Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/26/2019

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden von den Koalitionsrednern gleich hören, wie seriös das vorliegende Haushaltsgesetz doch sei. ({0}) Doch die Realität ist eine völlig andere: ({1}) Die Regierung profitiert von historisch einmaligen Sondereffekten. Sie unterschlägt erneut gewaltige Risiken. Sie wirtschaftet auf Kosten späterer Generationen und auf Substanz. Und man arbeitet mit Etikettenschwindel und Ideologie. Die Steuereinnahmen sind eine nachlaufende Größe. Sie sind noch immer hoch; doch die gängelnde Ideologiepolitik der Regierung gegen deutsche Schlüsselindustrien – und übrigens auch gegen die heute demonstrierenden Landwirte hier draußen – wird am Arbeitsmarkt und im Haushalt ein Desaster anrichten. Der Finanzminister profitiert schon seit Jahren von der Nullzinspolitik der EZB. Sie ist faktisch monetäre Staatsfinanzierung. Die EZB fährt ein Konjunkturdauerprogramm, das über Mehrkonsum zu rekordhohen Steuereinnahmen und zu rekordgeringem Zinsaufwand im Haushalt führt. Der Bund spart so Dutzende Milliarden Euro pro Jahr auf Kosten der Bürger; denn dieser Ausnahmezustand enteignet die Sparer und Rentner. Das ist die Kehrseite der durch die Nullzinsen kaputtgeschlagenen Altersvorsorge der Menschen. Es ist unanständig, dass die GroKo wortreich eine sogenannte soziale Grundrente plant, während im Nullzinsregime die Hauptursache der kommenden asozialen Altersarmut liegt, von dem die Regierung hier und heute massiv profitiert. ({2}) Dabei ist es reine Heuchelei, wenn die Herren Söder und Dobrindt nun Negativzinsen verbieten oder dem Sparer demonstrativ erstatten wollen. Ausgerechnet die CSU predigt diese steuerfinanzierte Planwirtschaft und weiß doch ganz genau, dass sie damit nur die Folgen einer Politik mildern würde, die die Regierung selbst braucht, um den Haushalt wenigstens scheinbar ausgeglichen zu halten. Es läuft hier wie schon beim Integrationsaktionismus der Regierung seit 2015 als Folge der Grenzauflösung: Symbol- und Symptompolitik ersetzen das Angehen der Ursachen, die man selbst geschaffen hat. ({3}) Hier ein aktueller Realitätstest der Regierungspolitik: Negativzinsen werden tatsächlich bereits rückerstattet – über 153 Millionen Euro im Haushalt –, allerdings nur dem ESM, dem deutschen Sparer natürlich nicht. Das sakrosankte EU-ropa wird immer schadlos gehalten. Selbst in der Anleiheemissionspolitik der Regierung gibt es milliardenschwere Unseriosität: Ohne Not werden teure Altanleihen aufgestockt. Damit werden heute hohe Agios generiert und auch sofort im 2020er-Haushalt verplant – zulasten zu hoher Zinszahlungen der Steuerbürger in der Zukunft. So entstehen zudem willkürliche, missbräuchliche Fehlplanungen. Die schwarze Null wurde vom BMF in der Bereinigungssitzung um 4 Uhr nachts herbeigerechnet durch Milliardenkorrekturen bei ebendiesen Anleiheagios. Der Finanzminister will auf geduldigem Papier den Schein der Haushaltssolidität aufrechterhalten. Beim Soli nimmt man ein juristisches Debakel in Kauf. Der Soli wird ab 2020 keine Rechtsgrundlage mehr haben. Das Haushaltsrisiko beträgt im kommenden Jahr bereits 20 Milliarden und insgesamt über 55 Milliarden Euro – ein Desaster für kommende Steuerzahler. Der Finanzminister weiß das auch ganz genau; er ignoriert es aber nach dem Motto „Nach uns, also nach unserer Amtsperiode, das Urteil und die Sintflut“. ({4}) Beim berüchtigten Klimapaket der Regierung erleben wir Volksverdummung. Man wiederholt ständig das ideologische Glaubensbekenntnis, das deutsche menschengemachte CO2 sei monokausal hauptverantwortlich für den kommenden klimatischen Weltuntergang – eine Behauptung ohne wissenschaftliche Grundlage; denn es gibt kein Modell – auch wenn jetzt Murren kommt –, das aus welcher auch immer gewählten Reduktion des deutschen CO2-Ausstoßes irgendeine messbare Änderung der Erdtemperatur errechnet. ({5}) Minister Scholz verpackt die unseriöse CO2-Politik darum in die absurde Formel: Wir tun es, weil wir es können. – Gedacht war das – ich weiß es, Herr Scholz – als ein Appell an deutsche Ingenieure. Doch selbst diese können nicht gegen chemisch-physikalische Naturgesetze ankommen, was aber die deutsche Politik ernsthaft verlangt, zum Beispiel vom wichtigsten Arbeitgeber Deutschlands, der Automobilindustrie, und sogar von den völlig CO2-freien Dieselherstellern. Deutsche Ingenieure können auch nicht gegen das massiv CO2-steigernde Bevölkerungswachstum in Afrika, Asien und Arabien ankommen. Das autochthone Deutschland würde seinen – mit nur 2 Prozent ohnehin im Weltmaßstab recht irrelevanten – CO2-Ausstoß demografiebedingt in nur einer Generation um ein Drittel verringern, ohne jeden politischen Eingriff in Form eines Klimapaketes, alleine nur durch ein Wiederherstellen von Grenzen gegen illegale Einwanderung. ({6}) Noch immer enthält der Haushalt die illegitim aufgehäufte Asylrücklage. Nur durch eine 10-Milliarden-Entnahme daraus war die schwarze Null wenigstens nominal sicherbar. Die heute in der Rücklage noch vorhandenen 35 Milliarden Euro werden 2021 – darauf wette ich – fast komplett aufgebraucht sein; denn dann ist ja die Legislaturperiode zu Ende. Trotz dieser Tricks ertönt bei der Großen Koalition ernsthaft der Ruf nach neuen Steuern, noch dazu nach falsch etikettierten. Die geplante Finanztransaktionsteuer etwa sollte eigentlich „Aktiensparsteuer“ heißen; denn sie wird nur die deutschen Kleinsparer treffen, die Aktien zur Altersvorsorge halten, was in Zeiten des Nullzinses ja fast alternativlos geworden ist. ({7}) Wo soll denn sonst noch Rendite herkommen? Internationale Hedgefonds und institutionelle Derivatezocker werden diese Steuer dagegen nicht zahlen. Und das Ganze schimpft sich dann „gerechte SPD-Politik für den kleinen Mann“. Auf der Ausgabenseite des Haushalts werden viele Großrisiken einfach ignoriert. Zu der langen Liste komme ich dann am Freitag. Das Fazit wird sich dann aber nicht ändern: Nach uns die Sintflut bzw. superleere Kassen und schlagende Megarisiken – das ist die Politik dieser hochseriösen Bundesregierung. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Johannes Kahrs, SPD. ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Boehringer hat hier seine üblichen Plattitüden und Verschwörungstheorien zum Besten gegeben. ({0}) Wir wissen natürlich, dass das mit der Realität nichts zu tun hat. Insbesondere wenn man hier als Klimaleugner auftritt, hat man die letzten Jahre komplett verpennt. Aber das ist bei der AfD ja schon länger so. Ich glaube, die haben die letzten 70 oder 80 Jahre verpennt. Man wundert sich, wo Sie anknüpfen, und man wundert sich, was Sie hier so treiben. Im Gegensatz dazu diese Bundesregierung: Bei dieser Bundesregierung muss man sich nicht wundern; diese Bundesregierung betreibt eine verlässliche, eine solide Haushaltspolitik. ({1}) Daran sieht man, dass die Große Koalition funktioniert. Man sieht, dass wir in diesem Land die Dinge anpacken, die notwendig sind. Wir legen den seit Langem größten Investitionshaushalt vor. Wir haben in dieser Koalition dafür gesorgt, dass in diesem Land investiert wird. ({2}) Wir haben dafür gesorgt, dass die Probleme, die es in diesem Land gibt, angegangen werden, dass das Geld, das für Investitionen zur Verfügung steht, auch abfließt. Wir haben die Schaffung von über 6 900 Stellen beschlossen, damit die Verwaltungen in die Lage versetzt werden, das, was wir hier beschließen, umzusetzen. ({3}) Wir werden Bauvorhaben beschleunigen. Wir werden dafür sorgen, dass wir die Infrastruktur – Straßen, Eisenbahnstrecken – schneller bauen können. Das werden wir mit der CDU/CSU machen. Ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir uns alle hier am Riemen reißen, um die entsprechenden Verfahren zügig durchzuführen. Wir werden im Bereich der Bekämpfung des Klimawandels nichts Großes bewegen können, wenn wir nicht in der Lage sind, sowohl im Baurecht als auch im Planungsrecht alles zu beschleunigen. ({4}) Wir werden keinen Ausbau im Bereich der Windenergie hinbekommen, wir werden keinen Ausbau der Stromleitungen für den Transport dieser Energie von A nach B hinbekommen, und wir werden es nicht hinbekommen, regenerative Energie dort zu gewinnen, wo wir das wollen, wenn wir Planungsrechte, Baurechte und anderes nicht so eindampfen, dass es am Ende funktioniert. ({5}) Diese Investitionen, die wir hier aufsetzen, das, was wir investieren, das muss vor Ort wirken können, und die Mittel dürfen nicht wieder an den Bund zurückfließen. Deswegen ist dieser Bundeshaushalt in vielen Punkten ein guter. ({6}) Wir investieren. Gleichzeitig schaffen wir neue Stellen, und – dafür ist Olaf Scholz zu danken; das ist die sozialdemokratische Handschrift – wir entfristen Stellen - ({7}) denn Menschen, die befristete Arbeitsplätze haben, suchen sich neue Stellen, gehen weg, wodurch die Behörden gute Leute verlieren –, und wir heben Stellen, weil auch der Bund nicht überall satisfaktionsfähig ist. Hier muss die Bundesregierung an manchen Stellen aber noch aus dem Quark kommen. Es kann nicht angehen, dass wir glauben, dass wir Ingenieure mit einer E11-Stelle gewinnen können. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass wir als Bund besser bezahlen können, damit das am Ende funktioniert. Olaf Scholz hat es gesagt – das ist von meinem Vorredner schon angesprochen worden –: Warum gehen wir die Bekämpfung des Klimawandels an? Warum haben wir ein Klimakonzept? Weil wir es können! – Wir als Deutsche können es. ({8}) Wir sind technisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich dazu in der Lage, der Welt ein Vorbild zu bieten. Dazu muss man aber eben aus dem Quark kommen. ({9}) Man darf nicht wie die AfD in der Jammerecke hocken und nur nölen, sondern man muss schaffen, man muss machen. ({10}) Diesem Klimawandel kann man begegnen. Wir haben ein Klimapaket aufgelegt, ({11}) das großartig ist, ({12}) weil es drei Dinge zusammenbringt: Wir bekämpfen den Klimawandel, wir tun das sozial gerecht, und wir machen das wirtschaftlich vernünftig. ({13}) Es bringt niemandem was, wenn, wie bei mir in Mümmelmannsberg, die Mieter in der zwölften Etage Mietnebenkosten haben, die höher sind als die eigentliche Miete. Dass ihre Energierechnung explodiert, ist nicht das, was sich die Menschen unter der Bekämpfung des Klimawandels vorstellen. ({14}) Niemand kann sich vorstellen, dass wir Millionen von Arbeitsplätzen abschaffen, die Wirtschaft gegen die Wand fahren, Millionen Arbeitslose schaffen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Das muss vernünftig und wirtschaftlich ausgerichtet sein, sozial in der Praxis sein und vor Ort auch ankommen. Nur dann funktioniert das. ({15}) Das schafft nur diese Große Koalition. Die Grünen schaffen das nur auf der einen Seite, die AfD quengelt, und die FDP schafft vielleicht ein bisschen auf der anderen Seite. ({16}) Es braucht jemanden, der es in diesem Land zusammenführt. Das ist diese Große Koalition. Das machen wir mit diesem Haushalt. Deswegen: Glück auf und weiter so! ({17})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke, FDP. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es ist immer ein wenig überraschend, wer als nächster Redner kommt. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert: Man denkt eigentlich, man könne bei derselben Leier bleiben; es ist wieder ein Weiter-so. ({0}) Auf den ersten Blick sieht es auch so aus. Diese Koalition redet über alles Mögliche, nur nicht über die Wirtschaft; man hat es gerade beim Kollegen Kahrs erlebt. ({1}) Die Frage der Kurzarbeit, die Frage der Ängste um Arbeitsplätze, die Frage des Wirtschaftswachstums, die Frage der Industrieproduktion, die Frage der Auftragseingänge – nein, das hat nichts mit dem Haushalt für das nächste Jahr zu tun. ({2}) Man macht einfach weiter so. So sieht es dann auch aus, wenn man sich den Haushalt anschaut. Der Digitalfonds ist unterfinanziert. Wissen Sie, wie viel mehr Sie im Bildungsbereich – Achtung: die Zukunfts-Große-Koalition – im Haushalt 2020 gegenüber dem Haushalt 2019 vorgesehen haben? Satte 18,9 Millionen Euro. ({3}) Das heißt, wenn wir mal ganz ehrlich sind: Sie bekommen bei niedrigster Inflation noch nicht einmal den Inflationsausgleich hin. Das ist das Bild, das Sie mit diesem Haushalt abgeben. Das ist nicht mehr ein Weiter-so, sondern das sind inzwischen riesige Schritte rückwärts. ({4}) – Ich höre jetzt aus den Reihen der SPD, ich würde ein Zerrbild zeichnen. Dazu kann ich nur sagen: Vielleicht sollten Sie sich überlegen, dass Sie das Ganze aus der falschen Perspektive sehen. ({5}) Sie sehen es nämlich aus der Perspektive, die sich auch in der Bereinigungssitzung wieder gezeigt hat. Das finde ich sehr interessant. Wir haben in der Bereinigungssitzung – sie dauerte bis morgens um 5 Uhr – noch einmal Erhöhungen bekommen. ({6}) Dann denkt man, dass das fair verteilt sein wird, etwa fifty-fifty. Was ist Fakt? Weil wir am Freitag das Ende einer Abstimmung bei der SPD haben, haben die Sozialdemokraten von den ganzen 4,5 Milliarden Euro 82 Prozent bekommen und die CDU/CSU 18 Prozent. ({7}) Auch das zeigt die verzerrte Perspektive, liebe SPD. ({8}) Es geht hier nicht darum, Deutschland nach vorne zu bringen, sondern darum, eine Partei zu erhalten, damit die Große Koalition noch zwei Wochen lang irgendwie weiterwurschteln kann. ({9}) Manchmal wünsche ich mir fast, dass der große sozialistische Philosoph Kevin Kühnert recht hat, wenn er sagt: Am Nikolaus ist GroKo-Aus. Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist noch nicht einmal wirklich ausgeglichen. Es ist im Endeffekt ein Haushalt mit einer schwarzen Null auf Pump. ({10}) Das Erste ist, dass Sie an die Asylrücklage gehen. Das ist im Endeffekt so, als würde ein Privatbürger sagen: Mein Girokonto stimmt noch, alles ist gut. Ich nehme zwar noch mal 10 Milliarden Euro von meinem Kreditkartenkonto, hole das aus der Vergangenheit und verschulde mich aus der Vergangenheit heraus, aber eigentlich sind meine Finanzen ausgeglichen. Zweiter Punkt. Eigentlich sagt jeder, dass man das nicht ansprechen darf: globale Minderausgabe. Ja, das ist etwas ganz Tolles. Herr Scholz sagt: So viel Geld gebe ich aus, und das ist eine schwarze Null. – Was sagt er dazwischen? Er sagt: Ach übrigens, von dem Geld, was ich euch für Brücken, für Straßen, für Gebäude und für die Eisenbahn zur Verfügung stelle, behalte ich einen kleinen Teil in der Tasche. Diesen dürft ihr nicht wirklich ausgeben. – So machen Sie eine schwarze Null. ({11}) Das ist keine schwarze Null, sondern das sind rote Zahlen, die Sie in Wirklichkeit produzieren. Im Endeffekt muss man noch etwas anderes sehen: Dieser Haushalt rüttelt am Fundament. Warum stehen wir eigentlich bei den Zinsen so gut da? Wir stehen bei den Zinsen so gut da, weil man uns als Bundesrepublik Deutschland zutraut, dass wir in der Lage sind, jederzeit und immer, wenn es notwendig wäre, unsere Schulden zurückzuzahlen. ({12}) – Leute, warum seid ihr eigentlich so unruhig? Entweder ihr fühlt euch getroffen, oder ihr habt es nicht verstanden. Beides wäre für die Sozialdemokratie schlecht. ({13}) Ich muss an der Stelle wirklich sagen: Herr Minister, Sie haben da eine ganz wesentliche Aufgabe. Ich stimme Ihnen ja zu, dass es wichtig ist, Stabilität nach außen darzustellen. Aber glauben Sie denn, dass man sich diese Zahlen auf Dauer nicht genauer anschauen und dann sehen wird, was da auf uns zukommt? Glauben Sie wirklich, Sie können mit diesem Haushalt noch der Anker für Europa sein, der Deutschland eigentlich sein müsste? Nein, wir erleben Diskussionen – auch in Ihrer Partei, bei den Grünen und bei anderen –, in denen gesagt wird, dass wir auch einmal an die Schuldenbremse herangehen und mehr Verschuldung machen sollten. Wenn Sie da auch nur ein Jota über den Punkt hinausgehen, bei dem das Vertrauen in Deutschland zerstört wird, dann rütteln Sie an dem Fundament Europas, der Europäischen Union und des Euro-Raums. Davor kann ich für meine Fraktion nur ausdrücklich warnen. ({14}) Die FDP-Fraktion hat mit ihren Änderungsanträgen gezeigt – es sind 596 Stück –, dass sie in der Lage ist, das Versprechen, das wir alle gegeben haben, nämlich den Soli zum 1. Januar 2020 vollständig abzuschaffen, einzuhalten. Die Große Koalition tut dies nicht. Sie riskiert lieber den Gang nach Karlsruhe mit allen Folgen, die dies haben könnte. Zum Schluss möchte ich festhalten: Wir werden in Deutschland mit einem solchen Haushalt keine Zukunft bauen können. Wir werden mit einem solchen Haushalt niemals in der Lage sein, die Anforderungen, die in Europa auf uns zukommen, auch nur einigermaßen zu bewältigen. Deswegen kann ich nur um eines bitten: Herr Minister, gehen Sie noch mal in sich; denn dieser Haushalt ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. ({15}) Kollege Kahrs, Sie sprachen vom Klimapaket; da kann ich nur lachen. Ihr eigenes Land und andere SPD-geführte Bundesländer ({16}) werden diesem Klimapaket im Bundesrat die Zustimmung verweigern, ({17}) und deswegen ist dieser Haushalt nicht einmal das Papier wert, auf dem er gedruckt ist: 150 000 Euro im Jahr – und das im digitalen Zeitalter. Diese Koalition muss anders agieren. Danke. ({18})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU. ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Otto Fricke, 596 Anträge – das ist mehr Masse als Klasse. Von dir, Otto, habe ich hier schon bessere Reden gehört. ({0}) Erster Fake. Wir geben für Bildung und Forschung 18,3 Milliarden Euro aus. Ja, der Haushalt ist nur leicht aufgewachsen, weil erstens – das sollte man hier mit hinzufügen – die Kompensationszahlungen für den Hochschulbau jetzt im Bund-Länder-Finanzausgleich abgebildet sind und wir zweitens massive Minderbedarfe beim BAföG haben. Das macht round about 400 Millionen Euro aus. Das heißt, letztendlich ist dieser Haushalt um über 400 Millionen Euro aufgewachsen. Deswegen sollte man hier schon die ganze Wahrheit erzählen und nicht mit Fakes arbeiten – besonders nicht im digitalen Zeitalter. ({1}) Zweite Bemerkung. Wenn die FDP zufriedenstellt, dass nach ihrer Rechnung vier Fünftel zur SPD gegangen sind und ein Fünftel zur Union, kann ich dir, Otto, nur entgegnen: ({2}) Wir sind eine gemeinsame Koalition, wir arbeiten gemeinsam für dieses Land, und das wollen wir bis zum Herbst 2021 auch gemeinsam machen. ({3}) Dieser Haushalt ist ein gutes Fundament für die nächsten Jahre: Erstens. Wir bringen den Klimaschutz mit 54 Milliarden Euro voran, und ich hoffe, dass hier auch die Länder mitmachen. ({4}) Zweitens. Die Investitionen bewegen sich mit 53 Milliarden Euro auf Rekordniveau. Drittens. Für die innere Sicherheit und besonders für den Kampf gegen Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus schaffen wir fast 4 000 neue Stellen bei der Bundespolizei, beim Bundeskriminalamt usw. usf. ({5}) Viertens. Wir kommen unseren internationalen Verpflichtungen nach. Die NATO-Quote für Verteidigung beträgt 1,42 Prozent. Nicht zuletzt ist festzustellen: 52 Prozent des Haushaltes stehen für den Sozialbereich und für den sozialen Zusammenhalt zur Verfügung. Das zeigt, dieser Haushalt ist auf Zukunft ausgerichtet, auf Forschung und Entwicklung, auf sozialen Zusammenhalt und auf Investitionen. Die Probleme hat mein Kollege Kahrs durchaus schon angesprochen. Was ist denn seit vielen Jahren unser Problem? Dadurch, dass wir seit 2014 in der Lage sind, massiv zu investieren, werden die Defizite in unserer Gesellschaft deutlich. Die Mittel fließen nämlich nicht ab – für Breitbandausbau, für die Verkehrsinfrastruktur, für Kommunalinvestitionen –, weil erstens Planungskapazitäten fehlen, zweitens die Standards zu hoch sind und drittens wir ein viel zu kompliziertes Planungs- und Baurecht haben. ({6}) Hier muss die Gesellschaft ran – auch beim Klimapaket. Wir werden das Geld nicht umgesetzt bekommen, wenn wir weiter verharren und wenn im Bundesrat weiter blockiert wird. Ich rufe auch das Bundesumweltministerium auf, endlich die Blockadehaltung aufzugeben, damit wir in Deutschland zu einem besseren und schnelleren Baurecht und Planungsrecht kommen. ({7}) Große Ökonomen wollen uns einreden, dass wir Deutschland nur voranbringen, wenn wir Schulden machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Finanzkrise in Europa ist nicht durch zu wenige Schulden entstanden; sie ist durch zu viele Schulden entstanden. Das ist der Kernpunkt. ({8}) Wenn ich unsere Haushalte angucke, dann sehe ich, dass wir kein Finanzierungsproblem haben; wir haben ein Umsetzungsproblem. ({9}) Die Kommunen haben im letzten Jahr 38 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung gestellt bekommen. Ein Drittel weniger ist abgeflossen. Das heißt, Bund, Länder und Kommunen müssen endlich gemeinsam darangehen, dass das Geld, das – in Anführungsstrichen – im Schaufenster steht, auch umgesetzt wird. Das heißt, wir haben kein Einnahmeproblem. Wir haben ein Umsetzungsproblem. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir führen aktuell beim Klimapaket eine Debatte darüber, dass die Länder meinen, dass sie ihre Steuermindereinnahmen nicht tragen können. Das sind je nach Rechnung 3 Milliarden Euro, wenn ich beim Thema „Mehrwertsteuer auf Bahntickets“ die Kompensation nicht einrechne, und, wenn ich sie einrechne, 2 Milliarden Euro. ({11}) Die Länder meinen, auch die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, man brauche mehr Geld für den ÖPNV. Jetzt hat sich der Bund entschlossen – das trifft bei mir nicht gerade auf Freude –, die Regionalisierungsmittel aufzustocken. Wie sieht es bei den Regionalisierungsmitteln aus? ({12}) Aktuell geben wir etwa 9 Milliarden Euro an die Länder. Dieses Geld können sie eigenverantwortlich einsetzen. Der letzte Bundesrechnungshofbericht, Stand 31. Dezember 2016, sagt aus, dass es 2,8 Milliarden Euro an Resten gibt. Liebe Kolleginnen und Kollegen: 2,8 Milliarden Euro Reste! Ich spreche gar nicht von Fehlverwendungen dieser Mittel. Deswegen glaube ich, Herr Bundesfinanzminister und Herr Verkehrsminister, es ist wichtiger, erst mal dafür zu sorgen, dass die Reste abfließen und keine Strecken stillgelegt werden. ({13}) In Mecklenburg-Vorpommern belaufen sich die Reste auf 245 Millionen Euro, und das Land legt Bahnstrecken still. – Ich halte die Politik, die die Länder an dieser Stelle machen, für absurd. ({14}) Ich sehe schon die Debatte kommen – ich glaube, sie wird diese Woche schon anfangen –: Der Bund zieht sich aus dem sozialen Wohnungsbau zurück. Der Bund gibt kein Geld mehr für den Hochschulbau. Der Bund gibt kein Geld mehr für Gemeindestraßen und für den öffentlichen Personennahverkehr. – All denjenigen, die das diese Woche möglicherweise anführen wollen, sage ich: 3 Milliarden Euro Entflechtungsmittel gibt es im Rahmen des Bund-Länder-Finanzausgleichs in Form zusätzlicher Umsatzsteuerpunkte. Und die Länder sind eigenverantwortlich dafür zuständig, das Geld in diesen Bereichen – Wohnungsbau, Gemeindestraßen, ÖPNV – einzusetzen. Es ist von den Ländern gewollt worden, dass diese Mittel nicht mehr über Verwaltungsvereinbarungen oder Finanzhilfen zugewiesen werden, sondern dass sie über diese Mittel frei verfügen können. Das heißt für mich auch: Wer die Eigenverantwortung hat, hat auch die Zuständigkeit und darf nicht ständig nach dem Bund rufen. ({15}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer wieder werden neue Forderungen an den Bund herangetragen, sich in bestimmten Bereichen zu engagieren. Das mag an der einen oder anderen Stelle vielleicht opportun sein. Aber gucken wir uns doch auch hier einmal die Umsetzung der ganzen Geschichte an: 7 Milliarden Euro stehen seit dem Frühjahr 2016 für kommunale Investitionen zur Verfügung. Was ist davon bisher umgesetzt? Gebunden sind von den 7 Milliarden Euro gerade mal die Hälfte, abgeflossen gerade mal ein Drittel. Stichwort Breitbandausbau: Alex Dobrindt hat dafür gesorgt, ({16}) dass seit dem Herbst 2015/Frühjahr 2016 über 4 Milliarden Euro Fördermittelbescheide ins Land herausgegangen sind. ({17}) Umgesetzt davon – Stand heute –: Null! Das ist die Realität. Das heißt ganz einfach: Auch hier kranken wir nicht an zu wenig Geld, sondern wir kranken schlichtweg an der Umsetzung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal kann man eine Brücke nicht sanieren, weil da Fledermäuse leben. Aktuell hat es ein Projekt erwischt, hinter dem der Deutsche Bundestag direkt steht, und zwar der Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin. Dieser wird sich massiv verzögern, wahrscheinlich um zwei Jahre. Die dort lebenden Fledermäuse müssen erst umgesiedelt werden. Das ist die Realität in dieser Republik. In Mecklenburg-Vorpommern hat eine Brücke über die Müritz eine Bauverzögerung von fast zwei Jahren gehabt – Kosten: 1 Million Euro –, damit sieben Fledermausarten umgesiedelt werden konnten. Das sind die Probleme, denen wir uns zuwenden müssen, statt immer neue Schulden zu fordern und nach irgendwelchen Fonds und Sondervermögen zu rufen. ({18}) Man muss endlich darangehen, das Geld umzusetzen, das wir haben. Alles andere macht an dieser Stelle nach meiner Auffassung keinen Sinn. Ich sage den Weltökonomen, gerade auch in Richtung Grüne, die meinen, man müsse immer mehr Schulden machen und 35 Milliarden Euro für einen Bundesinvestitionsfonds auflegen: Was, glauben Sie, wird von diesem Geld abfließen? Im ersten Jahr – das garantiere ich Ihnen – wird das ein Bruchteil sein, im zweiten Jahr noch weniger. Aber in zehn Jahren – und das ist das Problem – haben Sie 350 Milliarden Euro ins Schaufenster gestellt, und die Schuldenlast des Bundes, die jetzt bei 1,2 Billionen Euro liegt, wird deutlich gestiegen sein. Natürlich kann man argumentieren, dass wir zurzeit Niedrigzinsen bzw. Minuszinsen haben. Aber glauben Sie wirklich, dass die anhalten? Allein bei den zehnjährigen Bundesanleihen lag die Rendite im Frühjahr bei minus 0,7 Prozent, aktuell sind es nur noch minus 0,3 Prozent. Und was machen Sie, wenn die Zinsen auf 1, 1,5 oder 2 Prozent steigen? ({19}) Generationengerechtigkeit heißt für mich auch, dass wir den zukünftigen Generationen nicht nur beim Thema Klima, sondern auch bei den Finanzen keine Erblasten überlassen und vielmehr an dieser Stelle eine generationengerechte Finanz- und Haushaltspolitik miteinander vereinbaren. ({20}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine der großen Herausforderungen der nächsten Tage wird das Klimaschutzpaket sein. Ich richte einen sehr deutlichen Appell an die Bundesländer. Der Bund übernimmt hier eine Bruttolast von 54 Milliarden Euro. Alles gegenrechnet haben wir nach unseren Berechnungen eine Nettolast von 17 Milliarden Euro. Die Länder werden mit Kompensation der Mehrwertsteuerabsenkung bei der Bahn rund 2 Milliarden Euro in vier Jahren und ohne Kompensation 3 Milliarden Euro haben. Der Bund wird bei Regionalisierungsmitteln bzw. Förderprogrammen in verschiedensten Bereichen Entlastungen der Länder um rund 3 Milliarden Euro vornehmen. Für mich und auch für alle 16 Bundesländer soll der Klimaschutz nicht nur eine Bundesaufgabe sein, sondern eine gemeinsame Aufgabe im föderalen System von Bund, Ländern und Kommunen. Herzlichen Dank. ({21})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern war der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Jede Stunde wird in Deutschland eine Frau zum Opfer einer gefährlichen Körperverletzung. Ich finde, das ist eine Schande für unser Land, und wir dürfen nicht wegsehen. ({0}) Im Bundeshaushalt wurden 5 Millionen Euro zusätzlich zur Unterstützung von Frauen und ihrer Kinder, die Opfer von Gewalt wurden, beschlossen. Das ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In Deutschland fehlen 140 000 Plätze in Frauenhäusern. Ich weiß, diese Plätze zu schaffen, ist Aufgabe der Länder, ({1}) doch ich denke, auch der Bund muss hier mehr tun, und zwar Grundsätzliches. ({2}) Die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett haben Dutzende Studien aus der ganzen Welt zum Thema Gewalt ausgewertet. Ergebnis: Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Einkommensungleichheit und Gewaltverbrechen. Es reicht also nicht, Frauenhäuser zu bauen. Wir müssen die Ungleichheit in unserer Gesellschaft bekämpfen. Das sagt Die Linke sehr deutlich. ({3}) Solange, meine Damen und Herren, die reichsten 10 Prozent in Deutschland über mehr als die Hälfte des Vermögens verfügen, die ärmere Hälfte aber nur 1,3 Prozent hat, brauchen wir uns über zunehmende Gewalt nicht zu wundern. Tatsache ist auch, dass die Ungleichheit in unserer Gesellschaft, in Deutschland, schneller wächst als in vielen anderen Ländern Europas, und – man muss es so deutlich aussprechen – schuld daran ist die Regierung aus CDU/CSU und SPD. Sie tragen die Verantwortung. Denn Sie stemmen sich seit Jahren mit Händen und Füßen gegen eine gerechte Steuerpolitik. Das muss sich endlich ändern, meine Damen und Herren. ({4}) Finanzminister Scholz ist immer noch so stolz auf die schwarze Null. Doch der ökonomische Sachverstand sagt deutlich: Die schwarze Null ist ökonomischer Unsinn und verbaut die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Die Rufe nach mehr Investitionen werden immer lauter, und zwar zu Recht. Sogar BDI und DGB – also Arbeitgeber und Arbeitnehmer – verlangen gemeinsam eine Investitionsoffensive. Michael Hüther vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft und Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, haben einen Investitionsbedarf von 450 Milliarden Euro für unser Land errechnet. Sie fordern unter anderem 138 Milliarden Euro für Maßnahmen in den Kommunen und 110 Milliarden Euro für Bildung und Wissenschaft. Ich sage Ihnen: Diese Forderungen kann unsere Fraktion sofort unterschreiben. ({5}) Nun wurde auf dem CDU-Bundesparteitag ein wirklich richtungsweisender Antrag beschlossen: Vor jeder Schule soll zukünftig eine Deutschlandflagge wehen. Damit will die CDU offensichtlich darauf hinweisen, dass die Bildung in unserem Land mit 100 Milliarden Euro unterfinanziert ist. Ich würde diesen Antrag noch erweitern: In jedem Funkloch sollte eine Deutschlandfahne wehen. ({6}) Dann sieht es in unserem Land bald wieder so aus wie bei der Fußballweltmeisterschaft 2006. Und auf diese Weise würden wir der Welt zeigen, wie offen die Bundesregierung mit ihrem Versagen umgeht, meine Damen und Herren. ({7}) Die Regierung will nicht mehr investieren – Kollege Rehberg ist ja ausführlich darauf eingegangen –, weil schon die beschlossenen Milliarden nicht abfließen. Doch ich kann Ihnen sagen: Diese Ausrede höre ich seit Jahren. Die Bundesregierung tut doch nichts dafür, dass die Gelder auch ausgegeben werden können. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Entschulden Sie endlich die Kommunen! ({8}) Dann können Kommunen nämlich aus eigener Kraft investieren. Union und SPD sind stolz darauf, dass sie nicht mehr ausgeben, als sie einnehmen. Damit lenken sie davon ab, für welchen Unsinn und für welche Verschwendung Steuergelder ausgegeben werden. Viel zu viel Geld fließt in die Rüstung. Dazu sagt Die Linke: Das wollen wir nicht. Wir wollen weniger Geld für Rüstung, mehr Geld für Friedensprojekte. ({9}) Sie geben weiterhin viel Geld für die NATO aus, eine Organisation, die immerhin der französische Präsident als „hirntot“ bezeichnet hat. Man muss ja diese Wortwahl nicht teilen; aber man sollte zumindest darüber nachdenken. Sie müssen dreistellige Millionenbeträge für Strafzahlungen ausgeben, weil Sie die Klimaziele nicht erreicht haben, und auch die Mautbetreiber werden millionenschwere Forderungen stellen. Meine Damen und Herren, es geht also nicht darum, Steuergelder mit vollen Händen für die falschen Dinge aus dem Fenster zu werfen, wie die Bundesregierung es macht, sondern es geht darum, in die Zukunft zu investieren, wie wir es vorgeschlagen haben. Wir wollen Steuergelder für mehr Bildung, für mehr bezahlbare Wohnungen, für bessere Pflege, für Klimagerechtigkeit und gegen Armut einsetzen. ({10}) Das wäre der richtige Weg. Vielen Dank. ({11})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht also in dieser ganzen Woche um den Haushalt 2020, um die Frage: Was sind die notwendigen und die richtigen Ausgaben, Schwerpunkte und Impulse für eine gute Zukunft unseres Landes? Und das in einer Zeit, wo sich die Menschen, wo sich auch unsere europäischen Nachbarn Orientierung von einer deutschen Regierung wünschen – zu Recht! Aber was ist passiert? Ich kann sagen: Bei diesen Haushaltsberatungen ist in der Bereinigungssitzung eigentlich gar nichts mehr passiert. ({0}) Das, was im September noch alles offen und unvollständig war, das hat die Bundesregierung mit ihrem Klimapaket nachgeliefert. Wir nennen es aus gutem Grund „Klimapaketchen“. Sie haben heute wieder angekündigt: Es umfasst 54 Milliarden Euro . – Das ist eine ziemliche Täuschung der Öffentlichkeit. Wenn man genau nachguckt, sieht man: Es sind 25 Milliarden Euro zusätzlich für die gesamten vier Jahre, die Sie kalkulieren. Das ist für diese Herausforderung zu klein. Es ist sozial unausgewogen, und es wird kaum Wirkung entfalten. ({1}) Dabei, Herr Scholz, wird auch noch Seriosität in Ihrem Haushalt vorgespielt. Ich verweise auf die ach so wichtige schwarze Null, die Sie immer vor sich her tragen. Dabei wissen Sie und könnten auch zugeben – wir jedenfalls sagen es klar –: Dieser Haushalt hat eine strukturelle Lücke von 15 Milliarden Euro . Das wird verdeckt durch eine globale Minderausgabe und dadurch, dass Sie für 10 Milliarden Euro in eine Rücklage greifen. Das ist die Wahrheit zum Haushalt 2020. ({2}) Was vollständig fehlt, ist wirklich eine Antwort auf die sehr, sehr großen Herausforderungen, auf den Investitionsstau von 140 Milliarden Euro in den Kommunen. Zu Recht hat meine Kollegin Lötzsch erwähnt: Das Institut der deutschen Wirtschaft – es ist nicht irgendwie verdächtig, in einer sehr linken Ecke nur Ausgabenpolitik zu fordern - ({3}) spricht von einem 450-Milliarden-Euro-Paket, in dem die Kommunen enthalten sind, in dem es aber auch um Mobilität geht. Da sind Investitionen im zweistelligen Milliardenbereich notwendig. ({4}) Auch die Bildungsinfrastruktur muss in einem ganz anderen Ausmaß ausgebaut werden. Auch die CO2-neutrale Wirtschaft und die Digitalisierung brauchen ein ganz anderes Volumen und einen ganz anderen Impuls. Man kann es auch anders sagen, Herr Scholz: In den 70er-Jahren hat Deutschland 5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung investiert. In den 70er-Jahren wurde eine moderne Bildungsinfrastruktur geschaffen. Was ist denn in 2019, bitte schön, anders, dass wir nicht auch bei der Digitalisierung und der Modernisierung unserer Wirtschaft in Richtung Klimaschutz einen solchen Aufbruch vornehmen? ({5}) Und da kann man sich doch nicht, wie Herr Rehberg das hier macht, hinter Umsetzungsproblemen verstecken. Ihr einziges Argument, warum Sie nicht investieren, ist, dass Sie sagen: Wir schaffen es nicht, das umzusetzen. – Das ist keine Antwort an Europa; das ist auch keine Antwort an die Menschen in unserem Land. ({6}) Wir zeigen Ihnen auf, wie man es ab jetzt konkret anders angehen könnte: im Haushalt 2020 20 Prozent Mehrinvestitionen oder von mir aus in vier Jahren ein 100-Milliarden-Euro-Programm für Klimaschutzinvestitionen. Um es aber runterzubrechen, statt sich hinter großen Zahlen zu verschanzen: Die Investitionen sollen in die Schiene, in den Ausbau von Kitas und Bildungsinfrastruktur gehen. Wir legen unmittelbar einen Digitalfonds auf. Und, nicht zu vergessen, auch die Themen faire Wärme, Gebäudesanierung und Wohnen spielen da eine große Rolle. Wir kombinieren das mit einem CO2-Preis, dessen Einnahmen vollständig an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden, damit das auch sozial ausgewogen ist. ({7}) Das Problem bei Ihnen ist ein sehr grundsätzliches. Sie haben sich ideologisch hinter der schwarzen Null verschanzt – nicht nur die CDU, auch die SPD. Sie verschanzen sich hinter der Vokabel „Umsetzungsproblem“. ({8}) – Hören Sie zu, Herr Grosse-Brömer. ({9}) Dabei geht es nicht darum, die Schuldenbremse abzuschaffen. Ich zitiere Herrn Lang vom BDI: Im Gegensatz zur Schuldenbremse, die im Grundgesetz verankert ist, gehört die schwarze Null in einer konjunkturell fragilen Lage auf den Prüfstand. Wenn sich BDI und Gewerkschaften zusammentun und sagen: „Wachen Sie auf! Wir brauchen einen anderen Impuls!“, wenn Wirtschaftswissenschaftler das sagen und auch der Erfinder der Schuldenbremse, Herr Kastrop, ehemals Bundesfinanzministerium, dann sollte Ihnen das doch zu denken geben. ({10}) Seien Sie nicht so arrogant mit Ihrer Mehrheit. ({11}) Denn visionäre Kraft ist bei Ihnen sowieso nicht vorhanden. Seien Sie wenigstens so mutig, eine Kurskorrektur vorzunehmen. Deswegen mein Aufruf: Nutzen Sie Instrumente wie Investitionsgesellschaften! ({12}) Richten Sie im Spielraum der Schuldenbremse einen mehrjährigen Bundesinvestitionsfonds ein! Zukunft, Herr Scholz, gibt es nicht zum Nulltarif. Kommen Sie raus aus dieser finanzpolitischen intellektuellen Verbohrtheit – man könnte auch sagen: Faulheit! Die Menschen in Deutschland und in Europa würden es Ihnen danken. ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Bundesfinanzminister Olaf Scholz. ({0})

