Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/21/2018

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat sich heute in ihrer Kabinettssitzung mit dem Thema der Prävention der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland beschäftigt. Es handelt sich bei der Afrikanischen Schweinepest um eine schwere Virusinfektion von Tieren. Sie betrifft ausschließlich Haus- und Wildschweine und ist für diese tödlich. Für den Menschen stellt sie keine Gefahr dar. Die Tierseuche breitet sich in den Wildschweinbeständen der betroffenen Regionen in Osteuropa immer weiter aus und ist noch circa 350 Kilometer von Deutschland entfernt. Sie ist übrigens in Osteuropa zum ersten Mal im Jahr 2007 in Georgien aufgetreten. Für Deutschland stellt die Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest eine große Gefahr dar. Deswegen wollen wir sie mit Präventionsmaßnahmen so weit wie irgend möglich verhindern. Insbesondere die Mitnahme des ASP-Virus in kontaminierten Lebensmitteln von Reisenden und Lkw-Fahrern ist eine große Gefahr, da es ein sehr beständiges Virus ist, das über Wochen und Monate aktiv bleiben kann, insbesondere auch bei unsachgemäßer Entsorgung dieser Lebensmittel. Der Faktor Mensch spielt also eine entscheidende Rolle, da er den Erreger durch unsachgemäß entsorgte Speisereste über weite Entfernungen verbreiten kann. Wildschweine fressen diese Speisereste und infizieren sich so. Dies ist, wenn der Erreger in die Population eingetragen wurde, insbesondere vor dem Hintergrund der großen Wildschweinpopulation in Deutschland problematisch. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat daher schon 2014, unmittelbar nach den ersten ASP-Fällen in Osteuropa, eine umfassende Informationskampagne gestartet. Ich bin dem Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur sehr dankbar, dass er dafür gesorgt hat, dass entsprechende Plakate auf Autobahnpark- und Rastplätzen an den wichtigen Ost-West-Routen angebracht wurden und Informationen auf digitalen Informationsstelen gezeigt werden; denn es geht darum, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger und vor allem diejenigen, die aus Osteuropa im Transit kommen, vor dem Wegwerfen von Speiseresten zu warnen. Darüber hinaus haben wir die für das Veterinärwesen zuständigen Behörden der Bundesländer und die landwirtschaftlichen Verbände gebeten, unter anderem Erntehelfer aus Osteuropa mittels Handzetteln zu informieren. Vom Bundesamt für Güterverkehr wurden zudem Handzettel an Lkw-Fahrer ausgehändigt. Aber unabhängig vom Verbreitungsweg: Ein Ausbruch hätte erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen für die schweinehaltenden Betriebe und für den Schweinefleischsektor insgesamt. Deswegen tun wir alles, um die Einschleppung der ASP nach Deutschland zu verhindern. Wir müssen vernetzt handeln und haben deswegen eine enge europäische Kooperation. Ich habe am 19. Januar dieses Jahres mit den Kolleginnen und Kollegen aus den betroffenen europäischen Staaten und Vertretern der Europäischen Kommission sowie internationalen Behörden eine Arbeitssitzung in Berlin durchgeführt. Von dieser Konferenz ging das Signal aus, dass wir in Deutschland und in Europa handlungswillig und handlungsfähig sind. Wir haben dieses Thema auch im Agrarrat diskutiert, und für nächsten Montag habe ich einige Ressorts, Länder und Verbände zu einer nationalen ASP-Präventionskonferenz eingeladen. Die Verordnung, die wir heute beschlossen haben dem Bundesrat vorzulegen, beinhaltet Möglichkeiten des unverzüglichen Eingreifens zur Vermeidung einer Weiterverschleppung der ASP. Beispielsweise sind zu nennen: die Reinigung und Desinfektion von Transportfahrzeugen, die Erweiterung von Anordnungsbefugnissen für die zuständigen Behörden, das Verbot der Nutzung von Gras, Heu und Stroh zu Futterzwecken und als Einstreu- oder Beschäftigungsmaterial, die Ausweitung der Maßnahmen zur Erkennung der ASP, die Ausdehnung des Gebiets, in dem Maßnahmen ergriffen werden. Außerdem haben wir auch die Verordnung über die Jagdzeiten geändert, und zwar mit der Aufhebung der Schonzeiten für Schwarzwild, das als der wesentliche Überträger dieser Erkrankung gelten würde, wenn sie in Deutschland ankommen würde. Die Schwarzwildpopulation soll ausgedünnt werden. Dabei wird der Elternschutz für die Tiere beachtet. Wir haben Regelungen gefunden, nach denen die Ausnahmen des Jagdrechts bei führenden Bachen aufrechterhalten werden, solange die Frischlinge allein nicht überlebensfähig sind.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank. – Die erste Frage hat der Kollege Johannes Röring, CDU/CSU.

Johannes Röring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst ein Lob an die Bundesregierung loszuwerden, und zwar dafür, dass sie sich nicht damit abfindet, dass, wie viele Experten sagen, die Schweinepest zwangsläufig zu uns kommt, sondern dass sie alles dafür tut, Prävention zu betreiben und zu verhindern, dass sie zu uns kommt. Meine Frage lautet nun: Wir haben in Deutschland ein sehr föderales System, gerade in Bezug auf das Veterinärrecht. Die Kreisveterinäre tragen einige Verantwortung. Was tut die Bundesregierung dafür, dass das umfangreiche Maßnahmenpaket, das Sie beschlossen haben, über die Länder auch auf der Kreisebene ankommt und dort umgesetzt wird, damit wirklich dieser Fall nicht eintritt, dass die Schweinepest zu uns kommt?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Kollege Röring, auf die Frage kann ich wie folgt antworten: Wir stehen mit den jeweiligen Landesregierungen in entsprechendem intensiven Kontakt, so bei der bevorstehenden Nationalen Präventionskonferenz, aber auch schon früher. An die jeweiligen Bundesländer ist die Bitte gerichtet, dass sie ihre Behörden auf kommunaler Ebene bzw. im nachgeordneten Bereich ansprechen und informieren. Soweit wir das sehen, findet das in einem sehr großen Maße statt. Für den Fall, dass die Schweinepest noch näher kommen sollte, haben wir ein Krisenteam bereitstehen, das unter Leitung von Staatssekretär Dr. Aeikens die Länder in unmittelbare Entscheidungen mit einbeziehen wird. Bisher haben wir den Eindruck gewonnen – auch durch eine Rahmenübung, die wir mit einzelnen Bundesländern durchgeführt haben, in der es darum ging, was im Krisenfall wann passiert –, dass die Dinge gut funktionieren.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage hat der Kollege Felser, AfD.

Peter Felser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004714, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr ­Minister, Sie sprachen gerade an, dass der Faktor Mensch für das Einschleppen des Virus aus Osteuropa entlang der Autobahnen verantwortlich ist. Die Reichweite der betroffenen Tiere selbst ist sehr gering; denn sie verenden sehr rasch an dem Virus. Meine Frage ist: Sie sprachen von einer erheblichen Ausdünnung der Schwarzwildpopulation. Der Deutsche Bauernverband möchte einen Eingriff in die Population in Höhe von 70 Prozent. Die deutsche Jägerschaft hat letztes Jahr 600 000 Wildschweine zur Strecke gebracht. Gibt es eine Zielkennzahl? Wie weit soll diese Zahl erhöht werden? Die Jäger sind bei ihrem Engagement schon jetzt an der Grenze. Von welcher Zahl gehen Sie aus? Welche Zahl werden wir durch Eingriffe in diesem Jahr erreichen?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, das gibt mir Gelegenheit, sehr den Jägern zu danken, die nicht nur mit der Wildschweinjagd, mit der Drückjagd und mit revierübergreifenden Jagden, sondern auch mit Informationsblättern helfen, die wir gemeinsam mit dem Friedrich-Loeffler-Institut, meiner nachgeordneten Behörde für Tierseuchenbekämpfung, aufgelegt haben. Diese Hilfe geht bis hin zu einer App. Diese App ermöglicht es, ein totes Tier mit Verortung, also der Angabe, wo es sich befindet, zu fotografieren, wodurch eine schnelle Bekämpfung der Seuche eingeleitet werden kann. Ich denke nicht, dass wir mit Zahlen oder fixen Prozentsätzen arbeiten sollten. Wir müssen sehen, dass eine schnelle Bekämpfung in manchen Bereichen dazu führen kann, dass Nachzug und damit größere Bewegungen der Tiere, was wir eigentlich verhindern wollen, regional eher zunehmen. Deswegen geht es uns um angepasste, intelligente Konzepte für die Bekämpfung des großen Schwarzwildbestandes, also für eine Dezimierung, aber bitte gut überlegt. Noch einmal: Wir brauchen für die Erfüllung dieser Aufgaben die Jäger, die dies ganz überwiegend ehrenamtlich und kostenfrei tun. Ohne deren Unterstützung könnten wir sowieso nichts erreichen. Ich bin aber trotzdem zuversichtlich, dass wir hier einen vernünftigen Weg – –

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Bundesminister.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Präsident.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Es gibt da oben eine Anzeige, auf der eine Minute heruntergezählt wird. Da diese Anzeige jetzt rot leuchtet, erteile ich das Wort zur nächsten Frage der Frau Kollegin Dr. Tackmann von der Fraktion Die Linke.

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Minister, für Ihre Ausführungen. Sie wissen ja, dass ich mich mit diesem Thema schon lange auch auf verschiedenen Ebenen befasse. Schließlich drohen diese Probleme schon seit längerer Zeit auf uns zuzukommen. Wir haben im Baltikum unterdessen eine endemische Situation, so wie ich das einschätze. Das heißt also, es wäre gut, wenn wir uns spätestens jetzt vorbereiteten. Es ist natürlich schade, dass wir diese Verordnung jetzt im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens dem Bundesrat vorlegen. Ich hätte mir schon gewünscht, dass wir über das eine oder andere länger hätten diskutieren können. Meine Frage bezieht sich im Zusammenhang mit der Reduktion des Schwarzwildes auf den Tierschutz und die Waidgerechtigkeit. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass wir endlich etwas tun müssen, wobei ich noch lieber präventiv tätig wäre. Wir hätten längst über die historisch hohen Schwarzwildbestände und die Ursachen dafür reden müssen. Aber diesen Bestand müssen wir jetzt tatsächlich reduzieren. Wie stellen Sie sich denn eine waidgerechte und tierschutzgerechte Jagd vor, wenn Sie jetzt die Jagdzeiten vollständig aufheben, wenn also auch führende Bachen geschossen werden dürfen und Ähnliches geschehen darf?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Bundesminister.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Präsident, die Kollegin hatte ihren Blick nicht auf die rotblinkende Anzeige gerichtet. Vielleicht achtet auch sie zukünftig darauf. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Sie hat ihre Redezeit etwas weniger überzogen als der Bundesminister mit seiner Antwort zuvor.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Ich habe es halt mal versucht. – Frau Kollegin Tackmann, Sie wissen, dass es nicht erst jetzt mein Bestreben ist, die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest zu intensivieren. Die Bekämpfung hat auch vorher stattgefunden. Wir sind darüber mit anderen im engen Austausch. Wir haben bereits vor zwei Jahren im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem polnischen Kollegen sehr viel unternommen. In der Tat macht uns die endemische Situation vor allem in den baltischen Staaten Sorgen. Wir sind nicht ganz genau über die Entwicklung in der Russischen Föderation informiert. Wir haben erfreulicherweise jetzt aus Weißrussland mehr Informationen bekommen. Zum Thema Tierschutz. Ich habe die Drückjagden angesprochen, ich habe den Elterntierschutz angesprochen. Natürlich müssen wir die Rahmenbedingungen der waidgerechten Jagd beachten. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es jetzt um notwendige Tierseuchenbekämpfung geht.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank. – Die nächste Frage hat der Kollege Ostendorff von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, schönen Dank für Ihren Bericht. – Es wurde von Kollegen schon darauf hingewiesen, dass die Verbreitung der Seuche vor allen Dingen an Überlandrouten stattfindet. Aber an der Entstehung des Virus aus Afrika war das Wildschwein nicht beteiligt. So ist zu hinterfragen, wenn man hier sehr schnell Verantwortlichkeiten herstellt, wie es bei der Vogelgrippe geschah, bei der auf einmal die Zugvögel im Visier waren. Während damals manche daran dachten, die Zugvögel auszurotten, wird jetzt zur Wildschweinjagd geblasen. Dass wir zu hohe Bestände haben, ist klar, aber das hat nichts mit der Afrikanischen Schweinepest zu tun. Die Fragen sind: Wie weit soll es gehen? Wie viele Wildschweine sollen geschossen werden? Was soll intensiviert werden? 600 000 wurden bisher geschossen. Was ist die Zielgröße? Was sollen Jäger hier leisten? Wie sollen die Jäger das machen? Wie sollen sie das Wildbret angesichts des Preisverfalls vermarkten, bzw. was soll ansonsten damit geschehen? – Diese Fragen müssen beantwortet werden. Die Frage ist auch, warum es keine weiteren Populationskontrollen – dabei sollten gerade diese doch gefördert werden – gibt. Warum ist hier seitens der Bundesregierung nichts passiert?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Bundesminister.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege Ostendorff, mit dem Wildschweinbestand ist das so eine Sache. Bei Wildschweinen ist es so wie bei anderen Tieren auch: Wenn sie auf Futtersuche gut gedeckte Tafeln finden, dann vermehren sie sich stärker. Ich darf daran erinnern, dass wir beim Anbau – Stichwort „Entwicklung der Maisbestände in Deutschland“ – und in anderen Bereichen ein gutes Umfeld schaffen. Deswegen müssen wir in diesem Zusammenhang beispielsweise auch in bestimmten Regionen über die Freischlagung von Jagdschneisen nachdenken. Das wird in einzelnen Bundesländern bereits angedacht bzw. umgesetzt, und wir sind bereit, das zu unterstützen. Insgesamt haben Sie recht: Es geht nicht allein um die Population der Wildschweine. Wir müssen im Übrigen aber auch dringend Impfstoffe entwickeln, die bisher nicht existieren. Ich bin dankbar, dass uns über das Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union ein stärkerer Impact in diesem Bereich gelungen ist. Zurzeit haben wir ja keinen Impfstoff zur Verfügung.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Hocker, FDP.

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich möchte Sie gerne fragen, inwiefern Sie meine Einschätzung teilen, dass insbesondere durch das achtlose Füttern von Wildtieren ein Risiko für die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest besteht, und welche Maßnahmen die Bundesregierung in Erwägung zieht bzw. schon eingeführt hat, um diesem Risiko zu begegnen.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Das ist, Herr Kollege, in der Tat eine Frage, die in den Bereich der intelligenten Wildhaltung bzw. Wildbegrenzung führt. Sowohl beim Schwarzwild als auch beim Rotwild kommen wir nicht nur einer Bestandserhaltung nach, sondern es gibt eher eine Bestandssteigerung. Das hat auch mit klimatischen Entwicklungen zu tun, dass also die Winter nicht mehr so streng sind. Wildschweine werfen ja im Frühjahr oder im Winter. Da sind bei kalten Temperaturen die Überlebenschancen nicht so groß. Das hat sich geändert. Auch diese Dinge sind im Hinblick auf Wildfütterung mit zu betrachten. Wir sind da mit dem Deutschen Jagdverband in einem sehr engen und guten Austausch.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage hat der Kollege von Gottberg, AfD.

