoffnung.
({1})
Auch beim drängenden Thema Wahlrechtsreform haben Sie gerade in einem Interview angekündigt, Sie wünschten sich einen großen Wurf einschließlich Parité. Das klingt gut, aber leider ganz anders als der Redner Ihrer Fraktion in der Debatte letzte Woche.
({2})
Drei Fraktionen haben einen Vorschlag vorgelegt, der auf der Grundlage des personalisierten Verhältniswahlrechtes eine Verkleinerung aller Fraktionen entsprechend ihrem Wahlergebnis ermöglicht.
({3})
Das hat die SPD leider in Bausch und Bogen verworfen und ist der Argumentation der Union gefolgt, nach der auf keinen Fall Wahlkreise vergrößert werden dürften,
({4})
da sowieso nur die direkt gewählten Abgeordneten die wahren Volksvertreter seien. Das bedeutet konkret, dass die SPD eher bereit ist, ein Parlament mit 900 Abgeordneten zu riskieren, als auf ein einziges Direktmandat zu verzichten.
({5})
So bekommen wir keine Wahlrechtsreform hin, von Parité ganz zu schweigen. Wenn es Ihnen also wirklich ernst ist mit der Wahlrechtsreform, sollten Sie innerhalb Ihrer Fraktion dringenden Gesprächsbedarf anmelden.
({6})
Nun zu einigen anstehenden Justizprojekten.
Erstens. Ihre Ankündigung, die Verbraucherverträge, insbesondere die Telefonverträge künftig in ihrer Laufzeit zu begrenzen, ist richtig und überfällig. Was in diesem Bereich den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugemutet wird, ist nicht mehr hinnehmbar. Herr Ruppert, versuchen Sie einmal, in einem Telekom-Shop eine Kündigung abzugeben. Sie werden feststellen, dass sie dort nicht angenommen wird.
({7})
Dort kann man nur Verträge schließen und nicht aufheben. Das ist schlichtweg ein Unding!
({8})
Zweitens. Zum Hinweisgeberschutz warten wir schon seit Jahren auf einen Gesetzentwurf. Wir wissen, dass die Union dort mauert. In Kürze wird aber die EU-Richtlinie in Kraft treten und will umgesetzt werden. Sie haben also neben dem Vorschlag von uns Grünen, von dem Sie gerne abschreiben können, auch noch die EU im Rücken und sollten kurzfristig liefern, damit die Auseinandersetzung rechtzeitig geführt und das Gesetz 2021 in Kraft treten kann.
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Drittens. Zu den Unternehmenssanktionen gibt es ja inzwischen einen Referentenentwurf, der Hoffnung macht. Auch hier haben Sie einige grüne Vorschläge aus der letzten Wahlperiode aufgegriffen. Das ist gut. Wenn Sie weitere Unterstützung brauchen, wäre es hilfreich, Sie würden unsere Expertise im Rahmen von Berichterstattergesprächen einbinden. Ich bedaure sehr, dass es seit 2013 im Rechtsausschuss keine Berichterstattergespräche mehr mit der Opposition gibt. Hier könnten Sie eigene Akzente im demokratischen Umgang miteinander setzen.
({10})
Viertens. Stärken Sie die Justiz und widmen Sie sich dem Fortbildungsrecht und der Fortbildungspflicht für Richterinnen und Richter. Unser Vorschlag hat in der Expertenanhörung gerade erst große Unterstützung aus der Praxis bekommen. Es kann nicht sein, dass sich die Karrieren immer mehr nach Erledigungszahlen richten und für Fortbildung weder Kosten- noch Zeitkontingente zur Verfügung stehen.
Besonders problematisch ist die Lage im Bereich Familienrecht. Dieses Spezialwissen kommt in der Ausbildung nach wie vor nicht vor, weshalb es eigentlich sinnvoll wäre, eine eigene Familiengerichtsbarkeit einzuführen, um die Kontinuität zu sichern.
({11})
Bis dahin sollte aber wenigstens sichergestellt sein, dass keine Berufsanfängerinnen oder Berufsanfänger bzw. Richterinnen oder Richter gegen ihren Willen in diese Dezernate versetzt werden. Im Familienrecht steht ohnehin einiges an, von Anpassungen beim Kindesunterhalt über das Abstammungsrecht bis zur Evaluierung des Versorgungsausgleichs. Hier ist in den letzten Jahren wenig passiert, sodass der Handlungsdruck steigt.
Last, not least: Eine Stärkung des Rechtsstaates ist ohne die Anwaltschaft nicht denkbar. Wir haben bald ein ernsthaftes Problem beim Zugang zum Recht, wenn die freiberufliche Anwaltschaft in der Fläche immer weniger präsent ist. Diese Anwältinnen und Anwälte sind es, die noch überwiegend nach der gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen und Beratungshilfemandate von bedürftigen Rechtsuchenden übernehmen. Wenn die Gebührenerhöhung aber weiterhin ausbleibt, werden auch sie ihre Tätigkeit irgendwann einstellen. Großkanzleien brauchen die Gebührenordnung nicht; diese rechnen ohnehin nach Stundensätzen ab und belasten sich nicht mit Problemen von Leuten, die sich das nicht leisten können. Die Länder bremsen bei der Gebührenerhöhung wegen der Kosten für die Prozesskostenhilfe. Vielleicht müssen wir uns mal Gedanken darüber machen, warum nur die Länderjustizhaushalte für diese Sozialleistung aufkommen sollen, die doch den Rechtsfrieden in unserem Land sichert.
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Sehr geehrte Frau Ministerin, motivierte Richterinnen und Richter finden und fördern und die Präsenz der Anwaltschaft vor Ort sichern, um den Zugang zum Recht zu gewährleisten – das sind in Zeiten des Fachkräftemangels große Herausforderungen für Justiz und Rechtsstaat. Gehen Sie es beherzt an! Dann können Sie mit unserer Unterstützung rechnen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Keul. – Nächste Rednerin ist für die SPD-Fraktion die Kollegin Esther Dilcher mit einem Vier-Minuten-Beitrag.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Hauptberichterstatterin möchte ich mich zuerst bei meinen Mitberichterstattern, der Ministerin und ihrem Haus sowie allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die sich auf meine stringente und etwas zügige Gesprächsgestaltung eingelassen haben.
({0})
Allen sei auch ein Dank ausgesprochen für die flexible, schnelle und transparente Zuarbeit sowohl im Vorfeld der Beratung als auch im Anschluss an die Berichterstattergespräche.
({1})
Gemeinsam haben wir für das kommende Jahr im Bereich Justiz und Verbraucherschutz Ausgaben von insgesamt etwa 920 Millionen Euro geplant, circa 7,5 Millionen Euro mehr als ursprünglich im Haushaltsentwurf vorgesehen. Das ist eine Erhöhung mit Augenmaß und mit wichtigen Akzenten, aber gegenüber den anderen Haushaltsplänen nur eine ganz geringe Summe.
({2})
Auf einigen Diagrammen erscheint der Haushalt des BMJV aber nur unter Sonstiges,
({3})
da sich die 0,254 Prozent am Gesamthaushalt fast nicht mehr abbilden lassen. Das wird aber der Bedeutung des Ministeriums für Recht und Verbraucherschutz keineswegs gerecht im Hinblick auf die Bedeutung von Demokratie und Rechtsstaat in unserer Republik. Unser Rechtsstaat ist immer noch eine große Errungenschaft. Allen Versuchen von Extremisten, diesen zu unterhöhlen, werden wir entschieden entgegentreten. Besondere Vorhaben dazu hat die Ministerin bereits aufgezählt und erläutert. Ich freue mich besonders, dass wir mit diesem Haushalt auch die politische Schwerpunktsetzung unserer Justizministerin, Christine Lambrecht, unterstützen konnten.
Unser Rechtsstaat funktioniert, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
({4})
auch wenn hier fälschlicherweise immer wieder das Gegenteil behauptet wird. Er funktioniert. Und das verdanken wir engagierten Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, Justizvollzugsbeamtinnen und Justizvollzugsbeamten, Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern. Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern, Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfern und vielen anderen in der Justiz Beschäftigten, die teilweise
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– ich komme noch darauf zurück – auch an ihre Grenzen der Belastbarkeit kommen. Ja, das ist zutreffend, aber trotzdem gewährleisten sie, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle die Arbeit sorgfältig und zufriedenstellend erledigt wird. Dafür sei von hier aus ein herzlicher Dank an alle Beschäftigten ausgesprochen.
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Gewisse Missstände dürfen uns aber nicht dazu verleiten, das ganze System als solches infrage zu stellen und davon zu sprechen, dass unser Rechtsstaat als Ganzes versagt. Wir müssen daher weiter dafür sorgen, dass noch mehr Personal eingestellt wird, um Entlastungen herbeizuführen, und dass damit in gewissen Bereichen Spezialisierungen stattfinden können.
({7})
Es macht mich fassungslos, wie die Verrohung unserer Sprache und Gesellschaft voranschreitet. Einige dieser Brandbeschleuniger sitzen aus meiner Sicht auf der rechten Seite.
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Besonders verwerflich finde ich, dass diese Mitglieder des Deutschen Bundestages sich nicht von eindeutigen rechtsradikalen Äußerungen ihrer Parteikollegen distanzieren
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oder selbst völlig absurde und tiefst missachtende Äußerungen von sich geben.
Herr Brandner beispielsweise – Sie haben mir ja den Ball zugespielt – vergleicht die Verleihung eines Bundesverdienstkreuzes, einer der höchsten Auszeichnungen für Bürger,
({10})
die sich um die Bundesrepublik durch ihr Engagement oder ihren besonderen Mut hervorgetan haben, mit einem Judaslohn. Gut, Herr Brandner, dass der Rechtsausschuss in geheimer Wahl,
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wo es durchaus möglich gewesen wäre, sich anders zu entscheiden, sich einig war, nicht mehr durch Sie vertreten werden zu wollen.
({12})
Wer gewählt wird, kann auch abgewählt werden. Das ist Demokratie und das ist Rechtsstaat, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen. Wir scheuen keineswegs die Auseinandersetzung mit Ihnen als AfD-Fraktion, aber
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als Ausschussvorsitzender möchte nicht mehr von Ihnen vertreten werden.
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Wir werden alle Vorhaben der Ministerin unterstützen, und ich hoffe im nächsten Jahr auf etwas mehr Geld und etwas mehr finanzielle Ausstattung, die dem Ministerium würdig ist.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Als nächster Redner hat für die AfD-Fraktion der Kollege Martin Hohmann das Wort.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, unter der Überschrift „Ausgabenvergleich im Haushalt der wichtigsten Ministerien“ machte gestern eine große Tageszeitung die entsprechenden Haushaltsansätze in einer Vergleichstabelle publik – die wichtigsten Ministerien; das Justizministerium war dort nicht aufgeführt. Das Forum Recht oder die Tatsache, dass das Justizministerium zwei Drittel seiner Ausgaben selbst erwirtschaftet, war der Zeitung keine Erwähnung wert. Es hieße aber, die Bedeutung des Justizministeriums gewaltig zu unterschätzen, begnügte man sich mit dem Zahlenvergleich. Nein, das Justizministerium ist kein Ministerium der großen Zahlen, sondern eines der großen Wirkung: Wirkung durch das Formulieren und Einbringen von Gesetzen.
Frau Ministerin, wie in Ihrer Rede angesprochen, haben Sie als Verfassungsministerin Ihren Gesetzentwurf für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz bekannt gegeben. Artikel 6 soll um einen neuen Absatz 1a erweitert werden. Er soll lauten:
Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft.
({0})
Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör.
Das weckt bei vielen Menschen im Lande erhebliche Befürchtungen. Schon der erste Satz macht klar, dass das Aufwachsen und die Entwicklung eines Kindes innerhalb seiner Familie offenbar kein Thema mehr sind, sondern dass die Erziehung des Kindes in der sozialen Gemeinschaft zu erfolgen hat.
({1})
Das ist ein Paradigmenwechsel.
({2})
Das ist eine Rolle rückwärts in die Staatspraxis der DDR.
({3})
– Mit uns nur vorwärts.
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Es besteht ganz konkret die Gefahr, dass das Elternrecht verdrängt wird, nicht mehr die Eltern, sondern der Staat würde über die vermeintlichen Kindesinteressen entscheiden.
({5})
Das im Grundgesetz als Abwehrrecht gegen einen übergriffigen Staat festgeschriebene natürliche Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung der Kinder wäre damit faktisch außer Kraft gesetzt.
Kinder sind bereits Träger aller Grundrechte, wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt hat.
({6})
Es gibt keine Schutzlücke. Es gibt keinen Regelungsbedarf. Bereits heute muss das Kindeswohl im gesamten Gesetzgebungsverfahren mit Vorrang beachtet werden.
Von Montesquieu stammt der Satz:
Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen.
Frau Ministerin, die geplanten Kinderrechte im Grundgesetz sind ein typischer Anwendungsfall für diesen Satz.
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Vielen Dank, Herr Kollege Hohmann. – Nächste Rednerin ist für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Haushaltsdebatte besteht Gelegenheit, jedes Thema aufzurufen, was uns in der Rechtspolitik gerade beschäftigt. Das sind typischerweise immer sehr unterschiedliche Themen. Die Kindergrundrechte wurden gerade lang und breit thematisiert. Wir teilen absolut den Ansatz, dass Grundrechte auch jetzt schon Kindern zustehen. Wir haben aber vereinbart, dass wir das im Grundgesetz noch einmal deutlicher machen wollen, und zwar ganz explizit so – da weiß ich die Frau Ministerin an unserer Seite –, dass das Dreieck zwischen Eltern, Kindern und Staat nicht verändert wird. Von daher können Sie sicher sein, dass wir darauf achten werden, dass an der Stelle nichts passiert.
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Die Nachzeichnung der Kindergrundrechte im Grundgesetz soll ein Gewinn sein für die Kinder, wenn es um Zielkonflikte zwischen Kindern und anderen Anliegen geht. Wir werden als Union ganz dezidiert darauf achten, dass nur das der Effekt dieser Grundrechtsänderung ist. Wir werden den vorgelegten Entwurf an der Stelle sehr genau prüfen und auch die Formulierung, die jetzt vorliegt, noch einmal infrage stellen.
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Aber das Ergebnis und das Ziel sind jedenfalls klar.
Wir beraten heute den kleinsten Haushalt – das wurde schon mehrfach gesagt –: unter 1 Milliarde Euro. Mir ist es deshalb ein Anliegen, zu sagen, dass das die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit oder des Gerichtswesen im Lande nicht annähernd beschreibt, sondern das ist der Tatsache zuzuschreiben, dass im Bundeshaushalt im Wesentlichen nur die obersten Bundesgerichte plus der Verbraucherschutz plus der eigene Bedarf des Ministeriums plus einige sehr gute Projekte etatisiert sind. Denken Sie also nicht, dass es uns nicht mehr wert ist. Wir verzeichnen einen Aufwuchs durch das Forum Recht. Wir sind froh, dass die Richterakademie in Wustrau auch wieder enthalten ist und auch einige gute Projekte gegen Rassismus und Antisemitismus.
In einem weiteren zentralen Punkt geht es auch ums Geld – der ist schon genannt worden –, nämlich beim Pakt für den Rechtsstaat. Wir haben als Bund sozusagen die Anschubfinanzierung für die Schaffung neuer Stellen für Richter und Staatsanwälte in den Ländern übernommen und werden den Ländern insgesamt 220 Millionen Euro zukommen lassen. Die erste Tranche ist im Kontext eines anderen Gesetzes unterwegs; deshalb ist das nicht hier etatisiert. Wenn wir das aber dazurechnen, liegen wir über 1 Milliarde Euro. Dann haben wir diese Grenze endlich auch mal geknackt.
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Ein gutes Verfahrensrecht ist auch Teil des Paktes für den Rechtsstaat. Wir haben in der letzten Sitzungswoche zielgenaue Veränderungen in der Strafprozessordnung vorgenommen. Wir haben beim Zivilprozessrecht dafür gesorgt, dass der Bundesgerichtshof nicht aufgrund zahlreicher Revisionsverfahren untergeht und seine Arbeit darunter leidet, und haben das Ganze auf einen guten und praktikablen Weg gebracht. Uns ist aber auch klar, dass damit nicht alle Probleme gelöst sind. Deshalb gibt es natürlich weiterhin eine To-do-Liste mit Vorschlägen, die noch nicht abgehakt sind.
Ich bin dankbar, dass mit Frau Ministerin Lambrecht jetzt einige Punkte möglich sind, die mit ihren Vorgängern eben nicht möglich waren, die wir über eine lange Zeit immer wieder eingebracht haben und die wir jetzt vielleicht ins Gesetzblatt bekommen. Ich spreche da zunächst von der Wiederaufnahme von Verfahren. Gerade bei Tötungsdelikten haben wir – auch in bekannten Verfahren – die Situation, dass durch Weiterentwicklungen bei der DNA-Analyse mittlerweile Nachweise möglich sind, die vorher nicht möglich waren. Wir hätten damit die Chance, freigesprochene Angeklagte, die aber vermutlich doch Täter sind, wieder vor Gericht zu bringen. Denn es kann im Sinne der Angehörigen und der Opfer nicht hingenommen werden, dass es bei einem Freispruch bleibt. Hier wollen wir die Möglichkeit der Wiederaufnahme prüfen. Ich bin froh, dass Sie diesen Vorschlag aufgreifen, liebe Frau Ministerin.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Martens der FDP-Fraktion?
Ja.
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Kollegin Winkelmeier-Becker, zu Ihren Ausführungen gerade eben zur Frage der nachträglichen Beweisführung durch DNA-Tests: Heißt das, dass die Rechtskraft von Urteilen, auch von freisprechenden Urteilen, in Zukunft nicht mehr gelten soll?
Wir haben uns vorgenommen, das zu prüfen. Ich sehe bei der Ministerin eine große Sympathie dafür. Wenn das nach Prüfung durch das Ministerium für möglich gehalten wird, dann wollen wir das tun, ja.
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Ein weiterer wichtiger Punkt ist die audiovisuelle Dokumentation. Da gab es in der StPO-Anhörung allerdings sehr viel Skepsis, und zwar über alle Instanzen hinweg. Anwesend waren unter anderem der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, seines Zeichens Direktor eines großen Amtsgerichts, ein OLG-Richter und ein Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, und von keinem kam an der Stelle Zustimmung, dass das letztendlich weiterführend ist. Es steht in Ihrem Ermessen, dazu eine Kommission einzurichten. Aber ich bitte darum und würde es für sinnvoll halten, wenn wir von vornherein diesen Sachverstand mit einbeziehen.
Kurz ansprechen möchte ich die elektronische Akte. Diese soll bis 2025 kommen. Ich glaube, da sind wir im Verzug. Ich möchte wirklich den nachdrücklichen Appell an das Ministerium richten, hier koordinierend tätig zu werden. Wir haben im Moment die Situation, dass die Länder in drei Gruppen an unterschiedlichen Lösungen arbeiten. Ich glaube, da wäre die Effizienz zu steigern und noch viel an Tempo zuzulegen. Deshalb an der Stelle diese nachdrückliche Bitte an Sie.
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Wir haben den Fokus bisher vor allem auf das Strafverfahren gelegt. Ich glaube, wir müssen uns auch das Verwaltungsgerichtsverfahren noch einmal ansehen. Das war auch gestern in der Generaldebatte ein Punkt. Ralph Brinkhaus hat dargestellt, dass wir da zu schnelleren Verfahren kommen müssen, vor allem in Bezug auf Infrastrukturmaßnahmen. Das stieß ja auch durchaus auf positive Resonanz. Ich glaube, es ist ein wichtiger, unverzichtbarer Beitrag der Rechtspolitik zur Energiewende, den wir an der Stelle leisten müssen. Denn wir müssen es schaffen, dass diese Abwägungsprozesse, also welche Rechte im Raum stehen und wie sie gegeneinander abgewogen werden, einfach schneller gehen müssen,
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damit wir nicht an der Stelle letztendlich die Energiewende scheitern lassen.
Ich glaube, dass es angesichts dieses Themas in allen Bereichen der Rechtspolitik zu einer grundsätzlichen Ausrichtung kommen sollte; bei uns steht es vielleicht nicht gerade an oberster Stelle. Beim Wohnungseigentumsrecht haben wir vor, die Mehrheitserfordernisse zu verändern, wenn es darum geht, Elektroladestationen für Autos einzubauen.
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Ich glaube, wir müssen das gleiche Vorgehen in Betracht ziehen, wenn es darum geht, Photovoltaik auf die Dächer zu bekommen.
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Wir müssen uns auch überlegen, wie man Anreize im Kontext von Mietverträgen schaffen kann, um auch bei Mietshäusern die Photovoltaik auf die Dächer zu bekommen; denn sonst schaffen wir diese Energiewende nicht. Wir wollen ja auch, dass Wohnungseigentümer und Mieter Zugang zu diesem Strom haben, der ja perspektivisch immer günstiger wird.
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Ganz kurz möchte ich noch das Thema Antisemitismus aufgreifen. Wir hatten Herrn Dr. Schuster in unserer Fraktion zu Gast. Ich war früher Richterin, deshalb liegt mir Justizschelte fern, und ich weiß die Unabhängigkeit der Richter zu schätzen. Trotzdem gibt es hier und da Urteile, wo man sich fragt: Ist das das richtige Signal? – Dr. Schuster hat einige Beispiele gebracht. Deshalb unterstützen wir es ausdrücklich, antisemitische Motivation in § 46 StGB aufzunehmen und damit robuste Maßnahmen gegen Hass, Hetze und Beleidigung überall im Netz, auch mithilfe des NetzDG, zu stärken.
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Jetzt komme ich zum Schluss. – In diesem Sinne wünsche ich der Rechtspolitik weiterhin sehr viel Erfolg.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner für die FDP-Fraktion ist der Kollege Dr. Jürgen Martens.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesministerin hat in ihrer Vorstellungsrede ausgeführt, die Haushaltsverhandlungen hätten nicht wehgetan. Da stellt sich natürlich immer die Frage, wie schmerzfrei man selber ist.
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Was die Vorrednerin hier gerade zum Thema der Wiederaufnahmeverfahren bei geänderter Beweisführung und der Durchbrechung der Rechtskraft gesagt hat,
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hat schon, sage ich jetzt mal, mir wehgetan. Das offenbart ein Vorverständnis hinsichtlich der Rechtskraftwirkung von Entscheidungen – auch von Entscheidungen, die viele Jahre zurückliegen –, das ich befremdlich finde.
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Die Rechtskraft ist eines der tragenden Elemente, die den Rechtsstaat und seine Entscheidungen berechenbar, sicher und verlässlich machen. Dies einfach in einem Nebensatz infrage zu stellen, ist der Sache weder angemessen, noch ist es verständlich. Es wundert mich daher umso mehr, wie leicht aus dieser Großen Koalition heraus tragende Prinzipien des Rechtsstaates mal eben schnell infrage gestellt werden.
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Der Rechtsstaat schützt die Rechte seiner Bürger und garantiert sie – vom Eigentumsrecht bis hin zum Vertrauen auf den Bestand gerichtlicher Entscheidungen mit einer Rechtskraft. Aber dieser Schutz passiert eben nicht nur im Wege des Strafrechts, wie man den Eindruck haben könnte, sondern eben auch mit anderen Mitteln. Umso mehr fällt es auf, wenn im Haushalt die Absenkung von Fortbildungsmitteln festgeschrieben wird. Die Evidenzbasierung der Strafrechtspolitik, meine Damen und Herren, kommt nicht voran. Wir haben es hier sogar mit einer Reduzierung von Forschungsmitteln von 3,1 Millionen Euro auf 1 Million Euro zu tun. Wir sind aber der Auffassung: Wer Strafrechtspolitik rational machen will, ist auf Evidenzbasierung und damit auf Forschungsausgaben angewiesen.
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Die Modernisierung des Rechtsstaates kommt ebenfalls zu kurz. Die Auswirkungen von Legal Tech auf die Anwaltschaft und auch auf das Rechtssystem werden in diesem Haushalt nicht wirklich widergespiegelt. Die RVG-Anpassung, obwohl von sämtlichen Fachpolitikern in diesem Haus befürwortet, bleibt weiter liegen. Sie bleibt auf der Strecke, meine Damen und Herren.
Die technische Modernisierung in der Justiz kommt auch nicht wirklich voran. Die Einführung der elektronischen Akte: bisher Fehlanzeige. Die Hoffnung, man würde sie im Jahre 2025 haben, halte ich auch für trügerisch, meine Damen und Herren.
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Aber das, was Sie tun könnten, nämlich die Einführung von Videoaufzeichnungen in Hauptverhandlungen, das unterlassen Sie. Es gibt hier kein Fortkommen. Und dort, wo Sie etwas tun, erschöpft sich die Strafprozessreform im kleinteiligen Beschneiden von Rechten der Verteidigung.
Ich wiederhole mich: Der vorliegende Haushalt ist, genau wie der vorhergehende, kein Zeichen von Modernisierung oder von Aufbruch, sondern eher von Kleinteiligkeit, inhaltlicher Leere, ja von Mutlosigkeit. Sie werden sich nicht wundern, dass wir einem solchen Haushalt nicht zustimmen werden.
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Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Martens. – Als nächster Redner hat der Kollege Niema Movassat für die Fraktion Die Linke das Wort.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Justizhaushalt sind 110 Millionen Euro vorgesehen, um neue Stellen in der Justiz der Bundesländer zu bezuschussen. Es kommt aber nicht darauf an, mit der Gießkanne neue Stellen zu schaffen, sondern die richtigen Prioritäten zu setzen. Wir haben heute eine Justiz, die mit enormem Personaleinsatz Menschen verfolgen muss, weil sie schwarzfahren, Lebensmittel aus Supermarkttonnen retten oder kleine Mengen Cannabis besitzen. Das sind alles Delikte, die kaum sozialschädlich sind und endlich entkriminalisiert gehören.
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Sozialschädlich, massiv sozialschädlich, waren hingegen die Cum/Ex- und Cum/Cum-Deals. 31 Milliarden Euro – 31 Milliarden Euro! – sind dadurch dem deutschen Fiskus verloren gegangen. Ein Netzwerk aus Banken, Anwälten und Superreichen hat die Steuerzahler beraubt. Als erste Ermittlungsbehörde hat die Kölner Staatsanwaltschaft diesen größten Steuerraub in der Geschichte Europas strafrechtlich aufgearbeitet. In 56 Ermittlungskomplexen hat sie rund 400 Beschuldigte ermittelt und angeklagt. Die Kölner Staatsanwaltschaft verdient den höchsten Respekt für ihre mutigen und sehr aufwendigen Ermittlungen.
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Es handelt sich um 400 gut betuchte Beschuldigte, die sich Topverteidiger leisten können. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat gerade mal zehn Staatsanwälte für all diese Verfahren, zehn Staatsanwälte für einen Schaden von über von über 30 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Bei den Jobcentern ermitteln 2 000 Detektive, ob Erwerbslose ein paar wenige Euro zu viel bekommen haben könnten. 2018 haben diese Verfahren die Staatskasse 60 Millionen Euro gekostet, um am Ende 18 Millionen Euro zurückzufordern. Das Missverhältnis ist offensichtlich. Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.
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Frau Ministerin Lambrecht, tun Sie endlich etwas gegen diesen verbreiteten Eindruck und rüsten sie gemeinsam mit den Ländern gezielt Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegen Wirtschaftskriminalität auf. Wir dürfen die Täter in Nadelstreifen nicht davonkommen lassen.
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Dasselbe gilt für die Einführung eines Unternehmenssanktionsrechts. Wir haben als Linke schon lange gefordert, Unternehmen für rechtswidriges Handeln, zum Beispiel beim Dieselbetrug, bestrafen zu können. Ich finde es gut, dass Sie, Frau Ministerin, dazu einen Gesetzentwurf angekündigt haben. Der wichtigste Punkt dabei ist die Einführung des Legalitätsprinzips: Staatsanwaltschaften sollen mögliche Unternehmensstraftaten von Amts wegen verfolgen müssen. Doch auch diese Regelung bleibt ein stumpfes Schwert, wenn Staatsanwaltschaften nicht das nötige Personal haben. Wir brauchen Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich gezielt mit Unrecht durch Unternehmen befassen, damit die Justiz auch die großen Fische fangen kann.
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Meine Damen und Herren, ich will den Blick auch auf außerhalb der deutschen Grenzen richten. Wir leben in der EU in einem Verbund, der sich Rechtsstaatlichkeit auf die Fahne geschrieben hat. Zugleich haben wir Abertausende Menschen in den Flüchtlingslagern an den europäischen Außengrenzen, die von Europas Rechtstaatlichkeit wenig mitbekommen. Sie leben in dramatisch überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln. Es gibt da viel zu tun, und ein Punkt betrifft unseren Justizhaushalt. Wir haben als Linke gemeinsam mit den Grünen auf Vorschlag des Deutschen Anwaltvereins einen Antrag eingebracht, laut dem das Justizministerium eine unabhängige Rechtsberatung für die Geflüchteten in den EU-Hotspots finanzieren soll.
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– Es wundert mich nicht, dass Sie das bescheuert finden. Sie haben mit Rechtsstaatlichkeit, Herr Brandner, sehr wenig zu tun.
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Es ist ein elementares Gebot der Rechtsstaatlichkeit, Menschen über ihre Rechte aufzuklären. Es gibt bisher nur Ehrenamtliche, die unter großem persönlichem Einsatz diese wichtige Beratungsarbeit leisten.
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Die Finanzierung hängt am seidenen Faden. Deshalb bitte ich Sie, unserem finanziell bescheidenen, aber in der Sache wichtigen Antrag zuzustimmen.
Danke schön.
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Canan Bayram das Wort.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Statt Maßnahmen auf dem Rücken der Angeklagten und einer Erschwerung der Verteidigung, wie das in der letzten Strafprozessreform vorgenommen wurde, bräuchte es eine Verbesserung des Strafverfahrens. Dazu haben wir nicht nur einen Antrag im Ausschuss eingebracht, sondern wir haben auch hier in der Haushaltsdebatte einen entsprechenden Antrag eingebracht, in dem wir gefordert haben, dass sich der Bund an den Kosten für die audiovisuelle Dokumentation von Hauptverhandlungen beteiligen soll. Es ist wirklich eine Schande, dass Sie diesen Antrag abgelehnt haben.
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Denn damit wäre es nicht nur möglich gewesen, die Richter zu entlasten, weil sie dann im Prozess zuhören könnten, anstatt gleichzeitig mitschreiben zu müssen, es wäre auch leichter, die Aussagen von Zeugen miteinander abzugleichen. Es wäre eine Entlastung und eine Verbesserung für das Verfahren gewesen. Sie hätten das insbesondere mit Blick auf die Zuständigkeit beim Völkerstrafrecht machen können. Ich verstehe nicht, warum Sie diese Chance verpasst haben. Diese Frage hätte ich hier und heute gerne noch beantwortet.
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Sie sind allerdings sehr fleißig, Frau Ministerin – das wird von den Fraktionen hier auch getragen –, wenn es darum geht, strafrechtlich alles zu verschärfen. Aber das kann doch nicht die Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit sein, dass überall einfach nur sozusagen eine Schippe draufgelegt wird. Ich fordere, dass es für jede Verschärfung eine Entschärfung im Sinne einer Entrümpelung des Strafgesetzbuches hinsichtlich der Normen gibt, die wir nicht brauchen. Gerade das Fahren ohne Fahrschein zu entkriminalisieren, wäre eine Variante, aber auch den Konsum von Cannabis sollte man entkriminalisieren. Das ist so überfällig wie nur sonst was.
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Ich kann das Wort „Strafbarkeitslücke“ nicht mehr hören. Strafe sollte doch Ultima Ratio sein. Das bedeutet, dass wir nur dann, wenn wir mit den vorhandenen Instrumenten nicht weiterkommen, etwas unter Strafe stellen. Mittlerweile habe ich den Eindruck, es ist immer das erste Instrument, was den Ministern einfällt.
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Bitte, Frau Ministerin, schauen Sie hier noch einmal genauer hin.
Ein Thema, das mich und meinen Wahlkreis sehr bewegt, ist natürlich das Mietrecht. Wir haben in einem Antrag gefordert, dass wir die Verbraucherzentralen finanziell stärker ausstatten, damit sie besser beraten und über die Rechte der Mieterinnen und Mieter informieren können. Ich verstehe nicht, warum dieser Antrag abgelehnt wurde, und das macht mich irgendwie auch wütend. Sie haben eine Mietpreisbremse auf den Weg gebracht, die so kompliziert ist, dass Sie eigentlich verpflichtet wären, sie so zu erklären, dass die Mieterinnen und Mieter von diesem Instrument überhaupt Gebrauch machen können.
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Und wer muss es dann machen? Wir haben gestern die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gehört: wenigermiete.de wird es machen; denn sie machen es in einer Art und Weise, die sich die Mieterinnen auch leisten können.
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– Herr Fechner, Sie sagen, das ist doch gut. Aber bei Legal Tech – Herr Kollege Martens hat es gesagt – sind Sie genauso ausgebrannt oder noch nicht so weit. Man weiß es nicht: Sind Sie kurz vor dem Aufgeben oder kurz davor, es sich nicht vorzunehmen?
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Wir wissen es nicht, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ich fühle mich ermutigt von einem Kreisvorsitzenden der SPD aus meinem Wahlkreis, der gestern sagte: Die Frau Lambrecht, das ist ’ne Gute, lass dich mal überraschen. – Ich hoffe, dass er Recht behält.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner hat für die SPD-Fraktion der Kollege Dr. Johannes Fechner das Wort.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Auch im Bereich Justiz- und Verbraucherschutz spricht dieser Haushalt eine klare sozialdemokratische Sprache. Wir bauen die Rechte der Verbraucher aus, wir bekämpfen Kriminalität effektiv, und wir stärken das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unseren Rechtsstaat. Das sind wichtige rechtspolitische Ziele, die wir in der Koalition vorantreiben werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Mit der Musterfeststellungsklage haben wir ein Erfolgsmodell für den kollektiven Rechtsschutz in Deutschland eingeführt. Die massive Kritik der Grünen hat sich schlicht als falsch erwiesen. In München gab es den ersten Prozesserfolg für die Kläger. Wenn jetzt 400 000 VW-Käufer ihre Rechte kostenlos geltend machen können bei dem Prozess in Niedersachsen, dann ist das ein Meilenstein für den Verbraucherschutz und zeigt, dass Sie, liebe Grünen, komplett falsch lagen mit Ihrer Kritik.
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Damit die Musterfeststellungsklagen auch in Zukunft so geführt werden können, stärken wir mit dem Haushalt das Bundesamt für Justiz, das eine entscheidende Rolle bei der Erstellung des Klageregisters spielt, mit zusätzlichen 67 Stellen; denn es muss der Grundsatz gelten: Wer recht hat, muss auch recht bekommen.
Und wir werden Kriminalität effektiv bekämpfen. Oft gehen Hass und Hetze ja mit Worten im Netz los und enden, wie die schlimmen Mordfälle in den letzten Monaten gezeigt haben, in der Tat. Deswegen ist es wichtig, dass wir mehr gegen Hass im Netz tun. Auch das machen wir mit diesem Haushalt, indem wir wichtige Einrichtungen wie HateAid, das Anne-Frank-Zentrum oder das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus mit erheblichen Geldmitteln unterstützen. Unterstützen wir deren wichtige Arbeit gegen Hass im Netz, liebe Kolleginnen und Kollegen!
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Natürlich müssen wir noch viel mehr gegen Rechtsradikalismus tun. Deswegen möchte ich für die SPD ausdrücklich ein großes Dankeschön an die Bundesjustizministerin richten: Sie haben viele wichtige Vorschläge im entsprechenden Maßnahmenpaket der Bundesregierung verankert. Es ist wichtig, dass wir Kommunalpolitiker gerade bei Attacken von rechts strafrechtlich besser schützen.
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Bürger müssen melderechtlich einfacher als heute möglich ihren Wohnort verheimlichen können. Eines ist auch klar: Wenn gefährliche Leute Waffen haben oder ihren Besitz beantragen, dann müssen wir eingreifen. Gefährliche Menschen dürfen keine Waffen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Erfreulicherweise geht die Zahl der Wohnungseinbrüche in Deutschland deutlich zurück: von rund 160 000 auf 100 000. Aber das sind immer noch viel zu viele, deswegen ist es wichtig, dass wir mit diesem Haushalt eine ganz wichtige Maßnahme stützen, nämlich das Programm zur Förderung des Einbruchschutzes. 80 Millionen Euro stellen wir dafür zur Verfügung. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme. Alle Experten sagen: Das ist die beste Maßnahme, um Einbrüche zu verhindern. – Das ist eine wichtige Maßnahme, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich komme zum Schluss. Einmal mehr zeigen wir, dass wir wichtige Maßnahmen umsetzen. Wir bauen den Verbraucherschutz aus, wir bekämpfen Kriminalität effektiv, und wir gehen gegen Rechtsterrorismus vor. Ein Dankeschön an die Justizministerin, die viele Vorschläge hat, so viele Vorschläge, dass meine Redezeit dafür gar nicht ausreicht.
Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte wirklich zum Schluss.
Zum Schluss noch ein Dankeschön an meine Sprecherkollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker, deren voraussichtlich letzte rechtspolitische Debatte dies ist.
Herr Dr. Fechner, bitte. Ich möchte Ihnen ungern das Wort entziehen.
Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit.
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Als nächster Redner hat das Wort für die AfD-Fraktion der Kollege Stephan Brandner.
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Meine Damen und Herren, vor allem die an den Bildschirmen und auf der Tribüne! Vier Minuten Möglichkeit, zum Justizhaushalt Stellung zu nehmen. Da fragt man sich: Was erzählt man, vor allem, wenn man noch der Ausschussvorsitzende der Herzen ist?
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Ich habe mich gefragt: Beginne ich so primitiv und niveaulos wie gestern eine peinliche Erscheinung aus Hamburg, die uns von der AfD den Hals abschneiden wollte und sich in Hass und Hetztiraden verstieg? Ich habe mir gesagt: Nein, das lasse ich sein. – Oder beginne ich mit Verbots- und anderen Fantasien betreffend die Altparteien? Ich habe mir gedacht: Nein, das lasse ich auch sein; denn verbieten muss man keine von den Altparteien. Meine Damen und Herren, Sie werden sich selbst abschaffen. Sie schaffen sich schon selber ab.
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Ganz vorne dabei ist die SPD, Sie, die Sie vor einiger Zeit noch von den links neben Ihnen Sitzenden als Sozialfaschisten bezeichnet wurden. Die SPD ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, was angesichts der Programmatik
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und des politischen Personals – ich gucke da in die erste Reihe –, das sich überwiegend aus aalglatten Karrieristen und ansonsten zumindest Schwervermittelbaren rekrutiert, nicht verwundert.
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Diese Partei der Spezialdemokraten, meine Damen und Herren, die hat so was von fertig, die erledigt sich in Kürze von selbst,
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wobei ich mich nicht festlegen möchte, ob das kurz vor oder nach der FDP oder den Linken sein wird. Das werden wir sehen.
Nach der SPD hingegen – und da lege ich mich fest – wird es den ehemals Konservativen an den Kragen gehen,
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ich meine die CDU und die CSU, die zu machtbesessenen und machtvergessenen profillosen und inhaltsleeren Kanzlerinnenclaqueuren verkommen sind.
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Danach kommen dann die Grünen dran, die sich selber erledigen werden. Diese überflüssige linksverschwobene Politsekte, die braucht kein Mensch, meine Damen und Herren.
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Sie von den Altparteien schaffen sich selbst ab, genauso wie Sie Schritt für Schritt unseren Rechtsstaat abschaffen, unsere Demokratie aushöhlen und Grundrechte mit den Füßen treten.
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In Ihren Sonntagsreden loben und preisen Sie den Rechtsstaat, die Demokratie und die Meinungsfreiheit. Auch der Bundespräsident tut das. Im täglichen Leben aber machen Sie genau das Gegenteil. Sie verachten und bekämpfen grundlegende Prinzipien unseres Rechtsstaats und der Demokratie.
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Sie hofieren und hätscheln Feinde unseres freiheitlichen Gemeinwesens, Sie fördern Linksextremismus, und Sie ignorieren Linksterrorismus, meine Damen und Herren.
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Sie treten das Grundgesetz mit den Füßen. Stichwort: Artikel 3 Absatz 3 – politische Ansichten, keine Benachteiligung deshalb. Im heutigen Deutschland ist das ein schlechter Witz. Kabarettisten werden unter Druck gesetzt. Ich nenne Nuhr und Steimle. Professoren werden attackiert. Es kommt zu Arbeitsplatzverlusten; siehe hessische Filmförderung. Journalisten werden drangsaliert, Wiebke Binder,
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und nicht etwa, weil sie in der AfD wären, nein, nur weil sie nicht hundertprozentig auf Linie sind. Denn wenn Sie in der AfD sind, dann geht es Ihnen noch schlimmer:
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Sie haben körperliche Angriffe zu erleiden, Angriffe auf Häuser, auf Autos, Angriffe auf Gaststätten und Hotels, Schnüffeleien, Spitzeleien, Bedrohungen Dritter, Boykottaufrufe, öffentliche Steckbriefe.
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Das ist der Rechtsstaat, den Sie zugrunde richten, Sie von den Altparteien.
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Sie stigmatisieren, Sie grenzen aus, Sie ächten sozial. Das ist das, was im Jahr 2019, im Jahr 15 der Frau Merkel, von Deutschland übrig ist.
Aber auch ansonsten ist unser Staat in einem desolaten Zustand.
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Ich denke, das sind keine Freudentränen bei Ihnen hier vorne. Gehen Sie mal in sich und denken Sie nach, wie Sie unser Land in den letzten Jahren vergewaltigt haben.
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Das Grundgesetz wird gebogen und gebrochen: Asylrecht, Föderalismus. Europäisches Recht wird gebrochen: Euro-Krise, Nullzinspolitik, Dublin-Abkommen, Schengen-Abkommen, Pleitestaatenfinanzierung. Sie brechen Gebote der Gewaltenteilung, Sie verschleudern deutsches Steuerzahlergeld und trampeln auf der Geschäftsordnung dieses Bundestages herum.
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Ich nenne nur die Vizepräsidentenwahl. Ich nenne die Abwahl unbequemer Ausschussvorsitzender.
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Und jetzt wollen Sie auch noch die Redezeiten begrenzen, damit in diesem Parlament nicht mehr die Wahrheit ausgesprochen werden kann. Sie wollen kein Parlament, Sie wollen ein abnickendes „Schweigerment“. Das ist das, was Sie vorhaben, meine Damen und Herren.
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Aufgrund der Kürze der Redezeit waren das leider nur ein paar wenige Beispiele für den von Ihnen, von den Altparteien zu verantwortenden Zer- und Verfall unseres Landes, unseres ehemals stolzen Rechtsstaates, unserer Demokratie.
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Sie von den Altparteien sind ein großer Schaden, ja teilweise eine Schande für dieses Land, und das jeden Tag.
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Wir Deutschen aber haben Ihr kollusives, schädliches Handeln für unser Land satt.
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Wir von der AfD wollen und werden den Bürgern das zurückgeben, was sie verdienen, nämlich einen funktionierenden freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat. Dafür treten wir an, dafür wurden wir gewählt, und dafür arbeiten wir.
Vielen Dank.
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Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Alexander Hoffmann für die Fraktion der CDU/CSU.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nein, Herr Brandner, ich wollte eigentlich nicht auf diese fulminante, inhaltsleere Rede von Ihnen eingehen.
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Aber ich finde schon, Sie haben in fast beeindruckender Art und Weise unter Beweis gestellt, warum es richtig war, Sie abzuwählen.
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Das lag nicht daran, dass Sie unbequem waren oder sind, sondern daran, dass Sie einfach dieses Amtes unwürdig waren und dafür unfähig sind.
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Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, freue ich mich, dass wir heute über die Rechtspolitik reden können. Vom Mechanismus her läuft es in dieser Haushaltsdebatte ja bei jedem Titel ähnlich: Die Oppositionsparteien versuchen, uns einzureden, dass diese Große Koalition nicht handlungsfähig ist, dass sie nicht liefert.
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Sie sei schon fast am Ende. Ich finde, gerade die Rechtspolitik, Frau Ministerin, eröffnet uns die Möglichkeit, mal zu zeigen, welche Maßstäbe wir setzen, was wir gerade in letzter Zeit auf den Weg gebracht haben und in Zukunft noch auf den Weg bringen werden.
Da lohnt sich ein Blick auf die letzten Wochen: Wir haben die StPO-Reform absolviert, wir haben das Recht der notwendigen Verteidigung neu strukturiert, und wir haben Verfahrensrechte beschuldigter Jugendlicher im Jugendstrafverfahren gestärkt.
Das, was aktuell auf dem Tisch liegt, ist nicht minder spannend und nicht minder wichtig. Wir werden die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs beim Cybergrooming einführen, und wir wollen Ermittlern die Möglichkeit eröffnen, mit computergeneriertem kinderpornografischen Material auf Kinderpornografieplattformen im Darknet zu ermitteln. Das Signal, das wir damit aussenden, ist unmissverständlich. Es lautet: Diese Große Koalition schützt Kinder im Netz. Diese Große Koalition bekämpft Kinderpornografie kompromisslos.
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Wenn wir uns insbesondere zu diesen zwei Themenfeldern mit Experten zusammensetzen, dann hören wir, dass die Anzeichen alarmierend sind: Die Experten sagen uns, dass die Besitzzahlen im Bereich Kinderpornografie sprunghaft ansteigen. Für den Bereich Cybergrooming gibt es Experten, die sagen – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen –, dass davon auszugehen ist, dass heutzutage kein Kind und kein Jugendlicher groß werden kann, ohne nicht mindestens einmal Kontakt mit einem solchen Täter in der digitalen Welt zu haben.
Frau Ministerin, gerade weil das so ist und weil wir merken, dass sich diese Entwicklung rasant fortsetzt, möchte ich mich hier zum Schutz in der digitalen Welt auch mit einer persönlichen Bitte an Sie wenden: Ich glaube, wir täten gut daran, wenn wir versuchen würden, den Inhalt dieses Gesetzespaketes, das wir schon fast fertiggeschnürt haben, noch ganz abzurunden.
Wir wünschen uns hier zum Beispiel – das haben wir schon angebracht – eine Anhebung des Strafrahmens für den Besitz kinderpornografischen Materials, weil wir im Strafgesetzbuch einfach einen Wertungswiderspruch erblicken. Führen Sie sich einmal vor Augen, dass der einfache Diebstahl mit einer Strafrahmenobergrenze von fünf Jahren bedroht ist, während es beim Besitz kinderpornografischen Materials aktuell maximal drei Jahre sind. Das ist ein Missverhältnis, das so nicht bleiben kann. Wir müssen uns immer vor Augen führen, dass der Besitz dieses Materials den Markt belebt, und der Markt lebt letztendlich von Bildern, denen jeweils ein echter Missbrauchsvorgang zugrunde liegt. Deswegen glaube ich, dass wir gemeinsam gut daran täten, dieses Signal, das ich vorhin beschrieben habe, noch zu verstärken, um zu zeigen: Wir sind hier kompromisslos bereit, alle Register zu ziehen. Frau Ministerin, darüber würde ich mich wirklich freuen.