Olaf Scholz (Minister:in)

Politiker ID: 11003231

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal bei allen bedanken, die in den letzten Wochen und Monaten die Diskussionen über den Haushalt vorangetrieben haben. Insbesondere die Zusammenarbeit im Haushaltsausschuss war für mein Ministerium wie immer sehr erfreulich. Deshalb an dieser Stelle noch mal einen herzlichen Dank. ({0}) Wenn wir über die Haushaltspolitik diskutieren, dann ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass wir mit etwas aufhören, was wir heute Morgen schon wieder erlebt haben: Alle reden in ihren Reden aneinander vorbei, niemand bezieht sich aufeinander, und alle erzählen Geschichten, die gleichzeitig nicht richtig sein können. ({1}) Das ist aus meiner Sicht schon ein Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, wenn wir über die Zukunft und die Aufgaben reden, die wir miteinander bewältigen wollen. ({2}) Der Haushalt, der hier vorliegt, ist ein sehr expansiver Haushalt. 362 Milliarden Euro ist eine Menge Geld, das wir ausgeben. Es ist eine substanzielle Steigerung gegenüber dem vorherigen Haushalt. Es ist eine substanzielle Steigerung der Investitionen. Es ist eine substanzielle Reduzierung der steuerlichen Last der Bürgerinnen und Bürger. Es ist eine Verbesserung der sozialen Ausstattung. Es sind mehr Investitionen in das Klima. – Das bestreitet niemand, auch wenn alle Reden sehr unterschiedlich klangen. Ich finde, das ist eine gute Leistung. ({3}) Aber dann wird alles durcheinandergebracht. Da wird einerseits gesagt, man müsse viel mehr machen. Dann wird andererseits – jedenfalls von einem Teil derjenigen, die hier geredet haben – gesagt, man könne ja gar nicht; denn in Wahrheit, wenn man genau hinschaue, hätten wir hier gar nicht so viele Spielräume. Andere wiederum vertreten das auch, sagen aber gleichzeitig, wir müssten mehr Schulden machen. ({4}) Ich glaube, alle diese Ansichten passen nicht zusammen. Tatsächlich ist es so, dass wir in den letzten Jahren zum Beispiel die Spielräume genutzt haben, die sich aus der reduzierten Zinsbelastung im deutschen Haushalt ergeben haben. Das sind sehr viele Milliarden zusätzlich. Wir haben einmal 40,2 Milliarden Euro Zinsen gezahlt; es geht jetzt runter in Richtung – da sind wir noch nicht – 10 Milliarden Euro. Da sieht man, was für eine Veränderung stattgefunden hat. Wir haben sie dafür genutzt, um keine neuen Schulden mehr zu machen – ja, klar, das war auch richtig so –, aber wir haben sie auch genutzt für Investitionen und für Expansion dort, wo das fiskalpolitisch notwendig ist. ({5}) Es wird beklagt, dass wir unsere Rücklagen nutzen. Nein, das ist falsch. Ja, wir nutzen die Rücklagen, die wir haben. ({6}) Wir nutzen sie für eine expansive Haushaltspolitik. Aber es können nicht die eine Rede und die andere Rede gleichzeitig richtig sein. ({7}) Das, was wir machen, ist genau das Richtige in der jetzigen wirtschaftlichen Situation unseres Landes. ({8}) Es ist eine zukunftsfähige Tätigkeit, die wir hier verrichten. Und dann wird übersehen, wie groß die Entlastungen sind, die wir in dieser Legislaturperiode für die Bürgerinnen und Bürger auf den Weg gebracht haben. Wenn man all das zusammenrechnet, was steuerlich von uns unternommen worden ist – dazu zählt auch die Entscheidung, den Soli für 90 Prozent derjenigen, die ihn bisher zahlen, abzuschaffen –, ({9}) dann ergibt das in voller Wirksamkeit eine Entlastung in Höhe von 25 Milliarden Euro pro Jahr. Das genau ist das Zeichen, auf das viele Bürgerinnen und Bürger gewartet haben. Wir haben es gesetzt. ({10}) Ich sage ausdrücklich, dass das auch etwas damit zu tun hat, dass wir natürlich dafür sorgen, dass es sich um einen sozial ausgewogenen Haushalt handelt. Manchmal liest man ja bzw. wird sich darüber beklagt, dass in den Dingen, die wir hier machen, zu viel Soziales enthalten sei. Ich empfinde das – –

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Bundesfinanzminister, der Kollege Fricke würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Olaf Scholz (Minister:in)

Politiker ID: 11003231

Ja.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, weil Sie es wieder gesagt haben: Sie sagen über den Haushalt 2020, Sie würden darin den Soli für 90 Prozent der Steuerzahler senken. Erstens stimmt das nicht in Bezug auf die Sparer. Zweitens. Könnten Sie mir und auch anderen bitte bestätigen, dass das nicht stimmt, sondern dass der Soli im Haushalt 2020 in keiner Weise gesenkt wird? ({0})

Olaf Scholz (Minister:in)

Politiker ID: 11003231

Es stimmt gar nicht, was Sie sagen, was ich gesagt hätte. Das ist das Problem an dieser Frage. ({0}) Ich habe von dieser Legislaturperiode gesprochen, und in der, habe ich gesagt, wird es in voller Wirksamkeit so sein, dass die Entlastung Stück für Stück auf 25 Milliarden Euro pro Jahr anwächst, zum Beispiel durch die steuerlichen Entlastungen für Familien, durch den Ausgleich der kalten Progression, durch all diese Maßnahmen und natürlich auch durch die weitgehende Abschaffung des Solis. Das sind dann, wie ich gesagt habe, in voller Wirksamkeit 25 Milliarden Euro. Ich wiederhole die Zahl ausdrücklich, weil sie so schön ist und auch von der FDP irgendwann wiederholt werden sollte. ({1}) Es ist nämlich manchmal eben alles ganz anders. Dazu zählt auch, dass wir natürlich einen sehr hohen Investitionsetat haben und dass wir natürlich alles Mögliche dafür tun, dass wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten können. Das bedeutet, dass wir jetzt Weichen stellen, indem wir Gesetze erlassen, Steuergesetze ändern und Investitionen tätigen. Alles das ist unterwegs. Es sind bereits zehn gesetzliche Maßnahmen in den Deutschen Bundestag eingebracht worden, die dazu beitragen sollen, dass wir diese Kehrtwende unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik zustande bringen, dass Deutschland das Land sein wird, das sicherstellt, dass wir 2050 CO2-neutral produzieren und trotzdem noch wirtschaftlich erfolgreich und technologisch an der Spitze sind. ({2}) So groß ist das Projekt nämlich. Es geht um die Weichenstellungen für die nächsten Jahrzehnte. Das ist das, was wir jetzt tun. Und wenn die 20er-Jahre in wenigen Wochen beginnen, dann kommt es auf das an, was wir jetzt auf den Weg gebracht haben. Es sind die richtigen Entscheidungen. Von manchen wird wiederholt kritisiert, dass wir sie getroffen haben. Ja, wir haben eine Weichenstellung vorgenommen und gesagt: Es wird wesentlich mehr in die Bahn investiert; es werden in den nächsten zehn Jahren 89 Milliarden Euro sein. Wir werden die Mittel erhöhen, damit überall in Deutschland neue Bahnlinien wiedereröffnet werden können, und das wird Jahr für Jahr geschehen. Und wir werden dafür Sorge tragen, dass auch neue S- und U-Bahnlinien geplant werden können – mit massiven Erhöhungen jetzt und mit angekündigten Erhöhungen bis 2025. ({3}) Das sind notwendige Entscheidungen. Und wir wissen ganz genau, dass wir diese große technologische Kehrtwende nicht zustande bekommen, wenn nicht die Energiewirtschaft investiert, zum Beispiel in erneuerbare Energien, in den Ausbau von Offshore- und Onshorewindkraftanlagen, in den Ausbau der Solarenergie. Wenn es uns nicht gelingt, dass da so viel investiert wird, dass wir 65 Prozent erneuerbare Energien 2030 haben, dann wird diese Kehrtwende nicht zustande kommen. Aber wir müssen unseren Beitrag leisten, indem wir jetzt die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, dass dieser Ausbau tatsächlich stattfindet. Und das wird die Regierung tun; wir werden dafür Sorge tragen. ({4}) Gleichzeitig begleiten wir zum Beispiel im Bereich Mobilität die Investitionen der Automobilindustrie, indem wir dafür Sorge tragen, dass es 1 Million Ladepunkte in Deutschland geben wird – eine Zielsetzung, die die Politik so ehrgeizig formuliert hat; alle haben weniger von uns gefordert. Es ist ein Zeichen dafür, dass wir begriffen haben, dass Ehrgeiz jetzt notwendig ist, und dass wir bereit sind, das Notwendige zu tun. ({5}) Meine Damen und Herren, zu den Dingen, die notwendig sind, gehört immer auch, dass wir dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die in unserem Land aufwachsen, dafür die besten Bedingungen vorfinden. Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass wir jetzt vieles tun, was dazu gehört. Dazu gehört der Kitaausbau, dazu gehört die Reduzierung von Gebühren, dazu gehört zum Beispiel auch, dass wir die Schulen besser ausstatten. Das alles haben wir unter anderem mit einer Verfassungsänderung möglich gemacht, die dieses Haus beschlossen hat. All das ist aber nur ein wichtiger Teil einer großen Anstrengung in einem föderalen Gefüge. Denn die deutsche Politik in unserem Land besteht Gott sei Dank nicht nur aus der Bundesregierung und dem Bundestag. Sie besteht auch aus 16 Ländern und den vielen Kommunen in Deutschland. Das ist die nächste Aufgabe, die wir vor uns haben: die Investitionen der Kommunen wieder zu stärken. ({6}) Ich bin dafür, dass wir diejenigen, die zu viele Schulden haben, entlasten und sie in die Lage versetzen, auch zukünftig zu investieren. ({7}) Meine Damen und Herren, Sie sehen: Das ist ein Haushalt, der die Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft genau thematisiert. Er gehört in eine Reihe von Haushalten, die wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben. Und er ist der Anfang von Haushalten, mit denen wir es im nächsten Jahrzehnt schaffen, dass Deutschland ein soziales Land wird, dass es den technologischen Wandel beherrschen wird und dass es den menschengemachten Klimawandel mit unseren Möglichkeiten in Deutschland aufhält. Das ist genau das, was richtigerweise zu tun ist. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Albrecht Glaser, AfD. ({0})

Albrecht Glaser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004727, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Kürze der Zeit nur zwei Punkte. Erstens: die EU-Umlage. Zunächst muss erneut auf die absurde Buchungstechnik der EU-Umlage hingewiesen werden. Sie wird im Einzelplan 60 als negative Einnahme dargestellt. Das ist so sinnreich wie die Erfindung von positiven Ausgaben. Wir gehen davon aus, dass die gewählte Darstellung haushaltsrechtswidrig ist, Herr Minister; wir kommen auf den Punkt zurück. Die EU-Beiträge, die in Wahrheit also genuine Ausgaben des Bundes sind, sollen von 2018 bis 2024 von 28,6 auf 47,2 Milliarden Euro, also um 65 Prozent, ansteigen. Und wenn der Brexit vollzogen ist, will die EU nicht etwa die Ausgaben anpassen, was dem gesunden Menschenverstand entsprechen würde, nein, sie will die 27 übrigen EU-Mitgliedstaaten als Ausfallbürgen für den Nettobeitrag der Briten in Anspruch nehmen. Dies bedeutet, wie der Rechnungshof schätzt, eine jährliche zusätzliche Belastung von 10 bis 15 Milliarden Euro. Für 2024 ergibt sich daraus eine Haushaltsbelastung von rund 60 Milliarden Euro. Es handelt sich dabei um 16 Prozent der Steuereinnahmen des Bundes, über deren Verwendung er keine Entscheidungshoheit mehr hat. Übrigens bedeutet das gegenüber 2018 eine Steigerung von 114 Prozent. Hier werden Erinnerungen an die ESM-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wach: Das Budgetrecht sei ein Herzstück souveräner Staatlichkeit. Es kann daher nicht beliebig eingeschränkt werden, ohne dass die Eigenstaatlichkeit verloren geht. – Wo also haben wir uns die Grenze der Transferleistung an die EU vorzustellen, ab der die Verfassung ausgehebelt wird? Eine pikante Frage. Zweitens: der Euro und die Vermögensverteilung. Bekanntlich war und ist der Euro ein politisches Projekt. Mitterrand hatte in der D-Mark die „Atombombe der Deutschen“ gesehen. Deshalb betrieb er das Geschäft: Wiedervereinigung gegen Abrüstung. Er hat dabei gepokert und gewonnen. Er hat auch gesagt, der Euro sei Versailles ohne einen vorherigen Krieg. Dieses Projekt möchte Präsident Macron nun weiterverfolgen und dies mit der Entente des Club Méditerranée. Einen großen Schritt zum Erfolg hat er mit der Installierung einer französischen Politikerin als EZB-Präsidentin gemacht, ein völlig neues Ereignis. Die Kollateralschäden des Euro-Projekts sind gigantisch, das Null-Zins-Geld lässt die Vermögenswerte explodieren und enteignet die Sparer, in den letzten Jahren in Höhe von 700 Milliarden Euro. Wer nicht schon vermögend ist, kann es nicht mehr werden. ({0}) – Das ist unerhört; das war nicht verabredet. ({1}) Diejenigen, die eine ungerechte Vermögensverteilung beklagen, stellen sie nun mit Macht her. Wir gehen schweren Zeiten entgegen. ({2})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Andreas Jung, CDU/CSU. ({0})

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den Bundeshaushalt ist in den Reden bereits eingeführt worden. Ich möchte noch mal herausstellen: Dieser Bundeshaushalt verfügt über so hohe Staatseinnahmen wie noch nie. ({0}) Das liegt nicht etwa daran, dass wir Steuern erhöht hätten, sondern es liegt daran, dass die allermeisten Menschen in Deutschland Arbeit haben. Es liegt daran, dass die Beschäftigungsquote hoch ist und die Arbeitslosenquote gering. ({1}) Es liegt daran, dass trotz der Eintrübung in der Wirtschaft die Unternehmen Aufträge haben, Umsätze machen, Gewinne generieren und Steuern abführen. Deshalb möchte ich diese Debatte auch nutzen, mich bei all diesen Menschen zu bedanken. Das sind die Menschen, die die soziale Marktwirtschaft ermöglichen. Sie sind die Säulen der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. ({2}) Diese soziale Marktwirtschaft kommt in diesem Haushalt zum Ausdruck. Wir geben mehr als jeden zweiten Euro für Soziales, Familien, Gesundheit, Pflege, Rente, für die sozialen Aufgaben aus. ({3}) Und wir werden deshalb unserem Anspruch, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, gerecht. Das ist das eine. Aber wir müssen eben auch in die Zukunft investieren; denn wir haben eine Verantwortung, nicht nur für die Menschen heute, sondern wir haben eine Verantwortung für die nächsten Generationen. Wir müssen deshalb die Weichen dafür stellen, dass das, was wir heute haben – unser Land steht an der Spitze und liegt im Wettbewerb vorne –, auch morgen gelingt. Das kommt in diesem Haushalt durch Innovation, Infrastruktur und Investitionen zum Ausdruck. Das ist der rote und schwarze Faden, der Faden der Großen Koalition, der diesen Haushalt durchzieht. Damit bringen wir Deutschland auf die Erfolgsspur. ({4}) Ich möchte es an einigen Punkten deutlich machen, da es hinterfragt wurde: Ja, wir investieren mit diesem Haushalt so viel Geld wie noch nie. Wir investieren Milliarden Euro in den nächsten Jahren in die Schiene, wir bringen PS auf die Schiene. Wir tun damit etwas für den Klimaschutz und für die Infrastruktur in diesem Land. Wir investieren weiter in die Straßen. Das will ich den Grünen auch sagen: Sie reden jeden Tag von Elektromobilität. Elektroautos können viel, sie können aber nicht fliegen; auch Elektroautos brauchen Straßen. Deshalb ist Ihre Politik gegen den Straßenbau – das haben Sie auf Ihrem Parteitag beschlossen – falsch. Wir brauchen Schiene und Straße, eine gute, ausgewogene Infrastruktur, die Deutschland voranbringt. ({5}) Und wir brauchen digitale Infrastruktur; darin investieren wir. Es ist kritisiert worden, es würde in Deutschland zu wenig für Bildung getan. Ich erinnere daran, dass bei den Schulen zuerst einmal die Länder in der Pflicht sind und ihrer Verantwortung gerecht werden müssen. Aber wir helfen ja. Wir haben festgestellt, dass bei den Schulen zu wenig im Bereich der digitalen Infrastruktur gemacht wird, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Und obwohl der Bund nicht zuständig ist, haben wir gesagt: Wir bekennen uns zu dieser Verantwortung. – Wir haben sogar das Grundgesetz dafür geändert und es geschafft, dass die Bildungshoheit der Länder erhalten bleibt, der Bund aber in die digitale Infrastruktur investieren kann. Denn wir haben gesagt: Da entscheidet sich die Zukunft unseres Landes. Wir tun etwas für Schulen und für Schüler, für die Zukunft unseres Landes, für Innovation in Deutschland. Das haben wir gemeinsam gemacht, und das bildet sich in diesem Haushalt ab. ({6}) Wir fördern Forschung und Entwicklung. Das tun wir durch ganz konkrete Programme. Wir fördern die künstliche Intelligenz. Wir investieren in Programme für Wasserstoff, für synthetische Kraftstoffe, weil wir einen Schritt weiterdenken. Wir müssen fragen: Wo kommt der Wohlstand von morgen her? Wie schaffen wir es, an der Spitze zu bleiben? Wie schaffen wir es, in einem weltweiten Wettbewerb, in dem es keine Selbstverständlichkeiten gibt, auch morgen vorne dabei zu sein? Deshalb investieren wir in diese Programme. Wir schaffen eines, worüber wir lange diskutiert haben und was lange eine Forderung aus dem Mittelstand war: Wir führen – wenn der Bundesrat am Freitag zustimmt; da sind wir ganz optimistisch – zum nächsten Jahr die steuerliche Forschungsförderung ein und zeigen damit, dass wir diejenigen unterstützen, die in den Unternehmen an morgen denken, die sagen: Ja, wir müssen entwickeln, wir müssen forschen, wir müssen neue Produkte auf den Markt bringen, damit wir im internationalen Wettbewerb erfolgreich sind. – All das unterstützen wir mit diesem Haushalt und kommen dabei wesentlich voran. ({7}) Ja, es ist ein Haushalt, über dem die schwarze Null steht. Herr Fricke, dieser Haushalt ist ausgeglichen. Ich habe bei Ihrer emotionalen Rede den Eindruck gewonnen, dass er sogar sehr viel ausgeglichener ist als Sie. ({8}) Es ist jedenfalls ein Haushalt ohne neue Schulden, und ich will den Rednern auf der linken Seite dieses Hauses – je linker, desto mehr – doch sagen: Dahinter steht keine Ideologie. Er ist Ausdruck von Grundsätzen; er ist Ausdruck von Verantwortung. Wir haben durch die schwarze Null Schluss gemacht mit dem Schuldenstaat vergangener Jahrzehnte. Wir haben gesagt: Es ist falsch, die Aufgaben von heute den künftigen Generationen als Lasten zu übertragen. Dieser Haushalt ist Ausdruck von Nachhaltigkeit, ({9}) und zwar Nachhaltigkeit im richtig verstandenen Sinne. Wenn Sie und übrigens auch die Grünen auf ihrem Parteitag sagen: „Wir müssen davon abrücken; die Aufgabe ist doch heute so groß, dass wir jetzt Schulden machen können, die spätere Generationen zurückzahlen müssen“, ({10}) dann sage ich Ihnen: Es ist eine grundsätzlich falsche Annahme, wenn man glaubt, die Herausforderungen, die wir heute haben – ja, sie sind groß –, sind viel größer als die, die in 10, 20 oder 30 Jahren auf die Menschen zukommen; denn das können wir nicht wissen. Deshalb ist diese Haltung nichts anderes als ein gegenwartsbezogener Egoismus und das Gegenteil von Verantwortung. ({11}) Ich habe mich schon gewundert, dass Sie nicht nur von der schwarzen Null abrücken wollen, sondern dass die Grünen auch von der Schuldenbremse abrücken wollen, die ja in anderen Zeiten Flexibilität bieten würde. Das ist nicht unser Weg. Da zeigen Sie, dass Sie eine Schieflage bei der Nachhaltigkeit, über die Sie gerne sprechen, haben. Wir wollen die schwarze Null jetzt um die grüne Null ergänzen – ergänzen, nicht ersetzen. Wir gehen den Weg zur Klimaneutralität. Deshalb haben wir das Klimapaket auf den Weg gebracht, das mit der CO2-Bepreisung auf neue Instrumente setzt und mit dem Klimaschutzgesetz die Voraussetzung dafür schafft, dass keine Lücken mehr entstehen, dass wir Klimaziele einhalten. ({12}) Darin sind ganz konkrete Unterstützung und Förderung durch Programme vorgesehen, damit wir im Klimaschutz vorankommen, und zwar so, dass wir die Menschen mitnehmen. Deshalb fördern wir Heizungsaustausch, deshalb fördern wir Gebäudesanierung, deshalb fördern wir die Schiene, den ÖPNV, Ökoautos und Ladeinfrastruktur. Das sind doch die Dinge, die wir konkret brauchen, damit Klimaschutz mit den Menschen geht. ({13}) Das findet sich in diesem Haushalt, und das wird sich in den nächsten Haushalten finden. So bringen wir schwarze Null und grüne Null zusammen und setzen auf Nachhaltigkeit in der ganzen Breite. ({14}) Es wurde gesagt: Es ist nicht über Wirtschaft gesprochen worden. – Oh doch. Ich habe Dinge im Bereich von Innovation und Forschung sowie die steuerliche Forschungsförderung angesprochen. Gerade beim Klimaschutz legen wir allergrößten Wert darauf, dass wir beides zusammenbringen. Wir machen das mit Augenmaß. Wir sind für einen konsequenten Klimaschutz. Wir gehen das aber so an, dass wir Wirtschaft und Soziales zusammendenken. Ökonomie und Ökologie, schwarze Null und grüne Null – wir wollen das sozial gerecht und sozialverträglich umsetzen, damit es hier keine gelben Westen gibt. Das ist für uns Ausdruck von Verantwortung, und diese findet sich in diesem Haushalt wieder. Herzlichen Dank. ({15})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Christian Dürr, FDP. ({0})

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Kollege Jung, Sie haben ja gerade gesagt, dass Sie für die Menschen im Land Antworten auf die Fragen der Zukunft haben. Den Eindruck haben Tausende Landwirte, die heute in Berlin gegen Ihre Agrarpolitik demonstrieren, ausdrücklich nicht, Herr Kollege Jung. ({0}) Ich nenne mal beispielhaft die Landwirte, die heute in Berlin sind, die mit ihren Treckern hierhergefahren sind. 20 Prozent mehr Insolvenzen in der Landwirtschaft in Deutschland, Herr Kollege Jung! Das sind genau die mittelständischen Familienbetriebe, die Sie im kommenden Jahr, und zwar zu 100 Prozent, weiter mit dem Solidaritätszuschlag belasten werden. Auch das muss gesagt werden, Herr Jung. Genau die demonstrieren gegen Ihre Politik. ({1}) Das sind genau die, die die Bürokratie, die die CDU/CSU in Deutschland zu verantworten hat, gerade in der Agrarpolitik in den Wahnsinn treibt, Herr Kollege Jung. Nichts tun Sie für den Mittelstand im ländlichen Raum. Das muss gesagt werden. Das ist die Realität der CDU/CSU-Politik hier in der Bundesregierung. Das beispielhaft. ({2}) Ein zweites Beispiel: die Familien – junge Familien, Mütter und Väter in den 20er-Jahren mit zwei Kindern und kleinem Einkommen, die gerade eine Karriere starten, die sich ihren Familienurlaub wirklich im wahrsten Sinne des Wortes vom Munde absparen. ({3}) Sie haben hier gerade von Klimaschutzpolitik gesprochen. Zunächst auch da zum Soli: Die Familie mit kleinem Einkommen, mit kleinstem Einkommen zahlt im Jahr 2020 den Solidaritätszuschlag noch voll – gegen jedes Versprechen, das die Union in Deutschland gegeben hat. Auch das muss an dieser Stelle erwähnt werden. ({4}) Herr Jung, was ist denn die Antwort auf die Frage des Klimaschutzes an der Stelle? Wir haben vorgeschlagen: Lasst uns wirklich innovativen Klimaschutz machen. Lasst uns darüber reden, wie wir fast eine Viertelmilliarde aus Steuermitteln aufwenden, damit wir es in Zukunft schaffen – nicht direkt morgen; aber vielleicht übermorgen –, klimaneutral zu fliegen. Das war ein ganz konkreter Vorschlag der FDP-Fraktion im Bundestag, der von der Union abgelehnt wurde. Was ist Ihre Antwort? Die Antwort – ich gucke an der Stelle Herrn Dobrindt an – der CSU-Landesgruppe für diese junge Familie, die sich den Mallorca-Urlaub vom Munde abspart, die aufgrund des Wettbewerbs im europäischen Flugverkehr die Möglichkeit hat, einen solchen Flugurlaub zu machen, ist eine Strafsteuer auf Billigflüge. Das ist Ihre Antwort für junge Familien in Deutschland, Herr Kollege Dobrindt. ({5}) Schauen wir uns an, wie das mit den wirtschaftlichen Rahmendaten zurzeit ist. Die Wahrheit ist: Deutschland trägt beim Wachstum in Europa die rote Laterne, gemeinsam mit Italien. ({6}) Die anderen Länder Europas wachsen mittlerweile schneller als die Bundesrepublik Deutschland. ({7}) Das muss doch Anlass zur Sorge sein für die Bundesregierung. Angesichts dessen habe ich wenig Verständnis dafür, dass diese Sorge in der Rede des Bundesfinanzministers nicht vorgekommen ist. ({8}) Sie sind in Wahrheit eben eine Große Koalition des Stillstands, Herr Scholz. ({9}) Ich will noch mal, weil er gerade ein paar Tage zurückliegt, auf den Bundesparteitag der CDU zu sprechen kommen. ({10}) Ich fand das schon spannend. Der Bundesparteitag der CDU beschließt die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, er beschließt eine Unternehmensteuerreform, er beschließt die Einrichtung eines Digitalministeriums. Es ist super einfallsreich, das, was wir als FDP hier im Bundestag vorschlagen, auf einem Bundesparteitag der CDU zu beschließen, aber nichts davon in reale Politik in Deutschland umzusetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union. Nichts davon! ({11}) Zur Struktur des Bundeshaushaltes. ({12}) Da der Fraktionsvorsitzende Herr Brinkhaus gerade hier sitzt, will ich, Herr Brinkhaus, mal zitieren, was Sie im Mai dieses Jahres gesagt haben, als der Bundeshaushalt von der Bundesregierung aufgestellt worden ist. Herr Brinkhaus spricht sich gegen höhere Sozialabgaben aus. Das Gegenteil passiert mit diesem Bundeshaushalt. Er sagt dann: Vielmehr sollten wir den Bundeshaushalt einer Generalrevision unterziehen. Alle Ausgaben müssen auf den Prüfstand. Nichts, mit Verlaub, haben Sie bei diesen Haushaltsberatungen davon umgesetzt, wozu Ihr eigener Fraktionsvorsitzender Sie aufgefordert hat. Die Freien Demokraten haben Ihnen mit über 600 Änderungsanträgen gezeigt, wie man 20 Milliarden Euro in diesem Bundeshaushalt sparen kann, um sie den Menschen zu geben, Herr Brinkhaus. Nichts davon haben Sie an dieser Stelle getan. ({13}) Vorhin wurde noch einmal gesagt, das ist ein ausgeglichener Haushalt. Dazu kann ich nur sagen: Das muss er sein, schon nach der Bundeshaushaltsordnung. Aber man kann einen Bundeshaushalt eben auch mit neuen Schulden ausgleichen, Herr Kollege Jung, und der Bundesfinanzminister hat das eben hier zugegeben am Rednerpult, er hat gesagt: Wir greifen auf die Asylrücklage zurück. – Jetzt müssen wir übersetzen, was das heißt. In Realitas: Wir greifen auf alte Kreditermächtigungen zurück. ({14}) Oder, noch platter gesagt: Wir verschulden uns als Bund neu, damit wir diesen Bundeshaushalt zum Ausgleich bringen. – Das ist die Realität Ihrer Politik. ({15}) Zum Schluss, Herr Präsident. Die Entscheidungen der letzten Wochen zur Grundrente, zum Soli und dieser Bundeshaushalt waren die Vorbereitung der Großen Koalition auf den Bundesparteitag der SPD, aber es war nicht die Vorbereitung Deutschlands auf seine Zukunft. Das wäre aber Ihre Verantwortung gewesen. Herzlichen Dank. ({16})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Fabio De Masi, Die Linke, ist der nächste Redner. ({0})