Wilhelm Gottberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004730, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Minister, ich danke für Ihren Bericht. – Ich will noch einmal ganz konkret fragen: Wie beurteilt die Bundesregierung die Erfolgsaussichten der aktuellen Bemühungen auf Bundes- und Länderebene zur Verhinderung der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich nenne beispielhaft die Erfahrungen aus Tschechien. Dort hat man im letzten Sommer in der Nähe von Zlin einen singulären Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest verzeichnet. Ich bin unmittelbar danach mit meinen Veterinären zu meinem tschechischen Amtskollegen gefahren, um abzustimmen, was wir tun können. Es ist den Tschechen bis dato gelungen, die Ausbreitung auf ein Gebiet von 40 Quadratkilometern, das sie zum Teil einfrieden und in dem sie verstärkt Bekämpfungsmaßnahmen durchführen, zu begrenzen. Das gibt ein Stück weit Anlass zu Optimismus. Angesichts der pandemischen Situation in den baltischen Staaten ist das leider nicht so. In Polen hat sich die Entwicklung bei der Bekämpfung sehr stark verbessert. Es gab jetzt unter anderem einen Ausbruch in der Nähe von Warschau zu verzeichnen. Allerdings ist bislang keine große Geschwindigkeit bei der Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest festzustellen. Das ist der bisherige Stand.

Wilhelm Gottberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004730, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Gestatten Sie eine Zusatzfrage?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nein. Das ist leider nach den Regeln für die Regierungsbefragung, Herr Kollege, nicht möglich. Sie müssten sich erneut melden. Danke sehr. – Jetzt hat die Frau Kollegin Dr. Tackmann noch einmal eine Frage.

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, möglicherweise ist das ein Anlass, um über andere Strukturen nachzudenken. Im Land Brandenburg, aus dem ich komme, gibt es im Süden einen Bestand von 60 000 Schweinen an einem Standort. Stellen wir uns vor, dass dieser Standort wegen der Afrikanischen Schweinepest auf einmal in einer Restriktionszone liegt. Dann werden wir wahrscheinlich nicht umhinkommen, den gesamten Bestand zu töten. Ist es nicht an der Zeit, einmal ernsthaft darüber nachzudenken, ob solche Megaställe nicht der Vergangenheit angehören sollten und ob unter Aspekten der Tierseuchenbekämpfung nicht Regionen mit sehr dichtem Tierbestand als auch solche riesengroßen Bestände vermieden werden sollten? Das ist einfach sehr schwierig in einer Tierseuchensituation zu händeln. Ich glaube zudem, dass die in Rede stehenden Maßnahmen ethisch nicht mehr vertretbar sind. Deswegen lautet meine Frage: Müssen wir nicht auch über Strukturen bei den Tierbeständen nachdenken?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Liebe Frau Kollegin, lassen Sie uns bitte das eine mit dem anderen nicht so vermengen, dass wir die eigentliche Thematik nicht mehr im Blick haben. Bei der in Rede stehenden Verordnung geht es in erster Linie darum, Biohygienemaßnahmen umzusetzen. Wie wir von der EU-Kommission wissen, war die Umsetzung von Biohygienemaßnahmen beispielsweise in Polen aufgrund der dort vorherrschenden relativ kleinen Bestände im Rahmen der Subsistenzwirtschaft eher schwierig. Ich glaube also nicht, dass dies in diesem Fall das eigentliche Thema ist. Zu den Konsequenzen auch in ökonomischer Hinsicht, die Sie angedeutet haben, nämlich in einer solchen Zone alle Tiere keulen zu müssen, mag sicherlich jeder bei uns nur sagen: Gott behüte, dass wir in eine solche Situation kommen! – Wir kennen entsprechende Bilder im Zuge der Europäischen Schweinepest.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Ebner von Bündnis 90/Die Grünen.

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben auf eine Frage von mir nach den Vektoren – das hatten Sie auch eingangs am Rande erwähnt – die Hauptausbreitungswege der Afrikanischen Schweinepest geschildert. Wir alle tragen natürlich Verantwortung dafür, die Ausbreitung so weit wie möglich einzudämmen, also zu verhindern, dass sich die Schweinepest weiter in unsere Richtung bewegt. Ich möchte daher den Fokus auf die wesentlichen Ausbreitungswege lenken. Es kann doch nicht sein, dass wir uns nur auf das schwächste Glied in der Kette konzentrieren, nach dem Motto: Hauptsache, man hat irgendetwas getan. Ich möchte Sie von daher fragen: Wie konkret geschieht die Desinfektion von Transportern, die Sie angesprochen haben? Sehen Sie konkrete Maßnahmen vor, sodass an der Grenze jeder Transporter, der aus betroffenen Gebieten kommt, desinfiziert wird und auch untersucht wird, was in unser Land transportiert wird? Das sind ja Ausbreitungswege. Hier müssen wir daher präventiv ansetzen.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Werter Kollege, in der Tat sieht die geplante Verordnung eine entsprechende Verpflichtung vor, wenn Fahrzeuge aus betroffenen Gebieten kommen und beispielsweise auf dem Gelände von schweinehaltenden Betrieben gewesen sind; die präzise Formulierung kann ich Ihnen gerne nachreichen. Das Hauptaugenmerk muss aber darauf liegen, dass die Kontrolle funktioniert. Hier muss es ein Zusammenspiel zwischen den Veterinärbehörden des Landes, aus dem der Transport bzw. das Fleisch oder Fleischprodukt kommt, und unseren Behörden geben. Die Behörden haben hier eine Aufgabe zu erfüllen. Die Verordnung sieht zudem den Nachweis und die Dokumentation von Maßnahmen zur Dekontaminierung vor. Das basiert also nicht allein auf Freundlichkeit. Lassen Sie mich einen anderen Punkt ansprechen. – Nein, diesen kann ich nicht mehr ansprechen, weil der Präsident schon wieder die rote Leuchte blinken lässt.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Bundesminister, der Präsident macht gar nichts. Die Uhr läuft einfach von alleine. ({0})

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Danke für den Hinweis.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Aber es sind noch so viele Fragen, dass Sie noch viele Möglichkeiten haben, alles, was Sie zu sagen für notwendig halten, auch zu sagen. Das nächste Recht zu einer Fragestellung hat jetzt der Kollege Busen von der FDP-Fraktion.

Karlheinz Busen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004690, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben vorhin kurz das Thema Polen angeschnitten. Polen hat zum Beispiel als Prävention an seiner Grenze zu Russland und zur Ukraine, aber auch an Tierbrücken entlang der Autobahnen Zäune errichtet. Denkt auch die Bundesregierung über solche Einfriedungen oder ähnliche Maßnahmen nach?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank. – Im Hinblick auf Autobahnraststätten ist das in der Tat ein Thema. Zum Teil ist schon dafür gesorgt worden, indem vor allem Abfallbehälter so positioniert wurden, dass Wildschweine darauf nachts keinen unmittelbaren Zugriff haben und nicht darin wühlen können – so pragmatisch muss man das sagen –; das muss sichergestellt sein. Ja, die Erfüllung dieser Aufgabe ist eine Notwendigkeit. Ich darf bei dieser Gelegenheit sagen, dass wir in der engen Zusammenarbeit mit den östlichen Nachbarn, insbesondere mit den tschechischen Kollegen, durchaus gute Erfahrungen gemacht haben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Jetzt, Herr Kollege von Gottberg, würde ich Ihnen gerne die Möglichkeit geben, Ihre nächste Frage zu stellen.

Wilhelm Gottberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004730, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich wollte noch einmal nachfragen – Sie haben schon eine Antwort auf die Frage des ersten Fragestellers gegeben, aber vielleicht könnten Sie noch etwas konkreter werden –: Welche zusätzlichen oder anderweitigen Maßnahmen außer den Maßnahmen auf Bundes- und Länderebene hat die Bundesregierung noch in petto, um die weitere Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest zu vermeiden? Ich will anmerken: Sie haben auf diese Frage schon geantwortet; aber ich bitte darum, sie, wenn es möglich ist, noch etwas konkreter zu beantworten.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank. – Es gibt zwei Seiten: die Prävention, die möglicherweise mit simplen, aber sehr effizienten Themen – der Kollege hat gerade eine entsprechende Frage gestellt – zusammenhängt; zum anderen die Überwachung, ob es Einträge gibt, um es so zu ermöglichen, diese Pest schnell zu bekämpfen. Deswegen haben wir ein Wildschwein-Monitoring. Das heißt, dass die Untersuchung auf diesen Virus auch bei erlegten Wildschweinen in Zusammenarbeit mit den Jägern schon jetzt stattfindet. Gott sei Dank waren bis heute alle Untersuchungen negativ. Das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems ist maßgeblich damit befasst, die Veterinärvorsorge und übrigens auch die Entwicklung eines Impfstoffes voranzubringen. Nur, dieser Impfstoff hilft uns zur Bekämpfung der gegenwärtigen pandemischen Situation in Osteuropa leider nicht mehr. Ein Weiteres ist, dass wir auch Maßnahmen für den Fall eines Eintrags vorbereiten, die eine sehr schnelle und deutliche Abgrenzung des Wildschweinbestandes vom Nutztierbestand zum Ziel haben. Das heißt, dass wir hier auch Biohygienemaßnahmen nutzen müssen, die bereits vorgesehen sind. Der Krisenstab würde das dann umsetzen. Aber jetzt geht es um Monitoring, Betrachtung, Kontrolle, Überwachung.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage hat der Kollege Kekeritz von Bündnis 90/Die Grünen.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. – Herr Minister, Sie haben eingangs gesagt, dass das Virus für den Menschen völlig ungefährlich ist. Nun wissen wir aber, dass Viren zu den mutationsfreudigsten Lebensformen überhaupt zählen. Für wie lange gehen Sie davon aus, dass das Virus für Menschen tatsächlich unschädlich ist? Oder ist es gesichert, dass es unschädlich bleibt?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Ich verlasse mich hier auf die wissenschaftlichen Feststellungen insbesondere der Tierseuchenexperten und auch der Weltorganisation für Tiergesundheit mit Sitz in Paris. Sie sprechen von einem relativ stabilen und nicht mutationsfreudigen Virus. Sie haben völlig recht: Wenn wir den Blick auf H5N8, auf die letzte Virusmutation bei der Vogelgrippe, richten, dann sehen wir, dass es andere Situationen gibt. Bisher sagt uns die Wissenschaft, dass auf absehbare Zeit – das heißt, es gibt keine anderen Erkenntnisse – eine Mutation Gott sei Dank nicht zu erwarten ist. Aber das darf uns natürlich nicht beruhigen. Wir müssen das wirklich im Blick behalten.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Mir liegen noch insgesamt acht Fragen zu dem Thema Schweinepest-Verordnung vor; die würde ich alle gerne noch zulassen. Ich würde darum bitten, wenn möglich, keine weiteren Fragen dazu anzumelden, weil es auch noch zu anderen Themenbereichen Fragen gibt. Wenn Sie damit einverstanden sind, dann gebe ich das Wort der Kollegin Carina Konrad von der FDP-Fraktion.

Carina Konrad (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004789, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. – Herr Minister, ich fasse mich kurz. In der letzten Woche wurde durch Medienberichte bekannt, dass im deutschen Lebensmitteleinzelhandel auch polnisches Rohfleisch vermarktet wird. Meine Frage: Wie kann man ausschließen, dass infiziertes Fleisch aus Polen bei uns vermarktet wird und dass der unsachgemäße Umgang mit diesem Fleisch, den Sie eben beschrieben haben, bei uns zu einem Ausbruch führt?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank. – Ich darf die Experten des FLI zitieren, die sinngemäß gesagt haben: Es ist nicht der Übertragungsweg, der gefährlich ist. – Potenziell ist er natürlich da; deswegen war es wichtig, dass sichergestellt ist, dass diese Produkte nicht aus gefährdeten Gebieten kommen. Ich darf auch darauf hinweisen, dass wir insgesamt ein Interesse daran haben, eine Regionalisierung der kritischen Gebiete zu erlauben. Wenn zum Beispiel in Nordfrankreich solch ein Virus auftritt, dann muss deswegen nicht etwas, was in Südfrankreich produziert wird, vom Markt genommen werden. Die Europäische Union steht hier nicht nur in der Verantwortung, sondern ist über die Taskforce der Kommission – so nenne ich sie – auch in die Sicherstellung der Regionalisierung involviert.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Herr Kollege Ostendorff, bitte sehr.

Friedrich Ostendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003604, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, Sie bewerteten vor wenigen Wochen bei Ihrer Vorstellung der Nutztierhaltungsstrategie die Aufgabe, solche Konzentrationszonen zu entzerren, als schwierig. Hat das jetzt noch eine Bedeutung für Sie? Sehen Sie es jetzt als eine Gefahr an, dass wir in Deutschland Gebiete haben, wo viel zu viele Schweine sind und wo eine viel zu hohe Konzentration an Schweinen herrscht?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Kollege Ostendorff, wir hatten im letzten und vorletzten Jahr bei der Vogelgrippe festgestellt, dass bei zum Teil relativ nah beieinanderliegenden Puten- oder Geflügelbeständen ein Auftreten dieses Virus beobachtet werden konnte, obwohl Biohygienemaßnahmen vorgeschrieben waren. Das betrifft Regionen, in denen Höfe relativ eng und nah beieinanderliegen und damit Übertragungspotenziale gegeben sind. Diese Gefahr müssen wir sehr ernst nehmen. Dass die wirtschaftlichen Konsequenzen jenseits aller anderen Fragen, die gestellt worden sind, in solchen Regionen natürlich besonders evident sind, brauche ich nicht weiter zu betonen. Die Schlussfolgerungen, die man daraus zieht – – Was ist mit der Uhr? Herr Kollege Ostendoff, ich bitte um Entschuldigung.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Minister, Sie haben sogar die Uhr sozusagen in Verwirrung gebracht. ({0}) Führen Sie doch bitte die Antwort zu Ende.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Ich bin eigentlich fertig mit meiner Antwort, Kollege Ostendorff.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank. Irgendetwas ist mit der Uhr schiefgelaufen. Ich bitte um Nachsicht. – Die nächste Frage hat Frau Kollegin Bauer von der FDP-Fraktion.

Nicole Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Bundesforste sind große Betriebe, und unsere Jäger sind zurzeit sehr fleißig, und ihnen gebührt großer Dank für das, was sie schon gemacht haben. Was forciert der Bund, wenn es darum geht, gebietsübergreifende Drückjagden auf Schwarzwild in Bundesforsten zu betreiben?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Wir sind im Bereich des Bundesforsts. Da müsste ich zuständigkeitshalber eigentlich an das BMF, an das Finanzministerium, weitergeben. Wir sind aber grundsätzlich der Meinung, dass Drückjagden revierübergreifend stattfinden müssen. Das ist der beste Weg, um die Population einigermaßen im Griff zu behalten. Normalerweise, das heißt außerhalb des Bundesforsts, ist das eine Angelegenheit der Bundesländer, die das von ihrer Seite aus organisieren bzw., soweit notwendig, in Angriff nehmen müssen. Aber der Bund ist sich seiner Verantwortung in dieser Frage sehr bewusst.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage hat die Frau Kollegin Polat von Bündnis 90/Die Grünen.