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Weil wir über einen Anstieg reden, will ich auch noch mal auf die Gespräche zurückkommen, die Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, in dieser Woche in Berlin geführt hat. Er kommt aus meiner Geburtsstadt Würzburg, und wir durften ihn auch treffen. Es ist tatsächlich erschreckend und alarmierend, wenn man mitbekommt, dass die Zahl der antisemitischen Straftaten allein in 2018 um 20 Prozent gestiegen ist.
Sie alle wissen – insoweit, Frau Ministerin, will ich Ihnen vorab schon Danke sagen –, dass er das formuliert hat, was es aus dem Freistaat Bayern auch schon als Vorstoß gab. Wir haben nämlich gesagt: Die antisemitische Motivation eines Täters muss sich strafschärfend niederschlagen. Wir haben in § 46 Absatz 2 des Strafgesetzbuches Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Menschenverachtung schon als strafschärfende Momente definiert, und hierzu gehört auch Antisemitismus. Deswegen bin ich sehr froh, dass Sie diesem Vorstoß von Bayern folgen.
Diese Idee ist richtig, und zwar aus drei Gründen:
Erster Grund: Wir müssen heute bei einem kritischen, auch selbstkritischen Blick in unsere Gesellschaft feststellen, dass Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Menschenverachtung und eben auch Antisemitismus Dünger des Hasses in unserer Gesellschaft sind. Daraus kann eine Spaltung der Gesellschaft entstehen, und deswegen manifestiert sich in einer Tat aus dieser Motivation heraus ein noch einmal ganz anderer Unrechtsgehalt.
Zweiter Grund, warum die Idee richtig ist – und auch das müssen wir selbstkritisch anmerken –: Wir haben bis heute keine zu 100 Prozent gesicherten Erkenntnisse über die tatsächliche Anzahl antisemitischer Straftaten, weil eben nicht zwischen Rassismus und Antisemitismus unterschieden wird. Ich glaube, auch deswegen ist es wichtig, dies im Gesetz zu verankern.
Der dritte Grund könnte tagesaktueller eigentlich nicht sein und hat vor allem mit der rechten Seite dieses Hauses zu tun: Wir leben heute in einer Zeit, in der immer wieder versucht wird, die Grenze des Sagbaren und auch die Grenze zum Antisemitismus zu verschieben. Auf politischen Bühnen wird vom „Mahnmal der Schande“ gesprochen, es wird das Wort „Judaslohn“ verwendet, und gestern hat jemand in einer Haushaltsrede Ihrer Fraktion an einer Stelle, an der man ohne Probleme das Wort „Asche“ vermuten könnte, das Wort „Krematoriumsasche“ verwendet.
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Darauf angesprochen, kam dann: Das war doch alles nicht so gemeint; das wird man doch wohl noch sagen dürfen. Schieben Sie es doch nicht gleich in die antisemitische Ecke.
Weil Sie im Moment ja immer damit hausieren gehen, man könne in Deutschland seine Meinung nicht sagen, ist die gute Nachricht: Man kann seine Meinung sagen. Diese Aussage von gestern ist nicht strafbar. Aber sie ist widerlich.
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Herr Hoffmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brandner?
Mit dem allergrößten Vergnügen.
({0})
Herr Kollege Hoffmann, ich lerne immer gerne dazu. Vielleicht können Sie mir, uns und den Zuschauern draußen noch mal erklären, was genau am Wort „Judaslohn“ antisemitisch sein soll, wie Sie gesagt haben.
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Das genau ist am Schluss auch das Problem bei der Wahrnehmung Ihrer Rolle als Ausschussvorsitzender gewesen.
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Statt dass Sie sagen: „Da habe ich mich im Ton vergriffen; da habe ich was Zweideutiges gesagt; ich distanziere mich davon“, stellen Sie sich noch dahinter und reden das schön. Das beste Beispiel ist doch die Aussage von gestern, das Wort „Krematoriumsasche“.
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Natürlich ist die Benutzung des Wortes „Krematoriumsasche“ für sich gesehen nicht strafbar, und natürlich kann man jetzt darüber diskutieren, ob es antisemitisch ist oder nicht, aber Sie spielen doch bewusst genau mit diesem Grenzgang.
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Bei dem Begriff „Judaslohn“ kommt hinzu, dass dieses Wort im Dritten Reich – und das wissen Sie auch – sehr wohl diskreditierend eingesetzt worden ist.
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– Lassen Sie mich doch mal ausreden.
Und um auch das klarzustellen: Es ging ja nicht nur um die antisemitische Dimension dieser Äußerung – darüber könnte man vielleicht noch streiten –,
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sondern vor allem auch um die Diskreditierung des Bundesverdienstkreuzes.
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Sie versuchen regelmäßig, genau diese Zweideutigkeit gezielt einzusetzen, und deswegen, glaube ich, ist dieses Beispiel – „Krematoriumsasche“ – recht gut.
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Weil Sie solche Worte einsetzen und wir solche Versuche auf den politischen Bühnen in unserem Land erleben, glaube ich, ist es gut, dass der Rechtsstaat ganz klar die Grenzen definiert; denn wir alle wissen, dass aus Gedanken Worte und aus Worten Taten werden.
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Genau deswegen, Kollege Brandner, ist es wichtig, welche Worte wir wählen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion der FDP ist die Kollegin Katharina Willkomm.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Starke Wirtschaft, Vollbeschäftigung zum Greifen nahe: So war das in den letzten Jahren. Die Bürger haben dem Fiskus mehr Geld denn je in die Kassen gespült. Hat die Regierung das schöne Geld sinnvoll genutzt?
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Jedenfalls hat sie es mit vollen Händen ausgegeben, und da machen die SPD-Ministerinnen für Justiz und Verbraucherschutz keine Ausnahme.
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Der Bundesrechnungshof hat es sogar schriftlich: Die Bundesregierung hat die Ausgaben für Verbraucherpolitik von 24 Millionen Euro im Haushalt 2014 auf 37 Millionen Euro im Haushaltsentwurf 2019 gesteigert.
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Für den Titel „Information der Verbraucherinnen und Verbraucher“ hat sich das Budget von 2014 bis heute nahezu verdoppelt.
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Doppelt so viel gleich doppelt so gut?
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Das wäre grandios.
Ich habe mal nachgefragt, welche Projekte im Haushalt 2019 über den Titel „Information der Verbraucherinnen und Verbraucher“ bezahlt wurden. Nur zwei Beispiele: 230 000 Euro für die Radiosendung eines Berliner Privatradios und 265 000 Euro für einen Check der Daten von Smartphone-Apps. Wozu das? Wie vielen Verbrauchern hilft das? Ist das eine effiziente Verwendung von Steuermitteln? Nein! – Sie können sagen: Kleinkram.
Dann kommen wir zum Löwenanteil des Verbraucherschutzbudgets. Den bekommt der Verbraucherzentrale Bundesverband. Laut Bundesrechnungshof macht die Förderung des vzbv mehr als 60 Prozent der Haushaltsmittel aus, die im Einzelplan 07 für die gesamte Verbraucherpolitik veranschlagt sind. Das Geld geht vor allem an die Marktwächter, die nun beim vzbv zentralisiert werden.
Jetzt würde ich als Liberale nie sagen: Marktbeobachtung ist schlecht. – Für Unternehmensgründer zum Beispiel ist es essenziell, eine Idee vom Markt zu haben, den sie erobern wollen. Aber die gute Sache rechtfertigt deshalb nicht automatisch jede Kostensteigerung. Wenn dieser Umbau dazu führt, dass sich die Kosten der Datenbeschaffung für die Marktbeobachtung im Vergleich zu jetzt mehr als verdoppeln, dann ist das schon bemerkenswert.
Ministerin Lambrecht hat dem Bundesrechnungshof nicht erklären können, welche konkreten Tätigkeiten für die Datenpflege zu leisten sind. Ministerin Lambrecht hat auch nicht erklären können, warum für die Daten der Verbraucherzentrale künftig eine Qualitätssicherung durch ganze 20 Vollzeitkräfte erforderlich ist, obwohl die Marktwächter diese Daten doch seit mehreren Jahren laufend verwenden. Schließlich hat Ministerin Lambrecht nicht erklären können, warum das eine Aufgabe ist, die nur die Verbraucherzentrale erledigen kann, obwohl die Qualitätssicherung von Daten und Mitarbeiterschulungen auch günstig auf dem Markt eingekauft werden könnten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Justiz- und Verbraucherhaushalt ist überschaubar. Wir Freien Demokraten sehen trotzdem genau hin: für effiziente Verbraucherpolitik und einen soliden Haushalt.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Karl Lauterbach.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich auf Folgendes hinweisen: Wenn man die Diskussion hier im Parlament verfolgt – das ist auch in vielen anderen Debatten so –, in denen wir uns mittlerweile maßgeblich über Fragen unterhalten wie: „Wie sind Kopf-ab-Gesten zu interpretieren? Was ist die Bedeutung von ‚Krematoriumsascheʼ?“, und dann ein paar Jahre zurückdenkt, muss man festhalten: Das wäre undenkbar gewesen! Wer von uns hätte das für möglich gehalten! – Daher ist es tatsächlich so – das muss man einfach zugeben –: Die AfD ist auf dem Weg, die, sagen wir mal, bundesparlamentarische Vertretung der NPD zu werden. Das ist eine Schande.
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Wir müssen alle zusammen dafür kämpfen, dass wir diese Entwicklung zurückdrängen; denn das entwertet alles, was wir hier machen.
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Die sogenannten Altparteien sind die Parteien, die noch für alte Werte stehen. Zu diesen alten Werten, zu denen auch ich mich bekenne, gehört Anstand. Dazu gehört Vernunft. Dazu gehört auch der Respekt vor anderen.
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Ich komme zum eigentlichen Thema. Ich als jemand, der der Großen Koalition in den letzten Monaten nicht immer komplett, sagen wir mal, konstruktiv gegenüberstand, möchte Christine Lambrecht in ihrer neuen Rolle danken. Ich muss einräumen, dass hier wichtige Akzente gesetzt worden sind. Einer dieser Akzente ist das Gesetz für faire Verbraucherverträge, für das es einen Referentenentwurf gibt. Dieser Referentenentwurf konzentriert sich auf die Bereiche Energiewirtschaft, Telefonverträge, aber auch Vermittlungsvorteile und anderes. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Wir sind im Zeitalter der Digitalisierung immer rascher in einem Vertrag, für den man dann lange zahlen muss, weil man nicht mehr rauskommt. Hier haben wir Akzente zu setzen. Das passiert.
Wir haben auch wichtige Akzente im Gesundheitsbereich zu setzen. – Meine Redezeit ist leider schon verbraucht.
Herr Lauterbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage eines Kollegen der AfD?
Ja.
Das ist die einzige Möglichkeit, noch Redezeit zu bekommen.
Na gut. Diese Redezeit nehme ich dann sehr gerne an.
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Herr Lauterbach, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Wie heißen Sie?
Keuter ist mein Name. – Nachdem der Kollege eben nicht in der Lage war, die Definition von „Judaslohn“ weiter auszuführen: 2010 haben Sie gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ das Wort „Judaslohn“ verwandt. Ich möchte Ihnen jetzt nicht Antisemitismus unterstellen. Vielleicht klären Sie uns und unsere Zuschauer darüber auf, wie Sie das Wort „Judaslohn“ interpretieren.
Sehr gerne. – Sie wissen ja, dass es immer darauf ankommt, in welchem Kontext man einen Begriff verwendet.
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Der Unterschied ist hier der: Als ich diesen Begriff damals in einer Auseinandersetzung in der Sache mit Kollegen – –
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– Wollen Sie jetzt meine Antwort hören, oder nicht? Was ist jetzt Sache?
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– Okay. Ich danke Ihnen, wenn Sie mir dann auch zuhören. – Wenn ich den Begriff „Judaslohn“ in einer Auseinandersetzung verwende, in der es um Inhalte geht, in der weder Herr Rösler noch ich in irgendeiner Hinsicht jemals im Verdacht stehen, antisemitische Äußerungen getan zu haben,
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dann ist die Vermutung von Antisemitismus weit hergeholt. Aber wenn von Ihnen jeden Tag Begriffe wie „Krematoriumsasche“ oder von Kopf-ab-Debatten
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und dergleichen zu hören ist, dann weiß das jeder einzuordnen. Bitte stellen Sie sich doch nicht dümmer, als Sie sind.
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Ich komme zum Abschluss. Wir haben noch einiges zu tun. Christine Lambrecht wird auch im Gesundheitsbereich aktiv werden. Wir haben bei der elektronischen Patientenakte durch ein Gesetz, in dem es um die Sicherheit der elektronischen Patientenakte geht, zunächst einmal entschleunigt.
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Das ist eine der wichtigsten Interventionen, die im Gesundheitsbereich von uns überhaupt getätigt wird. Da geht es darum: Hilft die neue Datenwelt den Patienten, oder schadet sie ihnen? Kommt es zum Verkauf und zum Missbrauch der Daten, oder wird dadurch die Therapie besser?
Christine und ich werden uns dafür einsetzen, dass die Therapie besser wird. Darauf freue ich mich. Ob in der Großen Koalition oder nicht, sei dahingestellt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Sebastian Steineke für die Fraktion der CDU/CSU.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Kommen wir zurück zum Verbraucherschutz. Ein wesentlicher Teil des Etats ist dafür etatisiert. Da wollen wir mal über ein paar Themen reden, die dabei im Mittelpunkt stehen.
Ein Thema, das große mediale Aufmerksamkeit erfährt, ist das Thema Inkasso. Der Koalitionsvertrag hat dazu schon ein paar Ideen formuliert, etwa zum Thema zentrale Aufsicht über die Unternehmen oder zum Thema der verbraucherfreundlichen Gestaltung des Inkassorechts. Fakt ist aber auch – das ist uns wichtig; das müssen wir immer wieder sagen –: Für die Wirtschaft ist Inkasso von zentraler Bedeutung. Wir haben einen Rückfluss von mehreren Milliarden Euro in den Wirtschaftskreislauf.
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Deswegen brauchen wir Inkasso für die kleinen und mittleren Unternehmen. Daran wollen wir nicht rütteln.
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Aber – das Aber kommt jetzt – wir wollen und müssen Verbraucherinnen und Verbraucher vor unseriösen Unternehmen und gerade auch vor überhöhten Kosten schützen. Das ist übrigens – wenn Sie mit Vertretern der Branche sprechen, erfahren Sie das – auch Konsens in der Branche selber. Deshalb müssen wir natürlich die Kosten in den Blick nehmen, die bei unbestrittenen Forderungen entstehen und die bei Tilgungsvereinbarungen anfallen. Wir müssen uns natürlich auch darüber unterhalten: Wie geht die Branche mit dem Schuldner um? Welche Angaben braucht sie weiterhin, um ihre Leistungen zu erbringen? Dazu steht schon ein bisschen im Entwurf.
Sorge bereitet uns ganz speziell das Thema Identitätsdiebstahl. Dazu findet sich bisher nichts im Entwurf. Wir sagen ganz deutlich: Ob das Urteil des Bundesgerichtshofes von Mitte dieses Jahres ausreicht, das Thema zu erledigen, muss man sich in der Debatte noch sehr genau angucken.
Das Problem in der Praxis ist aber natürlich vor allen Dingen und regelmäßig die Frage der Verhältnismäßigkeit der Kosten. Der Entwurf sieht bisher lediglich eine pauschale Gebührenschwelle von 0,7 vor, lässt aber das Problem, das übrigens auch aus Sicht der Branche besteht, nämlich die Kleinstforderungen, zum großen Teil vollständig aus. Wir müssen uns nicht wundern, wenn die Leute Probleme haben, zu verstehen, warum die Nebenforderung höher als die Hauptforderung ist. Hierfür brauchen wir aus unserer Sicht noch eine Lösung. Darüber müssen wir uns im Verfahren unterhalten.
Am Ende des Tages müssen wir sicherlich auch das Thema „Zentralisierung der Aufsicht der Unternehmen“ ansprechen und überlegen, ob das die Länder selber machen oder ob man das zentral beim Bund ansiedelt. Darüber kann man sprechen. Ich glaube, über den Entwurf an sich müssen wir uns noch einmal intensiv austauschen.
Wir haben in der letzten Legislaturperiode bereits den ersten kleinen Versuch unternommen, im Wohnungseigentumsrecht Verbesserungen herbeizuführen. Das ist leider an anderen Projekten gescheitert, die noch im Ministerium abzuarbeiten waren. Nun haben wir im Koalitionsvertrag eine Reform des Wohnungseigentumsrechts vereinbart. Es ist gut, dass jetzt die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorliegen. Darunter sind auch vernünftige Vorschläge, in denen wir uns wiederfinden. Aber wir müssen natürlich sehen, dass das nur eine erste Grundlage ist. Wir haben aus dem Haus gehört, dass relativ zeitnah ein Entwurf kommen wird. Darüber freuen wir uns.
Wir haben einige wesentliche Fragen zu klären: Die energetische Sanierung muss geklärt werden. Das Thema „demografische Entwicklung“ muss angegangen werden. Wir müssen umfassende Modernisierungsmöglichkeiten im Wohnungseigentumsrecht einführen. Natürlich wollen auch die Wohnungseigentümer mehr Rechtssicherheit für ihre Investitionen haben. Sie wollen – das hören wir immer wieder – eine Stärkung ihrer Eigentumsrechte haben. Ob das über den Beirat erfolgt, ob das über vermehrte Auskunftsrechte erfolgt, darüber kann man sich im Verfahren unterhalten.
Am Ende des Tages müssen dann natürlich auch die Aufgaben und Rechte der Verwalter neu austariert werden. Dort gibt es große Befürchtungen seitens der Eigentümer. Ich glaube, auch das können wir letztendlich ausräumen. Also sollten wir hier schnell in die Gespräche kommen, um das Eigentumsrecht deutlich zu stärken. Das ist auch ein bedeutsamer Beitrag für den Verbraucherschutz; denn Wohnungseigentumsgemeinschaften sind laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Verbraucher.
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Wir haben das Thema „Legal Tech“ heute schon angesprochen. Wir haben auch über das Thema „weniger Miete“ geredet. Deswegen freuen wir uns so sehr, dass 100 000 Euro für die Verbraucherforschung in diesem Bereich etatisiert sind. Wir hatten entsprechende Mittel schon im Haushalt für 2019 veranschlagt. Wir würden uns freuen, wenn wir da jetzt zeitnah zu einer Beauftragung und Verausgabung kämen. Ich glaube, es ist angesichts des Drucks, unter dem wir in diesem Bereich stehen, notwendig, dass wir da valide Daten bekommen.
Nicht umhin kommen wir – das sollte man zumindest ansprechen – um das Thema Thomas Cook, das uns in erheblichem Umfang beschäftigen wird. Wir als CDU/CSU haben ganz klar und deutlich die Auffassung, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher hier nicht im Regen stehen lassen dürfen.
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Es ist bereits presseöffentlich bekannt – ich glaube, das ist jetzt kein Geheimnis –, dass wir in den allermeisten Fällen kaum mehr als 10 Prozent der aufgewendeten Kosten von der Versicherung ersetzt bekommen. Das betrifft nun auch – das ist inzwischen auch bekannt – die gebuchten Reisen für 2020. In welcher Größenordnung die Forderungsanmeldungen validieren, muss man dann am Ende gucken. Ohne einer tiefgreifenden europarechtlichen, verfassungsrechtlichen und zivilrechtlichen Prüfung vorgreifen zu wollen, muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Diskussion zur Frage Staatshaftungsrecht, die jetzt geführt wird, nicht von der Hand zu weisen ist; das muss man einfach so nüchtern anerkennen. Wir erwarten da jetzt auch – das sage ich so deutlich – Lösungsvorschläge des Ministeriums, weil wir dort zurande kommen müssen. Das ist unsere klare Auffassung.
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Wir müssen uns dabei natürlich auch Gedanken darüber machen, wie wir zukünftig mit den anderen Fällen umgehen wollen; denn es geht ja nicht nur um das Thema Thomas Cook, sondern auch um die anderen beiden großen Reiseanbieter, womit sich die BaFin schon beschäftigt. Also müssen wir dort zeitnah Lösungen präsentieren. Es gibt Vorschläge aus anderen Ländern. Es gibt Vorschläge aus anderen Fraktionen. Ich glaube, da müssen wir zeitnah was bekommen.
Vielleicht noch ein Hinweis zum Thema Rechtsanwaltsvergütungen; denn das betrifft gerade Menschen im ländlichen Raum wie mich. Ich will deutlich sagen: Auch hier müssen wir schnell Vorschläge präsentieren, um die Versorgung im ländlichen Raum tatsächlich sicherzustellen. Wir müssen das Thema Rechtsanwaltsvergütungsgesetz anfassen, und bei dieser Frage müssen wir uns hart mit den Ländern auseinandersetzen. Das bleibt, glaube ich, nicht aus.
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Zum Abschluss – das Thema Fortbildung wurde schon angesprochen –: Ganz besonders freut es mich natürlich, dass wir es geschafft haben – Markus Uhl hat sich dafür besonders eingesetzt –, trotz erheblicher Bedenken in einigen Bereichen bis hin zum Bundesrechnungshof, wieder eine hälftige Finanzierung der Richterakademien in Wustrau und Trier zu erreichen.
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Der Bund hat sich eingesetzt; Axel Müller kennt das Ganze besonders gut. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Schritt für die Qualitätssicherung in der Rechtsprechung und auch von zentraler Bedeutung für die Sicherung der Rechtsprechung. Vielen Dank allen Kollegen, auch bei der SPD, die das möglich gemacht haben! Ich glaube, damit kommen wir weiter. In diesem Sinne wünsche ich noch eine schöne Beratung.
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Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! „Quod licet lovi, non licet bovi“: Was sich Jupiter erlaubt, darf der Ochse noch lange nicht! – Kann man so das Verhältnis der gesetzlich Krankenversicherten zur Macht der Krankenversicherungen bzw. des Steuerzahlers zum Gesundheitsfonds umschreiben, jeweils geduldet durch diese Regierung?
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Wir, die AfD, stellen fest: Diese Große Koalition hat jahrelang zugelassen, dass Krankenkassen und Krankenhäuser unzulässige pauschale Rechnungskürzungen – wahrscheinlich insgesamt in Höhe von zig Milliarden Euro – vereinbaren und im Gegenzug auf Abrechnungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen verzichtet wird. Niemand hinderte die Krankenhäuser, die Abzüge im Vorfeld einzukalkulieren und überhöhte Rechnungen auszustellen – eine Überprüfung fand ja nicht statt. Es wurde also ein System erschaffen und regierungsseitig jahrelang geduldet, das millionenfache Gelegenheit zum Abrechnungsbetrug ermöglichte.
Und geschieht etwas zur Aufarbeitung dieses unerhörten Skandals, eines Skandals, der dazu geführt haben dürfte, dass gesetzlich Versicherte jahrelang mehr Kassenbeiträge zahlten, als sie mussten, und auch Steuerzahler mehr, als für den Gesundheitsfonds erforderlich gewesen wäre? Nichts, aber auch rein gar nichts! Nein, Minister Spahn meint, es sei in Ordnung, wenn derartige Vereinbarungen für die Zukunft verboten werden.
Gibt es eine Korrektur der Kassenbeiträge zugunsten der Bürger oder weniger Steuerbelastungen für die Zukunft? Nein, gleichfalls Fehlanzeige! Im Gegenteil: Die Beitragssätze sollen nächstes Jahr sogar erhöht werden.
Ja, das Gesundheitsministerium wusste auf Nachfrage einzig der AfD noch nicht einmal, wie lange diese Zustände andauerten; eine Aufarbeitung sei nicht erfolgt, noch nicht einmal eine stichprobeweise Überprüfung.
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Könnte sich ein normaler Bürger das je erlauben? Stellen Sie sich vor, meine Damen und Herren, Sie würden dem Finanzamt erzählen: Ja, ich habe jahrelang betrogen; ist aber unwichtig, in Zukunft mache ich das nicht mehr. – Nein, Sie, verehrte Mitbürger, hätten wegen jeder noch so kleinen Ungenauigkeit Ihrer Steuererklärung Nachfragen bekommen. Alles müsste dort genau belegt werden.
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Erkennen Sie die eklatante Ungleichbehandlung? Weshalb werden unsere Bürger nicht finanziell entlastet, wenn klar ist, dass die Beitragssätze zur Krankenversicherung überhöht sein müssen?
Wir, die AfD, haben uns aufgrund der fortgesetzten Ignoranz der Regierung beim Bundesrechnungshof erkundigt. Danach gab es die Mauscheleien jedenfalls seit 2013; ein längerer Zeitraum wurde nicht geprüft. Die Kürzungen erfolgten unterschiedlich, teilweise um 50 Prozent, teilweise um 100 Prozent, bis zu einer bestimmten Anzahl Abrechnungen. Sie betrugen allein bei einer Krankenkasse zig Millionen; überprüft wurden 12 von 110 Krankenkassen.
Wir müssen also davon ausgehen, dass die Beitrags- und Steuerzahler jährlich um mehrere Milliarden Euro geschädigt wurden, unter Berücksichtigung des jahrelangen – vielleicht sogar jahrzehntelangen – Zeitraums wahrscheinlich sogar um zig Milliarden Euro. Also ungeahndeter zig milliardenhoher Betrug zulasten unserer Bürger! Aber manche sind halt gleicher als gleich, nicht wahr, Herr Spahn?
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In eine ähnliche Kategorie fällt ein weiterer neuer Posten im Haushaltsplan: Ab 2020 ist für – zunächst einmal – 2 Millionen Euro geplant, in Mexiko, im Kosovo und auf den Philippinen Pflegefachkräfte auszubilden, die nach der Ausbildung nach Deutschland kommen sollen, um unseren Pflegenotstand zu lindern. Wir, die AfD, fragen: Haben wir nicht genug Menschen im Inland, die dafür ausgebildet werden könnten, wenn sie nur wollten?
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So entschied sich 2018 nur ein Bruchteil von 1,8 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Asylbewerber für eine Arbeit im Pflege- und Gesundheitssektor.
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Merkwürdig ist: Von der Bundesregierung ist nichts geplant, um Asylbewerber gezielt in dringend benötigte Pflegeberufe zu lotsen. Warum nicht, Herr Spahn? Sie fliegen sogar selbst nach Mexiko, um genau dies, nämlich eine gezielte Anwerbung von Mexikanern für Pflegeberufe in Deutschland, zu tun.
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Weshalb suchen Sie nicht in Spanien oder Italien?
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In Europa gibt es Millionen gut ausgebildete junge Arbeitslose, in Spanien und Italien um die 40 Prozent.
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Darüber hinaus ist es seit jeher in Deutschland üblich, Menschen in diejenigen Berufe zu lotsen, die gerade besonders benötigt werden. Warum soll das für Asylbewerber nicht gelten? Oder sind auch hier – wieder einmal – manche gleicher als gleich?
Davon abgesehen: Wieso erfolgen bei den derzeitigen hiesigen Massenentlassungen in fast allen Sparten keine Umschulungsmaßnahmen?
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Als hätten wir hier nicht genug Arbeitslose! Zigtausende allein bei den DAX-gelisteten Konzernen und deren Zulieferbetrieben!
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Und nicht zuletzt: Wie können Sie, Herr Spahn, auf Statistiken und Auswertungen zu flüchtlingsbedingten Kosten im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfonds verzichten, wenn jedem vernünftig denkenden Menschen klar ist, dass diese Flüchtlinge aus Ländern stammen, in denen es Krankheiten gibt, die hierzulande vor der Flüchtlingswelle nur in überschaubarem Umfang vorhanden waren oder sogar als ausgerottet galten,
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wie Tuberkulose, HIV, Hepatitis oder andere, hier früher nicht bekannte, möglicherweise sogar tödliche Krankheiten?
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Fakten hören nicht auf, zu existieren, nur weil sie ignoriert werden.
Danke schön.
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Danke. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Josef Rief.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hätte jetzt echt Lust, auf meine Vorrednerin einzugehen,
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aber ich werde es nicht tun, weil es um Dinge geht, die wir in den Berichterstattergesprächen längst geklärt haben, und weil hier zum siebten Mal über Ausländer gesprochen wird. Ich habe keine Lust, immer auf dasselbe zu antworten, wenn sich keinerlei Lerneffekte einstellen.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte zum Haushalt sprechen. Der Haushalt ist ausverhandelt. Mit 362 Milliarden Euro ist er so hoch wie nie, und das ohne neue Schulden. Er ist solide. Das ist eines der Markenzeichen dieser Koalition.
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Nachfolgende Generationen brauchen auch Handlungsspielräume für die Herausforderungen der Zukunft. Ich bin schon erstaunt, dass einige Parteien sogar in dieser Woche nach neuen Schulden rufen.
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Dabei liegen die Investitionen im vorgelegten Haushalt auf Rekordniveau. Jetzt kommt es darauf an, dass die Mittel bei den Menschen in Stadt und Land auch spürbar ankommen. Gerade in guten Zeiten dürfen wir nicht über unsere Verhältnisse leben. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ – dieser alte Spruch hat bis heute Gültigkeit.
Meine Damen und Herren, bei der Gesundheit bewegt sich so einiges. Das ist zuallererst dem großen Engagement unseres Turboministers Jens Spahn zu verdanken.
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Sein Fleiß und seine Energie, ja ich möchte sogar sagen: seine Vision im Gesundheitsbereich, schlagen sich auch im Einzelplan des Gesundheitsministeriums nieder.
Ich möchte mich zunächst für die gute Zusammenarbeit in den Haushaltsberatungen beim Minister selbst und bei seinen Mitarbeitern bedanken. Gleiches gilt natürlich für die Kolleginnen und Kollegen, vor allen Dingen für die Kollegin Sonja Steffen, sowie die Mitarbeiter der Fraktionen und des Haushaltsausschusses hier im Bundestag.
Der Gesundheitshaushalt steigt im Vergleich zum Regierungsentwurf noch einmal um 25 Millionen Euro auf jetzt 15,35 Milliarden Euro an. Wir investieren damit in eine bessere gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung, etwa durch ein neues Gesundheitsportal, auf dem sich Bürgerinnen und Bürger in hoher Qualität über Krankheitsbilder informieren können. Wir dürfen es nicht allein privaten Plattformen ohne Qualitätskontrolle überlassen, die Menschen zu informieren.
Wir sorgen für eine bessere medizinische Versorgung in den ländlichen Regionen. Wir kennen das auch aus unseren Wahlkreisen: Geht ein Landarzt in Rente, ist es oft schwer, einen Nachfolger zu finden. Hier wollen wir als Bund mithelfen, dass an Universitäten mehr Ärztinnen und Ärzte mit dem Fokus auf die landärztliche Versorgung ausgebildet werden können. Wir stehen beim Landarztprogramm noch am Anfang. Bisher gibt es Kooperationen mit den Universitäten in Dresden und Leipzig. Mit den zusätzlichen Mitteln können sich jetzt noch weitere Universitäten für das Programm bewerben. Insgesamt stellen wir bis 2023 36,5 Millionen Euro dafür bereit.
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Wir setzen mit diesem Gesundheitshaushalt unseren Einsatz für die internationale Gesundheit fort. So erhöhen wir unsere Mitgliedsbeiträge für die Weltgesundheitsorganisation. Es liegt in unser aller Interesse, dass gerade die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene hervorragend funktioniert. Krankheiten müssen wir möglichst dort bekämpfen, wo sie auftreten. Es ist wichtig, hier auch eine hohe Krisenreaktionsfähigkeit zu gewährleisten.
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Wir unterstützen hier nicht nur mit Geld, sondern sorgen auch für eine bessere Zusammenarbeit mit der WHO, und wir unterstützen den Weltgesundheitsgipfel, der in Zusammenarbeit mit der Charité in Berlin ausgerichtet wird.
Deutschland muss Cluster für innovative Medizin bleiben. Und wo wir nicht spitze sind, haben wir den Anspruch, Weltspitze zu werden. Das muss in der Medizin unser Anspruch sein, und dafür bietet der Haushalt für 2020 Verbesserungsmöglichkeiten. Deshalb auch die 100 Millionen Euro für den Neubau des Berliner Herzzentrums.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, kaum ein Bereich interessiert aktuell mehr als die Pflege. Ich freue mich, dass es mit der Konzertierten Aktion Pflege jetzt vorangeht. Wir haben hier schon oft darüber diskutiert, dass die Besetzung neuer Stellen schwierig ist. Das Geld ist jetzt aber da. Hören wir deshalb auf, die Pflege schlechtzureden! Auch hier gilt: Gutes Image besetzt Stellen, schlechtes Image vertreibt Interessenten.
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Neben den Leistungen der Pflegeversicherung unterstützen wir über den Bundeshaushalt die Ausbildung von Pflegekräften im Ausland durch die Weiterführung der Pflegekampagne und mit einer Erhöhung der Mittel für die private Pflegevorsorge.
Meine Damen und Herren, mit dem Einzelplan des Gesundheitsministeriums investieren wir in die Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft. Wir stärken die Gesundheits- und Pflegeversorgung der Bevölkerung in der Stadt und in diesem Jahr besonders auch der Bevölkerung auf dem Land. Deshalb: Stimmen Sie dem Entwurf zu!
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Karsten Klein für die Fraktion der FDP.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zu Beginn meiner Rede erst einmal einen Dank an Sie, sehr geehrter Herr Minister, und an Ihr Haus für die gute Zusammenarbeit während der Verhandlungen und natürlich auch an die Kolleginnen und Kollegen Mitberichterstatter für die kollegiale Zusammenarbeit aussprechen. Herzlichen Dank dafür!
Herr Minister, es gibt leider ein ungelöstes Problem. Sie haben den Versicherten vollmundig versprochen, dass Sie die übermäßig gezahlten Versicherungsbeiträge über die Absenkung der Zusatzbeiträge wieder zurückführen würden. Dieses Versprechen hat angesichts der Rücklagen in Höhe von 31 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds und bei den gesetzlichen Krankenkassen durchaus eine wichtige Bewandtnis.
Aber – der Kollege hat schon darauf hingewiesen – jetzt waren Sie ja nicht untätig. Sie sind ja ein fleißiger Minister, wenn es darum geht, Gesetze zu erlassen: Versichertenentlastungsgesetz, Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, Terminservice- und Versorgungsgesetz, Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung. Das sind natürlich korrespondierende Röhren: auf der einen Seite Wohltaten, Verbesserungen und Versprechen, die auf der anderen Seite aber für Kostensteigerungen sorgen. Die Krankenkassen gehen von 26 Milliarden Euro aus, Ihr Haus von 17 Milliarden Euro bis Ende 2022. Leider war Ihr Haus nicht in der Lage, die vielen Änderungen, die im parlamentarischen Verfahren vorgenommen worden sind, mit einzupreisen. Aber diese Größenordnungen zeigen im Verhältnis zu den Rücklagen ja, dass es nicht zu einer Rückführung der Beiträge über die Absenkung der Zusatzbeiträge kommen wird.
Herr Minister, so weit, so gut. Das war schon die Situation bei der Einbringung des Haushalts. Sie versuchen aber, den Versicherten immer noch Hoffnung zu machen, dass das vielleicht doch eintreten werde. Allerdings hat Ihr Haus ja jetzt über das GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz die Mindestreserve von 25 auf 20 Prozent beim Gesundheitsfonds abgesenkt. Und Sie haben selbst verlautbart, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenkasse im nächsten Jahr, 2020, um 0,2 Prozent ansteigen wird.
Also von einer Reduzierung der Zusatzbeiträge sind wir meilenweit entfernt, Herr Minister. Es wäre endlich Zeit, dass Sie das auch den Versicherten sagen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich war mir unschlüssig, ob ich dieses Thema hier ansprechen soll; man ist ja immer hin- und hergerissen. Auf der einen Seite: Gibt man der AfD zu viel Raum? Aber ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass man bestimmte Sachen nicht so stehen lassen kann. Wenn ich mir die Reden von der AfD zum Thema „innere Sicherheit“ anschaue, dann stelle ich fest: Sie übertreiben maßlos das, was hier in diesem Land stattfindet, und spielen mit der Angst der Menschen. Auf der anderen Seite – das ist noch viel dramatischer – tun Sie alles, damit Probleme international nicht angegangen und gelöst werden können.
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Die AfD hat in den Haushaltsberatungen 6,4 Milliarden Euro Streichungen auf den Weg gebracht: Das sind Mittel für internationale Einsätze der Bundeswehr, für Bekämpfung von Hunger in der Welt, für Fluchtursachenbekämpfung und eben auch bei der internationalen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen.
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Das spricht eine deutliche Sprache, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ihnen von der AfD ist eben nicht daran gelegen, dass international stabile und friedliche Verhältnisse herrschen.
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Das ist nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Wir als Exportnation haben nämlich ein gesteigertes Interesse an friedlichen und stabilen Bedingungen in dieser Welt. Neben Krieg und Hunger gefährden vor allem Krankheiten und Seuchen diese stabilen Verhältnisse. Deshalb ist es auch richtig, Herr Minister, dass wir uns über das nötige Maß hinaus bei der internationalen Gesundheitsversorgung und beim Gesundheitswesen beteiligen
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und dass wir hier unsere Fähigkeiten einbringen, um Krankheiten und Seuchen zu bekämpfen.
Denn das hilft, stabile Verhältnisse in der Welt zu schaffen, friedliche Verhältnisse in der Welt zu schaffen. Aber das bekämpft eben auch das, was Sie hier immer wieder einfordern, nämlich Fluchtursachen. Deshalb ist es unverständlich, dass Sie hier auf der einen Seite so tun, als hätten wir die größten Probleme aller Zeiten, und auf der anderen Seite alles dafür tun, dass diese Probleme nicht gelöst werden. Das lehnen wir entschieden ab.
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Aber auch wenn diese ganzen Bedingungen nicht gegeben wären – die Stabilität, der Frieden und auch die Bekämpfung der Fluchtursachen –, würden wir Freie Demokraten trotzdem die Regierung unterstützen, wenn damit das Leid auf dieser Welt gelindert werden kann; denn zuallererst sind wir hier alle Menschen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Als Nächstes spricht für die Fraktion der SPD die Kollegin Bärbel Bas.
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Ich habe sogar flache Schuhe an. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es stimmt, dass wir im Gesundheitsbereich viele Gesetze gemacht haben. Und es stimmt auch, dass es dabei natürlich zu höheren Ausgaben kommt. Aber ich will noch mal festhalten, dass wir das auch ganz bewusst gewollt haben. Man kann das jetzt gerne kritisieren. Aber ich will noch mal festhalten, dass diese Gesetze nicht nur Quantität darstellen, sondern wir haben auch deutliche Veränderungen vorgenommen, die bei den Versicherten – auch mal in Richtung AfD gesagt – als echte Entlastungen bei den Beiträgen angekommen sind.
Da will ich zuerst mal daran erinnern, dass wir die Parität wieder eingeführt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.
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Sie haben den Arbeitgeberbeitrag begrenzt. Und selbst wenn wir in Zukunft über höhere Beiträge reden, können wir doch nur froh sein, dass wir die Parität wieder eingeführt haben und damit die Versicherten und Beitragszahler immerhin um 7 Milliarden Euro entlastet haben.
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Das kann man doch nicht einfach wegreden. Das ist eine Entlastung für die Versicherten, die nun mal da ist.
Im Bereich der Pflege haben wir 13 000 Stellen als Sofortprogramm umgesetzt. Das sind immerhin 640 Millionen Euro, die in der Pflege ankommen. Damit das nicht die Pflegebedürftigen selber zahlen, haben wir das natürlich aus dem Bereich der Krankenversicherung genommen; denn hier geht es um die medizinische Behandlungspflege. Normalerweise müssten wir, wenn wir ehrlich sind, noch viel mehr aus diesem Bereich umfinanzieren. Aber diese 13 000 Stellen, die wir hoffentlich auch bald besetzen, werden in der Pflege ankommen, und die werden sehr helfen.
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Der zweite wichtige Punkt in dem Bereich der Pflege. Wir haben das erreicht, was wir alle miteinander wollten: dass wir verbindliche Personalschlüssel einführen, dass wir endlich Personaluntergrenzen in Krankenhäusern bekommen. Was war denn der Hintergrund? Wir hatten immer die Situation, dass in der Pflege weggespart wurde, weil die Pflegekosten in den Pauschalen drin waren.
Wir erleben jetzt, wo dieser Pflegeanteil aus der Pauschale rausgerechnet wird und wir ihn zu 100 Prozent refinanzieren, dass das natürlich in der Pflege ankommen wird. Dass das dauert, wissen wir auch. Aber das ist ein Wechsel, der notwendig war, nämlich den Teil der Pflege aus den Fallpauschalen rauszunehmen. Das war ein wichtiger Schritt, den wir in dieser Koalition umgesetzt haben.
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Da die Krankenhäuser gerade eine neue Kampagne aufgesetzt haben, die uns alle noch erreichen wird, will ich nur sagen, dass wir die Tarifsteigerungen für den Bereich der Krankenhäuser jetzt auch übernommen haben. Und auch das war politisch gewollt. Wir wollten nicht mehr, dass die Häuser, die gute Löhne zahlen, das am Ende woanders wegsparen müssen, sondern wir wollen gute Löhne, wir wollen Tarifverträge. Deshalb haben wir hier die Kosten dafür übernommen. Das kommt auch in den Häusern an, und das ist wichtig für die Beschäftigten.
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Für dünn besiedelte Regionen haben wir ein Förderprogramm aufgelegt: 400 000 Euro pro Klinik. Das macht bundesweit bei 120 Häusern durchaus einen großen finanziellen Batzen aus, wenn wir gerade auch Häuser in dünn besiedelten Gebieten unterstützen. Das wollen wir auch weiterhin. Wir werden sicherlich im nächsten Jahr noch eine andere Debatte über die Krankenhauslandschaft führen. Dass wir hier 400 000 Euro pro Klinik ausgeben, hilft den Häusern in dünn besiedelten Gebieten. Das ist ein wichtiges Förderprogramm.
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Und wir haben die Angehörigen entlastet. Da komme ich zu einem Punkt, der sicherlich auch noch in Zukunft eine Rolle spielt. Wir haben das Angehörigen-Entlastungsgesetz auf den Weg gebracht, das noch im Bundesrat, bei den Ländern, diskutiert wird.
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– Ich finde es auch lachhaft, dass es diskutiert wird.
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Aber es wird die Menschen entlasten, die immer Angst hatten, dass sie am Ende, wenn sie Angehörige haben, die in ein Pflegeheim müssen, die Kosten nicht tragen können, dass sie alles offenlegen müssen, dass sie zum Sozialamt müssen, um die Kosten zu tragen. Diese Angst können wir den Angehörigen nehmen, zumindest bei denen bis zu einem Einkommen von 100 000 Euro im Jahr. Wer mehr verdient, der wird sich daran beteiligen; alle anderen sind entlastet. Das ist ein wichtiger Schritt für die Angehörigen, den wir mit diesem Gesetz getan haben.
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Ferner nenne ich das Gesetz für bessere Löhne. Wir wollen, dass auch in der Pflege weiterhin gute Löhne und vor allen Dingen Tarifverträge zustande kommen. In dieser Koalition haben wir auch auf den Weg gebracht, dass es endlich zu einer gesetzlichen Grundlage kommt, dass Tarifverträge zustande kommen.
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Wenn es zu Tarifsteigerungen kommt, dann dürfen diese guten Löhne nicht zulasten der Pflegebedürftigen gehen.
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Deshalb werden wir sicherlich in dieser Koalition auch das Thema der Eigenanteile noch mal diskutieren müssen.
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Gute Löhne dürfen nicht zu Steigerungen bei Eigenanteilen der Pflegebedürftigen führen. Deshalb müssen wir auch darüber reden. Wir wollen das finanzieren.
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– Sie rufen gerade rein: „5 Milliarden Euro Mehrkosten!“ Das heißt, Sie wollen das nicht. Ich nehme das gerne auf, dass die AfD die Eigenanteile nicht deckeln will. Das ist ein guter Hinweis für die Menschen draußen.
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Wir wollen das schon.
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Deshalb wollen wir diesen Bereich unterstützen. Wir wollen eine Entlastung für die Pflegebedürftigen.
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Diese Koalition hat viele Gesetze auf den Weg gebracht, die erst im nächsten und übernächsten Jahr wirken werden. Das, was ich jetzt gerade dargestellt habe, ist sowohl eine Entlastung für Versicherte als auch gute Gesetze, die in der Pflege und bei den Betroffenen ankommen.
({16})
Deshalb kann ich diesem Gesundheitshaushalt nur zustimmen.
({17})
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
({0})
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Beitrag des ARD-Magazins „Kontraste“ hat viele aufgerüttelt; denn dort wurde gezeigt: Viele Kinderkliniken operieren jenseits ihrer Kapazitätsgrenzen, insbesondere in der Intensivmedizin. Oft fehlt es an Personal. Die Folgen können für die Betroffenen tödlich sein, und das können wir nicht hinnehmen, meine Damen und Herren.
({0})
Auch der Direktor der Kinderklinik der Berliner Charité schildert im „Kontraste“-Interview, wie oft Ärzte stundenlang nach Betten für schwerkranke Kinder suchen, um dann die kleinen Patienten kilometerweit ins Umland zu transportieren, in Einzelfällen sogar bis ins 220 Kilometer entfernte Rostock. So etwas darf es nicht geben.
({1})
Herr Minister Spahn, es ist doch etwas grundsätzlich faul an unserem Gesundheitssystem, wenn es nicht gelingt, unsere schwerkranken Kinder medizinisch zu versorgen.
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Mehr als 200 Mediziner und 19 Organisationen haben den Appell „Mensch vor Profit!“ unterschrieben, der am 5. September 2019 im „Stern“ veröffentlicht wurde. Innerhalb nur eines Monats haben 1 500 Ärztinnen und Ärzte und weitere 52 Organisationen unterschrieben. Und rechnet man nur die Mitgliederzahlen der ärztlichen Fachgesellschaften und Berufsverbände zusammen, so sieht man: Diese vertreten mehr als 130 000 Mediziner. Aber auch viele Nichtärzte meldeten sich: Diplom-Psychologen, Pflegekräfte, Krankenhausseelsorger, die Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft, die Deutsche Gesellschaft für Patientenwürde und natürlich auch einzelne Patientinnen und Patienten.