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Wenn man schwarzen Löchern einen Namen geben würde, wäre mein Vorschlag: Andreas Scheuer. ({0}) Eine halbe Milliarde Euro Steuergelder stehen im Feuer, weil der Verkehrsminister seine Mautamigos beglücken wollte. Der Bundesrechnungshof sagt: Haushaltsrecht wurde gebrochen. – Aber der Minister klebt an seinem Stuhl. Jeder normale Arbeitnehmer hätte längst seinen Job verloren. Mir scheint, die Koalition hat jeden Respekt vor der Bevölkerung verloren. Deswegen sage ich zur Bundeskanzlerin – sie ist nicht mehr da –: Entlassen Sie endlich diesen Minister! ({1}) In dem Haushalt sind 43 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen. Sie sagen, das sei Rekord. Aber auch der Verschleiß unserer Brücken, unserer Bahnstrecken, unserer Universitäten ist Rekord. Wir haben in den Kommunen einen Investitionsstau von mindestens 138 Milliarden Euro. Entscheidend sind daher die Investitionen im Vergleich zur Wirtschaftskraft, die Investitionsquote, und da stehen wir im Ranking der OECD auf Platz 30 von 36. Allein um den Durchschnitt zu erreichen, müssten Sie die Investitionen um 40 Prozent erhöhen. ({2}) In der EU sind 23 von 28 Ländern vor uns. Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde, wir müssen doch den Anspruch haben, Spitze, nicht Mittelmaß bei den Investitionen zu sein! ({3}) Der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Gewerkschaftsbund fordern gemeinsam 450 Milliarden Euro Investitionen in den nächsten zehn Jahren. Wenn Sie nicht auf Die Linke und die Gewerkschaften hören wollen, dann hören Sie doch wenigstens auf die deutsche Industrie. Die Schuldenbremse verdeckt die wahren Schulden. Wenn wir nämlich zum Beispiel Autobahnen privatisieren, müssen die Steuerzahler und die Autofahrer den privaten Investoren auch die Rendite finanzieren. Der Finanzminister hat es ja gesagt: Wir verdanken den Abbau der Staatsverschuldung nicht der Schuldenbremse, sondern den niedrigen Zinsen. – Wer Sparer vor Negativzinsen schützen will, muss endlich mehr öffentlich investieren und die Geldpolitik entlasten. ({4}) Das gilt auch im Kampf gegen den Klimawandel. 6 500 Kilometer Bahnstrecke wurden seit 1994 abgebaut. Wer die grüne Null will, der muss die schwarze Null beerdigen. ({5}) Natürlich muss man dabei auch über Kredite finanzieren – warum sollten nur die heutigen Steuerzahler eine Universität bezahlen, die auch noch unsere Enkelkinder nutzen? Herr Kollege Andreas Jung, in Baden-Württemberg heißt es ja immer: Schaffe, schaffe, Häusle baue. – Auch ein Haus baut man über einen Kredit auf Raten. Wahr ist aber: Wer über den Schuldenberg spricht, der darf nicht von dem Geldturm der Millionäre und Milliardäre schweigen. Wir brauchen eine angemessene Besteuerung von Megavermögen und Erbschaften. ({6}) Ja, es fehlt an Kapazitäten in der Bauwirtschaft und Personal in den Planungsämtern – aber weil zu wenig investiert wurde und auch weil der Bauwirtschaft die Planungssicherheit fehlt. Eines muss hier noch einmal gesagt werden: Die Rüstungslobby gilt in Deutschland als gemeinnützig. Aber Attac? Campact? Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes? Einer Organisation von KZ-Überlebenden wird die Gemeinnützigkeit entzogen – wo leben wir eigentlich! Der Finanzminister muss endlich handeln! ({7}) Zum Schluss. Herr Scholz, Sie sagten 2015 zum Jubiläum der Kanzlei Freshfields, dies sei eine Sozietät, die unsere Gesellschaft immer wieder aktiv mitgestaltet hat. Das stimmt. Es ist sehr vornehm ausgedrückt. Das war nämlich eine Drückerkolonne für kriminelle Cum/Ex-Aktiengeschäfte. Es gab zwei Razzien bei dieser ehrenwerten Gesellschaft. Hamburg musste unter Ihnen sogar gezwungen werden, gegen Cum/Ex-Geschäfte bei der Warburg-Bank vorzugehen und Steuerforderungen einzutreiben, weil sonst 190 Millionen Euro verjährt wären. Deswegen ist es gut, dass Sie jetzt eine Taskforce gegen Cum/Ex schaffen. Ich habe diese frühzeitig gefordert. Die Linke meint, auch wenn das in Deutschland Gerichte entscheiden: Cum/Ex-Gangster gehören hinter schwedische Gardinen. Vielen Dank. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Scholz, für Ihre Verhältnisse haben Sie eine engagierte Rede gehalten. Sie haben gesagt: Ich finde, dieser Haushalt ist eine gute Leistung. – Das können wir nicht teilen. Ich würde sagen: Diese Rede war voll von großem Selbstlob und großer Selbstgerechtigkeit. Das passt auch zu dieser Halbzeitbilanz, die sich die Große Koalition ausgestellt hat. Doch wir müssen leider ernüchtert feststellen: Der Finanzminister hat jetzt ein anderes Parteibuch – er heißt auch nicht mehr Herr Schäuble, sondern Herr Scholz –, aber geändert hat sich in der Haushaltspolitik sehr wenig. Die schwarze Null ist jetzt eine rote Null. Wir sagen: Das ist deutlich zu wenig für unsere Zukunft. ({0}) Auf die großen Fragen – Klimakrise, Investitionsschwäche, wackelige Konjunktur – gibt es wenig Antworten in diesem Haushalt. Zu einer Haushaltsdebatte gehören auch Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Deswegen will ich auf die Zahlen zu sprechen kommen, Herr Scholz. Sie haben behauptet, es gebe eine substanzielle Steigerung von Investitionen in Ihrem Haushalt. Sie verschweigen aber konkret, dass Sie eine globale Minderausgabe von fast 5 Milliarden Euro haben. Das ist die größte globale Minderausgabe seit 2006. Das heißt de facto: Sie setzen in den Ministerien diese globale Minderausgabe um. In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass vor allen Dingen bei Investitionen gespart wird. Investitionen werden gekürzt. Dort werden die Sparvorgaben umgesetzt. So können die Investitionen natürlich gar nicht abfließen. Hier sind Sie nicht ehrlich. Hier rechnen Sie den Haushalt und die Investitionen künstlich schön. ({1}) Kollege Rehberg hat gesagt, dass die Investitionen nicht abfließen, sei ein Problem von mangelnden Kapazitäten – zu wenig Kapazitäten in der Verwaltung, zu wenig Kapazitäten in der Bauwirtschaft –, auch ein Problem des Planungsrechts und des Baurechts. ({2}) Aber, Entschuldigung: Wer regiert denn seit 2013? Soweit ich mich erinnere, sind es CDU, CSU und SPD. Seit sechs Jahren gibt es diese Probleme, seit sechs Jahren regiert die Große Koalition. Und Ihnen fällt immer noch nichts dazu ein. Dieses Problem ist hausgemacht. Das ist Ihr Verschulden, das ist Ihre Verantwortung. ({3}) Wir sagen Ihnen: Man muss dauerhaft und verlässlich hohe Finanzzusagen, hohe Investitionszusagen machen. Dann kann man die Kapazitäten deutlich ausbauen. Dann kann man auch dafür sorgen, dass der Mittelabfluss deutlich besser wird. Das haben Sie aber in den vergangenen Jahren nicht gemacht. Sie haben eine Investitionspolitik nach Kassenlage gemacht. Da gab es hier ein Sonderprogramm, wenn es einen Überschuss gab. Dann gab es wieder kein Geld. Es wurde da ein Sonderprogramm gemacht, dann gab es wieder kein Geld. Bei Ihnen kann man sich nicht darauf verlassen, dass es im nächsten Jahr genauso viele Investitionen gibt wie in diesem Jahr, geschweige denn in den nächsten vier Jahren. Das sieht man auch in diesem Haushalt. Sie haben hier Investitionen von fast 43 Milliarden Euro. Die sinken in der Finanzplanung aber wieder auf 39,8 Milliarden Euro. Das ist eine Kürzung um fast 7 Prozent. Bei dieser Zickzackinvestitionspolitik ist es doch kein Wunder, dass die Kommunen keine Planerinnen und Planer einstellen. Es ist doch ein Wunder, dass sich die Bauwirtschaft nicht darauf einstellt. Ihr Problem ist doch hausgemacht. ({4}) Zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit gehört auch, dass man sich das Klimapaket noch einmal genau anschaut. Kollege Rehberg hat gesagt, es gibt 54 Milliarden Euro für den Klimaschutz. Wenn man sich das ehrlich ansieht, stellt man fest: Dann sind das insgesamt nur zusätzliche Investitionen von circa 25 Milliarden Euro. Der Rest war schon in der Finanzplanung des Energie- und Klimafonds eingeplant. So ist doch die Wahrheit. Der Hammer kommt noch: Sie rechnen die Erhöhung der Pendlerpauschale in die Ausgaben für den Klimaschutz mit ein. Sorry, man kann über die Pendlerpauschale streiten. ({5}) Wir halten davon sehr wenig; das wissen Sie auch. Was man aber nicht machen kann, ist, zu sagen, dass die Erhöhung der Pendlerpauschale eine Ausgabe für den Klimaschutz ist. Das ist doch wirklich ein Hohn. Wen wollen Sie eigentlich für dumm verkaufen? ({6}) Es ginge auch anders. Wir haben konkrete Änderungsanträge vorgelegt, wie man die Investitionen steigern kann, wie man über neue Kredite, aber auch über einen Abbau von umweltschädlichen Subventionen die Investitionen deutlich steigern kann. Wir sagen: In den nächsten vier Jahren sind 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz möglich und notwendig; denn Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif. Man muss jetzt investieren und darf sich nicht weiter an das Dogma der schwarzen Null klammern. ({7}) Das sagen nicht nur wir Ihnen, das sagen ganz viele. Es wurde auch heute schon gesagt, und ich will es noch einmal verstärken. Das sagt Ihnen der DGB, das sagt Ihnen der Bundverband der Deutschen Industrie, das sagen Ihnen zahlreiche Ökonomen in Deutschland. Sie sagen: Wir müssen jetzt eine große Investitionsoffensive vorlegen, für Klimaschutz, für Digitalisierung. Man muss jetzt die Chancen, die sich aus der Niedrigzinsphase ergeben, nutzen, um die Investitionsschwäche zu bekämpfen, um die Klimakrise anzugehen und um in die Digitalisierung zu investieren. Das muss man jetzt machen. Man kann doch nicht sagen: Es bleibt alles so, wie es ist; wir machen einfach weiter so. – Man muss jetzt auf die Herausforderungen reagieren, wirklich etwas verändern und auch konkret handeln. Vielen Dank. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Andreas Schwarz, SPD, ist der nächste Redner. ({0})

Andreas Schwarz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004407, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss feststellen: Der Haushalt ist wirklich so gut, dass die Opposition mittlerweile im Haushaltsmärchenland angekommen ist. Ich gehe als Berichterstatter für den Haushaltsplan 08 gerne auf das Zahlenwerk ein und beginne mit einem Zitat eines britischen Politikers, der sagte: „Regieren besteht im Festsetzen von Prioritäten.“ Prioritäten hat dieser Haushalt. Es ist darin eine ganz klare Handschrift zu erkennen. Wir steigern auch den Einzeletat des Bundesfinanzministeriums auf 8 Milliarden Euro. Das ist gut angelegtes Geld. Ich verrate Ihnen mit Sicherheit kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, was die Menschen in unserem Land von einer Finanzverwaltung wollen. Sie wollen, dass Steuergerechtigkeit in diesem Land herrscht. Das schaffen wir. Wie schaffen wir das? Wir schaffen das, indem wir zum Beispiel den Zoll stärken. Das ist ein Weg, den wir bereits seit einigen Jahren gemeinsam mit dem Finanzminister Olaf Scholz gehen. Warum gehen wir diesen Weg? Der Zoll besorgt die Hälfte der Einnahmen des Bundeshaushalts. Er bekommt immer mehr Aufgaben. Damit ist es notwendig und auch Pflicht, den Zoll entscheidend mit Personal auszustatten. ({0}) Mehr als 5 000 Stellen haben wir geschaffen, um die Bedingungen für die Zollbeamtinnen und ‑beamten zu verbessern. Ich darf zwei Dinge festhalten: Erstens. Dieser Weg ist zwar mit Sicherheit noch nicht zu Ende; aber unsere Richtung stimmt. Das ist auch die Rückmeldung, die ich aus vielen Zollverwaltungen in der Republik bekomme. Zweitens. Mit dem Zoll kämpfen wir in Zukunft noch stärker gegen Schwarzarbeit, Sozialmissbrauch und illegale Beschäftigung. Wir sorgen damit für ein großes Mehr an sozialer Gerechtigkeit, wie es dieser Haushalt auch insgesamt tut. Lieber Olaf Scholz, lieber ehrliche Steuerzahler in unserem Land, genau diesen Weg gehen wir konsequent weiter. Mit der Taskforce gegen Steuergestaltungsmodelle am Kapitalmarkt kommt unser Finanzminister einer Forderung nach, die wir als SPD schon in der letzten Legislatur auf dem Schirm hatten. Ich selbst war Obmann im Untersuchungsausschuss zu den Cum/Ex-Geschäften, die das Land mit Sicherheit erschüttert haben; denn der Fall hat gezeigt, welches kriminelle Gebaren es an den Finanzmärkten gibt. Eine Erkenntnis war für mich damals, dass wir eine Art Finanz-FBI in Deutschland brauchen, eine Spezialeinheit, die Betrügereien an den Finanzmärkten aufdeckt und so für eine schnellere Bestrafung sorgt, als dies bei Cum/Ex der Fall war. Bis heute laufen Gerichtsverfahren, die die illegalen Machenschaften Stück für Stück aufklären und das Steuersubstrat wieder dem Steuerzahler zurückbringen. ({1}) Liebe ehrliche Steuerzahler in unserem Land, was wollen wir gemeinsam erreichen? Die kriminellen Akteure, die teilweise in Banken und Kapitalgesellschaften und auf Finanzmärkten unterwegs waren und auch noch sind, sollen zukünftig den kalten Atem des Bundesfinanzministeriums im Nacken spüren. ({2}) Damit, dass dies nun „Taskforce“ und nicht „Finanz-FBI“ heißt, kann man, glaube ich, leben. Wichtig sind das Ziel und der Weg, den wir gemeinsam gehen. Darin sind wir uns einig. Klasse, dass wir das hinbekommen haben. So gestaltet man eine gerechte Zukunft in unserem Land. Danke schön. ({3})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Bruno Hollnagel, AfD. ({0})

Dr. Bruno Hollnagel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004760, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die größten Fehler der Finanzpolitik werden in guten Zeiten gemacht, weil dann oftmals die Risiken übersehen werden – so auch neuerdings hier in unserem Land. Dank der erneuten schwarzen Null erscheint die deutsche Finanzpolitik auf den ersten Blick als solide. Dieser Blick täuscht. Der Haushaltsplan spiegelt die mittel- und langfristigen Herausforderungen nicht wider. Die nachfolgenden Generationen werden sie schultern müssen. Dabei denke ich nicht an die sichtbaren öffentlichen Schulden in Höhe von ungefähr 2 000 Milliarden Euro. Vielmehr denke ich an die unsichtbaren Schulden. Das sind die zukünftigen, zugesagten staatlichen Ausgaben, die nach bisheriger Planung nicht durch Einnahmen gedeckt sind. Diese unsichtbaren Schulden zusammen mit der sichtbaren Staatsverschuldung ergeben die sogenannte Nachhaltigkeitslücke. Meine Damen und Herren, die Nachhaltigkeitslücke Deutschlands beträgt sage und schreibe 7 600 Milliarden Euro. Das ist in etwa das 20-Fache des Bundeshaushaltes. So umfangreich ist sie. Das entspricht den Bundeshaushalten einer ganzen Generation. Das ist unverantwortlich. Darum muss dagegen endlich angearbeitet werden. ({0}) Bildlich gesprochen handelt sich dabei um ungedeckte Schecks. Die Bundesregierung gaukelt mit ihrem Haushalt Reichtum vor, der jedoch von den zukünftigen Generationen erst noch verdient werden muss. ({1}) Sobald einmal die Konjunktur schwächer sein sollte – die Ausgaben würden dann steigen, die Einnahmen aber sinken –, würden diese ungedeckten Schecks wieder einkassiert werden. Meine Damen und Herren, es ist schon seltsam, wie mit großem Tamtam ökologische Nachhaltigkeit gefordert wird, während die finanzielle Nachhaltigkeit des Bundeshaushaltes auf der Strecke bleibt. ({2}) Konsequenzen für die Aufblähung des Sozialversicherungssystems sucht man vergebens im Haushalt. Ja, man kann sich für soziale Wohltaten trefflich feiern und wählen lassen, wenn man spätere Generationen dafür bezahlen lässt. Um die 7 600 Milliarden Euro in den Griff zu bekommen, müssten staatliche Leistungen im Umfang von 8,4 Prozent gestrichen oder Steuern und Sozialabgaben um 9,9 Prozent erhöht werden. ({3}) Das ist keine schwarze Null, sondern die Bankrotterklärung der Bundesrepublik Deutschland. Danke schön. ({4})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Dr. André Berghegger, CDU/CSU, ist der nächste Redner. ({0})

Dr. André Berghegger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bekanntlich verlässt kein Gesetz dieses Haus so, wie es eingebracht worden ist. Ich glaube, das gilt insbesondere für das Haushaltsgesetz, eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Gesetz, das wir im Laufe eines Jahres beschließen. Wir debattieren schließlich auch eine ganze Woche darüber. Wir haben zwei Besonderheiten in diesem Jahr: Zum einen haben wir im Laufe des parlamentarischen Verfahrens einen Ergänzungshaushalt zur Umsetzung des Klimapakets bekommen, zum anderen haben wir in der Bereinigungssitzung rund 350 Koalitionsanträge beschlossen. Ich denke, die Rahmendaten für diesen Haushalt sind in Ordnung. Das Volumen liegt bei 362 Milliarden Euro; das entspricht einer moderaten Steigerung. Die Investitionen liegen bei knapp 12 Prozent des Haushaltes. Aber über 50 Prozent werden inzwischen für die soziale Sicherung aufgewandt; das erste Mal über 100 Milliarden Euro als Zuschuss für die Rentenversicherung. Wir müssen aber das Verhältnis von Investitionen zu sozialer Sicherung im Blick behalten – das sagt uns auch der Bundesrechnungshof in vielen Berichten –; ({0}) denn für Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum sind Investitionen die Voraussetzung. Auch wenn es vielleicht selbstverständlich klingt und bei uns schon die Regel ist: Wir nehmen zum siebten Mal nacheinander keine neuen Schulden auf. Das ist immer wieder eine Erwähnung wert. Außerdem erfüllen wir das erste Mal nach längerer Zeit den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Die gesamtstaatliche Verschuldungsquote sinkt unter 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das schafft Vertrauen, ist generationengerecht und nachhaltig. ({1}) Wir setzen Schwerpunkte in diesem Haushalt. Wir setzen wichtige Zeichen für ein sicheres Land mit hoher Lebensqualität: ein Milliardenprogramm zur Umsetzung des Klimaschutzprogrammes. Wir erhöhen den Ansatz für Bildung und Forschung – wie wir es heute schon mehrfach gehört haben –, und wir investieren in die innere und äußere Sicherheit. 3 900 Stellen sind für diesen Bereich vorgesehen, davon über 2 000 für die Bundespolizei. Davon werden Kapazitäten aufgebaut, und man kann sich neuen Aufgaben widmen bzw. bestehende besser ausführen. Insbesondere widmen wir uns der Extremismusbekämpfung. Aber wir erhöhen nicht nur die Anzahl der Stellen, sondern wir werden auch für entsprechende Flexibilität sorgen. So gibt es eine Zusage, dass Kapazitäten für die Transporthubschrauber erhöht werden können. Das dient der Leistungsfähigkeit der Einheiten. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz erhält mehr Stellen und – ich rechne den Zoll zu den Sicherheitsbehörden – natürlich auch der Zoll. Für uns war es wichtig – mein Kollege Andreas Schwarz hat das vorhin angesprochen –, die Verlässlichkeit für die Zöllnerinnen und Zöllner zu stärken. Daher werden alle Stellen, die aufwachsen sollen, auch über den Finanzplanungszeitraum hinaus, in diesem Haushalt dargestellt. Das ist, denke ich, ein gutes Signal an die Zöllnerinnen und Zöllner. Wir erhöhen die Verteidigungsausgaben auf 1,42 Prozent des BIP. Das ist ein guter Weg, auch im Zusammenhang mit der Diskussion über die NATO-Quote. Die zusätzlichen Mittel werden insbesondere für die deutsche Beteiligung an der NATO-Präsenz in Litauen verwendet werden. Nun zu den Investitionen und damit zu einem Thema, über das wir hier in verschiedensten Facetten lange diskutiert haben. Infrastrukturinvestitionen sind Voraussetzung für Wohlstand und Wachstum in unserem Land. Darüber, dass wir im Bereich Investitionen mehr machen müssen und wollen, sind wir uns, glaube ich, einig. Aber damit hört die Einigkeit auch schon auf. ({2}) Die Opposition sagt: Wir müssen mehr machen, wir müssen die Ansätze erhöhen. Das hält sie für den Königsweg. Das sagt sich so leicht. Ich bin da ebenso wie einige meiner Vorredner ganz anderer Meinung. Frau Hajduk, ich wiederhole gerne das, was der Kollege Eckhardt Rehberg gesagt hat: Wir haben hier ein Umsetzungsproblem; ({3}) wir müssen die Investitionshemmnisse abbauen. Das möchte ich gern erklären. Schauen wir uns einmal die Haushaltsreste an. Diese Haushaltsreste sind in den letzten Jahren ständig gewachsen, von 7 Milliarden Euro in 2010 auf knapp 20 Milliarden Euro in diesem Jahr. Das zeigt: Der politische Wille kann nicht ganz umgesetzt werden, die bewilligten Mittel fließen nicht ab. – Daran müssen wir arbeiten. Deswegen, lieber Kollege Fricke – wo ist er? –, ({4}) ist die globale Minderausgabe, die der Finanzminister aufgenommen hat, seriös berechnet. Erfahrungswerte der vorangegangenen Jahre zeigen, wie viel Geld nicht abfließt. ({5}) Deswegen kann man immer einen Ansatz im Haushalt verwenden bzw. dafür einsetzen. ({6})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege, der Kollege Fricke würde gerne eine Zwischenfrage stellen. – Nein.

Dr. André Berghegger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich mache das auch am Beispiel einer wichtigen Ebene in diesem Staat deutlich, an den Kommunen: Schauen wir uns das KfW-Kommunalpanel an, wofür jährlich bei allen Kämmerern in diesem Land Daten abgefragt werden. Ja, wir haben einen Investitionsstau in den Bereichen Schule, Straßen, Verwaltungsgebäude. Das ist das Ergebnis: Rund ein Drittel der geplanten Investitionen kann vor Ort nicht umgesetzt werden. Woran liegt das? Als Grund wird von finanzstarken Kommunen angegeben: Es liegt an den Kapazitäten im Baubereich, an zu wenig Personal und an den Baukosten, aber nicht am fehlenden Geld. Woran liegt es bei den finanzschwachen Kommunen? An den Einschränkungen aufsichtsrechtlicher bzw. politischer Art, an den Kapazitäten im Baubereich und natürlich, sonst wären es keine finanzschwachen Kommunen, an finanziellen Engpässen. Aber es ist zuvörderst Aufgabe der Länder, die Kommunen ordnungsgemäß mit Finanzmitteln auszustatten. ({0}) Die Schlussfolgerung lautet deswegen: Allein den Ansatz für Investitionen zu erhöhen, bringt uns nicht weiter. Wir müssen die Investitionshemmnisse abbauen. Wir können die Ansätze nicht um jeden Preis erhöhen. Das würde nur die Leistung vor Ort verteuern oder die Qualität senken, weil jeder einen Auftrag mitnehmen will. Das würde aber nicht unserem Ziel dienen, mehr Investitionen umzusetzen. Wir brauchen also langfristige Kontinuität, Planungssicherheit vor Ort, damit Kapazitäten aufgebaut werden. So schaffen wir es, wieder mehr Geld in die Straße und auf die Straße zu bringen. Genauso machen wir es bei den staatlichen Aufgaben – wir haben es gerade gesagt –: Wir erhöhen die Personalkapazitäten und verbessern damit die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Institutionen. Dann können die Aufgaben sinnvoll wahrgenommen werden. Nur am Rande sage ich: An dieser Argumentation können Sie sehr leicht erkennen, wie wir zur Schuldenbremse bzw. zu Erleichterungen bei der Schuldenbremse stehen – dieses Thema hat Herr De Masi immer wieder angesprochen –: Davon halten wir zurzeit gar nichts, eigentlich sogar überhaupt nichts, weil das der falsche Weg wäre. – Darüber werden wir aber an anderer Stelle noch diskutieren. An dieser Stelle kann ich mich nur für die gute Mitarbeit, für die gute Zuarbeit bedanken, insbesondere bei den Mitberichterstattern. Ich kann allen Kolleginnen und Kollegen nur empfehlen, den Einzelplänen 08 und 20 zuzustimmen. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort dem Kollegen Otto Fricke, FDP. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin vom Kollegen Berghegger persönlich angesprochen worden. ({0}) Es geht um ein Thema, das uns allen wichtig ist. Uns geht es darum, dass Investitionen auch abfließen. Ich stelle fest – Herr Kollege Berghegger, Sie sagen es selber –, dass Mittel für bestimmte Investitionen, die im Haushalt drinstehen und eben nicht genutzt werden, für die globale Minderausgabe genutzt werden. Und das wollten wir doch eigentlich nicht. Deswegen hat die FDP-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss – wir können das hier im Plenum auch noch einmal gemeinsam beschließen – gesagt: Wenn ihr eine globale Minderausgabe macht und damit allen Ministerien sagt, dass sie an anderen Stellen 5 Milliarden Euro einsparen müssen, dann dürft ihr das überall, aber bitte nicht bei den Investitionen; denn die brauchen wir. Herr Kollege Berghegger, wäre Ihre Fraktion nicht bereit und wäre es nicht auch vernünftig, zu sagen: „Ja, globale Minderausgabe ist in Ordnung – das meiste fließt nicht ab –, aber bitte nicht Investitionen für diese Sparbüchse des Finanzministers nutzen“?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Berghegger, wollen Sie antworten?

Dr. André Berghegger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ganz kurz.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Bitte.

Dr. André Berghegger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Fricke, Sie interpretieren in meinen Beitrag etwas hinein, was ich gar nicht gesagt habe. Ich habe nur versucht, zu erklären, wie hoch die Haushaltsausgabereste sind und was ins neue Jahr übertragen worden ist. Ich habe nur gesagt, dass aus Erfahrungswerten zu schätzen ist, welcher Betrag übrig ist. Diesen kann man für das Instrument der globalen Minderausgabe nutzen. Nichts anderes hat der Finanzminister für den Haushalt vorgeschlagen, und so sind meine Aussagen zu verstehen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächste Rednerin ist die Kollegin Sonja Steffen, SPD. ({0})

Sonja Steffen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin die vorletzte Rednerin in dieser Debatte. Von insgesamt 17 Rednerinnen und Rednern sind leider nur drei Frauen. ({0}) Bei der AfD wundert mich das gar nicht, aber liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und auch von der FDP, ich weiß, dass Sie richtig gute Finanz- und Haushaltspolitikerinnen in Ihren Reihen haben. ({1}) Deshalb wünsche ich es mir hier vorne ein bisschen bunter, ich wünsche mir ein bisschen mehr Vielfalt. ({2}) Es wurde heute schon oft erwähnt: Wir verabschieden in dieser Woche einen richtig guten und expansiven Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Insgesamt 362 Milliarden Euro wird unser Land 2020 ausgeben. Wir stärken damit Familien. Wir schaffen mehr Infrastruktur. Wir investieren mehr in Bildung und Forschung. Wir investieren insgesamt also massiv in unsere Zukunft. Investitionen – darüber ist schon viel geredet worden – in Höhe von 43 Milliarden Euro bringen wir in diesem Jahr auf den Weg. Die ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehene Kürzung des Bildungsetats haben wir übrigens nicht nur korrigiert, sondern wir haben die Mittel noch einmal erheblich erhöht. Es fließen insgesamt zusätzliche 222 Millionen Euro in den Bildungsetat. Damit wächst er auf 9 Milliarden Euro an. Ich konnte mich gerade letzte Woche bei einem Besuch bei unserer Bildungsministerin in Mecklenburg-Vorpommern, bei Bettina Martin, noch einmal versichern, dass der Digitalpakt schon richtig gut läuft. Die Mittel kommen bei uns in den kommunalen Schulen an. Das ist wunderbar so. ({3}) Es mag sein, dass jetzt in diesem Bundeshaushalt 82 Prozent SPD drinstecken, wie Kollege Fricke es gesagt hat. Das ist dann auch richtig gut so. Aber für die Menschen da draußen ist das gar nicht wichtig. Für die Menschen draußen ist wichtig, dass wirklich etwas bei ihnen ankommt. Das tut es mit diesem Bundeshaushalt. ({4}) Wir schaffen – der Finanzminister hat es schon gesagt – ab 2021 Steuererleichterungen in Höhe von 25 Milliarden Euro jährlich für Familien. ({5}) Vor allem schaffen wir ab 2021 den Soli ab, aber eben nicht für alle, sondern nur für diejenigen, deren Einkommen knapp bis ausreichend ist, und eben nicht für die Spitzenverdiener. Das ist gut so. ({6}) Ich möchte noch einen weiteren Punkt erwähnen. Zum Klimawandel ist schon viel gesagt worden. Auch zur Bekämpfung des Klimawandels trägt unser Haushalt viel bei. Was mich als Berichterstatterin des Einzelplanes für die Entwicklungszusammenarbeit besonders freut, ist, dass wir im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und auch im Bereich Umwelt noch einmal 600 Millionen Euro mehr draufpacken konnten. Denn wir alle wissen: Der Klimawandel macht nicht an unseren Grenzen halt, sondern er ist ein globales Problem, das wir global angehen müssen. Deshalb herrscht an dieser Stelle große Freude. Übrigens erhöhen wir damit auch die ODA-Quote. Das, finde ich, sind wir der Welt in unserer besonderen Verantwortung schuldig. Vielen Dank. ({7})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Hans Michelbach, CDU/CSU. ({0})

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ja, dieser Haushalt 2020 ist ein Zukunftshaushalt. Er ist eine adäquate Antwort auf aktuelle und künftige Herausforderungen. Zugleich setzt die Koalition damit ihre solide Haushaltspolitik fort. Wir kommen zum siebten Mal in Folge ohne neue Schulden aus. Wir halten mit diesem Haushaltsentwurf die Kriterien des Euro-Stabilitätspaktes vollständig ein; das sind gute Kriterien. Deutschland ist damit ein Stabilitätsanker in der Europäischen Union, ein Stabilitätsanker für einen stabilen Euro. ({0}) Wir haben auch in dieser Debatte wieder die Forderungen von den Linken und den Grünen nach neuen Staatsschulden gehört, ({1}) frei nach dem Motto: Je mehr, desto besser. – Ich frage Sie: Haben Sie eigentlich nichts aus den Krisen der Vergangenheit gelernt? Ich habe die internationale Finanzkrise mit den großen Rettungsprogrammen noch vor Augen. Wer erzählt, das Geld liege auf der Straße und man müsse es nur aufheben, der tut nichts anderes, als der nächsten Krise das Wort zu reden. ({2}) Die Linken und die Grünen wollen alle Schleusen öffnen. Das ist weder ökonomisch klug noch politisch verantwortungsvoll. ({3}) Das ist nichts anderes als Voodoo-Politik. Mit Nachhaltigkeitspolitik hat das gar nichts zu tun. Es ist ein Beispiel für die Doppelmoral der Grünen, dass sie hier auf der einen Seite von Nachhaltigkeit und auf der anderen Seiten immer neuen Schulden das Wort reden. ({4}) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist ein gelungener Mix aus Erleichterungen für Arbeitnehmer und Familien, aus Impulsen für die Wirtschaft, aus Maßnahmen für den Klimaschutz und aus der Stärkung unserer Länder und Kommunen. Wir wollen nicht vergessen: Zum 1. Januar 2020 tritt der neue Länderfinanzausgleich in Kraft. Er führt zu jährlich 9,5 Milliarden Euro an zusätzlichen Bundesmitteln für die Länder. Wir erhöhen die Investitionsmittel in verschiedenen Bereichen, und das kommt gerade auch der Bahn hervorragend zugute. Daneben hat die Bundesregierung ein Zusatzprogramm in Höhe von 5 Milliarden Euro für einen tatsächlich flächendeckenden Mobilfunk beschlossen. Wir haben außerdem vieles auf den Weg gebracht, was Impulse für die Wirtschaft bringt – und das sollte man auch noch mal besonders hervorheben –: die steuerliche Forschungsförderung, die energetische Gebäudesanierung sowie das Klimaschutzpaket, das auch neue Investitionen und Innovationen anreizt. Wissen Sie, warum das alles möglich ist? Weil in den vergangenen Jahren durch diese Koalition ordentlich gewirtschaftet wurde. Das ist die Wahrheit. ({5}) Dank der Politik der schwarzen Null und einer damit einhergehenden guten Konjunktur haben wir nicht nur die Schuldenbremse eingehalten, sondern konnten wir auch noch Rücklagen bilden. Meine Damen und Herren, zusätzlich würde ich mir aber wünschen, dass von der EZB und von der EU-Kommission noch deutlichere Zeichen der Stabilität in Europa insgesamt ausgehen. Es ist eine Gefahr für die Stabilität unseres Finanzsystems, das die EZB Banken mit Negativzinsen für das Parken von Guthaben unter Druck setzt und gleichzeitig zur leichtsinnigeren Schuldenaufnahme animiert. Eine Bankenunion funktioniert nur ohne ein Übermaß an faulen Krediten. Nur mit einer Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen ist letzten Endes eine Solidität auch bei den Banken gegeben. Eine gemeinsame Einlagensicherung in Europa ist bei diesen Kriterien natürlich immer wieder zu hinterfragen. Das sind Gesichtspunkte, die auch im Bereich der Bankenunion innerhalb Europas eine Rolle spielen müssen. Die EZB sollte Hüterin der Stabilität sein. Sie ist neutral, aber wir müssen dies auch politisch immer wieder ansprechen. Sie ist nicht dazu da, die Schuldenpolitik einzelner Euro-Staaten zu sponsern ({6}) und Steuerpolitik und Strukturpolitik zu betreiben. ({7}) Die EZB muss den Kurs ihrer Geldpolitik ändern. Die Politik muss vor dem Risiko der Zinsen gesehen werden. Das ist ein wesentlicher Punkt. Nur Reformen bringen Europas Wirtschaft voran, ({8}) nicht die Erhöhung der Staatsverschuldung. Auch wir selbst, meine Damen und Herren, dürfen uns in Deutschland natürlich keinen Stillstand leisten. Mit einem Wirtschaftswachstum von 0,4 oder 0,5 Prozent können und dürfen wir nicht zufrieden sein. Wir brauchen wieder mehr Wachstum durch Reformen, zum Beispiel durch einen gezielten Impuls, insbesondere durch eine Unternehmensteuerreform, die unsere Wettbewerbsfähigkeit steigert. Das wäre allemal besser, als Vereine durch abstruse Steuerpläne und den Verlust der Gemeinnützigkeit zu verunsichern und so eher eine schlechte Stimmung im Land zu verbreiten. ({9}) Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen noch einmal sagen, dass wir für die großartige Leistung unserer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dankbar sein müssen. Der Leistungswille unserer Bürger ist das Maß aller Dinge. In diesem Sinne können wir einen soliden Haushalt für die Zukunft aufstellen. Wir müssen deutlich machen: Dieser Haushalt 2020 steht für eine gute Zukunft. ({10})

Dr. Birgit Malsack-Winkemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004813, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich begrüße außerdem die in Berlin versammelten mutigen Traktorfahrer im Namen der AfD! ({0}) Meine Damen und Herren, kann Vertrauen in diese Regierung tödlich sein? Ja, verehrte Mitbürger, Sie haben richtig gehört: tödlich. Und damit beziehe ich mich nicht etwa auf die Kriminalitätsstatistik der letzten Jahre, sondern auf die Gesundheit unserer in Deutschland hergestellten Lebensmittel. Der Skandal nimmt immer größere Ausmaße an: Wie wir alle wissen, hat der Wilke-Wurst-Skandal nachweislich zu Todesopfern geführt. In Wilke-Wurst wurden lebensgefährliche Keime, sogenannte Listerien, gefunden. Drei Personen mussten zunächst ihr Leben lassen. Bei diesen drei Todesfällen vermutet das Robert-Koch-Institut, dass eine Ansteckung über Lebensmittel sogar in Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern, Rehakliniken oder Altersheimen erfolgte. Ein Skandal ohnegleichen, wenn wehrlose Kranke, Behinderte und Senioren offensichtlich nicht funktionierenden Behörden schutzlos ausgeliefert sind! Denn von den 37 weiteren Infizierten sind mittlerweile 25 verstorben. Schon Anfang des Jahres wurden die Behörden auf die Firma Wilke aufmerksam. Nach Listerienfunden in Hamburg und Baden-Württemberg sollen Verunreinigungen in dem Betrieb gefunden und eine wohl zu lasche Grundreinigung veranlasst worden sein. Denn auch danach wurden mehrfach Verunreinigungen gefunden. Und was taten die zuständigen Behörden in puncto Öffentlichkeitsarbeit? Sie taten erst mal nichts. Ja, Frau Klöckner, mit Nichtstun, Öffentlichkeitsarbeit an falscher Stelle, Verschweigen, Aussitzen, damit kennen sich die Behörden offenbar bestens aus. Fast schon erwartungsgemäß hielten Sie es zuerst nicht einmal für notwendig, alle belieferten Betriebe wegen der listerienverseuchten Wurst transparent zu machen. Und dabei lagen nach Angaben des hessischen Umweltministeriums spätestens am 26. August 2019 alle Lieferlisten vor. Und wann erfolgte der Rückruf? Am 2. Oktober, also erst nach fünf Wochen! Das Russisch Roulette mit unseren Bürgern endete, wie wir alle wissen, tödlich. Dieser Skandal – man kann es auch als fahrlässig tödliches Behördenversagen bezeichnen – war den Verantwortlichen also fünf Wochen vor dem erfolgten Rückruf schon im Einzelnen bekannt. Eine öffentlichkeitswirksame Reaktion erfolgte jedoch erst, nachdem es bereits mehrere Todesopfer gab. Muss es erst Tote geben, Frau Klöckner, bevor Sie überhaupt reagieren? Und dabei zeigt der Wilke-Wurst-Skandal nur exemplarisch, was in der Lebensmittelüberwachung in Deutschland strukturell schiefläuft. Verseuchte Lebensmittel gibt es immer häufiger: so der Milchskandal wegen der defekten Dichtung einer Produktionsanlage, Schimmelkeime im Sahnejoghurt, Kunststoffstücke in Rindersalami, Metallfremdkörper in Kochmettwurst, Glassplitter in Käse, Salmonellen in Walnüssen, um nur einige Beispiele der letzten Wochen zu nennen. Die Zahl der Lebensmittelrückrufe in Deutschland hat sich seit 2012 mehr als verdoppelt, wobei die meisten Produkte wegen mikrobiologischer Verunreinigungen oder Fremdkörpern zurückgerufen wurden. Doch woran liegt das? Wer ist verantwortlich? Bundesministerin Klöckner jedenfalls weist erwartungsgemäß jegliche Verantwortung weit von sich. Die Bundesländer seien für die Lebensmittelkontrollen zuständig; sie selbst erwarte regelmäßige, effektive Kontrollen vor Ort. Ach ja, schuld sind immer die anderen. Haben Sie vergessen, Frau Klöckner, dass es das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gibt, das als Bundesoberbehörde unter Ihrer höchstpersönlichen Verantwortung steht? Und was ist die Aufgabe dieser Bundesbehörde? Das Risikomanagement im Bund-Länder-Verhältnis zur zentralen Koordinierung sowie die Aufbereitung und Berichterstattung bei der Durchführung der Lebensmittelüberwachung. Als Bürger und Steuerzahler darf man hier gerne fragen, was mit dem Etat von 62 Millionen Euro für 2019 und sogar 65 Millionen Euro für 2020 überhaupt geschieht. Es zeugt von ausgesprochener Unkenntnis über den eigenen Aufgabenbereich und dazu einer bodenlosen Verantwortungslosigkeit, wenn Sie Ihre eigene Verantwortlichkeit auf andere schieben. Glauben Sie, damit könne die Bevölkerung beruhigt werden? Wenn deutschlandweit gesundheits- und sogar lebensbedrohende Gesundheitsgefahren durch verseuchte Lebensmittel wie der Wilke-Wurst entstehen, muss das Risikomanagement gleichfalls – und logischerweise – deutschlandweit erfolgen, vor allem, wenn es unsere Jüngsten trifft, wie zuletzt durch Plastikfolienteilchen in Babygläschen. Deshalb muss Ihre Behörde die ihr übertragenen Risikomanagementaufgaben tatsächlich endlich ernsthaft wahrnehmen und zudem alle negativen und gesundheitsgefährdenden Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen ohne Einschränkungen veröffentlichen. Nur das schafft einen Anreiz für Lebensmittelbetriebe, sich an alle Hygienevorschiften zu halten und vor allem selbst schnell und direkt nachzubessern, und es sorgt zudem für Sicherheit und Klarheit bei den Verbrauchern. Wozu sonst, Frau Klöckner, erhalten Ihre Behörden jährlich mehr Millionen des Steuerzahlers, wenn diese ihre Aufgaben nicht wahrnehmen? Steuerzahlungen unserer Bürger sind kein Selbstzweck, vor allem dann nicht, wenn die Menschen unseres Landes durch Untätigkeit der Ihnen unterstellten Behörden krank werden und sogar sterben. Schutz von Leib und Leben der über 80 Millionen Menschen Deutschlands ist die wichtigste Verantwortung, die Sie in Ihrem Ressort haben. Das sollte Ihnen endlich bewusst werden! Und wenn Sie das nicht können oder wollen, dann treten Sie zurück! Die Proteste draußen vor der Tür sind gegen Ihre Landwirtschaftspolitik gerichtet, Frau Klöckner. Danke schön. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Christian Haase, CDU/CSU, ist der nächste Redner. ({0})