Filiz Polat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004857, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte den Sachzusammenhang voranstellen, den Sie bestätigt haben, nämlich dass es zwischen Biohygiene und Bestand an Nutztieren einen Zusammenhang gibt. Insofern möchte ich die Kollegin von der Linken darin unterstützen, dass es einen Sachzusammenhang mit dem Schweinebestand gibt. In meinem Bereich Cloppenburg sprechen wir nicht von 60 000, sondern – der Kollege Spiering guckt schon sehr aufmerksam – von 1,6 Millionen Schweinen. Der Konsum von Schweinefleisch stagniert, ist in Deutschland sogar leicht zurückgegangen. Was aber trotzdem steigt, ist die Produktion von Schweinefleisch, weil wir in diesem Bereich zunehmend exportorientiert agieren – mit Unterstützung der Bundesregierung. Deshalb frage ich die Bundesregierung, ob sie an ihrer Politik der Exportorientierung festhält und ob sie hier einen Sachzusammenhang sieht.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Verehrte Kollegin, das eine ist die Frage der Tierseuchenbekämpfung. Tierseuchen kommen übrigens nicht nur bei Schweinen vor. Bei jeder Tierart gibt es leider solche Seuchen; ich erinnere an die Blauzungenkrankheit bei Rindern oder auch an die Lumpy Skin Disease. In Bulgarien ist das mit EU-Mitteln erfreulicherweise stark eingedämmt worden. Das ist also immer eine Fragestellung. Man muss das eine vom anderen unterscheiden, sich aber sicherlich bewusst sein, dass das Risiko von Tierseuchen steigt, wenn es mehr Tiere gibt. Aber dann ist die Frage, wie die Seuchenbekämpfung stattfindet. Bisher ist das mit unseren Bekämpfungsmaßnahmen doch recht passabel gewesen. Ich erinnere daran, dass die Tierseuchenkasse in gewissem Rahmen auch den wirtschaftlichen Schaden ausgleicht.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Jetzt hat die Frau Kollegin Dr. Tackmann eine weitere Frage.

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Wir sind uns sicherlich einig in der Hoffnung, dass der Kelch an uns vorbeigeht. Aber für den Fall der Fälle ist es wichtig, jetzt über die Dinge zu reden, die dann wichtig sind und die dann funktionieren müssen. Wir werden auch auf Amtshilfe von Tierärzten, von niedergelassenen Tierärzten beispielsweise, zurückgreifen müssen. Deswegen meine Frage: Wie hat der Bund da Vorsorge getroffen? Ist das sowohl finanziell als auch rechtlich so geregelt, dass es nahtlos funktioniert und nicht erst dann darüber diskutiert werden muss, wie man das regelt?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank. – Frau Kollegin Tackmann, Sie beschreiben mit Ihrer Frage – wenn Sie mir gestatten, das zu sagen, ohne dass ich die Frage bewerten will – genau das Dilemma, das der Bund hat. Die Zuständigkeit für die Tierseuchenbekämpfung ist in einem gewissen Rahmen beim Bund, aber ganz überwiegend bei den Ländern. Der Föderalismus ist eine wunderbare Angelegenheit – ich unterstütze und verteidige ihn, wo immer es geht –, bedeutet aber eine stärkere Herausforderung bei der Koordination. Miteinander zu sprechen, miteinander zu entscheiden und im Krisenfall dann auch zügig entscheiden zu können, das ist die Herausforderung, die Sie mit Ihrer Frage – so interpretiere ich sie – beschreiben. Deswegen gibt es auch die gemeinsamen Übungen und den Versuch, festzustellen, wo es Schwachstellen gibt. Wir hatten im letzten Jahr das Thema Fipronil, wo sich das sozusagen im negativen Sinne wunderbar nachvollziehen ließ. Dankenswerterweise konnten wir daraus Schlüsse für die zukünftige Aufstellung von Bund und Ländern, aber auch der Europäischen Union bei der Tierseuchenbekämpfung ziehen. Gerade heute habe ich unseren neuen Chief Officer für solche riskanten Fälle mit installiert.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage hat der Kollege Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grünen.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Schmidt, da Sie die ganzjährige Jagdzeit für Wildschweine eingeführt haben, hätte ich folgende Frage: Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage beruht die Erkenntnis, dass das einen Beitrag liefern kann, die Ausbreitung der Seuche einzuschränken? Es gibt ja auch die Auffassung, dass die Tiere durch die vermehrte Bejagung und den Jagddruck mehr Verbissschäden erleiden und größere Aktivität entwickeln. Damit kann sogar der gegenteilige Effekt erzielt werden, nämlich dass diese vermehrte Aktivität zu einem höheren Risiko der Seuchenausbreitung führt.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege Krischer, wir befinden uns hier an einer Scheidelinie zwischen Jagd und Tierseuchenbekämpfung. In der Tat gibt es hierzu durchaus sehr ernstzunehmende Äußerungen von Fachleuten, die nicht von der schieren Zahl bei der Jagd ausgehen, sondern auch die Frage berücksichtigen: Was sind denn die Konsequenzen? Die überwiegende Mehrheit der Fachleute sagt: Es ist sehr sinnvoll, die Schonzeit aufzuheben, gerade weil es im Wesentlichen im Winter – wie ich gesagt habe – bei den Wildschweinen zur Fortpflanzung kommt. Weil deren Tragezeit sehr kurz ist – Sie wissen: drei Monate, drei Wochen und drei Tage –, kann es zum Teil mehrfach zur Fortpflanzung kommen. Ich bin aber beim Begriff „intelligente Bekämpfung“ stehen geblieben. Eine flächendeckende Bejagung nur zum Zweck der Reduzierung würde uns nicht weiterhelfen. Wir müssen den Blick gerade auch auf die Konsequenzen durch die schnelle Bewegung bei den Wildschweinen lenken. Dazu hat der Deutsche Jagdverband in sehr beeindruckender Art und Weise bisher beigetragen. Ich halte es bei diesem Thema mit den Fachleuten.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Jetzt hat der Kollege Hoffmann das Recht zur vorletzten Frage zu diesem Themenbereich.

Dr. Christoph Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank. – Die Reduktion der Wildschweinbestände – das haben wir mehrfach gehört – ist natürlich eine sinnvolle Maßnahme; denn wenn weniger Tiere da sind, können sich auch weniger gegenseitig anstecken. Das ist wissenschaftlich, glaube ich, relativ klar. 23 000 Betriebe leben in Deutschland von der Schweinezucht. Sie sind jetzt durch die Schweinepest potenziellen Gefahren ausgesetzt. Deshalb, glaube ich, müssen wir alles tun, um den Infektionsdruck zu verringern und den Ausbruch der Schweinepest zu vermeiden. Sie haben – wie vorhin gesagt – die Schonzeit aufgehoben. Gilt das nur für ein Jahr, oder denken Sie dabei an eine mehrjährige Aufhebung der Schonzeit? Denn – ich glaube, das ist auch wichtig – wir werden es nicht in einem Jahr schaffen, die Wildschweinbestände entsprechend zu reduzieren. Zusatzfrage: Stichwort „Nachtsichtvorsatzgeräte zur Jagd“ – werden Sie diese zulassen?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank. – Die Schonzeit ist unbefristet. Ihre Aufhebung ist übrigens auch im Rahmen des Jagdrechtes der Länder machbar. Deswegen haben, soweit ich weiß, einzelne Bundesländer das bereits so entschieden. Das Thema Nachtzielgeräte bedarf einer Abstimmung mit der Innenpolitik, weil es hier auch um Waffenrecht geht. Es gibt im regionalen Bereich Möglichkeiten für die Anordnung, Bekämpfungen auch mit Nachtzielgeräten mit beschränkter Nutzung durchzuführen. Ich selbst bin skeptisch, ob eine flächendeckende Zulassung dem Sinn der Jagd entspricht. Ich würde dies eher für den Bereich der Tierseuchenbekämpfung zulassen. Wir haben das Problem, dass sich Wildschweine sehr gut verstecken können. Dem kann man nicht alleine mit Nachtzielgeräten begegnen. Es kann im Einzelfall ein funktionales Mittel bei der Jagd sein, bei der Tierseuchenbekämpfung im Extremfall sogar mehr.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke schön. – Jetzt haben wir nicht nur noch eine Frage, sondern noch drei Fragen, weil zwei Fragen zu diesem Thema aus Versehen für die sonstigen Bereiche der Kabinettssitzung vermerkt worden waren. Sie haben also noch drei Fragen zum Thema Schweinepest zu gewärtigen. Die erste Frage dazu kommt vom Kollegen Auernhammer von der CDU/CSU.

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Bundesminister, die Diskussion hat gezeigt, dass es kein Nachteil ist, wenn man gleichzeitig Bundeslandwirtschafts- und Bundesverkehrsminister ist. Viele Landwirte machen sich Sorgen, welche Auswirkungen der legale Lebensmittelverkehr innerhalb der Europäischen Gemeinschaft hat. Ich möchte speziell die Werbeaktion eines Lebensmitteldiscounters ansprechen, der in der Vergangenheit polnische Wurstwaren beworben hat. Ist sichergestellt, dass durch solche legalen Lebensmitteltransporte keine Übertragung möglich ist?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank, Herr Kollege. – Soweit uns die Informationen vorliegen – auch wir sind in dem Fall, den Sie ansprechen, auf die Informationen von Veterinärmedizinern aus Polen angewiesen –, ist das durch die Regionalisierung nach menschlichem Ermessen sichergestellt. Ich will bei dieser Gelegenheit noch einen anderen Punkt ansprechen: die Information der Verbraucher. Verbraucher müssen sich auf Informationen verlassen können. Wir müssen allerdings feststellen, dass der Preis für Wildschweinfleisch drastisch sinkt, weil es im Zuge der Wildschweinbekämpfung zu viele erlegte Wildschweine bei zu wenigen Feinschmeckern gibt. Jedes erlegte deutsche Wildschwein ist nach unserer Erkenntnis negativ für die Schweinepest oder sonstige Krankheiten. Außerdem ist es wunderbar genüsslich zu verwerten. Fast möchte ich jetzt eine kleine Anregung geben, doch ab und zu Wildschweingulasch zu essen. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Präsident, wenn das gestattet war. Ich sage das natürlich mit vollem Respekt vor Vegetariern und Veganern.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Die Empfehlung wird nicht auf die Redezeit angerechnet. – Jetzt hat der Kollege Ebner, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Minister. – Ich glaube, am Framing können wir noch arbeiten. „Negativ für die Schweinepest“ klingt nicht so appetitlich. Vielleicht finden Sie da noch andere Werbeslogans für das Verzehren von Schweinefleisch. Wenn wir schon beim Thema Wildschweinjagd sind, möchte ich noch einmal auf das Problem der Ausbreitung zurückkommen und Sie fragen, welche Erkenntnisse Sie haben und welche präventiven Maßnahmen Sie ergreifen hinsichtlich des Jagdtourismus in von der Schweinepest betroffenen Gebieten. Meines Wissens fahren deutsche Jäger in solche Gebiete, um zu jagen. Was sehen Sie da ganz konkret vor: Meldepflichten, Appelle oder was? Nur bei Appellen kann es ja nicht bleiben. Ich glaube, Herr Minister, da müssen wir konkreter werden, um auch diesen Ausbreitungsweg in den Griff zu bekommen.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege Ebner, Sie sprechen ein sehr wichtiges Thema an. Das muss in der Tat auch ins Bewusstsein derer, die zur Jagd irgendwo anders hinreisen; denn das ist ja eine durchaus verbreitete und grundsätzlich begrüßenswerte Aktivität. Deswegen sind wir mit dem Deutschen Jagdverband bzw. den Jägern im Gespräch – weil das ja nun der Kreis ist, den das betrifft – und bitten klar darum, nicht in solche Gebiete zu gehen, beispielsweise in die baltischen Staaten. Außerdem muss durch Biohygienemaßnahmen sichergestellt sein, dass jemand, der in solchen Regionen war, nicht zum menschlichen Überträger wird. Besser ist es also, nicht in solche Gebiete zu gehen. Wir werden dieses Informieren und Aufklären fortsetzen. Eine Regulierung in dem Sinne kann im konkreten Seuchenfall nur durch die entsprechenden Länder erfolgen. Ich habe das bei der Europäischen Kommission allerdings auch schon als Thema für uns alle hinterlegt.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die letzte Frage zum Gegenstand Ihres Berichtes hat der Kollege von Abercron, CDU/CSU.

Dr. Michael Abercron (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004650, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Bundesminister, ich komme noch einmal auf das Thema Lebensmittelimporte zurück. Wie gut ist der Austausch mit den betroffenen Ländern? Hier ist ja ein Fall angesprochen worden. Werden Sie auch über die regionalen Verhältnisse gut genug informiert? Können Sie sich darauf verlassen? Zweite Frage: Wenn möglicherweise positive Befunde bei solchen Lebensmitteln vorliegen, werden dann auch verdachtsabhängige Kontrollen an den Produkten selber durchgeführt?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank für die Frage. – Zum Ersten muss der Ursprungsnachweis geführt werden. Derjenige, der solche Waren bei uns veräußert, muss die Ursprungszeugnisse – ich nenne das jetzt einmal untechnisch so – ja vorlegen können. Zum Zweiten muss dann auch eine Verifizierung stattfinden. Das ist eine Aufgabe der Länderbehörden. Ich werde gerade dieses Thema zum Gegenstand der Nationalen Präventionskonferenz am kommenden Montag machen. Hier geht es nicht nur um Tierseuchenbekämpfung, sondern auch um Verbrauchervertrauen. Ich denke, dass wir uns alle in den letzten Tagen bewusst geworden sind, dass man solche Befürchtungen nicht zur Seite schieben kann. Wir müssen auch im Binnenmarkt der Europäischen Union das höchstmögliche rechtlich zulässige Maß an Überblick und Kontrolle behalten bzw. erwerben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank. – Nur zur Orientierung, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich habe jetzt noch zwei Fragen zu sonstigen Themen der heutigen Kabinettssitzung und sieben Fragen an die Bundesregierung zu anderen Themenbereichen. Diese würde ich gerne alle zulassen. Wir haben uns darüber verständigt, dass wir die Regierungsbefragung zeitlich entsprechend ausdehnen. Ich weise allerdings darauf hin, dass das auf Kosten der Zeit für die Fragestunde geht. Damit hat das Wort zu sonstigen Themen der heutigen Kabinettssitzung der Kollege Protschka, AfD.

Stephan Protschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004858, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, wie beurteilt die Bundesregierung das Sterben der landwirtschaftlichen Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland um weitere 3 Prozent in den Jahren 2013 bis 2016? Was beabsichtigt die Bundesregierung dagegen zu tun, auch im Hinblick darauf, dass die landwirtschaftlichen Betriebe ein sehr großer Arbeitgeber in unserem Land sind?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege, diese Frage war heute nicht Gegenstand der Kabinettsbefassung, gleichwohl ist sie ein ständiges Thema der Arbeit der Bundesregierung. Nachdem sich die gegenwärtige und damit geschäftsführende Bundesregierung mit den Zielperspektiven der neuen Bundesregierung aus nachvollziehbaren Gründen nur beschränkt befasst, kann ich nur sagen, dass es bei dieser Frage letztlich auch darum geht, wie wir kleine und mittlere Betriebe und Familienbetriebe sowie die agrarstrukturelle Ausrichtung in Deutschland unter dem Vorzeichen der Veränderung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union erhalten können. Ich habe in diesem Zusammenhang mit dem zuständigen Kommissar Hogan, der am Montag beim Ministerrat in Brüssel sein Konzept für die Gemeinsame Agrarpolitik präsentiert hat, gesprochen und ihn auf diese Punkte hingewiesen. Die Bundesregierung ist sich da einig. Wenn ich der neuen Bundesregierung vorgreifen darf – ich gehe davon aus, dass die Koalitionsvereinbarung Zustimmung erfährt –, dann ist genau dieser Punkt auch ein Schwerpunkt der zukünftigen Verteilung von Unterstützungsmitteln, sogenannten Incentives, zwischen der ersten und der zweiten Säule, auch bezüglich der Förderung von Nachhaltigkeit.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Jetzt hat der Kollege Huber, AfD, noch eine Frage zur heutigen Kabinettssitzung.