Herr Spahn, Sie sind in der Öffentlichkeit ja immer sehr präsent; aber ich habe vergeblich auf den Internetseiten Ihres Ministeriums nach einer Reaktion gesucht. Ich habe nichts gefunden, auch kein Interview dazu. Vielleicht können Sie das in Ihrer Rede, die Sie gleich halten werden, korrigieren.
({3})
Ich will einige wichtige Positionen, die auch mit den Positionen meiner Fraktion übereinstimmen, hier vortragen; denn ich finde, dieser Appell ist in der Öffentlichkeit viel zu wenig beachtet worden.
Krankenhäuser sollen für das Dasein vorsorgen, genauso wie Polizei und Feuerwehr. Der Staat muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass das Menschenrecht auf Gesundheitsfürsorge gewährleistet ist.
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Es darf nicht länger passieren, dass Krankenhäuser Gewinne für nötige Anschaffungen ausgeben und dafür am Personal sparen, weil der Staat ihnen seit Jahren Finanzmittel vorenthält, um unrentable Einrichtungen auszuhungern. Und es ist fahrlässig, meine Damen und Herren, Krankenhäuser und damit das Schicksal von Patientinnen und Patienten den Gesetzen des freien Marktes zu überlassen.
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Niemand würde fordern, dass die Polizei oder die Feuerwehr schwarze Nullen oder Profite erwirtschaften müssen. Warum also Krankenhäuser, fragen wir.
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Die Führung eines Krankenhauses gehört in die Hände von Menschen, die das Patientenwohl als wichtigstes Ziel betrachten. Deshalb dürfen den Ärztinnen und Ärzten keine Entscheidungsträger vorgesetzt werden, die vor allem die Erlöse, aber nicht die Patientinnen und Patienten im Blick haben. Das müssen wir ändern, meine Damen und Herren.
({7})
Das Fallpauschalensystem, nach dem Diagnose und Therapie von Krankheiten bezahlt werden, bietet viele Anreize, um mit überflüssigem Aktionismus Rendite zum Schaden von Patientinnen und Patienten zu erwirtschaften. Es belohnt alle Eingriffe, bei denen viel Technik über berechenbar kurze Zeiträume zum Einsatz kommt: Herzkatheteruntersuchungen, Rückenoperationen, invasive Beatmungen auf Intensivstationen und vieles mehr. Und es bestraft den sparsamen Einsatz von invasiven Maßnahmen. Es bestraft Ärztinnen und Ärzte, die abwarten, beobachten und nachdenken, bevor sie handeln. Meine Damen und Herren, so darf das nicht weitergehen.
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Und es bestraft auch Krankenhäuser: Je fleißiger sie am Patienten sparen, desto stärker sinkt die künftige Fallpauschale für vergleichbare Fälle – ein Teufelskreis. So kann gute Medizin nicht funktionieren.
({9})
Meine Damen und Herren, ich bin auf Aussagen aus diesem Appell so ausführlich eingegangen, weil ich der Auffassung bin: Dieser Appell muss in der öffentlichen Debatte viel mehr beachtet und gewürdigt werden. Ich finde, dass ein Appell von über 130 000 Medizinerinnen und Medizinern von der Bundesregierung und dem Bundestag nicht ignoriert werden darf.
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Unser Gesundheitssystem – das ist die Auffassung der Linken – muss den Menschen dienen und nicht den Aktionären von Krankenhaus- und Pharmakonzernen. Wir müssen entschlossen umsteuern.
Vielen Dank.
({11})
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Maria Klein-Schmeink.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Halbzeit in der dritten schwarz-roten Koalition oder – je nachdem, was die SPD-Mitglieder entscheiden – vielleicht auch schon Endphase.
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Feststellen müssen wir auf jeden Fall: Es gibt einen großen Vertrauensschwund in der Bevölkerung in die Leistungen unseres Gesundheitssystems, eines Gesundheitssystems, für das mehr ausgegeben wird als in jedem anderen europäischen Land und das gleichzeitig ein System ist, das bisher Vertrauen und eine sehr hohe Zustimmung in der Bevölkerung gefunden hat.
Das heißt, da ist etwas gehörig schiefgelaufen. Und, ja, das Ganze ist nicht nur gefühlt so, sondern es ist real. Die Kollegin Lötzsch hat vorhin auf die Situation in den Kinderkrankenhäusern hingewiesen; aber das Gleiche finden wir in der Geburtshilfe, das Gleiche finden wir in der Pflege, das Gleiche finden wir beim Zugang zu besonderen Facharztgruppen, das Gleiche finden wir neuerdings in Form von Lieferengpässen in der Arzneimittelversorgung. Das heißt, es ist Verunsicherung eingetreten, und das, meine Damen und Herren, müssen wir uns zu Herzen nehmen und dafür sorgen, dass wir Vertrauen zurückgewinnen.
({1})
Das geht nicht mit einem Weiter-so, das geht nicht ohne strukturelle Reformen. 19 Gesetze in 19 Monaten – da könnte man denken: eine große Aktivität. Aber genau das, was ich gerade angesprochen habe, strukturelle Reformen, findet sich in diesen 19 Gesetzen nicht. Stattdessen geben wir viel Geld aus, zum Teil auch für gute, wichtige, überfällige Dinge; aber selten bekämpfen wir das Problem an der Wurzel, fast immer nur an der Oberfläche.
Es ist auch nicht alles falsch, was getan wird. Es ist beispielsweise richtig, im Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe endlich notwendige Maßnahmen zur Fachkräftesicherung zu ergreifen. Aber auch das: halbherzig, nicht zu Ende gedacht, nicht zu Ende gebracht. Das wird die notwendige Wende nicht bringen.
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Insofern hat diese Aktivität einen hohen Preis: Es sind Mehrausgaben bis Ende 2021 in Höhe von etwa 26 Milliarden Euro vorgesehen. Diese Summe entspricht genau der Höhe der Rücklagen, sowohl bei den Krankenkassen als auch im Gesundheitsfonds. Alles wird ausgegeben sein. Aber wurden denn die notwendigen Reformen angegangen? Ich muss leider feststellen: Nein. Wir warten noch auf die Reform bei der Krankenhausfinanzierung. Wir warten noch darauf, dass die sektorübergreifende Versorgung tatsächlich auf den Weg gebracht wird. Wir warten noch auf eine Reform bei der Geburtshilfe. Wir warten noch auf die Reform der Notfallversorgung. All diese Punkte werden nicht umsonst zu haben sein.
Ich möchte von Ihnen wissen: Haben Sie im nächsten, im übernächsten Jahr den Mut, genau diese Reformen anzupacken, und wie wollen Sie sie finanzieren? Wir haben schon jetzt einen Aufwuchs des durchschnittlichen Zusatzbeitrags von 0,2 Prozent. Trauen Sie sich zu, diese weiteren Kostensteigerungen, die mit den Reformen notwendigerweise kommen, kurz vor den Wahlen – wenn es denn so kommt – auch tatsächlich durchzusetzen? Ich möchte das sehen.
Herr Minister, bislang bleiben Sie jede Antwort schuldig, wie diese Reformen nachhaltig finanziert werden sollen. Ich bin gespannt, was im nächsten Jahr kommt, ob etwas kommt. Ich jedenfalls sehe bisher noch keinen Ansatz, wie Sie das kompatibel machen wollen mit der Ansage, die für CDU und CSU in Stein gemeißelt ist: dass der Sozialversicherungsbeitrag nicht höher als 40 Prozent sein darf.
({3})
Ich bin gespannt, was Sie sagen. Wir werden in Kürze, in der nächsten Plenarwoche, über einen großen Ausgabenblock reden, über 1,3 Milliarden Euro für das Betriebsrentengesetz. Das finanzieren Sie aus den Mitteln der Beitragszahler, aus der Rücklage. Ich bin gespannt, wie Sie mit anderen großen Blöcken umgehen werden, die da zu diskutieren sind.
An dieser Stelle muss man sagen: Dieser Haushalt, diese Finanzplanung für die GKV, für die soziale Pflegeversicherung ist weder kreativ, noch ist sie nachhaltig, noch hat sie auch nur einen Ansatz von Verantwortung.
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Genau das müssen wir einklagen.
Ich möchte wissen, wie Ihre Antworten auf eine demografische Entwicklung lauten, die uns wirklich fordern wird, die wirklich neue Konzepte braucht. Ich sehe da nichts. Ein Weiter-so wird nicht funktionieren.
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Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Bundesregierung der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jüngst hat eine Umfrage von Allensbach gezeigt, dass es eine dramatische Erosion, einen dramatischen Verlust von Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Staat, Politik und, ja, auch in die Regierung gibt. Aber eine Mehrheit will gleichzeitig – das hat die Umfrage auch gezeigt –, dass diese Regierung schlicht und ergreifend ihre Arbeit macht, dass sie regiert und die Dinge umsetzt, die viele Bürgerinnen und Bürger bewegt. Ich bin überzeugt: Das geht auch.
Das ist auch genau das, was wir bei Gesundheit und Pflege in den letzten Monaten gemacht haben; es sind übrigens 20 Gesetze in 20 Monaten.
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Das ist aber kein Selbstzweck. Es geht ja hier nicht um die Zahl der Gesetze, sondern es geht darum, was für einen Unterschied wir machen.
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Wir haben mit diesen 20 Gesetzen für spürbare Verbesserungen im Alltag der Bürgerinnen und Bürger, von Patientinnen und Patienten, von Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten, von all denjenigen, die im Gesundheitswesen arbeiten, gesorgt. Wir haben mit diesen 20 Gesetzen 20 Signale dafür gesendet, dass wir Gesundheit und Pflege in diesem unseren Sozialstaat für die 20er- und 30er-Jahre vorbereiten. Darum geht es bei dem Tempo, das wir in der Gesundheitspolitik machen.
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Und das ist auch die Chance, Vertrauen zurückzugewinnen und konkret, durch Entscheidungen im Alltag, einen Unterschied zu machen. Das gilt zum Beispiel für die Pflege. Ich hätte mir gewünscht, Frau Kollegin Lötzsch und auch gerade Frau Kollegin Klein-Schmeink, dass Sie das mal wahrgenommen hätten. Wir machen die größte Veränderung in der Finanzierung von Krankenhäusern seit über 20 Jahren, indem wir sagen: Ab dem 1. Januar wird für Pflege in Krankenhäusern alles, was an Kosten anfällt, bezahlt. Und wenn ein Krankenhaus 50 zusätzliche Pflegekräfte einstellt, dann werden diese 50 zusätzlichen Pflegekräfte voll finanziert. Das ist ein klares, starkes Signal an die Pflege, und ich hätte es fair gefunden, wenn Sie das in dem, was Sie hier so gesagt haben, zumindest mal erwähnt hätten.
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Wir haben etwas dafür getan, dass die Menschen leichter Arzttermine bekommen, Stichwort: Telefonnummer 116117. Dort erreicht man den ärztlichen Bereitschaftsdienst, der als Terminservicestelle mithilft, einen Termin zu finden. Es gibt finanzielle Anreize für Ärzte, Termine zu vergeben.
Wir haben etwas für die digitale Versorgung getan, wo wir daran arbeiten, dass die elektronische Patientenakte, an der wir seit 15 Jahren arbeiten und wo viele Vertrauen verloren haben, dann 2021 tatsächlich endlich kommt und für die Bürgerinnen und Bürger auf dem Smartphone verfügbar wird.
Dann nenne ich die modernisierten Gesundheitsberufe, wo wir Berufsbilder überarbeiten, die zum Teil aus den 50er- und 60er-Jahren stammen und bei denen diejenigen, die in diesen Berufen arbeiten oder sich dafür entscheiden möchten, natürlich die Frage stellen: Haben die eigentlich noch einen Blick dafür, was bei uns, in diesen Berufen, los ist?
Ferner die Frage der Arzneimittelsicherheit. Es gibt bessere Kontrollen nach den Skandalen, die wir in den letzten Jahren sehen mussten.
Stichwort „Masernschutz ist Kinderschutz“. Das ist eine der wichtigsten Entscheidungen – finde ich jedenfalls –, die dieser Deutsche Bundestag in den letzten Wochen getroffen hat. Wir senden das klare Signal, dass wir die Masern hier in Deutschland ausrotten wollen.
Mit all dem machen wir einen Unterschied.
Wir machen, Herr Kollege Klein, übrigens auch für die Versicherten einen Unterschied. Wir haben mit dem Versichertenentlastungsgesetz nicht geredet, sondern zum 1. Januar für 50 Millionen Beitragszahler in Deutschland die Beiträge zur Krankenversicherung gesenkt. Also konkreter als zum 1. Januar – netto mehr – geht nicht.
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Und zum 1. Januar 2020 – das ist nämlich der nächste Schritt – werden die Krankenkassen verpflichtet sein – auch das hat der Bundestag schon beschlossen –, übermäßig hohe Rücklagen abzubauen, und wir werden weitere Beitragssatzsenkungen bei den betreffenden Krankenkassen sehen.
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Das wird dann sehr, sehr konkret spürbar sein.
Frau Malsack-Winkemann, ich weiß ja, dass viele hier die Reden eher für Facebook halten als fürs Plenum, weil man die Reden und all die Theorien, die darin verbreitet werden, so schön posten kann. Aber vielleicht machen wir mal statt einer Facebookrede eine Faktenrede.
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Zum Ersten zur Frage von Fach- und Pflegekräften aus dem Ausland. Wir haben 50 000 bis 80 000 offene Stellen in der Pflege. Wir haben Rekordausbildungszahlen. Wir bilden in der Pflege so viel aus wie noch nie. Wir wollen die Zahl weiter erhöhen. Wir machen die Ausbildung attraktiver, ja. Wir wollen auch umschulen. Wir haben die Zahl der Umschulungsplätze, die die Bundesagentur für Arbeit finanziert, noch mal erhöht, und wir werden sie weiter erhöhen.
Aber die Wahrheit ist: Diejenigen, die vor 17, 18, 19 Jahren nicht geboren wurden, können wir heute auch nicht ausbilden. Wir werden diesen großen Bedarf von 80 000 plus x Pflegekräften in den nächsten Jahren, den wir haben, nur durch Ausbildung hier bei uns nicht decken können.
Ja, wir wollen mehr ausbilden, aber wir brauchen auch Fachkräfte aus dem Ausland. Und wissen Sie, was mich am meisten ärgert? Ihre Doppelzüngigkeit in den Debatten.
({7})
Das ist genau die Zuwanderung, die wir wollen. Wenn ich in Pristina, im Kosovo, mit jungen 18-Jährigen rede, die noch nie in Deutschland waren, aber mit mir akzentfrei Deutsch sprechen, weil sie sagen: „Ich weiß genau: Wenn ich in Deutschland eine Chance haben will, muss ich die Sprache dieses Landes sprechen“, die mit uns die Werte dieses Landes leben wollen, die mit anpacken wollen und die nicht hierherkommen, um einen Antrag zu stellen, sondern um anzupacken, dann weiß ich: Das ist genau die Zuwanderung, die wir wollen. Ich würde mir wünschen, dass Sie dazu einfach mal Ja sagen.
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Das ist doch genau das, was wir brauchen.
Und wenn Sie hier den Eindruck erwecken, Pflege kann ja jeder: Diese Reden kann ich, ehrlich gesagt, auch nicht mehr hören.
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Pflege ist ein Beruf mit drei Jahren Ausbildung. Es geht darum, dass man das kann und dass man das will. Und dieser Eindruck, der da von rechts und links – Herr Riexinger ist darin übrigens auch Fachmann – immer erweckt wird, wenn gesagt wird: „Ja, Pflege kann doch irgendwie jeder, da müssen wir ein bisschen umschulen und ein bisschen hier und da …“, ist falsch. Die Pflegebedürftigen merken ziemlich gut, ob da jemand diesen Beruf mit Lust ausübt oder ob da jemand gezwungen wurde.
Ich möchte, dass in der Pflege vor allem Leute arbeiten, die diesen Beruf auch ergreifen wollten. Es ist ein Beruf mit hoher Qualifikationsanforderung. Hören Sie endlich auf, diesen Beruf immer schlechtzureden!
({10})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von der AfD?
Ja.
Danke, Herr Minister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich weiß nicht, welche Zahlen Sie heranziehen, um auf diese Pflegevakanz zu kommen. Die aktuelle Zahl der Agentur für Arbeit spricht von 40 000 vakanten Stellen – Punkt eins.
Punkt zwei. Wir haben circa 3 Millionen arbeitsuchende Menschen hier in Deutschland.
({0})
– Seien Sie doch mal bitte ruhig, Herr Kollege. – Sprechen Sie diesen Menschen die Fähigkeit ab, sich für einen Pflegeberuf qualifizieren zu können?
Danke.
Nein, aber Sie haben mir offensichtlich nicht genau zugehört; denn das eine ist die Fähigkeit, und das Zweite ist, dass man in diesem Beruf auch arbeiten wollen sollte, um ihn gut machen zu können.
({0})
Und wir werden jeden umschulen und weiterqualifizieren, der es will. Die Programme gibt es auch. Aber den Eindruck zu erwecken, dass man irgendwie jeden dann schon in die Pflege schieben kann – und das ist der Eindruck, den Frau Malsack-Winkemann in ihrer Rede gerade erweckt hat –, dazu sage ich: Das stimmt nicht.
({1})
Das finde ich gegenüber den Pflegekräften nicht okay – schlicht und ergreifend.
({2})
Gestatten Sie – –
Keine weiteren Fragen jetzt. Sie haben gerade auch schon geredet. – Ich möchte ein zweites Thema aufgreifen, bei dem ich mir mal Fakten wünschen würde. Ja, Sie haben recht: Durch Migration kommen manchmal auch Infektionen mit ins Land. Da gibt es auch nichts, worüber man sich empören müsste; es ist so. Die Frage ist, wie wir damit umgehen.
Wir haben in den Gemeinschaftseinrichtungen etwa für Asylsuchende natürlich die ärztlichen Kapazitäten. Die meisten dort sind übrigens besser geimpft als vielleicht mancher hier im Saal, weil wir in den Gemeinschaftsunterkünften mittlerweile dafür sorgen, dass geimpft wird.
({0})
Als wir über die Masernimpfung abgestimmt haben, haben wir über eine verpflichtende Impfung gegen Masern in den Gemeinschaftsunterkünften abgestimmt. Wenn das, was Sie hier gerade erzählt haben, irgendwas mit dem zu tun hätte, was Sie politisch tatsächlich tun, dann hätten Sie dem Maserngesetz zugestimmt und nicht wachsweich drumherum geredet.
({1})
Entweder man muss die Dinge dann auch zusammenbringen, oder man ist einfach ruhig.
Das bringt mich zum dritten Thema – davon haben Sie heute nicht gesprochen; das tun Sie sonst immer –: internationale Gesundheitspolitik. Wenn es um die Frage von Ebola, von Infektionsbekämpfung in der Welt und unsere Beiträge an die Weltgesundheitsorganisation geht, dann sage ich Ihnen: Ja, das machen wir aus humanitärem Interesse, weil wir Menschen helfen wollen. Aber wir machen das auch aus eigenem nationalen Interesse. In Zeiten wie diesen ist eine Erkrankung wie Ebola mit einem Flieger in wenigen Stunden in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten.
Deswegen: Ja, wir helfen, weil wir Menschen helfen wollen; wir helfen aber auch aus eigenem nationalen Interesse international. Das ist unsere Politik: Wir übernehmen Verantwortung – aus eigenem Interesse und um Menschen zu helfen. Das machen wir in der internationalen Gesundheitspolitik.
({2})
Wenn Sie bereit sind, das mal zur Kenntnis zu nehmen! Posten Sie, Frau Kollegin, nach Ihrem Video bei Facebook gleich meine Rede bitte auch noch, damit Ihre Leute in der Blase mal sehen, was einerseits die Argumente sind und was andererseits die Theorien dazu sind. Dann wäre schon eine Menge erreicht.
Ich glaube, all diese Themen, die ich gerade angesprochen habe, bilden sich auch in unserem Haushalt ab.
Ich bin sehr für Kreativität, Frau Klein-Schmeink, aber nicht für Kreativität bei der Haushaltsführung. Beim Haushalt sollten wir nicht kreativ, sondern solide sein. Das ist dieser Haushalt des Bundesministeriums für Gesundheit, und deswegen bitte ich um Zustimmung.
({3})
Vielen Dank. – Frau Dr. Gesine Lötzsch erhält die Gelegenheit zu einer Kurzintervention.
Herzlichen Dank, Herr Präsident, für diese Möglichkeit. – Kollege Spahn, Sie haben sich auf eine Äußerung eines Fraktionskollegen von mir bezogen, die mir nicht bekannt ist. Darum möchte ich für die Fraktion Die Linke ganz eindeutig klarstellen: Wir wissen, dass der Pflegeberuf ein Beruf ist, der eine hohe Qualifikation von den Menschen verlangt, viel menschliche Zuwendung. Das kann nicht jeder. Das muss man wollen, das muss man können, dafür muss man gut ausgebildet werden. Ich kann Ihnen auch sagen, dass ich aus persönlicher Erfahrung weiß, wie viele Menschen sich sehr in diesem Beruf engagieren, aber auch, wie viele in diesem Beruf ausgebeutet werden. Sie brauchen unsere Unterstützung. Die Fraktion Die Linke ist die Fraktion, die der Auffassung ist, dass diese Menschen alle Unterstützung brauchen. Ich bitte Sie, hier von nebulösen Äußerungen Abstand zu nehmen. Ich kenne diese Äußerung nicht. Meine Position, die ich hier beschrieben habe, ist die Position der Fraktion Die Linke.
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Mögen Sie antworten, Herr Minister?
Liebe Frau Kollegin Lötzsch, wenn das so ist, freue ich mich.
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Aber es ist nicht irgendwas Nebulöses. Ich weiß es noch sehr genau. Während meiner Reise nach Mexiko habe ich mich darum bemüht, Pflegekräfte aus dem Ausland für Deutschland zu gewinnen. Übrigens tun wir das in Ländern – Sie haben vorhin europäische Länder angesprochen –, deren Bevölkerung jung ist und die über ihren eigenen Bedarf ausbilden. Wir alle in Europa sind gemeinsam alternde Gesellschaften.
({1})
Es geht mir nicht darum, in anderen Ländern die Pflegekräfte zu klauen, sondern darum, zu schauen, wo Pflegekräfte arbeitslos und ohne Perspektive, aber gut ausgebildet sind. Also: Als ich in Mexiko dafür warb, hat Ihr Kollege Riexinger – ich glaube, es war in einem Nachrichtenmagazin – ziemlich klar den Eindruck erweckt, wir sollten doch erst einmal schauen, dass hier jeder, der irgendwie kann, in die Pflege kommt, statt dass der Spahn sich in Mexiko umschaut. Wenn Sie den Herrn Kollegen Riexinger jetzt davon überzeugen, dass er falsch gelegen hat, umso besser.
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Vielen Dank. – Wir fahren fort in der Debatte. Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Detlev Spangenberg.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Haushaltspolitik – das wissen wir – ist Geldpolitik. Notwendig ist bei der Verwendung der Respekt vor den derzeitigen und ehemaligen Leistungsträgern. Die ODA-Mittel, also die offizielle Entwicklungshilfe, belaufen sich auf 45 Milliarden Euro, die ins Ausland gehen. Davon sind 21 Milliarden Euro aus circa 20 Bundesinstitutionen die zweitgrößte Summe. Das heißt: Wir sind der zweitgrößte Geldgeber der Welt. Eigentlich sind wir der größte; denn die USA sind die Nummer eins, weil sie bedeutend größer sind als wir.
Darin steckt eine Verpflichtung in Höhe von 121,5 Millionen Euro aus dem Haushalt des Bundesministers für Gesundheit. Der erhoffte Nutzen wurde schon angesprochen: stabile Weltwirtschaft. Aber wir sind der Meinung: Nur Hilfe zur Selbsthilfe kann hier etwas bringen, kein Gutmenschentum – allein vernünftige Projekte. Um das einmal deutlich zu machen: Diese 21 Milliarden Euro bedeuten 21-mal 1 000 Millionen. Das sage ich extra in Richtung der Zuschauertribüne, damit Sie das mitbekommen. Das sind 21-mal 1 000 Millionen, die aus dem Steueraufkommen der Menschen ins Ausland gehen. Die Liste der Nehmerländer umfasst ungefähr 150 Länder.
Jetzt wird es interessant: Die GIZ, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, und die KfW sagen, dass wir beim Nachweis über die Verwendung nur auf Platz 22 liegen. Was ist mit dem Geld passiert? Wie sind zwar das Geberland Nummer zwei; aber wenn es darum geht, was damit passiert, sind wir auf Rang 22.
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Hochinteressant, meine Damen und Herren! Bemerkenswert: Die Hälfte der Gelder geht nicht bilateral, sondern multilateral an supranationale Organisationen, die ihrerseits entscheiden können, wie die Mittel verwendet werden. Ich gebe Ihnen einige abenteuerliche Beispiele.
Seit 1979 hat China von uns 10 Milliarden Euro erhalten. 10 Milliarden! Eine Atommacht, meine Damen und Herren! In der Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen Frohnmaier vom 4. Dezember 2018 wurde festgestellt: Es ist keine einzige Verwendung bekannt. Wir wissen gar nicht, was die damit gemacht haben. – 10 Milliarden einfach mal raus. Und jetzt kommt es: Arzneimittelknappheit in Deutschland, Existenznöte von Apotheken auf dem Land nehmen wir zur Kenntnis.
Indien – über eine halbe Milliarde Euro; siebtgrößte Wirtschaftsmacht der Erde; Atommacht, Raketenmacht mit Atomsprengköpfen – kriegt locker noch mal 1 Milliarde drauf, durch Versprechen der Kanzlerin. Wir finanzieren Atommächte, meine Damen und Herren. Das ist doch interessant. Da müssten Sie auf der linken Seite doch eigentlich aufschreien. Ich höre nichts. Alles in Ordnung!
Es geht weiter. Pakistan: fast 200 Millionen Euro, Atommacht. Aber in Deutschland haben wir die zweithöchsten Arzneimittelpreise weltweit.
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Der Iran, das Regime der Mullahs, bekommt auch ungefähr 100 Millionen Euro. Aber es fehlen bei uns die Ärzte auf dem Land. Abgesehen davon: Bei Wohneigentum und Vermögen sind wir Deutschen europaweit Schlusslicht, meine Damen und Herren.
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Die Unterdeckung von 10 Milliarden – hören Sie erst einmal zu; Sie können doch noch mitstimmen – im Gesundheitsfonds für die Versorgung Nichtdeutscher und von Sozialhilfeempfängern wird allein durch erhöhte Beiträge der gesetzlich Versicherten ausgeglichen. Sie haben natürlich eine Legitimation für diese Politik. Sie sind ja gewählt worden. Nur ist es zweifelhaft für mich, ob Ihre Wähler wissen, was Sie mit deren Arbeitsleistung eigentlich veranstalten, wenn Sie dieses Geld ins Ausland transferieren. Wir haben bedürftige Rentner bei uns. Wir sprechen ja über die sogenannte Grundrente. Wir haben die Essenstafeln. Sie sind Ausdruck einer beschämenden Politik. Wir haben die Pfandflaschen sammelnden Menschen immer wieder vor Augen. Der Haushalt des Ministers für Gesundheit ist natürlich nur ein kleiner Teil. Aber wir machen auch dort etwas.
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Meine Damen und Herren, ich gehe noch ganz kurz auf den Titel 531 05 ein. Interessanter Titel: „Aspekte der Migration und Integration im deutschen Gesundheitswesen“. 4 Millionen Euro! Hatten wir das letzte Mal schon. Da wird also unseren lieben Gästen erklärt, was sie nicht tun sollen im Gesundheitswesen. Dafür gibt es 4 Millionen Euro.
Jetzt kommen wir zu dem spannenden Titel 681 01, den wir auch schon das letzte Mal hatten. Pflegezusatzversicherung nach SGB XI: Finde ich immer ganz toll. 5 Euro pro Monat gibt der Staat für die private Pflegezusatzversicherung zu, 60 Euro im Jahr. Ganz toll! Wenn jemand 30 Jahre spart, kann er sich vielleicht zwei Monate das Heim leisten, in dem er ist. 5 Euro pro Monat – eine tolle Leistung, meine Damen und Herren. Nur dass die Menschen einmal wissen, welche Bedeutung sie haben, wenn sie alt geworden sind in Deutschland.
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Sie sagen, es ist notwendig. Eine Frage gebe ich Ihnen mit: Was wäre denn eigentlich, wenn Deutschland nicht existieren würde oder wir selber ein Entwicklungshilfeland wären? Müssten da die Nehmerländer sich vielleicht doch einmal selbst bewegen? Könnte das sein? Überlegen Sie das einmal bitte.
Danke sehr.
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Vielen Dank. – Als Nächstes spricht für die Fraktion der SPD die Kollegin Sonja Amalie Steffen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich musste mich jetzt gerade schütteln und vergewissern, in welcher Einzelplanberatung wir denn hier eigentlich sind.
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Herr Kollege Spangenberg, durften Sie zu den anderen Bereichen nicht reden?
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Hat man Ihnen jetzt irgendwie irgendwo so ein bisschen Platz gemacht, damit Sie das ganze krude Zeug loswerden können, das Sie jetzt hier losgeworden sind? Ich habe wirklich überhaupt gar keine Linie in Ihrer Rede erkennen können,
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außer dass Sie alle Äpfel mit allen Birnen zusammengeschmissen haben.
Zurück zum Thema. Es geht um den Etat für Gesundheit. Dieser Etat liegt mit 15,35 Milliarden Euro im mittleren Bereich, wenn man die Etats miteinander vergleicht. Aber es ist so, dass ein Riesenteil dieses Etats, nämlich 14,5 Milliarden Euro, gleich in den Gesundheitsfonds geht. Deshalb bleiben uns nur 850 Millionen Euro übrig. Mit diesen 850 Millionen Euro kann man eine Menge und auch wirklich solide Dinge tun. Aber für Kreativität, denke ich, bleibt da wirklich kein Raum mehr. Ich freue mich übrigens, dass wir im Bereinigungsverfahren noch einmal 25 Millionen Euro mehr für den Etat gewinnen konnten. Für die weitere Entwicklung sind es sogar insgesamt 170 Millionen Euro. Das ist sehr gut so.
Bei der globalen Gesundheit, Herr Spangenberg, kam ich nicht auf 121,5 Millionen Euro, sondern erfreulicherweise auf 125,5 Millionen Euro. Aber wir können ja beide noch einmal rechnen. Jedenfalls ist das richtig gut angelegtes Geld. Das geht nicht irgendwie so nach freier Manier in die Welt hinaus. Im Gegenteil: Es ist so, dass – das hat der Minister wirklich eindrucksvoll erklärt – Krankheiten vor Grenzen eben nicht haltmachen. Sie haben selbst das Stichwort „Ebola“ genannt. Ich habe das gestern in der Rede zur Entwicklungszusammenarbeit auch schon getan.
Ich freue mich wirklich sehr, dass wir bei den Impfallianzen in den nächsten Jahren 600 Millionen Euro investieren. Das ist eine Investition in weltweite Gesundheit. Es wurde das Beispiel mit dem Flugzeug genannt: Wir alle kennen diese Bilder von Menschen, die in Schutzanzügen helfen, weil diese Krankheiten hochansteckend sind. Es genügt in der Tat ein Flugzeug mit einer infizierten Person, und diese Krankheit bricht weltweit aus. Deshalb ist es ganz wichtig und notwendig, dass wir diese Impfmaßnahmen stärken, unterstützen. Das tun wir in Deutschland, und das ist wirklich wunderbar so.
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Herr Minister, Ihnen ist – das haben Sie erwähnt – das Impfen in Deutschland wichtig. Das geht, glaube ich, den Allermeisten hier ebenfalls so. Kurz vor der Bereinigungssitzung haben wir über das Masernschutzgesetz abgestimmt – ich glaube, es war sogar am Tag der Bereinigungssitzung – und konnten so noch 2 Millionen Euro in den Etat einbringen. Wir sorgen also dafür, dass dieses Masernschutzgesetz gut umgesetzt wird.
Ja, wir haben in dieser Woche viel über Investitionen gesprochen. Das Thema Investitionen fällt einem nicht als Erstes ein, wenn es um den Gesundheitsetat geht, aber auch wir stehen hier parat. Mein Kollege Rief hat es schon kurz erwähnt: Wir sehen 100 Millionen Euro vor, damit ein neues Herzzentrum geschaffen werden kann, ein Herzzentrum, das seinen Sitz aller Wahrscheinlichkeit nach hier in Berlin haben wird. Es werden zwei Zentren zusammengefasst, nämlich das Herzzentrum der Charité und das Deutsche Herzzentrum. Damit werden wir das modernste Herzzentrum Europas schaffen.
Das ist wirklich großartig. Es ist nämlich wichtig, dass wir bei bestimmten, bei bedeutenden Operationen für Qualität sorgen. Herr Minister, Sie haben in den letzten Wochen mehrmals eine Spezialklinik erwähnt, in der jährlich rund 2 500 Operationen an der Prostata durchgeführt werden. Warum sage ich das jetzt hier? Folgen von Prostataoperationen können Inkontinenz und Impotenz sein. In dieser Spezialklinik treten diese Folgen weit weniger auf. Ihr Auftreten ist gegenüber anderen Kliniken um die Hälfte reduziert worden. Das zeigt, dass es wichtig ist, Zentren zu schaffen, die auf diese großen und schwierigen Operationen spezialisiert sind.
Mir ist aber genauso wichtig, dass wir in Deutschland in unseren ländlichen Regionen für eine gute ärztliche Versorgung sorgen. Ich selber komme aus einer solch ländlichen Region, mein Wahlkreis ist in Mecklenburg-Vorpommern. Ich weiß also, in welche Schwierigkeiten und Nöte viele Menschen in den ländlichen Räumen kommen, wenn sie einen Arzt aufsuchen wollen. Deshalb freue ich mich sehr – wohl wissend, dass es grundsätzlich Ländersache ist, hier für eine angemessene Versorgung zu sorgen –, dass wir vom Bund das Landärzteprogramm auf den Weg bringen können. Hier darf ich mich beim Kollegen Rief bedanken, der in der Bereinigungssitzung dafür gesorgt hat, dass wir 10 Millionen Euro on top für das Landärzteprogramm aufwenden können.
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Zu guter Letzt will ich noch sagen: Wir werden Anfang Januar über die Organspende abstimmen. Auch das ist ein Thema, das die Menschen völlig zu Recht umtreibt. Wir wissen nicht, wie das Abstimmungsverfahren ausgehen wird. Wir alle sind uns aber bewusst, dass die Menschen einen Anspruch haben, wirklich umfassend und intensiv darüber informiert zu werden. Deshalb gehen wir davon aus, Herr Minister, dass wir – vielleicht schon im Januar, aber auf jeden Fall zu Beginn des Jahres – im Haushalt aller Wahrscheinlichkeit nach noch ein bisschen obendrauf setzen müssen. Sie können aber sicher sein, dass Sie die Haushälterinnen und Haushälter, insbesondere die von der SPD-Fraktion, hinter sich haben.
Jetzt bleibt mir nur noch eines – das ist mir besonders wichtig –: Ich möchte Ihnen, Herr Minister, aber insbesondere dem Haus danken. Wir haben in den Haushaltsberatungen wirklich hervorragend zusammengearbeitet. Schließlich geht mein Dank an alle Mitberichterstatter.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Wieland Schinnenburg.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der deutschen Gesundheitspolitik läuft einiges grundsätzlich falsch. Das kann man auch am Haushalt erkennen. Herr Minister Spahn hat alleine in den ersten neun Monaten dieses Jahres in seinem Ministerium 61 neue Stellen geschaffen, weitere 56 wurden höherbewertet. Kosten: über 5 Millionen Euro. Vor zwei Jahren hatte der Minister zu diesem Thema noch eine andere Meinung. Damals war er noch im Finanzministerium und meinte, die Ministerien sollten mit wenig Personal auskommen. Nun ist er selber Minister in seinem eigenen Ministerium und hat eine andere Meinung.
({0})
Je nach Situation kann man die Meinung auch einmal ändern. Ich nenne das immer gerne „situationselastisch“.
({1})
Ich möchte dazu Folgendes sagen: Im Finanzministerium hatte er dazu die richtige Meinung, jetzt hat er die falsche Meinung.
Das ist besonders ärgerlich, vergleicht man das Verhalten bei den Ausgaben seiner eigenen Verwaltung mit den Leistungsausgaben. Wie Sie wissen, sind die Leistungsausgaben in großen Bereichen budgetiert. Das heißt, da, wo es eigentlich darauf ankommt, bei der Behandlung kranker Menschen, gibt es nur begrenzt Geld, wenn der Minister aber mehr Leute braucht, gibt es dafür unbegrenzt Geld. Das ist eine grundsätzlich verkehrte Weichenstellung. Wir brauchen nicht mehr Personal im Ministerium, sondern eine Abschaffung der Budgetierung. Das ist die richtige Maßnahme, meine Damen und Herren.
({2})
Jetzt sagen einige, wir haben gar nicht genug Geld für die Abschaffung der Budgetierung. Da sage ich Ihnen: Haben wir doch. Die Krankenkassen geben über 11 Milliarden Euro für ihre eigene Verwaltung aus. Ich bin sehr sicher, dass man mindestens 4 Milliarden Euro davon einsparen könnte, dann nämlich, wenn alle Krankenkassen so sparsam wären wie die sparsamsten. Dann würden Einsparungen in Höhe von mindestens 4 Milliarden Euro herauskommen. Dieses Geld wäre für Behandlung besser ausgeben als für Bürokratie, meine Damen und Herren.
Das zweite große Problem ist die Bürokratie. Ärzte, Zahnärzte, Pfleger, Physiotherapeuten und alle anderen sind zunehmend damit beschäftigt, Formulare auszufüllen, anstatt das zu machen, was sie eigentlich machen sollen, nämlich kranke Menschen zu behandeln. Das ist ein grundsätzlicher Fehler im Gesundheitswesen. Das muss abgestellt werden, meine Damen und Herren.
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Es wurde schon mehrfach gesagt, dass der Minister sehr viele Gesetze auf den Weg gebracht hat. Das wichtigste Gesetz aber fehlt, nämlich ein Gesundheitsbürokratieabbaugesetz. Ein solches Gesetz hätten wir gebraucht, meine Damen und Herren.
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Wir kennen ja die Koalition, die blumige Bezeichnungen so gerne hat. Es hätte von mir aus auch „Gute-Formulare-Gesetz“ heißen können oder – wenn der Minister das möchte – „Spahn-räumt-auf-Gesetz“. Die Bezeichnung ist mir egal, es kommt nur darauf an, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen, damit Ärzte, Zahnärzte und alle anderen von dieser Bürokratielast entlastet werden. Das hätten Sie machen sollen, Herr Minister, und nicht Ihre anderen Gesetze.
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Das dritte Problem betrifft – das wird Sie nicht wirklich überraschen – den Bereich Cannabis. Seit Jahren haben wir eine Cannabisprohibition, die auch noch strafbewehrt ist. Trotz jahrzehntelanger Bestrafung gibt es immer noch Millionen Konsumenten von Cannabis. Wo besorgen sich die Menschen ihr Cannabis? Antwort: Auf dem Schwarzmarkt. Die Qualität ist ungesichert, und das Geld geht am Staat vorbei. Der Staat könnte Steuereinnahmen gewinnen, statt das Geld den Händlern auf dem Schwarzmarkt zu überantworten. Deshalb fordern wir als FDP seit Jahren eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene. Wir würden Steuereinnahmen generieren, wir würden sicherstellen, dass die Menschen Cannabis von guter Qualität bekommen, und wir würden Polizei und Staatsanwaltschaft von dieser unsinnigen Arbeit entlasten, meine Damen und Herren.
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Ich sage es Ihnen: Ich habe mehr Angst vor einem Einbrecher als davor, dass mein Nachbar kifft. Das sollte unsere Richtschnur sein.
Herr Schinnenburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Steffen?
Nein, vielen Dank. Sie können sich gerne nachher melden.
Die FDP ist der Meinung, dass wir den Cannabisanbau in Deutschland deutlich ausbauen sollten auf bis zu 50 Tonnen im Jahr. Alles, was wir in Deutschland nicht brauchen, wird exportiert. Ich möchte Cannabis „Made in Germany“. Das bringt gute Qualität für den Weltmarkt, der Cannabisanbau schafft Arbeitsplätze und weitere Steuereinnahmen. Das ist die richtige Lösung, und nicht diese restriktive Politik, die Sie hier immer machen.
({0})
Ich fasse zusammen: Wir brauchen erstens eine Abschaffung der Budgetierung, zweitens einen radikalen Rückschnitt der Bürokratie und drittens eine kontrollierte Abgabe von Cannabis. Was wir nicht brauchen, ist diese operative Hektik. Wir müssen endlich die wirklichen Probleme im Gesundheitswesen angehen. Herr Minister, das wäre Ihre Aufgabe, und nicht diese operative Hektik.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Dr. Achim Kessler.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Spahn, auch wenn Ihr Ministerium noch so fleißig jeden Monat ein neues Gesetz schreibt, die grundlegenden Probleme packen Sie dennoch nicht an. Gegenstand der Gesundheitspolitik ist nicht Ihr Image, das des „Turboministers“, wie Sie Ihr eigener Fraktionskollege ironisch heute hier genannt hat, sondern die Gesundheit der Menschen. Da fragen sich Menschen in der Eifel und in der Prignitz, was sie denn machen sollen, wenn im neuen Jahr ihre Hausarztpraxis schließt. Währenddessen träumt der Gesundheitsminister davon, Digitalisierungsweltmeister zu werden. Herr Minister Spahn, kommen Sie in das reale Leben zurück!
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Wenn ich auf dem Land oder in einem armen Stadtteil lebe, habe ich oft weite Wege zur nächsten Praxis. Die Praxen sind voll, und ich muss lange warten. Viele freiwerdende Arztpraxen auf dem Land können nicht neu besetzt werden. Die Situation wird sich noch verschärfen, weil über ein Drittel der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte über 60 Jahre alt ist.
({1})
Das betrifft besonders die Regionen, die sowieso schon abgehängt sind, Regionen, in denen der Bus nur zweimal am Tag fährt, Regionen, in denen die Eisenbahnstrecke längst stillgelegt ist und das Schwimmbad geschlossen ist. Meine Damen und Herren, diese Ungleichheit müssen wir beenden.
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Dazu müssen wir das Problem an der Wurzel packen. Die Zweiklassenmedizin muss durch eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung für alle beendet werden.
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Ich war in den letzten Monaten sehr viel unterwegs und habe sehr viele engagierte Landräte, Bürgermeister, Ärzte, aber auch Bürgerinnen und Bürger kennengelernt, die innovative regionale Lösungen für die ambulante Versorgung entwickeln und umsetzen. Die Konzepte, die man kennenlernt, sind unglaublich vielfältig. Sie reichen von Gesundheitszentren mit Filialpraxen über Ärztegenossenschaften bis hin zu Medibussen. Es gibt viele kreative Ideen, die vor Ort entwickelt werden: Rotationspraxen mit Gemeindeschwestern, Bürgerbusse, die Patientinnen und Patienten zu den Praxen bringen, Gesundheitslotsen, die den Patientinnen und Patienten den Weg weisen. Dieses Engagement verdient Unterstützung.
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Aber egal wohin ich komme, höre ich, dass es keinerlei Hilfestellung aus dem Gesundheitsministerium gibt.
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Sie alle müssen das Rad immer wieder neu erfinden, müssen immer wieder neue Verträge mit einzelnen Kassen abschließen, weil das Ministerium dabei versagt, diese Modelle zu evaluieren und in die Regelversorgung zu bringen.
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Warum, frage ich Sie, sollen gute Rezepte nur Versicherten bestimmter Krankenkassen zugutekommen? Warum muss jedes einzelne Gesundheitszentrum ein eigenes Finanzierungskonzept langwierig aushandeln? Was wir brauchen, ist ein Baukastensystem mit maßgeschneiderten Versorgungsformen und der dazugehörigen Finanzierung.
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Daraus könnten dann die Gemeinden und die Kreise die passende Lösung auswählen und umsetzen.
Wir brauchen sektorübergreifende öffentliche oder gemeinnützige Gesundheitszentren, in denen Gesundheits- und auch soziale Berufe zusammenarbeiten. Aber statt den Gemeinden und Kreisen zu helfen, schauen Sie tatenlos zu, wie Arztpraxis um Arztpraxis von Private-Equity-Heuschrecken aufgekauft werden.
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Meine Damen und Herren, das ist verantwortungslos.
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Es ist lange bekannt: Arme Menschen sterben in Deutschland im Durchschnitt zehn Jahre früher als reiche. Um die gesundheitliche Ungleichheit zu beseitigen, müssen wir die Arbeits- und Lebensbedingungen der Mehrheit der Menschen in Deutschland verbessern. Wir brauchen bezahlbare und gute Wohnungen für alle. Wir brauchen einen schadstofffreien Verkehr. Wir brauchen höhere Löhne, Renten und bessere Arbeitsbedingungen.
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Die Gesundheit der Menschen muss der Maßstab sein: in der Sozialpolitik, in der Umweltpolitik, aber auch in allen anderen politischen Bereichen. Dafür, meine Damen und Herren, steht Die Linke.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Kordula Schulz-Asche.
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Pflege ist ein politisches Megathema und wird doch in Deutschland stiefmütterlich behandelt. Damit die Menschen heute und in Zukunft die Pflege bekommen, die sie brauchen, braucht es tiefgreifende Reformen, und zwar jetzt.
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Gute Pflege braucht gutes Personal, und gutes Personal braucht gute Arbeitsbedingungen. Aber hier fabrizieren Sie nur Flops. Ihre Personaluntergrenzen im Krankenhaus führen dazu, dass in einigen Fachbereichen Personal hingeschoben wird und in anderen Bereichen, wo die Pflege notwendig ist, Personal plötzlich fehlt. Das ist wirklich ein Flop, den Sie produziert haben. Die Menschen arbeiten jetzt da, wo es die Verordnung vorsieht, und nicht da, wo sie tatsächlich gebraucht werden. Sie machen Politik am Bedarf der Menschen vorbei. Wir fordern eine Personalbemessung, die sich am tatsächlichen Bedarf der Patientinnen und Patienten ausrichtet.
({1})
Gutes Personal braucht aber auch eine gute Ausbildung, um die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen zu unterstützen, anzuleiten und zu beraten. Die Pflegeausbildung wird ab dem nächsten Jahr umgestellt, aber viele Schulen und Betriebe wissen noch gar nicht, wie sie diese Umstellung realisieren sollen. Es gibt viele offene Fragen. Nach einem jahrelangen Gesetzgebungsverfahren stehen wir an diesem Punkt. Das ist nicht zu verantworten, meine Damen und Herren. Es ist ein Armutszeugnis. Wir brauchen mehr Ausbildung, und wir brauchen vor allem mehr gute Ausbildung.