Christian Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004286, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns nun anfangen, über den Haushalt zu sprechen. ({0}) Der BMEL-Etat steigt auf einen Rekordwert von knapp 6,7 Milliarden Euro , das sind 200 Millionen Euro mehr als im Regierungsentwurf und fast 400 Millionen Euro mehr als 2019. Aus meiner Sicht ist dieser Aufwuchs auch gerechtfertigt; denn im Lebensministerium stellen wir wichtige Weichen für die Zukunft. Drei große Herausforderungen will ich nennen: die Zukunft unserer bäuerlich geprägten Landwirtschaft, unsere Wälder und die Förderung lebendiger ländlicher Räume. Unsere Landwirtschaftsministerin, Julia Klöckner, und unsere Landwirtschaftspolitiker gehen diese Herausforderungen energisch an. Dieser Haushalt schafft die finanziellen Rahmenbedingungen dafür. EU-Düngerecht, EU-Mercosur-Abkommen, Insektenschutzprogramm, politische Pauschalvorwürfe von den Grünen, schwindende gesellschaftliche Anerkennung – all das macht unseren Bäuerinnen und Bauern zu schaffen und führt, auch durch übertriebene Berichterstattung, zu großer Verunsicherung. ({1}) Die heutige Demo ist Ausdruck davon. Wir haben heute keine Fanmeile, sondern eine „Fendt-Meile“. Liebe Bäuerinnen und Bauern, Sie können sich sicher sein: Wir stehen an Ihrer Seite. ({2}) Wir wissen um Ihre Leistungen als Produzent hochwertiger Lebensmittel, als Klima-, Arten- und Landschaftsschützer. Wir werden diese Herausforderungen mit Ihnen und nicht gegen Sie angehen. ({3}) Kalte Enteignung durch die Hintertür wird es mit uns nicht geben. Ich danke deshalb Julia Klöckner für ihre Kommunikationsoffensive, die diese Sorgen aktiv aufgreift, und auf dem CDU-Parteitag haben wir diesen Weg ausdrücklich bekräftigt. ({4}) Meine Damen und Herren, was geschieht nun konkret? ({5}) Nehmen wir den Insektenschutz. Er ist wichtig; gar keine Frage. Er beschäftigt, was uns die Initiativen in Bayern oder Baden-Württemberg zeigen, die Gesellschaft, aber auch die Bäuerinnen und Bauern; denn alle sind direkt oder indirekt auf die Leistungen der Insekten angewiesen. Bisher sind Planken für konkrete Maßnahmen in einem Aktionsprogramm beschrieben. Aber, das will ich unterstreichen, es gibt noch kein Gesetz. Jetzt folgen Bestandsaufnahme und die Quantifizierung von Einschränkungen; dann geht es um Kompensation, und das alles in einem Austausch mit dem Berufsstand. ({6}) Wir stellen im Haushalt in der GAK 50 Millionen Euro für einen Sonderrahmenplan „Insektenschutz“ bereit. Mit den Landesmitteln sind es dann zusammen 83 Millionen Euro . Zweites Beispiel: die Auswirkungen der Düngeverordnung. Ich bin sehr froh, dass wir in den Haushaltsberatungen die finanzielle Unterfütterung eines Nährstoffprogrammes erzielen konnten. Über die nächsten drei Jahre wird es zusätzlich 70 Millionen Euro Bundesförderung geben, verteilt auf die GAK und die Ackerbaustrategie. ({7}) Zusammen mit den Landesmitteln steigt das Volumen dann auf über 100 Millionen Euro . Erwähnen möchte ich auch noch, dass wir die Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung auf dem Vorjahresniveau von 177 Millionen Euro halten. Damit bleibt eine wichtige Entlastung der landwirtschaftlichen Betriebe auf hohem Niveau bestehen. Hören Sie sich, liebe Bäuerinnen und Bauern, gleich die Opposition an – ich gucke da in Richtung FDP –: Die FDP wird sich gleich zwar als großer Freund der Bäuerinnen und Bauern aufspielen, aber sie wollte diese Zuschüsse streichen. ({8}) Ich komme zum zweiten Megathema: der Wald. Klimawandel, Sturm, Dürre und Schädlinge wie der Borkenkäfer haben unseren Wäldern große Schäden zugefügt. 2018/19 sind über 100 Millionen Kubikmeter Schadholz angefallen. Hänsel und Gretel würde es heute schwerfallen, sich im Wald zu verlaufen: Man sieht den Wald vor lauter lichten Stellen nicht. Über 180 000 Hektar müssen unsere Forstwirte wieder aufforsten. Das sind gut 250 000 Fußballfelder. Unsere Wälder sind Multitalente. Sie sind Lebensräume, regulieren den Wasserhaushalt, verhindern Erosion, produzieren Sauerstoff, binden CO2, sorgen für ein abwechslungsreiches Landschaftsbild und schaffen Heimat – eine Heimat, meine Damen und Herren, die ich auch noch meinen Enkeln und Urenkeln hinterlassen möchte, und zwar so, wie ich sie kennenlernen durfte, mit diesem ganz typischen holzig-moosigen Duft, mit ganz charakteristischen Geräuschen und mit dieser ganz besonderen Stimmung, die einen nach kurzer Zeit wieder erdet und fokussiert. Dies zu bewahren, ist jede Anstrengung wert. Bereits vor einem Jahr haben wir reagiert und die ersten 10 Millionen Euro Bundesmittel bereitgestellt. Aber wir wussten: Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass wir im Zuge des Klimaschutzpaketes endlich ausreichend Geld in die Hand nehmen. ({9}) Für die nächsten vier Jahre wird es 478 Millionen Euro geben. Mit der Kofinanzierung durch die Länder sind es dann insgesamt über 800 Millionen Euro. Als dritten Punkt möchte ich über die Förderung des ländlichen Raumes sprechen. Hier gibt es viel Gutes zu berichten. Die Programme laufen von Jahr zu Jahr besser. Mein Dank gilt insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hier in den letzten Jahren die Aufbauarbeit geleistet haben. ({10}) Als eine aktuelle Weiterentwicklung nenne ich das Thema Dorfläden. Dorfläden sind mehr als die bloße Möglichkeit, wohnortnah einkaufen zu gehen. Sie sind Treffpunkt, Vernetzungsstelle und gelebtes schwarzes Brett eines Dorfes. Ich kenne das aus meinem Wahlkreis vom Dorfladen in Dringenberg. Wir wollen ein Modellprojekt aufsetzen, um zu klären, wie wir die Vernetzung der Dorfläden am besten fördern können. Dieser Erfahrungsaustausch soll auch der Verbreitung von Best-Practice-Empfehlungen dienen. Meine Damen und Herren, auf ein weiteres Thema will ich abschließend eingehen: die Herings- und Dorschfischerei in der Ostsee. Durch eine massive Kürzung der Fangquoten steht sie mächtig unter Druck. Auch hier möchte ich der Ministerin danken, die noch Schlimmeres auf EU-Ebene verhindern konnte. Wie es in der Fischerei aussieht, möchte ich am Beispiel eines Fischers aus dem Fischerdorf Stahlbrode am Strelasund in Sichtweite der Insel Rügen deutlich machen: Zu DDR-Zeiten hat die Fischereigenossenschaft mit Hering richtig Geld verdient ... „1 200 Mark gab es für eine Tonne Hering“, sagt er. 1 800 Tonnen wurden pro Jahr gefangen. Dazu noch andere Fische. Wie viele Familien die Fischerei im Ort ernährte, weiß der 53-Jährige nicht mehr genau. Mehr als 20 Mann waren sie wohl in der Genossenschaft. Im Vorjahr noch neun, Anfang 2019 noch drei. Jetzt ist Krehl allein. Auch hier dürfen wir die Menschen nicht alleinlassen. Wir haben zunächst 4 Millionen Euro bereitgestellt und hoffen auf positive Verhandlungen mit der EU zu den beihilferechtlichen Fragen. Meine Damen und Herren, der vorliegende Haushalt kann sich sehen lassen. Ich danke meinen Berichterstatterkolleginnen und ‑kollegen ebenso wie unserer Ministerin und ihrem Expertenteam für die konstruktive Zusammenarbeit. ({11})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Christian Haase. – Einen schönen Tag von mir Ihnen! – Die nächste Rednerin: Ulla Ihnen für die FDP-Fraktion. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen: Das Jahr 2019 brachte der Landwirtschaft das sogenannte Agrarpaket und die Diskussion um die Düngeverordnung. Heftige Proteste vieler Landwirte waren die Folge. In diesem Moment stehen draußen bis zu 10 000 Landwirte, vielleicht auch mehr, mit 5 000 Treckern vor dem Brandenburger Tor. Die grünen Kreuze auf vielen Feldern sind auch Ausdruck dieses Protests. ({0}) Die Landwirte werden sich heute nicht mit Worthülsen abspeisen lassen. Sie erwarten von der Bundesregierung und von Ihnen, Frau Ministerin, zu Recht einen wirklich aufrichtigen Dialog über ihre Zukunft und die des Berufsstandes. ({1}) Das ist, glaube ich, das Mindeste, was unsere Bauern an Wertschätzung erwarten dürfen. Ob im Stall oder auf dem Acker: Keine Landwirtschaftspolitik über ihre Köpfe hinweg! Unter diesen Vorzeichen haben wir auch den Haushalt des Landwirtschaftsministeriums für 2020 beraten. So wie der Haushalt jetzt, am Ende der Beratungen, aussieht, lassen sich die Prioritätensetzungen, die für die Landwirtschaft jetzt nötig wären, allenfalls erahnen. Der Gesamtetat liegt jetzt zwar bei 6,69 Milliarden Euro – eine schon gewaltige Summe –; aber auch das x-te Förderprogramm wird die akuten Probleme, denen sich die Landwirte gegenübersehen, nicht beseitigen können. Sie, Frau Ministerin, versuchen, mit einigen Millionen, zum Beispiel für Maßnahmen zur Güllelagerung oder für Experimentierfelder zur Digitalisierung in der Landwirtschaft, zu positiven Ansätzen zu kommen, aber das reicht einfach nicht aus. ({2}) Denn gleichzeitig müssen sich die Landwirte aufgrund der Gesetzesänderung vor zwei Wochen auf sinkende Hektarprämien einstellen und damit auf weniger Einkommen. Dazu soll es ein Insektenschutzgesetz geben, das wiederum mehr Auflagen für die Landwirte bedeuten wird und schon heute große Sorgen bereitet. Auch das unnötige freiwillige Tierwohllabel, Frau Ministerin, das bis 2020 immerhin 60 Millionen Euro gekostet haben wird, wird die Tierhalter teuer zu stehen kommen, ohne dass sie wissen, ob die dafür notwendigen Investitionen sich wirklich rentieren. ({3}) Und wenn auch ganz Deutschland von der Grundrente spricht: Es gab bislang kein Wort von Ihnen, Frau Ministerin, zu einer Grundrente in der landwirtschaftlichen Altersversorgung; aber die Altersversorgung ist in Ihrem Haushalt mit immerhin 2,5 Milliarden Euro verankert. Wir Freie Demokraten dagegen stehen für eine Politik, die nicht immer mehr Auflagen für die Höfe fordert und deren Existenz aufs Spiel setzt, sondern wir wollen einfach nur faire Regeln für unsere Landwirtschaft. ({4}) Gängelung und Bürokratie müssen der Vergangenheit angehören. Wir Freie Demokraten haben für eine moderne Landwirtschaft mehr Investitionen in die Erforschung neuer Pflanzenschutzmittel und neuer Züchtungsmethoden gefordert, und wir fordern Breitbandversorgung auf allen Äckern, und zwar bis zur letzten Milchkanne. ({5}) Wir haben in diesen Haushaltsberatungen mit unseren Anträgen gezeigt, wie man sinnvoll Prioritäten setzen und gleichzeitig einen sorgsamen Umgang mit Steuergeldern erreichen kann. Wir schlagen vor, Geld für unnötige oder schlecht laufende Förderprogramme zu kürzen. Wir haben in unseren Anträgen aber auch auf Defizite im Haushalt hingewiesen. Es gibt zum Beispiel bis heute kein Waldschadenmonitoring, auch ein Wildtiermonitoring fehlt. Zudem möchten wir gern den Erhalt seltener und aussterbender Nutztierrassen fördern; denn nur so können wir genetische Ressourcen auch für unsere Tierhalter sichern. Die Landwirtschaft, so sagt man, ist das Herz des ländlichen Raumes. Wir Freie Demokraten werden nicht zusehen, wie dieses Herz zum Herzinfarkt getrieben wird. ({6}) Wir fordern eine Vision für die Zukunft der Landwirte, und diese Vision muss sich auch im Haushalt widerspiegeln. Wir fordern Sie auf, Frau Ministerin, endlich wieder Landwirtschaftspolitik für die Landwirte mit den Landwirten zu machen. Dafür stehen wir als Serviceopposition dann auch gerne mit unseren Vorschlägen zur Verfügung. So werden wir den Haushalt ablehnen. Am Ende noch ein Wort zum Kollegen Haase. Er weiß selbst sehr gut, dass zum Beispiel die vielen Gelder, die in die landwirtschaftliche Unfallversicherung fließen, vom Bundesrechnungshof jüngst als eine der am längsten laufenden Subventionen in der Bundesrepublik gebrandmarkt wurden – so darf ich fast sagen - ({7}) und dass diese Gelder bei denen, die sie erhalten sollen, nicht ankommen. ({8}) Das haben wir ja auch gemeinsam im Haushaltsausschuss festgestellt. ({9}) Insofern glaube ich, dass man hier umsteuern und eine andere Maßnahme ergreifen muss. Vielen Dank. ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Ulla Ihnen. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Matthias Miersch. ({0})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute die Demonstrationen von zahlreichen Landwirten, und im Januar wird es hier in Berlin wieder eine Demonstration mit vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern und auch Landwirten unter dem Motto „Wir haben es satt!“ geben. In dieser Gesellschaft ist ordentlich was los, es wird diskutiert. Aber ähnlich wie im Energiesektor – davon bin ich fest überzeugt – werden wir tragfähige Lösungen nur miteinander und nicht gegeneinander hinbekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Deswegen gilt es, die strukturellen Defizite unter die Lupe zu nehmen. Ich kann Ihnen nur sagen – wir haben ja hier in diesem Haus auch einen grundsätzlichen Dissens –: Solange wir das Subventionssystem der europäischen Agrarförderung so lassen – wo nur nach Masse, aber nicht nach Klasse gefördert wird –, so lange werden Landwirte hier in Deutschland immer unter Druck stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Wir müssen die Systemfrage stellen. Wir müssen Qualität fördern. Wir müssen die Landwirte, die sich auf den Weg machen, belohnen. Ansonsten werden anonyme Agrarkonzerne immer die Oberhand bekommen. Wir in der SPD haben letztes Jahr ein Positionspapier dazu vorgelegt. Wir bieten es Ihnen an. Befassen Sie sich damit! Wir brauchen diesen Paradigmenwechsel, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Ich habe bei der Einbringung des Haushalts schon auf einen grundsätzlichen Dissens zwischen uns, der Frau Bundesministerin Klöckner und der SPD-Bundestagsfraktion, hingewiesen. Wenn wir es zusammen machen wollen, dann geht es nicht, dass wir das zarte Pflänzchen, nämlich die sogenannte Borchert-Kommission, in der Verbraucherinnen und Verbraucher, Landwirtschaftsverbände, Tierschutzorganisationen versuchen, über das Tierwohl der Zukunft und dessen Schutz zu reden und einen Pfad für die nächsten zehn, zwanzig Jahre aufzuzeigen, mehr oder weniger im Schatten lassen. Das ist die Quelle, die ich mir wünsche: einen Diskurs und einen gemeinsamen Beschluss darüber, wie wir in den nächsten zehn, zwanzig Jahren in diesem Land Tierschutz, Tierwohl organisieren wollen. Das Gleiche brauchen wir in Bezug auf die Ackerbaustrategie. Nur so können wir Planbarkeit schaffen. Dann können wir das finanziell hinterlegen. Dann können wir das auch baurechtlich hinterlegen. Aber das, was Ihr Haus macht, ist genau das Gegenteil. Sie setzen auf ein freiwilliges Tierwohllabel, ohne ein Maß an Verbindlichkeit zu haben, ohne zu sagen, was Sie eigentlich wollen. Und Sie setzen weiter auf Verschiebebahnhöfe. Das wird allen Bauern zum Verhängnis. Beispielsweise das Thema Kastenstand, zu dem wir 2016 die höchstrichterliche Entscheidung bekommen haben, dass es unzulässig ist: wieder Verschiebebahnhof. Beim Thema Ferkelkastration: 2013 die Änderung im Bundestag, seitdem Verschiebebahnhof. Beim Thema Düngung genau das Gleiche. Zig Urteile des Europäischen Gerichtshofs: Verschiebebahnhof. ({3}) Jetzt merken wir: Irgendwann fällt die Klappe. Und das, liebe Frau Kollegin Klöckner, geht so nicht. Deswegen mein Appell auch hier sehr grundsätzlich: Wir können nicht immer nur auf die Hülle setzen, die dann vielleicht tolle Labels etc. erfindet. Wir müssen diese Substanz hier liefern! Und wenn das Ministerium es nicht macht, werden wir es in dieser Koalition immer wieder einfordern. Das ist mein Appell an Sie. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Matthias Miersch. – Nächste Rednerin: für Die Linke Heidrun Bluhm-Förster. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Haase beendete seine Rede mit der Bemerkung: Dieser „Haushalt kann sich sehen lassen“. Ja – insofern hat er recht –, wir haben es in der Bereinigungssitzung durchaus geschafft, das eine oder andere in diesem Haushalt zu verbessern, sogar durch Koalitionsanträge. Darüber bin ich sehr froh. Einige Dinge, die wir als Opposition vorher in den Haushaltsausschuss eingebracht haben, sind auch in solche Anträge eingeflossen. Darüber freuen wir Linke uns natürlich besonders. Aber die Frage ist doch, ob wir mit der Kontinuität, die dieser Haushalt darstellen soll, auch die richtigen Signale senden für die Lösung der Aufgaben in der Landwirtschaft und bei der Ernährung unserer Bevölkerung. ({0}) Meine Fraktion hat in den letzten Jahren immer kritisiert, dass das Budget und die Verteilung der Mittel nicht im Sinne eines einfachen Weiter-so realisiert werden dürfen. An dieser Kritik müssen wir leider auch heute weiter festhalten. ({1}) Nach wie vor ist Die Linke der Überzeugung, dass die dringenden Reformvorhaben in der Debatte um die Neuordnung der kompletten Agrarförderung in der Gemeinsamen Agrarpolitik auf EU-Ebene und Deutschlands Beteiligung an dieser Gemeinschaftsaufgabe weitaus größere Anstrengungen erfordern, als die Bundesregierung bereit ist umzusetzen. Es geht in erster Linie darum, wie wir die agrarpolitischen Leistungen für das Gemeinwohl und ihre Effekte für den sozial-ökologischen Umbau der Landwirtschaft in Zukunft gerecht honorieren. Mit einem Weiter-so werden wir die Ausgleichszahlungen, die eingeführt wurden, um Wettbewerbsnachteile der europäischen Landwirtschaft im Welthandel auszugleichen, niemals überwinden können. ({2}) Und auch die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe spüren keinen wirklich starken Verhandlungswillen unserer Ministerin in Brüssel in dieser Frage. Meine Damen und Herren, in den Details des Haushaltsplanes können wir allerdings einige Trendverschiebungen beobachten, die ich kurz benennen möchte. Immerhin ist es möglich geworden, etwas mehr als 1 Milliarde Euro zusätzlich für Ernährung und Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Von dieser Summe soll knapp die Hälfte für die Erhaltung, die bessere Nutzung, die Schadensbeseitigung und Rekultivierung des Waldes ausgegeben werden. Das begrüßt Die Linke ausdrücklich. Diese Mittel sollen, soweit sie nicht der Forschung gewidmet sind, über die GAK, also die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, für die nächsten Jahre bis 2023 zur Verfügung stehen. Leider ersetzen sie nicht die Soforthilfe, die wir mit unserem Antrag im Sommer dieses Jahres für die kleinen kommunalen und privaten Waldbesitzer in Höhe von 200 Millionen Euro gefordert hatten, um die größeren Belastungen der Waldbauern etwas zu kompensieren. ({3}) Aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben. Deshalb fordern wir in unserem Entschließungsantrag zum Haushaltsgesetz 2020, der am Freitag zur Abstimmung stehen wird, wieder 200 Millionen Euro für ein Förderprogramm Waldumbau für den Einsatz von resistenten, ökologischen Mischwaldkulturen. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie üblich hat die Koalition in letzter Sekunde vor der Bereinigungssitzung ihre Änderungsanträge vorgelegt. Einer davon betrifft die Weidetierhaltung. Wir hätten schon fast gejubelt. ({5}) Schließlich hatte Die Linke vorher zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen zum einen gefordert, eine Weidetierprämie durchzusetzen. Zum anderen haben wir vorgeschlagen, ein Bundesprogramm Weidetierhaltung mit 50 Millionen Euro jährlich aufzulegen und ein Herdenschutzkompetenzzentrum mit 2 Millionen Euro jährlich auszustatten. Leider ohne Erfolg. Stattdessen hat die Koalition nun 1,5 Millionen Euro über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ für Herdenschutzmaßnahmen bereitgestellt. Nur, dieses Geld kommt nicht zusätzlich, sondern es entspricht den Mitteln für das gestrichene Bundesprogramm Wolf zur finanziellen Unterstützung von Wanderschäferinnen und Wanderschäfern. Ob ein solcher Geldverschiebebahnhof überhaupt funktioniert, ist offen. Aber da die gleiche Summe auch im Bundesprogramm Nutztierhaltung gestrichen wird, ist das nicht nur ein Verschiebebahnhof, sondern Trickserei. ({6}) So spielt man Nutztierhalter gegeneinander aus. Das ist angesichts der schwierigen Situation völlig inakzeptabel. Für diese Maßnahme hätten Sie besser die Million ausgeben sollen, die Sie jetzt für die Stärkung der Außenhandelsbeziehungen vorsehen. Das wäre ehrlicher und klarer gewesen. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Vorgehensweise ist auch kein gutes Zeichen für die Strukturverbesserung in den ländlichen Räumen generell. Hier hätte zum Beispiel die Chance bestanden, das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung, BULE, substanziell weiter zu stärken, statt auf weitere fünf Ministerien zu verteilen. Insbesondere für die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen in den Bereichen Lebensmittelverarbeitung und ‑vermarktung ist eine Erhöhung der Finanzmittel erforderlich. Aber die dafür notwendige Grundgesetzänderung, die wir bereits in der letzten Legislatur diskutiert haben, ist wieder in weite Ferne gerückt; davon spricht die Koalition heute leider nicht mehr. So könnte man das dann über BULE oder über den Sonderrahmenplan „ Förderung der ländlichen Entwicklung“ durch Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen für agrarische Produkte machen, was sich die Bauern vor Ort zum Teil wünschen. Unser Vorschlag zielt mit der Erhöhung um 2 Millionen Euro auch auf die engere Verzahnung von Wirtschaft und Landwirtschaft ab, eingerahmt von einer Umweltpolitik, die dem ganzheitlichen Politikansatz der Linken für einen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft entspricht. ({8}) Im Übrigen soll der zweite Teil der zusätzlichen Milliarde zu großen Teilen in die Entwicklung der ländlichen Räume fließen. Aber leider war auch in den Berichterstattergesprächen noch nicht viel Handfestes zu erfahren, was mit diesem Geld in den nächsten Jahren konkret passieren soll und wird. Das werden wir im Auge behalten und engmaschig überprüfen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich als letzten Punkt einige Anmerkungen zum gerade beschlossenen Agrarpaket machen, weil hier offensichtlich mehrere Züge auf demselben Gleis aufeinander zurasen. Einige meiner Vorredner haben sich dazu bereits geäußert. In der letzten Woche war ich in meinem Wahlkreis von der neu gegründeten Initiative „Land schafft Verbindung – MV“ – MV heißt Mecklenburg-Vorpommern – eingeladen. Das sind Akteure, die sich übrigens deutschlandweit vernetzt haben und auf Probleme und die Tragweite des Agrarpakets aufmerksam machen wollen. Wir haben heute bei unserer Anreise ins Plenum alle erlebt, wie viele Bäuerinnen und Bauern sich deswegen nach Berlin aufgemacht haben. Es sind aber eben nicht nur Bäuerinnen und Bauern, an die sich das Agrarpaket richtet, sondern auch Menschen, die auf dem Land leben, die im weitesten Sinne beruflich mit der Landwirtschaft zusammenhängen oder von ihr abhängen, und Menschen, die sich für ihre Region insgesamt starkmachen wollen. Die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern befürchten, dass das Agrarpaket den aus ihrer Sicht negativen Strukturwandel weiter anheizen wird. Aktuell arbeiten in meinem Heimatbundesland noch 4 700 agrarische Betriebe mit mehr als 25 000 Beschäftigten; aber die Zahl wird von Jahr zu Jahr kleiner. Aufkäufer für Geldanlagen sind vielfach unterwegs und treiben die Boden- und Pachtpreise in schwindelerregende Höhen. Die Handelsketten kaufen mittlerweile große Agrarbetriebe auf und werden den Kampf unserer Landwirte um auskömmliche Preise weiter anheizen. Frau Ministerin Klöckner, der Verweis in Ihrem Redebeitrag, den Sie am vergangenen Wochenende auf dem Parteitag in Leipzig gehalten haben, darauf, dass Sie den Ärger der protestierenden Bäuerinnen und Bauern verstehen können, weil sie sich von der sogenannten renitenten Umweltschutzgruppe, die das Image der Landwirte kaputtgemacht hat, in den Schmutz gezogen fühlen, wird den rasenden Zug nicht aufhalten. Eine Hauptkritik dieser Initiative, die heute hier in Berlin demonstriert, richtet sich auch gegen die Bundesregierung und ihre Politik. Ich nenne hier auszugsweise einige Forderungen, für die die Politik bis heute nichts leistet: Landwirtschaftliche Preise müssen kostendeckend sein. ({9}) Sie dürfen nicht erst am Ende der Verwertungskette, nach Handel und Verarbeitung, als Restpreis gebildet werden. Umwelt- und Tierschutz müssen durch die gesamte Gesellschaft getragen werden. Das ist nicht alleine durch die Landwirtinnen und Landwirte zu stemmen. ({10}) Auch eine deutliche Reduzierung des landwirtschaftlichen Flächenverbrauchs von 70 Hektar am Tag ist Natur- und Insektenschutz. Das ist aber nicht alleine durch Landwirtinnen und Landwirte zu verantworten. Die Schaffung von Möglichkeiten für einen echten Vertragsnaturschutz, damit der Lebensunterhalt auch mit Naturschutz gesichert werden kann, ist für Bäuerinnen und Bauern nötig. ({11}) Das war nur ein kleiner Auszug vieler weiterer Forderungen. Frau Klöckner, was die Landwirte am allermeisten ärgert, ist, dass sie selbst nicht einbezogen wurden, bevor dieses Agrarpaket verabschiedet wurde, und dass die Erfahrungen von Bäuerinnen und Bauern und wissenschaftliche Erkenntnisse oft unberücksichtigt bleiben und Zielkonflikte insgesamt verschwiegen werden.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Denken Sie an Ihre Redezeit.

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich komme zu meinem letzten Satz. – Frau Ministerin, das zu verändern, ist Ihre Verantwortung. Somit sitzen auch Sie in einem dieser rasenden Züge. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Bluhm-Förster. – Nächste Rednerin: Renate Künast für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da draußen demonstrieren jedes Jahr im Januar zur Internationalen Grünen Woche Verbraucherinnen und Verbraucher, Bäuerinnen und Bauern und sagen: Wir haben es satt. – Heute sagt, glaube ich, eine andere Gruppe von Bäuerinnen und Bauern auf eine andere Art und Weise: Wir haben es satt. Um was geht es, meine Damen und Herren? Es geht darum, dass wir uns in den letzten Jahren – man kann fast sagen: Jahrzehnten – immer mehr einen Lebensstil angewöhnt haben, der auf Raubbau basiert. Es ist fast eine imperiale Lebensweise, ({0}) bei der Lebensmittel im Geschäft immer billiger werden, während sie zeitgleich – das merken wir aber an der Kasse nicht – für die Gesellschaft insgesamt, also für jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger, egal ob Bauer oder Städter, immer teurer werden. Das ist unser Ausgangspunkt: Die Preise sinken, aber die tatsächlichen Kosten steigen. Und Fakt ist doch, dass immer mehr Menschen das nicht mehr akzeptieren. Man könnte quasi sagen: Die gesellschaftliche Betriebserlaubnis für diese Art, zu wirtschaften, ist beendet worden. ({1}) Angesichts von Klimakrise, von Wasserknappheit, von Verlust an Artenvielfalt, also all der Punkte, die eigentlich die Grundlagen für eine gute Landwirtschaft berühren und die für uns Überlebensfrage sind, muss man sagen: Da läuft doch etwas schief. Deshalb stehen wir hier und heute und müssen den Haushalt und unsere Agrarpolitik insgesamt unter dem Gesichtspunkt betrachten: Wie kriegen wir einen Umbau hin, weg von einem agrarindustriellen System zu einem System, das gute, gesunde Lebensmittel produziert, das agrarökologisch mit Rücksicht auf die Natur arbeitet und den Bauernfamilien ein auskömmliches, zuverlässiges Einkommen gibt? Das ist unsere Aufgabe. ({2}) Meine Damen und Herren, die Bauern leiden heute an langjähriger Untätigkeit. Ich kann nur anschließen an das, was zum Beispiel der Kollege Miersch gesagt hat. Er hat ja fast eine oppositionelle Rede gehalten. ({3}) – Ja. ({4}) Die Bauern leiden an jahrelanger Untätigkeit. Die Belastung von Natur, Boden, Wasser, die Art der Tierhaltung – unter den Fotos, die da entstehen, leiden mindestens all die Bäuerinnen und Bauern, die gut arbeiten – sind doch auch das Ergebnis dieses Agrarsystems, dieser fehlenden Kontrolle, dieser Fehlleitung von Geldern, meine Damen und Herren. ({5}) Einige haben immer gesagt: Ach, wir machen dies nicht, das nicht. – Sie haben eine Düngeverordnung gemacht. Wenige Tage nach der Anhörung, bei der alle Sachverständigen einen bestimmten Wert angegeben haben, den die Pflanze überhaupt aufnehmen kann, kam die Düngeverordnung, nach der die doppelte Menge Gülle ausgebracht werden durfte, meine Damen und Herren. Sie haben eine Düngeverordnung organisiert – da gucke ich jetzt mal in Richtung der Ministerin –, bei der es gar nicht um die Düngung geht. Das ist vielmehr eine Gülleentsorgungsanlage für Massentierhaltung, und das auf der Basis einer Wasserrahmenrichtlinie. ({6}) Genau Ihnen schiebe ich die Verantwortung zu – jetzt zeige ich auf die CDU/CSU-Fraktion und nicht auf Frau Klöckner –, weil Sie diejenigen sind, die am meisten blockieren. ({7}) – Können Sie weniger schrill rufen? Dann verstehe ich Sie auch. ({8}) Wissen Sie was: Auf die Bauern da draußen kommen diese ganzen Regeln und auch das Vertragsverletzungsverfahren nach jahrelanger Untätigkeit wie ein Tsunami zu, weil man ihnen lange Zeit das Falsche erzählt hat. Man hat ihnen nicht erzählt, wie Zukunft geht. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen eins klar sagen: Wir reden über Verständnis und Respekt. Keine Bauernfamilie, kein Kind, das eine gesunde Umwelt will, kann sich was dafür kaufen, dass wir hier regelmäßig nur das Wort „Respekt“ benutzen. Respekt beweist sich nicht in den Worten, sondern in den Taten. ({9}) Was wir brauchen, ist sogar mehr als das Agrarpaket, das jetzt hier vorgelegt wird, mehr Umschichtung als von 4,5 auf 6 Prozent. Wir wissen doch alle, dass kein Weg an einem Umbau vorbeiführt. Wenn wir wollen – wir wollen das –, dass es in Zukunft hier, in 10, 20, 30 Jahren, noch echte Landwirtschaft ({10}) gibt – ich meine damit nicht die Investoren von irgendwo, sondern echte Landwirtschaft mit Bauernfamilien –, dann lassen Sie uns den Mut und die Courage haben, die Agrargelder umzuleiten, meine Damen und Herren. ({11}) Der agrarindustrielle Investor braucht keine Direktzahlungen, da er sein Geld irgendwo sichert. Lassen Sie uns mal gucken: Was sind die Werte? Wie entwickeln wir ein gesellschaftliches Modell, das Rückhalt hat in der Gesellschaft? Das heißt aber bei der Tierhaltung: weg von diesem Kastenstand, Ende des Kükenschredderns, eine tatsächliche Haltungskennzeichnung, ein Label, das erkennbar ist, eine Perspektive für die Landwirtschaft. Manche reden über die Kunden, die was tun müssen. Aber die Kunden müssen dann auch erkennen können, was sie da jeweils kaufen. Lassen Sie uns mal was Neues auflegen. Lassen Sie uns Courage haben. Es geht nicht nur um die Verbraucher, es geht nicht nur darum, was die Bauern tun, sondern: Wir hier sind der Ort, an dem Politik strukturiert wird, an dem der Rahmen gesetzt, die Leitplanken gelegt werden, meine Damen und Herren. ({12}) Lassen Sie uns hier anfangen. Lassen Sie uns die Courage haben, das Geld anders auszugeben. ({13}) Lassen Sie uns doch mal hier anfangen -

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Aber jetzt nicht mehr.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

– mein letzter Satz –, in den Kantinen des Bundes, bei der öffentlichen Beschaffung, meine Damen und Herren. Man kann nicht nur über Respekt reden, -

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

– sondern man muss auch dafür sorgen, dass die Bauern nicht im Weltmarkt versauern.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir hier müssen ihre Produkte kaufen. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Renate Künast. – Ja, ist was los hier im Haus; ist doch gut. Nächste Rednerin: Ministerin Julia Klöckner. ({0})

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Künast, viele der Bauern sind heute auch hier vor dem Brandenburger Tor, weil sie das, was Sie sagen, nicht mehr hören können. ({0}) Sie haben vorhin von Respekt gesprochen. Ihre Kollegin – Ihre Fraktionsvorsitzende – Frau Göring-Eckardt hat hier an dieser Stelle gesagt: Die deutschen Bauern verseuchen unsere Umwelt. ({1}) Ich kann Ihnen sagen: Die verseuchen nicht unsere Umwelt, die machen uns alle satt. ({2}) Das sind die Botschaften, die unsere Bauern brauchen. Die Bauern haben es satt, aus städtischer Perspektive belehrt zu werden, wie Landwirtschaft auszusehen hat. Die städtische Perspektive: Das ist so, wie Sie alle sprechen, gerade die Grünen. Jetzt nehme ich mir die Grünen gerade mal vor. Sie freuen sich doch: Wunderbar, der Wolf ist wieder da; das ist schön für die Artenvielfalt. – Am meisten freuen sich die, die im fünften Stock wohnen und den Wolf nie gesehen haben, sich aber überhaupt keine Gedanken machen, wie es im ländlichen Raum aussieht, wenn nachts 40 Schafe gerissen werden, wie es diesen Menschen dann geht. ({3}) Auch das hat etwas damit zu tun, ob wir Menschen zusammenbringen oder auseinandertreiben. Wie Sie über die deutschen Bauern sprechen, wie Sie über Landwirtschaft sprechen – dass Bauern am Ende nur noch Landschaftsgärtner sein sollen –, das hat nichts mit dem Beruf derer zu tun, die Nahrungsmittel produzieren. Diese Menschen haben Respekt verdient für das, was sie jeden Tag mit guter fachlicher Praxis tun. ({4}) Ich habe hier ein paar Werbezettel mitgebracht: Ganze Rinderfilets für 2,66 Euro – Sie sparen 1,33 Euro, heißt es da. ({5}) Hier haben wir eine Leberwurst für 99 Cent – ein Kracher der Aktion, 48 Prozent reduziert. Das sage ich Ihnen ganz deutlich: Das ist ein Problem. ({6}) Sie begreifen am Ende eines nicht: Sie fordern mehr Tierwohl. Das fordern wir auch – aber mit Augenmaß und mit der Fähigkeit, dass Ställe umgebaut werden können. ({7}) Frau Künast, ich habe von Ihnen noch nie was dazu gehört, dass wir die TA Luft ändern, dass wir das Baugesetzbuch ändern. ({8}) Auch da blockieren Sie. Da sind Sie die Vertreter der Zielkonflikte, Sie wollen die Zielkonflikte nicht lösen. ({9}) Deshalb bin ich Horst Seehofer dankbar. ({10}) Wir werden das Baugesetzbuch ändern, damit mehr Tierwohl und auch Berechenbarkeit in der Landwirtschaft möglich werden. Es ist auch eine Chance, dass heute die Landwirte hier in Berlin sind. Noch nie wurde medial, noch nie wurde auch in dieser Breite so darüber diskutiert, was die Bauern umtreibt. Es ist ein Mix aus vielem. Es hat was zu tun mit politischen Entscheidungen. Ja, die Düngeverordnung. Das mal an die FDP adressiert: Sie haben ja überhaupt kein Interesse an Verantwortung gehabt; deshalb sind Sie ja in keine Koalition gegangen. ({11}) Sie hätten das doch selber gar nicht anders hinbekommen. Ich weiß, das tut weh, das tut weh – das ist der Unterschied zwischen Opposition und Verantwortung! Die Düngeverordnung müssen wir umsetzen, um Strafzahlungen zu verhindern. ({12}) Aber wir haben die Antworten. Von Ihnen habe ich überhaupt nichts gehört, was Ihre Antworten sind; Sie beschreiben ja nur. Die Antwort wird sein: Weniger Nitrat in unserem Grundwasser. Deshalb werden wir als Haushaltsgesetzgeber – ich danke unseren Kolleginnen und Kollegen – die Bauern begleiten, wenn es darum geht, wie sie die Gülle aufbereiten können, wie sie Gülle lagern können, wie sie bessere Ausbringtechniken bekommen. ({13}) Wir setzen auf Hightech, wir setzen auf Zukunft, wir setzen auf Lösungen, wir setzen auf Miteinander statt Gegeneinander, wie Sie es hier machen. ({14}) Insofern ist dieser Haushalt – da bedanke ich mich sehr herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen der Koalition, bei den Berichterstattern und auch beim Bundesfinanzministerium – eine klare Zusage für die Zukunft, er ist Grundlage, damit wir Landwirtschaft weiterentwickeln können, hin zu dem, was auch gesellschaftlich gefordert ist. Und da haben wir Zielkonflikte.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von dem Kollegen von der FDP?