Johannes Huber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004764, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, ich würde gerne das Thema Sanktionen ansprechen. Russland war bis zum Jahr 2014 mit einem Exportvolumen von circa 1,6 Milliarden Euro pro Jahr eines der drei größten Absatzmärkte für Lebensmittel aus Deutschland. Dann haben bekannterweise die Sanktionen der EU einen Importstopp seitens Russland provoziert. Ich frage Sie, Herr Minister: Teilen Sie die Haltung und Hoffnung des Bauernverbandes und auch der deutschen Bauern, die Russland-Sanktionen baldmöglichst aufzuheben? Oder sagen Sie trotz der niedrigen Verkaufspreise und der überschüssigen Lebensmittel weiterhin – ich sage fast zynisch – „An apple a day keeps Putin away!“?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege, es mag Ihnen nicht entgangen sein, dass die Nahrungsmittelexporte aus Deutschland in den letzten Jahren trotz der bedauerlichen Situation, dass Herr Putin, um im Bild zu bleiben, keine deutschen Äpfel, die sehr schmackhaft sind, mehr genießen kann, gestiegen sind. Wir haben ein Exportvolumen der deutschen Nahrungsmittelwirtschaft und Ernährungswirtschaft in Höhe von über 70 Milliarden Euro. Das heißt, es hat eine Kompensation stattgefunden. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die völkerrechtlich berechtigten Sanktionen, die die internationale Gemeinschaft gegenüber der Russischen Föderation nach der Besetzung und Usurpation der Krim verhängt hat, völkerrechtlich nicht gleichzeitig eine Berechtigung für die Importverbote geben. Es gab gerade ein WTO-Panel zu Lebensmitteln aus Deutschland und Europa. Die Welthandelsorganisation hat der Europäischen Union in dieser Frage vor kurzem recht gegeben. Es geht hier aber nicht um Rechthaben allein. Insofern war ich sehr froh, dass bei der Grünen Woche in diesem Jahr die russische Seite nicht mehr – wie im letzten Jahr noch – durch Abwesenheit geglänzt hat, sondern unter Aufbietung ihrer Spitzenköche und guter Nahrungsmittel in Deutschland präsent war. Ich selber habe mit Russland sehr engen Kontakt und konnte für einige Bereiche, beispielsweise für Kindernahrungsmittel, schon erreichen, dass sich die Dinge verbessern. Ich habe eine gewisse optimistische Grundhaltung, dass wir in dem Bereich vorankommen, was die Nahrungsmittel betrifft.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind schon ein bisschen fließend zu weiteren Fragen übergegangen; ({0}) wir haben davon noch sieben. Aber auch für sie gilt die Redezeitbegrenzung, die wir bei der Regierungsbefragung haben, und ich muss sie jetzt exekutieren. Daher bitte ich, auf die Redezeit zu achten. Nächster Fragesteller ist jetzt der Kollege Peterka von der AfD-Fraktion.

Tobias Matthias Peterka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004850, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident, vielen Dank für die Zulassung aller themenoffenen Fragen. Ich mache es auch ganz kurz. – Meine Frage richtet sich an das BMZ: Welche besonderen Maßstäbe legt das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bei der direkten oder indirekten Hilfeleistung für Länder an, in denen es nach allgemeinen Erkenntnissen zu Verfolgungen und zur Unterdrückung von Menschen christlichen Glaubens kommt?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank. – Herr Präsident, ich würde diese Frage mit Ihrem Einverständnis an den Vertreter des BMZ, den Parlamentarischen Staatssekretär Kollegen Silberhorn, weitergeben.

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Vielen Dank. – Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verfolgt generell einen menschenrechtsbasierten Ansatz in der Kooperation mit allen unseren Partnerländern. Wir sind natürlich insbesondere dort sehr aufmerksam, wo die Religionsfreiheit verletzt wird und unter anderem Christenverfolgung stattfindet. Ich darf wegen des Beispiels, das Sie genannt haben, darauf verweisen, dass wir insbesondere im Irak außerordentlich stark engagiert sind. Der Irak ist traditionell kein Partnerland der Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere aufgrund reichhaltiger eigener Ressourcen. Wir tragen dort aber durch die Unterstützung aufnehmender Gemeinden erheblich dazu bei, dass Flüchtlinge, die zurückkehren wollen, ein sicheres Umfeld vorfinden, in dem sie ihre Heimat wieder aufbauen können. Wir tragen auch mit Traumabehandlung und vielen anderen Dingen dazu bei, dass Binnenmigranten im Irak wieder Fuß fassen können. Hier spielt, wie Sie wissen, insbesondere die christliche Minderheit eine Rolle.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank. – Die nächste Frage hat der Kollege Kekeritz, Bündnis 90/Die Grünen.

Uwe Kekeritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004066, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. – Kohärenz ist das wichtigste politische Leitprinzip dieser Regierung, habe ich festgestellt. Insofern möchte ich heute eine Frage bezüglich des Kabinetts stellen. Gestern fand ja ein informeller Ministerrat statt, an dem unser Entwicklungsminister teilgenommen hat. In diesem Rahmen hat er wieder einmal gefordert, einen EU-Kommissar für Afrika zu etablieren und die EU-Mittel für Afrika zu verdoppeln. Ob das jetzt positiv oder negativ ist, will ich hier nicht bewerten, sondern ich will einfach wissen, inwieweit es eine kohärente Forderung ist. Ist das mit anderen Kabinettsmitgliedern, auch mit dem Finanzministerium, abgesprochen, und ist das auch mit den anderen EU-Mitgliedstaaten abgesprochen? Herr Minister ist nämlich schon öfter dadurch aufgefallen, dass er Forderungen gestellt hat, die groß in die Medien kamen, aber mit niemandem abgesprochen waren.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Bundesminister Schmidt, wollen Sie den Kollegen Silberhorn wieder bitten?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Ich gebe gern an den Kollegen Silberhorn weiter.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Das hat sich sehr bewährt. – Bitte, Herr Silberhorn. Aber auch für Sie gilt die Ampel da oben.

Thomas Silberhorn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003636

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Kekeritz, gestern fand eine informelle Tagung der Entwicklungsminister der Europäischen Union statt. Auf der Tagesordnung stand unter anderem der mehrjährige Finanzrahmen der Europäischen Union. Die Kommission bereitet die Debatte vor. Das Europäische Parlament wie auch der Ministerrat in allen seinen Formationen wird sich zu der Frage positionieren müssen, wie der Haushalt der Europäischen Union im Zeitrahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens aufzustellen ist. In diesem Zusammenhang hat Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller dazu aufgerufen, die internationalen Aufgaben der Europäischen Union, insbesondere mit Blick auf Afrika, deutlich zu stärken.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage stellt Kollegin Kluckert, FDP.

Daniela Kluckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004784, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, meine Fraktion und ich hatten Ihrem Ministerium im Zuge einer Kleinen Anfrage auf Drucksache 19/556 Fragen zu innovativen Mobilitätslösungen gestellt. Dabei ging es insbesondere um die Vermeidung von Schadstoff­emissionen. Ihr Ministerium hat auf 13 der 22 Fragen geantwortet: Das kann die geschäftsführende Regierung nicht beantworten, wir müssten die nächste Regierung abwarten. – Vor diesem Hintergrund stellt sich mir die Frage, wie Sie gemeinsam mit zwei weiteren Ministern einen Brief an die EU-Kommission schreiben konnten, in dem Sie unter anderem ankündigten, den ÖPNV kostenlos zur Verfügung stellen zu wollen. Das stellt doch eine weitgreifende Entscheidung dar.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Liebe Kollegin, es ist unser gemeinsames Ziel, Emissionen zu reduzieren. Wir haben uns in der gegenwärtigen Koalitionsvereinbarung entsprechend geeinigt, und Sie wissen, wie schwierig Sondierungsgespräche sein können. Zu dem Brief, den ich gemeinsam mit Kollegin Hendricks und dem Chef des Bundeskanzleramtes an Kommissar Vella geschrieben habe: Es handelt sich um Gedanken über Konzepte, die in dem Mosaik der Maßnahmen zur Verbesserung der Schadstoffemissionen eine Rolle spielen werden. Dem Leser dieses Briefes wird aufgefallen sein, dass es sich mitnichten um eine Freistellung von den Kosten im öffentlichen Personennahverkehr handelt. Vielmehr handelt es sich um den Versuch, konkrete Möglichkeiten zu entwickeln, wie in Peak-Zeiten, also bei einer entsprechenden NO X -Belastung, durch innovative Konzepte zu einer Entlastung bei den Emissionen in einzelnen Städten beigetragen werden kann. Darüber muss natürlich noch mit den Kommunen und den Ländern beraten werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Martin Hess aus der AfD-Fraktion.

Martin Hess (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004749, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe eine Frage an den Vertreter des BMI. Am 26. Januar dieses Jahres wurde ein Bundespolizeibeamter, der unter anderem für Abschiebungen von islamistischen Gefährdern zuständig ist, unter seiner Wohnadresse von Islamisten aufgesucht. Er wurde bedroht und angegriffen mit dem Ziel, seine zukünftige Mitwirkung an Abschiebungen zu unterbinden. Meine Frage lautet deshalb: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie die Islamisten an die personenbezogenen Daten, insbesondere an die Wohnadresse des Bundespolizeibeamten, gelangen konnten, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um Vorfälle dieser Art zukünftig zu verhindern, um den Schutz von Bundespolizeibeamten und ihren Familien zu verbessern? ({0})

Dr. Ole Schröder (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003628

Wir gehen diesem Fall intensiv nach. Genaueres kann ich Ihnen hierzu nicht mitteilen. Wichtig ist, dass wir allen Bundespolizeibeamten, die sich in diesem schwierigen Einsatz befinden, Schutz geben. Dazu zählt beispielsweise, dass die Beamten anonym bleiben dürfen, dass solche Vorfälle selbstverständlich verfolgt werden und dass die Bundespolizeibeamten – so ist das bisherige System – nicht dauerhaft nur diese Einsätze durchführen, sondern dass wir ein System haben, dass unterschiedliche Bundespolizeibeamte die Flüge begleiten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Oliver Krischer aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Oliver Krischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Schmidt, ich möchte auf den Brief zurückkommen, den Sie zusammen mit Herrn Minister Altmaier und Frau Ministerin Hendricks in Sachen Diesel an die EU-Kommission geschrieben haben. Mich würde interessieren, nach welchen Kriterien die in dem Brief genannten fünf Städte für den Modellversuch „Kostenloser ÖPNV“ ausgewählt worden sind.

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Lieber Kollege Krischer, bei der Auswahl der Städte für dieses Pilotprojekt hatten wir die unterschiedlichen Größen und die unterschiedlichen Strukturen der Städte im Blick. Man kann allerdings nicht alle verschiedenen Strukturen abbilden, wenn man nur fünf Städte vorschlägt. Mit diesem Ansatz wollten wir einerseits die Breite der Nutzungsmöglichkeiten solcher Ideen, solcher Konzepte abbilden und andererseits sehen, wo solche Konzepte funktionieren und wo sie eher schwierig umzusetzen sind.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Olaf in der Beek aus der FDP-Fraktion.

Olaf In der Beek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Herr Minister, wir haben in den letzten Tagen alle von den Skandalen bei Oxfam und Ärzte ohne Grenzen gehört. Beide Organisationen haben im Geschäftsjahr 2016 Zuwendungen von der Bundesregierung erhalten, Oxfam Deutschland in Höhe von 15 Millionen Euro und Ärzte ohne Grenzen in Höhe von 4 Millionen Euro. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, dass deutsche Mitarbeiter dieser Organisationen in die Skandale verwickelt waren oder es zu sexuellen Übergriffen durch Mitarbeiter im Rahmen von Projekten gekommen ist, die von den deutschen Sektionen durchgeführt worden sind? Welche Maßstäbe legt die Bundesregierung für die Vergabe von Mitteln bei einer solchen finanziellen Unterstützung von Organisationen zugrunde, und welche Konsequenzen will die Bundesregierung diesbezüglich aus den bekanntgewordenen Skandalen ziehen?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Herr Kollege, es ist völlig indiskutabel, dass Organisationen, die zu Recht auch von öffentlichen Mitteln leben und profitieren, weil sie ein Ziel verfolgen, das wir seitens der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages unterstützen, diese Mittel entweder anders verwenden oder die ethischen Grundsätze, die wir erwarten, nicht einhalten. Die konkreten Fälle bedürfen einer Überprüfung im Einzelnen. Diese findet zurzeit auf internationaler Ebene statt. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen bezogen auf einzelne Situationen hier Auskunft zu geben. Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass eine umfassende Aufklärung stattfindet und auch die Zuschussgeber nach dieser Aufklärung die Zusammenhänge betrachten werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Die letzte Frage stellt der Abgeordnete Markus ­Frohnmaier aus der AfD-Fraktion.

Markus Frohnmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004721, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe eine Frage an die Bundesregierung: Ist die Bundesregierung bereit, den völkerrechtswidrigen und menschenrechtswidrigen Angriff türkischer Truppen auf Afrin zu verurteilen?

Christian Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002003

Ich übergebe, wenn Sie, Frau Präsidentin, das gestatten, an Frau Staatsministerin Böhmer aus dem Auswärtigen Amt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Bitte, Frau Staatsministerin.

Dr. Maria Böhmer (Gast)

Politiker ID: 11002630

Wir sehen mit großer Sorge die Eskalierung in der Region Afrin. Wir haben mit aller Deutlichkeit an die beteiligten Gruppen appelliert, dass die Auseinandersetzungen ein Ende finden müssen. Sie wissen, es geht dabei nicht nur um eine Deeskalierung, sondern auch darum, dass der Schutz der Zivilbevölkerung und der Zugang zu humanitären Leistungen gewährleistet sein müssen. Das, was sich in dieser Region abspielt, ist Anlass zu allergrößter Sorge.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Danke, Frau Staatsministerin, danke, Herr Minister und auch Herr Staatssekretär für die Antworten.