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Aktuell werden drei Viertel der Menschen in Deutschland von ihren Angehörigen zu Hause versorgt, zwei Drittel davon alleine, ohne Unterstützung durch Pflegedienste. Deshalb möchte ich an dieser Stelle den vielen Angehörigen, den Freunden und Nachbarn, die Menschen pflegen, herzlich Danke sagen. Sie sind eine wichtige Funktion in der Unterstützung kranker und pflegebedürftiger Menschen. Ohne sie würden wir das alles gar nicht schaffen.
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Wir werden in wenigen Jahren, wenn uns der demografische Wandel in voller Härte trifft, unter Umständen nicht mehr genug Menschen im Pflegeberuf haben. Deswegen müssen wir jetzt zwei Sachen machen. Wir müssen das Pflegepersonal klug ausbilden und einsetzen, und wir brauchen neue Versorgungsstrukturen. Wir müssen sie so anpassen, dass die Menschen auch in Zukunft die Pflege bekommen, die sie brauchen: die pflegebedürftigen Menschen die entsprechende Pflege, die Angehörigen ihre entsprechende gesellschaftliche Wertschätzung und Unterstützung.
Vier von zehn pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen wissen heute nicht, was ihnen zusteht. Wir gehen davon aus, dass im ambulanten Bereich tatsächlich Unterversorgung herrscht. Die Menschen wissen nicht, welche Ansprüche sie haben. Deswegen schlagen wir mit unserer doppelten Pflegegarantie vor, den Menschen eine individuelle Beratung zu ermöglichen, damit die pflegebedürftigen Menschen auch im ambulanten Bereich die Pflege erhalten, die sie brauchen. Hier fehlt der Bundesregierung leider eine klare Strategie.
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Neben der Unterversorgung im eigenen Zuhause haben wir auf der anderen Seite ein anwachsendes Armutsrisiko, und zwar durch die explodierenden Eigenanteile in Pflegeeinrichtungen. Meine Damen und Herren, wir haben eine zunehmend steigende und wahrscheinlich noch schnell weiter steigende Zahl von Menschen, die durch die Pflege im Heim in die Sozialhilfe abrutschen. Mittlerweile wird das Problem von Ihnen erkannt. Das ist schon etwas. Es wird aber nicht angepackt. Während Sie im nächsten Jahr eine Debatte anstoßen wollen, ist die Debatte längst im Gange.
Wir haben mit der doppelten Pflegegarantie einen konkreten Vorschlag gemacht. Wir sind übrigens nicht die Einzigen. Die SPD hat einen Vorschlag vorgelegt, sogar Krankenkassen haben sich daran beteiligt. Pro-Pflegereform hat einen Vorschlag vorgelegt. Wir brauchen keinen Austausch mehr über das, was wir machen wollen. Wir müssen jetzt endlich handeln, damit der Pflegeeigenanteil sofort gesenkt und dauerhaft gedeckelt wird, damit wir das Problem der steigenden Eigenanteile in der Pflege endlich in den Griff bekommen. Wir wollen keine Armut durch Pflege.
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Herr Spahn, Sie sagen bei jeder Gelegenheit, Sie würden spürbare Veränderungen im Leben der Menschen bewirken wollen und hätten verstanden. Aber im Moment machen Sie nur sanfte Schönfärberei. Legen Sie den Pinsel aus der Hand und bauen wir endlich zusammen Strukturen auf, die den Menschen im Land tatsächlich helfen!
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Karin Maag für die Fraktion der CDU/CSU.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin Schulz-Asche, wir haben sicher nicht jedes Problem gelöst. Wir haben gehört, was wir richtig und gut gemacht haben. Aber wir machen gute Versorgung in diesem Land. Wir von der Union sehen das Licht am Ende des Tunnels. Sie wollen den Tunnel verlängern.
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Meine Damen und Herren, wenn wir heute über den Haushalt reden, dann sind die Ausgaben im Gesundheitswesen, wie immer, nur zu einem kleinen Teil im Haushalt des Ministeriums abgebildet. Trotzdem sind diese Mittel für viele ganz wichtig. Es sind die Mittel, die als vertrauensbildende Maßnahmen bei der Bevölkerung wahrgenommen werden. Vertrauensbildend ist zum Beispiel, dass wir den Bundesanteil bei der Entschädigung der Opfer mit dem Anti-D-Hilfegesetz auf deutlich über 3 Millionen Euro erhöhen. Wir haben in der letzten Sitzungswoche – das ist vielleicht etwas untergegangen – endlich geregelt, dass die Frauen ihre Rente behalten. Das heißt Rechtssicherheit, Ruhe für ganz viele Frauen im Osten. Sie müssen die Schädigungen aus den letzten 40 Jahren weiter ertragen, aber sie haben tatsächlich die Sicherheit für ihren Lebensabend. Die Rente bleibt.
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Ich freue mich, dass sich der Zuschuss für die Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ auf 9 Millionen Euro erhöht hat. Bärbel Bas war dabei. Herzlichen Dank.
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Auch jenseits des Bundeshaushalts, wenn wir uns die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen ansehen, machen wir unser Gesundheitssystem zukunftsfest. Allein nach der Sommerpause haben wir zum Beispiel – das ist angesprochen worden – die Berufsgesetze, die 30, 40 Jahre nicht überarbeitet worden sind, modernisiert, erneuert, attraktiv gemacht. Wir haben die Psychotherapeuten mit einer neuen Ausbildung zufriedengestellt. Wir haben dafür gesorgt, dass angehende Hebammen nun im Rahmen eines dualen Studiums auf ihre anspruchsvolle Tätigkeit vorbereitet werden. Wir haben für die Bereiche der Anästhesie und der operationstechnischen Assistenz erstmals bundeseinheitliche Ausbildungsvorschriften geschaffen. Daran wollen wir weiterarbeiten. Das wird die jungen Menschen in diese Berufe führen. Das ist mir wichtig, und da sind wir gut dabei.
Mit der Reform des Medizinischen Dienstes können wir nun, so wie wir das im Koalitionsvertrag versprochen haben, sicher sein, dass bereits der Anschein von Parteilichkeit vermieden wird. Frau Malsack-Winkemann, darin ist übrigens auch die Krankenhausabrechnung ausdrücklich geregelt und auf völlig neue Füße gestellt worden.
Zur Qualität. Die Patientensicherheit haben wir im Implantateregister-Errichtungsgesetz adressiert. Künftig wissen wir, wer welche Hüfte, welches Knie, welche Herzklappe bekommen hat, um den Patienten bei Problemen effektiv helfen zu können. Weil Patienten unendlich von Informationen über Einsatz und Erfolg von Risiken diagnostischer und therapeutischer Verfahren unter Alltagesbedingungen profitieren und diese Versorgungsforschung so wichtig ist, haben wir im Gesetz zur digitalen Versorgung eben nicht nur die Bereitstellung von Apps geregelt – auch das ist ein ganz wesentlicher Punkt –, sondern haben auch die Einrichtung eines Forschungsdatenzentrums ermöglicht, das solche Versorgungsforschungsdaten anhand von Abrechnungsdaten der Kassen liefern kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frage, ob die Gesellschaft Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Staates hat und ob sie zuversichtlich in die Zukunft schaut, ist natürlich mit der Verfügbarkeit von Gesundheitsleistungen verbunden. Da nehmen wir diese Sorgen auf und schaffen auch Abhilfe.
Sorgen machen zum Beispiel gerade die Lieferengpässe bei den Arzneimitteln. Lieferengpässe entstehen nicht nur in Deutschland, sondern sind weltweit vorhanden, aus den unterschiedlichsten Gründen. Schuldzuweisungen zwischen Kassen, Herstellern, Großhändlern und Apotheken führen übrigens nicht weiter. Es braucht Transparenz. Es braucht vor allem ein schnelles aufsichtsrechtliches Handeln. Dazu schnüren wir gerade das Gesetzespaket, das wir mit dem Fairer-Kassenwettbewerb-System spätestens im Januar oder Februar des nächsten Jahres abschließen werden.
Ein ganz drängendes Problem für die Älteren – das wurde heute schon erwähnt – ist die Kostenbelastung durch die stationäre Langzeitpflege geworden. Die Entlastung der Angehörigen haben wir auf den Weg gebracht. Niemand, der weniger als 100 000 Euro brutto verdient, muss fürchten, für die Pflegekosten der Eltern oder auch der Kinder in Anspruch genommen zu werden. Da hoffe ich – ich gucke auf die Bundesratsbank –, dass das morgen auch ordentlich durchgeht.
Wenn der Anstieg der Eigenanteile im Jahresvergleich 17 Prozent beträgt und wenn bei mir in Baden-Württemberg die Höhe des Eigenanteils zwischen 2 500 und 3 000 Euro im Monat anfängt, dann müssen wir handeln; da bin ich bei Ihnen. Wir werden natürlich, wie für 2020 vorgesehen, die Sachleistungsbeträge anpassen. Wir werden auch die Pflegeversicherung um überteuerte Strukturen entlasten und die Länder vor allem an ihre Verpflichtung hinsichtlich der Investitionskostenanteile erinnern. Ein reiches Land wie Baden-Württemberg ist bereits seit 2010 komplett aus der Finanzierung ausgestiegen. Damit werde ich mich nicht abfinden. Pflegekosten müssen planbar werden. Kostenobergrenzen: ja. Was aber nicht geht, ist, einfach künftige Generationen zu belasten. Ich meine, die Einführung eines Pflegevorsorgefonds war ausgesprochen gut, war weitsichtig. Dieser Fonds zum Beispiel gehört ausgebaut.
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Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Ich merke, der Vorsitz hat gewechselt.
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Ich komme zu Schluss. Ich bedanke mich bei den Haushältern und bei der Regierung für den siebten Haushalt ohne neue Schulden.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner spricht für die SPD-Fraktion der Kollege Dr. Edgar Franke.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gute Gesundheitspolitik braucht immer einen roten, einen sozialdemokratischen Faden.
({0})
Dieser rote Faden ist die bestmögliche Versorgung für alle Versicherten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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Egal wie viel ein Mensch verdient, egal wo er wohnt, egal wie alt er ist: Gute Gesundheitspolitik muss immer, meine sehr verehrten Damen und Herren, aus Sicht des Versicherten und nicht aus der Sicht von Lobbyisten gedacht werden.
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Dieser rote Faden sorgt dafür, dass die politische Richtung stimmt. Er sorgt auch dafür, dass unser schwarzer Gesundheitsminister Spahn nicht übermütig werden kann; denn jedenfalls manchmal besteht diese Gefahr.
Unser Gesundheitshaushalt nimmt diesen roten Faden auf. Mit Steuermitteln unterstützen wir unsere gesetzlichen Krankenkassen und stärken die Prävention, vor allem die Aufklärungsarbeit im Gesundheitswesen. Von rund 15 Milliarden Euro gehen allein 14,5 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds. Wir als SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren, begrüßen dies ausdrücklich.
Es ist richtig, dass wir die gesetzlichen Krankenkassen mit Steuerzuschüssen unterstützen; diese übernehmen schließlich staatliche Aufgaben wie die Familienversicherung. Dieser Steuerzuschuss muss aber immer auskömmlich sein. Denn die Krankenkassen dürfen eben nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben; das ist ganz wichtig.
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Es freut mich sehr, dass wir über 63 Millionen Euro für Prävention ausgeben. Den größten Teil erhält die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für die Bekämpfung allgemeiner Risiken, für die Bekämpfung von Drogen- und Suchtmittelmissbrauch sowie für die Aufklärung über sexuell übertragbare Krankheiten. Dieses Geld ist hervorragend angelegt.
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Aufklärungsarbeit kann aber nur dann gelingen, wenn die Gesellschaft engagiert mitwirkt. So leistet beispielsweise der Verein „Jugend gegen AIDS“ hervorragende Arbeit vor Ort. Mit kreativen Ideen machen junge Mitglieder auf die Gefahren sexuell übertragbarer Krankheiten aufmerksam. Die Lebenswelten der Jugendlichen erreicht man mit Vereinen wie „Jugend gegen AIDS“ wesentlich besser, als das jede teure Werbekampagne könnte.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Haushaltsberatungen – das haben wir heute gesehen – sind ein guter Zeitpunkt, um ein Stück weit zurückzublicken. Die wichtigsten Themen – das haben wir auch heute gehört – sind die Pflege und die flächendeckende medizinische Versorgung. Wir haben mit der Pflegekampagne erreicht, dass das gesellschaftliche Ansehen für diese wirklich wichtige Arbeit eindeutig gestiegen ist. Wir haben die Arbeitsbedingungen der angehenden Pflegekräfte massiv verbessert. Wir benötigen allerdings – das will ich hier auch kritisch sagen – wesentlich mehr Pflegekräfte, weil wir es noch nicht einmal schaffen, die 13 000 neuen Stellen in der Altenpflege zu besetzen. Das Problem ist auch, dass das Verfahren teilweise ein bisschen bürokratisch ist. Ich glaube, hier müssen wir sehen, wie wir das verbessern können.
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Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die konzertierte Aktion von Bundesminister Spahn, Bundesminister Heil und Bundesministerin Giffey war, glaube ich, das richtige Zeichen. Der Minister hat zu Recht gesagt, dass wir Vertrauen in die Regierung brauchen. Ich denke, mehr Pflegerinnen und Pfleger, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne, das ist das richtige Credo unserer Regierung.
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Die flächendeckende ambulante medizinische Versorgung liegt mir als ein Abgeordneter, der aus Nordhessen, aus dem ländlichen Bereich kommt, persönlich sehr am Herzen. Wir haben den Kassenärztlichen Vereinigungen inzwischen alle notwendigen Instrumente an die Hand gegeben. Das Problem ist nur: Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen die auch tatsächlich umsetzen. Das ist ein großes Problem, das wir momentan haben. Daran mangelt es noch immer.
Wir haben deshalb mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz gesetzgeberisch nachgesteuert. Durch verbesserte Terminservicestellen, durch Mindestsprechstunden und vor allen Dingen auch durch regionale Zuschläge bekämpfen wir die Unterversorgung in strukturschwachen Gebieten. Von allein wird das aber nicht gehen. Wir brauchen jemanden, der wie ich auch noch kommunalpolitisch im Kreistag vor Ort aktiv ist. Wir brauchen vor allem die kleineren Kommunen und die Landkreise. Die müssen einsehen, dass ambulante medizinische Versorgung auch Daseinsvorsorge, auch eine kommunale Aufgabe ist. Ich glaube, das ist ein Punkt, den wir immer wieder deutlich machen müssen, auch hier vonseiten des Bundes.
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Auch das Krankenhaus bleibt ein Thema. Gesine Lötzsch hat die DRGs im Bereich der Kinderkrankenhäuser und Kinderkrankenabteilungen angesprochen. Das Problem bei den Fallpauschalen ist aber nicht, dass sie nicht wirken. Das Problem bei den Fallpauschalen ist, dass aus den Fallpauschalen die Investitionskosten der Länder mitfinanziert werden müssen. Dazu haben wir ein Delta von 3 Milliarden Euro. Die Länder müssen also mehr finanzieren, und das ist das eigentliche Problem bei den DRGs.
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Darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen. Das sage ich auch als jemand, der als Vater in einem Kinderkrankenhaus war. Daher weiß ich, dass es aufgrund von Unterfinanzierung Probleme gibt.
Wir müssen gerade in den Krankenhäusern in Zukunft unsere Ausgaben zielgerichteter steuern. Wir dürfen das nicht mit der Gießkanne machen; da gebe ich Ihnen recht. Im Krankenhausbereich gibt es ein Nebeneinander von Über- und Unterversorgung. Wir dürfen allerdings – das sage ich ausdrücklich – die strukturschwachen Regionen nicht vergessen, jedenfalls die kleinen bedarfsnotwendigen Krankenhäuser; denn auch die Menschen auf dem Land haben ein Anrecht auf optimale Versorgung. Das muss man ganz klar sagen.
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Deshalb haben wir eine eigenständige pauschale Bundesförderung für ländliche Kliniken geschaffen, und zwar unabhängig von den Sicherstellungszuschlägen der Länder. Ab 2020 bekommen rund 120 Kliniken, darunter allein 6 Kliniken bei uns im strukturschwachen Nordhessen, zusätzlich 400 000 Euro pro Jahr. Dafür habe ich mich persönlich eingesetzt. Der Gesetzgeber hat allerdings dieselben Anforderungskriterien zum Maßstab genommen wie bei Sicherstellungszuschlägen, also weniger als 100 Menschen pro Quadratkilometer und mehr als eine halbe Stunde zum nächsten Krankenhaus. Das bedeutet, dass manche Kliniken auf dem Land eine Doppelförderung bekommen, andere gar nichts. Hier sollte man darüber nachdenken, ob für die Bundesförderung weiterhin generell die starren Voraussetzungen des Gemeinsamen Bundesausschusses gelten sollten. In Ausnahmefällen ist es unter Umständen wichtig für die Versorgung, dass auch andere Krankenhäuser Anspruch auf Förderung erhalten.
Schließlich freue ich mich sehr, dass es jetzt das Digitale-Versorgung-Gesetz gibt. Viele Minister sind bei der Digitalisierung als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet.
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Hier hat der Minister aber ein wirklich gutes, innovatives Gesetz vorgelegt. Bis jetzt, wenn man so will, ist er noch der Tiger. Wir warten ab, wie das weitergeht. Ich erhoffe mir jedenfalls, dass wir in dieser Legislaturperiode tatsächlich noch die elektronische Patientenakte bekommen; dann würde ich sozusagen vor dem Tiger den Hut ziehen.
Ich komme zum Schluss. Wir haben uns als SPD-Fraktion erfolgreich dafür starkgemacht, dass die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie die Arbeitgeber seit Januar 2019 die Beiträge zur Krankenversicherung wieder zu gleichen Teilen tragen. Das bedeutet, dass gesetzlich Versicherte unterm Strich mehr Geld in der Tasche haben. Das sind mehrere Hundert Euro pro Jahr. Wir werden den Krankenkassen nichts wegnehmen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. – Vielmehr werden wir dadurch viele Versicherte entlasten. So geht sozialdemokratische Gesundheitspolitik. Auch mit einem schwarzen Minister haben wir einen roten Faden,
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nämlich diesen sozial ausgewogenen und seriösen Haushalt.
Herr Kollege, Sie dürfen sich jetzt verabschieden.
Ihm kann man nur zustimmen.
Danke schön, Herr Präsident.
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Okay. Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion ist die Kollegin Professor Claudia Schmidtke.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eines der besten Gesundheitssysteme der Welt ist in diesem Jahr wieder ein wenig besser geworden. Das liegt zuallererst an den vielen engagierten Menschen, die unsere Gesundheitsversorgung jeden Tag und jede Nacht am Laufen halten,
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an den Menschen in Pflege, Heilberufen und Versorgung, die uns alle so engagiert, oft gegen alle Widrigkeiten, therapieren, verbinden, füttern, anziehen und uns in schweren Stunden beistehen.
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Sie verdienen unsere gesellschaftliche und politische Unterstützung. Dazu fühlen wir uns als CDU/CSU-Fraktion weiterhin verpflichtet. Doch auch wir als Koalitionsfraktionen haben im vergangenen Jahr mit schier unglaublichem Tempo und einer unglaublichen Fülle von Gesetzen dazu beigetragen, unsere Gesundheitsversorgung zu verbessern: vom größten Brocken, dem TSVG, über das Implantateregister-Errichtungsgesetz bis hin zum DVG in der vorletzten Sitzungswoche.
Lieber Herr Schinnenburg, das alles geht nicht ohne Personal. Gesetze sind kein Selbstzweck, sondern dienen der besseren Versorgung. Ohne Personal keine Gesetze und keine bessere Versorgung. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie das nicht wollen. An dieser Stelle kann man vielleicht auch mal einen Dank den Mitarbeitern, dem Personal im BMG, das bis an seine Grenzen gearbeitet hat, aussprechen.
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Heute beschließen wir den Haushalt 2020. Nach der Performance der vergangenen beiden Jahre fragt sich der eine oder die andere vielleicht: Kann da noch mehr kommen? Die Antwort ist Ja; denn diejenigen von uns, die sich in der Gesundheitspolitik engagieren, sehen sich täglich mit den großen Herausforderungen unseres Gesundheitssystems konfrontiert.
Ich nenne beispielhaft drei Dinge: Erstens. Ich nenne die Sorge, ob unsere Versorgungsstrukturen auf die Kosten der Präzisionsmedizin vorbereitet sind. Zweitens. Ich nenne den Eindruck der Unüberwindbarkeit von Sektorengrenzen, der sich jedes Mal ergibt, wenn wir ihre Mauern einreißen wollen. Und ich nenne drittens natürlich die großen Fragen, die uns mit der Digitalisierung erreichen: von der digitalen Patientensicherheit bis hin zur Sorge vieler älterer Patientinnen und Patienten, ihren gewohnten Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verlieren.
Das A und O bei der Beantwortung der Fragen sind Forschung und Innovation; und damit nehme ich den schwarzen Faden auf, lieber Herr Franke. Sie sind die Basis aller Erkenntnisse, die wir benötigen, um in der Versorgung Risiken abzuwenden und um Qualität und Sicherheit zu steigern. Ich freue mich daher, dass es auch für das kommende Jahr wieder gelungen ist, diese Investitionsmittel im Haushalt für das Bundesgesundheitsministerium zu erhöhen. So steht jetzt mit 130 Millionen Euro für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben erneut mehr Geld zur Verfügung als im vergangenen Jahr.
Exemplarisch möchte ich Ihnen die Bedeutung der Förderung an einem Projekt verdeutlichen: 1,7 Millionen Euro sind für das neue Projekt „genomDE“ enthalten. Hier können wir endlich in einem Bereich Boden gutmachen, in dem wir als Wissenschaftsland viel zu weit zurückgefallen sind. Es hat das Potenzial, unzählige Menschenleben zu retten oder wieder lebenswert zu machen. Die Genomsequenzierung hilft uns bei der personalisierten Therapie von Krebs ebenso wie bei der Diagnose und Behandlung seltener Erkrankungen. Bei aller exzellenten Forschung, über die wir in diesem Bereich verfügen, gehen wir damit nun endlich die breite Anwendung und Versorgung durch effektive Vernetzung an. Die bloße Erhöhung der Projektförderung wird aber nicht ausreichen, um unsere Forschungslandschaft zukunftsfähig zu machen. Die große Gemeinsamkeit von Versorgung, Forschung und Entwicklung ist unsere Stärke und Schwäche zugleich; denn dort, wo diejenigen forschen, die gleichzeitig versorgen, ist die verfügbare Zeit ein natürlicher Engpassfaktor. Wir müssen deshalb insbesondere bei der Universitätsmedizin mittelfristig Antworten auf dieses strukturelle Manko entwickeln.
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Unsere Ausgangslage können Sie besichtigen: Ich habe jüngst in meinem Wahlkreis in Lübeck an der Neueröffnung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein teilnehmen können. Bis vor einer Woche wurden Patienten in einem der größten Maximalversorger Deutschlands teilweise noch in alten Lazarettbaracken behandelt. Nun befinden sich 14 Kliniken unter einem Dach mit Hubschrauberlandeplatz, mit einem Zentral-OP mit 20 Sälen und mit modernster digitaler Infrastruktur. Hier wird auch die ePA bereits gelebt, die Patienten können ihre Unterlagen digital mitnehmen. All das steht bereit für Hochleistungsmedizin und Forschung von Weltrang. Hier müssen wir uns als Bund überlegen, wie wir die Universitätsmedizin bei den großen Herausforderungen der personalisierten Medizin im Übergang zum Zeitalter der Algorithmen gezielt unterstützen können; gezielt, wie bei der mit diesem Haushalt ebenfalls beschlossenen Förderung des neuen Universitären Herzzentrums Berlin. Wir haben es schon gehört: Es wird mit 100 Millionen Euro gefördert. Das ist ein starkes Zeichen, nicht allein für die Versorgung der Volkskrankheit Nummer eins, sondern auch grundsätzlich für das unverzichtbare Zusammenspiel von Versorgung, Forschung und Innovation in unseren Universitätskliniken. Das ist der Weg, um neben einer exzellenten Krankenversorgung auch international innovative Spitzenleistungen in der Forschung zu erbringen.
Wir sind als Unionsfraktion und einem äußerst engagierten und auch beliebten Bundesgesundheitsminister weiterhin hochmotiviert, gemeinsam mit der SPD diese Herausforderungen anzugehen. Und wenn man sich vor Augen führt, wie viele Erfolge wir bereits in dieser Wahlperiode gemeinsam erreicht haben, sollten wir das auch. Ich freue mich auf das Haushaltsjahr 2020. Es wird ein weiteres gutes Jahr für unsere Gesundheitsversorgung in Deutschland.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Erich Irlstorfer, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Fakten sind klar. Der Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums hat die Größenordnung von 15,3 Milliarden Euro. Das ist ein hoher Betrag. Wir wissen auch, dass es Zuwächse in unserem Etat gibt. Das ist wichtig, das ist richtig.
Herr Kollege Schinnenburg, das Wort „situationselastisch“ ist wirklich gut. Ich nehme das auch sehr oft her, meist gegen Sie; nein, Schmarrn. Auf jeden Fall ist es so, dass mich das Wort „situationselastisch“ in einer Haushaltsdebatte fast ein bisschen beunruhigt. Ich glaube, dieser Haushalt ist nicht „situationselastisch“, sondern geprägt von Weitblick und Augenmaß. Bei einem so wichtigen Thema ist das auch notwendig.
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Ich glaube, dass es gut ist, dass wir die Aufgaben in allen Bereichen immer wieder überdenken und neu sortieren. Wir nehmen für den Bereich der Prävention, für Aidshilfe, für Drogenberatung, für digitale Anwendungen und natürlich auch für den Bereich der IT-Infrastruktur Geld in die Hand. Wir starten auch Kampagnen, tun also etwas im niedrigschwelligen Bereich. Der Kollege hat die Kampagne „Jugend gegen AIDS“ schon angesprochen. Ich glaube, es ist notwendig, in die Prävention zu investieren. Was ist die Zielsetzung? Wir investieren in die Prävention, weil wir nicht nur kranke Menschen behandeln, gesund machen, heilen möchten – das ist unser Auftrag –, sondern auch gesunde Menschen möglichst lang gesund erhalten möchten. Deshalb ist dieser Haushalt zukunftsweisend.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist auch unsere Aufgabe, mit diesen Mitteln sorgfältig umzugehen und mit dem Geld auszukommen. Ich bin schon der Meinung, dass im Gesundheitssystem genügend Geld vorhanden ist.
Es muss schon einmal gesagt werden, dass es in Deutschland möglich ist, zu nahezu jedem Zeitpunkt medizinisch versorgt zu werden, und zwar in einer guten, angemessenen Qualität. Das ist ein hohes Gut. Mit diesem Haushalt geben wir hier das Versprechen ab, dass das auch in Zukunft so sein soll.
Vor dem Hintergrund der finanziellen Ressourcen ist es bedeutsam, Gewichtungen vorzunehmen; denn diese Haushaltsausgaben sind de facto Investitionen in die Menschen in unserem Land. Ich glaube, dass der Präventionsbereich extrem notwendig ist; ich bin ein Verfechter davon. Hierfür müssen wir Geld in die Hand nehmen. Wir treffen aber auch zukunftsweisende Entscheidungen im Bereich der Forschung. Auch das ist ein Signal an die junge Generation: Wir haben in den Bereichen Gesundheit und Pflege auch künftig einen wertvollen Arbeitsmarkt; es ist sinnvoll, in diese Berufe zu gehen, diese Berufe auszuüben, weil das Berufe der Zukunft sind.
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Als Berichterstatter für Pflege freut es mich umso mehr, dass wir auch für die Pflegevorsorge Geld in die Hand nehmen. Das ist ein Signal an alle Bürgerinnen und Bürger: Die Politik stellt sich aktiv auf die Problemlagen ein. Wir diskutieren nicht nur, sondern wir handeln. Man muss sehen, dass wir hier einen gewissen Absicherungsmechanismus fördern; das muss man so sagen. Aber man muss das im Kontext sehen; denn man muss auch sagen, dass uns bei den Themen Gesundheit und Pflege die Eigenverantwortung immer wieder leiten muss.
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Zum Abschluss. Ich glaube, wir legen einen guten Haushalt vor, einen Haushalt, der in die richtige Richtung zeigt, gerade auch im Bereich der seltenen Erkrankungen, im Bereich der Männergesundheit. Beim Thema Prostata – das ist vorhin angesprochen worden – und bei den entsprechenden Operationen gibt es Verbesserungen, die wir den Menschen vermitteln müssen. Hier müssen wir Ängste abbauen, damit man sich traut, zur Vorsorge zu gehen. All diese Dinge sind in diesem Haushalt berücksichtigt. Die Gesundheit der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland ist uns dieses Geld wert. Die Menschen sind es uns wert. Deshalb bitte ich um Zustimmung.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Damit schließe ich die Aussprache.
Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier über einen Einzelplan, der 11,8 Milliarden Euro umfasst.
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Das ist eine Steigerung um 11,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für die Familienpolitik sollen 9,5 Milliarden Euro ausgegeben werden. Die Aufwüchse, insbesondere beim Elterngeld und beim Kinderzuschlag, sind zu begrüßen.
Wird es den Familien dadurch besser gehen? Zunächst muss man festhalten, dass sich die Lage der Familien mit geringem und mittlerem Einkommen in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich verschlechtert hat. Dies hat eine Studie der OECD für Deutschland in diesem Jahr festgestellt. Wir müssen also zunächst darüber reden, was der Staat den Bürgern und insbesondere den Familien wegnimmt, bevor er ihnen mit viel bürokratischem Aufwand einen Teil wiedergibt, meine Damen und Herren.
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Dazu muss gesagt werden: Deutschland ist Vizeweltmeister bei der Belastung durch Steuern und Abgaben. Ob der Wegfall des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Bundesbürger ab 2021 eine wesentliche Entlastung für Familien bringen wird, ist höchst unwahrscheinlich; denn die nächste Belastung steht schon bevor: Die Energiekosten werden sich durch die CO2-Abgabe erhöhen, nachdem wir bereits jetzt schon die höchsten Stromkosten in Europa haben. Insbesondere durch die politisch verursachte EEG-Umlage hat sich der Strompreis in den letzten fünf Jahren um 27 Prozent erhöht und seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt.
Auch die Wohnkosten, also der Erwerb von Wohneigentum und die Mieten, haben sich durch politische Maßnahmen deutlich verteuert. Die Anhebung der Grunderwerbsteuer, die ständig verschärften Bauauflagen und der erhöhte Wohnungsbedarf durch eine zugelassene Masseneinwanderung von 2,5 Millionen Menschen netto in den letzten fünf Jahren hat zu einem erheblichen Anstieg der Wohnkosten geführt.
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Bis in die 1980er-Jahre war es noch möglich, dass ein Facharbeiter als Alleinverdiener ein Haus bauen und eine Familie ernähren konnte. Mittlerweile ist es vielfach so, dass Vater und Mutter arbeiten müssen, auch wenn das Kind noch so klein ist, um sich überhaupt eine Familie leisten zu können. Der Erwerb von Wohneigentum bleibt für viele unerschwinglich. Den Bedarf an Fremdbetreuung hat der Staat durch seine Abgabenlast also zu einem großen Teil selbst verursacht, meine Damen und Herren.
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Um eine echte Wahlfreiheit in der Frage „Fremdbetreuung oder Eigenbetreuung?“ in den prägenden ersten drei Jahren zu gewährleisten, plädieren wir für eine Ausdehnung des Elterngeldes Plus auf das volle dritte Lebensjahr des Kindes.
Gerne hätten wir auch die Bundeseinlage für die Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ um 40 Millionen Euro auf 136 Millionen Euro erhöht. Es kann doch nicht sein, dass nach wie vor jedes Jahr rund hunderttausend ungeborene Kinder im Mutterleib getötet werden, weil es Schwangere gibt, die sich in einem angeblich so reichen Land wie Deutschland nicht in der Lage sehen, für ihr Kind zu sorgen, meine Damen und Herren.
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In Bezug auf das Programm „Demokratie leben!“ hat der Bundesrechnungshof bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass viele Maßnahmen über Jahre gefördert werden, ohne dass für eine solche Dauerförderung eine Bundeskompetenz gegeben ist. Es ist nur eine befristete Förderung von Modellprojekten möglich. Meine Fraktion fordert, dass die Anmerkungen des Bundesrechnungshofes endlich eingehalten werden, meine Damen und Herren.
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Wir wollen, dass gegen alle Arten von Extremismus präventiv vorgegangen wird: gegen Rechtsextremismus, aber auch gegen Linksextremismus und islamistische Fundamentalisten. Die Aufteilung der Mittel sollte sich am Verfassungsschutzbericht orientieren.
Die sogenannte Demokratieklausel, die die frühere Familienministerin Manuela Schwesig abgeschafft hat, muss wieder eingeführt werden.
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Wir wollen, dass das Bekenntnis zur Demokratie wieder Voraussetzung für die Beantragung von Mitteln aus dem Programm „Demokratie leben!“ wird. Das sollte doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, meine Damen und Herren.
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Wir kritisieren den erneuten drastischen Stellenaufwuchs. Nachdem die Zahl der Stellen bereits vor einem Jahr um 273 erhöht worden ist, soll die Zahl der Planstellen jetzt noch einmal um 113 auf 2 010 im Geschäftsbereich des Familienministeriums erhöht werden. Innerhalb von zehn Jahren wurde die Stellenanzahl um 52 Prozent erhöht. Das ist eine unverhältnismäßige Aufblähung der Verwaltung, meine Damen und Herren. So kann mit dem Geld der Steuerzahler nicht umgegangen werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Herr Kollege Münz. – Nächste Rednerin ist für die SPD-Fraktion die Kollegin Svenja Stadler.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen und vor den Bildschirmen! Gestern traf ich mich mit Vertreterinnen und Vertretern der Landjugend, und wir diskutierten über „Demokratie leben!“ und darüber, wie das Hauptamt das Ehrenamt stärken kann und wie wir Engagierte wertschätzen können. Solche Gespräche – das wissen Sie hier im Haus genauso wie ich – führen wir tagtäglich, um zu wissen, wo der Schuh drückt und – in diesem Fall – was Engagierte brauchen, um sich besser engagieren zu können.
Mit dem Bundeshaushalt und insbesondere mit dem Etat für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt die Koalition: Wir wollen Familien bei ihren Herausforderungen stärken, und wir wollen Kinder und Jugendliche fördern sowie den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken. Deshalb wundert es auch nicht, dass der Etat erneut aufgewachsen ist, und zwar investieren wir über 12 Milliarden Euro in Leistungen und Programme für Kinder und Jugendliche, für Jung und Alt, für Frauen und Männer und für die vielen Engagierten in unserem Land.
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80 Prozent davon sind für gesetzliche Leistungen vorgesehen. Dazu zählen das Elterngeld, der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende, der Kinderzuschlag und das Kindergeld. Für die Jugendfreiwilligendienste und den Bundesfreiwilligendienst gibt es auch 2020 über 327 Millionen Euro, und als Haushälter haben wir der Bundesregierung mit auf den Weg gegeben, dieses Niveau künftig zu halten; denn nur so können die vielen Freiwilligendienstleistenden auch verlässlich Plätze und Qualität angeboten bekommen.
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Einen Pflichtdienst, wie ihn die CDU-Vorsitzende erneut fordert und der ja auch heute in einem Werkstattgespräch der Parteizentrale diskutiert wird,
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lehnen wir als SPD-Bundestagsfraktion ab.
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Letztes Jahr stellte die Ministerin Franziska Giffey ein Konzept für ein Jugendfreiwilligenjahr vor, und ich frage mich tatsächlich: Warum wird in der CDU-Parteizentrale nicht darüber diskutiert?
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Wenn ich heute in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben wieder von diesem Pflichtjahr lese, frage ich mich allmählich, ob die Verteidigungsministerin die Wehrpflicht bzw. den Zivildienst zurückhaben will.
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Aber okay, zurück zum Thema! – Einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leistet das Patenschaftsprogramm „Menschen stärken Menschen“. Ich bin froh, dass wir das Niveau auch im kommenden Jahr halten können – ein wichtiges Signal an alle, die sich engagieren. Sie leisten einen großen Beitrag für erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe und Integration.
Gut ist auch, dass wir für die wichtigen und erfolgreichen Angebote der Jugendmigrationsdienste 8 Millionen Euro mehr bereitstellen. So stärken wir lokale Netzwerke, unter anderem in Hannover, die Jugendsozialarbeit und die Migrationssozialarbeit vor Ort.
Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft hängt auch davon ab, wie wir uns gegen jegliche Form von Extremismus und gegen die Feinde unserer Demokratie stellen. Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität auf den Weg gebracht hat.
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Darin ist festgehalten, dass die finanzielle Förderung von vorhandenen Präventionsprogrammen ausgebaut und verstetigt wird. Für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ bedeutet das, dass die Mittel in der Finanzplanung bis 2023 fortgeschrieben werden, und das ist gut so.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verhandlungen zum Haushalt sind immer etwas Besonderes. Sie erfordern Gestaltungswillen, Durchhaltevermögen – ich sage es Ihnen! – und eine klare Haltung. Ohne ein gutes, kollegiales und faires Miteinander geht das nicht, und deshalb bedanke ich mich an dieser Stelle heute ganz herzlich bei Alois Rainer für die außergewöhnlich gute Zusammenarbeit, und ich wünsche ihm in seiner neuen Funktion in der Fraktion alles Gute. Ich bedaure schon jetzt, dass er mich verlässt.
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Bei den anderen Haushältern bedanke ich mich natürlich ebenfalls für die gute Zusammenarbeit – und auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich finde, wir haben einen guten Haushaltsentwurf noch besser gemacht, und dem kann man zustimmen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Stadler. – Es ist schon vorweihnachtlich. – Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion der Kollege Christoph Meyer das Wort.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal auch von mir einen herzlichen Dank an meine Mitberichterstatter und einen ganz besonderen Dank an dich, Alois Rainer. Ich glaube, wir alle werden dich in der Rolle, die du bisher gespielt hast, vermissen.
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Wir wissen immer noch nicht genau, warum du den Ausschuss wechselst; es wird in deiner Fraktion wohl Gründe geben.
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Zum Einzelplan. Frau Giffey, noch nie hat eine Familienministerin so viel Steuergeld zur Verfügung gehabt wie Sie. Alleine von 2011 bis 2020 haben wir in Ihrem Etat einen Anstieg von über 79 Prozent zu verzeichnen. Wir haben es schon gehört: Er beträgt über 12 Milliarden Euro. Unabhängig auch von den gesetzlichen Leistungen, für die Mittel in Ihrem Etat veranschlagt sind, schwimmen Sie im Geld. Unser Eindruck – wie auch in den letzten Haushaltsberatungen – ist, dass Sie das wahllos werden lässt, sowohl, was die Auswahl von Projekten angeht, als auch, was den Aufwuchs des Personalkörpers – ohne klare Stellenbeschreibungen – angeht. Ich glaube, Ihr Ministerium ist hier beispielhaft für die Arbeit dieser Großen Koalition. Das müssen wir als Opposition, ähnlich wie der Rechnungshof, kritisieren.
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Sie weigern sich offenbar, die zentralen Fragen zu stellen: Die erste Frage ist – immer wieder –: Ist der Bund überhaupt zuständig? Die zweite Frage ist: Wie wird evaluiert? Die dritte Frage ist: Welchen Einfluss soll eine Evaluation auf eine Projektfortführung haben?
Es ist schon ein Armutszeugnis, wenn die Koalitionsfraktionen in der Bereinigungssitzung teilweise Änderungsanträge stellen, um die Begründungen für Titelansätze zu ändern, damit diese Titelansätze im Etatentwurf verfassungskonform sind. Es ist auch ein Armutszeugnis, dass für die Prüfung von Verwendungsnachweisen – gerade zum Beispiel beim Bundesfreiwilligendienst – offensichtlich nicht genug Personal vorhanden ist, um hier in der Tat zu schauen, ob das Geld auch sinnvoll verwendet ist. Das ist das Grundproblem in Ihrem Haushalt: Sie haben viele gute Ansätze, viele gute Ideen; die Umsetzung ist leider mangelhaft.
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Die Beispiele kann man aus allen Bereichen in Ihrem Einzelplan wählen. Nehmen Sie nur das Beispiel „Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt“! Der Parlamentarische Staatssekretär hat auf diverse Anfragen im Haushaltsausschuss immer nur ausweichend geantwortet. Am Ende ist dann ein Gesetzentwurf herausgekommen, über den der Normenkontrollrat noch in einer der vorsichtigeren Formulierungen ausführte: Mangel an Transparenz und Kostenbewusstsein; dem Ziel der Förderung von qualitativ hochwertiger und transparenter Rechtsetzung trage der Entwurf nicht Rechnung. – Genau das ist das Problem in Ihrem Ministerium: dass Sie Ihre Hausaufgaben nicht machen und Ihre Pflicht nicht erfüllen. Darauf muss man in den Haushaltsberatungen immer wieder Wert legen. Der Bund ist nach unserer Auffassung für diese Aufgabe nicht zuständig.
Ähnlich sieht es auch bei anderen Bereichen aus: Stichwort „Ausbau der Ganztagsbetreuung“. Im Ausschuss haben Sie noch argumentiert, dass das Ziel des Ausbaus die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist. Ich habe Sie dann gebeten, das noch mal schriftlich darzulegen. In der schriftlichen Darlegung haben Sie dann im weitesten Sinne eine Herleitung über die Bildungsinfrastruktur gewählt. Also, auch da sieht man: Sie sind sich offensichtlich noch nicht mal darüber im Klaren, welches die Basis Ihres Konstrukts ist. Das werden wir so nicht mittragen.
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Sie identifizieren Probleme und verfallen dann in Aktionismus. Beim Unterhaltsvorschuss ist es genauso. Die Rückgriffsquoten sind erschreckend gering; das haben Sie anerkannt. Wir harren immer noch der Lösung. Bei aller Komplexität dieses Problems: Wenn Sie jetzt zwischen Zahlungsunfähigen und Zahlungsunwilligen unterscheiden, dann ist das zwar vielleicht richtig, aber das ist nur ein erster Schritt. Wir erwarten, dass Sie ein Problem, das Sie vor drei Jahren erkannt haben, endlich lösen. Nur das wäre im Sinne der Bundeshaushaltsordnung.
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Sie haben vielfältige Projekte auf den Weg gebracht. Auch in der Bereinigungssitzung ist noch eine ganze Menge dazugekommen. Wir haben die Anträge der Koalition teilweise unterstützt. Wir freuen uns, dass Sie im Bereich der internationalen Jugendarbeit drauflegen konnten, auch in einigen anderen Bereichen, zum Beispiel bei den Mehrgenerationenhäusern. Das ist gut. Aber alles in allem muss man doch sagen, dass in Ihrem Einzelplan mehr Schatten als Licht zu finden ist. Deswegen werden wir diesen Einzelplan ablehnen.
Ich danke Ihnen.
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Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. – Und nun kommt er: Alois Rainer für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem nun vorliegenden Haushalt zeigen wir einmal mehr, dass diese Koalition für die Menschen und insbesondere für die Familien in unserem Land Verantwortung übernimmt. Im parlamentarischen Verfahren, dem höchsten Gut des Parlamentes, konnten wir uns auf zusätzliche Finanzmittel für den gesamten Bereich von Familie, Senioren, Frauen und Jugend einigen, die im Haushalt 2020 bislang so nicht vorgesehen waren.
So gibt es zum Beispiel bei den Freiwilligendiensten 50 Millionen Euro mehr. Aber vor allem ist das nicht nur einmalig. Wir wollten mit einem Maßgabebeschluss – das haben wir dann auch gemacht – die Finanzierung für die kommenden Jahre sichern, weil es gerade in den Freiwilligendiensten immer schwierig ist, die Freiwilligen über das Jahr hinaus zu beschäftigen. Die Menschen, die sich hier freiwillig zur Verfügung stellen, machen einen hervorragenden Job. Sie kriegen ein kleines Taschengeld, sind also ehrenamtlich unterwegs. Ein ganz großes Dankeschön an all diejenigen, die das machen!
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Weiterhin haben wir das Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus noch mal etwas stärken können.
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Jedes der 540 Mehrgenerationenhäuser in unserem Land kommt jetzt auf eine jährliche Gesamtförderung von 40 000 Euro vom Bund, also ein Plus von 10 000 Euro. Das ist schön. Das ist gut. Ich hoffe, dass die beteiligten Kommunen auch etwas nachsteuern; denn die Mehrgenerationenhäuser machen in unserem Land eine hervorragende Arbeit.
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Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass wir bei dem Patenschaftsprogramm „Menschen stärken Menschen“ die Finanzierung gesichert haben. Rund 80 000 Patenschaften zwischen geflüchteten Menschen und Einheimischen konnten seit 2016 mit diesen Maßnahmen gestiftet werden. Deshalb sind diese 18 Millionen Euro hier sehr gut angelegt.
Auch bei den gesetzlichen Leistungen mussten wir anpassen, zum Beispiel beim Unterhaltsvorschuss, meinem Lieblingskind. Hier zeigt es sich, dass der Bedarf größer war als ursprünglich gedacht. Wir reden jetzt von fast 1 Milliarde Euro an Bundesmitteln, die wir hier zur Verfügung stellen. Ich bin nicht zufrieden, aber ich bin erfreut über den Prozess zur Verbesserung des Rückgriffs. Liebe Frau Ministerin, Sie haben zugesagt, dass Sie hier am Ball bleiben. Ich rechne auch damit, dass Sie hier am Ball bleiben, damit die Rückgriffsquote besser wird.
Viel diskutiert, von der einen Seite kritisiert, aber, ich denke, von den meisten in diesem Haus gewollt: das Programm „Demokratie leben!“. Es konnte wieder auf den Stand des Vorjahres gehoben werden, auf 115 Millionen Euro. Meine Damen und Herren, ich finde es gut, dass wir hier was erreicht haben. Ich möchte in diesem Hohen Haus ausdrücklich erwähnen, dass jegliche Form von Extremismus und Rassismus, egal ob von links oder von rechts, ob antisemitisch oder sonst religiös-extremistisch, in unserem Land keinen Platz hat, keinen Platz haben darf und wir dagegen ganz massiv vorgehen müssen.
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Aber auch in der Politik für ältere Menschen wurde in den verschiedensten Bereichen ein Stück weit nachgesteuert. Wir haben wieder einmal gezeigt, dass dieser Haushalt eine ausgewogene Stabilität zwischen den Familien, den etwas Erfahreneren in unserer Gesellschaft, aber auch den Jüngeren, der Jugend aufweist. Es ist ein Haushalt, der alle Menschen in Deutschland darstellt.