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Herr Hocker hat ja seine große Sternstunde, weil er in der Opposition ist und weil er auch den Bauern sagt, er unterstützt sie. – Ich freue mich auf die Frage.

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin, dass ich diese Zwischenfrage stellen darf. – Sie haben eben die Nitratsituation angesprochen und haben davon gesprochen, was Sie veranlassen, um den Landwirten zu helfen, die Nitratbelastung zu reduzieren. Ich möchte von Ihnen gerne wissen, ob Sie bereits auch andere Zielgruppen und andere potenzielle Verursacher von erhöhten Messwerten als die Landwirtschaft in Augenschein genommen haben oder ob Sie wiederum das betreiben, was Sie häufig genug in den letzten zwei Jahren getan haben, nämlich pauschal Landwirten den Schwarzen Peter zuschieben.

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Herr Hocker, wie Sie das machen, ist es ein schönes Stilmittel. Ich weiß nicht, welchen Teil des Satzes von mir Sie vorhin nicht verstanden haben, weil Ihre Frage schon vorbereitet war. Ich kann nur sagen: Es gibt andere Eintragungswege, absolut. Ich würde Ihnen vor allen Dingen raten, mal auf Ihre Parteikollegen in Rheinland-Pfalz zuzugehen, dort gibt es eine Ampelregierung. Da sollten die Messstellen und die Maßnahmen zur Binnendifferenzierung einmal ordentlich gestaltet werden, sodass es passgenau wird. Das wäre Ihre Aufgabe und nicht, einfach nur nach Berlin zu zeigen. ({0}) Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich auf diesen Haushalt eingehen. Dieser Haushalt ist ein Haushalt der Zusagen für die Landwirtschaft, für die ländlichen Räume, für gute Ernährung, auch einer Zusage für die Biodiversität und für unseren Wald. Wir haben einen Rekordhaushalt vorgelegt. In den vergangen 20 Jahren haben wir noch nie so viel Geld für unsere deutschen Bäuerinnen und Bauern zur Verfügung gestellt. Es sind 6,7 Milliarden Euro. Das ist ein ganz, ganz starkes Zeichen. Dafür herzlichen Dank. ({1}) Was haben wir vor? Natürlich geht es darum, diese Ziele, die angestrebt werden, umzusetzen: mehr Insektenschutz – unsere Landwirte sind auf die Biodiversität, auf Bestäuber angewiesen –, mehr Klimaschutz – die Landwirtschaft ist der Schlüssel dazu –, CO2-Bindung in der Land- und Forstwirtschaft, mehr Tierwohl. Natürlich gehen wir in diese Richtung, aber die Investitionen in die Ställe kosten Millionen. Deshalb haben wir Haushaltstitel, die das unterstützen, zum Beispiel mit den Ländern zusammen 83 Millionen Euro für Insektenschutz. Es wird von den Landwirten viel getan. Wir wollen sie unterstützen, damit sie noch mehr tun können. Dann gehen wir einen weiteren Schritt, wenn es darum geht, wie wir das Thema Düngeverordnung regeln können, wie wir aber vor allen Dingen hin zur Modernität kommen. Wir haben bei der Klausurtagung unserer Bundesregierung in Meseberg eines erreicht: Wir werden die weißen Flecken in den ländlichen Räumen schließen: über den Äckern, über den Höfen, über den Gemeindestraßen. Wir werden ein Extraprogramm mit 60 Millionen Euro nur für die Landwirtschaft aufsetzen. Warum? Damit der Anschluss gewährleistet ist für die modernen Techniken; denn uns als Christdemokraten geht es darum, nicht nur die Probleme zu beschreiben, sondern sie auch zu lösen. Aber wir müssen sie vorher beschreiben. Deshalb setzen wir auf die Digitalisierung, damit wir Präzisionslandwirtschaft voranbringen können: weniger Düngemittel, weniger Pflanzenschutzmittel, aber passgenau und effektiv. Deshalb ist es wichtig: dass die Erträge gesichert werden, dass die Erträge Menschen satt machen, aber dass wir nachhaltig und ressourcenschonend arbeiten können. Dieser Haushalt zeigt, wie das geht. ({2}) Liebe Freunde, wir haben viel Geld in die Hand genommen, zum Beispiel wenn es darum geht, den Wald zu unterstützen. Und da schaue ich auch mal wieder die Grünen an: Sie haben ja die Vorstellung: Sie wollen den Wald sich selbst überlassen. ({3}) Ihnen kann es mit dem Klimaschutz sonst nicht schnell genug gehen, aber beim Wald verhindern Sie jede Neuanpflanzung, weil Sie auf Naturverjüngung setzen. Wir setzen auf aktive Waldbewirtschaftung. Das ist Klimaschutz, das ist Nachhaltigkeit. Jeder Baum, der heute nicht gepflanzt wird, wird unseren Kindern und Enkelkindern fehlen. Deshalb machen wir es anders, als Sie Grüne es vorschlagen. ({4}) So werden wir eine standortangepasste Mischwaldanpflanzung weiter vorantreiben. ({5}) Uns geht es darum, den Schutz der Moorböden zu unterstützen, weniger Torfverwendung, Humusaufbau, Energieeffizienz in der Landwirtschaft und im Gartenbau. Wir stellen die Gelder zur Verfügung. ({6}) Sie fordern nur – wir stellen die Gelder zur Verfügung. So wird Zukunft zu gestalten sein. So werden wir Ziele auch erreichen. ({7}) – Ich habe Sie nicht verstanden. ({8}) – „Bei der Wahrheit bleiben“. Das ist wunderbar. Herr Ebner ist jemand, der gerne mit der Wahrheit arbeitet, vor allen Dingen auf Twitter. Herr Ebner ist einer der Vertreter der Apokalyptiker. ({9}) – Ja, doch. ({10}) Mit Apokalypse kann man Ängste verbreiten, und Ängste lähmen. So können Sie Leute natürlich für sich gewinnen. Bleiben wir doch mal dabei! ({11}) Wie können wir Zielkonflikte lösen? Ihr Parteivorsitzender, Herr Habeck, hat es ja versucht, und dann wurde er zurückgepfiffen. Wir können Zielkonflikte lösen, indem wir neue Pflanzenzüchtungen angehen. Wir wollen weniger Pflanzenschutzmittel. Wir wollen klimastabile Pflanzen haben. Und wir wollen Ertragssicherheit haben. Es ist doch eine Arroganz, zu sagen, wir brauchen kein CRISPR/Cas; eine Arroganz gegenüber allen Ländern, deren Menschen sich vor Hunger hierher auf den Weg machen müssen. ({12}) Insofern ist das ein klares Zeichen und ein klares Angebot unsererseits, wohin wir gehen. ({13}) – „Wo ist das C?“ Das ist jetzt ganz wunderbar. Wissen Sie, der Punkt ist der: Es hat etwas mit Überheblichkeit zu tun. ({14}) Wir haben gefühlt 80 Millionen Hobbyagrarwissenschaftler in Deutschland: Sie sagen der Landwirtschaft, was sie zu tun hat; sie selber aber kriegen – Sie wahrscheinlich schon – keine Kartoffel groß. Wir müssen einmal deutlich machen, dass diese Generation der Landwirte so gut ausgebildet ist wie keine Generation zuvor. ({15}) Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Grünenmitarbeiter besser ausgebildet sind als die Landwirte, die davon leben müssen. ({16}) Das klarzustellen, gehört auch zum Respekt dazu. Insofern gehen wir weiter: Respekt vor denen, die Nahrungsmittel produzieren, weniger Nahrungsmittelverschwendung, höhere Preise für unsere Nahrungsmittel und dadurch auch für unsere Produzenten. Wir müssen dann aber auch den Handel in die Pflicht nehmen, und das werden wir mit der UTP-Richtlinie machen. Das ist die Richtlinie, die gegen unlautere Handelspraktiken vorgeht. Ich werde diese hier eins zu eins umsetzen. Wir haben sie in Brüssel vorangebracht. Ein Beispiel: Ein Gemüsebauer bekommt am Abend die Bestellung für 30 Paletten Kopfsalat, die am nächsten Morgen um 5 Uhr abzuliefern sind. Morgens um 4.30 Uhr kommt dann aber ein Fax mit der Nachricht: Bitte nur 15 Paletten Kopfsalat. – Dann kann er die anderen 15 Paletten wegschmeißen. Das sind Bedingungen der ungleichen Augenhöhe, und deshalb sagen wir: Wir reden nicht nur darüber. Wir ändern das. Und deshalb setzen wir die UTP-Richtlinie hier in Deutschland auch eins zu eins um. ({17}) Dieser Haushalt, liebe Freundinnen und Freunde und liebe Abgeordnete, geht ganz klar darauf ein, was Ernährung bedeutet. Er geht ganz klar darauf ein, was unsere ländlichen Räume für uns bedeuten. Die ländlichen Räume sind die Kraftzentren unseres Landes. Die ländlichen Räume sind nicht nur Kompensationsorte für städtische Wünsche. ({18}) Die ländlichen Räume brauchen Anbindung. Die ländlichen Räume brauchen Unterstützung für unser Ehrenamt. ({19})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Klöckner, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage oder ‑bemerkung von der FDP-Kollegin?

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Ja. ({0})

Carina Konrad (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004789, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Klöckner, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. ({0}) Sie wissen, dass ich es liebe, wenn Sie die Probleme der Grünen benennen und die Widersprüche der grünen Partei in der Agrarpolitik aufzeigen. Aber ich wundere mich schon, dass Sie es hier versäumen, die Widersprüche in der Agrarpolitik der Koalition aufzuzeigen. Das Problem in dieser Koalition sind eben nicht die Grünen, sondern das Problem ist die SPD, ({1}) die mit ihrer Ministerin das Bundesumweltministerium besetzt und dort verantwortlich ist für genau die Punkte, die Sie eben genannt haben: für die Umsetzung der Düngeverordnung und dafür, ob neue Züchtungsmethoden in Deutschland zur Anwendung kommen oder nicht. Ich würde mir wünschen, eine Antwort darauf zu bekommen, wie Sie diesen Zielkonflikt in der eigenen Regierung auflösen. ({2})

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Danke schön, Frau Konrad. – Da Sie gerade bei den Widersprüchen der anderen sind, fange ich erst mal bei den Widersprüchen der FDP an. ({0}) Das ist ja so wunderbar an der FDP: Sie sagen immer, Sie stehen an der Seite der Landwirte und sehen darin Ihre große Chance, versprechen aber wider besseres Wissen Dinge, die Sie so gar nicht umsetzen könnten. Ich finde es hochinteressant, dass Sie just dort an die Wurzel gehen wollen, wo es unsere Landwirte am meisten trifft: wenn sie nämlich krank sind, alt sind oder Unfälle haben. Für unsere landwirtschaftliche Sozialversicherung geben wir 4,1 Milliarden Euro. Das will die FDP ändern. Die FDP will diese abschaffen ({1}) und in die übrige Sozialversicherung eingliedern. Das würde massive Kosten verursachen. Das ist für mich ein Widerspruch, den Sie erst mal auflösen müssen. ({2}) Kommen wir zu Ihrer grundsätzlichen Frage. Darauf antworte ich sehr gerne und bedanke mich dafür sehr herzlich. Dass wir einen Insektenrückgang haben, ist unbestritten. Oder gehört die FDP auch bald zu denen, die Klimawandel leugnen und dann auch Insektenrückgang leugnen? Weiß ich jetzt nicht, ob das so ist. Ich hatte den Eindruck – deshalb. ({3}) Wir haben einen Insektenrückgang. Es gibt Bienen-Begehren in ganz Deutschland, so auch in den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern. ({4}) Gut, es ist auch eine Botschaft der FDP, dass sie die Bürger nicht für ganz normal hält, die da unterschreiben. Es ist die Frage, wie die Fragen gestellt werden; da bin ich bei Ihnen. Unser Insektenschutzprogramm ist im Übrigen kein Gesetz. Es wurden darin Ziele formuliert. Was wir jetzt machen, ist – so hat es noch keine Regierung zuvor gemacht –, vor jedem einzelnen Schritt und jeder einzelnen Maßnahme im Rahmen von runden Tischen die Seite der Praktiker zu hören. Sollte es Einkommenseinbußen geben, werden wir beziffern, was das heißt. Wir werden keine blinde Enteignung vornehmen. Denn am Ende geht es darum, dass die Landwirte mit ihrem Grund und Boden ihren Lebensunterhalt verdienen. ({5}) Deshalb werden wir ganz klar beziffern: Was kostet das? Es geht übrigens auch um die Frage: Wer ist am Insektenschwund noch schuld? Als Stichworte sind zu nennen: Lichtverschmutzung, die „Vorgärten des Grauens“, wo es nur Steine gibt, und die Versiegelung der Landschaft. All das gehört dazu. Ich freue mich, wenn sich Ihre FDP in Rheinland-Pfalz endlich auch mal darum kümmert und nicht nur darüber redet, Frau Konrad. ({6}) Ich möchte auf einen wichtigen Punkt zu sprechen kommen: das Ehrenamt. Ich danke in diesem Zusammenhang meiner Fraktion; denn die CDU/CSU-Fraktion hat von Anfang an Wert darauf gelegt, dass das Ehrenamt das Herz des ländlichen Raumes ist. Kein Buchstabe eines Gesetzes und kein Geldschein können das ersetzen, was Ehrenamtliche leisten. Aber wir merken eines, nämlich dass immer weniger in Vereinen den Vorsitz übernehmen wollen, weil es zu bürokratisch ist, beispielsweise wegen der Datenschutz-Grundverordnung. Viele andere rechtliche und finanzielle Fragen machen den Ehrenamtlern und den Vereinen Sorgen. Deshalb bringen wir gemeinsam etwas auf den Weg, das es so noch nicht gegeben hat: Wir finanzieren über unser Programm BULE das Vorhaben „Hauptamt stärkt Ehrenamt“. Warum? Damit Ehrenamt bleiben kann. Mit einem Projekt in 18 Landkreisen zeigen wir, wie wir das in die Praxis überführen können. Das ist Zukunft für den ländlichen Raum. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will mit dem Thema Ernährung enden. Man könnte heute so vieles sagen. Zielkonflikte sind da, aber man löst sie nicht, indem man sie liegen lässt. Es kann nicht darum gehen, sich schnellen und billigen Applaus zu holen. Vielmehr muss man zu einer Lösung kommen, damit die Landwirtschaft vor die Welle kommt und nicht in der Rechtfertigungsecke bleibt. Hier braucht es Augenmaß und Unterstützung. Lassen Sie mich also abschließend einen Schwerpunkt im Bereich Ernährung ansprechen. Wir wollen die gesunde Ernährung zur einfachen Ernährung machen. Der Nutri-Score ist in Arbeit. Die Reduktions- und Innovationsstrategie für weniger Zucker, Salz und Fette ist in Arbeit, wir kommen voran. Außerdem haben wir die älteren Menschen im Blick. Sie liegen uns am Herzen; nicht nur die ersten 1 000 Tage im Leben von Neugeborenen. Dass Ernährung und Demenzerkrankung miteinander zu tun haben, ist klar, aber es gibt noch viele Forschungslücken. Unser Ministerium und ich als Ministerin gehen da rein, und wir erforschen das, um Menschen ein besseres Leben zu gewährleisten, um ihnen zur Seite zu stehen. Das ist unsere Politik der Großen Koalition. Das ist ein Haushalt der Zusage, der Zuversicht und der Perspektive. Herzlichen Dank. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Julia Klöckner. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Wilhelm von Gottberg. ({0})

Wilhelm Gottberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004730, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Frau Ministerin Klöckner! Meine Damen und Herren! Die Landwirte haben Existenzsorgen. Die zahlreichen Bauerndemonstrationen der letzten Wochen sowie heute und auch die Grüne-Kreuze-Aktion sind ein Hilferuf an die Politik, dass man sich der Sorgen der Landwirte annehmen möge. Es sind die teilweise völlig überzogenen Auflagen der Politik, die die Massenproteste hervorrufen. Beispiele: Düngeverordnung, Auflagen für Pflanzenschutz, Umweltschutz und artgerechte Tierhaltung und immer wieder Preisverfall bei der Milch. Die meisten Menschen in Deutschland haben heute eine hohe Sensibilität für den Umwelt- und Klimaschutz entwickelt. 60 Jahre Wohlstand in Deutschland haben leider bei den Menschen eine Wegwerfmentalität hervorgebracht, die Verschwendung von Ressourcen und Umweltschäden zur Folge hat. Damit muss es ein Ende haben. ({0}) Neu im gesellschaftlichen Diskurs über die Frage des Umweltschutzes ist, dass viele Menschen, hauptsächlich in den Städten, die Landwirtschaft als Hauptsünder für Umweltschäden, mangelnden Tierschutz und schadstoffbelastete Nahrungsmittel verantwortlich machen. Landwirte werden pauschal als Tierquäler, Giftspritzer, Klimasünder und Insektenvernichter stigmatisiert. Aber das Gegenteil ist der Fall: Der Landwirtschaft kommt das Verdienst zu, in den ländlichen Räumen eine artenreiche und hochentwickelte Kulturlandschaft geschaffen zu haben. Die positiven Leistungen der Landwirtschaft für den Klimaschutz durch die CO2-Bindung in der Feld- und Waldwirtschaft werden in der aktuellen Diskussion überhaupt nicht gewürdigt. Das schließt natürlich nicht aus, dass es in Einzelfällen schwarze Schafe unter den Landwirten gibt. Ministerin Klöckner hat die Polemik gegenüber den Landwirten bei der Einbringung des Haushalts am 10. September 2019 kritisiert. Sie hat das Bauernbashing als Polarisierung und als Spaltung der Gesellschaft bezeichnet. Die Kritik der Ministerin ging an die Adresse des linken Spektrums hier im Hause. Diese Sicht der Ministerin auf die polemischen Kritiker der Landwirte wird von der AfD geteilt. Weil der Landwirtschaft derzeit viel zugemutet wird, sollten wir alle uns um mehr Wertschätzung gegenüber dem bäuerlichen Berufsstand bemühen. ({1}) Frau Klöckner hat wiederholt dafür geworben. Aber, Frau Ministerin, auch politische Entscheidungen gehören dazu. Zwei Vorschläge: Erstens. Sorgen Sie dafür, dass der Agrardiesel nicht mehr besteuert wird. Damit entlasten Sie die Landwirte und räumen eine bürokratische Hürde ab. Es ist ein Unding: Flugzeugbenzin ist steuerfrei, aber der für die Nahrungsmittelproduktion erforderliche Agrardiesel wird besteuert. Zweitens. Schaffen Sie die erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen, damit zukünftig kleine Biogasanlagen bis 150 kW weiterhin gefördert werden. Diese kleinen Anlagen können mit betriebseigener Gülle, mit Mist und Stroh betrieben werden. Der großräumige Maisanbau muss der Vergangenheit angehören. ({2}) Dies ist ein Schritt zur hofeigenen Kreislaufwirtschaft und für Tierhalter eminent wichtig, besonders für die Milchviehhalter. Wie wir schon bei der ersten Lesung vorgetragen haben, wiederholen wir hier unsere grundsätzliche Kritik am vorgelegten Entwurf. Die haushaltspolitischen Grundsätze – Wahrheit und Klarheit sowie Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit – haben keine Beachtung gefunden. Wir haben das in der ersten Lesung an fünf Beispielen begründet und verzichten hier auf eine Wiederholung. ({3}) Als weiteres Beispiel führen wir an: die Förderung nichtbundeseigener Institute wie zum Beispiel des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft und des Zentrums für Betriebswirtschaft im Gartenbau. Auf Seite 101 des Entwurfs finden wir 16 Verbände und Kuratorien, die institutionell oder durch Projektförderung Geld erhalten. Mit Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit hat das nichts zu tun. ({4}) Die gesamte Förderung dieser Vereine und Kuratorien gehört auf den Prüfstand. Noch unübersichtlicher stellt sich die Förderung internationaler Organisationen dar, deren Förderung auf gesetzlicher Grundlage beruht. Gesetze können abgeschafft werden. Weshalb muss Deutschland die Internationale Walfangkommission in Cambridge, England, fördern? Der Walfang wurde den Deutschen bereits auf der Potsdamer Konferenz 1945 verboten. Absolut skurril ist der jährliche Zuschuss von 134 000 Australischen Dollar für die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis, angesiedelt in Hobart, Australien. Meine Damen und Herren, dies sind zwei Beispiele für eklatante Steuergeldverschwendung. Die AfD-Fraktion hat eineinhalb Dutzend gut begründete Kürzungsvorschläge für den Agrarhaushalt vorgetragen. Nicht ein einziger wurde von der Koalition berücksichtigt. Das ist unglaublich, das ist borniert. ({5}) Meine Damen und Herren, ich bin seit 35 Jahren kommunalpolitisch tätig. Auf der kommunalpolitischen Ebene habe ich nicht ein einziges Mal ein derartiges Verhalten einer Mehrheitsfraktion erlebt. Der Haushaltsentwurf 2020 ist nicht zustimmungsfähig. Danke. ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Wilhelm von Gottberg. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Susanne Mittag. ({0})

Susanne Mittag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden heute den Haushalt beschließen – wunderbar –, und es ist sogar ein bisschen Tierhaltung berücksichtigt. Unseren Haushältern möchte ich an dieser Stelle für ihren Einsatz danken. Sie können aber nur in einem gewissen Umfang die Arbeit des Landwirtschaftsministeriums unterstützen und befördern. Die erforderlichen Initiativen und deren Umsetzung müssen schon im Ministerium vorbereitet werden. Jetzt stehen zumindest Mittel der GAK, also Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, für Maßnahmen zum Schutz von Weidetieren vor dem Wolf zur Verfügung, und zwar, bevor der Wolf kommt. ({0}) Der Haushaltsausschuss forderte auch, ein Maßnahmenpaket vorzulegen, mit dem die finanzielle Förderung der Weidetierhalter ermöglicht werden kann. Darauf haben wir lange gewartet. Es ist auch hier bezeichnend, dass der Haushaltsausschuss damit die Arbeit des Landwirtschaftsministeriums mitmachen muss. Was aus dem Haushalt nicht ersichtlich ist, sind die vielen Tierschutzthemen, die leider immer noch nicht abschließend bearbeitet worden sind, die in der Umsetzung nicht unterstützt werden und daher gar nicht im Haushalt auftauchen. Wenn ich in den Koalitionsvertrag schaue, dann stelle ich fest, dass bei konkreten Tierschutzmaßnahmen bislang so gut wie nichts umgesetzt wurde. Das Kükentöten sollte bis zur Mitte der Legislaturperiode beendet werden. Das würden wir gerne mit Förderungen unterstützen und beschließen, aber nichts passiert. Vereinbart ist die Regulierung der Wildtier- und Exotenhaltung sowie deren Handel. Es gibt keine Umsetzung der Forderung aus der Exopet-Studie, die vom Landwirtschaftsministerium vor Jahren selbst in Auftrag gegeben wurde. Das müssen wir vom Parlament offensichtlich selber machen. Dies gilt ebenfalls für den Kampf gegen illegalen Welpenhandel. Auch bei einem anderen oft diskutierten Thema kommen wir nicht wirklich weiter, und zwar – mein Kollege Matthias Miersch hat es angesprochen – bei der Einführung eines staatlichen Tierwohllabels. Je länger das Ministerium zur Einsicht braucht, desto länger müssen Landwirte, die in die Zukunft planen wollen, und wir, die ein effektives Label wollen, warten. Aber auch Verbände, Ministerien, Landesregierungen, Handel, Verarbeitung, alle warten und warten auf ein effektives Label. ({1}) Zu diesem Label gehört auch die immer noch fehlende Nutztierstrategie, deren Erstellung jetzt – es ist erwähnt worden – so langsam losgeht. Dazu gehört auch der sogenannte Stall-TÜV. Die Landwirte müssen wissen, wie sie langfristig investieren können, und wir müssen wissen, wie man eine bessere Tierhaltung unterstützen kann. Dazu gehören ebenfalls das vereinbarte Beenden des Kürzens von Ringelschwänzen bei Schweinen oder das Verbot des Enthornens von Rindern ohne Betäubung. ({2}) Es fehlt auch eine Verordnung zu Rind und Geflügel für das hoffentlich irgendwann einmal kommende Tierwohllabel. Bislang liegt allenfalls ein unvollständiges Schweinelabel vor. Im Klimaschutzgesetz wird richtigerweise festgestellt, dass eine verbesserte, tiergerechte Nutztierhaltung ein wichtiger und positiver Faktor ist. Dies umgesetzt wäre ein richtig guter Haushaltsansatz für Tiere, für alle Verbraucher und für zukunftsorientierte Landwirte. Schade, diese Chance ist in diesem Jahr leider vertan. Herzlichen Dank. ({3})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Susanne Mittag. – Nächster: für die FDP-Fraktion Dr. Gero Hocker. ({0})

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen und Monaten ist in Deutschland viel demonstriert worden. Freitags demonstrieren regelmäßig die Fridays-for-Future-Demonstranten für Maßnahmen gegen den Klimawandel. Vor wenigen Wochen haben in Hamburg Studenten dagegen demonstriert, dass dort ein Professor eine Vorlesung hält. Auch die Landwirte demonstrieren mittlerweile regelmäßig: vor fünf Wochen in Berlin und in der ganzen Republik, dann in Hamburg und heute wiederum hier in Berlin. Aber die letzte Gruppe, die Landwirte, muss man von den beiden anderen abgrenzen; denn ihnen winkt nicht ein schulfreier Freitag, und ihnen winkt auch nicht ein vorlesungsfreier Nachmittag. ({0}) Vielmehr geht es diesen Menschen da draußen um ihre Existenz. Sie haben viel Zeit und Geld investiert, die Organisation vornehmen zu können. Sie kümmern sich darum, dass heute, gestern und morgen jemand anders die Aufgaben in ihrem Betrieb, auf ihrem Hof übernimmt. Das alles sind mittelständische Unternehmer, die auf Einkommen verzichten. ({1}) Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Frau Ministerin, wären Sie gut beraten, den Menschen nicht nur Gehör zu schenken, sondern tatsächlich Ihre Landwirtschaftspolitik grundsätzlich zu überdenken. ({2}) Ich sage das, Frau Ministerin, ganz ausdrücklich in Ihre Richtung. Ich lobe Sie bei Veranstaltungen vor Ort, das letzte Mal zum Beispiel am vergangenen Samstag in Rheinland-Pfalz auf dem Hambacher Schloss, dafür, dass Sie erklärt haben, den Dialog wieder aufnehmen zu wollen, dass Sie mit den Menschen reden wollen. Ich feiere Sie dafür wirklich bei jeder Gelegenheit, weil es wichtig ist, das zu tun. Denn in den vergangenen zwei Jahren ist allzu häufig der Eindruck entstanden, dass die Papiere, dass die Gesetzentwürfe, die aus Ihrem Haus vorgelegt wurden, häufig genug im Umweltministerium entstanden sind oder sogar direkt aus der Feder von NGOs stammen. Deswegen ist es gut und richtig, dass der Dialog endlich wieder aufgenommen wird. ({3}) Ich sage Ihnen aber ausdrücklich: Man hat bei den parlamentarischen Initiativen, die seitdem – seit den letzten Demonstrationen vor fünf Wochen – aus Ihrem Haus vorgelegt wurden und die Landwirte betreffen, allzu häufig den Eindruck, dass Sie nicht verstanden haben, um was es den Menschen da draußen tatsächlich geht. Die erste Initiative nach den größten Demonstrationen, die seit 1949 in Deutschland von Landwirten initiiert wurden, war das sogenannte Direktzahlungen-Durchführungsgesetz. Das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz bedeutet nichts anderes, als dass Landwirte real einen Einkommensverlust hinnehmen müssen; ({4}) denn um das gleiche Einkommen zu erhalten, müssen sie mehr Auflagen und höhere Standards erfüllen sowie mehr arbeiten. Ich halte das fachlich für falsch, und politisch verstehe ich es überhaupt nicht, wie man so wenig Fingerspitzengefühl haben kann, dass der erste Gesetzentwurf nach diesen Demonstrationen einer ist, der den Landwirten ans Portemonnaie geht. Das ist nicht nachvollziehbar. ({5}) In der vorvergangenen Woche wurde das Klimapaket der Bundesregierung diskutiert, und hier wird mit keinem Wort gewürdigt, dass die Landwirtschaft der einzige Wirtschaftsbereich ist, den wir kennen, der zwar CO2 emittiert, durch Humusbildung, Aufforstungen und viele andere Dinge, aber auch in der Lage ist, CO2 zu binden. Es wäre nur sinnlogisch, auch dazu überzugehen, dass man Landwirten einen Bonus gibt und sie nicht nur belastet. Auch hierzu findet sich in diesem Klimapaket überhaupt nichts. Auch da muss ich Ihnen sagen: Ich kann nicht verstehen, wes Geistes Kind Sie da tatsächlich sind. ({6}) Sie müssen, Frau Ministerin, nicht nur Ihre Kommunikationsstrategie ändern, sondern Sie müssen endlich auch dazu übergehen, Ihre politischen Entscheidungen auf wissenschaftlichen Fakten basieren zu lassen. Sie müssen endlich dazu übergehen, in Zukunft auch chemischen Pflanzenschutz zu gewährleisten und sich hier auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu berufen. ({7}) Sie müssen dazu übergehen, die unsinnigen Teile der Novellierung der Nitratgesetzgebung, der Düngeverordnung, zu korrigieren und endlich auch zu prüfen, welche zusätzlichen anderen Verursacher als die Landwirtschaft es überhaupt geben könnte. Frau Ministerin, Sie müssen dafür kämpfen, dass wir endlich einheitliche Standards innerhalb Europas bekommen, um wirklich Wettbewerb auf Augenhöhe innerhalb Europas hinzubekommen. Hierzu wird von Ihnen aber leider überhaupt keine Initiative entwickelt. ({8}) Meine Damen und Herren, die letzten großen Demonstrationen vor fünf Wochen hat meine Fraktion zum Anlass genommen, einen Antrag in dieses Hohe Haus einzubringen, in dem wir gefordert haben, dass die Landwirtschaftspolitik nach wissenschaftlichen Erkenntnissen betrieben werden muss und dass wir innerhalb Europas einheitliche Wettbewerbsbedingungen bekommen. ({9}) Ich sage Ihnen ganz ausdrücklich: Dieser Antrag ist damals von den Mehrheitsfraktionen einstimmig abgelehnt worden. ({10}) Wir sind Ihnen deswegen nicht böse. Das ist ein ganz normaler parlamentarischer Vorgang. Wir lehnen Dinge von Ihnen ab, und deswegen ist es auch Ihr gutes Recht und parlamentarischer Brauch, dass Sie Dinge von uns ablehnen. Das ist überhaupt kein Problem. Was aber nicht geht, ist, dass uns als Oppositionsfraktion daraufhin Populismus vorgeworfen wird. ({11}) Ich sage es Ihnen ganz ausdrücklich: Populismus ist, politische Entscheidungen alleine danach auszurichten, was gegenwärtig opportun ist, Frau Ministerin, populistisch ist es, die politischen Entscheidungen danach zu orientieren, was gerade Mehrheitsmeinung in der Gesellschaft da draußen ist, und vor allem ist es Populismus, ländliche Räume aufzugeben, weil man glaubt, dass man in urbanen Milieus mehr Stimmen gewinnen kann. All das ist Populismus! Die Interessen einer immer kleiner werdenden Berufsgruppe zu vertreten, ist aber genau das Gegenteil von Populismus. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({12})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Gero Hocker. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Markus Tressel. ({0})