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Entschuldigung. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 17. Februar 2018 hat die Demokratie in Deutschland schweren Schaden erlitten. Das im Grundgesetz verbriefte Demonstrationsrecht wurde durch die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung ausgehebelt. Helfer waren die Berliner Polizeiführung, linke Politiker und die demokratiefeindliche Antifa. ({0}) Die von Leyla Bilge – einer Kurdin, die gegen Kinderehen kämpft und sich für menschenwürdige Verhältnisse in Flüchtlingslagern einsetzt – angemeldete, von mehreren Frauenrechtsinitiativen unterstützte Demonstration wurde durch die oben genannten Akteure aktiv behindert. Das ist nicht nur undemokratisch, sondern auch strafbewehrt. Nach circa einem Kilometer wurde der Demonstrationszug wegen einer Blockade von Linksextremisten gestoppt. Die Polizeiführung vor Ort beteuerte, dass die Blockade geräumt würde; dann könne es weitergehen. Aus jetziger Sicht bezweifle ich, dass das jemals geplant war. Geplant war aus meiner Sicht, diese Demonstration an genau diesem Ort zu beenden. ({1}) Alternativrouten durch Seitenstraßen wurden abgelehnt. Nach circa zweieinhalb Stunden musste die Anmelderin die Demonstration beenden. Die Abschlusskundgebung am Kanzleramt sollte trotz alledem stattfinden. Jetzt wurde die Taktik der Polizeiführung wirklich bemerkenswert: Auf dem Weg zum Kanzleramt – in kleinen Gruppen – wurden wir immer wieder eingekesselt und aufgefordert, nach Hause zu gehen. ({2}) Offensichtlich wollte man verhindern, dass sich zu viele Demonstranten vor dem Kanzleramt versammeln. Ich sage Ihnen: So etwas habe ich bei einer Demonstration noch nie erlebt. ({3}) Sie, meine Damen und Herren von Linken bis Grünen, haben sich an diesem Rechtsbruch mitschuldig gemacht, weil Ihre Mitglieder aktiv die Antifa unterstützen: einige mit ihrer persönlichen Anwesenheit, andere, indem sie ihnen mit verbalen Ausfällen gegenüber Andersdenken die moralische Legitimation liefern. ({4}) Von mehreren aktiven und ehemaligen Bundestagsabgeordneten wurde in verschiedenen sozialen Medien zu Straftaten aufgerufen. Andere Abgeordnete, wie zum Beispiel Frau Lay, twitterten ihre Freude darüber, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit ausgehebelt wurde. Das nenne ich ein sehr spezielles Demokratieverständnis. ({5}) Natürlich gibt es keine vernünftigen Argumente dagegen, dass Frauen dafür demonstrieren, sich frei und ohne Angst im öffentlichen Raum bewegen zu können. ({6}) Aber immer wenn Linke und Grüne keine vernünftigen Argumente haben, wird die Nazikeule ausgepackt. Die Frauen und Männer, die am Sonnabend auf die Straße gegangen sind, hatten so wenig mit Nationalsozialisten zu tun wie die SPD mit einer Volkspartei; sie liegt laut INSA gerade noch bei 15,5 Prozent. ({7}) Aber auch Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, sind nicht ganz unschuldig, weil Sie über Jahrzehnte hingenommen haben, dass die Antifa durch vorgelagerte Vereine finanziell unterstützt wird und Straftaten der Antifa nicht konsequent verfolgt werden. Haben Sie endlich den Mut, gegen dieses linke, verbrecherische Klientel konsequent vorzugehen! ({8}) Glauben Sie mir, meine Damen und Herren von FDP und CDU: Die Antifa sucht Sie nur deswegen nicht heim, weil sie die AfD im Fokus hat. Wenn wir, die AfD, als Hauptfeind nicht wären und Sie eine auch nur ansatzweise konservative Politik verfolgten, dann würden Ihre Büros zerstört werden, ({9}) dann würden die Autos Ihrer Politiker brennen, dann würden Ihre Mitarbeiter angegriffen werden. Seien Sie also froh, dass es uns, die AfD, gibt! ({10}) Sonst müssten Sie unseren Part übernehmen und sich beschimpfen, anspucken und angreifen lassen. Das ist nämlich für unsere Mitglieder Alltag. ({11}) Den Polizeibeamten, die am Sonnabend vor Ort waren, möchte ich eines sagen: Diejenigen, mit denen ihr euch am Sonnabend – ob freiwillig oder höchstwahrscheinlich unfreiwillig – verbrüdert habt, hassen euch abgrundtief. Denen ist eure Gesundheit vollkommen egal, und sie würden auch euren Tod billigend in Kauf nehmen; das hat man beim G-20-Gipfel gesehen. ({12}) Ich habe das in meiner über 30-jährigen Berufspraxis nicht nur einmal erlebt. Spätestens am 30. April werdet ihr aus deren Mündern wieder „Ganz Berlin hasst die Polizei“ hören. Ihr werdet von denen mit Steinen, Flaschen und Böllern beworfen, gejagt und, wenn ihr nicht auf euch aufpasst, verprügelt. Die Politiker, die euch am Sonnabend im Geiste auf die Schulter geklopft haben, verachten euch. Sie wollen euch dem Terror der Antifa ungeschützt aussetzen, indem sie euch zwingen wollen, Namensschilder zu tragen. ({13}) Vereinzelt wollen sie euch gar unbewaffnet auf die Straße schicken. Passt auf, wen ihr euch zum Freund nehmt. Im Gegensatz zur Antifa und zu ihrem politischen Arm in den Parlamenten wollen wir, dass ihr das Gewaltmonopol habt, dass ihr die Bevölkerung schützt und für Sicherheit und Ordnung sorgt. Im Gegensatz zu denen wollen wir, dass ihr jeden Tag unverletzt zu euren Familien heimkehrt. Vielen Dank. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir fahren in der Aktuellen Stunde „Demonstrationsrechte von Frauen stärken“ fort. Das Wort hat der Abgeordnete Marian Wendt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Marian Wendt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004441, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der AfD, seien Sie in dieser Debatte doch ehrlich. Es geht Ihnen nicht um die Rechte von Frauen, sondern einfach um Provokation und um Selbstbestätigung in der vermeintlich eigenen Opferrolle. ({0}) Frauenrechte sind Ihnen im Kern doch überhaupt nichts wert. Die vergangenen Monate haben das ganz deutlich gezeigt. ({1}) Auf Bundestagswahlplakaten der AfD waren halbnackte Frauen unter dem Motto: „WIR STEH’N AUF BIKINIS“, zu sehen. ({2}) Ein AfD-Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, Gunnar Lindemann, empfiehlt anderen Facebook-Nutzern preiswerte ukrainische Frauen. ({3}) Der in Mecklenburg-Vorpommern über die AfD-Liste gewählte Landtagsabgeordnete Arppe setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Er fordert die Vergewaltigung von Frauen und Kindern und ruft zur Tötung von Menschen mit anderen Meinungen auf. ({4}) An diesen Chats sind noch weitere Landtagsabgeordnete Ihrer Partei beteiligt. Das ist pervers, das ist abartig, und ich sage Ihnen: Schämen Sie sich dafür! ({5}) Zurück zum Frauenmarsch vom Samstag. Ja, Gewalt gegen Frauen ist ein Problem in unserer Gesellschaft. Insbesondere – das habe ich hier bereits mehrfach gesagt – haben einige junge muslimische Männer ein falsches Frauen- und Gesellschaftsbild. ({6}) Dagegen helfen aber nicht Worte und Demos; dagegen hilft der harte Rechtsstaat, den diese jungen Männer spüren müssen. ({7}) Wir als Union haben die Zahl der illegalen Einwanderer auf unter 20 Prozent der Zahl des Jahres 2015 gedrückt. ({8}) Wir setzen auf die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. ({9}) Sie haben es gesehen: Gestern Abend ging wieder ein Flieger nach Afghanistan. ({10}) Ich halte das für richtig und wichtig. ({11}) Sie hingegen denken, es brauche Pegida-Chef Lutz Bachmann, um die Frauenbewegung zu stärken. Zur Erinnerung: Bachmann wurde wegen Körperverletzung, Einbruch, Diebstahl und Drogenhandel rechtskräftig verurteilt. Dazu noch unterhält er Verbindungen ins Rotlichtmilieu. ({12}) Aber das scheint Sie ja nicht zu interessieren. Erst wird er beim politischen Aschermittwoch von Ihnen gefeiert und hofiert. Nun stand er am Samstag auch noch in der ersten Reihe, um für die Rechte von Frauen in Berlin zu kämpfen. Meine Damen und Herren, dazu fällt mir nichts mehr ein. ({13}) Aus meiner Sicht sind Sie, wenn es um die Unterstützung von Frauen geht, genauso glaubwürdig, wie wenn die PDS für die Abschaffung der Reichensteuer kämpfen würde. Damit sind wir bei der anderen Seite. Der selbsternannte Frauenmarsch wurde durch Sitzblockaden gestoppt. Dabei hat die Berliner Polizei ihren Dienst ordentlich getan und durch 900 Einsatzkräfte die Marschteilnehmer von den Gegendemonstranten getrennt. Ein Dank an alle Polizisten an dieser Stelle! Den verletzten Beamten wünsche ich von hier aus gute Genesung. ({14}) Die Polizei hat nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gehandelt. Es waren mehr als 1 500 Gegendemonstranten vor Ort. Es wurde mit der Räumung angefangen, Festnahmen und Identitätsfeststellungen erfolgten; denn jeder hat das Recht – auch Sie als AfD – zu demonstrieren. ({15}) Und der Staat soll Ihnen das ermöglichen. Die Anmelderin selber hat die Demonstration beendet, obwohl die Räumungen bereits vonstattengingen. ({16}) Wieder einmal haben hier aus meiner Sicht linksextreme Randalierer der Demokratie einen Bärendienst erwiesen und der AfD leider eine Steilvorlage für ihre Opferrolle geliefert. ({17}) Dass mit Caren Lay und Canan Bayram linke und grüne Bundestagsabgeordnete dabei waren und die Gegendemos in den sozialen Medien gepriesen haben, muss an dieser Stelle auch gesagt werden. Es wäre klüger gewesen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich zurückgehalten hätten. ({18}) Die Sitzblockaden waren von der AfD einkalkuliert, damit sie wieder ihr Lieblingsnarrativ, die Opferrolle, spielen kann. Es ging bei der AfD-Demo gar nicht um Frauenrechte. Eingeladen wurden doch nicht diejenigen, die sich um Frauenrechte Sorgen machen, sondern einfach jeder, der gegen die „fatale Flüchtlingspolitik der Altparteien“ wettert. Gekommen zur Frauendemo waren vor allem rechte Männer, die „ihre“ Frauen vor anderen Männern schützen wollten. ({19}) Der ausgelöste Polizeieinsatz und die Rangeleien zwischen Beamten und Gegendemonstranten waren Ihnen dabei vollkommen egal. Sie konnten sich als vermeintliches Opfer inszenieren. Meine Damen und Herren, ich habe schon immer gesagt: Es gibt keine friedlichen Sitzblockaden. Das ist Selbstjustiz. ({20}) Straßenblockaden bleiben rechtswidrig, und ihre Teilnehmer gehören geräumt, verhaftet und angeklagt. Wenn Sie, liebe Linke und Grüne, also meinen, das Unrecht mit Unrecht, also mit Sitzblockaden, zu bekämpfen, dann liegen Sie völlig falsch. ({21}) Stattdessen sollten wir es mit Voltaire halten: … ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen. Vielen Dank. ({22})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Josephine Ortleb für die SPD-Fraktion. ({0})

Josephine Ortleb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004844, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun habe ich das zweite Mal innerhalb weniger Wochen die Chance, in einer Aktuellen Stunde über Frauenrechte zu sprechen. Aber wieder geht es nur darum, dass uns eine Gruppe, überwiegend Männer, erklären will, wie es um die Frauenrechte bei uns steht. Abermals schwingen sich die Abgeordneten der AfD zu den Beschützern des angeblich ach so schwachen Geschlechts auf. Aber wenn die AfD von Schutz redet, meint sie Ausgrenzung. ({0}) Wenn sie über die Stärkung von Frauenrechten schwadroniert, geht es ihr um nichts weniger als darum, Menschen gegeneinander auszuspielen. Sie haben beantragt, über das Demonstrationsrecht von Frauen zu sprechen. Aber dass Frauen sehr gut in der Lage sind, für ihre Rechte zu mobilisieren, zeigen Kampagnen wie „One Billion Rising“. ({1}) Vergangene Woche versammelten sich 60 000 Menschen allein in Deutschland in 179 Städten, um bei der Aktion „One Billion Rising“ gegen Gewalt an Frauen und Mädchen zu demonstrieren. Ihren Protest drücken sie aus, indem sie hinausgehen, um zu tanzen, sich zu erheben und das Ende dieser Gewalt zu fordern. Ich war auch dabei, und ich war froh, dass viele Männer dabei waren, Männer, die verstanden haben, dass es darum geht, ungleiche Machtstrukturen aufzubrechen, statt sie zu zementieren, wie die AfD es will. ({2}) Derzeit setzen Frauen überall auf der Welt eindrucksvolle Zeichen dafür, dass es an der Zeit ist, diese fest eingefahrenen Machtstrukturen endgültig aufzubrechen. ({3}) Frauen führen, gestalten und organisieren friedliche Proteste, und sie solidarisieren sich mit anderen Frauen weltweit für ihr gemeinsames Ziel: eine gerechte Gesellschaft, die zusammenhält und die Gleichstellung von Männern und Frauen verwirklicht. ({4}) Besonders eindrucksvoll ist die Bewegung in den USA. Letztes Jahr gingen allein in Washington über eine halbe Million Menschen auf die Straße, um für eine Politik zu demonstrieren, die sich gegen Rassismus, Gewalt an Frauen, Frauenfeindlichkeit, Patriarchalismus und die Diskriminierung der Geschlechter wendet. Frauen erheben sich für Gleichberechtigung, das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, für Sicherheit und Freiheit und für die Rechte Geflüchteter und der Migrantinnen und Migranten. ({5}) Eines haben diese Proteste immer gemeinsam: Frauen wollen Menschenrechte und keine rechten Menschen. ({6}) Sie und Ihre Politik werden uns nicht spalten; denn Frauen sind erfolgreich, wenn sie für ihre Rechte kämpfen, und das nicht wegen, sondern trotz einer reaktionären Politik, die weltweit stärker aufkommt. Frauen erreichen durch Proteste und Demonstrationen Meilensteine in der Geschichte der Gleichstellungspolitik. Sie erkämpften das Frauenwahlrecht, die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe und zuletzt die Verankerung des Grundsatzes „Nein heißt Nein“. ({7}) Umso schlimmer ist es, dass die AfD nun zum wiederholten Mal im Deutschen Bundestag den vermeintlichen Kampf für Frauenrechte nutzt, um zu hetzen. Dem heißen Wind im Parlament folgt jedoch gähnende Leere auf der Straße. Ich frage mich: Wo sind denn die Frauen, die Sie vertreten wollen? ({8}) Bei Ihrem ominösen Frauenmarsch sehe ich sie nicht. Ich sehe aber die vielen Frauen, die – egal ob bei Großdemonstrationen oder durch ihr tägliches Engagement – für eine Gesellschaft kämpfen, in der es keine Rolle spielt, welche Herkunft, welches Geschlecht oder welche Religion ein Mensch hat. Es ist genau diese Bewegung von Frauen und Männern, mit der ich weiter demonstrieren und jede Form der Diskriminierung entschieden bekämpfen werde. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jürgen Martens für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Jürgen Martens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004816, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die kryptische Themenwahl der Antragstellerin für diese Aktuelle Stunde hat die Sache nicht leichter gemacht. Mit einer solchen Ansage macht man einen Faktencheck kaum noch möglich. Aber das ist offenbar auch Absicht der Antragstellerin. ({0}) Man sollte sich einmal fragen, ob man im Parlament wirklich Debatten auf einer solchen Grundlage führen möchte, ob man sich dafür hergibt, dieses Schaulaufen in dieser Weise zu fördern. ({1}) Zu dem Vorfall selber: Am 17. Februar gab es eine Demonstration von, wie ich es jetzt einmal nenne, rechten Frauen, ({2}) und diese Versammlung wurde gestört; das ist richtig. Aber das ist entgegen Ihren Vorstellungen nicht automatisch strafbar, meine Damen und Herren. Nicht jede Störung einer Versammlung als solche ist strafbar. ({3}) Auch der Gegenprotest in Seh- und Hörweite einer Demonstration ist zulässig. Das ist Teil des Demonstrationsrechts. ({4}) Auch eine Blockade als solche ist nicht strafbar, sondern erst dann, wenn sie eine bestimmte Intensität erreicht hat. ({5}) Das ist hier möglicherweise der Fall gewesen. Ich habe weder die Erkenntnismöglichkeiten noch die Zeit gehabt, mich damit auseinanderzusetzen. Es ist im Zweifelsfall auch Sache der Gerichte, das festzustellen. ({6}) Aber worum es mir politisch geht, ist die Feststellung, dass Sie die angesprochene Blockade – die Polizei hat geräumt und ist dabei offensichtlich verhältnismäßig vorgegangen – zum Anlass nehmen, um sich nun selbst als Opfer linker Blockierer darzustellen. Damit bedienen Sie das gute, alte Stereotyp, das immer wieder bei Rechten und Rechtsextremen zu beobachten ist: Sie sind die armen Opfer. ({7}) Nein, das sind Sie nicht. Sie sind bei Ihrem Marsch nicht zum Opfer geworden; denn es ging Ihnen gar nicht um Frauenrechte, sondern darum, gegen Migranten und insbesondere gegen das Stereotyp des ausländischen Sexualstraftäters zu demonstrieren. ({8}) Das ist eine der typischen Vorgehensweisen, die bei Ihnen anscheinend Programm sind. Wenn Sie sich darüber beschweren, dass Ihre Parteianhänger bespuckt, beworfen oder gejagt werden, dann muss ich fragen: Wer in dieser Republik hat eigentlich an vorderster Stelle eine solche Diktion, eine solche Wortwahl und eine solche sprachliche Retour mit eingeführt? ({9}) – Nein, Sie auch, in besonderer Lautstärke. Nicht immer auf andere zeigen! Schauen Sie in den Spiegel! Dann wissen Sie, wer in diesem Land das politische Klima vergiftet, und zwar mit Ansage, mit Absicht und mit Plan. ({10}) Sie werden letzten Endes die Schlussfolgerung daraus ziehen, der Rechtsstaat als solcher sei in Gefahr. Nein, das ist er nicht, nicht wegen eines solchen Vorfalls. Der Rechtsstaat muss auf Rechtsverstöße reagieren. Der Rechtsverstoß ist quasi die Voraussetzung, dass der Rechtsstaat gefordert wird. Man brauchte keinen Rechtsstaat, wenn sich alle an das Recht hielten. Auch hier verkennen Sie etwas. ({11}) Der Rechtsstaat als solcher ist noch nicht in Gefahr. Der Rechtsstaat kann aber in Gefahr geraten, ({12}) wenn wir nicht bereit sind, uns zumindest auf eine bestimmte Auseinandersetzungskultur zu einigen. ({13}) Wie wollen wir uns rechtlich im Großen vernünftig auseinandersetzen, wenn wir schon im Kleinen nicht in der Lage sind, vernünftig miteinander umzugehen? ({14})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Martens. – Einen schönen Nachmittag von mir, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich bitte, nicht mit Fingern auf Menschen zu zeigen. Aber wir werden im Ältestenrat noch über bestimmte Äußerungen reden, die gerade gemacht wurden. ({0}) Nächste Rednerin: Caren Lay für Die Linke. ({1})