Mit den vorliegenden Beschlüssen zum Bundeshaushalt kann die Bundesregierung die Schwerpunkte der Familienpolitik angehen. Es werden aus diesem Etat wichtige Dinge unterstützt. Nehmen wir mal die Frauenhäuser und das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ heraus. Auch hier, meine Damen und Herren, gilt: Die Finanzierung der Frauenhäuser ist grundsätzlich keine Bundesangelegenheit. Das Hilfetelefon ist es schon, beim BAFzA fest installiert. Aber ich finde es gut, dass wir hier was machen, dass wir hier unterstützen.
Ja, wir haben den Textteil ändern müssen, damit das Geld den Menschen zugutekommt, die unter Gewalt zu leiden haben. Auch hier, meine Damen und Herren, gilt: Gewalt gegen Frauen in der Familie geht nicht. Wir müssen diesen Menschen helfen. Am Hilfetelefon – davon habe ich mich selbst überzeugen können – wird eine hervorragende Arbeit geleistet. Vielen herzlichen Dank all denjenigen, die diese Arbeit leisten!
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Die Mittel für die Jugendpartnerschaften wurden wieder erhöht und auf den Stand der Vorjahre gebracht – eine hervorragende Sache. In der Jugendverbandsförderung machen wir eine hervorragende Arbeit. Auch hier ein herzliches Dankeschön an all diejenigen, die sich in unserem Land ehrenamtlich engagieren, egal wo sie sind, ob sie sich in der Jugendarbeit oder in anderen Vereinen ehrenamtlich engagieren! Das ist alles, nur nicht selbstverständlich.
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Meine Damen und Herren, abschließend ein ganz herzliches Dankeschön an Sie, Frau Ministerin, und Ihr Haus für die gute und tatkräftige Unterstützung der Berichterstatter durch die Beantwortung der Fragen, die wir gestellt haben, aber auch für die Verbesserung des Etats!
Ein ganz herzliches Dankeschön an die beiden Damen und die Herren Mitberichterstatter! Es war immer ein schönes, kollegiales Miteinander. Ein besonderes Dankeschön an Svenja Stadler! In der Koalition arbeiten wir immer gut zusammen.
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Wir waren für den Einzelplan lösungsorientiert unterwegs. – Keine Sorge: Ein bisschen verlegen bin ich schon, wenn ich gelobt werde. Aber es tut trotzdem gut.
Danke schön.
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Vielen Dank, Herr Kollege Rainer. – Als Nächster hat das Wort der Kollege Michael Leutert, Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Alois, damit du noch ein bisschen verlegener wirst: Auch ein Linker möchte sich bedanken und dich loben.
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Die Zusammenarbeit war immer sehr fair, sehr kollegial. Mir hat es Spaß gemacht.
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Für deine neue Aufgabe wünsche ich dir viel Glück und viel Kraft.
Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, war es das jetzt mit den lieben Worten. Frau Ministerin, im Bereich „Demokratieförderung, Extremismusbekämpfung“ ist ihr Haushalt eine Katastrophe, ein Totalausfall.
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Das Programm „Demokratie leben!“, das sich mit Extremismusbekämpfung beschäftigt, das gegen Menschenfeindlichkeit vorgehen soll, machen Sie kaputt, und zwar in einer Zeit, wo wir in Ostdeutschland drei Wahlen hatten, wo Nazis in Parlamente eingezogen sind, in einer Zeit, wo wir in den Kommunen in Ostdeutschland ein Klima haben, das dadurch gekennzeichnet ist, dass die AfD jedes Projekt, das mehr Toleranz und Vielfalt in der Öffentlichkeit fördert, angreift. In dieser Zeit müssen wir froh sein, dass es in Kommunen, in kleinen Städten eine Handvoll Menschen gibt, die sich noch aktiv einsetzen.
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Wir müssen froh sein, dass sie sich nicht ins Private zurückziehen, sondern etwas für den Zusammenhalt in der Gesellschaft tun.
Wir hatten im Übrigen in Sachsen erst vor ein paar Tagen die Situation, dass eine SPD-Bürgermeisterin zurückgetreten ist, die sich für Vielfalt eingesetzt hat, die gegen den rassistischen Mob vorgegangen ist, weil sie die Hetze und die Drohungen nicht mehr ausgehalten hat. In dieser Zeit kommen Sie und sagen: Ab jetzt seid ihr auf euch allein gestellt. Wir können euch nicht mehr helfen. – Das halte ich für eine Katastrophe.
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Sie stellen sich hierhin und feiern sich: Es gibt wieder 8 Millionen Euro obendrauf. – Diesen Betrag hat doch Ihr Genosse Finanzminister vorher gestrichen. Dass die 8 Millionen Euro wieder drauf sind, ist nicht Ihr Verdienst; das ist der Verdienst der Zivilgesellschaft, die dagegen angegangen ist, dass gestrichen wird.
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Sie sagen, Sie könnten nicht ohne den Finanzminister mehr Geld mobilisieren. Ich verstehe es nicht: In der Bereinigungssitzung gab es 45 Millionen Euro neues Projektgeld – cash. Es wurde für alles Mögliche eingesetzt, aber nicht für „Demokratie leben!“, kein einziger Cent. Wir bezahlen jetzt Onlinepaarberatung; das machen wir.
Sie sagen: Es sind Modellprojekte; die können nicht auf Dauer gefördert werden. – Natürlich können sie auf Dauer gefördert werden:
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Erstens. Man kann das Instrument ändern; dann sind es eben keine Modellprojekte mehr.
Zweitens. Wo steht denn, dass Modellprojekte nur vier Jahre laufen dürfen? Warum laufen Modellprojekte nicht acht oder zehn Jahre?
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Die Mehrgenerationenhäuser finde ich super; ich bin dafür, dass es sie gibt. Sie gibt es bereits seit 2006. Der Bundesrechnungshof hat da das gleiche Problem angesprochen, und diese Häuser werden weiterhin gefördert. Für sie gibt es im Haushalt sogar noch etwas obendrauf. Es geht also.
Wenn Sie wenigstens in Ihrem Programm konsequent wären und sagen würden: „Okay, ‚Modellprojekteʼ heißt: Es ist was Neues, es ist was Innovatives, etwas, was nur von kurzer Dauer ist“, dann würde ich ja sagen: Okay. – Aber so ist es eben nicht. Ich nenne Ihnen zwei Beispiele:
Es gibt die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Die Gedenkstätte Hohenschönhausen ist gefördert worden. Ich bewerte jetzt nicht die Inhalte der dortigen Projekte. Ich sage: Hier geht es nur um das Strukturelle. Gefördert worden ist zum Beispiel „Linke Militanz in Geschichte und Gegenwart. Aufklärung gefährdeter Jugendlicher über Linksextremismus und Gewalt“. Das ist im Übrigen ein Seminarangebot; das kann man auf der Homepage nachlesen. Wer teilnehmen möchte, muss sich anmelden. Wo bei diesem Seminarangebot das innovative Neue ist, kann ich nicht verstehen. Ich war früher in der Jugendarbeit. Das gehört zum Standardrepertoire in der Jugendarbeit.
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Die Gedenkstätte Hohenschönhausen wird mit dem nächsten Haushalt gefördert für Angebote wie: Linken Extremismus überzeugend kontern können – Schulungen im Umgang mit gefährdeten Jugendlichen. Ist das keine Fortsetzung? Zuvor gab es ein Modellprojekt „Präventive Seminararbeit mit Jugendlichen gegen Linksextremismus“. Man führt dort noch so etwas durch. Es werden also zwei solcher Modellprojekte gefördert.
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Etwas anderes. Es gibt das Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland. Auch dazu sage ich: Alles richtig; kann man alles machen. – Gefördert wird ein Projekt dieser Gemeinden, das „Kamil“ heißt. In 16 Moscheegemeinden wird eine mehr oder weniger akzeptierende Jugendsozialarbeit mit einem Bildungsauftrag gemacht. Auch dazu sage ich: Eigentlich ist Jugendsozialarbeit – dieser Begriff steht sogar auf der Homepage – eine klassisch kommunale Aufgabe. Dort hat man sich etwas ganz Neues einfallen lassen. Das neue Projekt heißt „Kamil 2.0“.
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Ist das keine Fortsetzung? Ist das keine institutionelle Förderung? – Bei all den anderen Projekten wird gestrichen.
Letzter Punkt. Dafür können Sie nichts; aber ich will das hier mit erwähnen, damit das Gesamtbild klar wird, damit klar wird, wie das bei den Menschen, die sich engagieren, jetzt ankommt.
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Da lasen wir in der Presse vor Kurzem, dass der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit entzogen wird. In Berlin ist der Finanzminister SPD-Mitglied, im Bund ist der Finanzminister SPD-Mitglied. Ich muss wirklich fragen: Auf welcher Seite der Barrikade steht denn der Finanzminister hier?
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Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Die SPD braucht sich nicht zu wundern, wenn sie keinen Fuß mehr auf den Boden bekommt. Ich arbeite vor Ort mit vielen Mitgliedern der SPD-Basis zusammen, -
Herr Kollege Leutert, bitte.
– und die müssen für diesen ganzen Scheiß immer geradestehen; die tun mir wirklich leid.
Sie hätten ja wenigstens im Haushaltsausschuss dem Maßgabebeschluss zustimmen können.
Herr Kollege Leutert, ich möchte Ihnen nicht das Wort entziehen.
Sie haben heute noch eine Chance. Sie – –
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Herr Kollege Leutert, ich habe Ihnen das Wort entzogen. Sie können sich hinsetzen, bitte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Nächste aus der Berichterstatterkuschelgruppe spricht zu uns die Kollegin Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen.
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Ich hatte eigentlich nicht vor, zu kuscheln. – Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt, uns ist diese Woche noch einmal bestätigt worden: Der Aufwand der Ministerin für Öffentlichkeitsarbeit ist ziemlich groß. Ich wünschte mir aber, der Aufwand für diesen Etat wäre mindestens genauso groß gewesen. Dem ist nämlich nicht so.
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Sie haben gesagt: Die Ministerin schwimmt im Geld. – Das stimmt ja nicht ganz. Ich meine, ja, die gesetzlichen Leistungen steigen, aufgrund der Grundlagen; aber wenn es dann um die Programmmittel geht, treten wir eigentlich auf der Stelle. Jedes Jahr von Neuem – mittlerweile also mehrfach in Folge – kämpfen wir als Haushälter darum, das Mittelvolumen da, wo es um die Programme geht, so zu veranschlagen wie im Jahr zuvor. Der Kollege Leutert hat hier ja sehr bildhaft dargestellt, was für Kämpfe wir da auch führen müssen.
Ich gebe Ihnen dazu zwei Beispiele:
Das erste Beispiel betrifft die Engagementpolitik. Ja, natürlich hat der Kollege Rainer recht: Freiwilligendienste sind was Großartiges. Wir wollen, dass sich junge Menschen engagieren. Sie bringen später unheimlich viel Erfahrung in die Gesellschaft ein. Wir unterstützen das. Aber Sie haben es gerade mal geschafft, die Mittel auf dem Vorjahresniveau zu halten; da ist kein einziger Cent dazugekommen. Wir reden ja gar nicht mehr von mehr Plätzen, obwohl da Bedarf wäre. Wir reden gar nicht mehr darüber, die Konditionen besser zu machen, obwohl wir das könnten. Wir reden gar nicht mehr darüber, Vertrauen zu schaffen, obwohl genau das unser Auftrag sein sollte. Wir haben darum gekämpft, dass die Mittel so bleiben, wie sie im Vorjahr waren – und keinen Cent mehr.
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Für das Programm „Demokratie leben!“ gilt übrigens das Gleiche. Ja, wir haben hart gekämpft, und in letzter Minute ist tatsächlich herausgekommen, dass wir die Kürzung abgewendet haben. Auch da ist kein Cent hinzugekommen. Alle reden darüber, wie wichtig die Präventivmaßnahmen gegen Rassismus, gegen Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus in dieser Gesellschaft sind. Für „Demokratie leben!“ ist kein Cent dazugekommen.
Was wir noch viel mehr brauchen, wäre eine Verstetigung. Ich richte diesen Appell auch an die Kolleginnen und Kollegen der Union: Wenn es uns nicht gelingt, in dieser Gemeinschaft endlich mal ein Gesetz zur Verstetigung dieser Mittel hinzukriegen, dann verspielen wir auch das Vertrauen derer, die mit uns gemeinsam für Demokratie kämpfen.
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Dafür brauchen wir eine bundesgesetzliche Grundlage, ein Demokratiefördergesetz. Bitte, bitte, lösen Sie diese Blockade auf!
Kollege Rainer, ich habe in der Zusammenarbeit mit Ihnen die Erfahrung gemacht, dass Sie immer dann aufgeschlossen waren, wenn die sachlichen Argumente gut waren. Hier sind die Argumente gut. Bleiben Sie dabei! Nicht nur Danke schön, sondern weiter so! Wir haben in diesem Bereich noch viel zu tun.
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Mein letzter Punkt betrifft die Kindergrundsicherung. Hier ist etwas in Bewegung gekommen. Am Anfang der Woche kamen die Vorschläge der SPD. Auch wir Grünen haben hier bereits ein Konzept eingebracht; wir reden schon seit Längerem darüber. Ich finde unser Konzept sehr gut. Sie haben ein ähnliches Konzept. Lassen Sie uns darüber streiten, was der bessere Weg ist. Das ist ein guter Streit, weil wir damit nach Wegen suchen, Familien aus Armut rauszuholen, Alleinerziehende zu unterstützen, Kindern etwas Gutes zu tun, eine ehrliche Familienförderpolitik in den Bundestag hineinzutragen. Es muss einfach sein, es muss unbürokratisch sein, es muss die Kinder und Jugendlichen erreichen.
Wie bitter es auch ist: Das Zusammenspiel aus Kinderzuschlag und Bundesteilhabegesetz erfüllt diese Ansprüche nicht.
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Man erreicht viel zu wenige Kinder, viel zu wenige Jugendliche, viel zu wenige Familien in diesem Land.
Aber auch das ist eine Lehre, womöglich sogar aus Ihrer Öffentlichkeitsarbeit, Frau Ministerin. Sie haben dafür keine Unterstützung in der Koalition. Sie und Ihre Partei sind da einsam und allein. Ich vermute sogar, dass Sie das in der GroKo gar nicht hinbekommen werden. Deshalb finde ich, es ist Zeit für einen Wechsel, erst in der Regierung und dann in der Familienförderung. Nur so kommen wir gemeinsam voran.
Danke schön.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist für die Bundesregierung die Frau Bundesministerin Dr. Franziska Giffey.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal will ich mich bei Ihnen bedanken. Trotz der großen Diskussionen und auch der Meinungsunterschiede ist ja eines festzuhalten: Wir haben einen Familienetat, der auf Rekordniveau ist: über 12 Milliarden Euro nach der Bereinigungssitzung. Das ist ein großer Erfolg, und es ist auch Ihnen zu verdanken, dass bei den vielen, vielen Punkten, die wir heute schon angesprochen haben, tatsächlich noch mal Verbesserungen erreicht werden konnten.
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Eines muss man aber auch sehen: Wir haben einen großen Anteil an gesetzlichen Leistungen. Ich will es noch mal sagen: Das Elterngeld, die bekannteste und beliebteste Familienleistung Deutschlands, nimmt allein von den 12 Milliarden Euro über 7,2 Milliarden Euro in Anspruch.
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Es ist richtig, dass wir eine entsprechende Reform vorbereiten, um es noch besser zu machen, um noch mehr Flexibilität, noch mehr Vereinbarkeit hinzubekommen.
Herr Münz, nein, ich finde es nicht unerträglich, wenn man ermöglicht, dass sowohl Mütter als auch Väter gemeinsam Familie und Beruf miteinander vereinbaren können. Da rede ich nicht von Fremdbetreuung, sondern davon, dass wir gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten in Deutschland wollen, die sowohl Vätern als auch Müttern zugutekommen, und dass wir dafür die Voraussetzungen schaffen müssen.
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Wir haben mit dem Starke-Familien-Gesetz in diesem Jahr den Kinderzuschlag verbessert. Wir haben ihn erhöht, und wir arbeiten daran, dass man ihn digital beantragen kann. Wir werden dafür im Frühling einen Vorschlag machen, bei dem noch mal mehr Geld zur Verfügung steht: 869 Millionen Euro gibt es insgesamt für das nächste Jahr. Das bietet die Voraussetzung, Familien mit kleinen Einkommen zu unterstützen, damit sie eben nicht aufgrund ihrer Kinder in Armut fallen.
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Die Freiwilligendienste sind heute schon angesprochen worden: der Bundesfreiwilligendienst, das Freiwillige Ökologische Jahr und das Freiwillige Soziale Jahr. Es ist auch davon gesprochen worden, dass wir die Mittel gegenüber der ursprünglichen Planung wieder erhöht haben, nämlich auf das bisherige Niveau. Es wird nun immer geklagt, dass wir nur beim gleichen Niveau sind. Ich will sagen: Für den Bundesfreiwilligendienst stehen im nächsten Jahr über 207 Millionen Euro, für das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr 120 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist nicht wenig. Wir können damit fast 100 000 jungen Menschen ein Freiwilligenjahr ermöglichen, und wir können eine Basis schaffen, um darüber zu diskutieren, wie wir die Menschen dazu bringen, sich freiwillig und nicht aus Zwang zu engagieren. Das ist, glaube ich, eine gute Basis für das nächste Jahr.
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Die AfD hat den Stellenaufwuchs im Ministerium kritisiert. Ich will dazu sagen: Wir haben hier einen ganz klaren Auftrag, nämlich endlich die Menschen, die jahrelang in befristeten Stellen sind, in unbefristete Stellen zu bringen, wenn sie sachgrundlos befristet beschäftigt sind.
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Und das machen wir, zum Beispiel beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben und beim Fonds Sexueller Missbrauch, der für so viele Tausende Opfer von sexuellem Missbrauch eine so wichtige Aufgabe erfüllt. Ich finde es vollkommen legitim, dass wir die dort Beschäftigten auch in unbefristete Arbeitsverträge bringen.
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Herr Meyer, Sie haben gesagt, der Bund sei für ganz viele Dinge, die wir tun, gar nicht zuständig. Ich sage Ihnen eines – das sage ich an dieser Stelle immer wieder –: Bei der Frage, welchen Weg unsere Kinder in Deutschland gehen, ob sie einen guten Weg gehen können, ob sie es packen – im sprichwörtlichen Sinne –, geht es um eine gemeinsame nationale Zukunftsaufgabe, die nicht nur den Bund, sondern auch die Länder und Kommunen angehen muss.
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Wir übernehmen nicht die Verantwortung, sondern wir unterstützen die Länder und Kommunen dabei, dass sie das machen können; das ist eine gemeinsame Aufgabe.
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Zur Rückgriffsquote beim Unterhaltsvorschuss will ich sagen: Wir haben eine Änderung im Unterhaltsvorschussgesetz vorgenommen, die dafür sorgt, dass Kinder, die in Alleinerziehendenfamilien leben, aus der Armut herausgeholt werden, und das ist gut so. Wir wissen, dass nur 39 Prozent der Eltern, die Unterhalt leisten müssten, zahlungsfähig sind; 61 Prozent sind es nicht. Sollen wir diese Kinder deswegen in der Armut belassen? Nein, das wollen wir nicht. Wir wollen sie unterstützen. In allererster Linie steht das Wohl der Kinder im Vordergrund.
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Dann ist es selbstverständlich, dass wir uns auch um den Rückgriff kümmern. Deswegen gibt es dazu eine Bund-Länder-AG; deswegen sprechen wir mit den Bundesländern, wie sie das Geld von den 39 Prozent, die zahlungsfähig sind, eintreiben können. Das muss auch unsere Aufgabe sein. Das heißt aber nicht, dass ich denen, die Unterstützung brauchen, diese Unterstützung verwehre. Vielmehr ist es gut so, dass der Unterhaltsvorschuss auch für Kinder von 12 bis 18 gewährt wird, so wie es mit der Gesetzesänderung umgesetzt wurde.
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Herr Leutert, Sie haben zu „Demokratie leben!“ gesprochen. Ich kann und will den Satz, den Sie gesagt haben, hier nicht stehen lassen: dass wir „Demokratie leben!“ kaputtmachen. Wir haben ein Programm, das in Europa einzigartig ist. Keine andere Regierung in Europa hat so ein Programm, das mit über 100 Millionen Euro ausgestattet ist. Wir haben nicht nur für das nächste Jahr 115 Millionen Euro gesichert, sondern wir haben mit dem Finanzminister vereinbart, dass es über die nächsten vier Jahre geht.
({11})
Wir reden hier über 460 Millionen Euro, die wir für „Demokratie leben!“ entsprechend einsetzen wollen und werden.
Sie haben von den Kommunen gesprochen. Die Kommunen gehen genau in diese Richtung: mit den 300 Partnerschaften für Demokratie, die wir unterstützen, mit den Landes-Demokratiezentren, die die mobile Ausstiegs- und Opferberatung und die Arbeit gegen rechts unterstützen. Ich kann nicht erkennen, dass wir hier die Arbeit und die Strukturen kaputtmachen. Aber eines kann ich erkennen: Es gab über 1 000 Bewerbungen für dieses Programm. Wir können nicht alle bewilligen. Wir haben ein ganz klares Verfahren, wie wir die Besten auswählen und wie wir ermöglichen, dass auch neue innovative Ideen ausgewählt werden.
({12})
Frau Kollegin, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche.
Ich höre auf.
Nein, Sie brauchen gar nicht aufhören. Ich wollte Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung zulassen.
Nein, danke. Ich würde gern zum Schluss kommen, weil die Zeit drängt.
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– Wir können gern im Nachgang noch mal darüber sprechen.
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Ich würde gern zum Schluss kommen mit ein paar Schlaglichtern dessen, was wir ermöglichen. Die Mehrgenerationenhäuser besser auszustatten, ist ein klares Bekenntnis. Es gibt das Programm „Menschen stärken Menschen“, bei dem wir die Chancenpatenschaften unterstützen. Es gibt die Programme, die wir im Bereich des Kinder- und Jugendplans und im Bereich des Kampfes gegen Gewalt an Frauen fördern. Das sind die Schwerpunkte, die die Bundesregierung hier setzt. Ebenfalls wollen wir Familien bei ihrem Kinderwunsch unterstützen. Deshalb gibt es noch mal mehr Geld für die Kinderwunschbehandlung. Vielleicht als letztes Schlaglicht: Wir haben vor, dass die Familienleistungen in Deutschland noch besser erreichbar werden. Wir wollen sie digitaler machen. Wir werden in diesen Bereich investieren. Das Innovationsbüro Digitales Leben wird dafür arbeiten.
Das alles ermöglichen Sie mit Ihren Entscheidungen, die Sie getroffen haben. Deshalb einen ganz herzlichen Dank für die Unterstützung des Parlaments an dieser Stelle.
({2})
Vielen Dank, Frau Dr. Giffey. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Norbert Müller.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich will zunächst sagen: Frau Ministerin, ich finde es einigermaßen schwach von Ihnen, dass Sie noch nicht einmal in der Lage sind, im Rahmen Ihrer Rede eine Frage oder Bemerkung zuzulassen. Aber das ist Ihr gutes Recht.
({0})
Und weil Sie noch ein bisschen neu hier sind: Selbstverständlich stoppt die Präsidentin auch Ihre Redezeit; die Zeit wäre gar nicht abgezogen worden.
Sie haben gesagt, was Sie alles fördern würden. Über 1 000 Anträge habe es gegeben. Ihr Haus hat mir nach mehrfacher Nachfrage – manchmal muss man lernen, die Fragen so zu stellen, dass man aus Ihrem Haus irgendeine konkrete Antwort bekommt – geantwortet, welche Projekte in Brandenburg – ich komme aus Brandenburg – im Rahmen von „Demokratie leben!“ zur Antragstellung aufgefordert worden sind. Aus den Handlungsbereichen „Kommune“ und „Land“ wurden 100 Prozent derer, die vorher im Beteiligungsverfahren angezeigt worden waren, aufgefordert, einen Antrag zu stellen – 100 Prozent! Aus dem Bereich „Zivilgesellschaft“ sind 35 Interessenbekundungen eingegangen. 2 der Antragsteller wurden aufgefordert, einen Antrag zu stellen; das sind ungefähr 5 Prozent.
Aus all den Bereichen, die Sie gerade aufgezählt haben, haben Sie Projekte abgelehnt. Stichwort „Opferberatung“: „Opferperspektive Anlaufstelle Cottbus“ – Sie wissen, was da los ist –: abgelehnt durch Ihr Haus. Ich lese Ihnen weitere Projekte vor: vom Stadtjugendring Potsdam „Demokratie braucht junge Demokratinnen und Demokraten“: abgelehnt; das Modellprojekt „Vielfalt gestalten – Demokratiebildung im südwestlichen Brandenburg“ – Sie wissen, was da los ist –: abgelehnt;
({1})
„Familien bilden Demokratie – gemeinsam mit Familien demokratische Räume schaffen“: abgelehnt. Für wen sind Sie eigentlich Ministerin? Es macht natürlich „Demokratie leben!“ kaputt, wenn Sie ausgerechnet die Zivilgesellschaft ausbremsen und wenn die Einzigen, die Sie zu Anträgen auffordern, ausgerechnet die sind, die es aus eigener Kasse am besten können, nämlich Kommunen und Land. Was wir brauchen, ist die aktive Zivilgesellschaft. Ich hätte erwartet, dass Sie da tätig werden und diesen demokratischen Projekten den Rücken stärken und nicht den Geldhahn zudrehen.
({2})
Frau Dr. Giffey, wollen Sie antworten?
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Sie haben auch zwei Minuten.
Herr Müller, ich kann es nur noch mal sagen: Wir hatten über 1 000 Modellprojektanträge. Wir können nicht alle fördern; wir fördern aber eine Menge. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Sie werden selbstverständlich darüber Kenntnis erlangen, wenn das Verfahren abgeschlossen ist. Wir können auch im Rahmen des zusätzlich zur Verfügung stehenden Geldes noch zusätzliche Projekte aufnehmen.
Wir haben sehr, sehr viele gute Anträge. Aber ich muss Ihnen auch sagen: Von den über 1 000 Projekten sind eben auch nicht alle förderfähig gewesen. Und wir können nicht einfach ein Projekt weiterfördern, weil es ein gutes Ziel hat. Es muss auch mit einem guten Inhalt untersetzt sein. Es gibt Bewertungskriterien, die dazu führen, dass ein Projekt in der Prioritätenliste vor einem anderen steht. Das ist ein ganz normales Verfahren.
Ich kann Ihnen sagen: Wir werden es Ihnen zur Kenntnis geben, wenn das Verfahren abgeschlossen ist, und wir werden, soweit es möglich ist, Projekte vor Ort unterstützen. Das sind dann auch Projekte der Zivilgesellschaft, die in den Partnerschaften für Demokratie umgesetzt werden. Und wir werden weiter Modellprojekte fördern; so ist es nicht. Aber ein ganz wesentliches Ergebnis der Evaluierung der letzten Förderperiode war, dass es eben auch Sinn macht, Modellprojekte mit einem größeren Volumen zu unterstützen, das heißt nicht zehn kleine, sondern vielleicht lieber drei etwas größere, damit sie Wirkung entfalten können. Das ist in Beteiligung passiert.
Ich glaube, es ist auch wichtig, an dieser Stelle zu sagen, dass die Neuausrichtung des Programms nicht vom Himmel gefallen ist oder am grünen Tisch im Ministerium gestaltet wurde, sondern in einem Beteiligungsverfahren erfolgt ist. Wir haben die Träger gefragt. Wir haben drei große Institute, die das Programm evaluiert haben. Und aus den Evaluierungsergebnissen ist die Neuausrichtung des Programms erarbeitet worden. Ich finde es wichtig, das auch zu berücksichtigen, wenn man kritisiert.
Im Übrigen kann ich nur Frau Deligöz beipflichten: Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, ein Demokratiefördergesetz auf den Weg zu bringen, das eben nicht nur innovative Modellprojektförderung möglich macht, sondern tatsächlich auch gute Projekte verstetigt. Da haben wir noch einen Weg vor uns, und ich freue mich auf Ihre Unterstützung.
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Herzlichen Dank, Frau Ministerin. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Martin Reichardt.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der ersten Lesung des Familienhaushalts sagten Sie, Frau Ministerin: Dieser Haushalt ist ein Haushalt für starke Familien in einem starken Deutschland. – Diese Aussage ist falsch. An einem starken Deutschland haben Sie kein Interesse.
({0})
Die Tatsache, dass in Deutschland jährlich 200 000 Einheimische mehr sterben als geboren werden und damit das deutsche Volk als Souverän des Grundgesetzes überaltert und langfristig verschwindet, wird von Ihnen wissentlich ignoriert.
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Sie haben als Ministerin geschworen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Welcher Schaden an einem Volk kann größer sein als dessen Verschwinden, meine Damen und Herren?
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Anstatt Ihren Eid zu erfüllen und sich darum zu kümmern, dass der Souverän des Grundgesetzes wieder den Mut zu mehr Kindern und zur Familie fasst, arbeitet die Bundesregierung mit politischen Kräften zusammen, die den Klimanotstand zum Zweck der Panikmache in ganz Deutschland und in der Welt schüren.
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Schon allein aus diesem Grund ist dieser Haushalt ein Skandalhaushalt mit der Tendenz zum Eidbruch, meine Damen und Herren.
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Anstatt die grünen Propagandaphrasen vom Klimanotstand zu adaptieren,
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wäre es notwendig, den tatsächlich vorhandenen Geburtennotstand zu erkennen. Statt Klimapanik und unsinniger Energiewende wäre eine familienpolitische Wende in Deutschland notwendig. Unter Anerkennung des Geburtennotstands und damit der demografischen Krise muss eine aktivierende Familienpolitik betrieben werden, die nur wir als AfD seit Jahren fordern – darum sind wir auch hier und so erfolgreich, meine Damen und Herren –,
({6})
eine Familienpolitik, die jungen Menschen eine gesicherte Zukunft und damit Mut gibt, wieder Kinder und Familie zu haben.
In diesem Sinne sind Familien und Kinderarmut endlich wirkungsvoll zu bekämpfen. Auch hierfür tut der vorliegende Haushalt nichts. Die von uns geforderte Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent für Kinderprodukte wäre hier ein erster wichtiger und richtiger Schritt gewesen. Stattdessen verabschiedet die Bundesregierung das feministische Propagandaprojekt einer Mehrwertsteuersenkung für Frauenhygieneprodukte,
({7})
die sich in den Portemonnaies der Frauen und Familien in lächerlich geringer Weise auswirkt, meine Damen und Herren. Das ist ein Hohn!
({8})
Eingeordnet in den Gesamthaushalt, darf der Familienhaushalt als familienfeindlich bezeichnet werden. Wir gestehen ja zu, dass zum Beispiel das Starke-Familien-Gesetz Familien in geringem Umfang entlastet. Wir wissen aber doch alle, dass diese Entlastungen von den gewaltigen Mehrbelastungen aus dem sogenannten Klimapaket weit übertroffen werden.
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Es seien hier nur die zu erwartenden Steigerungen bei Strompreisen, Kraftstoffpreisen, Mieten, Kfz-Steuer und Preisen für Dienstleistungen genannt. All diese Steigerungen treffen am stärksten Familien mit mehreren Kindern und Familien mit geringem Einkommen. Wir können daher hier Folgendes konstatieren: Das Klimapaket ist genau wie die Bundesregierung und insbesondere die SPD familienfeindlich und sozial nicht verträglich, meine Damen und Herren.
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Aber dieser Haushalt ist nicht nur in großen Teilen familienfeindlich, er ist auch im Kleinen ideologisch und undurchdacht. So geben Sie 500 Millionen Euro für Ganztagsbetreuung aus, obwohl Sie wissen, dass das dafür notwendige Personal überhaupt nicht zur Verfügung steht. Gleiches gilt auch für die Verbesserung der Betreuungsqualität im Rahmen des Gute-KiTa-Gesetzes.
({11})
Zu Ihrer Erhellung möchte ich Ihnen mitteilen: Dieser Personalmangel liegt – wie auch der Fachkräftemangel – genau daran, dass durch die demografische Krise eben nicht mehr genügend junge Menschen in Deutschland vorhanden sind; Minister Spahn hat das vorhin übrigens auch in seinem Vortrag zugegeben.
({12})
Eine Gewinnung von Personal aber, meine Damen und Herren, aus einer unkontrollierten Masseneinwanderung und aus allen Teilen der Welt wird Ihnen für diese hochqualifizierten Aufgaben eben nicht gelingen. Das gelingt Ihnen schon seit Jahren nicht.
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Schön ist aber, dass die Befragungen der Shell-Studie zeigen, dass Ihre ideologischen Gesellschaftsexperimente scheitern. 54 Prozent der Jugendlichen wünschen sich in der Tat eine Familie mit Kindern, in der der Vater arbeitet und die Mutter teilzeitbeschäftigt ist oder zu Hause bleibt.
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Dieses im Interesse von Familien durchaus positive Ergebnis würdigen Sie als „Retraditionalisierung“ herab.
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Vermutlich ist die Folge davon, dass im nächsten Haushalt weitere Propagandamillionen für Ihre ideologischen Projekte zur Verfügung gestellt werden müssen.
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Meine Damen und Herren, eins wollen wir hier klarstellen: Wir als AfD-Fraktion sind dafür, dass sich Menschen frei entscheiden und selbstbestimmt leben.
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Wenn eine Frau Ingenieur werden will, dann soll sie Ingenieur werden. Wenn ein Mann Erzieher werden will, dann soll er Erzieher werden.
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Wir lehnen es aber entschieden ab, dass diese Regierung Frauen in sogenannte Männerberufe und Männer in sogenannte Frauenberufe mit Propagandageld hineinerziehen will. Das hat mit einem freiheitlichen Menschenbild nichts zu tun, meine Damen und Herren.
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Frau Ministerin, folgen Sie Ihrem Eid. Sie haben leider aus Ihrem Ministerium in der Vergangenheit einen linksgrün dominierten Ideologiezirkus werden lassen, der sich mit gendergerechter Umerziehung von Frauen und Männern, diskriminierenden Frauenquoten und allerlei feministischen Irrlehren beschäftigt.
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Denken Sie an Ihre Redezeit, Herr Kollege.
Frau Ministerin, ich bitte Sie hier in Ihrer von mir tatsächlich hochgeschätzten Eigenschaft als Frau und Mutter, die Sie ja sind: Setzen Sie sich dafür ein, dass die Abermilliarden, die in das Klimapaket und in die Massenmigration geflossen sind, in den Familienhaushalt fließen.
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Dann hätten wir die Möglichkeit, endlich eine Familienpolitik zu machen, die zu einem starken Deutschland führt.
Herr Kollege, Sie sind deutlich drüber!
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank, Martin Reichardt. – Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Nadine Schön.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Also, ich erspare mir jeglichen Kommentar zum Vorredner.
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Mit der Überschrift „Von gestern“ ist, glaube ich, alles gesagt, und jeder hier im Saal wird sich seine eigene Meinung dazu bilden können.
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Wir haben in den Haushaltsverhandlungen im Parlament dafür gesorgt, dass der Familienhaushalt auf mittlerweile über 12 Milliarden Euro angewachsen ist.
({2})
Das ist wirklich ein gemeinsamer Erfolg dieser Koalition; das freut uns sehr. Daran sieht man, dass die Familienpolitik, dass die Ehrenamtspolitik ein gemeinsamer Schwerpunkt der schwarz-roten Bundesregierung sind.
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Ich will aus den vielen, vielen Maßnahmen, die wir mit diesen 12 Milliarden Euro unterstützen, fördern und finanzieren, gern drei Punkte herausgreifen, die mir besonders wichtig sind: Das sind zum Ersten die Stärkung des Ehrenamts, zum Zweiten die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zum Dritten die gemeinsamen Kraftanstrengungen im Bereich des Opferschutzes. Weil wir gerade in dieser Woche den Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen gehabt haben – am vergangenen Montag – und sich ganz viele Kollegen an der Kampagne beteiligt haben, will ich dazu zuerst ein paar Worte sagen.
Es ist eine unfassbare Zahl – mich persönlich erschreckt sie immer wieder –, dass im Prinzip jeden dritten Tag eine Frau an den Folgen von Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner stirbt – eine unvorstellbare Zahl. Diesen Tötungsdelikten geht ja oft schon eine lange Leidensgeschichte voraus, eine lange Leidensgeschichte mit physischen, aber eben auch psychischen Folgen für die betroffene Frau und ganz oft eben auch für die betroffenen Kinder, die die Gewalt entweder mitansehen müssen oder selbst Gewalt erfahren. Deshalb ist es wichtig, dass wir einen Schwerpunkt darauf setzen, diese Gewalt zu bekämpfen. Zum einen mit dem Hilfetelefon gegen Gewalt an Frauen, das wir seit vielen Jahren haben und das wirklich sehr gute Arbeit leistet. Aber damit nicht genug. Zum anderen haben wir gerade in der letzten Sitzungswoche ein Gesetz verabschiedet, dass die anonyme Beweissicherung zur Kassenleistung macht; auch das ist sehr wichtig. Wir haben in der vorletzten Sitzungswoche ein Gesetz verabschiedet, das es möglich macht, dass überall im Land Traumaambulanzen entstehen können, wo den betroffenen Frauen schnell und niedrigschwellig geholfen wird. Wir haben die Kampagne „Stärker als Gewalt“ des Bundesfamilienministeriums. Es ist gut, dass sich so viele beteiligt haben. Da hätte ich mir auch mal Engagement von allen Seiten dieses Hauses gewünscht.
({4})
Mit diesem Haushalt steigen wir zum ersten Mal in die Förderung von Frauenhäusern ein, nämlich mit 30 Millionen Euro in diesem Jahr und jeweils auch in den Folgejahren. Dabei unterstützen wir Länder und Kommunen dabei, mehr Plätze zu schaffen und neue Angebote zu machen. An der Stelle muss ich allerdings in Richtung Ministerin sagen: Ja, es stimmt, dass es wichtig wäre, dass jede Frau einen Platz hat, dass es einen Anspruch auf einen Platz gibt. Jede Frau, die Schutz und Hilfe sucht, muss die Möglichkeit haben, einen Platz im Frauenhaus zu bekommen. Aber ich finde, als Bundespolitiker reicht es nicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen und den Ländern und Kommunen zu Recht vorzuhalten, dass sie da Nachbesserungsbedarf haben. Ich finde, wir haben in unserem eigenen Bereich genug eigene Anknüpfungspunkte, mit denen wir Frauen und Kindern, die Opfer von Gewalt sind, die von sexuellem Missbrauch bedroht sind oder diesen erlitten haben, helfen können. Ich will nur zwei Beispiele erwähnen, wo ganz dringender Handlungsbedarf herrscht.
Da ist zum einen das Thema Jugendmedienschutz. Jeden Tag findet im Netz sexueller Missbrauch statt. Jeden Tag sind Kinder und Jugendliche im Internet betroffen von Gewalt, von Straftaten, von Anbahnungen, von Cybergrooming und all dem, was wir tagtäglich erleben. Deshalb ist es wichtig, dass der Jugendmedienschutz endlich mal ins 21. Jahrhundert gehoben wird. Er stammt noch aus Zeiten von DVD und Diskette. Wir haben aber mittlerweile Onlinegames, wir haben Messengerdienste und vieles mehr. Deshalb reicht es nicht, immer wieder anzukündigen, dass der Jugendmedienschutz novelliert wird. Wir haben jetzt 2019; es liegt leider immer noch kein Referentenentwurf vor. Wir müssen dringend die Reform anstoßen, damit wir sie abschließen können, damit die neuen Schutzmechanismen greifen können; denn jeder Tag ohne zeitgemäßen Jugendschutz ist einer zu viel. Jeden Tag gibt es neue Vorkommnisse. Das können wir unseren Kindern und Jugendlichen nicht länger zumuten.
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Das zweite Beispiel ist der Bereich Peer-to-Peer-Gewalt. Wir haben im Rahmen unseres großen Maßnahmenpakets, das wir als Unionsfraktion zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch vorgelegt haben, festgestellt, dass es gerade im Bereich der Gleichaltrigen wenig Präventionsangebote gibt. Das besagt im Übrigen auch die Jugendstrategie der Bundesregierung. Auch hier wird festgestellt, dass es an derartigen Präventionsangeboten fehlt.
Leider ist nicht das geschehen, was wir verabredet haben, nämlich dass das Bundesfamilienministerium im Haushalt Gelder dafür einstellt. Deshalb bedanke ich mich wirklich ganz herzlich bei den Haushältern, die im Rahmen der Beratungen für den Bereich Peer-to-Peer-Gewalt 3,4 Millionen Euro eingestellt haben, damit in diesem Bereich erprobt werden kann, was getan werden kann, damit es Onlinekurse, Schulungen gibt, damit die Fachberatungsstellen auch in diesem Bereich ihr Wissen auf den aktuellen Stand bringen können und ganz konkret beratend tätig werden können. Das ist wichtig, und deshalb ein herzliches Dankeschön an die Haushälter.
({6})
Es gibt aber auch viele Themen, die wir gemeinsam vorangebracht haben. Da bin ich beim Thema Ehrenamtsförderung. Ich bin stolz darauf, dass wir im Rahmen der Haushaltsberatungen die Absenkungen, die von der Bundesregierung im Bereich der Freiwilligendienste vorgenommen worden sind, wieder korrigieren konnten. Wir haben entsetzte Briefe von den Trägern bekommen, in denen sie gesagt haben: Das könnt ihr doch nicht machen! Warum kürzt das Bundesfamilienministerium den Ansatz vom letzten Jahr? – Ich bin dankbar, dass wir die Mittel angehoben haben und vor allem dass wir den Trägern jetzt Planungssicherheit geben, Planungssicherheit für die nächsten Jahre. Frau Deligöz, wenn Sie sagen: „Das ist nicht genug. Wir müssen noch mehr draufsatteln“, entgegne ich Ihnen: Den Trägern ist es wichtiger, Planungssicherheit zu haben, als jedes Jahr einen Mittelaufwuchs zu haben.
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Genau dafür haben wir gesorgt, und auch hier ein herzliches Dankeschön an die Haushälter.
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Das Gleiche gilt für das Programm „Menschen stärken Menschen“. Auch hier gab es entsetzte Briefe, weil die Leute gesagt haben: Wir haben uns vor Ort gerade was aufgebaut. Wir haben ein tolles Projekt gemacht, das Menschen zusammenbringt. Jetzt kürzt ihr die Gelder von 18 auf 8 Millionen Euro. – Auch das haben wir gemeinsam in der Großen Koalition korrigiert.
Es ist gut, dass wieder 18 Millionen Euro zur Verfügung stehen. 10 000 Euro wird künftig jedes Mehrgenerationenhaus bekommen.
Wir bringen gemeinsam die Ehrenamtsstiftung voran, die im Bundesfamilienministerium vorbereitet worden ist und jetzt eine gemeinsame Aktion der drei Häuser BMEL, BMI und BMFSFJ ist. Auch hier unterstützen wir das Ehrenamt. Das ist ein ganz wichtiger Baustein für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
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Als letzten Punkt will ich die klassische Familienpolitik erwähnen. Wir haben – das hat die Ministerin gesagt – einen deutlichen Schwerpunkt gesetzt: Wir entlasten Familien mit dem Starke-Familien-Gesetz enorm. Das Gute-KiTa-Gesetz wirkt ab diesem Jahr. Und wir gehen nun auch das Thema „Nachmittagsbetreuung in den Grundschulen“ an. 2 Milliarden Euro stehen dafür in den nächsten beiden Jahren zur Verfügung. Daran zeigt sich: Für die Große Koalition stehen Familien im Mittelpunkt ihrer Politik. Das machen wir gemeinsam, und darauf bin ich stolz.
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Vielen Dank, Nadine Schön. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Grigorios Aggelidis.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie, Frau Ministerin, haben heute zum dritten Mal zum Haushalt gesprochen. Gerad wenn ich mir anhöre, was Sie zum Kinderzuschlag und zum Elterngeld gesagt haben, muss ich Ihnen leider gestehen: Das hört sich für mich an wie eine Sammlung aus Slapstick, Eigenlob und Versprechungen. Es gibt Menschen, die machen, was möglich ist. Und es gibt Menschen, die zwar in der Position sind, das zu tun, aber stattdessen lieber über das philosophieren, was sie in der nächsten Legislatur machen könnten.
({0})
Für mich ist daher Ihre Politik in diesen Bereichen ein Stück weit zynisch und verhöhnend. Drei Beispiele will ich Ihnen dazu nennen, gerade weil Sie das angesprochen haben.
Erstens: Elterngeld. Die Reform ist seit Ende 2017 überfällig. Die Themen sind Insolvenzgeld, Frühchen und beim Engagement von Vätern die Reform der Zeitkorridore. Das haben Sie versprochen, das hat die SPD versprochen. Unseren Antrag haben Sie abgelehnt, ohne bis heute einen eigenen vorzulegen. Stattdessen haben Sie für Ende 2019 einen Entwurf avisiert; da läuft der Countdown über drei Wochen. Der soll allerdings gemäß Ihrer eigenen Aussage erst 2021 wirken, im Jahr der Bundestagswahl.
({1})
Bis dahin lassen Sie Familien hängen – aus parteipolitischem Kalkül, sage ich dazu nur. Das ist für mich zynisch und verhöhnend.
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Zweitens: sinnvolle und faire Freibeträge für Jugendliche, die eigenes Geld verdienen und die in einkommensschwache Familien geboren wurden. Unsere Anträge dazu – wir hatten mehrere vorgelegt – haben Sie abgelehnt. Bis heute haben Sie als Koalition keinen eigenen vorgelegt. Stattdessen versprechen Sie als SPD-Politikerin diesen jungen Menschen höhere Transferleistungen und Freibeträge für die nächste Legislaturperiode. Das heißt, Sie lassen auch diese jungen Menschen hängen und bestrafen sie für den Umstand, in was für eine Familie sie hineingeboren wurden – und das aus meiner Sicht aus parteipolitischem Kalkül. Auch das nenne ich zynisch und verhöhnend.
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Drittens: endlich einen einfachen Zugang zu Leistungen für Familien und Kinder; gerade beim Thema Kinderzuschlag haben wir hier oft genug darüber gesprochen. Bildungs- und Teilhabepaket: Sie wollten mit dem Kinderzuschlag 35 Prozent der Familien erreichen. Dafür haben Sie im Haushalt für dieses Jahr 580 Millionen Euro eingestellt. Wir haben Ihnen damals schon gesagt: Die Hauptaufgabe muss sein, erst mal alle zu erreichen, die einen Anspruch darauf haben. Schauen wir uns die Zahlen an: Bis Ende August 2019 sind gerade mal 280 Millionen Euro abgerufen worden. Das bedeutet: Selbst dieses niedrig gesetzte Ziel, dieses tief gehaltene Stöckchen von 35 Prozent erreichen Sie nicht.