Markus Tressel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004178, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, drei Sätze zum ländlichen Raum mit einem, sagen wir einmal, niedrigen Verbindlichkeitsgrad: Das zeigt auch den Stellenwert, den der ländliche Raum bei Ihnen hat. Der Kollege Haase hat gesagt, es gehe für den ländlichen Raum energisch voran. Wenn das der Gradmesser ist, dann ist das auch ein bisschen symptomatisch für Ihre Politik. ({0}) Sie haben es in diesem Haushalt wieder einmal versäumt, neue Strukturen aufzubauen, die sicherstellen, dass die Mittel auch dort ankommen, wo sie wirklich gebraucht werden. In der GAK, dem Hauptförderinstrument mit nach wie vor ganz klarer agrarischer Ausrichtung, wird die Entwicklung der ländlichen Räume weiterhin marginalisiert. Weder eine echte Öffnung der GAK – die Kollegin hat es vorhin angesprochen – hat stattgefunden, noch sind die Mittel überjährig verwendbar. Sie schieben in diesem Jahr lediglich die Mittel, die vorher in der GAK explizit für ländliche Räume veranschlagt waren, in den Sonderrahmenplan „Ländliche Entwicklung“ und setzen noch 10 Millionen Euro obendrauf. Aber – das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das Problem – das Fördersystem bleibt in seinen komplexen und höchst bürokratischen Strukturen gefangen. Der Mittelabruf ist weiterhin in vielen Regionen entsprechend schlecht. Der Förderrahmen der GAK bleibt weitgehend unverändert. Wenn man sich die punktuellen Änderungen wie den erhöhten Fördersatz für strukturschwache und ländliche Regionen oder die Regionalbudgets genauer anschaut, dann stellt man fest, dass das Ganze einmal wieder mehr Schein als Sein ist. Über das Regionalbudget, liebe Kolleginnen und Kollegen, können Kleinstprojekte mit maximal 20 000 Euro gefördert werden. Das ist ein guter Anfang. Aber angesichts der riesigen Herausforderungen können Sie damit vor Ort nicht wirklich viel anfangen. Nur mit einem stabilen Regionalmanagement und finanziellen Spielräumen kann es gelingen, die Förderpolitik zeitgemäß aufzustellen. Wir haben gesagt: Wir brauchen eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“, die gezielt strukturschwache ländliche und auch städtische Regionen fördert. Das bisherige Förderkonstrukt passt einfach nicht zu denHerausforderungen der Zeit. Da braucht es einen Aufbruch. Da hätte es ein Signal von Ihnen in diesem Haushalt gebraucht, dass man verstanden hat, wie man an die Wurzel der Probleme herangehen will. ({1}) In diesem Haushalt fehlt es an neuen Inhalten. Gleichzeitig werden für den ländlichen Raum an anderer Stelle bewährte Inhalte gestrichen. Frau Ministerin, Sie haben gerade über das Thema Ehrenamt gesprochen. Wenn wir jetzt sehen, dass Teile des Programms „Demokratie leben!“ gestrichen werden und kein neuer Impuls aus dem Haus kommt, das für die ländlichen Räume zuständig ist, dann brauchen Sie sich nicht hier hinzustellen und über das Ehrenamt zu reden. Die Streichung dieser Mittel für „Demokratie leben!“ ist ein fatales Signal an die Aktiven in den Regionen. Deswegen hätte ich mir da von Ihnen mehr Aktion gewünscht. ({2}) Die Entwicklungen, die ich dargestellt habe, konterkarieren auch die Bestrebungen der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“. Der vorliegende Haushalt wird doch den Ansprüchen, die dort formuliert werden, nicht gerecht. Die Kommission sagt: Das ist ein Dekadenprojekt. – Ja, Sie haben den Diskurs aufgegriffen. Aber mehr Reden hilft wenig, wenn Sie nicht auch bald Taten folgen lassen. Der große Wurf ist Ihnen da nicht gelungen. Nicht einmal der Einstieg ist Ihnen in diesem Haushalt gelungen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Man kann selbst mit dem besten Willen nicht erkennen, wie der konzeptionelle Ansatz für die ländlichen Räume wirklich aussieht. Sie machen überall ein bisschen, Sie machen auch an einigen Stellen ein bisschen mehr. Aber wir brauchen nicht ein bisschen, sondern wir brauchen nicht weniger als eine neue Förderpolitik für strukturschwache und ländliche Räume. Fehlanzeige in diesem Bundeshaushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen! ({4}) Sorgen Sie dafür, dass das Land nicht weiter auseinanderdriftet. Schauen Sie zu, dass sich Zukunftsperspektiven für diese Räume endlich auch im Bundeshaushalt wiederfinden: gut anwendbar und gut abrufbar. Es nutzt uns nichts, wenn das Geld in irgendwelchen Töpfen ist, und diejenigen, die es brauchen, können es nicht abrufen, weil es bürokratisch völlig überfrachtet ist. Die Menschen vor Ort, die etwas bewegen und zeigen, wie es gehen kann, brauchen verlässliche Unterstützungsstrukturen, nicht nur als Modellprojekt; das sage ich an dieser Stelle ausdrücklich. Es gibt nur noch Modellprojekte, Modellvorhaben. Wir brauchen verlässlich planbare Größen in diesem Bundeshaushalt. Ich kann Sie nur auffordern: Machen Sie es endlich, und reden Sie nicht immer nur davon! ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Markus Tressel. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Alois Gerig. ({0})

Alois Gerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir erleben, wie erwartet, eine kontroverse Debatte. Das Besondere ist, dass wir hier in Berlin mit Zehntausenden von zu Recht protestierenden Landwirten heute einen denkwürdigen Tag erleben. Eingangs möchte ich unbedingt denjenigen ein herzliches Danke sagen, die im Einzelplan 10 für die gute finanzielle Ausstattung gesorgt haben, vorneweg unserer Ministerin Julia Klöckner und unserem Haushälter Christian Haase. ({0}) Der Haushalt ist gewiss eine gute Grundlage, eine Chance, unseren Bauern für die zugemuteten wirtschaftlichen Entbehrungen finanziell etwas zurückzugeben. Er ist freilich so, dass wir nicht mit Geld und besseren Reden alles gutmachen können. Das sind nur zwei Maßnahmen. Bei der großen Unzufriedenheit und der Not auf den Höfen, was zu den verständlich großen Protestaktionen mit vielen grünen Kreuzen und Tausenden von Traktoren heute geführt hat, braucht es definitiv mehr. Ich möchte an dieser Stelle trotzdem meinen Respekt und Dank den überwiegend jungen Bäuerinnen und Bauern aus der Organisation „Land schafft Verbindung“ aussprechen, die ihren Protest in den letzten Tagen sehr friedlich, freundlich und konstruktiv bis hier nach Berlin getragen haben. ({1}) Ich wünsche mir, dass der Protest auch so friedlich zu Ende geht. Ich danke nebenbei auch all den Verkehrsteilnehmern, die das mit Geduld ertragen. Dank auch an die Polizei und alle weiteren Ordnungshüter! ({2}) Ja, noch mehr als Geld und Reden brauchen wir schnelles und praxisorientiertes Handeln. Es geht um vieles: um Wertschätzung, insbesondere um Perspektive, um Verlässlichkeit, und es geht um Bürokratieabbau und vernünftige Lösungen zu Düngung, Tierhaltung und Baurecht. Aber auch das Thema Insektenschutz ist uns allen wichtig. Das geht aber nicht mit Beschimpfungen, Regulierungswut und Ordnungspolitik. Die Unionsparlamentarier werden auf alle Fälle mit aller Macht dafür kämpfen, dass eine Umsetzung mit Augenmaß vonstattengehen wird. Wir werden den Bauern – dafür werden wir alles geben – ihren Stolz zurückgeben. Das ist wichtig. ({3}) Die globalen Herausforderungen sind: Weltbevölkerung ernähren, Klimawandel bewältigen und Hunger und Not aufgrund von Wetterextremen bekämpfen. Junge Menschen müssen emotional und wirtschaftlich bereit sein, den Hof der Eltern weiterzuführen. Es geht darum – das ist im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die Produktion von weltweit besten Lebensmitteln, und die machen unsere Bauern, im eigenen Land zu halten, so weit das möglich ist. Es ist traurig genug, dass wir permanent Marktanteile verlieren. ({4}) Es geht auch darum, Bauernland in Bauernhand zu halten; das wurde heute schon angesprochen. Das heißt, wir müssen Aldis, Fielmanns, aber auch NABUs und Co, die jährlich viele Millionen Euro an EU-Subventionen kassieren, Einhalt gebieten; denn das ist unanständig. ({5}) Kollegen von der Opposition, wir haben es wieder einmal gehört: Hier im Bundestag können Sie leider nicht mehr als die Backen dick machen und heiße Luft ablassen. ({6}) Sorgen Sie doch in den Bundesländern – zumindest da, wo Sie Regierungsverantwortung haben – dafür, dass sich etwas ändert! Sie haben die Chance. Hier in Berlin bekleckern Sie sich alle nicht mit Ruhm. Die FDP hatte vor zwei Jahren keinen Mut zur Verantwortung. Im Sommer hat Kollege Dr. Hocker vor der Presse noch gefordert, eine Abschaffung der Direktzahlungen vorzunehmen. ({7}) Im Haushaltsausschuss will man 77 Millionen Euro bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung kürzen, ({8}) und das in Zeiten, in denen wir katastrophale Zustände im Wald haben ({9}) und mehr Unfälle – auch dramatische Unfälle – passieren und die Mittel dringender denn je gebraucht werden. ({10})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Gerig, denken Sie an Ihre Redezeit.

Alois Gerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. – Ich sage: Pech gehabt. ({0}) Unsere Landwirte fallen nicht auf diese Bauernfängerei herein, die Sie von der AfD sich parallel leisten. ({1}) Das sind kluge, gut ausgebildete Unternehmer, die das nicht mitmachen werden. Das, was die Grünen vor Augen haben, hat die Kollegin Künast sehr deutlich gemacht: Bauern-Bashing von hinten bis vorne. ({2}) So geht das nicht. Das hat nichts mit Wertschätzung zu tun. Das hat nichts damit zu tun, jungen Menschen wieder Mut zu machen. Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie unserem Haushalt zu! Dann können Sie hier im Deutschen Bundestag etwas Gutes für die ländlichen Räume und die Landwirtschaft tun, und dann sind wir alle in Zukunft gut aufgestellt, um gemeinsam eine gute Politik zu machen. ({3}) Vielen Dank. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Herr Gerig. – Herr Auernhammer bekommt gleich ein bisschen weniger Redezeit. Aber das machen Sie von der CDU/CSU untereinander aus. ({0}) – Ja mei, das ist der Preis. Nächster Redner: Rainer Spiering für die SPD-Fraktion. ({1})

Rainer Spiering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004410, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Vor allen Dingen: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer oben auf den Rängen! Ein spannender Tag heute. Ich fange mit dem Kollegen Hocker an, der bekanntermaßen beweglich ist in seinen Äußerungen. Ich habe zwei Erwiderungen. Zur Frage der Einträge von Nitrat ins Grundwasser – wir lassen einmal außer Acht, wer zuständig ist –: Die Wissenschaft sagt, dass die Landwirtschaft dafür zu mindestens 80, 90 Prozent verantwortlich ist. Daher möge sich die Landwirtschaft diesem Problem nähern, und wir kommen über die Kommunen dahin, das andere Problem zu klären. Zweite Aussage, Kollege Hocker: Direktzahlungen-Durchführungsgesetz. Sie haben angesprochen, dass wir Bonuszahlungen vornehmen wollen. Ja, genau das machen wir jetzt mit der Umwandlung der Direktzahlungen. Man muss das nur verstehen. Das, was Sie tun, ist das, was die FDP seit Urzeiten macht: Da, wo viel ist, viel mehr hingeben. – Wir kennen das von der Mövenpick-Steuer. Wes Geistes Kind Sie sind, wissen wir. ({0}) Ich möchte übrigens dringend darauf hinweisen, dass dieser Ausschuss „Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft“ heißt. Ich würde mich dringend mal der Frage der Ernährung zuwenden. Ich bin letzte Woche im Kreis Gütersloh gewesen, und bekannterweise ist da ein Großschlachter unterwegs. Dann hat man uns von der Stadtverwaltung gezeigt, was das bedeutet: Jedes Jahr werden dorthin neue Arbeitskräfte exportiert. Sie werden in Südosteuropa mit irren Versprechungen angeworben. Nach einem Jahr sind sie arbeitstechnisch fertig und begeben sich dann in den Kreis Gütersloh – es sind etwa 7 000 Menschen –, und dann holt der geneigte Großschlachter neue Kolleginnen und Kollegen dazu. Caritas-Zitat: Das System der Werkverträge führt dazu, dass immer mehr arme und zunehmend bildungsferne Menschen aus Südosteuropa in den Kreis Gütersloh kommen. Ein Megaschlachter aus Rheda-Wiedenbrück braucht immer neue schlecht bezahlte und unwissende Arbeitskräfte. Wer sich den Haushalt angeschaut hat, stellt fest: Wir haben erstmalig 500 000 Euro bereitgestellt, um über eine wissenschaftliche Untersuchung festzustellen: Was ist auf den Schlachthöfen los? Welche sozialen Auswirkungen hat das? Ich kann für die SPD nur sagen: Wir wollen uns diesen Werkverträgen nähern. Wir haben dazu wissenschaftliche Aussagen. Es gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, egal wo jemand herkommt. ({1}) Das Tun dieses Großschlachters hat übrigens noch deutlich mehr Auswirkungen. Wer dort ökonomisch sinnvoll arbeiten will, muss auf der einen Seite aus den Arbeitskräften das meiste rausquetschen, und er braucht auf der anderen Seite eine Infrastruktur, die für schnelle Wege sorgt. Jeden Tag werden dort ungefähr 20 000 Schweine geschlachtet. Sie müssen aus der näheren Umgebung kommen. Das ist unter anderem Weser-Ems. Für all diese Schweine – 20 000 pro Tag! – werden Proteine nach Deutschland importiert – mit den entsprechenden Folgen für Entwicklungsländer –, etwa Soja aus Südamerika. Das bedeutet: Menschen verarmen, Südamerika verarmt, und wir haben die Gülle vor den Füßen. Der Bereich Weser-Ems hat 3 Millionen Tonnen Gülle vor den Füßen, die wir jetzt loswerden müssen. Dazu trägt im Übrigen dieser Haushalt seinen Teil bei. ({2}) Wir haben in den Energiesparbereich ungefähr 11 Millionen Euro eingepreist, um neue Gülleaufbereitungsanlagen zu finanzieren und dann über Wärmekopplung mit Biogasanlagen dafür Sorge zu tragen, dass wir Gülle zu einem zertifizierten Mineraldünger umwandeln. Damit können wir die Flüssigkeitsfracht entlasten und Trockensubstrate in die Landwirtschaft bringen. Damit leisten wir wirklich einen guten Beitrag für eine in Zukunft gute Landwirtschaft. ({3}) Das Werkzeug dafür ist die Agrarmasterplattform; das ist mittlerweile auch unstrittig. Worum geht es? Es geht darum, die Landwirtschaft dazu in die Lage zu versetzen, Düngeverordnung, Nitratrichtlinie, Stoffstrombilanz, GAP-Anträge in atemberaubender Geschwindigkeit zu bewältigen. Eine der großen Landwirte hat mir letztens gesagt, er brauche aufgrund seiner Digitalisierung heute für seinen GAP-Antrag – er ist umfassend – zwei Stunden. Das muss das Ziel sein. Diese Koalition, die von Ihnen so oft kritisiert worden ist, ist die erste Koalition, die das im Parlament auf den Weg gebracht hat. Dazu brauchten wir auch gar kein Ministerium. Wir haben das entwickelt. Nur Mut als Parlamentarier! Wir können das! ({4}) Wir wollen dieses Land sichern vor dem, was die FDP fördert, nämlich der Macht der IT-Großkonzerne. ({5}) Wir wollen kein System von Google. Wir wollen kein System von Microsoft. Wir wollen eine souveräne IT-Plattform für Deutschland, bei der Landwirte, landwirtschaftliche Unternehmen, Landmaschinenhersteller und das Volk als Souverän dazu in der Lage sind, transparent Stoffströme zu beurteilen. Dann wird sich auch die unselige Messstellendiskussion erledigt haben, weil wir nämlich wissen werden, wer zu welchen Bedingungen erzeugt hat. Das ist unser Ansatz: eine IT-Plattform eines souveränen Staates. ({6}) Wir haben in diesen Haushalt jetzt schon 22,5 Millionen Euro eingebracht. Das ist Ihnen vermutlich entgangen; das Geld ist aber da. Ich möchte die Gelegenheit dazu nutzen, mich einmal bei der IT-Abteilung des BMEL herzlich zu bedanken. Angeführt von einer toughen Wissenschaftlerin, bringen die da richtig was auf die Kette. Das ist auch die Unterabteilung des BMEL, die ausnahmslos alles Geld ausgibt. Im Mai werden wir die Grundkonstruktion der Masterplattform haben. Ich sage Ihnen: Wenn wir das abgeschlossen haben, dann wird dieser Finanzminister das Geld zur Verfügung stellen, um eine IT-Plattform für Deutschland in wesentlich größerem Maße bereitzustellen. Wir werden Transparenz und Offenheit haben. ({7}) Thema Volkswirtschaft. Wir haben gemeinsam mit der CDU ein Papier entwickelt. Wir als SPD-Fraktion haben auch ein weit darüber hinausgehendes Papier entwickelt, nämlich zur Frage der Holznutzung. Für uns ist es wichtig, Forst- und Landwirtschaft mit Handwerk zu verbinden, dem größten und eigenständigsten Unternehmenszweig in Deutschland. Wir wollen, dass Holz als CO2-Senke erhalten bleibt, für die Zimmerleute, für die Tischler, für den Holzinnenausbau, für die Konstruktionswerkstoffe. Statiker und Architekten, wir wollen sie alle mit an Bord haben, um die CO2-Senke Holz für die nächsten 50, 60 Jahre erhalten zu können. Wir haben in dieses Programm – das ist den meisten vielleicht entgangen – 1 Milliarde Euro eingespeist. Ich finde, dieser Haushalt setzt wirklich Marken und verändert die Bundesrepublik Deutschland, ich glaube, zum Guten. Herzlichen Dank. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Rainer Spiering. – Nächster Redner: Artur Auernhammer. ({0})

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Recht: Die Fanmeile draußen wird heute zur großen Traktorenmeile. Bäuerinnen und Bauern sind tagelang unterwegs, haben sich auf den Weg nach Berlin gemacht, weil sie ein großes Ziel haben: Sie wollen mit der Politik reden. Sie wollen mit uns reden, weil sie das, was hier im Deutschen Bundestag teilweise verkündet wird, nicht mehr verstehen. ({0}) Bauern zerstören die Landschaft, Bauern vernichten Arten, Bauern verseuchen unser Wasser – das sind Worte, die hier im Deutschen Bundestag gesprochen werden. Ich bitte Sie, gerade die Fraktion der Grünen – Sie sind gerade mit noch sechs Kolleginnen und Kollegen hier –: ({1}) Gehen Sie raus, reden Sie mit den Bäuerinnen und Bauern! Machen Sie hier nicht große Töne, sondern reden Sie mit den Bauern! ({2}) Hier große Töne spucken ist das eine; politisches Handeln ist das andere. Über Bereiche, in denen Sie Verantwortung haben, wollen die Bauern mit Ihnen mehr reden. ({3}) Das ist Anliegen der Aktion „Land schafft Verbindung“. Ich danke allen Bäuerinnen und Bauern, die heute hier in Berlin unterwegs sind. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei einem Thema verstehe ich keinen Spaß, nämlich wenn die Interessen der Bäuerinnen und Bauern missbraucht werden, um sich parteipolitisch zu profilieren, wie es die FDP in den letzten Wochen gemacht hat: ({5}) Sommerinterviews geben zum Ausstieg aus der ersten Säule, große Töne bei der Umschichtung spucken, schnell einen schlechten Antrag vorbereiten, nur um hier Stimmung zu machen. ({6}) Diese Partei, die für Subventionsabbau und Weltmarkt steht, hat sich aus der Regierung gestohlen. Ich bin heute so weit, dass ich sage: Danke, dass ihr nicht in der Regierung dabei seid. ({7}) Ich danke auch der Bundesministerin Julia Klöckner und allen Berichterstattern im Haushaltsausschuss für diesen Haushalt. Es ist ein guter Haushalt. Er zeigt vieles auf, bei dem wir sagen können: Ja, wir stehen zur Landwirtschaft und zum ländlichen Raum, aber auch zu den Herausforderungen des Klimawandels und der Ernährung. Ich möchte das Thema Wald ansprechen. Viele von Ihnen waren im Sommer unterwegs und haben im Wald Bäume umarmt; ich hoffe, die Bäume haben es überlebt. ({8}) Wir müssen in der Waldpolitik neue Wege gehen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir neue Baumarten im Wald brauchen. Wir müssen aber auch darüber nachdenken, wie wir die Bäume bzw. das Holz nutzen können. Nur ein Hinweis: Im Wald wachsen keine Balken und Bretter, sondern Bäume. Das heißt auch, dass wir Holzabschnitte und dergleichen der energetischen Verwertung zuführen müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Klimawandel ist ein Thema, das uns alle bewegt, aber in erster Linie die Bäuerinnen und Bauern sowie die Waldbauern; ({9}) denn sie sind betroffen. Deshalb ist es teilweise unerträglich, wenn hier noch welche sitzen, die den Klimawandel leugnen, ({10}) die den Klimawandel nicht akzeptieren und die Herausforderungen nicht angehen wollen. ({11}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden in den nächsten Wochen, Monaten und auch Jahren eine intensive Diskussion darüber führen, wie die neue Agrarreform, wie die Gemeinsame Agrarpolitik aussehen soll. Da müssen wir einen Fokus darauf legen, wie wir unsere Bäuerinnen und Bauern gerade in den kleinen und mittleren Betrieben unterstützen, und wir müssen einen Fokus darauf legen, wie sich unser ländlicher Raum entwickelt. Ich bin dankbar, dass in diesen Haushalt auch wieder Mittel für den ländlichen Raum, für BULE und dergleichen, eingestellt sind. Hier haben wir wirklich eine Hausaufgabe zu machen. Die ländlichen Räume müssen uns am Herzen liegen; ({12}) denn jeder Mensch, der gerne im ländlichen Raum lebt, ist froh, wenn es da noch Bäuerinnen und Bauern gibt, die täglich ihre Arbeit machen. Dörfer mit Bäuerinnen und Bauern tragen dazu bei, dass Kultur auf dem Land entsteht; Bäuerinnen und Bauern engagieren sich aktiv in der Dorfgemeinschaft. Wenn die FDP der Meinung ist, dass sie dieser Debatte nicht mehr folgen muss, ({13}) dann ist das bezeichnend für das Verhalten der FDP in dieser Diskussion. ({14}) Ich danke Ihnen. ({15})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Artur Auernhammer. – Nächster Redner: Uwe Schmidt für die SPD-Fraktion. ({0})

Uwe Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004878, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Moin, Frau Präsidentin!

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Moin! ({0})

Uwe Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004878, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Lebensmittelskandal jagt den nächsten: Mineralöl in Babymilchpulver, lebende Käfer in Teebeuteln, Wilke-Wurst und – ganz aktuell; auch unappetitlich – Darmbakterien auf jeder zweiten Hähnchenfleischprobe ({0}) – ich habe Sie nicht verstanden, aber das war, glaube ich, auch nicht schlimm –, ({1}) um nur einige zu nennen. Diese Fälle haben unterschiedliche Gründe, aber einer davon ist sicherlich die Nichteinhaltung von Standards bei der Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern; die sind hier heute noch gar nicht vorgekommen. Bei amtlichen Kontrollen von Schlachthöfen in NRW wurden in über 90 Prozent der Betriebe Mängel festgestellt, vor allem beim Arbeitsschutz und bei der Arbeitszeit. ({2}) Das schadet aber nicht nur den Beschäftigten vor Ort – Rainer Spiering hat es gerade eben schon angedeutet –, es beeinträchtigt auch die Einhaltung von Hygienevorschriften und gefährdet damit die Gesundheit von uns allen. – Mit Hygiene kennen Sie sich ja gut aus. ({3}) Wer so mit seinen Beschäftigten umgeht, der interessiert sich anscheinend für nichts außer für Profitoptimierung. ({4}) Deshalb gehören die Arbeitsbedingungen der gesamten Ernährungswirtschaft und damit die Einhaltung der Hygienevorschriften auf den Prüfstand. Hier konnten wir einen ersten Erfolg in den Haushaltsberatungen erzielen: Die von uns geforderte Studie zu den Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft kommt. ({5}) Diese umfassende Aufarbeitung muss bei festgestellten Verstößen eine deutliche Ausweitung der Lebensmittelkontrollen und eine Erhöhung der Bußgelder zur Folge haben. Wir dürfen auch hier nicht zulassen, dass bestehende Gesetze dauerhaft durch Einzelne nicht eingehalten werden, nur weil man die Strafen aus der Portokasse zahlen kann. Das muss ein Ende haben. ({6}) – Ja. – Aber auch in einem anderen Bereich, bei den Saison- und Wanderarbeitern, kommt es immer häufiger zu, vorsichtig gesagt, Unregelmäßigkeiten bei der Arbeitszeit, der Zahlung von Löhnen, aber auch beim Gesundheitsschutz der Beschäftigten vor Ort. Jährlich kommen rund 300 000 Menschen nach Deutschland, um Spargel zu stechen oder Erdbeeren und Gemüse zu ernten. In der Landwirtschaft und im Gartenbau stellen sie rund 60 Prozent der Beschäftigten. Das müssen wir wertschätzen und ihnen ihre zustehenden Rechte auch garantieren. ({7}) Deshalb haben wir uns als SPD in den Haushaltsberatungen erfolgreich dafür eingesetzt, dass die zuständige Berufsgenossenschaft die Beschäftigten direkt vor Ort niederschwellig und auch muttersprachlich beraten kann. ({8}) Arbeitnehmerrechte gelten für alle gleich, egal woher die Kolleginnen und Kollegen kommen. Das muss eine Selbstverständlichkeit sein. Abschließend will ich noch eine Bemerkung in eigener Sache machen. Wir sagen im Norden: Bremens Landwirtschaft ist der Küstenschutz. – Deshalb setze ich mich dafür ein, dass Hafenanlagen zum Schutz der Küsten verstärkt bei der Verwendung der Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ berücksichtigt werden; denn Küstenschutz ist Bevölkerungs-, Umwelt- und Klimaschutz, und der geht uns alle an. Da muss der Bund stärker an der Seite der Bundesländer stehen. Recht schönen Dank. ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Uwe Schmidt. – Letzter Redner in der Debatte: Johann Saathoff für die SPD-Fraktion. ({0})

Johann Saathoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004393, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

– Sie haben jetzt eine Sozi-Überdosis; das müssen Sie aushalten. ({0}) Ich habe auch manchmal eine Überdosis anderer Leute hier im Haus. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Präsidentin! Ich möchte heute die Lage der Fischerei beleuchten. Wir haben im Agrar- und Ernährungsbereich eine ganze Menge Themen zu beleuchten, aber heute hat keiner über Fischerei gesprochen. Ich glaube, es ist an der Zeit, darüber zu sprechen. ({2}) – Herr Haase, Entschuldigung. Aber keiner der Berichterstatter hat über Fischerei gesprochen. – Es fand in der Vergangenheit aus meiner Sicht überhaupt viel zu wenig Bedeutung. Deswegen gehört es in diese Debatte hinein. Die Fischerei gehört nämlich generell nicht gerade zu einer Branche, die verwöhnt ist. Oft mussten die Fischer und deren Familien mit wenig auskommen. In Ostfriesland sagt man: Een lüttje Fisch up Disch is beter, as’n groot Fisch in’t Deep. ({3}) Aber die Fischerei ist wichtig, meine Damen und Herren – wichtig als Wirtschaftsfaktor über die einzelnen Wertschöpfungsstufen, wichtig für gesunde Ernährung in Deutschland, aber auch wichtig – um das nicht zu vergessen – für den Tourismus. Stellen Sie sich zum Beispiel vor: Sie haben einen Fischerhafen, und am Ende gibt es dort überhaupt keine Fischerei mehr. Die Touristen würden nicht mehr kommen. Von daher ist es wert, dass wir uns darum kümmern. ({4}) Aktuell ist die Lage schwieriger denn je und mit ganz vielen Ungewissheiten verbunden. Der Brexit hängt wie ein Damoklesschwert nun schon seit Jahren über der Fischerei in der Nordsee. Am 12. Dezember dieses Jahres sind Neuwahlen in Großbritannien. Abgesehen davon, dass das ganze Verfahren zum Brexit einer Demokratie eigentlich unwürdig erscheint, ({5}) wissen unsere Fischer nicht, ob und wie lange sie 2020 noch in britischen Gewässern fischen können. Gleichzeitig mussten die Fangquoten für die Ostsee massiv gekürzt werden. Beim Dorsch ist die Sterblichkeit aufgrund von Umweltbelastungen dreimal so hoch wie die fischereiliche Sterblichkeit. Kein anderer Fischbestand in europäischen Gewässern befindet sich in einer solchen Lage. Die Fangmöglichkeit für die nächsten Jahre beträgt fast null. Der Dorschbestand bräuchte Jahre, um sich wieder davon zu erholen. Viele Fischereibetriebe in der Ostsee stehen vor dem Aus. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Tragödie an der Küste. Mit dem vorliegenden Haushalt wollen wir die massiven Veränderungen wenigstens finanziell abfedern. Aber auch um andere Fischerei, nicht nur um Dorsch- und Heringsfischerei, werden wir uns kümmern müssen. In Zukunft werden wir die Unbilden auch von der Krabbenfischerei abhalten müssen. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei unseren Haushältern, insbesondere bei Ulli Freese, dafür bedanken, dass es uns gelungen ist, hier eine Abfederung vorzunehmen und für die Menschen finanzielle Sicherheit zu schaffen. ({6}) Wir unterstützen das Landwirtschaftsmuseum ({7}) – das Landwirtschaftsministerium dabei, dass die Gelder auch sinnvoll verwendet werden können. Bislang gab es nur einen Vorschlag für die Hilfe beim Ostdorsch. ({8}) – Haben Sie sich noch nie versprochen in Ihrem Leben? ({9}) – Sie können ja gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie wollen, Herr Protschka. ({10}) Bislang gab es nur einen Vorschlag für die Hilfe beim Ostdorsch. Die Ministerin ({11}) hat sich persönlich in Brüssel dafür eingesetzt, dass das erweitert wird. Letzte Woche haben wir den Bescheid bekommen, dass es auch auf den Westhering und den Westdorsch übernommen wird. Wir sind ja nicht in allen Themen einer Meinung, Frau Klöckner – das kann man, glaube ich, so sagen –, aber an dieser Stelle bedanke ich mich ganz herzlich bei Ihnen und auch bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihren Einsatz für die Fischer in Deutschland.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Saathoff, Ihre Redezeit.

Johann Saathoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004393, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, abschließend sagen zu können, dass es Zeit wird für eine Strukturkonferenz Fischerei; denn die Situation ist wirklich besorgniserregend. Ich würde mich freuen, wenn das aufgenommen werden würde und wir damit den Fischern helfen könnten. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Halt, stopp, wie immer darf ich, aus Süddeutschland kommend, Sie bitten, uns Ihre friesischen Weisheiten zu übersetzen.

Johann Saathoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004393, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ich dachte, wir hätten keine Zeit mehr. Das mache ich ganz gerne: Ein kleiner Fisch auf dem Tisch ist immer noch besser als ein großer Fisch im Kanal.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen herzlichen Dank. ({0})

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Landsleute! Vor allen Dingen: Liebe Bauern am Brandenburger Tor! ({0}) Auch dieser Haushalt entspricht nicht dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. So wie in den letzten Jahren wird Geld für sinnlose und teilweise selbstzerstörerische Unterfangen ausgegeben. Die ganze Welt wird großzügig mit dem von deutschen Arbeitnehmern hart erarbeiteten Steuergeld beschenkt. Im Gegensatz zu den meisten Regierungen dieser Erde steht für Sie das Wohl und Wehe des eigenen Volkes ganz hinten an. Deswegen möchte ich Sie noch einmal höflich darauf hinweisen, dass Sie nicht von teilweise korrupten Staatsmännern, Lobbyvereinigungen und Nichtregierungsorganisationen, sondern von einem zwar zum Glück immer kleiner werdenden Teil des deutschen Volkes gewählt worden sind. Deswegen ist es Ihre Pflicht und Schuldigkeit, zuvorderst die Interessen des deutschen Volkes zu vertreten. ({1}) Mit den Ausgaben für Ihre sogenannte Klimaschutzpolitik verschwenden Sie auch in den nächsten Jahren Hunderte Millionen Euro des deutschen Steuerzahlers, ohne dass es dafür eine wissenschaftliche Begründung gibt. Ihre Rechtfertigungen sind Computermodelle zum Klimawandel, die erstens komplett versagen, weil die vorhergesagten Temperaturen und die real gemessenen Daten immer weiter auseinanderdriften und von denen der sogenannte Weltklimarat, der IPCC, selbst weiß, dass sie zukünftige Klimazustände nicht errechnen können. Im dritten IPCC-Bericht heißt es: Wir müssen erkennen, dass es sich beim Klima um ein chaotisches, nichtlineares System handelt und deshalb Vorhersagen zu künftigen Klimazuständen nicht möglich sind. – Auch die über zig Jahre andauernde, mit vielen Milliarden Euro auch aus dem Bundeshaushalt finanzierte Forschung hat keinen einzigen Beweis erbringen können, dass der Mensch mit seinen CO2-Emissionen das Klima maßgeblich beeinflusst. ({2}) Und selbst wenn Ihre Theorie stimmte, würde Deutschland bei einer Reduzierung seiner CO2-Emissionen in Jahresfrist ({3}) die theoretische Temperaturerhöhung um 0,000653 Grad Celsius verringern. ({4}) Für diesen aberwitzig geringen Wert auch nur einen einzigen Cent auszugeben, ist Verrat am deutschen Steuerzahler. Diese unsinnige Weltuntergangstheorie ist aber Ihre Begründung für eine gnadenlose Ausplünderung der Menschen, für die Zerstörung von über Jahrhunderte geschaffenen Kulturlandschaften, für die Vernichtung unserer wirtschaftlichen Grundlagen und für die Drangsalierung von selbstständigen Arbeitnehmern und Bauern. Gerade die Bauern, die mit ihrer Hände Arbeit täglich für gesunde Lebensmittel sorgen, machen Sie für Folgen verantwortlich, die Sie selbst zu verantworten haben. Der Rückgang von Insekten und Vögeln, die diese als Nahrung nutzen, ist zu einem nicht unerheblichen Teil Ihrer unsinnigen Energiewende geschuldet. ({5}) Da Sie davon ausgegangen sind, dass sich die deutschen Bauern sowieso nicht wehren, haben Sie sie als Sündenböcke auserkoren. Wie sehr Sie sich bei dieser Einschätzung geirrt haben, können Sie heute sehen. ({6}) Die Bauern stehen auf, und ich hoffe sehr, dass die Arbeitnehmer der Auto- und Schwerindustrie, der chemischen und vor allen Dingen der Stromindustrie und alle anderen Menschen ihre Stimme erheben und gegen diesen ideologischen Unsinn aufbegehren werden. Noch können Sie diese mit Ihrer auf allen Kanälen und zu jeder Zeit laufenden pseudowissenschaftlichen Verdummungskampagne für noch höhere Steuern, für noch mehr Umweltzerstörung, für die Hinnahme des Verlusts ihres Arbeitsplatzes gefügig machen. Offensichtlich braucht es in diesem Land ein neues Zeitalter der Aufklärung. ({7}) Dieses Zeitalter hat mit dem Einzug der AfD in alle Landesparlamente und in den Bundestag begonnen. Lassen Sie sich noch eines mit einem Zitat von Abraham Lincoln gesagt sein: Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Würden Sie Ihren Button mitnehmen, bitte. – Danke schön, Herr Hilse. Vielen Dank. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Andreas Schwarz. ({0})