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war am Wochenende bei der friedlichen Demonstration „Nicht in unserem Namen – Kein Feminismus ohne Antirassismus“. Ich habe mein Demonstrationsrecht als Frau wahrgenommen. Ich bin froh, dass ich jetzt selber etwas dazu sagen kann. ({0}) Jeder weiß, dass hinter diesem sogenannten Frauenmarsch die AfD steckt. Sie machen also eine Aktuelle Stunde zu Ihrer eigenen Demo, zu einem sogenannten Frauenmarsch, an dem interessanterweise nur Männer teilgenommen haben. Schon das ist reichlich absurd. ({1}) Ausgerechnet Sie, eine Partei, die die Errungenschaften der Frauenbewegung infrage stellt, die überall gegen den sogenannten Genderwahn polemisiert, spielen sich als Retterin der Frauen auf. Das ist doch lächerlich. ({2}) Schauen Sie doch einmal in Ihre eigenen Reihen mit einem Frauenanteil von gerade einmal 11 Prozent! Schauen Sie in Ihr eigenes Programm! Sie wenden sich gegen Frauenquoten und gegen Gleichstellungsbeauftragte. ({3}) Ausbau von Frauenschutzhäusern? – Keine Spur in Ihrem Programm! Das Wort „Frauen“ kommt in Ihrem Programm gerade einmal neunmal vor, das Wort „Feminismus“ gar nicht. ({4}) Das passt ins Bild. Beatrix von Storch will „dem Feminismus den Stecker ziehen“ und nimmt gerne einmal an Demos sogenannter Lebensschützer teil. ({5}) Der Berliner Landtagsabgeordnete der AfD Lindemann pries unverhohlen und öffentlich die preiswerten Dienste ukrainischer Frauen. Meine Damen und Herren, das ist einfach nur ekelhaft. ({6}) Wenn man sich mit diesem sogenannten Frauenmarsch der Männer beschäftigt, dann wird schnell klar: Als Täter sexualisierter Gewalt gelten bei Ihnen Migranten und Muslime. Sie bemühen das Feindbild von fremden schwarzen Männern, und als Opfer sehen Sie ausschließlich weiße deutsche Frauen. Dabei sind die Opfer sexueller Gewalt nicht selten Migrantinnen. Alle einschlägigen Studien belegen, dass die meisten Täter Partner, Ehegatten, Verwandte sind. Sie kommen aus allen Schichten, sie kommen aus allen Regionen. Es sind fast ausschließlich Männer. Nicht Muslim oder Christ, Deutscher oder Migrant ist die entscheidende Frage. Patriarchat und Sexismus, das ist das Problem, und das müssen wir bekämpfen. ({7}) Es geht Ihnen nicht wirklich um Frauenrechte. Sie benutzen Frauenrechte, um Ihrem Hass auf Migranten und Muslime freie Bahn zu lassen. Das finde ich wirklich schäbig. ({8}) Dass es Ihnen nicht um Frauenrechte geht, das belegt auch der Shitstorm, den ich wegen meiner Teilnahme an der Gegendemonstration erhalten habe. ({9}) Ich zitiere eine kleine Auswahl von über Hunderten Kommentaren, die meist von hasserfüllten Männern stammen: „Du Nutte“, „Schlampe“, ({10}) „Du dumme Hure wirst vergewaltigt und entsorgt“, ({11}) „Asoziales Inzestopfer“, „Hoffentlich spaltet dir jemand deinen kleinen dummen blonden Schädel“, „Verrecke ganz schnell“ und schließlich „Ich wünsche Ihnen eine Vergewaltigung an den Hals, und das täglich“. Keinen Mann würde man jemals so beleidigen und so beschimpfen. Das ist einfach nur widerlich. ({12}) Die Spitze des Eisbergs ist es nicht. Es gibt Kommentare dabei, die so beleidigend und so verletzend und so bedrohlich sind, dass ich sie im Hohen Haus nicht vorlesen möchte; aber dem Staatsanwalt werde ich sie vorlegen. Darauf können Sie sich gefasst machen. ({13}) Das alles hat Methode. Diese rechten Trollfabriken suchen sich ein Opfer, am liebsten junge Frauen, und lassen dort unverhohlen ihre Hasstiraden los. Aber Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass ich mich davon einschüchtern lasse. ({14}) – Ja, was haben Sie damit zu tun? Gestern erschien eine Studie zu Hass im Netz, nachzulesen bei tagesschau.de . Kurzfassung: Eine Minderheit im Netz ist für die Mehrheit der Hasskommentare verantwortlich und diese – Zitat – „ließen sich als Anhänger der AfD und der ,Identitären’ identifizieren“. ({15}) Diese Hater, das sind Ihre Anhänger. Anstatt sich hier permanent als Opfer zu inszenieren, kehren Sie vor der eigenen Haustür! ({16}) Meine Damen und Herren, auch ich habe mein Demonstrationsrecht als Frau wahrgenommen, und zwar gegen die Instrumentalisierung von Frauenrechten und für rassistische Hetze. Ich kann beim besten Willen nicht sehen, was daran falsch sein soll. ({17}) Mein Dank gilt dem Berliner Bündnis gegen Rechts, dem Bündnis „Aufstehen gehen Rassismus“ und allen, die dabei waren. Rassistischer Hass und rassistische Hetze dürfen keine Mehrheit finden, nicht im Netz, nicht in der Gesellschaft, und auch auf der Straße darf das keinen Durchmarsch machen. Vielen Dank. ({18})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Caren Lay. – Das Wort zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag hat jetzt für Bündnis 90/Die Grünen Canan Bayram. ({0})

Canan Bayram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004665, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich vielem, was meine Vorrednerin gesagt hat, anschließen. Das liegt natürlich auch daran, dass wir beide vor Ort waren. Das heißt, wir wissen, worüber wir reden und welche Situation wir dort vorgefunden haben. Ich will Ihnen einmal berichten, dass der Anteil der Frauen auf dieser Demonstration „Frauenmarsch“ in etwa dem der Frauen in der AfD-Fraktion entsprach, also irgendetwas um die 10 Prozent. ({0}) Spannend war da natürlich auch, dass man sich fragen muss: Geht man nicht demonstrieren, nur weil die AfD demonstriert und danach immer heult, dass sie etwas nicht darf? Nein, es waren fast 2 000 Menschen dort. Die haben ganz klar gesagt: Nicht in unserem Namen. Wir überlassen es nicht den AfD-Männern, über Frauen zu reden, und schon gar nicht über Frauenrechte. ({1}) Wenn es um das Thema „Gewalt gegen Frauen“ geht, ist es ja nicht so, dass Sie Fragen stellen oder Antworten finden wollen. Sie stellen die Frage: „War es der Migrant?“, und finden die Antwort: „Ja, er war es.“ Sie haben überhaupt kein Interesse daran, sich inhaltlich mit dem Thema „Prävention“ und der Frage „Wie gehen wir mit Gewalt gegen Frauen um?“ zu beschäftigen. Man könnte auch sagen: Ach, lasst die AfD doch machen. – Das können wir aber nicht; ({2}) denn Sie verhindern Prävention und verkehren alles ins Gegenteil. Wir müssen doch darüber aufklären, dass die meisten Straftaten im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen – von der Vergewaltigung, über die Belästigung im Sinne von #MeToo, bis hin zu sexuellen Übergriffen – im Nahbereich stattfinden. Sie finden in Familien statt. Sie finden in Arbeitsverhältnissen statt. Es ist nicht der böse dunkle Mann auf der Straße, der die Mehrheit der Fälle ausmacht. ({3}) Das dürfen Sie keinem einreden, weil das gefährlich ist. Sie verhindern damit Prävention. Für mich ist es auch spannend gewesen, dass gerade diejenigen, die bekannt dafür sind, dass sie Menschenrechte von Migrantinnen und Migranten, auch von denjenigen mit deutschem Pass, nicht achten, auf einmal Frauenrechte für sich entdeckt haben. Da frage ich mich wirklich: Wie wollen Sie Frauenrechte verteidigen, wenn Sie noch nicht einmal Menschenrechte respektieren? ({4}) Ich sage klar und deutlich: Für uns als Bündnis 90/Die Grünen sind Feminismus und Frauenrechte ganz klar an Mitsprache gekoppelt. Wir wollen die Hälfte der Macht. Wir wollen überall mitreden. Wir wollen, dass Frauen selber über ihren Körper entscheiden. Das unterscheidet uns von Ihnen. Für Sie geht es dabei nur um die Reduzierung der Frau auf ihren Körper und um das Kinderkriegen. Wir sagen: Nein! Über ihren Körper und darüber, ob sie Kinder bekommen wollen oder nicht, bestimmen die Frauen selber. ({5}) Wir sagen ganz klar, dass es keine Gewalt gegen Frauen geben darf und dass wir alles dagegen tun. Uns ist es egal, von wem diese Gewalt ausgeht. Jeder, der Gewalt gegen Frauen anwendet, muss mit aller Härte die Reaktion des Rechtsstaates und die Ächtung der Gesellschaft spüren. ({6}) Abschließend möchte ich noch ein paar Worte für Ihre Strategie verwenden, die so durchsichtig ist, dass sie teilweise wirklich schon albern ist. Wir alle haben dieses geleakte Papier gelesen: Ein bisschen skandalisieren, sich ein bisschen auf ein Thema draufsetzen, Schlagwörter benutzen, die Angst und Provokation herbeiführen – daraus wird die AfD-Suppe. Heute haben Sie sie in einer peinlichen Art und Weise gekocht, sodass wirklich jeder sagen muss: „Das ist so durchsichtig. Ist euch das nicht peinlich?“ Ich möchte mich bei allen bedanken, insbesondere bei den Frauen, die deutlich gemacht haben, dieser Frauenmarsch – Pseudo-Frauenmarsch – fand nicht im Namen der Frauen statt. Ich freue mich, dass der frühere Abgeordnete in meinem Wahlkreis, Hans-Christian Ströbele – sozusagen mein Vorgänger –, mit mir gemeinsam an dieser Demonstration teilgenommen hat. Das Absurde war ja, dass Sie das Ganze in meinem Wahlkreis in Kreuzberg abgehalten haben, wo mir ständig Wählerinnen entgegenkamen, die fragten: Wo kommen die eigentlich her? ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Vielen Dank, Canan Bayram. – Nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion: Kollegin Ursula Groden-Kranich. ({0})