({4})
Wir wissen heute schon, dass Hunderttausende Familien und Kinder eben nicht die Hilfe bekommen, auf die sie einen Anspruch haben und die sie auch brauchen; denn Sie reformieren eben nicht das System, damit die Hilfen endlich ankommen. Stattdessen agieren Sie parteipolitisch, indem Sie einfach nur Mittel erhöhen.
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Von der SPD höre ich: Die Lösungen scheitern an der CDU/CSU. – Ich sage Ihnen: Bei diesen Punkten haben Sie in diesem Parlament eine Mehrheit.
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Machen Sie einfach nur mit. Zu dem, was Sie hier machen, passt sehr gut das Sprichwort „Rede ohne Nutzen, Wechsel ohne Fortschritt“ oder, in Ihrer Diktion, „das Gerade-noch-Koalitionserhaltungsgesetz“ oder „die SPD-Überlebensinitiativen“.
({7})
Was Sie als Familienministerin hier machen – gerade nach der Pressekonferenz, die Sie abgehalten haben –, ist Arbeitsverweigerung zulasten der Familien, um ihnen dann als SPD-Politikerin Verbesserungen in der nächsten Legislatur zu versprechen. Deswegen nenne ich das zynisch und verhöhnend.
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Es ist ja schön, wenn Sie Elemente unserer liberalen Konzepte übernehmen; aber dann machen Sie es doch bitte richtig. Stimmen Sie vor allem unseren Anträgen zu, die sofort Kindern und Familien helfen und nicht erst 2021. Wenn Sie Familien wirklich helfen wollen, wenn Sie wirklich wollen, dass es, so wie Sie es sagen, jedes Kind packt, dann folgen Sie unseren Lösungen. Sie hätten schon in dieser Legislatur den Schwerpunkt auf Bildung, Chancen und Perspektiven legen und dafür sorgen können, dass der Kinderzuschlag und die einkommensabhängigen Zahlungen automatisch und gebündelt aus einer Hand gezahlt werden können. Machen Sie doch einfach mit.
Wir haben Vorschläge für Freibeträge für Jugendliche vorgelegt, um diese zu motivieren und zu belohnen: 300 Euro im Monat plus 1 500 Euro pro Jahr. Das haben Sie abgelehnt. Machen Sie mit. Nehmen Sie es an.
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Flexibilisieren Sie die Arbeitszeitkorridore beim Elterngeld und bei den Partnerschaftsmonaten. Das ist besser für Paare und Alleinerziehende. Machen Sie es endlich mit. Geben Sie den Familien mehr Spielraum; auch das ist besser für die Familien.
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Kommen Sie bitte zum Schluss.
Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Stimmen Sie unseren Anträgen zu, machen Sie endlich Ernst. Wir Freien Demokraten packen es an für Familien und Kinder. Wir warten darauf, dass diese Regierung das auch endlich tut.
Danke schön.
({0})
Vielen Dank, Kollege Aggelidis. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Katrin Werner.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der große Wurf zur Verbesserung der Situation von Familien und zur Bekämpfung von Kinderarmut bleibt leider auch in diesem Jahr aus. Stattdessen mussten sich die Verbände und Initiativen sogar gegen drastische Mittelkürzungen in verschiedenen Bereichen wehren; das wurde hier mehrfach erwähnt. Das Schlimmste konnte verhindert werden; aber von einem Aufbruch kann eben keine Rede sein.
Es ist gut, dass der Etat vom Familienministerium auf etwa 12 Milliarden Euro gewachsen ist. Das ist mehr als im letzten Jahr.
({0})
Aber wissen Sie: Der Verteidigungshaushalt umfasst circa 45 Milliarden Euro. Das ist fast das Vierfache, und es ist auch da ein Höchstwert. Wir Linke finden, es hätte viel mehr Geld bedurft für Familien und Kinder.
({1})
Es ist auch gut, dass die Mittel für das Elterngeld erhöht wurden; aber das reicht eben nicht. Gerade Familien mit geringem oder ohne Einkommen profitieren nicht davon. Seit der Einführung des Elterngeldes 2007 ist der Mindestbetrag nicht mehr erhöht worden. Seit 13 Jahren liegt er unverändert bei 300 Euro pro Monat. Doch seitdem sind die Preise gestiegen. Eine Erhöhung des Mindestsatzes beim Elterngeld und eine Dynamisierung mit der Inflationsrate sind längst überfällig.
({2})
Das wäre gerecht und würde Familien, die es benötigen, spürbar entlasten.
Leider wird auch dieser Haushalt nichts Grundsätzliches am wachsenden Problem der Kinderarmut in Deutschland ändern. 2,4 Millionen Kinder und Jugendliche sind von Armut bedroht, wie das Statistische Bundesamt letzte Woche mitteilte. Der Deutsche Kinderschutzbund spricht sogar von 4 Millionen Kindern. Besonders betroffen sind Alleinerziehende. Es ist an der Zeit, dass endlich alle Kinder in Deutschland wirksam vor Armut geschützt werden.
({3})
Wir brauchen endlich die Kindergrundsicherung. Ein erster Schritt, Frau Giffey, wäre eine deutliche Anhebung des Kindergeldes auf 328 Euro. Sorgen Sie dafür, dass dieses Geld bei den Kindern ankommt.
({4})
Es fließt kein einziger Euro mehr in das Programm „Demokratie leben!“ – das wurde schon angesprochen; gerade in der heutigen Zeit wäre das wichtig – und damit kein einziger Euro mehr für Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und für Demokratie und Vielfalt einsetzen.
({5})
Mein Kollege Michael Leutert hat das schon ausführlich thematisiert. Vielleicht eines noch dazu: Wir brauchen mehr Unterstützung für Demokratieprojekte. Wir brauchen mehr Geld, Frau Giffey. Natürlich brauchen wir ein sinnvolles Demokratiefördergesetz; aber man darf sich dahinter nicht verstecken.
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Und wenn nun die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes um ihre Existenz kämpfen muss, wenn Überlebende der Shoah für ihre Organisation kämpfen müssen, dann ist das, ehrlich gesagt, eine Schande.
({7})
Reden Sie endlich mit Finanzminister Scholz. Es muss dringend eine Änderung des Gemeinnützigkeitsrechtes geben. Wenn Antifaschismus nicht gemeinnützig ist, was dann?
({8})
Und wie es die Tage schon geschrieben wurde: Das Haus brennt, und Sie sperren die Feuerwehr aus. – Ändern Sie endlich etwas daran.
({9})
Im Bereich Bürgerschaftliches Engagement mussten Verbände und Initiativen kämpfen.
({10})
Frau Giffey, es war wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Jedes Jahr stehen Verbände bei uns auf der Matte, um bereits getätigte Kürzungen zu verhindern. Der Haushaltsausschuss nimmt diese Kürzungen dann zurück, und Freiwilligendienste können wieder auf Gelder auf dem Niveau von 2019 zurückgreifen. Programme wie „Menschen stärken Menschen“ sind gerettet. Aber, Frau Giffey, ganz ehrlich, es ist auch Anerkennung und Unterstützung, wenn man ihnen keine Steine in den Weg legt und es ihnen erspart, sich jedes Mal gegen diese Mittelkürzungen einzusetzen.
({11})
Denken Sie an die Redezeit.
Zum Abschluss. Natürlich freuen wir uns, dass Sie mehr Mittel für Koordinierungs- und Monitoringmaßnahmen zur Verfügung stellen, um die Istanbul-Konvention umzusetzen. Es gibt gute Ansätze in dem Haushalt; aber die Maßnahmen bei den großen Themen wie der Bekämpfung von Familienarmut und für Demokratie reichen uns nicht aus.
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank, Katrin Werner. – Nächste Rednerin: für Bündnis 90/Die Grünen Katja Dörner.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nachdem sich Herr Reichardt hier so echauffiert hat, möchte ich mal ganz nüchtern zu Protokoll geben, dass in diesen Haushaltsberatungen die AfD-Fraktion keinen einzigen Euro, null Euro, beispielsweise zur Erhöhung des Kindergeldes beantragt hat, um die Situation der Kinder und Familien in diesem Land zu verbessern.
({0})
Diese nüchterne Betrachtung zeigt doch, was wir hier alle und insbesondere die Menschen, die uns hier zuhören, von dem Getöse der AfD zu halten haben.
({1})
– Nein, Sie haben das nicht beantragt, insofern haben wir auch nichts abgelehnt. Das ist ganz großer Humbug.
Ich komme zu den wichtigen Themen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Montag war der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Im Jahr 2018 wurden in Deutschland 122 Frauen durch Partnerschaftsgewalt getötet. Jeden dritten Tag kommt in Deutschland eine Frau durch ihren Ehemann, ihren Freund oder ihren Ex-Lebenspartner zu Tode.
({2})
Das ist ein unerträglicher Zustand. Es ist mir wirklich unbegreiflich, liebe Kolleginnen und Kollegen, warum wir immer noch darüber diskutieren, wie wir es endlich schaffen, ausreichend Plätze in Frauenhäusern in unserem Land zu schaffen.
({3})
Die Bundesrepublik hat die Istanbul-Konvention ratifiziert, und damit sind wir als Bund verpflichtet, rund 21 000 Schutzplätze für Frauen vorzuhalten. Nach aktuellem Stand gibt es bundesweit ungefähr 6 700. Das bedeutet – ich finde, das ist eine extrem krasse Zahl –: Rund 14 600 Schutzplätze fehlen. Dieser eklatante Mangel, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, kann für die betroffenen Frauen lebensgefährliche Konsequenzen haben. Deshalb verstehe ich nicht, warum diese Bundesregierung nicht endlich konsequent handelt.
({4})
Investitionen in bauliche Veränderungen – Stichwort: Barrierefreiheit – sind natürlich gut; das ist gar keine Frage. Aber was wir im Kern brauchen, ist die Sicherheit, dass jede Frau in einer Notsituation die Möglichkeit hat, einen Platz im Frauenhaus zu bekommen. Deshalb schlagen wir als Grüne einen Rechtsanspruch vor, und zwar einen Rechtsanspruch, der so gestaltet ist, dass er tatsächlich ausnahmslos für alle Frauen gilt. Nach den vielen Jahren der weitgehend ergebnislosen Diskussionen, auch mit den Bundesländern, müssen wir jetzt diesen Schritt machen und diesen Rechtsanspruch etablieren.
({5})
Ich habe mich gefreut, dass auch Sie, Frau Giffey, sich am Montag für einen Rechtsanspruch ausgesprochen haben. Wir werden in der nächsten Sitzungswoche hier einen konkreten Vorschlag auf den Tisch legen. Ich finde, das sind wir den betroffenen Frauen schuldig. Wir müssen endlich Nägel mit Köpfen machen.
({6})
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Ministerin hat dieses Jahr viele Reisen durchs Land unternommen und schöne Fotos davon gemacht, wie sie Verträge in den Bundesländern unterschreibt. Das hatte sicherlich einen Mehrwert für die Publicity der Ministerin;
({7})
für die Qualität der Kitas hatte das aber nur einen sehr eingeschränkten Mehrwert. Darum sollte es aber eigentlich gehen. Das sogenannte Gute-KiTa-Gesetz hat ganz klar sein Ziel verfehlt. Es ist eben nicht gelungen, Qualitätsmindeststandards in Form eines festen Personalschlüssels zu verankern. Faktisch kommt jetzt sogar rund ein Drittel der Bundesgelder in der Beitragsfreiheit an, und das ist aus unserer Sicht eben die ganz falsche Prioritätensetzung.
({8})
Und wie es mit den Bundesmitteln nach 2022 weitergeht, ist eben auch unklar. Da gibt es wohl vage Zusagen des Finanzministers, aber es gibt eben nichts schwarz auf weiß, und das ist aus unserer Sicht in einem für die Kinder und die Familien so wichtigen Bereich wirklich inakzeptabel. Dieses sogenannte Gute-KiTa-Gesetz war erneut ein Beitrag aus dem Hause Giffey, in dem eben nicht drin ist, was draufsteht, und das macht mich leider nicht sehr optimistisch für die Vorhaben, die für die nächsten Jahre anstehen.
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Auf zwei Vorhaben will ich noch kurz eingehen. Das ist zum einen der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. Dafür ist jetzt eine kümmerliche Milliarde im Haushalt etatisiert. Das kann bestenfalls ein Anfang sein. Es besorgt mich aber noch viel mehr, dass für die notwendige Verankerung im SGB VIII immer noch kein konkretes Konzept vorliegt. Für uns Grüne ist ganz klar, dass der Ganztag eine hohe pädagogische Qualität braucht und dass das eben nur mit Mindeststandards im SGB VIII geleistet werden kann.
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Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, gucke ich mit Schrecken auf den Referentenentwurf zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz, den wir seit gestern kennen. Wie kann man es nur schaffen, nach so langer, mehrjähriger Diskussion eine Formulierung vorzulegen, die so gar keinen Mehrwert für die Kinder hat,
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die sogar hinter der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückbleibt?
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich bin froh, dass sich die grünen Familienminister in den Ländern klar geäußert haben, dass so etwas für uns nicht zustimmungsfähig ist.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Auch für unsere Bundestagsfraktion kann ich das sagen: Hier muss dringend nachgebessert werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Katja Dörner. – Nächster Redner in der Debatte: Sönke Rix für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich will auf ein paar Punkte in der Debatte eingehen. Der erste Punkt, zu dem ich etwas sagen will, ist das Thema Freiwilligendienste bzw. die Überlegungen zu Pflichtdiensten. – Marcus Weinberg wedelt schon mit dem Finger.
Ich möchte heute den Gesundheitsminister loben. Er sitzt leider nicht mehr auf der Regierungsbank, hat aber vorhin etwas Wesentliches über Menschen gesagt, die in der Pflege tätig sind. Und zwar hat er gesagt: Die Menschen, die dort tätig sind, sollen das aus Überzeugung und mit Herz tun. Deshalb sollte man diese Menschen nicht einfach umschulen und dazu verpflichten, in diesen Bereichen tätig zu sein.
Das gilt auch für Menschen, die Freiwilligendienste leisten. Deshalb lehnen wir einen Pflichtdienst ab. Freiwilligendienste sollen freiwillig übernommen werden. Das soll von Herzen kommen und soll mit Pflicht nichts zu tun haben. Deshalb, lieber Koalitionspartner: Lasst diese Überlegungen bleiben! Wenn ich schon höre, dass das über 10 Milliarden Euro kosten könnte, sage ich: Das Geld ist anderswo viel sinnvoller verwendet.
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Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist die Frage der Zuständigkeiten. Sie hatten das in Ihrem Redebeitrag mehrfach gesagt. Es ist ja okay, dass man darüber redet, ob man zuständig ist oder nicht. Sagen Sie das aber bitte auch Ihren Landesministern, die ständig nach Geld vom Bund rufen. Heiner Garg in Schleswig-Holstein freut sich über das Geld, das wir für Kitas zur Verfügung stellen, obwohl wir gar nicht dafür zuständig sind. Diese Doppelzüngigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, sollten Sie nicht weiter kultivieren.
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Das Gleiche gilt für das Starke-Familien-Gesetz. Sie können das zynisch nennen, aber wir helfen damit 2 bis 4 Millionen Kindern.
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– Natürlich kommt es an. Natürlich kommen die Erhöhung des Kinderzuschlags und die Verbesserungen beim Bildungs- und Teilhabepaket bei den Kindern an. Das ist nicht zynisch; das ist ein wesentlicher und ein guter Schritt, um Familien zu stärken.
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Und zur Frage der Kitas sage ich, liebe Katja Dörner: Zwei Drittel der Mittel gehen in die Qualität. Hier jetzt so zu tun, als ob das Geld gar nicht in die Qualität fließen würde, geht nicht.
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Übrigens: In einem Land, in dem die Grünen an der Regierung beteiligt sind, in Rheinland-Pfalz, geht das Geld in Beitragssenkungen. Auch hier stelle ich die Frage nach der Doppelzüngigkeit. Sie sollten im Land nicht anders handeln, als Sie hier reden. Auch Grüne sind beteiligt, wenn es um Beitragssenkungen geht.
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Meine Damen und Herren, wir haben einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der sozial ist und die Demokratie fördert. Wir leisten viel: beim Elterngeld, beim Familienzuschlag, beim Kinderzuschlag, beim Unterhaltsvorschuss. Wir leisten etwas, um zum sozialen Ausgleich in diesem Land beizutragen. Wir leisten auch etwas für Demokratie.
Natürlich ist es bei der Umstellung von einem Programm zum anderen Programm – Stichwort „Demokratie leben!“ – auch zu Fehlern gekommen. Aber hierbei irgendwie von einer Katastrophe zu sprechen, ist, finde ich, ein Unding, vor allem gegenüber denjenigen, die sich vor Ort in Demokratieprojekten engagieren. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nie katastrophal, wenn Menschen sich für die Demokratie engagieren, und es ist nie katastrophal, wenn wir dafür Geld in die Hand nehmen.
Danke schön.
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Vielen herzlichen Dank, Sönke Rix. – Nächster Redner: Marcus Weinberg für die CDU/CSU-Fraktion.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Es ist ja eine schöne Tradition, dass wir nach den Haushaltsberatungen immer zwei Dinge feststellen: Alois Rainer bekommt bekanntermaßen – zu Recht – viel Lob von den weiblichen Haushaltspolitikerinnen der SPD. Das ist sehr auffällig. Und wir haben natürlich wieder einen Haushalt – für mich persönlich ist es der 14. –, mit dem wir die Familienpolitik stärken, und zwar nicht nur, weil wir mehr Geld für Familien in die Hand nehmen, sondern weil wir auch die Leistungen, das, was wir für Familien machen, besser strukturiert und zielgenauer einsetzen.
Ich will am Anfang meiner Rede gern den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble zitieren, der sich in seiner Antrittsrede Gedanken darüber gemacht hat, was die Aufgabe des Parlamentes ist: Das Parlament, der Deutsche Bundestag, muss bündeln, fokussieren und sich konzentrieren auf die wichtigen Fragen unserer gesellschaftlichen Zukunft.
Es stellt sich natürlich die Frage, was die wichtigsten Fragen der Zukunft sind. Eine der wichtigsten Fragen, wenn nicht sogar die wichtigste Frage in diesen Zeiten, betrifft den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Spaltung zwischen Jung und Alt, Land und Stadt, zwischen Wohlhabenden und weniger Wohlhabenden, Alteingesessenen und neu Zugezogenen sowie den politisch Linken und Rechten. Diese Spaltung schwächt unsere Gesellschaft, und die Spalter gefährden unsere Gesellschaft.
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Deswegen ist es unsere Aufgabe, hier im Parlament den Zusammenhalt wieder zu stärken, das Zusammenwachsen dieser Gesellschaft zu fördern; denn wir wollen eine demokratische Gesellschaft sein, die Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit lebt. Es geht also um das Zusammenwachsen der verschiedenen Teile der Gesellschaft, und zwar auch mit Blick auf das, was wir in den nächsten Jahren erreichen wollen. Um das zu erreichen, muss man sich auf Werte verlassen können. Respekt, Toleranz, Verantwortung, Vertrauen müssen gerade in der Familienpolitik wieder in den Fokus gerückt werden.
Unsere Familienpolitik – das darf ich für die Union sagen – wird getragen von diesen Werten. Denn wir wissen: Eine starke Familie bedeutet auch, dass wir den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. Insofern bedeutet dieser Haushalt, den wir jetzt gemeinsam mit dem Koalitionspartner vorlegen, eine Stärkung des Zusammenhaltes, und das ist uns als Union wichtig.
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Nun können wir lange über Summen diskutieren. Was sind 12,1 Milliarden Euro? Wie kann man das denn greifen? Mir geht es gar nicht so sehr um die Summe. Sie ist wieder mal gewachsen. Mir geht es um die Betrachtung der letzten Jahre. Diese Summe ist fast dreimal so hoch wie noch 2005, als wir den Regierungsantritt von Frau Merkel hatten. Ich will an dieser Stelle fünf Teilbereiche ansprechen.
Der erste Teilbereich ist die Förderung der Familie mit Blick auf die finanziellen Möglichkeiten. Ein Großteil des Geldes entfällt auf die Förderung der Familie: Elterngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss. Ich könnte viele einzelne Maßnahmen benennen. Jede einzelne Maßnahme ist gut begründet. Der Unterhaltsvorschuss ist speziell für eine Gruppe gedacht, die – in dem Fall muss man sagen: leider – auf den Unterhalt ihres Ehepartners verzichten muss. Der Kinderzuschlag ist für eine spezielle Gruppe gedacht.
Es ist schon sinnvoll und klug, dass man Sozialleistungen und familienpolitische Leistungen sehr zielgenau, sehr früh und sehr bedarfsorientiert einsetzt. Denn wir wissen: Es gibt nicht nur die Grenzen des Wachstums, sondern es wird irgendwann auch die Grenzen der Ausweitung der sozialpolitischen Leistungen geben. Ich kann uns nur warnen: Wenn die Zeiten wieder andere werden und die ökonomische Situation sich verändert, dann sollten wir sehr klug sein und darüber nachdenken, wie wir die einzelnen Mittel sehr gezielt einsetzen. Ich warne davor, das Füllhorn oder auch die Gießkanne zu groß streuen zu lassen. Wenn man jetzt Ideen hat, wie man diese sehr zielgenauen Maßnahmen erweitert und noch mal 11 Milliarden Euro obendrauf packt, dann wird man möglicherweise irgendwann in die Situation kommen, dass man wieder kürzen muss. Diese Debatte würde für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft, glaube ich, nicht gerade förderlich sein.
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Im Übrigen: Viele Leistungen haben wir ja im Gute-KiTa-Gesetz. Das ist also woanders im Haushalt untergebracht. Ich will mich, was das Gute-KiTa-Gesetz angeht, ein wenig der leichten Kritik anschließen. Wir haben ja gesagt, dass die Mittel dafür über die Umsatzsteuer an die Länder fließen. Die Länder haben dann auch die Verantwortung, diese Mittel einzusetzen. Ich warne so ein bisschen davor, dass es möglicherweise zu Fehlsteuerungen kommt. Wenn die Länder, die in der Frage der Qualität, des Betreuungsschlüssels eh schon ganz weit unten sind, das Geld dann ausschließlich zur Senkung der Beiträge einsetzen, während andere Länder, die eine hohe Qualität und einen guten Betreuungsschlüssel haben, diese Mittel zur weiteren Qualitätssteigerung einsetzen, dann muss man mit Blick auf die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet die Sorge haben, dass sie sich noch weiter auseinanderentwickeln. Insofern kann man nur herzlich an die Länder appellieren, dieses Geld bitte in die Qualität zu stecken; denn frühe Bildung ist wichtig für uns. Ich kann Ihnen nur ans Herz legen, einmal die DIW-Studie zur Frage der ineffizienten Mitnahmeeffekte zu lesen. Einige Länder und einige Ministerpräsidenten, die Erfahrung in der Familienpolitik haben, sollten sich die genau anschauen.
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Zweiter Teilbereich ist die Familienarmut. Selbstverständlich setzen wir uns dafür ein, dass kein Kind in Armut aufwächst. Aber Zusammenhalt – ich habe am Anfang den Zusammenhalt genannt – heißt auch, Eltern und Kinder nicht gegeneinander auszuspielen, nicht im Grundgesetz, aber auch nicht bei der Frage von Grundsicherungsleistungen. Zusammenhalt heißt auch, dass wir sehr genau gucken müssen in Bezug auf Kindergeld, Kinderzuschlag, Bildungs- und Teilhabepaket, kostenlose Kindertagesbetreuung, Lernmittelfreiheit, Fahrten, Mittagessen. Es gibt Kinder, die darauf angewiesen sind, dass das kostenfrei ist, weil ihre materielle Situation, die Situation ihrer Eltern es nicht anders hergibt.
Wichtig wird für uns sein – darum ging es in der Debatte –, das nicht mit der Gießkanne zu entwickeln, sondern hier genau zu schauen, um früh, zielgenau und bedarfsorientiert zu fördern. Das Familienstärkungsgesetz war genau richtig. Es entbürokratisiert. Es weitet die Maßnahmen aus. Der Anteil der Kinder, die davon profitieren, wird sich deutlich erweitern. Dieses Familienstärkungsgesetz war ein gutes Gesetz. Ich möchte appellieren, dieses Gesetz nicht kleinzureden, sondern damit zu arbeiten, bevor man dann die möglicherweise nächste Maßnahme in die Debatte führt, deren Finanzierung noch gar nicht gesichert ist. Da muss man auch ernsthaft sagen, wo das Geld herkommen soll. In diesen Zeiten wird Geld knapper werden. Das werden wir merken. Da muss man sagen, wo 11 Milliarden Euro herkommen sollen.
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Nächster Teilbereich. Kinderschutz wurde schon angesprochen, eine Herzensangelegenheit der Union und auch der Großen Koalition. So viel haben wir – wir müssen es ja tun – für den Kinderschutz noch nie getan.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Herrn Aggelidis?
Ja, aber selbstverständlich.
Vielen Dank, lieber Kollege Weinberg, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Angesichts Ihrer Ausführungen zur Frage, wo das Geld herkommen soll, habe ich folgende Nachfrage: Sind Sie nicht der Meinung, dass es Aufgabe der Regierung wäre, endlich mal dafür zu sorgen, dass Leistungen, für die es schon jetzt einen Anspruch gibt, auch ausgezahlt werden? Da müssen Sie sich natürlich als Regierung schon die Frage stellen, woher Sie das Geld dafür nehmen, anstatt es in irgendwelche Wahlkampfprojekte zu stecken – erste Frage.
Was sind denn Wahlkampfprojekte?
Die Ansprüche sind ja schon da, Herr Weinberg. Das sollten Sie wissen. Den Kinderzuschlag gibt es ja schon, das Bildungs- und Teilhabepaket auch.
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– Herr Rix, dazu hätten Sie natürlich auch etwas sagen können, haben Sie aber nicht.
Das bedeutet also: Muss sich die Bundesregierung nicht endlich Gedanken machen, wie diese Mittel die Familien erreichen – erste Frage –, wie sie die Erfüllung dieser Ansprüche finanzieren will – zweite Frage –, und was hindert diese Regierung daran – letzte Frage dazu; ich höre ja immer wieder unterschiedliche Signale –, endlich Freibeträge für Schülerjobs einzuführen für Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien?
Danke.
({1})
Herr Weinberg, bitte.
Ich versuche mal, Ihre Frage zu verstehen bzw. zu beantworten. Wir machen hier keine Wahlkampfgeschenke.
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Jetzt ist Herr Weinberg dran.
Also Wahlkampfprojekte, keine Wahlkampfgeschenke.
Sie haben, hoffe ich, die ausführliche Debatte über das Familienstärkungsgesetz mitbekommen. Einer der Kernpunkte war, dass diese Maßnahmen ankommen. Entbürokratisierung deswegen, weil man die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket generell beantragen kann – natürlich mit Ausnahme der Klassenreisen; denn das ist wegen der Höhe finanziell eine andere Geschichte.
Wir reden über das Thema Digitalisierung. Bei vielen Punkten geht es jetzt immer um Digitalisierung. Wir verfolgen doch dieses Bestreben nicht, weil wir digitalaffin sind, sondern weil wir wissen, dass zu wenige Menschen ihren Rechtsanspruch auf eine Leistung einlösen. Ein Unterhaltsvorschuss ist keine milde Gabe dieser Bundesregierung. Der Unterhaltsvorschuss ist ein Rechtsanspruch der betroffenen Menschen. Wir wollen, dass sie davon Gebrauch machen. Deswegen werben wir dafür, deswegen entbürokratisieren wir, und deswegen sagen wir auch in den Beratungen immer wieder ganz deutlich: Es muss unser Ziel sein, dass der Kinderzuschlag, der Unterhaltsvorschuss von den Familien in Anspruch genommen werden, die ein Recht darauf haben. Dieses Recht muss man in Anspruch nehmen können. Das ist auch das Bestreben gewesen in den letzten Monaten. Insoweit können Sie uns das nicht vorwerfen.
({0})
Ich will zum Thema Kinderschutz, zum Thema Zusammenhalt kommen. Zusammenhalt heißt auch, dass Kinder sich darauf verlassen können in dieser Gesellschaft, dass sie geschützt werden, dass sie beschützt werden. Auch hier gilt der Grundsatz „Wer Familien und Eltern stärkt, stärkt die Kinder“, auch hinsichtlich der Missbrauchsproblematik. Die Frühen Hilfen wurden angesprochen, die Verstetigung der Mittel, auch das Thema „sexueller Missbrauch“, der Fonds Sexueller Missbrauch. Wir als Union haben uns mit Blick auf den Kampf gegen den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen deutlich positioniert. Ich sage ganz klar für die Zukunft: Das Thema darf uns nicht ruhen lassen. Es kann nicht sein, dass Tausende von Missbrauchsverdächtigungen nicht abgearbeitet werden können, weil der Datenschutz es verhindert. Wir müssen, glaube ich, mal darüber nachdenken, wie wir hier eine andere Regelung finden; denn ich glaube, das sind wir unseren Kindern schuldig. Das müssen wir unseren Kindern auch schuldig sein.
Letzter Teilbereich, der angesprochen wurde – ich komme zurück zum Anfang –, ist das Thema „Förderung des bürgerschaftlichen Engagements“. Ja, es gibt 30 Millionen Menschen in diesem Land, die sich engagieren. Darauf können wir stolz sein. Zusammenhalt heißt auch, dass man etwas von seiner Freizeit der Gesellschaft gibt. Diese Gesellschaft, diese Gemeinschaft schützt übrigens den Einzelnen, stärkt den Einzelnen, pflegt den Einzelnen. Also kann man auch jeden Einzelnen fragen – aber die Diskussion, lieber Sönke Rix, werden wir hier jetzt nicht führen –: Ist es denn nicht auch zumutbar, dass du eine Zeit deines Lebens für diese Gesellschaft gibst, und zwar in Form eines Sozialdienstes, eines Dienstes bei der Bundeswehr oder auch beim THW?
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Insofern war uns dieses Thema wichtig. Die Verstetigung der Mittel für die Freiwilligendienste ist dann letztendlich mit den 50 Millionen Euro noch mal gelungen, und zwar mit der Maßgabe – wichtig –, dass diese auch über das Jahr 2020 verstetigt werden; denn die Träger brauchen Planungssicherheit. Das Spiel, dass die Mittel zunächst abgesenkt werden und dann wieder nach oben gehen, darf man eigentlich nicht mehr spielen.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Ich hatte eingangs von den Werten gesprochen, die unsere Familienpolitik tragen: Verantwortung, Respekt, Toleranz, Teilhabe. Nur mit diesen Werten – das glauben wir und sagen es ganz deutlich – können wir die Spaltung bzw. die Spaltungstendenzen in dieser Gesellschaft überwinden.
Am Ende ein Zitat. Norbert Lammert hat in seiner Abschiedsrede gesagt: „Die Demokratie steht und fällt mit dem Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger.“ Das, glaube ich, ist ein hoher Wert für uns in der Gesellschaft und auch für uns im Parlament. Insofern freue ich mich, dass wir einen so guten familienpolitischen Etat hinbekommen haben.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Marcus Weinberg. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Josephine Ortleb.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! 100 Jahre Frauenwahlrecht, 40 Jahre UN-Frauenrechtskonvention, 25 Jahre Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz: 2019 konnten wir einige der wichtigsten gleichstellungspolitischen Meilensteine und Erfolge feiern. Gleichstellungspolitische Erfolge sind immer Erfolge einer gesamten Gesellschaft, Erfolge, die innerhalb und außerhalb des Parlamentes vorbereitet und umgesetzt werden müssen. Das geht nicht ohne einen Kulturwandel in der Gesellschaft, einen Wandel, der Diskriminierungen abbaut und gerechte Teilhabe von Frauen ermöglicht.
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Unsere Aufgabe auch hier im Parlament ist es, diesen Wandel zu begleiten und die bestmöglichen Rahmenbedingungen für eine gerechte Gesellschaft von morgen zu schaffen. Mit diesem Haushalt stellen wir uns diesen Aufgaben und schaffen wichtige Rahmenbedingungen für den angesprochenen Wandel. Dafür möchte ich mich bei allen Haushälterinnen und Haushältern – ganz besonders bei dir, liebe Svenja – für eure Arbeit bedanken.
Mit diesem Haushalt sagen wir ganz klar: Gewalt gegen Frauen hat in dieser Gesellschaft keinen Platz, und die Opfer dieser Gewalt finden nicht nur unsere Solidarität, sondern auch Sicherheit in geschützten Räumen.
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Wir nehmen allein in diesem Jahr – wie auch in den nächsten Jahren – 30 Millionen Euro in die Hand, um diese geschützten Räume zu garantieren, indem wir die Länder und Kommunen dabei unterstützen, das Hilfesystem auszubauen.
Weil Gewalt an Frauen leider kein Einzelfall ist, sondern System hat, haben wir die Finanzierung einer unabhängigen Monitoringstelle beim Deutschen Institut für Menschenrechte sichergestellt, um das System der Gewalt sichtbar zu machen.
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Und weil Sichtbarkeit Voraussetzung für Wandel ist, ist es auch wichtig, dass Sie, Frau Bundesministerin Giffey, mit Ihrer Kampagne „Stärker als Gewalt“ hier voranschreiten.
Klar ist aber auch: Ein echter Wandel funktioniert nur, wenn wir zusammen voranschreiten. Das haben wir bei der längst überfälligen Senkung der Mehrwertsteuer auf Hygieneprodukte für Frauen gesehen. Durch die starke Zusammenarbeit mit vielen engagierten Frauen und Männern in den Verbänden und Initiativen konnten wir diese fiskalische Diskriminierung beseitigen.
Diese Senkung der Mehrwertsteuer zeigt aber auch, wie notwendig ein Bewusstsein für Gleichstellung in allen Ressorts ist. Denn echte Gleichstellung kennt keine Ressortgrenzen.
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Es ist ein Querschnittsthema und geht alle etwas an. Wir haben die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie verankert, damit zukünftig nicht bloß die Farbe des Anzugs der einzige Ausdruck von Diversität auf Führungsfotos des Innenministeriums ist und damit in Zukunft das Verkehrsministerium Frauen nicht nur Helme, sondern auch Kleidung zur Verfügung stellt, wenn diese für Sicherheit im Verkehr werben.
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Diese Beispiele zeigen, dass wir ressortübergreifende Impulse brauchen.
Mit 1 Million Euro bringen wir nun ein Bundesinstitut für Gleichstellung an den Start, um die notwendige Vogelperspektive einzunehmen, ein Institut, das zur Beseitigung des bestehenden gleichstellungspolitischen Umsetzungsdefizits notwendig ist. Mit diesem Bundesinstitut können wir es schaffen, im engen Dialog zwischen Forschung, Politik und Gesellschaft – von der Kommune bis zum Bund, von der Kita bis zur Uni, vom Betrieb bis zum Konzern – bestehende Diskriminierungen von Frauen abzubauen und gleichstellungspolitisch ein neues Kapitel zu beginnen.
Lassen Sie uns gemeinsam auf dieses Kapitel hinarbeiten. Der vorliegende Einzelplan füllt dabei die ersten Seiten. Die weiteren Seiten dieses Kapitels müssen wir gemeinsam mit Leben füllen.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Für mich ist klar, welchen Titel das Kapitel tragen soll: 2020 – ein Jahr der Gleichstellung, innerhalb dieses Hauses, innerhalb der Bundesregierung und auch innerhalb der deutschen Ratspräsidentschaft.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Kollegin Ortleb. – Letzte Rednerin in dieser Debatte: Sylvia Pantel für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle sind Teil einer Familie oder haben selbst eine Familie gegründet. Auch für unsere Jugend sind eine Familie und eine Partnerschaft enorm wichtig.
Für 94 Prozent der Jugendlichen ist eine vertrauensvolle Partnerschaft sogar der wichtigste Wert, für 90 Prozent ist dies ein gutes Familienleben. Das sind die Ergebnisse der aktuellen Shell-Studie von 2019. Ob Groß oder Klein, die Familie ist und bleibt das Fundament unserer Gesellschaft.
Wir wollen die größtmögliche Wahloption für die Gestaltung des Familienlebens, und deshalb investieren wir an den richtigen Stellen. Wir haben den Familienetat im Haushaltsentwurf um 251 Millionen Euro erhöht und somit ein Ausgabenvolumen von 12,1 Milliarden Euro. In den letzten Jahren haben wir immer wieder den Haushalt erhöht und nirgendwo irgendetwas gesenkt.
Sie alle wissen, dass unsere familienpolitischen Leistungen breit gefächert sind und eben nicht nur dieser Haushalt, wie gerade dargestellt, etwas über die familienpolitischen Leistungen aussagt. Es gibt rund 150 verschiedene passgenaue familien- und ehebezogene Maßnahmen, darunter steuerliche Maßnahmen, Geldleistungen, familienbezogene Leistungen innerhalb der Sozialversicherung und Realtransfers. Diese haben ein Gesamtvolumen von mehr als 200 Milliarden Euro.
Um nachfolgenden Generationen keine weiteren finanziellen Lasten aufzubürden, setzen wir auch in 2020 unsere solide Haushaltspolitik ohne die Aufnahme neuer Schulden fort. Die wichtigste familienpolitische Leistung – das wurde eben schon mehrfach erwähnt – ist das Elterngeld, und das wird auf 7,25 Milliarden Euro erhöht. Damit unterstützen wir ganz bewusst Eltern, die sich im ersten Lebensjahr vorrangig der Betreuung ihrer Kinder selbst widmen wollen.
Durch das Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexiblen Arbeitszeit haben Eltern mehr Möglichkeiten, zu wählen oder zu kombinieren. Ich freue mich über diese Form der Anerkennung der Erziehungsarbeit und ‑leistungen für eigene Kinder.
({0})
Ich werde mich auch weiterhin für die Anerkennung der Familienarbeit einsetzen.
1,2 Milliarden Euro stehen in unserem Haushalt für das Kindergeld und den Kinderzuschlag für einen nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Personenkreis zur Verfügung. Damit erhöhen wir unseren Etat hier um 403 Millionen Euro. Insgesamt belaufen sich die Kindergeldbeiträge im Bundeshaushalt auf über 36 Milliarden Euro.
Um die Alleinerziehenden bei ihren wichtigen Aufgaben zu unterstützen, nehmen wir ihnen den finanziellen Druck: Wenn der andere Elternteil nicht den zustehenden Unterhaltsanteil zahlt, gehen wir in Vorleistung. Der Unterhaltsvorschuss wird nun gegenüber dem Vorjahr um 225 Millionen Euro auf fast 1 Milliarde Euro, also 943 Millionen Euro, erhöht. Hier liegt es nun an uns, die säumigen Unterhaltszahler, die zahlungsfähig wären, auch zur Verantwortung zu ziehen.
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Und, Herr Meyer, unsere Antwort ist eben nicht, die Alleinerziehenden alleinezulassen; denn die haben genug zu tun.
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– Doch, das haben Sie eben gesagt.
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Wir wollen Familien existenziell absichern und ihnen gute Rahmenbedingungen für ihr Familienleben bieten. Dazu gehört auch gutes Wohnen.
Im Bereich Wohnen haben wir verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, und mit dem Baukindergeld unterstützen wir Familien mit Kindern direkt. Für den Zeitraum 2018 bis 2020 hat der Bund 10 Milliarden Euro für das Baukindergeld bereitgestellt. Bis jetzt sind circa 150 000 Anträge gestellt worden, und in 2019 sind bereits circa 560 Millionen Euro in diese Förderung geflossen.
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Für dieses Förderprogramm habe ich mich wohlüberlegt eingesetzt, und es freut mich, dass es einen solchen Erfolg hat.
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1,3 Milliarden Euro stellen wir in dieser Legislaturperiode für das Familienstärkungsgesetz unseren Familien, die es wirklich brauchen, zur Verfügung. Damit gibt es ein wichtiges Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Kinderarmut, und wir ermöglichen allen Kindern die Chance auf Teilhabe, bessere Bildungschancen und eine gute Zukunft.
Wir alle wissen, wie wichtig und vielfältig das Ehrenamt in unserer Gesellschaft ist. Politisch wurde unsere Wertschätzung auch durch die Errichtung des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“ zum Ausdruck gebracht. Als Unterausschuss haben wir uns gemeinsam für die Rücknahme der vorgesehenen Kürzung bei den Freiwilligendiensten und dem Programm „Menschen stärken Menschen“ in Höhe von insgesamt 60 Millionen Euro eingesetzt. Ich freue mich, dass sich dieser Einsatz gelohnt hat und man die geplanten Kürzungen zurücknehmen konnte.
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Der Etatansatz Freiwilligendienste erhält in 2020 wieder 120,68 Millionen Euro und der Bundesfreiwilligendienst 207,2 Millionen Euro. Es ist sehr erfreulich, dass so viele junge Menschen bereit sind, ein freiwilliges Jahr für die Gesellschaft zu leisten. Deshalb wäre es nicht hinnehmbar, das Engagement wegen fehlender Mittel zu begrenzen. Auch sind die Mittelkürzungen für das Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ zurückgenommen worden. Es werden nun wieder 18 Millionen Euro für dieses gute Programm zur Verfügung gestellt.
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Ebenso ist es gelungen, dass auch die Mehrgenerationenhäuser nach so vielen Jahren bewährter Arbeit eine Mittelerhöhung bekommen. Die erste positive Rückmeldung habe ich bereits von meinem Mehrgenerationenhaus in Düsseldorf erhalten, wo ich mich sehr häufig persönlich davon überzeugen kann, dass sie dort wirklich gut arbeiten.
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In fast allen Landkreisen und kreisfreien Städten gibt es mindestens ein Mehrgenerationenhaus. Diese Einrichtungen stellen eine unverzichtbare soziale Infrastruktur dar und leisten einen wichtigen Beitrag zum generationenübergreifenden Miteinander und zur Integration.
Wir fördern die Mehrgenerationenhäuser mit zusätzlich 5,45 Millionen Euro. Damit stehen 2020 jedem Mehrgenerationenhaus 10 000 Euro mehr zur Verfügung. Das Bundesnetzwerk Mehrgenerationenhäuser bekommt sogar 50 000 Euro mehr zur Verfügung gestellt. Damit steigt der Ansatz in 2020 insgesamt um 22,95 Millionen Euro.
Um auch ungewollt kinderlose Paare bei ihrem Kinderwunsch stärker zu unterstützen, haben wir die Förderung um 4 Millionen Euro erhöht. Weiter unterstützen wir den Ausbau der Hilfen für Schwangere und ermöglichen die vertrauliche Geburt. Wir sehen, dass die Hilfe angekommen ist. Seither gab es mehr als 2 200 Beratungen. Seit der Einführung vor fünf Jahren haben über 570 Frauen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, und die Kinder sind in ordentlicher Umgebung geboren worden.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Gut, dann lasse ich das alles weg.
Das habe ich mir schon gedacht.
Ich möchte zum Schluss nur noch sagen, dass wir etwas für die älteren Menschen tun, und zwar mit einer Hotline. Das Programm „Demokratie leben!“ ist nicht nur gegen Rechtsextremismus ausgerichtet, sondern gegen jegliche Form von Extremismus und gegen Menschenfeindlichkeit.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Pantel. – Damit schließe ich die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Rund 18,3 Milliarden Euro sind für Bildung und Forschung in den Haushalt eingestellt. In den Beratungen im Ausschuss haben einige gesagt, dass sei viel zu wenig. Wir, die AfD-Fraktion, haben uns an dieser pauschalen Kritik nicht beteiligt. Was wir aber kritisiert haben, waren die Schwerpunktsetzungen.
Immer mehr Mittel des Bundes, meine Damen und Herren, fließen in Bereiche, für die eigentlich die Länder zuständig sind. Ich nenne ein paar Beispiele. Im Bereich der Universitäten ist der Bund massiv eingestiegen – in den nächsten zehn Jahren sind hier 40 Milliarden Euro vorgesehen –,
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ebenso bei der Sanierung von Schulen und deren technischer Ausstattung. Hier steigt der Bund mit dem sogenannten DigitalPakt ein.
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Das neueste Projekt ist jetzt die Ganztagsbetreuung.
Niemand zweifelt an, dass das wichtige Projekte sind. Aber nach unserer föderalen Ordnung wären hier eigentlich die Länder und Kommunen zuständig. Diese Projekte sind teilweise auch inhaltlich fragwürdig, vor allen Dingen aber in ordnungspolitischer und verfassungsrechtlicher Hinsicht.
Meine Damen und Herren, statt mit Bundesmitteln in die Aufgaben der Länder regelrecht hineinzupfuschen, sollten Sie besser dafür sorgen, dass Deutschland nicht den Anschluss im Bereich der Spitzentechnologie verliert.
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Ob bei der KI-Forschung, der Biotechnologie, der Batterieforschung oder auch der Kernforschung, in vielen Zukunftstechnologien drohen die USA und Länder wie Japan, Korea oder China Deutschland abzuhängen. Meine Damen und Herren, früher gab es noch Handys made in Germany, inzwischen brauchen wir sogar die Chinesen, um unsere Funknetze auf den neusten Stand zu bringen. Das ist doch peinlich.
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Gut, dass Sie wenigstens die steuerliche Forschungsförderung auf den Weg gebracht haben. Wir haben das von Anfang an unterstützt. In der Berufsbildung, für die originär der Bund zuständig ist, hätten wir uns noch mehr Engagement gewünscht, als Sie, Frau Ministerin, es schon anerkanntermaßen leisten. Dazu liegt Ihnen ein Änderungsantrag von uns vor.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Haushaltsdebatte zur Halbzeit der Legislaturperiode ist Anlass, nicht nur auf die Zahlen zu blicken, sondern auch auf die Amtsführung des jeweiligen Ministers bzw. der Ministerin. Ihre, Frau Ministerin, war nicht immer glücklich, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Einiges kann man Ihnen allerdings nur teilweise zum Vorwurf machen, da haben Sie einfach nur die Politik Ihrer Vorgänger fortgeführt, beispielsweise bei der fatalen Fixierung auf die empirische Bildungsforschung. Das BMBF hat sich in den letzten Jahren freiwillig in die Abhängigkeit von der OECD und anderen Lobbyisten der digitalen Vermessungsindustrie wie PISA und Co begeben. Das war und ist ein Fehler.