Andreas Schwarz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004407, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als der liebe Gott die Schöpfung, die Welt und auch den Menschen erschaffen hat, Herr Hilse, war er müde. Das entschuldigt manches. ({0}) Meine Damen und Herren, wer lange genug in der Politik ist, weiß: Selten kann man mit dem Erreichten so richtig zufrieden sein. Ich will ganz klar sagen: Der Kompromiss ist unverzichtbar in der Demokratie. John F. Kennedy hat es auf den Punkt gebracht, als er – das passt auch zur Debattenlage in unserem Land – einmal gesagt hat: „Einen Vorsprung im Leben hat, wer da anpackt, wo die anderen erst einmal reden.“ Wenn ich aber auf den Einzelplan von Bundesumweltministerin Svenja Schulze blicke, dann kann ich meinen Kollegen vor allen Dingen von der Union nur eines sagen: Ingo Gädechens, das haben wir ordentlich hingekriegt, und das war auch gut so. ({1}) Und warum ist das so? Der Haushalt des Umweltministeriums wurde in den letzten beiden Jahren bereits deutlich besser ausgestattet als in der Vergangenheit. Mit dem Haushalt 2020 haben wir die Situation nochmals deutlich verbessern können. Gerne verrate ich Ihnen auch, wie wir das geschafft haben. Die Ausgaben im Einzelplan 16 steigen von 2,28 Milliarden auf nahezu 3 Milliarden Euro. Da sind auch viele Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz enthalten. Wir sollten zudem nicht vergessen: Obendrauf kommen ressortübergreifende und milliardenschwere Maßnahmen aus dem Energie- und Klimafonds. Gerne plaudere ich hier einmal aus dem Nähkästchen. Erstens. Wir verstärken das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 und den Klimaschutzplan 2050 um zusätzliche 7 Millionen Euro. Zweitens. Die Mittel für die Europäische Klimaschutzinitiative werden um 9 Millionen Euro erhöht. Drittens. Die Mittel für die „Exportinitiative Umwelttechnologien“ zur Förderung des Exports grüner und nachhaltiger (Umwelt-) Infrastruktur erhöhen wir sogar von 10 Millionen auf 15 Millionen Euro. Und ist es das schon gewesen? Ministerin Svenja Schulze und ich und auch mein Kollege Andi Mattfeldt von der Union, wir teilen eine große Leidenschaft, und zwar ist es der Kampf gegen die Vermüllung unserer Meere mit Plastik. Wir konnten bereits im letzten Haushalt ein Meeresmüllbekämpfungsprogramm auflegen, das richtig gut anläuft. Und wenn etwas funktioniert – never change a winning system –, dann stärken wir Haushälter dieses System natürlich, und wir satteln hier nochmals 15 Millionen Euro in den kommenden Jahren drauf. ({2}) Auch bei den Investitionen in den Klimaschutz im Ausland werden wir unseren internationalen Verpflichtungen nachkommen. Auch hier werden 100 Millionen Euro zusätzlich hineinfließen. Liebe Svenja Schulze, es gibt Fraktionen im Bundestag, die reden nur vom Klima- und Umweltschutz. Wir können für uns beanspruchen: Wir machen den sogar. Was können Menschen und Natur von uns noch erwarten? Erstens. Artenschutz steht bei uns in Deutschland ganz vorne. Das Bundesprogramm Biologische Vielfalt und damit verbundene Insektenschutzprogramme wurden bereits im Entwurf von Olaf Scholz um 8 Millionen Euro gestärkt, und in der nächtlichen Bereinigungssitzung konnten wir noch 2 Millionen Euro obendrauf packen. ({3}) Zweitens. Wir verdoppeln die Mittel für den Wildnisfonds von 10 Millionen auf 20 Millionen Euro. Ich freue mich – viele Kolleginnen und Kollegen sprachen mich darauf an –, dass wir es jetzt geschafft haben, das Blaue Band bis 2023 ordentlich auszufinanzieren. Noch ganz kurz einige Worte zum EKF. Das größte Projekt des Bundesumweltministeriums, eine CO2-freie Industrie, wächst jetzt von 15 Millionen auf 80 Millionen in 2020 und in den kommenden Jahren sogar auf 626 Millionen Euro. ({4}) Das ist ein Meilenstein in der Umstellung unserer Industrie und auch aktive Industriepolitik. Aber wir investieren auch einen hohen zweistelligen Betrag in unsere Wälder und in unsere Moore, beides unverzichtbare Elemente beim Erreichen unserer Klimaziele. Meine Damen und Herren, noch ein tolles Programm zum Schluss. Diese Nachricht ist eine besondere Freude für mich, auch vor dem Hintergrund, dass ich einmal Bürgermeister war. Mit dem Kollegen Andreas Mattfeldt konnte ich erreichen, dass wir im EKF 100 Millionen Euro in die Zukunft, in die Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel investieren. Hier erwarten wir natürlich vom Bundesinnenministerium eine zügige und unbürokratische Umsetzung. Nicht nur die Bürgermeister in Deutschland freuen sich auf dieses Programm, sondern auch die Menschen in den Städten und Gemeinden werden hier letztendlich mitgenommen. Man sieht: Wir gehen mit Mut und Tatkraft an die Umweltpolitik, wir arbeiten nicht mit Angst. Und man merkt: Politik kann so furchtbar praktisch sein. Danke schön. ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Andreas Schwarz. – Nächste Rednerin: Ulla Ihnen für die FDP-Fraktion. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Getrieben von der Fridays-for-Future-Bewegung, hat der Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition vor zwei Wochen eine ganze Reihe an Gesetzen und Maßnahmen, das sogenannte Klimapaket, beschlossen. Aber dieses Klimapaket ist aus unserer Sicht einfach nur mit heißer Nadel gestrickt worden, sonst hätte man es sicherlich ordnungsgemäß mit dem gesamten Haushalt vorgelegt. Denn natürlich hat das Klimapaket Auswirkungen auf den Haushalt. Für uns ist in dem Klimapaket bis heute kein Konzept erkennbar. Der Gestaltungswille oder eine Vision für unsere Zukunft fehlen. Die Klimapolitik der Bundesregierung erinnert uns ein bisschen an den Satz von Karl Popper. Der hat nämlich geschrieben: „Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produziert stets die Hölle.“ ({0}) Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass Klimaschutz, so wie er im Moment angelegt ist, uns nicht in die Hölle führt. Vielmehr haben wir viele Dinge dabei zu berücksichtigen und wieder auf den richtigen Weg zu bringen. ({1}) Gelder für den Klimaschutz sind im Haushalt überwiegend im EKF zu finden. Aber wer da den großen Wurf erwartet, der wird enttäuscht. Was uns vorliegt, ist ein größerer Fonds als zuvor, der aber unter den gleichen strukturellen Problemen leiden wird wie bisher: Er ist ein Sammelsurium von Maßnahmen, und die am EKF beteiligten Ministerien werden auf einem guten Teil des Geldes sitzen bleiben. Denn es wird genauso sein wie bisher: Es ist viel Geld eingestellt, aber die Maßnahmen greifen nicht, und das Geld fließt nicht ab. Es gibt einige zaghafte positive Ansätze, zum Beispiel den Einsatz von Wasserstoff oder neuer Technologie wie Power to X, ({2}) die aus unserer Sicht aber viel entschiedener vorangetrieben werden müssen, zum Beispiel mit unserem Antrag, den wir vor Kurzem eingebracht haben: Wasserstoff ist das neue Öl. ({3}) Auch dieser schöne Satz „Wasserstoff ist das neue Öl“ wurde kürzlich, nach zwei Wochen, von Frau Karliczek adaptiert, wenn ich das so sagen darf. Für den Klimaschutz, den Sie federführend mit verantworten, Frau Ministerin, wird das beschlossene Klimapaket, glauben wir, nicht allzu viel bringen, weil es aus unserer Sicht ein ineffizientes Stückwerk ist, Maßnahmen sich widersprechen. Den Mut, einen echten Emissionshandel mit einer CO2-Obergrenze auf den Weg zu bringen, hat die Große Koalition leider nicht aufbringen können. ({4}) Doch genau das hätte es für einen effizienten Klimaschutz gebraucht. ({5}) Dafür aber bekommt das Bundesumweltministerium 288 neue Stellen – ein Aufwuchs von 7,6 Prozent. Ob die Umwelt davon wirklich profitiert, werden wir sehen müssen. ({6}) Sehr geehrte Frau Ministerin, der Bericht des Bundesrechnungshofs zum Umgang mit externen Beratungsleistungen in Ihrem Hause hat uns allen die Augen geöffnet. Ich möchte darauf eingehen, weil ich auch zu den damaligen Fragestellern gehört habe. Wir gehen also fortan davon aus, dass Sie künftig – anders als bisher – dem Parlament mitteilen, wenn Sie externe Beratung in Anspruch nehmen. Wir gehen nicht nur davon aus, dass auf parlamentarische Anfragen künftig korrekt geantwortet wird, und wir gehen auch nicht nur davon aus, dass Sie uns die Liste der Aufträge zwischen 2014 und 2018 noch nachliefern, sondern dass Sie bei so viel mehr eigenem Personal in der Zukunft generell häufiger auf externe Berater verzichten werden. ({7}) Frau Ministerin, Sie müssen noch viel häufiger den Mut beweisen und überflüssige und schlecht laufende Programme notfalls streichen. Das haben wir Ihnen mehrfach vorgeschlagen. Das Umweltressort leidet in besonderem Maße unter einem Umsetzungsdefizit und damit unter einem mangelhaften Mittelabfluss. Jedes Jahr weist Ihr Haushalt erhebliche Mittelreste auf. Aber auch widersprechende Dinge finden wir. Gerade eben hat der Kollege Spiering für die CO2-Senke des Waldes geworben. Gleichzeitig erhöht die GroKo die Mittel für den Wildnisfonds um das Doppelte, um 10 Millionen Euro. Der Wildnisfonds führt aber dazu, dass CO2 emittiert wird. Wie ist das unter einen Hut zu bringen? So gibt es viele Dinge bei dem Thema Klimawandel, die bereinigt werden sollten. Uns fehlt massiv etwas zum Thema Klimaanpassung. Ich möchte noch ein Projekt erwähnen, den Lärmblitzer, der gerade in Paris getestet wird, den Hannover jetzt auf den Weg gebracht hat, den Sie nicht übernommen haben. Technologieoffenheit fehlt in Ihrem Haushalt. Vielen Dank. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Ulla Ihnen. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion der schon gelobte Ingo Gädechens. ({0})

Ingo Gädechens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004036, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Umwelt- und Naturschutz ist ein Hauptthema in der Gesellschaft, hochaktuell. Eigentlich hätte dieses Thema größere Aufmerksamkeit hier auch im Plenarsaal verdient. Aber Sie haben vorhin beim Wechsel des Einzelplans gemerkt, dass viele Kolleginnen und Kollegen rausgegangen sind, um zu den Bäuerinnen und Bauern zu gehen, ({0}) die sich in vielfacher Hinsicht auch als Naturschützer sehen, die auf Tierwohl achten, ({1}) und wo es sehr viele Parallelen zu dem Einzelplan 16 gibt, über den wir heute noch einmal diskutieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur aus monetärer Sicht ist heute ein guter Tag für unsere Umwelt. Mit einer Gesamtsumme von fast 3 Milliarden Euro verzeichnen wir, wie schon in den vergangenen Jahren, einen rasanten Anstieg bei den Haushaltsmitteln. Noch deutlicher ist dieses Plus im sogenannten Energie- und Klimafonds, den mein Kollege Andreas Schwarz schon anführte, in dem wir circa 9 Milliarden Euro ausschließlich für Maßnahmen gegen den Klimawandel zur Verfügung stellen. Dieser Haushalt ist erneut ein Beleg dafür, dass die regierungstragenden Fraktionen der Verantwortung für Umwelt und Natur gerecht werden, ohne sich an künftigen Generationen durch eine Politik der Verschuldung zu vergehen. In den Haushaltsberatungen haben wir verschiedene Maßnahmen des Umwelt- und Naturschutzes nachhaltig gestärkt. Für die Union möchte ich exemplarisch auf zwei Themenfelder eingehen, die uns sehr am Herzen liegen. Ich als Schleswig-Holsteiner, als Kind der Küste, bin froh, dass es einen breiten politischen Konsens gibt, dass Plastikmüll in den Gewässern, ob in Flüssen oder in Meeren, absolut nichts zu suchen hat. In Deutschland gelingt das immer besser, auch mit Aktionen wie „Fishing for Litter“. Ein Blick auf andere Teile der Welt offenbart aber, dass das Plastikmüllproblem eher größer als kleiner wird. Daher war es eine gute Entscheidung von CDU/CSU und SPD im Rahmen der Haushaltsberatungen im letzten Jahr, ein eigenes Förderprogramm für den deutschen Technologieexport gegen Plastikvermüllung von Gewässern aufzusetzen. ({2}) Mit diesem positiven Ansatz schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits werden wir wieder ein Stück mehr unserer Verantwortung als führende Wirtschaftsnation für weltweite Verbesserung im Bereich von Umwelt- und Naturschutz gerecht. Wir leisten einen konkreten Beitrag gegen die Plastikflut an Orten, wo dieser Müll absolut nicht hingehört. Andererseits stärken wir unsere heimische Abfallwirtschaft – wir stärken ihr den Rücken –, die weltweit in vielen Bereichen führend ist. Es ist richtig, das Programm zu verstetigen. Dazu haben wir in den Haushaltsberatungen – die Zahl wurde bereits genannt – 15 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Meine Damen und Herren, es freut mich sehr, dass das Umweltministerium die Anregung des Fach- und auch des Haushaltsausschusses bereitwillig aufgenommen hat und seit einem Jahr bei der Umsetzung des Programms Vollgas gibt. Es ist ja kein Geheimnis, dass Projekte aus der Fachpolitik, aber auch aus dem Haushaltsausschuss nicht immer auf Gegenliebe des Ministeriums stoßen, weil man da manchmal ganz eigene Ideen entwickelt. In diesem Fall gehen wir aber im Gleichschritt in die richtige Richtung. Vor allen Dingen ist im Ministerium Power zu spüren. Dafür danke ich sehr herzlich nicht nur der Ministerin, sondern auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium, die zu diesem Projekt eine große Affinität entwickelt haben. ({3}) Meine Damen und Herren, eine weitere richtige Entscheidung ist die Stärkung des Bundesprogramms „Blaues Band Deutschland“. Mit diesem Programm werden Flüsse und Auen renaturiert. Damit schaffen wir alte und neue Lebensräume für die Tier- und Pflanzenwelt unserer Gewässerlandschaften und setzen zugleich neue Akzente für Freizeit und Erholung. An dieser Stelle könnte noch eine ganze Reihe weiterer Entscheidungen angeführt werden. So stärken wir den Wildnisfonds und das Programm zum Export grüner und nachhaltiger Infrastruktur. Auch im Bereich des Bundesprogramms Biologische Vielfalt ist es gelungen, die Mittel im Vergleich zum Regierungsentwurf zu erhöhen. All diese Entscheidungen zeigen, dass gerade für die Union der Umweltetat ein Schwerpunkt ist. Wir unterstützen immer dort besonders gerne, wo mit dem Einsatz von Steuermitteln konkrete und sichtbare Verbesserungen für die Umwelt erzielt werden können. Diesem Grundsatz bleiben wir auch in Zukunft treu, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({4}) Zum Abschluss möchte ich noch in der gebotenen Kürze auf den Bericht des Bundesrechnungshofes zu externen Beratungsleistungen im Bereich des Umweltministeriums zu sprechen kommen. Die Arbeit des Bundesrechnungshofes ist für uns Abgeordnete im Fachausschuss und ganz besonders im Haushaltsausschuss von unschätzbarer Bedeutung. Mehrere Anregungen des Rechnungshofes haben wir in den Beratungen aufgenommen und im Haushaltsgesetz verankert. Von besonderem Gewicht ist ein aktueller Bericht zu externen Beratungsleistungen im Bereich des Umweltministeriums. Darin wirft der Rechnungshof dem Ministerium unter anderem vor – ich finde, das ist ein schwerwiegender Vorwurf –, externe Beratungsleistungen verschwiegen und dem Parlament auf entsprechende Anfragen falsche Auskünfte erteilt zu haben. ({5}) Für mich als Mitglied im Haushaltsausschuss, der, wie wir alle, die Regierung kontrollieren soll, stellen sich zwei zentrale Fragen: Erstens. Wie reagiert das Ministerium, wie reagiert in Person die Ministerin auf diese Kritik? Zweitens. Lässt sich beim Ministerium eine bewusste Täuschungsabsicht gegenüber dem Bundestag feststellen? Im Umgang mit dem Bericht selbst und den Stellungnahmen des Ministeriums habe ich nicht den Eindruck gewonnen, dass wir als Abgeordnete bewusst und absichtlich getäuscht werden sollten. ({6}) Vielmehr scheint es im Kern um eine Auslegungsfrage zu einer offensichtlich schwammigen Definition zu gehen. Zugleich haben Sie, Frau Ministerin, in der Bereinigungssitzung deutlich zugesagt, die Kritik des Rechnungshofes sehr ernst zu nehmen und die Verwaltungspraxis in Ihrem Haus diesbezüglich grundlegend auf den Prüfstand zu stellen. ({7}) Nach diesen Aussagen bin ich der festen Überzeugung ({8}) – Sie können es auch gerne sein –, dass die Überweisung des Berichts in den Rechnungsprüfungsausschuss richtig ist. Dort besteht die Gelegenheit, tiefer in die Details einzusteigen. So kann eine Lösung entwickelt werden, die dem berechtigten Informationsverlangen des Parlaments Rechnung trägt und gleichzeitig dem Umweltministerium, aber auch allen anderen Häusern praktische und umsetzbare Richtlinien zur Abgrenzung von externen Beratungsleistungen an die Hand gibt. ({9}) Einen Untersuchungsausschuss, wie von Ihnen, insbesondere der Fraktion der AfD, hochstilisiert, brauchen wir an dieser Stelle nicht. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Große Koalition legt mit dem Einzelplan 16 einen überzeugenden Entwurf für das Budget des Umweltministeriums vor. Wir werden unserer Verantwortung für die wichtigen Aufgabenbereiche des Ministeriums gerecht und setzen klare politische Akzente. Damit sind wir gut aufgestellt für die Zukunft in den Bereichen Klima-, Umwelt- und Naturschutz und auch in der Abwicklung der friedlichen Nutzung der Kernenergie, die immer wichtiger wird. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({11})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit den Beschlüssen des sogenannten Klimakabinetts vor einigen Wochen ist die Hoffnung auf ein rigoroses Umsteuern der Bundesregierung in der Klimapolitik aus unserer Sicht gestorben. Stattdessen ist der Frust in der Gesellschaft größer geworden. Lieber Kollege Schwarz, auch das haben wir offensichtlich ordentlich hingekriegt. Der Anteil des Umweltetats am Gesamthaushalt 2020 bleibt mit lediglich 0,6 Prozent signifikant niedrig. Er wird in der Finanzplanung des Bundes bis 2023 auch nicht wesentlich verändert. Dies ist definitiv kein Signal für eine nachhaltige Umwelt- und Klimapolitik, ({0}) auch dann nicht, wenn Sie, verehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank, noch so vehement erklären, dass Sie jetzt aus anderen Töpfen Gelder ausgeben wollen. Allein der Energie- und Klimafonds ist so undurchsichtig wie eh und je, und wir Linke haben das, seitdem er existiert, auch immer kritisiert. Im Übrigen werden mehr als 60 Prozent des Energie- und Klimafonds im Wirtschaftsministerium verwaltet und nicht im Umweltministerium. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion Die Linke hat für die dritte Lesung zwei Entschließungsanträge vorbereitet und eingebracht. ({1}) – Ja, ach, du Schreck. ({2}) Der eine würde die größten Schnitzer auf den Gebieten Lärmschutz, biologische Vielfalt, Waldumbau und Altlastenentsorgung beseitigen – dazu wird mein Kollege Lenkert nachher ausführlicher vortragen –; ({3}) der andere plädiert für eine umweltverträgliche End- und Zwischenlagerpolitik in Bezug auf die Schatten der Atomwirtschaft, die wir uns in der Vergangenheit geleistet haben. Die Ängste in weiten Teilen der Bevölkerung zu diesem Thema müssen wir ernst nehmen. ({4}) Auch in meinem Wahlkreis erlebe ich neuerdings Bürgerinnen und Bürger, die Ängste und Befürchtungen haben. ({5}) Besonders im Bereich radioaktiver Abfallbeseitigung ist der Umweltetat mit 53 Prozent in hohem Maße gefordert. Andererseits müssten wir alle durch den Bericht des Bundesrechnungshofes zu Asse II zur Kenntnis nehmen, dass das Umweltministerium hier seiner Kontrollverpflichtung in der Vergangenheit nur ungenügend nachgekommen ist. Es ist also nötig, die End- und Zwischenlagerungspolitik so auszugestalten, dass Risikominimierung und Effektivität der Maßnahmen in einem ordnungspolitisch annehmbaren Verhältnis stehen. ({6}) Die immer wieder anstehenden Probleme und Verzögerungen bei der geplanten Inbetriebnahme des Schachts Konrad beweisen seit einiger Zeit, dass der Standort für die dauerhafte Lagerung von radioaktiven Abfällen nicht geeignet ist. Ein Vergleich mit alternativen Standorten, wie er jetzt für hochradioaktive Abfälle neu durchgeführt wird, fehlt für die dauerhafte Lagerung leicht- und mittelradioaktiver Abfälle in Konrad ebenfalls. Hier ist der Neustart für ein Suchverfahren mindestens angezeigt. ({7}) Mit der Beendigung des Projekts Konrad sind nach unserer Auffassung die Mittel für den Salzgitterfonds zu streichen. Die Arbeiten zum Verschluss des ungeeigneten Atommülllagers Morsleben kommen seit Jahren nicht voran, weil wichtige Sicherheitsnachweise fehlen. Wie bei der Asse II könnte eine Rückholung der radioaktiven Abfälle erforderlich sein. Um einen gesellschaftlichen Konsens für das weitere Vorgehen zu erreichen, ist, wie bei der Asse II, auch im Projekt Morsleben eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung dringend erforderlich. ({8}) Und schließlich: Gorleben ist geologisch und aufgrund seiner umstrittenen Geschichte für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle ungeeignet und muss aus dem Suchverfahren ausgeschlossen werden. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Ende meiner Rede möchte ich mich als Hauptberichterstatterin bei den Kolleginnen und Kollegen der Koalition und auch denen der anderen Oppositionsfraktionen für das Vertrauensverhältnis, das wir aufbauen konnten, bedanken. Für die vielen Hintergrundinformationen, auch vom Ministerium, Frau Ministerin, herzlichen Dank. ({10})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner ist der Kollege Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Ministerin Schulze, am 10. September haben Sie hier bei der ersten Lesung zu Ihrem Haushalt gesagt – ich zitiere –: Mit der Einrichtung des Klimakabinetts haben wir in der Bundesregierung ein Versprechen gegeben. 2019 wird das Jahr des Handelns im Klimaschutz, das Jahr der Entscheidungen. Dieses Versprechen wird am 20. September eingelöst. – Man kann hier und heute feststellen: Dieses Versprechen hat die Bundesregierung, dieses Versprechen haben Sie konkret als Umweltministerin gebrochen. ({0}) Denn es geht weiter mit Pillepalle. Die Wissenschaft hat Ihr Päckchen hart kritisiert. Sie haben ein Klimaschutzgesetz vorgelegt, das keine Zähne hat. Sie haben einen CO2-Preis vereinbart, der kaum Wirkung entfalten wird, zudem noch unsozial ist, und Sie als Bundesregierung blockieren gerade den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das, was Sie aktuell in der Bundesregierung planen, das ist kein Kohleausstieg, das ist ein Windausstieg ({1}) mit verheerenden Folgen für Zehntausende Arbeitsplätze. Nicht nur die Umweltverbände, auch der BDI, der VDMA, der DGB und die deutsche Industrie haben hart kritisiert, was die Bundesregierung gerade plant. Das ist eine Bankrotterklärung der Bundesregierung bei der Klimapolitik. ({2}) Frau Schulze, Sie haben die jungen Menschen in Deutschland bitter enttäuscht. Dabei haben Sie als Ministerin am 10. September noch gesagt, dass das Klimaschutzpaket den künftigen Generationen und den protestierenden Jugendlichen wirklich gerecht werden müsse; ein weiteres Mal dürfe Deutschland als Hochindustrieland die Klimaziele nicht reißen. Das ist alles richtig, nur leider haben Sie das nicht eingelöst. Dieses Paket wird dazu führen, dass Deutschland seine Klimaziele 2030 eben nicht einhalten wird. Zu dem, was Sie vorgelegt haben, sagen alle Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und alle, die sich damit auskennen: ({3}) Damit werden Sie das Pariser Klimaziel nicht erreichen; das 1,5-Grad-Ziel ist damit nicht erreichbar. Was Sie hier vorgelegt haben, ist ein offener Bruch mit dem Pariser Klimaschutzabkommen. ({4}) Deswegen ist es gut und richtig, dass diesen Freitag wieder Hundertausende Menschen auf die Straße gehen werden, zum Klimastreik. ({5}) Es ist richtig, dass die Jugendlichen weiter protestieren, weil sie ein Klimaschutzpaket wollen, das gerecht ist, ein Klimaschutzpaket, mit dem die Klimaziele wirklich erreicht werden können. Sie verdienen eine Regierung, die endlich beim Klimaschutz handelt und kein Pillepalle mehr macht. ({6}) Wir brauchen eine Regierung, die Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit verbindet. ({7}) Der CO2-Preis führt aber nicht dazu. Ihr Konzept kann eigentlich gar nichts. Ökonomisch wie ökologisch ist es nicht wirksam und zudem auch noch unsozial. Frau Ministerin Schulze, Sie haben bei der ersten Lesung im Bundestag gesagt, dass fairer und glaubwürdiger Klimaschutz heißt, dass Anstrengungen und Chancen gerecht verteilt werden und einkommensschwache Haushalte entlastet werden müssen. Ja, richtig, nur haben Sie das beim CO2-Preis-Modell eben nicht gemacht. Ich frage mich ernsthaft, wie Sie dem als Umweltministerin zustimmen konnten. Wo ist hier die sozialdemokratische Handschrift? Konkret zeigen zahlreiche Studien, dass Menschen mit hohem Einkommen vom CO2-Preis-Modell überdurchschnittlich profitieren werden, während Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen schlechtergestellt werden. Sie haben die Chance verpasst, ein gerechtes, ein transparentes Rückverteilungskonzept vorzulegen, ein Rückverteilungskonzept mit einem Energiegeld oder einer Klimaprämie, so wie wir es vorgeschlagen haben. ({8}) Sie haben Gerechtigkeit und Klimaschutz gegeneinander ausgespielt. Das ist eine schwere Bürde für den Klimaschutz. ({9}) Noch einmal zum Haushalt. Was Sie hier vorgelegt haben, ist de facto Pillepalle. Man müsste zum Beispiel konkret an die klimaschädlichen Subventionen ran. Ihr eigenes Umweltbundesamt, Frau Ministerin, schreibt es Ihnen jedes Jahr auf: 57 Milliarden Euro Subventionen sind klimaschädlich; da wird aktiv mit Steuergeld die Klimakrise befeuert. Ein Beispiel ist das Dieselprivileg. Ich frage mich schon, warum die Umweltministerin sich nicht dafür einsetzt, das Dieselprivileg zu streichen. Jedes Jahr kostet das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler 8,5 Milliarden Euro, und das, obwohl wir wissen, dass der Diesel die Luft in unseren Städten verschlechtert und für zahlreiche Erkrankungen verantwortlich ist. ({10}) Von einer Umweltministerin erwarte ich, Frau Ministerin, dass sie dazu nicht schweigt, sondern sich konkret mit dem Verkehrs- und dem Finanzminister anlegt. ({11}) Noch absurder ist, dass Sie Anfang November ein Verbot von Plastiktüten im Kabinett beschlossen haben – das begrüßen wir, und ich begrüße auch, dass sich die Kollegen Gädechens und Schwarz gegen die Plastikvermüllung einsetzen –, Sie aber gleichzeitig jedes Jahr die Plastikindustrie, also Plastikverpackungen und Plastikprodukte, mit 780 Millionen Euro Steuergeld subventionieren. 780 Millionen Euro! Frau Schulze, Sie feiern sich hier für ein Plastiktütenverbot, und gleichzeitig schmeißen Sie der Plastikindustrie Millionen an Subventionen in den Rachen. Das kann wirklich nicht wahr sein! Das ist scheinheilig. ({12}) Es ginge natürlich anders – das haben wir als Grüne in den Haushaltsberatungen konkret gezeigt –: Man kann jetzt klimaschädliche Subventionen abbauen, konkret beim Diesel, konkret bei der Flugindustrie, konkret bei Plastiktüten. Man kann jetzt die Niedrigzinsphase nutzen und neue Kredite aufnehmen, um in den nächsten vier Jahren 100 Milliarden Euro in den Klimaschutz zu investieren, für den Wald, für die Verkehrswende, für internationalen Klimaschutz und für Klimaforschung. ({13}) All das muss man jetzt machen. Man muss jetzt klotzen und darf nicht kleckern; denn Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif. Die Bundesregierung darf nicht weiter an der schwarzen Null klammern. ({14})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Ich erteile das Wort der Bundesministerin Svenja Schulze. – Frau Ministerin. ({0})

Not found (Minister:in)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe Anfang des Jahres gesagt: 2019 muss das Jahr des Handelns im Klimaschutz werden. – Auch wenn das Jahr noch ein paar Wochen andauert, glaube ich, kann man jetzt sagen: 2019 ist das Jahr des Handelns im Klimaschutz. ({0}) Wir haben jetzt ein Klimaschutzgesetz, wir haben ein Emissionshandelsgesetz, wir haben umfangreiche Änderungen im Steuerrecht, und wir haben nicht zuletzt diesen Haushalt. Das sind alles Schritte, die Deutschland jetzt im Bereich Klima auf Kurs bringen. Es geht natürlich darum, das 2030-Ziel zu erreichen. Wir wollen 2050 klimaneutral sein. Dazu hat der Bundestag bereits ganz wichtige Beschlüsse gefasst. Jetzt ist der Bundesrat am Zug. Die Grundlinien des Klimapakets sind vollkommen klar: Klimafreundliches Verhalten wird einfacher und billiger, klimaschädliches Verhalten wird jetzt Schritt für Schritt teurer und weniger attraktiv. Dafür nimmt die Bundesregierung richtig viel Geld in die Hand: 54 Milliarden Euro in vier Jahren – 54 Milliarden Euro! –, ({1}) allein 1 Milliarde davon für die Dekarbonisierung der Industrie. Bei allem Respekt, das ist kein Pillepalle. Das ist ein wirklicher Beitrag. ({2}) Es ist übrigens auch ein starker Impuls für Innovationen, für eine dauerhaft gute wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Von einer ehrgeizigen Klima- und Umweltpolitik profitieren nicht erst die kommenden Generationen. Wir alle profitieren schon heute, ({3}) wenn die Luft sauberer wird, wenn die Städte lebenswerter werden, wenn die Natur mit vielfältigen Landschaften intakter wird. Klimaschutz sichert in Deutschland Wettbewerbsfähigkeit. Er sichert Wertschöpfung. Er sichert Arbeitsplätze in Deutschland. Die Ansiedlung von Tesla in Brandenburg ist ein ganz aktuelles Beispiel. ({4}) Tesla ist dahin gegangen, wo die sauberen Energien sind. ({5}) Dem werden weitere folgen. Saubere Energie, zukunftssichere Infrastruktur, nachhaltige Mobilität – das sind Dinge, die inzwischen international zu Wettbewerbsvorteilen werden. ({6}) Viele Akteure auf dem Weltmarkt haben das verstanden. Viele Bürgerinnen und Bürger haben das auch verstanden. Immer mehr von ihnen engagieren sich für den Klimaschutz, für eine saubere und gesunde Umwelt, für den Erhalt der Artenvielfalt, für den Ressourcenschutz. Wir sehen das bei den Jugendlichen von Fridays for Future genauso wie bei ganz vielen Unternehmen, die ihre Produkte, die ihre Wertschöpfungsketten auf Nachhaltigkeit ausrichten. Wir sehen das bei Kommunen, die nachhaltig investieren, genauso wie bei denjenigen in der Finanzwirtschaft, die sich inzwischen für nachhaltige Geschäftsmodelle einsetzen. Wir sehen das auch bei allen, die unsere deutsche Exportwirtschaft als Chance zur Verbreitung grüner Technologien begreifen und diese nutzen. Das Umweltministerium unterstützt dieses vielfältige Engagement mit der Nationalen, mit der Europäischen, mit der Internationalen Klimaschutzinitiative und mit der „Exportinitiative Umwelttechnologien“. Meine Damen und Herren, all das habe ich, haben wir im Gepäck, wenn wir jetzt zur Weltklimakonferenz nach Madrid fahren, die in der kommenden Woche beginnt. Ich kann dort berichten, dass Deutschland die Weichen für mehr Klimaschutz stellt. Das ist deshalb so wichtig, weil ich in Madrid bei den großen Verursachern von Treibhausgasen – bei China, bei Indien, bei Russland und nach wie vor auch bei den USA – dafür werben will, dass sie sich zu mehr Klimaschutz verpflichten. ({7}) Alle UN-Staaten sind aufgefordert, im nächsten Jahr verbesserte Klimaschutzbeiträge vorzulegen. Mehr Ambition – das ist das wichtigste Ziel für die Weltklimakonferenz im nächsten Jahr. Die Konferenz jetzt in Madrid ist ein ganz wichtiger Schritt dahin. Natürlich spielt die EU, spielt die Europäische Union da eine Schlüsselrolle. Ich habe mich deshalb sehr gefreut, dass die designierte EU-Kommissionspräsidentin das europäische Klimaziel für 2030 erhöhen will. Deutschland muss sie bei diesem wichtigen Vorhaben unterstützen. Dafür setze ich mich innerhalb der Bundesregierung ein. Das ist einfach auch ein Weg schierer Vernunft. Wer 2050 treibhausgasneutral sein will – das wollen wir –, der kann nicht bei einer Minderung um nur 40 Prozent in 2030 verharren. Dann müssten wir in den folgenden beiden Dekaden je 30 Prozent reduzieren. Das wird wahrscheinlich sehr schwierig werden. Daher bin ich sehr dafür, dass wir das Ganze stetiger angehen und schon 2030 ein höheres Minderungsziel vorsehen. ({8}) Meine Damen und Herren, wir haben aber nicht nur beim Klimaschutz viel erreicht. Auch auf den anderen Gebieten des Umwelt- und Naturschutzes haben wir in 2019 das Jahr des Handelns, zum Beispiel im Naturschutz mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz, mit dem Ausstiegsplan für Glyphosat und andere Agrargifte, mit dem Masterplan Stadtnatur, mit dem Wildnisfonds, der im nächsten Jahr aufgestockt werden soll. Das alles sind wichtige Signale. Im Kampf gegen überflüssigen Verpackungsmüll handeln wir mit dem Verbot der Plastiktüte, dem europaweiten Verbot von Einwegplastik, mit dem neuen Verpackungsgesetz und dem Förderprogramm für Technologien gegen die Vermüllung der Meere. Auch dafür soll es in den kommenden Jahren mehr Geld geben. ({9}) Auf diesen Erfolgen werde ich mich aber nicht ausruhen und werden wir uns nicht ausruhen. Es gibt in der nächsten Zeit noch eine Menge zu tun. Ich werbe weiter für meinen 5-Punkte-Plan gegen die Wegwerfgesellschaft. Ich will diesen Plan umsetzen. Dafür will ich das Kreislaufwirtschaftsgesetz reformieren, um die Hersteller von Coffee-to-go-Bechern, Zigarettenkippen und anderen Einwegartikeln an den Reinigungs- und Entsorgungskosten zu beteiligen. ({10}) Ich will mit dem Handel vereinbaren, die Plastikflut in den Supermärkten einzudämmen, und eine gesetzliche Obhutspflicht einführen, um die systematische Vernichtung von Neuwaren aus dem Onlinehandel und aus dem stationären Handel zu unterbinden. ({11}) Ich will Umweltschutz und Landwirtschaft mit Regeln zusammenbringen, die gut für die Natur und gleichzeitig gut für die Landwirtinnen und Landwirte sind. Stichworte sind hier „Umgang mit Gülle und mit Pflanzenschutzmitteln“ sowie „Einsatz von EU-Fördergeldern“. ({12}) Ich will die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 nutzen, um eine neue Dynamik im europäischen Klima- und Umweltschutz auszulösen und die nachhaltige Digitalisierung voranzubringen. Das ist ein ganz wichtiges Thema, das auf der Tagesordnung steht. Nicht zuletzt will ich, dass wir gemeinsam die Umsetzung des Klimapaketes auch wirklich erfolgreich abschließen: mit einem Kohleausstiegsgesetz und mit Regelungen für die erneuerbaren Energien. Hier ringen wir noch um Lösungen; ja, das stimmt. Wir wollen das 65-Prozent-Ziel auf jeden Fall erreichen. Wir werden den Kompromiss der Kohlekommission umsetzen. ({13})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der FDP-Fraktion?