Ursula Groden-Kranich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004280, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Das Grundgesetz sagt in Artikel 1 Absatz 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dies kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Es bezieht sich nicht nur auf Frauen, es bezieht sich nicht nur auf Frauen, die hier geboren sind, es bezieht sich nicht nur auf nichtmuslimische Frauen, sondern auf alle Menschen, die hier in Deutschland leben: auf alle Frauen und auf alle Männer. Schön, dass sich ausgerechnet die AfD zur Verteidigung der Frauenrechte berufen fühlt! Im Wahlprogramm und in vielen Debatten hat sie noch ein sehr reaktionäres Frauenbild vertreten und eine „gute alte Zeit“ glorifiziert, die es so überhaupt nicht gab, in der Frauen eben nicht selbstbestimmt leben konnten und nicht die Rechte hatten, die wir heute ganz selbstverständlich genießen: Rechte, für die Frauen jahrzehntelang hart gekämpft haben und die vor 100 Jahren beispielsweise in Deutschland im Frauenwahlrecht gemündet sind. ({0}) – Dass Sie das nicht verstehen, das wundert mich echt nicht. ({1}) Ich bin stolz und froh, dass meine Generation und die Generation unserer Kinder diese Rechte haben: das Recht, zu demonstrieren, einen Beruf zu lernen, einen Beruf auszuüben – ohne die Unterschrift des Mannes –, eine Religion auszuüben oder auch nicht, eine Familie zu gründen oder auch nicht, kurz: ein selbstbestimmtes Leben in Würde und Freiheit zu führen. ({2}) Ja, auch ich bin gegen eine aggressive Form des Islams, die ein frauenfeindliches Weltbild vertritt. Ja, es ist für mich völlig inakzeptabel, wenn dieses Frauenbild in Deutschland gelebt wird, ({3}) sei es in Flüchtlingsfamilien oder islamischen Familien der zweiten Generation oder welchen Familien auch immer. Es gibt kein Recht, weder in Deutschland noch sonst wo, eine Frau aus verschmähter Liebe oder anderen Gründen zu ermorden. Ich glaube an den deutschen Rechtsstaat und an eine unabhängige Justiz ({4}) und, wie schon gesagt, an unser Grundgesetz und ganz besonders an seinen Artikel 1. ({5}) Wir können es uns einfach machen und hier die Bösen und da die Guten sehen; aber die Welt ist nun mal nicht schwarz-weiß. Das wird die AfD auch noch lernen müssen. Wir müssen Probleme benennen und bekämpfen, und Gewalt gegen Frauen ist ein Problem. Nicht nur in ausländischen Familien, auch in deutschen Familien, die Sie immer so als Beispiel bringen, werden Frauen geschlagen und Kinder misshandelt. Aber einfache Antworten lösen das Grundproblem leider nicht und hätten es auch vor dreieinhalb Jahren nicht gelöst. Wenn es darum geht, den deutschen Rechtsstaat zu stärken und für Menschenrechte einzutreten, gern auch besonders für Frauenrechte, gibt es hier im Hause eine ganz breite Mehrheit. Der dürfen Sie sich gern anschließen. ({6}) „Frauenrechte stärken“ ist nicht das, was beispielsweise am Montag hier im Tipi geschehen ist. In einer Gesprächsrunde der Antidiskriminierungsstelle zum Thema „Kultur will Wandel“ über sexualisierte Gewalt in der Filmbranche sind plötzlich junge Frauen von einer rechtsgerichteten Kampagne aufgestanden. Statt auf die Debatte einzugehen, haben sie, ohne das Rederecht der anderen zu akzeptieren, mit Bannern und ohrenbetäubendem Lärm ihre eigenen Thesen vertreten. ({7}) Diese Art von fehlender Debattenkultur stärkt jedenfalls kein Frauen- und kein Demonstrationsrecht, ({8}) sondern schadet jeder sachlichen, kontroversen Debatte, um die es doch angeblich geht. Wer selber laut und vehement das kritisiert, was ihm nicht gefällt, der muss auch damit leben, dass andere wiederum diese Kritik kritisieren und genauso von ihrem Recht auf Meinungsäußerung Gebrauch machen; denn hier gilt buchstäblich: Gleiches Recht für alle. ({9}) Ich bin überzeugt: Wir müssen keine Demonstrationsrechte von Frauen stärken und auch keine von Männern. Das ist in unserem Grundgesetz geregelt. ({10}) Wir müssen unsere Rechte leben, schützen und bewahren, die wir hier in Deutschland bereits haben – für alle Frauen und für alle Männer. Dafür bin ich gewählt worden, von Frauen und Männern, und dafür setze ich mich ein. ({11})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Ursula Groden-Kranich. – Nächste Rednerin für die SPD-Fraktion: Elisabeth Kaiser.

Elisabeth Kaiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Aktuelle Stunde fügt sich ganz typisch in die schon bekannte Performance der AfD hier im Bundestag ein. Egal in welchem Politikfeld wir uns bewegen, die AfD offenbart bei jedem Anlass ihr Profil einer fremdenfeindlichen und populistischen Partei. Aber das kenne ich schon aus Thüringen. Die AfD gibt mit ihrer Aktuellen Stunde „Demonstrationsrechte von Frauen stärken“ drei Dinge vor: zum einen, dass sie sich für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern einsetzt, zum anderen, dass Gewalt gegen Frauen für die AfD ein Thema ist, und schließlich, dass sie sich für Demonstrationsfreiheit in Deutschland starkmacht. Aber wir alle wissen doch: Das ist nur Makulatur. ({0}) Die AfD versucht vielmehr, mit ihrer Demonstration am Samstag in Berlin und mit der heutigen Aktuellen Stunde Feminismus für ihren rassistischen Populismus zu instrumentalisieren. ({1}) Ich will das im Folgenden kurz erläutern. Am vergangenen Wochenende hat die AfD-Politikerin Leyla Bilge einen sogenannten Frauenmarsch in Berlin initiiert und suggerierte, der Tenor der Demonstration sei die Selbstbestimmung von Frauen gegen Gewalt und Übergriffe. In der Praxis richtete sich die Demonstration aber nur gegen die Tätergruppe mit dem Profil „Mann mit Migrationshintergrund und Muslim“. Genau hier lässt sich die wahre Absicht der AfD-Abgeordneten erahnen. Leyla Bilge ist Ex-Muslima und gehört der sogenannten Neuen Rechten an. Sie redete schon bei Pegida in Dresden und fiel letztes Jahr im November in Leipzig mit einem Redebeitrag auf der Konferenz des rechtspopulistischen Magazins „Compact“ auf. Ihr politisches Profil gibt Rückschlüsse darauf, dass wir es hier nicht mit einer Feministin zu tun haben. ({2}) Der AfD-Politikerin Bilge geht es vielmehr darum, unter dem Deckmantel des Feminismus Anhänger für ihre rechte Hetze in neuen gesellschaftlichen Gruppen zu mobilisieren. So ist es auch nicht verwunderlich – das zeigen Bildaufnahmen –, dass die Demonstration am Samstag eher eine von Rechten war als eine Demonstration für die Rechte von Frauen. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Demonstrationsrecht ist in Deutschland ein hohes Gut und wird als Versammlungsfreiheit in Artikel 8 des Grundgesetzes garantiert. ({4}) Dieses Recht steht allen zu und ist ein wichtiges Kennzeichen unserer Demokratie. ({5}) So wie die große demokratische Mehrheit in unserem Land toleriert, dass die AfD demonstriert, müssen Sie von der AfD tolerieren, dass auch gegen die AfD demonstriert wird und so die demokratische Mehrheit die Scheinheiligkeit ihres Vorgehens offenbart. ({6}) Ich danke daher ausdrücklich den friedlichen Gegendemonstranten. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, legen wir doch einmal die Fakten auf den Tisch. Sexualisierte Gewalt ist kein importiertes Phänomen, so wie die AfD das gerne suggeriert. Sie ist ein patriarchales Phänomen. Deswegen gilt es auch, jedwede Form von Gewalt gegen Frauen zu ahnden und zu sanktionieren, egal von wem sie ausgeübt wird – ob deutsch oder nicht: Es ist völlig egal. ({8}) Fakt ist auch – das belegen Studien –: Die allermeisten Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Frauen stammen aus dem Bekanntenkreis und dem direkten familiären Umfeld von Frauen. Glaubt denn die AfD wirklich, dass die Menschen auf der Straße, die Bürgerinnen und Bürger hier im Saal und zu Hause vor den Fernsehgeräten ihnen diese Maskerade noch abnehmen? ({9}) Denn bisher fiel die AfD in keiner Weise dadurch auf, dass ihr die Rechte von Frauen am Herzen liegen würden; ganz im Gegenteil. Vielmehr hat die AfD jegliches Engagement in dieser Hinsicht als Genderwahn bezeichnet und eine Debatte dazu als überflüssig deklariert. Ich kann mich noch gut an die Worte Ihres Thüringer Kollegen Björn Höcke erinnern. ({10}) Ich zitiere: Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken. Denn nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft, und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde! ({11}) Die Kolumnistin Margarete Stokowski von „Spiegel Online“ kommentierte Höckes Tiraden so: Mal ist Männlichkeit eine Gefahr, mal eine Notwendigkeit. Mal das Schlimmste an den Flüchtlingen, mal die Waffe, die ergriffen werden muss. Das ist unlogisch. Ja, und damit hat sie recht. Die AfD-Politiker Leyla Bilge und Björn Höcke versuchen, Meilensteine der Frauenrechte mit ihrer rassistischen Rhetorik zu verknüpfen. Es liegt doch auf der Hand, dass das nicht funktionieren kann. ({12}) Feminismus und Antirassismus lassen sich nicht gegeneinander ausspielen. Vielen Dank. ({13})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Elisabeth Kaiser. – Nächster Redner in der Debatte: Stephan Brandner für die AfD. ({0})

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sie wissen doch gar nicht, wie ich mich heute fühle. Vielleicht fühle ich mich als Frau. Dazu komme ich gleich noch. Meine Damen und Herren! Es ist einmal wieder an der Zeit, –

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Guten Tag, Herr Kollege!