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Anderes, Frau Ministerin, müssen Sie sich aber selbst anrechnen lassen, zum Beispiel das ungeschickte Agieren bei der von den Medien so genannten Batterieaffäre. Das jüngste Beispiel ist nun der Nationale Bildungsrat, den Sie unterstützt haben. Bereits am 22. März 2018 habe ich hier an dieser Stelle davor gewarnt und angekündigt, dass dieses Projekt genauso scheitern wird wie ein ähnliches Vorhaben, das es vor einigen Jahren schon gab. Nun ist es so gekommen, Frau Ministerin. Pikanterweise kam der Widerstand ausgerechnet aus Ländern, in denen Kollegen aus der CDU bzw. CSU tätig sind. Herr Söder ist vorgegangen, dann kam Baden-Württemberg hinterher. Frau Eisenmann hat sich auch dagegen ausgesprochen. Frau Karin Prien aus Schleswig-Holstein und dann Herr Armin Laschet haben das Projekt jetzt für tot erklärt. Meine Damen und Herren, wer solche Parteifreunde hat, braucht eigentlich gar keine Opposition mehr.
Wer hat sich für den Nationalen Bildungsrat in die Bresche geworfen? Ausgerechnet die SPD-geführten Länder: Berlin, Hamburg, wahrscheinlich folgt noch Bremen. Frau Ministerin, erkennen Sie doch: Dieses zentralistische Projekt ist ein linkes Projekt. Wir brauchen das nicht. Es ist gut, dass es gescheitert ist.
Vielen Dank.
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Danke schön, Dr. Frömming. – Nächste Rednerin: Kerstin Radomski für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Im September dieses Jahres haben wir den Entwurf des Haushalts ins Parlament eingebracht. Ich kann mich noch an die Kritik der Opposition erinnern, die auf ein Minus im Vergleich zum Vorjahr hingewiesen hatte. Es wurde der Eindruck erweckt, als ob in Deutschland weniger Geld in Bildung und Forschung investiert würde. Das ist falsch. Weil manche Redner in dieser Haushaltswoche immer noch an dieser Falschaussage festgehalten haben und manche nicht einmal bemerkt haben, dass in den parlamentarischen Haushaltsberatungen Geld obendrauf gelegt wurde, möchte ich noch einmal die Fakten der Entwicklung dieses Einzelplans darstellen.
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Vor der Aufstellung des Entwurfs der Bundesregierung im Juli hatte der Bund Kompensationsmittel an die Länder gegeben. Im Rahmen der Föderalismusreform wurden zum Beispiel 715 Millionen Euro für den Hochschulbau und die Bildungsplanung zur Verfügung gestellt. Diese Mittel werden weiterhin für Bildung und Forschung in Deutschland ausgegeben, aber sie sind nicht mehr im Einzelplan 30 etatisiert. Richtig ist, dass in diesem Einzelplan viele Millionen Euro obendrauf gelegt, neu zur Verfügung gestellt wurden. Aber wahr ist auch: Der Entwurf blieb 69 Millionen Euro hinter dem Haushalt von 2019 zurück.
Was passierte in den parlamentarischen Beratungen? Wir haben es geschafft, 82 Millionen Euro obendrauf zu legen. Damit hat dieser Einzelplan einen Höchststand von 18,3 Milliarden Euro. Darauf sind wir als Regierungskoalition zu Recht stolz.
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In Zeiten des globalen Wettbewerbs um die Rollen in der Welt von morgen sind Bildung und Forschung ganz wichtig – für unsere Zukunft, für unseren Wohlstand und auch für unsere Sicherheit.
Deshalb können wir 44 Haushälter und Stellvertreter gerade in diesem Jahr stolz darauf sein, was wir im Haushaltsverfahren in über 65 Stunden beraten haben und wie wir um die besten Ideen und Konzepte auch gestritten haben. Wir als Parlament haben die Ideen der Regierung hinterfragt, und – was vielleicht noch wesentlicher für uns alle hier ist – wir haben sogar einige Maßgabebeschlüsse im Ausschuss einstimmig, über alle Fraktionsgrenzen hinweg, beschlossen.
Meine Damen und Herren, uns alle hier eint, dass wir in die Zukunft investieren wollen. Eines der Zukunftsthemen ist dabei die künstliche Intelligenz. Es ist sicher: Die enormen Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz verändern unseren Alltag in diesen Jahren fundamental – das geht von der autonomen Mobilität bis zu neuen Diagnose- und Behandlungsmethoden in der Medizin. Für den Bereich künstliche Intelligenz haben wir im Haushaltsverfahren die zweite Tranche von gut 500 Millionen Euro auf die einzelnen Ressorts verteilt. Allein 150 Millionen Euro stehen im Einzelplan 30 dafür in Zukunft zur Verfügung.
Zudem haben wir Mittel in Höhe von 44 Millionen Euro für die Infektionsforschung in Greifswald bereitgestellt, um ein Helmholtz-Institut zu gründen. Wenn 30 Prozent der Todesfälle weltweit durch Infektionskrankheiten verursacht werden und es auch in den westlichen Industrieländern eine Zunahme von Antibiotikaresistenzen gibt, dann sollten wir nicht nur in die von uns bereits unterstützte Nationale Wirkstoffinitiative, sondern auch in die Aufklärung der molekularen Ursachen von bakteriellen und viralen Infektionskrankheiten investieren. Was sich kompliziert anhört, ist eigentlich ganz einfach: Es geht um die Entschlüsselung der Eiweißstruktur von Bakterien, um im besten Fall Infektionskrankheiten eines Tages unabhängig von Antibiotika behandeln zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Bereich Bildung und Forschung geht es natürlich auch darum, Möglichkeiten zu bieten, Neugier zu Entdeckergeist werden zu lassen zum Beispiel. Ein Schlüsselwort bei der Verbindung von guter Bildung, Wissenschaft und Praxis ist die Anwendungsorientierung. Deshalb haben wir als Haushälter die praxisnahe Arbeit der Fachhochschulen weiter gefördert. Als Koalition stellen wir weitere 10 Millionen Euro für die Forschung an Fachhochschulen zur Verfügung.
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Die Grundlage von Forschung und Entwicklung – ob im Hightechlabor oder als mittelständischer Tüftler – ist eine gute schulische Bildung. Hier liegt die Kompetenz nicht in Bundeshänden, sondern in der Verantwortung der Länder.
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Dennoch engagiert sich der Bund seit 1975 für den Schülerleistungswettbewerb „Jugend forscht“ und seit 2019 für „Jugend debattiert“. Uns ist es ein Ansporn, Schüler darin zu unterstützen. Deshalb haben wir in den parlamentarischen Beratungen 500 000 Euro zur Verfügung gestellt für „Jugend debattiert“ und ebenso 500 000 Euro für „Jugend forscht“. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Ob man debattieren, Argumente austauschen lernen möchte, wir unterstützen dies als Parlamentarier. Ebenso unterstützen wir den mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereich, in dem junge Leute eigenständige Forschungen anregen und durchführen können und sich dort messen können.
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Ich fasse zusammen: Im Bereich Bildung und Forschung gehen wir gut aufgestellt in das kommende Jahr. Ich bedanke mich bei allen – bei den Fachpolitikern, bei den Haushältern und vor allen Dingen bei meinen Mitberichterstattern – für die kollegiale Zusammenarbeit, insbesondere bedanke ich mich bei meinem Kollegen Swen Schulz; denn zu den Beratungen gehören viele Gespräche, Detailabstimmungen, und das schon lange vor der Bereinigungssitzung.
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Mein Dank gilt ebenso der Ministerin und ihren Mitarbeitern und natürlich auch dem Ausschusssekretariat des Haushaltsausschusses und den Arbeitsgruppenmitarbeitern. Blicken wir gemeinsam auf eine gute Zukunft für Bildung und Forschung, für die wir uns weiterhin mit Nachdruck engagieren.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Kerstin Radomski. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Christoph Meyer.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Karliczek, kaum ein Ministerium hat so viel Einfluss auf unsere Welt von morgen wie Ihres. Unabhängig von der Debatte, ob jetzt die Große Koalition 20 Millionen Euro – noch nicht einmal einen Inflationsausgleich -
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in den Haushaltsberatungen auf den Ansatz von 2019 draufgelegt hat, muss man, wenn man sich anguckt, was Sie mit diesem Geld machen, feststellen: Das ist bestenfalls Schlafwagenpolitik. Es ist ziellos, ambitionslos. Sie gondeln durch die zahlreichen Arbeitsfelder in Ihrem Haus. Schwerpunktsetzungen vermissen wir wie schon in den letzten Jahren. So kann man die Zukunft nicht gestalten.
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Sie haben durch die Grundgesetzänderung eine sehr starke Aufwertung erfahren. Bei aller Freude – wir haben das ja positiv begleitet als FDP – muss man doch festhalten – auch das haben meine Vorredner schon gesagt –, dass über 50 Prozent der Mittel Ihres Etats heutzutage bereits durch Bund-Länder-Vereinbarungen langfristig gebunden sind. Wenn man sich auf der anderen Seite vergegenwärtigt, dass gleichzeitig die Steuereinnahmen der Länder spätestens im Jahr 2021 höher sein werden als die des Bundes, dann muss man ganz einfach sagen, dass hier das Ende der Fahnenstange erreicht ist und dass wir aus der Unterstützung der Länder eher aussteigen müssen, wenn wir unserer Verantwortung als Bundespolitiker gerecht werden wollen.
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Wenn man sich anguckt, wie Sie beim Digital-Pakt kalt erwischt wurden von Andreas Scheuer und Olaf Scholz, dann wird einem angst und bange um die Wertigkeit Ihrer Position im Bundeskabinett. Die Entscheidung zur Stundung der Zahlungsverpflichtungen für die 5G-Lizenzen wurde ohne Sie getroffen, offensichtlich vor allem deswegen, weil man wusste, dass Sie sich nicht wehren werden, dass man Sie gar nicht fragen muss, gar nicht einbinden muss. Das Ganze findet statt vor dem Hintergrund, dass neueste Studien zeigen, dass ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland keine Digitalkompetenzen hat, abgehängt ist im internationalen Vergleich. Die Schulen hinken immer noch hinterher bei der IT-Ausstattung und bei den didaktischen Konzepten.
Die Antwort der Großen Koalition in der Bereinigungssitzung war: Es gibt 222 Millionen Euro mehr.
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– Das ist viel Geld. Aber die ursprüngliche Aussage, das ursprüngliche Versprechen dieser Koalition war: 5 Milliarden Euro bis zum Ende der Legislaturperiode.
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Davon sind Sie mit diesen 222 Millionen Euro immer noch 3,2 Milliarden Euro weit entfernt. So betreiben Sie in der Bundesregierung Bildungs- und Forschungspolitik, meine Damen und Herren.
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Bei der KI ist es genauso. Im letzten Jahr wurde uns noch groß versprochen, dass Sie ein Zukunftskonzept erarbeiten werden, eine Strategie vorstellen werden. Jetzt gibt es zwar 170 Millionen Euro mehr für KI-Professoren, und es werden auch weitere 39 oder 40 Millionen Euro in Ihrem Einzelplan eingeplant, und in der Bereinigungssitzung gab es 500 Millionen Euro. Aber man hatte ein bisschen das Gefühl, dass das eine Art kaltes Büffet war: Jedes Ministerium, das ein bisschen Einfluss hatte, hat sich etwas gegriffen; wie viel, das ist eher wahllos gewesen. Eine richtige Strategie ist das nicht und wird es auch nicht mit Ihnen als Ministerin.
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Einen Lichtblick gibt es bei den Selbstbewirtschaftungsmitteln. Das war ein großes Thema in den letzten Haushaltsberatungen. Hier scheinen wir offensichtlich den Peak erreicht zu haben. Ich kündige aber an, dass wir im nächsten Jahr weiter darauf achten werden. Wir alle haben festgestellt, dass es so nicht weitergeht. Auch Sie haben angekündigt, dass Sie vermehrt ein Augenmerk darauf haben. In diesem Jahr gibt es einen leichten Anstieg, aber im nächsten Jahr muss an den Haushaltszahlen sichtbar sein, dass Sie Ihre Hausaufgaben machen. Das werden wir nachhalten.
Die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen ist auch so ein Thema, bei dem Sie eine Idee von uns übernommen haben. Das freut uns erstmal, aber wenn wir das Thema Implementierung in der Debatte verfolgen, dann wird einem schon angst und bange; denn am Ende des Tages reden wir über öffentliches Geld und darüber, wie wir eine Kontrolle der Verausgabung der Mittel gewährleisten können. Bei Ihrem Ansatz, den wir in den Haushaltsberatungen gehört haben, entscheiden darüber nicht das Haus, nicht der Haushaltsauschuss und nicht die Ministerien, sondern die Mehrheit der Entscheidungsträger soll offensichtlich aus der Wirtschaft kommen. Hier steht für uns ein Fragezeichen, ob die Mittel effizient ausgegeben werden.
Wir haben für das Jahr 2020 – der Kollege Sattelberger wird noch darauf hinweisen – eine ganze Reihe von Verbesserungsvorschlägen gemacht und haben Ihnen gezeigt, wie es besser geht. Wir fordern Sie auf, dass Sie die Anregungen zumindest in den nächsten Haushaltsberatungen aufnehmen. Dann kann man auch diskutieren, ob wir Ihrem Einzelplan irgendwann mal zustimmen. So wird es bei einer Ablehnung bleiben.
Ich danke Ihnen.
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Vielen Dank, Christoph Meyer. – Nächster Redner in der Debatte: der schon gewürdigte Swen Schulz.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ging es in den Haushaltsberatungen in dieser Woche wie der Kollegin Radomski an der einen oder anderen Stelle. Ich habe bei einigen Beiträgen nicht gewusst, ob ich mich nun wundern oder mich ärgern sollte. Ich meine, dass die Opposition die Koalition kritisiert, das ist ihr gutes Recht – es ist sozusagen ihre Aufgabe, unterschiedliche Positionen darzustellen –, aber die Opposition sollte dabei doch sachlich, korrekt und fair bleiben, anstatt ein Zerrbild zu zeichnen.
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Herr Meyer, auch Sie weigern sich beharrlich, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Aufwendungen des Bundes für Bildung und Forschung deutlich steigen.
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Um das zu verdeutlichen, will ich die großen Posten in den Bereichen nennen, in die wir mehr investieren: Begabtenförderung plus 40 Millionen, Lernen im Lebenslauf plus 50 Millionen, Verbesserungen bei der beruflichen Aufstiegsfortbildung plus 140 Millionen, Hochschul- und Wissenschaftssystem plus 30 Millionen, neue Technologien plus 40 Millionen,
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Lebenswissenschaften plus 50 Millionen, Grundlagenforschung plus 40 Millionen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen plus 300 Millionen, Ganztagsbetreuung für Kinder in der Grundschule 500 Millionen.
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Dazu kommen noch die Mittel für Bildung und Forschung, die gar nicht im Einzelplan des Ministeriums, sondern an anderen Stellen des Haushaltes stehen: im Energie- und Klimafonds, im DigitalPakt Schule, im kommunalen Schulsanierungsprogramm.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Sie können sagen, dass wir das viele Geld falsch einsetzen, dass wir andere Schwerpunkte setzen sollten. Lasst uns darüber diskutieren – gerne –, aber erzählen Sie doch nicht das Märchen, dass diese Koalition zu wenig für Bildung und Forschung tut.
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Keine Koalition hat so viel für Bildung und Forschung gemacht wie diese – keine vorher.
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Wir haben – das hat Kollegin Radomski gesagt – in den Haushaltsberatungen über den Regierungsentwurf hinaus noch Geld obendrauf gepackt und bewusst inhaltliche Akzente gesetzt. So stärken wir sehr deutlich die Fachhochschulen, indem wir die Mittel für den Titel „Forschung an Fachhochschulen“ deutlich anheben und auch zusätzliche Mittel für das Programm „Europäische Hochschulnetzwerke“ vorsehen. Darüber hinaus wollen wir die Fachhochschulen fair in die Deutsche Forschungsgemeinschaft einbeziehen. Das ist eine wichtige strukturelle Änderung, die wir hier im Haushalt verankert haben.
Wir fahren die Mittel für die Arbeits-, Produktions- und Dienstleistungsforschung wieder und weiter hoch. Ich hatte in der ersten Lesung bereits angekündigt, dass wir uns mit den Feldern Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Arbeit 4.0 befassen werden; denn das sind wichtige Themen aus ökonomischer Perspektive, aber auch ganz konkret für die Beschäftigten. Ebenso hatte ich in der ersten Lesung die Friedens- und Konfliktforschung angesprochen, die wir nun besser ausstatten. Wir wissen alle, wie schwierig die Lage in der Welt ist, und wir benötigen Impulse, um zu erkennen, wie Konflikte vermieden und beigelegt werden können.
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Einmal mehr stocken wir die Mittel für die Alphabetisierungsarbeit auf. Wir stellen Geld zur Verfügung für die Neuauflage des Programms „Frauen an die Spitze“, das Professorinnenprogramm für die MINT-Fächer, und wir unterstützen die Max Weber Stiftung für Geisteswissenschaften. Weiterhin stärken wir die zivile Sicherheitsforschung.
Wir haben vor einiger Zeit reagiert auf die Gefahren durch islamistischen Extremismus. Wir sehen aber auch immer deutlicher, dass es eine zunehmende Gefahr durch politisch motivierte Extremisten gibt. Der Bereich Bildung und Forschung muss an dieser Stelle einen Beitrag leisten, und da ist die zivile Sicherheitsforschung ein Baustein.
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Dazu gehört auch – vielleicht sogar in erster Linie –, dass die Werte des Grundgesetzes vermittelt werden, möglichst früh, möglichst nachhaltig. Darum bauen wir den angesprochenen Wettbewerb „Jugend debattiert“ aus. Wir müssen versuchen, bereits den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu vermitteln, dass diejenigen mit einer anderen Herkunft, mit einer anderen Meinung, mit einer anderen Religion nicht etwa Volldeppen, Gegner oder sogar Feinde sind, sondern respektable Mitglieder unserer gemeinsamen Gesellschaft.
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Kolleginnen und Kollegen, ich habe gar nicht genug Zeit, die vielen Verbesserungen, die wir in den Haushaltsberatungen beschlossen haben, ausführlich zu behandeln. Wir stärken unter anderem die Gesundheitsforschung und die künstliche Intelligenz, Klimaschutz, Sofortprogramm Kohleausstieg, um den betroffenen Regionen neue Perspektiven zu eröffnen, und wir haben nun noch mehr Geld für den DigitalPakt Schule vorgesehen: über 220 Millionen Euro mehr, insgesamt werden es 5 Milliarden Euro. Was für ein Quantensprung in diesem Bereich!
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Das alles sind natürlich Maßnahmen des Bundes in Bereichen, die mehr oder weniger in Länderkompetenz liegen: Bildung, Hochschule, auch Forschung. Eigentlich ist der ganze Haushalt, über den wir hier reden, ein einziges, riesiges Drehbuch für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern.
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Und wie erfolgreich seit vielen Jahren die Zusammenarbeit ist, sieht man daran, mit welchen großen Beträgen sie in diesem Haushalt verankert ist: beim Hochschulpakt, bei den Wissenschaftsorganisationen, in der beruflichen Bildung, auch im Schulbereich, wenn ich etwa an den Ganztagsbereich denke, und, und, und. Ohne diese Bund-Länder-Kooperationen sähe die Bildungs- und Wissenschaftswelt anders aus, nämlich sehr viel ärmer und schlechter.
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Trotzdem sind jetzt die Extremföderalisten aus Bayern und Baden- Württemberg aus dem Nationalen Bildungsrat ausgestiegen und haben auch gleich Beifall vom CDU-Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen bekommen. Bayern weigert sich sogar, mit den anderen Ländern über die Sommerferienterminierung zu reden; das muss man sich einmal vorstellen. Bei so viel Engstirnigkeit kann man wirklich nur den Kopf schütteln.
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Ich halte fest: Die SPD bekennt sich klar zur Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern für die Bildung.
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Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich herzlich bei allen Beteiligten an den Haushaltsberatungen, vor allem bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesregierung, des Bundestages, der Fraktionen und der Abgeordneten, aber natürlich auch bei den Kolleginnen und Kollegen, insbesondere bei meiner Koalitionskoberichterstatterin Kerstin Radomski.
Herzlichen Dank.
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Ach ja!
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– Das tut auch mal gut hier im Haus, oder? – Vielen Dank, Swen Schulz. – Nächste Rednerin: Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke.
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Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die Finanzlöcher, die es im Bildungshaushalt gibt, eingehe, möchte ich etwas zu unseren Bildungszielen sagen. Wir als Linke sagen: Jede Schülerin und jeder Schüler muss wissen: Faschismus ist ein Verbrechen.
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Deshalb sagen wir auch den Finanzministern aller Ebenen: Antifaschismus muss gemeinnützig bleiben.
({1})
Wer die Verfolgten des Naziregimes finanziell strangulieren will, der legt die Axt an die Wurzel unserer Demokratie. Das müssen wir gemeinsam verhindern.
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Meine Damen und Herren, Swen Schulz ist schon darauf eingegangen: Bayern will beim Nationalen Bildungsrat nicht mitmachen. Baden-Württemberg will auch aussteigen. Das ist ein klares Signal der reichen Länder an die ärmeren: Konkurrenz statt Solidarität. Die Linke sagt: Das ist der falsche Weg.
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Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Marlis Tepe, warnt vor einem riesigen Finanzloch. Für die Digitalisierung werden nach Berechnungen dieser Gewerkschaft 21 Milliarden Euro benötigt. Der DigitalPakt sieht aber nur 5,5 Milliarden vor. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat uns gesagt: In den Bereichen Schule und Erwachsenenbildung fehlen Investitionen in Höhe von 42,8 Milliarden Euro. Und der Investitionsbedarf an Hochschulen und Universitätskliniken liegt nach Auskunft der Kultusministerkonferenz bei knapp 50 Milliarden Euro. Bildung wird von dieser Bundesregierung stiefmütterlich behandelt.
({4})
Das ist ein echtes Armutszeugnis für das Land der Dichter und Denker. So darf das nicht sein.
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Der Bundeshaushalt für Wissenschaft und Forschung stagniert in einer extrem dynamischen Welt, auch wenn versucht wurde, das hier schönzureden.
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Diese Regierung redet gern über die Reduzierung von Schulden, betet die schwarze Null an, sagt aber kein Wort über die Reduzierung des Bildungsniveaus in unserem Land. Es herrscht Bildungsnotstand. Die Bundesregierung hat es nur noch nicht gemerkt.
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Bis 2025 werden 100 000 Erzieherinnen und Erzieher benötigt. Ich sage Ihnen: Es ist eine Frage der Generationengerechtigkeit, mehr Geld in die Bildung zu investieren.
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Für mehr Bildung müssen wir gar nicht mehr Schulden machen. Wir könnten uns ja mal an Vorschlägen aus den USA orientieren. Die Demokratin Elizabeth Warren hat einen Vorschlag für eine Superreichensteuer gemacht. Zahlen sollen sie nur Haushalte mit mehr als 50 Millionen Dollar Vermögen. Wie sich eine solche Superreichensteuer auf Deutschland auswirken würde,
({9})
hat Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, DIW, ausgerechnet. Das Ergebnis: 18 Milliarden Euro mehr. Bezahlt würde das von den reichsten 8 100 Haushalten, also von den obersten 0,02 Prozent. Ich sage Ihnen: 18 Milliarden Euro mehr für Bildung, das wäre doch einmal eine richtige Hausnummer. Damit könnte man wirklich etwas anfangen.
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Der Bildungsnotstand trifft besonders die Menschen, die wenig Geld zur Verfügung haben. Nur ein Beispiel: Aktuell stehen den knapp 2,9 Millionen Studierenden in unserem Land bundesweit nur rund 240 000 öffentlich geförderte Wohnheimplätze zur Verfügung. Sie überlassen damit unsere Jugend den Immobilienspekulanten. Das darf doch nicht wahr sein.
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Im aktuellen Wissenschaftsbarometer 2019 geht es um das Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft. Das Vertrauen ist hoch, doch die Befragten erwarten von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass sie sich stärker in die öffentliche Debatte einbringen. Ich halte diesen Wunsch für sehr berechtigt.
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Gerade jetzt, wo Menschen meinen, dass Wissenschaft eine Glaubensfrage sei, sollte die Wissenschaft beherzter in die Diskussion eingreifen. Ich weiß – das finde ich gut –, dass viele Klimaforscher die Bewegung Fridays for Future unterstützen.
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Es ist auch gut, dass Students for Future in dieser Woche zum Klimastreik aufgerufen haben.
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Ihr Motto lautet: Wir diskutieren die Lösung und nicht die Ausreden. – Ich finde, dieses Motto sollte die Bundesregierung übernehmen und danach handeln.
({15})
Wir erwarten, dass nicht nur die Klimaforscher aktiv werden, sondern alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler; denn es geht nicht nur um das Klima, es geht auch um die Wissenschaftsfreiheit und um unsere Demokratie.
Wir als Linke wollen, dass alle Kinder und alle Jugendlichen die gleiche Chance auf Bildung haben. Ich erinnere an einen Satz aus der bayerischen Verfassung. Da steht nämlich:
Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.
Ich habe den Eindruck, die bayerische Schule hat bei Herrn Söder versagt.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
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Vielen Dank, Dr. Gesine Lötzsch. – Nächste Rednerin: für Bündnis 90/Die Grünen Ekin Deligöz.
({0})
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fand es fast schon amüsant, wie die Koalition hier versucht, diesen Etat zu rechtfertigen und ihn besser darzustellen, als er ist. Sie reden da etwas schön. Das sollten Sie aber nicht tun.
Sie haben – da hat der Kollege von der FDP recht – eine Steigerung um ganze 19 Millionen Euro.
({0})
Ja, Sie argumentieren, dass die Kompensationsmittel nicht mehr im Etat sind. Aber warum sinkt denn der Etat in Wirklichkeit nicht ab? Weil Sie 500 Millionen Euro in das Ganztagsschulprogramm gegeben haben. Diese Mittel sind aber gesperrt, weil wir noch gar kein Gesetz dazu haben; die können noch gar nicht abgerufen werden. Und dann gibt es ein Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, für das zusätzlich 126 Millionen Euro hinterlegt sind. Angesichts dessen sinkt der Etat nicht ab, aber hier können wir doch nicht von großartigen, bahnbrechenden, neuen Investitionen in Forschung und Wissenschaft reden.
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Das ist da gar nicht drin. Das können Sie drehen und wenden, wie Sie wollen.
Zusätzlich müssen Sie auch noch die globale Minderausgabe von 548 Millionen Euro einsparen.
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– Ja. Die müssen Sie aus den Programmmitteln im Laufe des nächsten Haushaltsjahres aber erst entnehmen! Auch das schwächt diesen Etat.
Von dem Ziel, für Forschung und Entwicklung 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorzusehen, auf das Sie sich eigentlich mal committet haben, sind wir noch sehr weit weg in diesem Land. Und wenn Sie so weitermachen, dann werden wir auch in Zukunft sehr weit weg davon bleiben.
({3})
Das Besondere am Haushaltsverfahren ist eigentlich, dass man an dem Etat ablesen kann, welche Schwerpunkte eine Ministerin setzt, wo sie etwas neu machen will, wo sie innovativ sein möchte. Wenn wir uns diesen Etat anschauen, stellen wir fest: Diese Ministerin verwaltet den Etat, aber sie gestaltet nicht – weil sie keine Gestaltungsideen hat.
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Und wenn sie mal die Initiative ergreift, dann geht das schief. Entweder sie ist sehr ungeschickt oder – wahlweise – agiert intransparent. Ich will Ihnen zwei Beispiele geben:
Im August haben Sie groß in der Zeitung angekündigt, dass Sie zusätzlich 1,4 Milliarden Euro im Bereich Klimaforschung investieren wollen. Das hat uns Grüne erfreut. Das ist eine gute Sache. Wir haben nachgefragt, gehofft, gebangt, uns an Ihre Seite gestellt. Herausgekommen ist absolut nichts. Gar nichts!
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Sie werden diese 1,4 Milliarden Euro nirgends finden. Versprochen, gebrochen, definitiv nicht eingehalten.
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Und das, obwohl es wirklich Grund gäbe, da mehr Geld zu investieren. Das zeigt Ihnen auch Ihr Klima-Monitoringbericht, den Sie selber endlich einmal lesen und ernst nehmen sollten.
Ein zweites Beispiel: Batteriezellenforschung. Eine halbe Milliarde – das ist viel Geld – ist für diese zukunftsweisende Technologie vorgesehen. Das unterstützen wir. Das ist ein Teil des Innovationsstandorts Deutschland. Das ist eine gute Sache. Ich frage mich aber, wie man so viel Geld ausgeben und das kommunikativ so in den Sand setzen kann. Anstatt etwas Positives zu verkaufen, haben Sie es zerredet. Sie haben das durch Ihre intransparente Art kaputtgesprochen. Jetzt fließt zwar das Geld, aber keiner möchte es mit großer Freude nehmen. Warum? Sie haben dafür gesorgt, dass das keiner richtig nachvollziehen kann. Es ist gut und richtig, und ich freue mich darüber, dass der Haushaltsausschuss der Idee der Grünen gefolgt ist, den Bundesrechnungshof zu bitten, da Sachlichkeit reinzubringen. Das ist das, was wir in diesem Land brauchen: Transparenz und Sachlichkeit. Das steigert auch die Akzeptanz.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, was mich an diesem Etat am meisten stört, ist, dass Sie mit dem, was Sie machen, auf die Zukunftsfragen unserer Zeit keine Antworten geben. Sie sind sich noch nicht mal der Potenziale bewusst, die in diesem Etat stecken. Sie sind sich noch nicht mal dessen bewusst, wie wichtig dieser Etat ist, um den Innovationsstandort Deutschland voranzubringen. Dafür brauchen wir Forschung und Wissenschaft. Und für unsere Kinder brauchen wir – auch das ist eine Investition – die besten Schulen.
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In den Fragen der sozialen und ökologischen Wende bleiben Sie weit hinter dem zurück, was eigentlich möglich wäre. Sie bleiben weit dahinter zurück. Das sage nicht nur ich, das sagen auch viele Wissenschaftsinstitutionen. Heute habe ich im „Handelsblatt“ gelesen, dass das sogar die deutsche Wirtschaft sagt.
Frau Ministerin, Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif.
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Wer Zukunft will, muss investieren und muss Mut zum Gestalten haben. Sie haben weder Mut noch haben Sie Ideen. Deshalb werden wir dem Etat auch nicht zustimmen können.
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Vielen Dank, Ekin Deligöz. – Nächste Rednerin: die Ministerin Anja Karliczek.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Deligöz, was meinen Sie denn, wo wir 18,3 Milliarden Euro lassen? Das ist der größte Haushalt für Bildung und Forschung, der jemals zur Verfügung stand, und damit können wir, glaube ich, schon sagen, dass diese Regierung Prioritäten setzt, nämlich für Bildung und Forschung.
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Seit diese Bundeskanzlerin im Amt ist, sind die Ausgaben für Bildung und Forschung um 140 Prozent gestiegen.
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Hinzu kommt das Geld – und das haben die Kollegen hier gerade schon sehr schön auseinanderdividiert – für den digitalen Wandel an unseren Schulen. Hinzu kommt das Geld für die steuerliche Forschungsförderung. Insgesamt investieren wir 25 Milliarden Euro in Bildung, Wissenschaft und Forschung.
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Ich möchte an dieser Stelle sowohl Kerstin Radomski als auch Swen Schulz danken, die uns herzlich dabei unterstützt haben, diesen Haushalt aufzustellen, und die dabei eben auch einen großen Einsatz gezeigt haben.
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Wir stehen an einer sehr entscheidenden Stelle. Viele Themen sind schon angesprochen worden: Klimawandel, Energiewende, Digitalisierung und Globalisierung sind nur einige Stichworte. Das alles sind große Aufgaben und Dinge, die gemeinsame Anstrengungen erfordern. Deshalb ist es jetzt wichtig, dass wir sie auch zusammen angehen; denn Deutschland hat die gut ausgebildeten Menschen, Deutschland hat die politische Kraft, und Deutschland hat den finanziellen Handlungsspielraum.
Wir sind aktuell eine der stärksten Forschungsnationen der Welt. 2018 hat Deutschland 3,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Forschung und Entwicklung investiert. Diese Zahl zeigt, dass wir stetig mehr investieren,
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und bis 2025 wollen wir das 3,5-Prozent-Ziel erreichen. Wir wollen Innovationsland Nummer eins bleiben.
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Deshalb setzen wir in dieser Legislaturperiode auf ein Feuerwerk an Maßnahmen, und ich will nur einige davon nennen:
Die Wissenschaftspakte. Noch nie gab es in Deutschland für die Hochschulen und Forscherinnen und Forscher so viel Verlässlichkeit und Stabilität. Mehr als 160 Milliarden Euro investieren Bund und Länder in den Jahren 2021 bis 2030. Deutschland bietet damit Rahmenbedingungen wie kein anderes Land dieser Welt.
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Ich denke, wir können gemeinsam stolz darauf sein.
Es ist richtig, dass wir unseren Forscherinnen und Forschern so viel Verlässlichkeit bieten; denn wir erwarten ja auch einiges von ihnen. Wir brauchen die Höchstleistungen aus der Wissenschaft.
Und genauso gilt es für die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen, die schon genannt worden ist. Auch aus Grundlagenforschung neue Marktideen zu entwickeln, ist der Trend der Zeit. Wir brauchen nur mal das World Wide Web und das Smartphone anzuschauen; denn das zeigt, was der Trend der Zeit ist. Genau diese Wege jetzt als Staat zu unterstützen, ist auf der einen Seite neu und auf der anderen Seite mutig, aber, ich glaube, wichtig; denn disruptive Ideen aufzugreifen und umzusetzen, muss Anspruch des Innovationslandes Deutschland sein.
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Lassen Sie mich auch die steuerliche Forschungsförderung ansprechen. Die steuerliche Forschungsförderung kommt genau zur richtigen Zeit. Wir brauchen jetzt alle Kräfte, um den Wandel zu gestalten.
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Gerade mittelständische Unternehmen und Start-ups können im Geist von Freiheit und Verantwortung einen großen Beitrag leisten – mit der Freiheit, die Forschungsthemen selbst zu bestimmen, und in Verantwortung, daraus innovative Geschäftsmodelle zu kreieren.
Ich will auch die Quantentechnologien ansprechen. So wie wir uns vor über 30 Jahren um das Nischenthema „künstliche Intelligenz“ gekümmert haben, so werden wir heute durchstarten bei der Erforschung von Quantentechnologien. Der erste europäische Quantencomputer wird in Deutschland stehen, und diesmal sollen auch der Durchbruch und die wirtschaftliche Verwertung als Erstes in Deutschland geschehen.
Wir wollen aber eben nicht nur Forschungsthemen auf unsere Agenda setzen, sondern wir haben auch den Wunsch, Anschluss an die Weltspitze in der Bildung zu halten.
Wir haben den Digitalpakt auf den Weg gebracht. Mittlerweile haben alle 16 Bundesländer ihre Förderbekanntmachungen veröffentlicht. Jetzt kann es überall losgehen; denn die intensive Auseinandersetzung um den Wandel zur Bildung in der digitalen Welt nimmt gerade erst richtig Fahrt auf. Die Entwicklungen sind rasant schnell, und der Höhepunkt scheint mir noch nicht erreicht zu sein. Denn auch in der Bildung stehen wir mittlerweile im internationalen Wettbewerb, und gerade in den nächsten Tagen wird sich dann auch zeigen, wo wir im internationalen Vergleich stehen.
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Last, but not least: Auch die Frage, wie wir am besten und am nachhaltigsten unser Klima schützen können, wird uns noch einige Zeit beschäftigen. Allein in dieser Legislaturperiode werden wir unsere Investitionen in die Klimaforschung um 50 Prozent auf rund 2,3 Milliarden Euro erhöhen.
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Und um das hier noch mal klar und deutlich zu sagen: Wir investieren seit Jahrzehnten in die Klimaforschung, und viele Erkenntnisse aus der Wissenschaft haben wir, weil die Regierung der Bundesrepublik Deutschland die Forschung dazu seit Jahrzehnten finanziert.
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Und jetzt kommt noch das Klimapaket dazu. Damit setzen wir ein Zeichen für Klimaschutz durch innovative Technologien. Wir rücken Innovationen in den Mittelpunkt; denn wir wollen Industrieland bleiben, wir wollen Arbeitsplätze erhalten, und wir wollen weiterhin unsere Autos nutzen – gerade im ländlichen Raum.
Wir fördern Technologien und systemische Forschung, zum Beispiel mit unserer Nationalen Wasserstoffstrategie. Sie verzahnt Klima-, Energie-, Industrie- und Innovationspolitik. Grüner Wasserstoff ist ein Kristallisationspunkt, an dem sich entscheidet, ob die Energiewende funktioniert. Wir machen Deutschland zu einem Vorreiter bei Grünem Wasserstoff. Wir schaffen damit technologisches Know-how. Deutschland muss bei diesen innovativen Technologien eine Vorreiterrolle einnehmen.
Wir wollen energetisch vielfältig und technologisch spitze bleiben – beim Wasserstoff, bei der Batterie, aber auch bei den synthetischen Kraftstoffen.
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Deutschlands Energieversorgung muss klimaschonend und nachahmenswert werden.
Ich will noch einen weiteren Punkt thematisieren: Die größte Kraft steckt in der kleinsten Einheit, und Entscheidungen dort zu lassen, wo auch die Verantwortung liegt, ist Teil unseres Erfolges in Deutschland.
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Aber eine wohlwollende Zusammenarbeit aller Teile für das große Ganze ist wichtig.
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Die Welt wächst immer weiter zusammen; die Digitalisierung macht es möglich. Gleichzeitig haben unsere Wettbewerber in China und in den USA eine Dynamik, die uns in nie dagewesener Weise fordert. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern schneller werden. Und lassen Sie es mich einmal offen sagen: Unser föderaler Staat ist so aufgebaut, dass auch die Länder gesamtstaatliche Verantwortung tragen.
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Wir reden in diesen Tagen viel über die Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen, und das heißt dann auch: gleichwertige Bildungschancen. Hier haben wir definitiv noch Luft nach oben. Wenn wir in der Bildung überall in Deutschland spitze sein wollen, dann müssen wir die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in einer Welt im Wandel erneuern; denn nicht mehr die Bundesländer untereinander sind Wettbewerber. Unsere Wettbewerber in der Bildung sitzen in Singapur, Japan und Estland. PISA lässt grüßen!
Bildung ist auch, Traditionen zu leben und vor Ort verwurzelt zu sein, aber alle jungen Menschen müssen gleiche Chancen in der Bildung haben. Deswegen will ich auch hier und heute noch einmal dafür werben, dass wir unsere gemeinsamen Ziele nicht aus dem Blick verlieren dürfen: hohe Qualität in der Bildung überall in Deutschland, vergleichbare Bildungsstandards und Transparenz der Bildungssysteme innerhalb Deutschlands.
Das erwarten Eltern und Kinder überall in Deutschland zu Recht von uns. Wir arbeiten hier für alle Menschen in unserem Land, und deswegen wollen sie alle auch Lösungen von uns sehen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Anja Karliczek. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Marcus Bühl.
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Vielen Dank. – Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer an den Bildschirmen! Dank der Bereinigungssitzung sinkt der Haushaltsansatz für das Forschungs- und Bildungsministerium nicht, sondern er steigt leicht an. Nun bedeutet „viel“ nicht zwangsläufig, dass es viel bringt. Wenn man sich den Einzelplan anschaut, bekommt man den Eindruck, es handele sich um einen bunten Gemischtwarenladen: Ganztagsbetreuung hier, DigitalPakt Schule dort, Sofortprogramm Kohle, Lehrerbildung oder Forschung.
Mit der Grundgesetzänderung des letzten Jahres verwässert unser Föderalismus immer mehr. Der Bund greift in die Kernkompetenzen der Länder ein. Dazu hat sich der Bund langfristig mit erheblichen Mitteln gebunden, was eigene Handlungsspielräume einschränkt. Mit dem DigitalPakt Schule dringt der Bund flächendeckend in den Schulbereich vor. Meine Damen und Herren, das ist eine besorgniserregende Entwicklung.
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Da lässt es sich leicht vorstellen, dass wir irgendwann auch einen verfassungsrechtlichen Weg finden, den massiven Investitionsstau der Länder bei der notwendigen Sanierung von Schulgebäuden oder dem Lehrermangel in einigen Bundesländern aufzufangen. Und der Investitionsstau bei Schulgebäuden ist mittlerweile ein massives Problem. Was nützt das neueste Tablet, wenn die sanitären Einrichtungen nicht funktionieren oder der Putz von den Wänden fällt?
Bildung ist eine Kernaufgabe der Länder. Wenn es den Bundesländern zum Teil nicht umfassend möglich ist, ihrem Bildungsauftrag nachzukommen, dann müssen wir über einen neuen Steuerverteilungsschlüssel diskutieren, der sie dazu in die Lage versetzt. Aber so, wie wir jetzt verfahren, ein wenig hier, etwas dort, verwässern wir den Föderalismus weiter und fördern eine Abhängigkeit vom Wohlwollen des Bundes.
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Ein weiteres Beispiel des falschen Weges ist der Einstieg des Bundes in die Grundfinanzierung von Landeseinrichtungen. Das Berliner Institut für Gesundheitsforschung soll 2020 in die Charité integriert werden. Der Bundesrechnungshof hat dazu einen kritischen Prüfbericht vorgelegt und beanstandet, dass 2017 und 2018 Bundesmittel durch das Ministerium über Bedarf veranschlagt wurden. Eine Antwort, warum dies so sei, ließen Sie, Frau Ministerin, in der Haushaltsberatung offen.
Außerdem wies der Rechnungshof darauf hin, dass ein hohes Risiko der Quersubventionierung besteht. Sie, Frau Ministerin, strahlten in der Einzelplanberatung Zuversicht aus, dass schon alles gut gelingen werde. Jedoch – da stützen wir voll die Position des Rechnungshofes – bedarf es von Ihrer Seite einer klaren Vereinbarung mit dem Land Berlin sowie konkreter Förderbescheide, um Quersubventionierungen zu vermeiden und für eine transparente Mittelvergabe zu sorgen.
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Abschließend noch einige Bemerkungen zum Entwurf. Der Schwerpunkt – neue Technologien, Digitalisierung und künstliche Intelligenz – ist, verglichen mit anderen Punkten, aus unserer Sicht unterrepräsentiert. Für KI-Professoren sowie den Auf- und Ausbau von KI-Kompetenzzentren sind 2020 nur 39,5 Millionen Euro vorgesehen. Frau Karliczek, verglichen mit anderen Ländern ist das nicht gerade der große Wurf. Auch zweifle ich, dass die viel beschworene Agentur für Sprunginnovationen besonders große Sprünge machen wird.
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Aus unserer Sicht kommt im vorgelegten Haushaltsentwurf die Förderung der beruflichen Bildung zu kurz. Wir als AfD-Fraktion setzen uns für die Aufwertung der beruflichen Bildung und des Handwerks ein.
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Wir können auf unsere Handwerker und Industriearbeiter stolz sein, die die deutsche Qualität weltweit bekannt gemacht haben. Sie gehören gefördert und unterstützt. Auf diesem Weg liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Der nächste Redner: für die SPD-Fraktion der Kollege Oliver Kaczmarek.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haushaltsdebatten haben manchmal die Eigenart, dass wir über einzelne Positionen gar nicht mehr so richtig im Blick haben, was eigentlich die politischen Ziele sind, die wir mit diesem Haushalt verbinden, und wie wir sie zu erreichen versuchen. Deswegen will ich da anknüpfen, wo mein Kollege Swen Schulz schon begonnen hat, und einige Ziele noch mal aufgreifen.
Erstes Ziel. Wir haben mit der Änderung des Grundgesetzes ein neues Kapitel für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Bildung aufgeschlagen. Wir wollen mehr Vergleichbarkeit. Wir wollen mehr Zusammenarbeit. Wir wollen mehr Investitionen in die Bildungsinfrastruktur. Wir sehen beim DigitalPakt Schule gerade, wie das in den Schulen in unseren Wahlkreisen auch ankommt. Wir wollen keinen Zentralismus aus Berlin, sondern wir wollen einen neuen, einen kooperativen Bildungsföderalismus statt der Egotrips einzelner Bundesländer, die wir im Moment gerade besichtigen können.
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Deshalb noch ein Hinweis zum Nationalen Bildungsrat – Frau Ministerin, es hat mich gewundert, dass Sie dieses Thema gar nicht angesprochen haben –: Unser Ziel ist, mit dem Nationalen Bildungsrat einen bereichsübergreifenden Blick auf Bildung zu bekommen, weil sich Bildung eben nicht mehr an einzelne Sektoren koppeln lässt. Wir wollen die Wissenschaft einbeziehen, also das ergänzen, was die KMK an dieser Stelle strukturell gar nicht leisten kann.
Wenn es nach der SPD ginge, dann hätten wir – Sie kennen unseren Kompromissvorschlag – sofort mit dem Bildungsrat starten können. Nur leider haben sich Bayern und Baden-Württemberg entschieden, eine schwarz-grüne Verhinderungsallianz zu bilden. Deswegen sage ich an dieser Stelle auch: Diese taktischen Spiele dürfen nicht auf dem Rücken der Bildungschancen von jungen Menschen ausgetragen werden.
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Deswegen ist meine Erwartungshaltung, Frau Ministerin, dass jetzt nicht allein die Länder gefordert sind. Sie sind die Bundesministerin. Wir haben einen Koalitionsvertrag. Sie haben den Auftrag, weiterhin für den Nationalen Bildungsrat entschieden zu kämpfen.
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Zweites Ziel. Das deutsche Wissenschaftssystem bekommt für ein Jahrzehnt Planungssicherheit. Hochschulen können verlässlich planen. Mit dem Zukunftsvertrag Studium und Lehre haben wir eine solide Grundlage für die Verbesserung der Lehrqualität. Wir wissen nicht, was in zehn Jahren ist, beispielsweise politisch. Aber die Forschungseinrichtungen in diesem Land wissen heute schon, dass sie in den nächsten zehn Jahren ihre Budgets nicht nur halten werden, sondern sie jährlich um drei Prozent erhöht bekommen. Das ist ein einzigartiges Commitment, das wir zwischen Bund und Ländern mit den Partnern in Wissenschaft und Forschung geschaffen haben. Das bringt die Forschung richtig voran.
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Unsere Erwartung jetzt ist ganz klar: Wir wollen Verbesserungen bei der Qualität der Lehre. Wir wollen das auch durch mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse für Daueraufgaben erreichen. Da müssen wir als Bund die Hochschulen an dieser Stelle zusammen mit den Ländern fördern.
Drittes Ziel. Wir sind in diesen zwei Jahren unserer Regierungsverantwortung der Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung deutlich nähergekommen. Das Berufsbildungsgesetz schafft einen modernen Rahmen für die berufliche Bildung. Es hat eben nicht nur die Mindestausbildungsvergütung eingeführt, was ein Wert an sich ist, und es ist ein großer bildungspolitischer Erfolg, dass wir das geschafft haben. Das Gesetz hat eben auch die Rahmenbedingungen für die Auszubildenden und für die Prüferinnen und Prüfer insgesamt besser gestaltet. Es schafft Aufstiegswege für beruflich Qualifizierte. Deswegen werden wir noch in diesem Jahr – die Vorsorge dafür ist in diesem Haushalt schon angelegt; Herr Schulz hat es gerade angesprochen – das Aufstiegs-BAföG anfassen und strukturell verbessern, weil wir wollen, dass Meister und Master wirklich gleichwertige Optionen werden.
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Viertes Ziel. Investitionen in Bildung und Forschung leisten natürlich auch einen erheblichen Beitrag zur Innovationsfähigkeit unseres Landes und unserer Volkswirtschaft. Dauerhaft und garantiert setzen wir daran mit dem Pakt für Forschung und Innovation an, was hier auch schon gerade erwähnt worden ist. Wir investieren darüber hinaus in Zukunftsfelder: Mobilitätsforschung, künstliche Intelligenz, die Arbeitsforschung, um die Transformation zu begleiten. Wir setzen die Hightech-Strategie um und vieles andere mehr.
Uns ist an dieser Stelle besonders wichtig, dass wir mit diesem Haushalt die Leistungen der Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Fachhochschulen deutlich anerkennen und deutlich stärken. Wir erhöhen jetzt im Bundeshaushalt kräftig den Forschungstitel für die Fachhochschulen. Wir haben uns gleichzeitig als Koalition darauf verständigt, dass wir künftig dauerhaft mit einem verlässlichen Aufwuchs operieren wollen, auch für die Fachhochschulen, weil es deren strukturpolitische Bedeutung in einer Zeit des Wandels deutlich unterstreicht.
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Ich komme zum Schluss auch noch mal zu der steuerlichen Forschungsförderung, weil es mich gestern in der Generalaussprache doch ein bisschen irritiert hat, dass die Bundeskanzlerin – Herr Brinkhaus hat sich ähnlich geäußert – die Unternehmensbesteuerung insgesamt anfassen will. Ich habe die entsprechende Stelle dazu im Koalitionsvertrag gar nicht gefunden.
Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass hier in der Debatte deutlich gemacht worden wäre: Wir haben die Unternehmen an dieser Stelle entlastet, und zwar insbesondere die, die in Forschung und Innovation investieren. Wir sind der Meinung: Wir brauchen keine Entlastung mit der Gießkanne, sondern wir brauchen gezielte Förderung von Forschung und Innovation. Das haben wir mit einer Milliarde Euro für die Forschungsförderung geschafft.
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Deshalb: Die Richtung stimmt. Es gibt aber noch viel zu tun.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Kaczmarek. – Der nächste Redner: Dr. Thomas Sattelberger, FDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein toller Tag heute –
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nicht wegen des Etats, liebe Frau Ministerin. Meine Mutter, Herta Sattelberger, feiert heute ihren 95. Geburtstag, und sie sieht mir heute zu. Herzlichen Glückwunsch!
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Nun zur Sache. Der Bundestag entscheidet in dieser Woche, wie viel Geld dieses Land in die Vergangenheit, in die Gegenwart oder in die Zukunft steckt. Bildung und Forschung sind das Lebenselixier und die Zukunft jeder Nation. Das führt zu gebildeten und kreativen Menschen, zu Innovation, Arbeit, Wohlstand und sozialer Sicherung für 83 Millionen Frauen und Männer hierzulande.
Doch der Haushaltsentwurf und die Anträge sprechen eine andere Sprache. Die Bundesregierung schreibt linear das Alte fort. Das langweilt mich tödlich. Die Linke holen Anträge aus der Mottenkiste -
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gut für den Staubsauger.
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Die Grünen – zukunftsbesessen, aber mit ideologischer Brille. Und die AfD ist immer noch dabei, sich einzuarbeiten.
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Wir Freien Demokraten sind in diesem Hause die Einzigen, deren Anträge sich durch experimentelle Neugierde, durch Zukunftsentwürfe und durch den Bruch mit alten Routinen auszeichnen.
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– Da mögen Sie lachen. – Das Alte kommt aus der bekannten Ecke, und das Neue kommt von uns.
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Deswegen haben wir über 1 Milliarde Euro zusätzlich beantragt, sauber gegenfinanziert. Selbst Kollege Tankred Schipanski musste diese saubere Gegenfinanzierung, sicherlich etwas verschämt, zugestehen.
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Wir wollen ein BAföG, das jeden Menschen, unabhängig vom Elternhaus, Studium und Leben gestalten lässt.
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Wir wollen eine Exzellenzinitiative Berufliche Bildung statt Bachelor Professionals, und wir wollen eine Öffnung akademischer Begabtenförderwerke für beruflich Qualifizierte. Viermal mehr Studenten als Azubis erhalten Stipendien. Frau Ministerin, darüber haben Sie noch gar nicht nachgedacht.
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Wir sind die Einzigen, die neben der Digitalisierung auch die Biologisierung und die Raumfahrt im Auge haben, die großen Zukunftsfelder. Hier drücken sich ja die Grünen immer wieder. Robert Habeck hat ja bei der Gentechnik vorsichtig seine große Zehe durch den Türspalt herausgestreckt; sie wurde aber gleich eingequetscht.
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Obwohl Grüne und Rote Gentechnik gegen den Hunger in dieser Welt und gegen tückische Krankheiten helfen, sind wir die Einzigen, die dafür auch die entsprechenden finanziellen Positionen fordern. Deutschland braucht eine starke Gentechnik,
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und Deutschland braucht einen New-Space-Forschungsfonds und mehr Investitionen in Intelligenz, nicht nur in die Intelligenz dieser Regierung, sondern auch in die Intelligenz der KI-Strategie.
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Wir haben zunehmend Vorschläge gemacht, wie unsere „fetten Katzen“ wieder etwas gelenkiger werden können. Damit meine ich nicht die Forscherinnen und Forscher, sondern die schwerfälligen Tanker – Fraunhofer, Max Planck, Leibniz und Helmholtz – ; denn sie müssen natürlich wieder agiler, experimenteller, kreativer werden. Natürlich, das geht; man denke an neue Zielgrößen und Steuerungsmechanismen.
Für ländliche Regionen jenseits der großen Metropolen fordern wir dringend die nötige Innovationsbrücke zwischen umsetzungsfreudigen Hochschulen und kleinen und mittleren Unternehmen und der Gesellschaft – die Deutsche Transfergemeinschaft.
Lieber Herr Kaczmarek, Fachhochschulen kriegen ein jämmerliches Almosen, und Universitäten kriegen 30-mal mehr für die Forschung als Fachhochschulen für ihre anwendungsorientierte Forschung.
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Das muss sich ändern.
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Dabei ist gar nicht zu reden von Maßnahmen für die systematische Gewinnung internationaler Spitzentalente aus Wissenschaft, Forschung und Softwareentwicklung für dieses Land. Hätte die Bundesregierung auf uns gehört, sie hätte für die vollmundig angekündigten und proklamierten KI-Professoren nicht nur zwei Kandidaten, sondern sie hätte deutlich mehr und Hunderte mehr an Postdocs für die künstliche Intelligenz. Aus Prinzip müssen die Koalitionsfraktionen unsere Anträge ablehnen. Eigene Ideen haben sie ja nicht auf den Tisch gelegt.
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Frau Ministerin, Frau Karliczek, der Speck rutscht Ihnen weg – schade.
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Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege Sören Pellmann.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Tagesordnungspunkt am heutigen Tag sprechen wir über Bildung und Forschung. Das hat hoffentlich nichts mit der Wertigkeit von Bildung innerhalb der Großen Koalition zu tun. Meine Kollegin Gesine Lötzsch ist in ihrem Beitrag ja bereits auf grundlegende Punkte und unsere Anträge eingegangen.
Als Lehrer und Bildungspolitiker werde ich auf zwei Schwerpunkte aus dem Bildungsbereich eingehen. Dabei will ich – auch das ist heute von Einzelnen schon genannt worden – mit einer Kritik beginnen: Offenbar haben Bayern und Baden-Württemberg kein Interesse am gemeinsamen Wirken für eine bessere Bildungspolitik.
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Oder warum wird von dort der Nationale Bildungsrat so entschieden abgelehnt?
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Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen haben aber nicht nur etwas damit zu tun, aus welchem Bundesland man kommt. Bereits seit den 2000er-Jahren wurde in mehreren Studien dargelegt: Soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit führen auch zu Bildungsungerechtigkeit.
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Hier sagt Die Linke: Bildungschancen dürfen nicht vom sozialen Status und Geldbeutel der Eltern abhängen.
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Auch deshalb müssen wir heute in Zukunft investieren; besonders im Bildungsbereich ist das dringend erforderlich. Ich zitiere:
Zur Verbesserung der Bildung werden wir eine Investitionsoffensive für Schulen auf den Weg bringen. Diese umfasst zusätzlich zum laufenden Schulsanierungsprogramm die Unterstützung der Länder bei ihren Investitionen in die Bildungsinfrastruktur ...
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Wer könnte das geschrieben haben?
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Klar, es könnte ein Antrag der Linken sein. Aber nein, es steht so in Ihrem Koalitionsvertrag.
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Also, liefern Sie endlich!
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Ich kenne viele Schulen von innen und von außen. Wie sieht denn die Realität dort aus? Zu viele befinden sich immer noch in einem baulichen Gammelzustand. Ich erinnere mich da an Schülerinnen und Schüler meiner vierten Klasse: Sie haben es vermieden, auf die Toilette zu gehen, weil diese einfach nur gammelig und eklig war. In anderen Schulen mussten Keller wegen Schimmel geschlossen werden. Turnhallen wurden abgeschlossen; Klassenräume sind zu wenig da. Dazu kann sicherlich der eine oder andere hier im Raum weitere Beispiele beisteuern.
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Die Kreditanstalt für Wiederaufbau – auch darauf ist Kollegin Lötzsch schon eingegangen – beziffert den Investitionsrückstau im Bereich Schule auf 42,8 Milliarden Euro, und dieser Bedarf ist in den letzten Jahren nicht weniger geworden, sondern er ist gestiegen.
Als Stadtrat von Leipzig weiß ich natürlich um die Verantwortung der Kommunen; auch das ist hier schon benannt worden. Immerhin sind 96 Prozent aller Schulen in kommunaler Hand. In Leipzig zum Beispiel – dort regieren im Übrigen SPD, Grüne und Linke zusammen – haben wir ein Investitionsprogramm bis 2025 von einer halben Milliarde Euro auf den Weg gebracht. Das geht nur durch Verzicht und den Wegfall weiterer Aufgaben. Aufgrund unzureichender Fördermittel werden diese dringenden Investitionen bereits jetzt bei einzelnen Maßnahmen bis zu 100 Prozent aus kommunalen Mitteln finanziert. Hier ist der Bund in Verantwortung. Handeln Sie!
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Dazu kommt, dass Baukosten mittlerweile deutlich gestiegen sind. In einzelnen Gewerken beträgt die Steigerung bis zu 70 Prozent . Das ist eine zunehmende Herausforderung für alle Kommunen. Ohne zusätzliche finanzielle Mittel vom Bund wird das nicht zu schaffen sein.
Ein zweites Problem treibt mich um. Wenn wir das gerade erwähnte Bauprogramm umgesetzt haben, stehen wir vor dem nächsten Problem: dem Lehrerinnen- und Lehrermangel. Als Lehrer, der aus Sachsen kommt, habe ich das Problem Lehrermangel hautnah erleben dürfen. Der Freistaat Sachsen hatte zugesichert, dass vor jeder Klasse eine „Lehrperson“ stehen wird. Dass vor jeder Klasse eine Lehrerin oder ein Lehrer steht, konnte er hingegen nicht sicherstellen.
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Laut Kultusministerkonferenz fehlen alleine bis 2025 – das ist nicht mehr so lange hin – an Grundschulen 15 300 Lehrerinnen und Lehrer; die Bertelsmann-Stiftung geht sogar von 26 300 aus. Die Lösung kann langfristig nur lauten: Investieren wir in die Zukunft – in attraktive Lernumgebungen, aber auch in attraktive Ausbildung.
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Stärken wir gemeinsam auch die Attraktivität des Lehrerberufs. Bund und Länder verantworten durch Wegsehen weiterhin eine Bildungskatastrophe. Nehmen Sie also, liebe GroKo, Ihren Koalitionsvertrag ernst, und investieren Sie jetzt mehr in Bildung.
Vielen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Margit Stumpp, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Ministerin Karliczek! Der Haushalt Ihres Ministeriums macht zwei Punkte deutlich: die fehlende Unterstützung für Sie am Kabinettstisch und Ihr mangelndes Interesse an guter Bildung und gleichen Chancen für alle.
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Das ist tragisch; denn Sie stehen dem Zukunftsministerium schlechthin vor, haben die Hebel für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Chancengerechtigkeit in der Hand und gehen trotzdem die drängenden Themen der Bildungspolitik nicht an. Das spricht allen Sonntagsreden Hohn, in denen Sie und Ihre Koalitionsvertreterinnen den Stellenwert der Bildung für unser Land immer wieder betonen.
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Die Realität sieht ganz anders aus.
Beispiel Chancengerechtigkeit. Seit Jahren sind die Probleme von Schulen in benachteiligten Quartieren und Regionen bekannt. Dort finden sich multiple Problemlagen: viele Schülerinnen mit ungünstigen Startchancen, heruntergekommene Räumlichkeiten, Lehrkräftemangel,
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kaum zusätzliches Personal zur Entlastung der Lehrkräfte und für individuelle Förderung der Kinder aus Elternhäusern, die nicht die gewünschte Unterstützung leisten können. So weit, so bekannt.
Die Antwort Ihres Ministeriums: ein Forschungsprogramm über zehn Jahre, lächerlich finanziert, und kein einziger Cent investiert für eine wirkliche, also im Schulalltag spürbare Verbesserung. Es ist geradezu erschütternd, dass hier zehn Jahre verschenkt werden, statt ernsthaft für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen.
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Ihr Feuerwerk, das Sie vorher angekündigt haben, entpuppt sich hier als Ansammlung von Rohrkrepierern.
Nächstes Beispiel: der Rechtsanspruch auf Ganztag in der Grundschule, ein Vorhaben, das wir natürlich unterstützen, aber nicht so, wie Sie es angehen. Ganztagsschule muss selbstverständlich mehr sein als bloße Aufbewahrung der Kinder am Nachmittag. Das heißt im Umkehrschluss zwingend, dass der Bund gemeinsam mit den Ländern anspruchsvolle Qualitätsstandards für den Ganztag entwickeln muss.
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Wie soll das mit dem Einsatz von 1 Milliarde Euro in diesem Jahr und vielleicht einer weiteren im kommenden Jahr funktionieren?
Zur Einordnung: Das Deutsche Jugendinstitut geht von Investitionen von bis zu 7,5 Milliarden Euro aus. Die Betriebskosten belaufen sich auf geschätzte 4,5 Milliarden pro Jahr. Und Sie kommen mit 1 Milliarde um die Ecke? Dabei sind Sie vom Ziel, 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung auszugeben, mit nicht einmal 5 Prozent meilenweit entfernt. Wer soll Ihnen da die Ernsthaftigkeit und den tatsächlichen Willen zu Qualität abkaufen?
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Und zu guter Letzt – die SPD will das ja unbedingt –: die Misere beim Bildungsrat. Die Themen liegen auf der Hand und sind brennend: mehr Vergleichbarkeit bei Abschlüssen und Standards und die Absicherung der Bildungsforschung. Man fragt sich, ob Sie diesen Bildungsrat überhaupt jemals wollten
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oder wirklich glaubten, zum Auftakt die Länder erst mal vor den Kopf stoßen zu müssen, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.
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Selten hat es eine Bundesbildungsministerin den Ländern einfacher gemacht, sich in der Konfrontationsposition einzurichten.
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Vor zwei Wochen habe ich die Antwort aus dem Ministerium erhalten auf die Frage, wann der Bildungsrat zum Arbeiten kommen soll: Wir hoffen, 2020 mit den Verhandlungen zum Abschluss zu kommen. – Da weitet sich der Horizont bis in die nächste Legislatur.
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Das Scheitern des Bildungsrates geht in erster Linie auf Ihre Rechnung, Frau Karliczek.
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Gute Bildung kann es nur geben, wenn Bund und Länder endlich auf Augenhöhe kooperieren.
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Wir brauchen dringender denn je einen modernen Bildungsföderalismus, der eine gute Zusammenarbeit aller Ebenen ermöglicht.
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Mit diesem Haushalt haben Sie wieder eine Chance vergeben. Und das ist nicht nur schade, das ist mit Blick auf unsere Kinder einfach nur bitter.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Albert Rupprecht.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Stumpp, Sie haben einen kurzen Vorgeschmack darauf gegeben, wie, sollten die Grünen irgendwann mal hier in der Regierung sein,
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die Diskrepanz zwischen Realität, Übernehmen von Verantwortung und Sonntagsreden sein wird.
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Sie haben den Versuch gemacht, sich rauszumogeln und durchzuwurschteln. Das wird Ihnen auf Dauer nicht gelingen.
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Herr Sattelberger, ich persönlich glaube, dass Sie in der Tat das Thema Innovationskraft sehr ernst nehmen. Ich möchte trotzdem darauf hinweisen: Bei der zentralen Frage, der Innovationskraft unseres Mittelstandes, diskutieren wir seit Jahren ein Instrument, nämlich die steuerliche Forschungsförderung, von dem wir uns all die Jahre so viel erwartet und das wir letztendlich auch beschlossen haben.
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Die FDP hatte vor zehn Jahren in der schwarz-gelben Koalition die Möglichkeit, das mit uns zu beschließen. Wir haben Monate daran gearbeitet.
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Ihr Kollege, Herr Solms, war es, der am Schluss ein Veto eingelegt hat, weil er beleidigt war, dass es nicht zu Steuervereinfachungen kommt. Er hat eine Steuerentlastung für unsere Unternehmen im Sinne von mehr Forschung und Innovation verhindert. Wir wären zehn Jahre weiter, hätte die FDP damals das getan, wovon Sie heute reden, sehr geehrte Damen und Herren.
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, eine Anmerkung zur Debatte um den Bildungsrat: Natürlich ist Schulbildung Kernkompetenz der Länder. Zumindest ich persönlich leite aus den Formulierungen im Koalitionsvertrag, den ich in den Verhandlungen mitformuliert habe
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– genau; so war es –,
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nicht ab, dass sich die Länder Sorgen machen müssten. Die Sorgen, die die Länder da haben, teile ich nicht, zumindest aus den Formulierungen heraus.
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Wie die Verhandlungen gelaufen sind, dazu kann ich nichts sagen; daran war ich nicht beteiligt. Trotzdem respektiere ich die Position, dass die Ländervertreter, was ihre Kernkompetenz betrifft, Sorge haben, dass ihnen vonseiten des Bundes reinregiert wird.
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Noch mal: Ich teile diese Furcht nicht; aber ich respektiere die Sorge. Ich habe Respekt vor denjenigen, die sagen: Im Zweifelsfall müssen wir da noch mal auf null.
Das ändert aber nichts daran – das gehört zur Wahrheit dazu –, dass auch der Bund in vielen Bereichen Zuständigkeiten in der Bildung hat. Wenn wir in diesem Haushalt unseres Ministeriums 6,7 Milliarden Euro für Bildung ausgeben, dann zeigt das: Wir geben das Geld aus, nicht weil wir nichts anderes zu tun haben, sondern weil wir verfassungsgemäße Zuständigkeiten haben, beispielsweise in der beruflichen Bildung, in der Hochschulbildung, bei dem Megathema „lebenslanges Lernen“ oder aktuell bei dem Projekt DigitalPakt mit 5 Milliarden Euro insgesamt und allein in diesem Haushaltsjahr 2020 mit beinahe 1 Milliarde Euro. Das zeigt, dass wir Zuständigkeiten haben. Das heißt für mich auch, dass es notwendig ist, dass zwischen Bund und Ländern Abstimmungen und gemeinsame verlässliche Vereinbarungen zwingend notwendig sind.
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Anderenfalls wird Bildung in unserem Land nicht gelingen.
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Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, braucht es auch Formate, und es braucht Institutionen. Und wenn der Bildungsrat nicht gewollt ist, dann muss über andere Formate diskutiert werden. Ich persönlich bin der Meinung, dass der Bildungsgipfel aus dem Jahr 2008 ein Riesenerfolg war, weil dort genau das, was im kooperativen Föderalismus notwendig ist, gemacht wurde: Es wurden gemeinsame Ziele vereinbart, anspruchsvolle Ziele.
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Es wurden entsprechend der verfassungsgemäßen Zuständigkeit die Aufgaben verteilt. Man hat über Jahre den Prozess begleitet, sich wieder zusammengesetzt, nachgesteuert, geschaut, wie weit man bei der Umsetzung ist.
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Im Ergebnis war der Bildungsgipfel ein großer Erfolg, wenn man sich die Auswertungen anschaut. Deswegen plädiere ich persönlich für eine Neuauflage des Bildungsgipfels von 2008.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, der Bildungsgipfel ist ein Paradebeispiel, um zu lernen, wann Forschung und Bildung in Deutschland erfolgreich ist. Es ist erfolgreich, wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen, und es ist erfolgreich, wenn wir über die Säulen hinweg zusammenarbeiten, nicht indem jeder alles macht – manche in diesem Parlament hätten gern, dass jeder für alles zuständig ist, was aber organisierte Verantwortungslosigkeit bedeuten würde –, sondern indem gemeinsame Leitbilder und Ziele formuliert werden und auf Basis der eigenen Zuständigkeiten und Stärken entsprechend der verfassungsgemäßen Zuständigkeit und dem Subsidiaritätsprinzip jeder seinen Beitrag leistet. Dann wird aus Vielfalt, die wir in unserem Land haben, Stärke und Schlagkraft.
Es entsteht Stärke in unserem Land in den Bereichen Forschung und Bildung, wenn wir diese Versäulung aufbrechen und über die Säulen hinweg zusammenarbeiten. Das sehen wir an den großen Projekten. Das sehen wir am Pakt für Forschung und Innovation. Die Ministerin hat es gesagt: Er ist ein Meilenstein, 120 Milliarden Euro Verlässlichkeit für die nächsten zehn Jahre,
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gemeinsam in der GWK von Bund und Ländern erarbeitet, herausragend, einzigartig. So was gibt es auf der ganzen Welt in dieser Dimension und in dieser Qualität nirgendwo. Ich glaube, das ist der richtige Weg, wie wir das machen müssen.
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Zentraler Inhalt ist auch bei diesem Pakt für Forschung und Innovation, die Versäulung aufzubrechen, dahin gehend, dass Transfer bzw. Transformation stärker, als das bisher der Fall war, gelingt.
Auch bei der Exzellenzstrategie sehen wir, dass durch das Zusammenwirken in einer gesunden Breite, finanziert vor allem durch die Länder, aber durch den Bund unterstützt, die Spitze erreicht wird. Der Bund kann durch seinen Beitrag einen Mehrwert liefern, damit wir im weltweiten Wettbewerb mithalten können und an vorderer Stelle mit dabei sind.
Ich nenne ein anderes Beispiel bei den Fachprojekten: die deutschen Zentren für Gesundheitsforschung. Eine Vielzahl von Standorten, von den Ländern wesentlich finanziert, wird, unterstützt durch den Bund, zusammengeführt. Daraus entstehen – dauerhaft finanziert – Qualität und Mehrwert in einem institutionalisierten Verbund. Früher wurde Deutschland in Boston, dem Nukleus der weltweiten Medizinforschung, gar nicht beachtet. Heute, im Jahr 2019, schaut man mit Wertschätzung auf Deutschland, auf die deutschen Zentren für Gesundheitsforschung.
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Wir werden diesen Bereich in dieser Legislatur auf Kinderkrankheiten und psychische Erkrankungen ausweiten.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, umgekehrt gilt aber auch: Wo Versäulung und Fragmentierung existieren, bleiben wir hinter unseren Möglichkeiten. Wir haben noch mehr Potenzial, beispielsweise bei der digitalen Medizin; da sind wir zweitklassig. Wir haben alles an Know-how, was man am Standort braucht. Wir haben Akteure, die das können. Aber es gibt zu wenig rechtliche und politische Verlässlichkeiten und Grundlagen für die Akteure, damit das am Standort Deutschland umgesetzt wird.
Deswegen war es ein Meilenstein und ein richtiger und wichtiger Schritt, dass Minister Spahn es mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz erstmalig erreicht hat, dass die Kette vom Patienten zum Arzt, vom Arzt zur Forschung und zurück eine geschlossene Kette ist und dass der Innovationskreislauf jetzt funktionieren kann. Das ist ein Meilenstein für die Behandlung von Krebs, Demenz und vielen anderen Krankheiten.
Ich nenne ein weiteres Beispiel: Energieforschung. Auch da gibt es etwas zu tun. Wir haben die Grundlagenforschung im BMBF und die angewandte Forschung im Wirtschaftsministerium. Nicht selten gelingt es nicht, die Erkenntnisse der Grundlagenforschung in die angewandte Forschung zu übertragen. Da spielen auch Ressortbefindlichkeiten und Abstimmungsschwierigkeiten mit hinein. Die Hightech-Strategie war vom Grundansatz her absolut richtig und ist aktueller denn je; sie muss nur weiterentwickelt werden.
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Zu oft wird auf Ministerial- und auf Abteilungsleiterebene abgestimmt, aber es fehlt letztendlich die politische Durchschlagskraft. Ich bin deswegen der Meinung, dass die Hightech-Strategie weiterentwickelt werden muss, um diese Versäulung aufzubrechen. Ich bin auch der Meinung, dass im Zweifelsfall das Kanzleramt bei Schlüsselfragen nicht nur koordinierend oder primär koordinierend, sondern entscheidend und durchregierend wirken muss, um zu Ergebnissen zu kommen.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben, wenn wir uns die aktuellen Zahlen anschauen, eine positive Entwicklung. Wir sind im Forschungs- und Bildungsbereich insgesamt auf einem sehr guten Weg. Wir haben einen neuen Rekord bei den Forschungsausgaben: 3,13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist ein erstklassiger Wert. Wir haben damit die USA überholt und sind weit vor Frankreich und Großbritannien. Herr Sattelberger, die steuerliche Forschungsförderung wird einen weiteren Schub bringen. Wir werden, wenn es so weitergeht, das Ziel, 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Bildung auszugeben, 2025 erreichen.
Entscheidend ist in den nächsten Jahren für den Innovationsstandort Deutschland, dass wir die Versäulung aufbrechen, dass wir die starken Assets, die wir haben, in einer Kette aneinanderreihen, über die Säulen hinweg zusammenarbeiten, egal ob zwischen Einzelunternehmen, zwischen Forschung und Wirtschaft oder zwischen Bund und Land. Dann kann das auch gelingen.
Danke schön.
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Vielen Dank, Kollege Rupprecht. – Für die AfD hat das Wort der Kollege Dr. Marc Jongen.
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Herr Präsident! Frau Ministerin Karliczek! Meine Damen und Herren! Mit einer Delegation des Bildungsausschusses war ich diesen Sommer in den USA auf der Jahrestagung des GAIN, des German Academic International Network. Einige Hundert deutsche Wissenschaftler in den USA kommen dort jedes Jahr zusammen, um sich bei Vertretern von deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen über die mögliche Fortsetzung ihrer akademischen Karriere in Deutschland zu informieren. Es ist beeindruckend, wie viele junge Talente aus allen wissenschaftlichen Gebieten sich dort auf engem Raum versammeln. Ja, Frau Ministerin, Deutschland hat die gut ausgebildeten Menschen, wie Sie sagten, aber immer mehr von ihnen verlassen Deutschland, weil sie hier nicht die richtigen Bedingungen vorfinden – das haben Sie nicht gesagt –, und das ist unser Problem.
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Dass eine solche Veranstaltung wie GAIN überhaupt notwendig ist, ist ein Anzeichen für gravierende Missstände im deutschen Hochschulsystem, die nämlich zu einem kontinuierlichen Verlust der besten Köpfe führen.
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Wenn man bedenkt, dass allein im Zeitraum von 2006 bis 2016 über 4 200 hochqualifizierte Wissenschaftler aus Deutschland abgewandert sind,
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wenn man weiter bedenkt, dass allein an US-amerikanischen Forschungseinrichtungen 20 000 deutsche Wissenschaftler arbeiten, dann ahnt man die Dimensionen dieses Braindrain, und der hat systemische Gründe, werte Kollegen.
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Die Bundesregierung – Sie wahrscheinlich auch – leugnet ja schlichtweg, dass es einen solchen Braindrain überhaupt gibt.
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– Ja, eben. „Gibt es nicht“, höre ich da schon. – In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion schreiben Sie, Deutschland sei ein attraktives, weltoffenes Land.
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Die Abwanderung hochqualifizierter deutscher Wissenschaftler sei nicht Gegenstand amtlicher Statistiken. Stattdessen sprechen Sie von einer Braincirculation: Die einen gehen, die anderen kommen. – Ja, die Hochqualifizierten gehen,
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und es kommen die gering bis gar nicht Qualifizierten. Das ist doch die Realität.
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Diese Probleme verschwinden auch nicht, indem man sie statistisch nicht erfasst.
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Deutschland muss endlich attraktiv für Hochqualifizierte und, ja, auch grundsätzlich unattraktiv für Nichtqualifizierte werden, meine Damen und Herren.
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Als Akutmaßnahme fordern wir im aktuellen Haushalt die Erhöhung der Mittel für Leistungswettbewerbe und Preise für den wissenschaftlichen Nachwuchs um 5 Millionen auf 18 Millionen Euro, und wir fordern 10 Millionen Euro mehr für den Sofja-Kovalevskaja-Preis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, der es besonders begabten deutschen Wissenschaftlern ermöglicht, nach Deutschland zurückzukehren.
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Aber das ist alles letztlich Kosmetik. Wir müssen die Ursachen für die Abwanderung der Hochqualifizierten beseitigen.
({11})
Die liegen neben dem materiellen Aspekt der Unterbezahlung vieler Wissenschaftler und der Unsicherheit ihrer Karrieren maßgeblich auch im Atmosphärischen. Die Freiheit der Wissenschaft, meine Damen und Herren, steht zwar im Grundgesetz, an vielen Universitäten ist sie heute aber nicht mehr gegeben.
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Wenn Bernd Lucke in Hamburg seine Vorlesung nicht halten kann, weil ein linksradikaler Mob ihn daran hindert, wenn die Professoren Baberowski und Münkler in Berlin von linksradikalen Gruppen jahrelang drangsaliert und diffamiert werden und die Universitätsleitungen ihnen nicht wirklich zur Seite stehen, dann zeigt das, wie bleiern sich die politische Korrektheit über das Land gelegt hat und eine kleine radikale Minderheit der Mehrheit die Spielregeln diktiert.
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Der Deutsche Hochschulverband warnte im April dieses Jahres vor Einschränkungen der Meinungsfreiheit an deutschen Universitäten und konstatierte einen Verfall der Debattenkultur. Das ist keine Erfindung der AfD, werte Kollegen. Das wird sich erst ändern, wenn man aufhört, Andersdenkende mit maximal diffamierenden Vokabeln wie „Nazi“, „Rassist“ usw. zu belegen.
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Jedes Mal, wenn Sie das hier in diesem Haus tun, geben Sie den Linksradikalen da draußen das Signal: Stört diese Vorlesung! Verhindert diese Veranstaltung mit Gewalt! Ihr habt unseren Segen. – So sollten wir hier im Bundestag nicht miteinander sprechen, meine Damen und Herren. Wir sollten mit gutem Beispiel vorangehen.
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Die heutige Debatte war – zumindest bis vorhin – in dieser Hinsicht durchaus vorbildlich; das sei fairerweise zugestanden.
Vielen Dank.
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Der nächste Redner ist der Kollege René Röspel, SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eigentlich immer wieder eine Freude, zum Haushalt für Bildung und Forschung zu reden; denn in den letzten 20 Jahren haben die Regierungen, die verantwortlich waren – das gilt übrigens für alle –, dafür gesorgt, dass wir jedes Jahr mehr Geld für Bildung und Forschung zur Verfügung haben. Das ist ein gutes Zeichen für unser Land, und das hat auch dazu beigetragen, dass Deutschland wieder ein exzellenter, international nachgefragter Wissenschaftsstandort ist.
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Ich war zuletzt vor 20 Jahren bei der GAIN-Tagung – anders als viele Kollegen, die in den letzten Jahren da waren – und habe mitbekommen, dass die deutschen Wissenschaftler – wir erwarten ja auch, dass junge Menschen ins Ausland gehen, um Erfahrungen zu sammeln –, die in den USA waren, gefragt haben: Was bietet ihr uns eigentlich in Deutschland an, damit wir zurückkommen? – Und tatsächlich: In den letzten Jahren hat man erlebt, dass es wieder attraktiv ist, nach Deutschland zurückzukommen, und die meisten kommen auch wieder zurück.
Wären Sie heute Morgen beim Helmholtz-Forschungsfrühstück zum Thema Diabetes gewesen, hätten Sie einen der renommiertesten Diabetesforscher kennengelernt. Der ist aus den USA wieder zurückgekommen und hat keinen Ruf mehr in den USA angenommen, weil er sagt: Hier kann ich verlässlich, langfristig und sicher forschen. – Es gibt ganz viele, die das sagen, und das ist gut für den Standort. Was Sie sagen, ist schlicht und einfach falsch.
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Eine Haushaltsdebatte bietet auch immer die Möglichkeit, politische Unterschiede darzustellen; das kann man hier gut tun. Dabei sollte man allerdings auch wahrhaftig sein, finde ich.
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Wir als SPD bekennen uns ausdrücklich dazu: Ja, wir wollen die Kommunen nicht im Stich lassen bei schlechten Schulen und veralteten Schwimmbädern. Wir sorgen vielmehr seit 10, 15 Jahren dafür, alle Wege wahrzunehmen, die wir als Bund haben, um die Kommunen zu unterstützen. Vor zehn Jahren war das ein Konjunkturprogramm; ganz viele Schulen konnten saniert werden. Wir haben ein kommunales Investitionsprogramm mit einem Volumen von 3,5 Milliarden Euro, und wir machen den DigitalPakt Schule mit einem Volumen von 5 Milliarden Euro. Wir setzen das, was wir wollen, um, weil wir sagen: Wir als SPD – die Union übrigens auch – wollen Kommunen unterstützen.
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Sie als AfD haben vorhin gesagt: Ihr seid ja gar nicht zuständig. – Das heißt, Sie sagen, wir dürfen das nicht machen. Bekennen Sie doch Farbe! Wollen Sie eigentlich Schulen sanieren und bessere Schulen haben, oder wollen Sie es nicht?
Es gibt auch andere Fälle. Wir wissen mittlerweile, dass Sie beim Solidarpakt dafür sind, dass auch Millionäre davon befreit werden. Wir als SPD sagen: Nein, Millionäre können den Soli ruhig weiterzahlen; denn wir brauchen diese 10 Milliarden Euro, um in Bildung und Zukunft zu investieren.
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Sie fordern: Entlastet die Millionäre! Die FDP übrigens auch. Gleichzeitig beantragen Sie im Ausschuss, die Mittel für Schüler-BAföG für dieses Jahr um 59 Millionen Euro zu kürzen,
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also die Eltern zu belasten, die nicht das Geld haben, ihre Kinder auf ein Gymnasium zu schicken. Da fordern Sie: Da sollen 59 Millionen Euro gekürzt werden. Das ist AfD.
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Im Übrigen haben Sie nicht nur da Kürzungen gefordert. Sie haben beantragt, das BAföG um ein Drittel zu kürzen, um 450 Millionen Euro,
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weil Sie sagen: Es gibt zu viele Mediziner in diesem Land, und es studieren zu viele Medizin.
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Wo leben Sie denn? Ich hoffe, dass die Leute in der Bevölkerung merken, was Sie hier eigentlich veranstalten wollen.
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– Schreien Sie! Das ist richtig schön. Anders können Sie nicht, weil Sie sich nämlich an der Wahrheit vorbeidrücken und Ihre Sichtweise propagieren.
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Zwei Punkte sind uns wichtig. Es ist gut – Stefan Kaufmann, herzlichen Dank –, dass wir es geschafft haben, den Titel „Forschung für Produktion, Dienstleistung und Arbeit“ auf dem bisherigen Niveau weiterzuführen. Das hört sich sperrig an: „Forschung für Produktion, Dienstleistung und Arbeit“. Wenn allerdings die Handelskammern ihre Unternehmen fragen: „Wovor habt ihr in Zukunft am meisten Sorge?“, dann spielen China und Brexit natürlich eine Rolle. Aber mit oben auf der Liste taucht immer auf: Wir haben Sorge, dass wir keine Fachkräfte mehr bekommen.
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Da ist ein richtig guter erster Schritt, dass Hubertus Heil als Arbeitsminister das Fachkräftequalifizierungsgesetz auf den Weg gebracht hat, um Arbeitnehmer zu qualifizieren.
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Der zweite wichtige Schritt ist, dass wir weiter daran forschen, wie die Arbeit der Zukunft aussieht, wie die Produktion aussieht und wie die Dienstleistungen aussehen. Das ist ein wichtiger Bereich, den wir hinbekommen haben.
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Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet die FDP vorschlägt, diesen Bereich zu kürzen, um Weltraumprojekte zu finanzieren. Abgehoben würde ich das nennen.
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Vielen Dank, dass wir gemeinsam diesen Haushalt so erfolgreich gestalten können. Wir werden das in den nächsten beiden Jahren hoffentlich weiter tun können.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat als Nächstes das Wort der Kollege Tankred Schipanski.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende einer so lebhaften Debatte und gerade nach René Röspel kann man zusammenfassen: Es ist eine ganz klassische Debatte, liebe Damen und Herren auf der Zuschauertribüne, an den Fernsehapparaten. Die Linke propagiert natürlich den Bildungsnotstand in Deutschland, dabei ist sie selber in Verantwortung. Ihr Minister war Präsident der KMK, und seitdem Sie in Thüringen Verantwortung tragen, sind die Thüringer Schulen bei den Bildungsvergleichen um drei Plätze zurückgefallen.
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Die Grünen werfen uns Schönreden vor. Dass Sie die Batteriezellenforschungsfabrik noch einmal ausgraben, finde ich erstaunlich. Mehr Transparenz geht da nicht.
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Besuchen Sie den Forschungsausschuss. Dort gab es die Fakten – das waren eben Fakten, die man zur Kenntnis nehmen muss –, aber eben nichts zum Skandalisieren.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, wir führen erst einmal aus, und dann schauen wir weiter.
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– So ist das, natürlich.
Zur AfD: René Röspel hat schön dargestellt, welche Fake News bezüglich der Meinungsfreiheit verbreitet werden. Man kann in der Generaldebatte vom Mittwoch nachlesen, wie es sich damit verhält. Das Gleiche gilt für die Wissenschaftsfreiheit. Bei der FDP, lieber Kollege Sattelberger, war es ein bisschen Selbstbeweihräucherung. Ihre Keywords kamen – die Katzen, die Tanker, der Speck.
Meine Damen und Herren, das Schlüsselwort für die Unionsfraktion ist die „Bildungsrepublik“; Albert Rupprecht hat es angesprochen. Wir haben die Bildungsrepublik Deutschland vor zehn Jahren ausgerufen. Das ist ein Dreiklang, in dem der Bund tätig ist, nämlich als Verantwortungsträger, als Impulsgeber und als Innovationsmotor bei Grundlagenforschung und bei Anwendungsforschung. Dieser Rekordhaushalt von 13,8 Milliarden Euro macht das ganz deutlich.
Wir haben gehört, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir eine gesamtstaatliche Verantwortung haben. Aber bei so einer gesamtstaatlichen Verantwortung gibt es natürlich auch Spielregeln, und diese Spielregeln finden wir selbstverständlich im Grundgesetz. Anja Karliczek hat richtigerweise gesagt, dass auch die Länder eine gesamtstaatliche Verantwortung haben.
Im Monitoringbericht der Bundesregierung über den finanziellen Umfang der Ausgleichsleistungen und die Unterstützung der Länder im Bereich Bildung und Forschung vom August dieses Jahres kommt alles zusammen, was wir in der Debatte schon gehört haben: mit wie vielen Mitteln der Bund die Länder eigentlich unterstützt – ob bei den Mitteln zum Hochschulbau, zur Bindungsplanung. Diese Entflechtungsmittel laufen jetzt übrigens aus. Aber die Länder bekommen durch den neuen Bund-Länder-Finanzausgleich wieder entsprechende Mittel; es wird also kompensiert. Eines neuen Steuerverteilungsmechanismus, wie ihn die AfD heute gefordert hat, bedarf es nicht. Ab 2020 bekommen die Länder 9,7 Milliarden Euro zusätzlich vom Bund, und das Ganze jährlich.
Bei der finanziellen Unterstützung wurden die Pakte genannt sowie alles, was wir im Rahmen des Artikels 91b Grundgesetz an Mitteln zur Verfügung stellen, die Unterstützungen, die über Artikel 104c Grundgesetz laufen, wie wir die Kommunen unterstützen, die Schulsanierungsprogramme – das muss ich alles nicht noch einmal wiederholen. Ich will es aber in Erinnerung rufen, weil das zeigt, dass wir für einen kooperativen Bildungsföderalismus stehen, wo – das hat Kollege Meyer von der FDP deutlich gemacht – natürlich eine Grenze erreicht ist, wenn wir eine Bindungswirkung von 50 Prozent für diese Mittel haben.
Aber kooperativer Bildungsföderalismus heißt für mich auch, den Nationalen Bildungsrat, den wir in der Koalition gemeinsam mit den Ländern – die haben nämlich mitverhandelt – eingesetzt haben, am Leben zu erhalten, so will ich das einmal sagen. Wie man heute in der Zeitung liest, ist auf dem Rücken von Schülern und Eltern genau das Gegenteil eingetreten: Die Bundesbürger wünschen sich weniger Kleinstaaterei in der Bildungspolitik, doch die Politik versagt. Wir haben in diesem Hohen Hause mehrmals festgestellt, dass die KMK versagt; ich letztens in der Rede am 5. Juli 2018, in einer anderen Haushaltsrede. Ich bleibe dabei: Die KMK wird kein Reformmotor sein. Das wäre dieser Bildungsrat gewesen.
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Der Ball liegt jetzt bei der Kultusministerkonferenz. Sie möchte jetzt den Weg über einen Staatsvertrag gehen – eine Lösung, die wir hier auch schon erörtert haben, hinter der wir auch stehen. Ich bin gespannt, ob es den Länderchefs und den Kultusministern gelingt, Bildungsstandards verbindlich länderübergreifend umzusetzen, um Transparenz, Qualität, Vergleichbarkeit zu gewährleisten und die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems zu steigern. Wir als Bund werden das begleiten und da entsprechend Druck machen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Bundesbildungsministerin hat von einem Feuerwerk an Maßnahmen gesprochen.
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Wer diese ganzen Maßnahmen einmal im Überblick haben möchte – was wir als Zwischenbilanz haben –, dem empfehle ich ein entsprechendes Merkblatt des Bundesforschungsministeriums, wo das alles noch einmal sehr schön aufgegliedert ist.
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– Sie können das nicht wiedergeben? Einfach einmal schauen, das steht im Netz. – Da kann man dann sehen: Was machen wir für die Azubis, für die Studierenden? Was tun wir für die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung? Was tun wir für die Schulen? Ich möchte mich ganz herzlich bedanken, dass die MINT-Förderrichtlinien jetzt endlich auf den Weg gebracht worden sind.
Es wird auch gezeigt, was wir im Bereich Forschung tun, insbesondere im Bereich Digitalisierung. Denn – das will ich mit Blick auf die Verteilung der zweiten Tranche der KI-Mittel sagen; Kerstin Radomski hat das angesprochen –: Wenn sich ein Haushalt Digitalhaushalt und Zukunftshaushalt nennen kann, dann ist das der Haushalt des Bundesministeriums für Forschung und Bildung.
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Von daher: Stimmen Sie diesem Haushalt zu! Stimmen Sie diesem Forschungs- und Zukunftshaushalt zu!
Vielen Dank.
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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen in dieser Woche den Bundeshaushalt. Wir stellen finanzielle Mittel bereit, um Projekte anzustoßen, um gesellschaftliche Impulse zu setzen. Dass es im Bereich der Gleichstellung weiterer gesellschaftlicher Impulse bedarf, habe ich in der letzten Sitzungswoche gerade einmal mehr erfahren müssen. Ich war auf einer Podiumsdiskussion des Netzwerks N
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Für uns als Politikerinnen und Politiker zeigt das zweierlei. Erstens zeigt es, dass auch in der Spitze der Allianz der Wissenschaftsorganisationen mehr Sensibilität für Fragen im Hinblick auf Schwangerschaft, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch von Gleichstellung insgesamt gefordert ist. Wenn Frauen in der Spitze der Allianz der Wissenschaftsorganisationen immer noch die Ausnahme sind – das hat die HRK in der letzten Woche festgestellt –, dann sehe ich da ganz konkreten Handlungsbedarf.
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Zweitens zeigt uns diese Frage auch, dass im Bereich der Wissenschaft immer noch Diskriminierung, die dem Grundgesetz und der Gleichheit von Mann und Frau entgegensteht, besteht und dass wir an dieser Stelle handeln müssen. Diese Diskriminierung ist nicht nur grundgesetzwidrig; vielmehr ist sie, in meinen Augen, vor allem auch gesellschaftlich völlig unsinnig, weil die großen globalen Herausforderungen und die gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir stehen, auch von Frauen erforscht werden müssen und weil wir da unheimlich viel Potenzial liegen lassen.
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Wir haben uns darum – ich bin meinem Kollegen Swen Schulz sehr dankbar, dass er so hart dafür verhandelt hat mit einer parlamentarischen Initiative, mit einem Vorschlag, der aus dem Kreise der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten entstanden ist – entschlossen, in diesem Haushalt das Programm „Mehr Frauen an die Spitze!“ und das Professorinnenprogramm für MINT-Fächer wieder auflegen zu lassen. Das heißt, wir werden jetzt dafür sorgen, dass es aus der Wissenschaft neue Impulse gibt, zu erforschen, wie wir die Gleichstellung voranbringen können, welche Ursachen es gibt, welche Umsetzungsstrategien es in diesem Feld geben kann. Das werden wir im Bereich der Hochschulen und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen erforschen. Es wird natürlich die gesamte Bandbreite der Spitzenpositionen in der Gesellschaft in Betracht gezogen.
Darum, meine Damen und Herren, lohnt es sich und ist es gut, wenn wir diesem Haushalt zustimmen.
Danke schön.
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Vielen Dank, liebe Kollegin. – Das war die letzte Rednerin zu diesem Einzelplan. Ich schließe die Aussprache.