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

– ein bisschen Niveau in diese Debatte zu bringen. ({0}) Deshalb stelle ich an den Anfang einen Gruß auf die Tribüne. Dort befinden sich einige Augenzeuginnen der Zustände vom letzten Samstag. Stellvertretend begrüße ich Frau Angelika Barbe von der CDU. Ich habe sie vorher gefragt, ob ich sie begrüßen darf. Sie hat mir gerade vor der Tür noch erzählt hat, wie schockiert sie über das war, was sich da auf den Straßen von Berlin am letzten Samstag ereignet hat. ({1}) Frau Barbe, herzlichen Dank, dass ich Sie von hier vorne erwähnen darf. Meine Damen und Herren, eine Gruppe von Frauen ruft Gleichgesinnte auf, in der Hauptstadt für Menschenrechte und gegen Unterdrückung und Gewalt auf die Straße zu gehen. ({2}) Viele Frauen – auch einige Männer, Frau Bayram – ({3}) reisen daraufhin aus dem ganzen Land an, bringen Plakate und Transparente mit und verbinden mit der Demonstration große Hoffnungen auf eine sichere Zukunft in einem Land, in dem sie bislang gut und gerne lebten. So könnte ein Bericht aus dem Irak, aus der Türkei, aus Afghanistan oder aus einem anderen Land, das rückständig ist, was die Gleichberechtigung der Frau angeht, beginnen. So beginnt aber kein Bericht aus diesen Ländern, sondern so beginnt ein Bericht aus Deutschland im Jahr 13 nach Merkels Amtsantritt, einem, was Demokratie und politische Vielfalt und Rechtsstaatlichkeit angeht, inzwischen mehr als rückständigen Land auf dieser Erde, ({4}) einem Land, in dem viele Bürger Demonstrationen schon seit Jahren als einzige Chance sehen, um ihren Meinungen öffentlich Nachdruck zu verleihen, um Meinungen Ausdruck zu verleihen, die abweichen von dem, was wirklichkeitsfremd und gehirnwäscheartig vom euphemistisch sogenannten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ({5}) der in Wirklichkeit nichts als ein Staatsfunk ist, gesendet wird. ({6}) Meine Damen und Herren, es handelt sich um einen Staatsfunk, für den wir Bürger 8 Milliarden Euro im Jahr zahlen müssen – ({7}) ansonsten gehen wir in den Knast –, einen Staatsfunk, der von oben bis unten verbandelt ist mit den Herrschenden in diesem Land ({8}) und auch mit der Presse, die von wenigen in diesem Land beherrscht wird, interessanterweise übrigens auch von einer ehemaligen Volkspartei, die zurzeit der politischen Schwindsucht anheimgefallen ist. ({9}) Ich meine jetzt nicht die CDU oder die CSU. Ich meine die SPD. Die steuert natürlich dieses ganze Medienimperium in Deutschland. ({10}) Um gegen diese einheizenden und Einheitsmedien vorzugehen, haben sich Menschen, auch viele Frauen, am letzten Samstag in Berlin versammelt. ({11}) Die Demonstration, die geplant war, konnte aber nicht stattfinden, weil sie gestoppt wurde von hassgetriebenen Wutbürgern und Straßenterroristen, von denen viele in den 13 Jahren in Deutschland unter Merkel sozialisiert oder eben nicht sozialisiert wurden. ({12}) Aber nicht nur diese in ihrer demokratischen Entwicklung zurückgebliebenen Merkel-Sozialisanten, meine Damen und Herren, wurden kriminell. ({13}) Kriminell wurden auch Abgeordnete dieses Bundestages, vor allem solche, die sich selbst und gelegentlich auch die von ihnen betrauerte DDR als besonders demokratisch bezeichnen. Sie wurden kriminell und gerieten auf die schiefe Bahn. ({14}) Ich erkläre Ihnen auch, wie. Das Demonstrationsrecht ist als Grundrecht in Artikel 8 des Grundgesetzes geschützt. Nach § 21 des Versammlungsgesetzes drohen bis zu drei Jahre Haft. Das ist also eine Straftat, mittlere Kriminalität. Eine Demonstration wie die am 17. Februar zu stören, zu blockieren oder zu sprengen, ist also eine Straftat. Im Übrigen war es keine AfD-Demonstration. Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen. ({15}) Das war ein Marsch der Frauen, der da stattgefunden hat. Da muss ich auch sagen, Frau Lay und Frau Bayram: In Ihrer Fraktion hängen Sie ja wohl einem archaischen Menschenbild an. Wenn Sie behaupten, 11 Prozent unserer Abgeordneten seien Frauen, dann muss ich sagen: Sie wissen doch nicht, wie sich meine Kollegen heute fühlen. Vielleicht sind heute bei uns 80 Prozent Frauen. Genauso ist es bei der Demonstration natürlich auch gewesen. ({16}) Klären Sie also mit Ihren Grundsatzabteilungen einmal, ob Sie von hier vorne überhaupt sagen dürfen, dass man vom Aussehen her darauf schließen kann, welches Geschlecht ein Mensch hat. Sie machen damit dramatische Rückschritte in Ihrer Entwicklung; das will ich Ihnen sagen. ({17}) Meine Damen und Herren, schon die Aufforderung, eine Demonstration zu vereiteln, ist nach § 111 Strafgesetzbuch strafbar. Die Blockade selbst ist strafbar nach § 21 Versammlungsgesetz. ({18}) Auch Beihilfe und Anstiftung sind strafbar. Schließlich ist die Unterlassung des Eingreifens durch die Polizei strafbar, und es gibt auch den Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt. Wir reden also hier von Tausenden von Straftaten, bei denen irrlichternde Linke und politisch verführte Kinder nach knapp 13 Jahren Merkel-Regierung in einem inzwischen pathologisch anmutenden Krampf gegen rechts mal so richtig die Sau rauslassen wollten und auch die Sau rauslassen durften. ({19}) Meine Damen und Herren, Hunderte von Straftaten wurden wahrscheinlich auch von der politischen Polizeiführung und von der politischen Führung in unserem Land verübt, ({20}) wobei ich den einfachen Polizisten, Herr Kollege Hilse, natürlich davon ausnehme. Der einfache Polizist kann nichts dafür, wenn seine Führung durchdreht. Die Polizeiführung, die politische Führung in Berlin, ist am 17. Februar 2018 durchgedreht. ({21})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Deshalb höre ich jetzt auch auf, Frau Roth. – Es ist ein richtiger offenkundiger Skandal, meine Damen und Herren. Er zeigt uns, in welchem Zustand dieses Deutschland, dieser Rechtsstaat, ist. Dieser Zustand ist erbärmlich, meine Damen und Herren. ({0}) Er ist erbärmlich, und er wird – da bin ich mir sicher – sich so lange nicht ändern, wie Sie von den Altparteien regieren. Vielen Dank. ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Das Wort in der Debatte zum Thema „Demonstrationsrechte von Frauen stärken“ hat jetzt Michael Kuffer für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Michael Kuffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004795, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brandner, Sie gehen in Zukunft im Fasching als demonstrierende Frauenrechtlerin. Und wir sind in dieser Debatte wieder bei den großen Skandalen der Republik angelangt. Dass wir uns mit dem Schutz von Frauen vor körperlicher und psychischer Gewalt beschäftigen, ist eigentlich gut und wichtig. Dass wir es aus Anlass eines solchen wechselseitigen Kaspertheaters tun wie am vergangenen Samstag, ist bedauerlich. Es ist deshalb bedauerlich, weil es der Ernsthaftigkeit des Themas leider nicht gerecht werden kann. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD auf der einen Seite, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken und von den Grünen auf der anderen Seite, ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, dass Sie in dieser Sache von beiden Seiten eng und effektiv zusammengearbeitet haben. ({1}) Sie, liebe Kollegen von der AfD, haben wieder einmal ein ernstes Thema für Ihren Klamauk missbraucht, indem Sie vom Demonstrationsgrundrecht zwar formal im zulässigen Rahmen Gebrauch gemacht haben, es inhaltlich aber geradezu ad absurdum geführt haben. ({2}) Das passt zu Ihrer Linie: Sie versemmeln jede Woche ein wichtiges Thema. Beim Thema Grenzkontrollen stolpern Sie über das Europarecht, leisten keinen Beitrag zu der an sich wichtigen Debatte. Beim Thema doppelte Staatsbürgerschaft übersehen Sie das Rückwirkungsverbot, stolpern wieder über Ihre eigenen Füße, veräppeln Ihre Wähler, leisten einen Beitrag von 0,0 zu einer wichtigen Debatte. ({3}) In dieser Woche machen Sie sich über die Frauenrechte her und ziehen auch dieses Thema wieder ins Lächerliche. ({4}) Wer sich nämlich die Mühe macht, in Ihrem Wahlprogramm nach frauenpolitischen Zielen und Maßnahmen zu suchen, ist schnell fertig. Es gibt nämlich keine. Sie haben ein Frauen- und Familienbild, wie es schon in den 50er-Jahren überholt war. ({5}) Ich darf in diesem Zusammenhang aus Ihrem Programm zitieren: Das „Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ ist in ein „Bundesministerium für Familie und Bevölkerungsentwicklung“ umzuwandeln. ({6}) Mit anderen Worten: Frauen sollen für die AfD der Bevölkerungsentwicklung dienen. Das ist Ihr Frauenbild, liebe Kolleginnen und Kollegen. Herzlichen Glückwunsch! ({7}) Ja, das Grundrecht der Meinungsfreiheit erlaubt es einem auch, sich lächerlich zu machen. Da können Sie von der AfD wirklich froh sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken und den Grünen, Sie haben in Ihren Reihen jene Personen, die die notwendigen Unterstützungshandlungen dafür geleistet haben, dass diese Schauspielerei der AfD eine Bühne bekommt und dass aus einer Randnotiz erst ein Event geworden ist. Auch dazu herzlichen Glückwunsch! ({8}) Es ist – das sage ich noch einmal zur Erinnerung, ohne dass ich annehme, dass es irgendetwas bewirkt –, nicht Aufgabe einzelner Demonstranten bzw. Gegendemons­tranten, darüber zu befinden, ob eine Demonstration aufzulösen ist oder nicht. ({9}) Es ist die Aufgabe der Behörden, es ist die Aufgabe der Polizei. Die brauchen dabei von Ihnen keine Nachhilfe. ({10}) Ich sage Ihnen noch etwas zur Meinungsfreiheit. Sie ist nicht nur ein Freibrief, selbst loszuquatschen; sie ist auch Verpflichtung dazu, andere Meinungen auszuhalten. ({11}) Liebe Kollegen von der Linken und von den Grünen, Sie müssen da eine klarere Trennlinie ziehen. ({12}) Dass Ihre beiden Parteien eine gefährliche Nähe und Verbundenheit zu linksautonomen Kreisen pflegen, konnten wir nicht erst bei den Ausschreitungen rund um den G‑20-Gipfel in Hamburg beobachten. Auch das muss aufhören. ({13}) Schade, dass die eigentlichen Ziele, um die es geht, nämlich die Sicherheit im öffentlichen Raum und die Sicherheit von Frauen vor Übergriffen, in der Debatte in den Hintergrund getreten sind – gut, dass sich die Union trotzdem um diese Themen kümmert! Wir haben einen massiven Stellenaufwuchs bei der Bundespolizei ab 2015 beschlossen. Wir haben als CSU den Bürgerinnen und Bürgern eine Sicherheitsgarantie gegeben, die wir mit der Durchsetzung der Forderung nach 15 000 neuen Stellen bei den Sicherheitsbehörden einlösen. ({14}) Sie wissen, dass wir uns hier in den Koalitionsverhandlungen eins zu eins durchgesetzt haben. Wir haben das Sexualstrafrecht verschärft, um sexuelle Übergriffe auf Frauen wirkungsvoller zu bestrafen. Sie können sich weiterhin mit Schaufensterpolitik beschäftigen. Wir kümmern uns um die Themen. Sie können Ihre Zeit dafür investieren, sich bei diesen Themen lächerlich zu machen. Wir setzen sie anders ein. Vielen Dank. ({15})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Kuffer. – Zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag hat jetzt Leni Breymaier für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Leni Breymaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Jetzt reden wir über den frauenlosen Frauenmarsch am letzten Samstag in Berlin. Ich habe mich schon darüber geärgert, dass der Begriff des Frauenmarsches überhaupt genutzt wurde; denn er steht natürlich für etwas völlig anderes. Letztes Jahr waren in den USA und weltweit Millionen von Frauen und auch Männern unterwegs und haben für Menschenrechte und demokratische Werte, gegen Sexismus, gegen Rassismus demonstriert. Ich finde es einfach perfide, wenn die AfD und ihre Anhänger diese Begriffe für ihre Zwecke nutzen. Das ist eine Entwertung dieser Begriffe, und das finde ich richtig schade. ({0}) Wir haben am letzten Samstag eine Demonstration erlebt, die sich im Wesentlichen gegen Flüchtlinge gerichtet hat, mit der Forderung – das habe ich irgendwo gelesen –, diesem „Moloch aus Brutalität und sexuellen Übergriffen bis hin zu Mord“ entgegenzutreten.“ ({1}) Welch eine Feinfühligkeit, wenn es darum geht, Übergriffe zu verurteilen, die Muslime an deutschen Frauen verüben! Aber wie schmerzfrei ist man eigentlich, wenn Deutsche ausländische Frauen missbrauchen, wie es jeden Tag hunderttausendfach in den deutschen Bordellen vorkommt, in denen osteuropäische Frauen Menschenrechtsverletzungen erleiden? ({2}) Wie egal ist es einem eigentlich, wenn muslimische Männer gegen muslimische Frauen die Hand erheben? Wie wurscht ist es einem eigentlich, wenn deutsche Männer gegen deutsche Frauen die Hand erheben? Ich finde, es kommt hier zu einer ziemlichen Einengung des Themas: Es geht darum, deutsche Frauen vor Flüchtlingen zu schützen, und alles andere ist einem einfach egal. Ich wohne in Eislingen an der Fils. Das ist eine Kleinstadt im Schwäbischen. Wir haben 20 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Wir hatten in den letzten neun Jahren in diesem Ort sechs Tötungsdelikte. Vier der Opfer waren Frauen, und die Täter waren allesamt weiße, christliche Männer. ({3}) Meine Küchenstatistik stimmt mit der Statistik der Polizei überein: Die meisten Gewaltdelikte werden im sozialen Nahraum verübt; es handelt sich meist um häusliche Beziehungsgewalt. Wenn wir uns im Detail damit beschäftigten, dann würden wir erkennen, dass hier der Gender-Mainstreaming-Ansatz absolut angemessen wäre, um einmal herunterzudeklinieren, was wo passiert und wie man die Dinge lösen kann. Aber das wird ja abgelehnt. ({4}) Natürlich sehe auch ich die kulturspezifischen Unterschiede bei der Achtung von Frauen, und das ist auch ein Problem. Aber es ist nicht das alleinige Problem. Sie legen den Hundehaufen unter das Mikroskop und schauen sich alles genau an, aber den riesigen, stinkenden Misthaufen von Gewalt gegen Frauen nehmen Sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Das ist ein Problem. ({5}) Gewalt gegen Frauen ist bei der AfD sowieso kein Thema, weder im Wahlprogramm noch sonst irgendwo. Im Wahlprogramm steht nichts zum Thema „Finanzierung von Frauenhäusern“, es steht nichts zum Thema „Unterstützung von Missbrauchsopfern“. Diese Themen sind nicht drin. Deshalb verwahre ich mich dagegen, dass Rassismus unter dem Deckmäntelchen des Feminismus daherkommt; denn Feminismus ist antirassistisch. ({6}) Die Demo am letzten Samstag war inszeniert. Die Proteste dagegen haben Sie einkalkuliert, sie sind Teil Ihrer Empörungsstrategie. Das ist so durchschaubar, dass es inzwischen langweilt. Auf jeden Fall haben die von der AfD organisierten Frauenmärsche nichts mit den Frauenmärschen zu tun, bei denen Frauen aller Milieus, unterschiedlicher Kulturen, Szenen, Religionen, Communitys unterwegs sind und für ihre Rechte kämpfen. ({7}) Missbrauchen Sie nicht diesen Begriff! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Breymaier. Jetzt würde ich eigentlich auch gerne Schwäbisch schwätzen, aber das machen wir anders. Letzter Redner in dieser Debatte und zum ersten Mal am Redepult des Deutschen Bundestages: Ich begrüße Philipp Amthor für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Philipp Amthor (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004656, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende dieser Aktuellen Stunde zum Thema „Demonstrationsrechte von Frauen stärken“ müssen wir feststellen, dass wir über das Thema eigentlich kaum gesprochen, sondern uns vielmehr mit uns selbst beschäftigt haben. Wissen Sie, der traurige Ausgangspunkt ist doch der, dass beide Seiten des Parlaments, die rechte wie die linke Seite, eine Demonstration genutzt haben, um über ihre politischen Inhalte hier im Bundestag zu polemisieren. Das ist, glaube ich, nicht der richtige Weg, ({0}) und ich erkläre Ihnen auch gleich, warum. Wir sollten vor allem über eines ganz deutlich reden, nämlich über das Thema Rechtsstaat. ({1}) Aber, meine Damen und Herren, bevor ich zum Thema Rechtsstaat komme, sage ich Ihnen eines: Ich als Staatsbürger hätte persönlich keine Lust, mich bei dieser Demonstration mit Herrn Bachmann gemein zu machen, ({2}) aber ich hätte auch keine Lust, mich mit der Antifa gemein zu machen und vielleicht mit dem RAF-Anwalt Hans-Christian Ströbele Hand in Hand zu einer Gegendemonstration zu gehen. Das würde ich beides nicht machen. ({3}) Gleichzeitig sage ich Ihnen eines: Aus rechtsstaatlicher Perspektive bin ich sehr froh, dass beide Gruppen hier in unserem tollen Rechtsstaat das Recht haben, zu demonstrieren. ({4}) Das ist nämlich der wichtige Punkt. Bemühen wir doch als Ausgangspunkt das Bild von Justitia, die eine Augenbinde trägt. Sie trägt die Augenbinde nicht, weil sie Aspekte des Rechtsstaats ausblenden will, sondern weil ihr die politischen Positionen von Demonstranten egal sind. Und Fakt ist: Beide Seiten hatten das Recht, zu demonstrieren. Allein deshalb verbietet sich der Titel der Aktuellen Stunde. Wenn ich lese: „Demonstrationsrechte von Frauen stärken“: Wir können über Frauenrechte sprechen, aber Demonstrationsrechte gibt es für Männer und für Frauen. ({5}) Artikel 8 Grundgesetz gilt für alle Deutschen und nicht für Männer und Frauen unterschiedlich. ({6}) Wenn wir über den Rechtsstaat sprechen, dann muss klar sein: Ja, wir haben hier Freiheiten, und beide Demonstrationsgruppen hatten die Freiheit, zu demonstrieren. Aber für beide Gruppen gibt es auch Grenzen. Und Grenzen hin oder her: Wer bisher gar kein Thema war, das waren die Polizisten, die bei der Versammlung vor Ort waren. Ich habe mich mit den Polizisten unterhalten. Sie haben mir gesagt, dass es jetzt gegen beide Seiten Ermittlungsverfahren gibt, gegen die Störer und auch gegen die ursprünglichen Demonstranten. Sie sollten dazu stehen, dass es in einem Rechtsstaat dazugehört, dass aufgeklärt wird, und zwar auf beiden Seiten. Frau Lay, Frau Bayram und Herr Hilse, Sie waren alle an den Demonstrationen beteiligt. Jeder von Ihnen hat sich gut darin gemacht, auf den anderen zu schimpfen, aber keiner hat gesagt: Auch in unseren Reihen gab es Grenzüberschreitung. Das wäre doch eigentlich ein guter Punkt gewesen. ({7}) Ich unterstütze hier jeden, der gegen diese Grenzüberschreitungen vorgeht; denn zum Rechtsstaat gehört nicht nur, zu sagen: „Ich berufe mich auf die Versammlungsfreiheit!“, sondern auch, dass jeder ordnungswidrige Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und jede Straftat verfolgt wird. Machen Sie sich Gedanken darüber, was der richtige Ort ist, um das aufzuklären. Meine Damen und Herren, schauen wir uns das einmal unter kompetenziellen Gesichtspunkten an: Es geht hier um den Einsatz einer Landespolizei. – Glauben Sie allen Ernstes, dass es klug ist, unter dem Deckmantel einer Aktuellen Stunde hier im Deutschen Bundestag über das Für und Wider von Einzelentscheidungen bei einem Landespolizeieinsatz zu diskutieren? ({8}) Ich glaube das nicht. Man muss sich auch fragen: Ist es richtig, hier über konkrete Verfahrensabläufe zu sprechen? Ist nicht ein Gericht die richtige Stelle dafür? ({9}) Wir müssten eigentlich fragen: Was ist die richtige Stelle, um Grenzüberschreitungen anzugehen? ({10}) – Es freut mich, dass Sie das so sehen. ({11}) – Das ist gut. Ich will auch Folgendes sagen: Beim Rechtsstaat geht es auch um Kontrolle, und wenn Kontrolle dazugehört, dann – das zumindest ist ein legitimer Punkt der AfD – muss sich auch die Polizei kontrollieren lassen. Wenn Sie hier aber sagen, die Polizei hätte sich zum Werkzeug der politischen Führung gemacht usw., dann zeigt das, dass Sie nicht das richtige Verständnis von der Polizei haben. Wir sind stolz auf unsere Polizisten. Wir stellen uns vor unsere Polizisten, und ({12}) wir wollen nicht, dass Sie sie hier zum Spielball der Politik machen. ({13}) Insofern werden wir das aufarbeiten. Der Rechtsstaat ist das Gebot der Stunde und nicht das gegenseitige Polemisieren. Ich freue mich, wenn wir irgendwann einmal substanziell über das Versammlungsrecht reden und nicht nur bei solchen Schaufensterdebatten. Herzlichen Dank. ({14})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Amthor. – Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 22. Februar 2018, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. (Schluss: 16.46 Uhr)