Not found (Minister:in)

Nein, ich würde das gerne im Zusammenhang vortragen. Danach! ({0}) Herzstück des Klimapakets ist das Klimaschutzgesetz. Das ist genau darauf ausgelegt, jedes Jahr zu überprüfen und nachzusteuern. Das ist die Qualität, die wir jetzt haben. Klimaschutz ist jetzt Gesetz, und es wird jedes Jahr überprüft werden, ob wir die Ziele denn auch wirklich einhalten. ({1}) Das ist eine wirklich neue Weichenstellung, die wir hier vornehmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Haushalt legen wir eine wirklich gute Grundlage dafür, dass künftig jedes Jahr zum Jahr des Handelns im Klimaschutz wird. Ich danke noch mal den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, den Obleuten und natürlich insbesondere den Berichterstatterinnen und Berichterstattern für den Haushalt für die gute Zusammenarbeit. Das waren sehr viele Stunden, aber ich finde, es hat sich wirklich gelohnt. Wir haben etwas Gutes vorangebracht. Ich bitte um die Zustimmung zu diesem Einzelplan und sage noch mal ganz herzlich Danke schön. ({2})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Der nächste Redner ist für die AfD-Fraktion der Kollege Dr. Rainer Kraft. ({0})

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Werte Abgeordnete! Verehrte Gäste! Dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit – kurz BMU – untersteht auch das Umweltbundesamt. Dieses hat 1 600 Beschäftigte. Gleichwohl ist das BMU nicht in der Lage, seine Pflichten mit seinen Mitarbeitern und denen seiner Ämter ausreichend zu erfüllen, und es hat daher Bedarf an externen Beratungsdienstleistungen. ({0}) Warum diese Dienstleistungen außer Haus vergeben werden, kann das BMU allerdings nicht begründen. Auch existieren keine Aufzeichnungen, die den Umfang der erbrachten Dienstleistungen festhalten. „Solche seien entbehrlich“, wird das BMU zitiert. Anscheinend genießt also das hauseigene Umweltbundesamt entweder kein Vertrauen des BMU, diese Aufgaben lösen zu können, oder aber das BMU zweifelt an der Kompetenz des Umweltbundesamtes, diese sachlich in seinen Bereich fallenden Ausarbeitungen anzufertigen oder Aufzeichnungen darüber zu führen, wie viel Arbeit von welchem Externen wann und in welchem Umfang zugearbeitet worden ist. Die AfD beantragt daher eine Stellenstreichung im offenbar überforderten oder aber kein Vertrauen des BMU genießenden Umweltbundesamt. ({1}) Bleiben wir beim Personal. In der letzten Sitzungswoche wurde über den drohenden Verlust von circa 3 000 Arbeitsplätzen in der deutschen Windbranche diskutiert. Nach eigenen Angaben waren in 2016 circa 160 000 Menschen dort beschäftigt. Seit Beginn der Energiewende wurden 100 Milliarden Euro für Strom aus Wind ausgegeben – aus der EEG-Umlage. Das bedeutet, dass jeder dieser Arbeitsplätze in der Windbranche mit sage und schreibe 627 000 Euro an Zwangsentgelten der Bürger Deutschlands bezuschusst worden ist. ({2}) Das Ergebnis: Diese Branche ist nicht lebens- und nicht marktfähig. Auch nach 20 Jahren ist keine Trendwende erkennbar. Die Windenergie ist ein totes Pferd. Steigen Sie endlich ab! ({3}) Apropos Ab- und Aussteigen: Das wollen Sie ja auch mit der Technologie des Verbrennungsmotors. Da reden wir aber nicht über 160 000 Arbeitsplätze; da reden wir über 1,8 Millionen Arbeitsplätze. Diese Branche kostet den Steuerzahler nicht 100 Milliarden Euro; diese Branche erwirtschaftet und setzt 426 Milliarden Euro um – pro Jahr, jedes Jahr. ({4}) Jeder vierte Steuer-Euro, über den wir hier heute reden, wird von den Frauen und Männern der Automobilbranche erwirtschaftet. Wir reden hier also von echtem Mehrwert statt von nutzloser sozialistischer Geldverbrennung. ({5}) Aber genau diesem Zugpferd der deutschen Industrie hat das BMU den Kampf angesagt. Frau Ministerin, haben Sie denn eigentlich im Kabinett Ihre Kollegen von Verteidigung, Arbeit und Soziales etc. schon darüber aufgeklärt, dass sie ihr Budget in Zukunft um 25 Prozent kürzen müssen, wenn jeder vierte Euro des Haushaltes weg ist, wenn Sie und Ihr Haus mit aufgeblasenen Stickoxidkampagnen und größenwahnsinnigen Weltrettungsfantasien die Axt an diese extrem erfolgreiche Industrie Deutschlands gelegt haben? ({6}) Wohl eher nicht. Aber wofür das alles? Dafür, dass Ihre Maßnahmen komplett nutzlos sind. Um wie viel wird denn nun die prognostizierte Temperaturerhöhung für diese Hunderte von Milliarden von Euro reduziert werden? Sagen Sie es uns! Sie wissen es nicht, okay. Hunderttausende produktive, mehrwertschaffende Arbeitsplätze werden in Deutschland, ohne mit der Wimper zu zucken, einem Endzeitkult geopfert für eine Politik, die nicht in der Lage oder nicht willens ist, das Ergebnis zu quantifizieren. Wo sind die Ergebnisse? ({7}) Wo ist die Gegenleistung für Hunderte Milliarden Euro, die den Bürgern des Landes für die längst gescheiterte Energiewende abgepresst werden? Seit zwei Jahren ist die Ministerin diese Antwort schuldig. Aber es ist nicht so, dass sie es nicht sagt. Sie weiß es einfach selbst nicht. Wenn aber die Autobauer das Rückgrat der Republik sind, dann sind die Landwirte die Basis des Landes. Diese Basis zeigt Ihnen gerade da draußen, was sie von Ihrer Politik hält, nämlich gar nichts. ({8}) Beenden Sie also Ihre gesellschaftsfeindliche Politik! Beenden Sie Ihre Experimente am sozialen Herzen der Republik! Es kann sonst nämlich passieren, dass nach den Landwirten eines Tages die Autobauer hier vor den Toren stehen. ({9}) Dann werden es zehnmal so viele sein. Vielen Dank. ({10})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Marie-Luise Dött. ({0})

Marie Luise Dött (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003070, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben drei zentrale umweltpolitische Herausforderungen: die Umsetzung einer konsequenten Klimapolitik, die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft und den Schutz der Biodiversität. Der Umwelthaushalt 2020 spiegelt genau diese Prioritäten wider. Meine Damen und Herren, wir alle hier im Hohen Haus sowie die Bundesregierung haben den Auftrag und die Verantwortung, der globalen Herausforderung des Klimawandels zu begegnen. Deshalb war es richtig und wichtig, dass sich die Bundesrepublik aktiv in die Erarbeitung des Pariser Klimaübereinkommens von 2015 eingebracht hat. Für die Unionsfraktion kann ich sagen: Wir stehen zu den internationalen Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, und wir sind vertragstreu. Die Bundesregierung und die sie tragenden Bundestagsfraktionen haben in der Klimafrage Verantwortung übernommen. Wir haben ein Klimapaket geschnürt, das es in seiner Größe bisher noch nicht gegeben hat. Bis 2023 werden Maßnahmen in Höhe von 54,4 Milliarden Euro vorgenommen. Der Energie- und Klimafonds wächst von derzeit rund 6 Milliarden Euro auf rund 11,7 Milliarden Euro im Jahr 2023 an. Was immer gerne vergessen wird: Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe und berührt die Verantwortung verschiedener Bundesressorts. Die Ausgaben für den Klimaschutz sind deshalb in verschiedenen Einzelplänen veranschlagt. Wir gehen beim Klimaschutz konsequent, aber vor allem sozial gerecht vor. Das sollte endlich auch die Opposition zur Kenntnis nehmen. Die Union steht für eine nachhaltige Klimapolitik. Eine Klimapolitik, die wirtschaftlich vernünftig ist, die Arbeitsplätze im Land hält, die auf Innovationen setzt. Eine Klimapolitik, die die Bedürfnisse in der Stadt und vor allem auf dem Land gleichermaßen im Blick behält. Wir haben die Aufgabe, all die verschiedenen Facetten von Nachhaltigkeit und vor allem die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Zielen zu beachten. Die Union setzt das konsequent um, wie man am Beispiel des in der letzten Sitzungswoche verabschiedeten Brennstoffemissionshandelsgesetzes sehen kann. Die Tonne CO2, die von fossilen Brennstoffen emittiert wird, kostet im Jahr 2021 10 Euro. Das ist in den Augen der Kritiker viel zu wenig. Aber wir haben dies im Sinne der Nachhaltigkeit ganz bewusst so entschieden. Wir sorgen nämlich dafür, dass Klimaschutz nicht zur neuen sozialen Frage wird. Die Politik hat daher zuerst die Aufgabe, Alternativen anzubieten, sprich: den Umstieg auf eine umweltfreundlichere Heizungsanlage oder auf ein emissionsärmeres Fahrzeug anzureizen. Erst dann wird der CO2-Preis steigen. Maßnahmen gegen den Klimawandel sind eine internationale Herausforderung. Internationale Verpflichtungen müssen immer in einzelne nationale Beiträge heruntergebrochen werden. Das ist klar. Klar ist aber auch, dass wir den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur nicht alleine stoppen können. Deshalb müssen die Vertragsparteien auf der anstehenden UN-Klimakonferenz in Madrid die letzten Details zur Umsetzung des Pariser Klimaübereinkommens beschließen. Dabei geht es vor allen Dingen um Marktmechanismen. In einem Drittland angestoßene und finanziell unterstützte CO2-Reduktionen sollten seriös auf die eigene Klimabilanz verbucht werden können, ohne dass es dabei zu Doppelanrechnungen kommt. Auch die EU sollte die internationalen Kooperationsmechanismen in Anspruch nehmen, zumindest wenn es zu einer Zielerhöhung auf EU-Ebene kommt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wünscht allen Verantwortlichen für die Verhandlungen in Madrid schon jetzt viel Erfolg und gutes Gelingen. ({0}) Die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft ist dringend geboten. Wir haben in der vergangenen Woche beispielsweise zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Menge der Verpackungsabfälle im Jahr 2017 erneut gestiegen ist. Es geht darum, den Rechtsrahmen weiterzuentwickeln und damit das Aufkommen an Verpackungsabfall zu reduzieren und die Nutzung von Rezyclaten zu verbessern. Dieser Rechtsrahmen muss sicherstellen, dass wir die ökologisch beste und vor allem nachhaltigste Lösung umsetzen. Es war uns in den Haushaltsberatungen deshalb ein wichtiges Anliegen, dass wir die Einweg-/Mehrwegdiskussion bei Getränkeverpackungen endlich auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen können. Dafür stehen im Haushalt 2020 dem Umweltbundesamt jetzt Mittel in Höhe von 400 000 Euro für die Erarbeitung einer Ökobilanz Getränkeverpackungen zur Verfügung. Ich erwarte, dass die Arbeiten vom Umweltbundesamt jetzt zügig gestartet werden. Meine Damen und Herren, wir wollen auch die internationale Zusammenarbeit bei der Kreislaufwirtschaft stärken. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass die Mittel für den Export von Technologien gegen die Vermüllung der Meere im Vergleich zum Regierungsansatz ab dem Jahr 2021 um weitere 5 Millionen Euro jährlich erhöht werden. Das ist gut angelegtes Geld für den globalen Umwelt- und Ressourcenschutz und auch für den Export von Technologie made in Germany. Meine Damen und Herren, wir haben beim Schutz der Biodiversität eine ganze Reihe von Herausforderungen. Ein Handlungsfeld ist die Umsetzung des Aktionsprogramms Insektenschutz. Es handelt sich um das bisher umfangreichste Maßnahmenpaket der Bundesregierung zum Schutz von Insekten und ihrer Artenvielfalt. Um die Umsetzung des Aktionsprogramms zu ermöglichen, werden wir hierfür 2020 zusätzlich 2 Millionen Euro bereitstellen. Damit stehen im Jahr 2020 fast 45 Millionen Euro allein im Einzelplan 16 zur Verfügung. Hier, meine Damen und Herren, ist mir noch eine Anmerkung wichtig, besonders am heutigen Tag. Das Aktionsprogramm wird eine ganze Reihe von Änderungen der aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen zur Folge haben, die gerade die Unterstützung unserer Landwirte erforderlich machen. Wir brauchen Lösungen, die den Insekten helfen und gleichzeitig unseren Landwirten ein einträgliches Wirtschaften ermöglichen. ({1}) Unsere Landwirte sind nicht unsere Gegner; sie sind unsere Partner – auch beim Insektenschutz. Meine Damen und Herren, mit dem Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ entwickeln wir durch Gewässerumbau und Auenrenaturierung einen Biotopverbund, der wichtige Beiträge leisten kann, unsere Ziele zum Erhalt der Biodiversität zu erreichen. Das Bundesprogramm ist ein Beispiel dafür, wie Umweltschutz, Regionalentwicklung und wirtschaftliche Chancen gemeinsam umgesetzt werden können. Wir haben im parlamentarischen Verfahren für eine Aufstockung der Verpflichtungsermächtigungen für eine Erhöhung und Verstetigung der Mittelausstattung gesorgt. Insgesamt stehen für die Umsetzung der Maßnahmen in den nächsten vier Jahren 19,2 Millionen Euro zur Verfügung. Die Aufstockung der Mittel ist übrigens auch ein Zeichen der Anerkennung der Arbeit aller Beteiligten, auch vieler Ehrenamtlichen, an den einzelnen Vorhaben. Meine Damen und Herren, wir werden im Einzelplan 16 Mittel in Höhe von jährlich 400 000 Euro für den Zukunftsfonds Morsleben bereitstellen. Damit erfolgt eine mit den Standorten Schachtanlage Asse II und Endlager Schacht Konrad vergleichbare Unterstützung der Region Morsleben. Regionen, die gesamtstaatliche Verantwortung für die Endlagerung radioaktiver Abfälle übernehmen, verdienen unsere Unterstützung. ({2}) Meine Damen und Herren, der Umwelthaushalt 2020 ist eine hervorragende Basis für die Fortsetzung unserer Arbeiten in der Umwelt- und Klimapolitik. Ich freue mich sehr, dass wir im parlamentarischen Verfahren wichtige Impulse für den Umwelthaushalt setzen konnten. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten, die in den vergangenen Wochen hart gearbeitet haben, insbesondere bei unseren Haushältern. Vielen Dank. ({3})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Frau Kollegin Dött. – Die nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion die Kollegin Judith Skudelny. ({0})

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute kommt mich hier in Berlin ein ehemaliger Mitarbeiter besuchen. Ich habe mich zunächst einmal gefreut. Dann habe ich gefragt: Mensch, schön, wann sehen wir uns? Da hat er gesagt: Eigentlich komme ich ja nicht Sie besuchen. – Frau Schulze, eigentlich kommt mein Mitarbeiter Sie besuchen. Er kommt auch nicht mit dem Flugzeug, mit dem Zug, mit dem Auto oder mit dem Fahrrad, nein, er ist extra mit seinem Trecker hierhergekommen – 20 Stunden Fahrt, 1 000 Kilometer –, um gegen Ihre Umweltpolitik, Frau Schulze, gegen Ihre Landwirtschaftspolitik zu protestieren. ({0}) Dabei ist er erst vor Kurzem in den Familienbetrieb eingestiegen. Dieser Betrieb betreibt eine Schweinezucht. Er hat Agrarwirtschaft studiert. Er hat viele tolle Ideen, wie er weiter nachhaltig produzieren kann, was er für das Tierwohl machen möchte und wie er seinen Betrieb weiterentwickeln möchte. Diesen Ideen, die mein ehemaliger Mitarbeiter, der Landwirt ist und die er mit vielen seiner landwirtschaftlichen Kollegen teilt, entziehen Sie die ökonomische Grundlage für ein eigenständiges Erwerbsleben. ({1}) Dabei wissen wir doch alle hier im Haus: Umweltschutz ist nur mit den Verbrauchern und mit der Landwirtschaft zu schaffen. ({2}) Nur wenn wir alle Ideen unter einen Hut bringen, dann schaffen wir es, dass unsere Landwirtschaft, die schon heute sehr nachhaltig agiert, auf diesem Weg unterstützt wird und in eine noch ökologischere Zukunft gebracht wird. Dazu brauchen wir die Landwirte. Sehen Sie die Proteste als eine Handreichung! Strecken Sie auch Ihre Hand aus, und machen Sie eine bessere Politik für Umwelt und für Landwirtschaft! ({3}) Aber während die Landwirte jeden Euro zweimal umdrehen müssen, ist es so, dass das Umweltministerium mit seinen Geldern deutlich anders umgeht. An dieser Stelle möchte ich noch mal auf den Bericht des Bundesrechnungshofs hinweisen, bei dem es um 600 Millionen Euro geht. Da hat mich doch die Reaktion des Umweltministeriums ein Stück weit erstaunt. Die Gutachter stellen fest, dass Gutachtenvergaben ohne Ausschreibungen erfolgen, dass Ausgaben falsch deklariert wurden und dass das Parlament vorsätzlich getäuscht wird. Die Reaktion des Umweltministeriums, das sagt: „Nun ja, kann ja mal passieren“, ist eine schallende Ohrfeige für alle Kommunen in Deutschland, die mit dem Vergaberecht jeden Tag zu kämpfen haben. ({4}) Es ist eine schallende Ohrfeige für die Bürger in Deutschland, die strafbewehrt für ihre Steuererklärung haften, und es ist eine schallende Ohrfeige für die Firmen, die sich an Compliance-Regeln halten müssen. Die Regeln, die wir den Menschen da draußen geben, und die dahinterstehenden Werte müssen wir auch bei uns anwenden. Deswegen ist es Ihre Aufgabe, das, was vom Bundesrechnungshof auf den Tisch gelegt wurde, rückhaltlos aufzuklären – mit allen Konsequenzen, die damit verbunden sein können. ({5}) Als am 18. Juni dieses Jahres der EuGH die Maut der Großen Koalition kassiert hat und als EU-rechtswidrig deklariert hat, waren die Einzigen, die wirklich erstaunt waren, die Mitglieder der Großen Koalition. Alle anderen hatten schon so einen Verdacht, dass das Ganze eventuell EU-rechtswidrig sein könnte. Der Verdacht gründete sich darauf, dass es schon ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes und Aussagen zahlreicher Rechtsgelehrter in Deutschland gab. Also, überraschend war das Aus für die Maut nicht. Was mich persönlich überrascht hat, ist, dass die Große Koalition daraus so gar nichts gelernt hat. Wenn wir uns anschauen, wie Ihre CO2-Steuer – ich nenne sie CO2-Steuer; denn genau das ist es – umgesetzt wird, dann wissen wir schon heute, weil der Wissenschaftliche Dienst ein Gutachten vorgelegt hat: Eine CO2-Steuer ist nicht verfassungskonform. Wenn Sie also wissen, dass ein Gesetz später kassiert wird, warum beschließen Sie es dann erst mal hier im Bundestag? ({6}) Dabei macht Ihre CO2-Steuer alles nur teurer und den Klimaschutz nicht besser. Wenn wir das Klima schützen wollen, dann müssen wir die CO2-Emissionen deckeln. Dazu gibt es einen verfassungskonformen Vorschlag der FDP-Fraktion. Wenn also Ihr Konzept vom Gericht kassiert wurde, raten wir Ihnen, unser Konzept einfach umzusetzen. Das geht dann schnell, bürokratiearm und vor allem effizient. Wir sind in diesem Punkt eine Serviceopposition. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Am Ende, bitte. – Frau Schulze, Ihre Halbzeitbilanz fällt ein bisschen so aus wie die Teilnahme der deutschen Nationalmannschaft an der letzten WM. Streit in der Koalition bringt keine guten Lösungen. Tausende Dieselfahrer werden weiterhin kalt enteignet. ({0}) Übrigens betrifft das nicht nur Euro-4- und Euro-5-Fahrzeuge, sondern mittlerweile droht die DUH auch Fahrverbote für Euro-6-Fahrzeuge an, die gerichtlich durchgesetzt werden sollen. ({1}) Symptomatisch für Ihre Politik ist das Plastiktütenverbot – ein großes Symbol –, das sich aber, weil die Plastiktüten durch Papiertüten ersetzt werden, am Ende negativ auf die Umwelt auswirken wird. Die deutsche Nationalmannschaft hat im Spiel gegen Nordirland gezeigt, dass wir Fußball können. Zeigen Sie bitte, dass wir auch Umweltschutz können, und zwar nachhaltig. Das ist ökologisch, aber auch ökonomisch und sozial. Wenn Sie Ideen brauchen, lesen Sie unsere Anträge. ({2})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Marc Bernhard.

Marc Bernhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004669, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Kollegin Skudelny, jetzt haben Sie gerade zu Recht angesprochen, dass im Bundesumweltministerium in höchstem Maße Steuergeld – 600 Millionen Euro – für Berater verschwendet wurde, ohne dass das Ministerium darüber wirklich Rechenschaft ablegen möchte. Die AfD-Bundestagsfraktion hat ja einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt, um diese Berateraffäre lückenlos aufzuklären. Dafür haben auch Sie gerade eben plädiert. Werden Sie unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses unterstützen oder nicht?

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Frau Kollegin, bitte.

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich weiß nicht, ob Sie bei der Debatte, bei der wir genau das besprochen haben, da waren. Tatsächlich ist Ihr Antrag handwerklich so schlecht gemacht, dass wir ihn nicht unterstützen können. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank. – Jetzt kommt als nächster Redner der Kollege Ralph Lenkert für die Fraktion Die Linke. ({0})

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Jeder 120. Euro des Bundesetats wird für Umwelt, Klimaschutz oder die sichere Verwahrung des Atommülls ausgegeben, jeder 7. Euro für Militär, Waffen und Kriegseinsätze. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir als Linke Aufrüstung und Krieg ablehnen. ({0}) Und bevor Sie fragen, was das mit dem Umweltetat zu tun hat: viel, sehr viel. ({1}) Kriege töten, zerstören Städte und Natur. ({2}) Waffen verschwenden sinnlos Rohstoffe. Rüstungsforschung perfektioniert Zerstörung. Ich finde es beschämend, wie viel Energie die Koalition in die Erreichung des 2-Prozent-Rüstungsziels der NATO steckt im Gegensatz zur Erreichung der Klimaziele. ({3}) Ich finde es zynisch, dass Sie Klimaschutz zur Hauptaufgabe erklären und dann 2,9 Milliarden Euro für Umweltschutz, aber 50 Milliarden Euro für Militär einstellen. ({4}) Die Union hat eine Haltung, die ich nicht verstehen kann. ({5}) Sie verschwenden Geld für Aufrüstung. Aber sobald es um Umweltschutz, Gesundheit oder Renten geht, ist kein Geld vorhanden; dann sparen Sie. Es fehlt nicht an Geld – Sie setzen die falschen Prioritäten! ({6}) Aber selbst bei diesem niedrigen Umweltetat würde Die Linke andere Schwerpunkte setzen. ({7}) Wir fordern Totalschutzzonen in Nord- und Ostsee, (Stephan Brandner [AfD]: Mit Schutzzonen kennen Sie sich aus! Ein paar Tretmienen hinlegen, Selbstschussanlagen, Stacheldrahtzaun – Schutzzone! damit Dorsch, Makrele und Hering sich erholen können, und 50 Millionen Euro, damit auch die Fischer überleben. ({8}) Wir fordern 50 Millionen Euro für kommunalen Lärmschutz, damit Anwohnerinnen und Anwohner gut schlafen können. 110 000 Hektar des deutschen Waldes wurden in den letzten zwei Jahren Opfer von Stürmen, Dürren und Borkenkäfern. Die Forstbetriebe brauchen dringend 200 Millionen Euro Soforthilfe zur Schadholzaufarbeitung und zur Wiederaufforstung. ({9}) Das Insektensterben bedroht Vögel, Fische, Säugetiere und letztlich uns Menschen. Draußen demonstrieren die Landwirte. Sie demonstrieren für ihre Zukunft. Sie legen Blühstreifen an. Landwirte wissen, dass sie Insekten brauchen, und wollen sie schützen. Dafür fehlen ihnen aber schlicht die Mittel; denn sie müssen überleben. Wir müssen uns erst einmal die Frage stellen, was alles Ursachen des Insektensterbens sind: die Zersiedlung der Landschaft, die zunehmende Beleuchtung in unseren Städten, der stetig wachsende Verkehr auf unseren Straßen und natürlich auch die Landwirtschaft. ({10}) Und da hat die Union versagt. Verkehrsvermeidung: Fehlanzeige! Lichtschutzgesetz: Verschlafen! Beim Flächenverbrauch: Ziele verfehlt! Nur die Landwirte sollen das Insektensterben aufhalten; Verdienstausfälle werden – im Gegensatz zu denen der Kohlelobby – nicht kompensiert. Das ist ein Versagen insbesondere der Union. ({11}) Mehr Tiere auf der Weide heißt auch mehr Insekten. Eine Weidetierprämie würde da echt helfen. Wer lehnt sie ab? Die Union. Und draußen erklärt die Union den Landwirten, Insektenschutz sei nicht finanzierbar. Das finde ich verlogen. ({12}) Die Linke fordert 50 Millionen Euro für die Beseitigung der Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee sowie in den Wäldern Ostdeutschlands. ({13}) Es ist egal, ob die Granaten, Patronen oder Bomben aus alliierten oder deutschen Waffen stammen. Diese Kriegsreste müssen beseitigt werden, und zwar schleunigst, damit zukünftig weniger Wald durch Waldbrände verloren geht. ({14}) Der Kreis schließt sich: Waffen, Armeen und Kriege zerstören die Umwelt. Wer die Umwelt und das Klima ernsthaft retten will, muss auch konsequent für Frieden eintreten. Vielen Dank. ({15})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Kollege Gerhard Zickenheiner. ({0})

Gerhard Zickenheiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004946, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Schulze! Über zehn Jahre hat es gedauert, erster Anlauf im Frühjahr kläglich gescheitert, aber: Wir haben ein Klimagesetz. Dieses Sammelsurium an unkoordinierten Einzelmaßnahmen und die fast schon zynischen 10 Euro pro Tonne CO2 verkaufen Sie uns nun als die Steinchen der Weisen. Das war für die 1,4 Millionen Menschen bei Fridays for Future am 20. September 2019 und alle anderen, die sich halbwegs ernsthaft mit unserem Klima und unserer Umwelt auseinandersetzen, ein Schlag ins Gesicht. ({0}) Es muss Sie doch erschrecken, dass die Fachwelt Ihr Klimapäckchen geschlossen ablehnt und aussagt, dass damit das 1,5- oder 2-Grad-Ziel nicht zu erreichen ist. ({1}) Mit so viel Ablehnung aus der Wissenschaft müssen sich ja sonst nur notorische Klimaleugner von rechts außen herumschlagen. ({2}) 54 Milliarden Euro soll es geben; leider sind im Haushalt nur rund 25 Milliarden zu finden. Der Rest ist seit Jahren im Energie- und Klimafonds eingeplant gewesen. ({3}) Wenn Sie gleichzeitig knausern wollen und Klima retten, dann gibt es einen sinnvollen Weg, und der heißt: Bauen Sie endlich die 57 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen ab, ({4}) und wenn Sie clever sein wollen, dann reinvestieren Sie dieses Geld in den Umweltschutz! ({5}) Erlauben Sie mir einen Satz zur Düngemittelverordnung, zum Aktionsprogramm Insektenschutz und zu den Traktoren in Berlin. Man muss den betroffenen Landwirten auch realistische und wirtschaftliche Wege aufzeigen, wie sie zu Umwelt- und Klimaschutz beitragen können. ({6}) Das würde bedeuten: ({7}) weniger ökologisch unwirksames Geld für Flächenzahlungen, aber deutlich mehr Geld für ökologische Leistungen. ({8}) Das käme den Landwirten und der Allgemeinheit zugute. Reden Sie mit Frau Klöckner! Was sie in der EU bei den GAP-Verhandlungen durchsetzen will, verlängert sonst nämlich dieses elende Ausspielen der Umwelt gegen die Landwirtschaft um weitere sieben Jahre. ({9}) Die Leistungsträger in Sachen Klima, Artenschutz und Umwelt finden sich statt beim Bund eher bei den Ländern und insbesondere bei den Kommunen. Ihre eigenen Parteigänger, Stadt- und Kreisräte sind ja schon oft mit dabei, wenn Bäche revitalisiert werden, Klimakonzepte und Radverkehrspläne geschmiedet werden mit den spärlichen Mitteln, die Sie ihnen zur Verfügung stellen. Ihre Leute vor Ort überholen Sie, ohne dass Sie es merken. ({10}) Die kapitulieren vor dem staatlichen Nichthandeln und sagen sich: „Wir müssen es selber versuchen“, und rufen auf einmal mit uns Grünen zusammen den Klimanotstand aus. Ich rede von Ihrer Basis. Da, wo die Menschen leben – in den Kommunen, in den Dörfern –, zeigt sich nämlich am deutlichsten, dass das, was Sie hier tun, nirgends hinreicht und zudem Verlierer zurücklässt. Wir müssten zwei- bis dreimal so viele Busse in die Dörfer schicken, um den Menschen dort berechtigte Hoffnung zu machen, dass es irgendwann auch einmal ohne Auto geht oder zumindest mit einem. Wir müssten vier- oder fünfmal so viele Bestandsgebäude jährlich dämmen, um überhaupt die Teilziele von Paris in dem Segment zu erreichen. Stattdessen fördert Herr Scheuer hauptsächlich Elektroautos, am stärksten die Modelle, die definitiv nicht umweltfreundlich sind: die großen und schweren Boliden, ({11}) frei nach dem Motto: Wir verbrennen jetzt Geld statt Diesel; das stinkt dann weniger, wenn wir morgens wieder alle im gleichen Stau sitzen. ({12}) Das wird Antriebswende und nicht Mobilitätswende. In Klimaschutz, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sehen Sie auf der Regierungsbank immer noch die Bedrohung Ihres Wertesystems. Dabei liegt genau darin – und zwar untrennbar damit zusammenhängend – die Antwort auf die Bedrohung dieses Planeten. ({13})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner: für die SPD-Fraktion der Kollege Michael Thews. ({0})

Michael Thews (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Beschäftigung mit Fragen des Klimaschutzes, über die wir heute ja schon viel gehört haben und in die wir jetzt mit dem Klimaschutzgesetz einsteigen, gehören auch – ich will das noch mal sagen – viele andere Initiativen. Man muss das ganze Paket sehen. Wenn ich jetzt teilweise höre, wie schon am Anfang viele Dinge schlechtgeredet werden, kann ich nur sagen: Ich würde mir mehr Optimismus wünschen, die Dinge anzugehen. ({0}) Denn wir werden die ganze Gesellschaft brauchen, um bei diesem Thema alle mitzunehmen. Neben diesen Fragen ist die Vermüllung der Weltmeere natürlich ein Riesenproblem. Ich will darauf eingehen, dass wir es im letzten Haushalt schon geschafft haben, 50 Millionen Euro zur Lösung dieses Riesenproblems einzustellen. Vielen Dank noch mal an Andreas Schwarz, der sich dafür massiv eingesetzt hat. In diesem Haushalt können wir diese Mittel noch mal um 15 Millionen Euro verstärken. Geld ist immer das eine, aber, Frau Ministerin, das Geld muss nachher ja auch in Projekte umgewandelt werden. Ich war letzte Woche auf der Konferenz der Kreislaufwirtschaft gegen die Meeresvermüllung. Eine sehr spannende Geschichte, weil da wirklich die Akteure vor Ort waren, weil da die Projekte mal vorgestellt wurden und weil da auch die Marschrichtung klar geworden ist. Man muss an der Stelle das Ministerium dafür loben, dass es erkannt hat, dass wir an der Wurzel ansetzen müssen. Wir wissen, weil der Müll in Asien und in Afrika durch die Flüsse und durch die Küstenregion in die Meere getragen wird, dass wir dort ganz am Anfang ansetzen müssen, wenn wir eine weitere Vermüllung verhindern wollen. Wir müssen Projekte fördern, die von den Regionen ausgehen und die Regionen mitnehmen, um dort mehr zu erreichen. Dafür braucht man Partner. Es war sehr interessant, zu erfahren, dass der WWF in einer dieser Regionen, am Mekong, schon über Jahre ein Projekt betreut, das jetzt mit den Geldern, die wir freigemacht haben, verstärkt werden kann. Nur 14 Prozent des Plastikmülls werden in dieser Region überhaupt gesammelt. Das heißt, der größte Teil, 86 Prozent, gehen auf mehr oder weniger geordnete Deponien und landen bei jedem Starkregenereignis gegebenenfalls in den Flüssen und dann im Meer. Ich finde es gut, sage ich mal, dass wir die Dinge so angehen. Ich glaube, dass wir mit diesen Lösungen einen wichtigen Beitrag leisten können. ({1}) Die Reduzierung des Plastikmülls ist aber nicht nur in anderen Ländern, sondern natürlich auch bei uns ein Anliegen. Die Zahlen haben es gezeigt: Wir haben 2017 beim Verpackungsmüll noch einen Anstieg um 3 Prozent gehabt. Ich hoffe, dass wir jetzt bald den Return schaffen und eine Senkung erreichen. Die Diskussionen, die wir zurzeit in der Gesellschaft, aber auch im Handel, im Gewerbe, in der Industrie haben, setzen teilweise die richtigen Akzente. Aber wir müssen natürlich dafür sorgen, dass das, was wir mit dem Verpackungsgesetz angefangen haben, jetzt wirklich auch ein Erfolg wird. Deswegen müssen wir darüber nachdenken, ob wir zum Beispiel auch Rezyklate wieder stärker einsetzen. Eine Mindestrezyklatquote könnte ich mir sehr gut vorstellen, um das verbindlicher zu gestalten und hier Planungssicherheit für alle zu erreichen, die an diesen Themen arbeiten. Ich möchte als weiteres Thema auf Investitionen in intakte Ökosysteme eingehen. Wir investieren 6,8 Millionen Euro in die Finanzierung und Verfestigung des Blauen Bands. Ich finde dieses Projekt sehr wichtig und richtig. Wir investieren in intakte ökologische Gewässer, in Auengebiete. Ich bin sehr froh, dass wir es geschafft haben, diese Mittel zu verstetigen. Man muss aber auch ein bisschen nach rechts und nach links schauen. Ich freue mich darüber, dass neue Stellen bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung geschaffen werden. ({2}) Das kann man an dieser Stelle auch mal sagen. Da geht es darum, dass ökologische Ziele aus der Wasserrahmenrichtlinie wirklich umgesetzt werden. Das geht nur mit den entsprechenden Planungsressourcen vor Ort, die wir bereitstellen müssen. Deswegen schaffen wir 29 neue Stellen für den Natur- und Umweltschutz. In meiner Region im Ruhrgebiet werden 25 neue Stellen für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung geschaffen. In meinem Wahlkreis gibt es in Hamm den zweitgrößten öffentlichen Kanalhafen Deutschlands. Alleine dort werden jedes Jahr 1,6 Millionen Tonnen Schifffahrtsgüter und rund 500 000 Bahngüter umgeschlagen. ({3}) Wenn die Infrastruktur, die wir im Bereich der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung haben, also unsere Kanäle, Flüsse und Schleusen, nicht instandgehalten wird und dort etwas passiert, was den Schifffahrtsverkehr beeinträchtigt, dann haben wir dieses große Verkehrsaufkommen auf den Straßen; das muss man sich mal überlegen. Das ist weder im Hinblick auf Arbeitsplätze und Industrie in meiner Region sinnvoll noch im Sinne des Umweltschutzes. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir hier investieren und weiter vorankommen. Vielen Dank. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Kollege Martin Hohmann. ({0})

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen mit diesem Haushalt des Umweltministeriums an einer Wegscheide, an einer ganz entscheidenden Gabelung. Wenn wir der vorgeschlagenen Richtung der Umweltpolitik folgen, drohen unserem Land schwerste Schäden. ({0}) Das bedeutet dann nämlich das Ende von Deutschland, wie wir es kennen. Ein erstes Wetterleuchten ist der Rückgang in der deutschen Automobilindustrie mit ihrer Spitzentechnologie; Kollege Dr. Kraft hat es benannt. Uns droht Absturz mit allen Konsequenzen für das soziale Gefüge, mit unberechenbaren Auswirkungen auf den inneren Frieden. Ja, der innere Friede steht auf dem Spiel. Das liegt am Grunddogma dieses Haushalts und Ihrer Umweltpolitik, Frau Ministerin. ({1}) Und das Dogma lautet: Kohlendioxid ist der Klimakiller; der von uns allen zu beobachtende Klimawandel sei menschengemacht, durch Industrialisierung und dem daraus resultierenden Anstieg von CO2 in der Atmosphäre. – Wer diesem Dogma nicht huldigt, gilt als Klimaleugner. Er hat damit den Status eines Verstockten, eines Ignoranten ({2}) und als solcher natürlich auch kein Recht – jedenfalls aus Sicht zum Beispiel der Studentenvertretung der Universität Frankfurt –, dort Vorträge zu halten oder an Diskussionen teilzunehmen. Angewandte Meinungsfreiheit heute. ({3}) Wir als AfD nehmen den Paria-Status auf uns. Warum? Weil wir die Vernunft, den gesunden Menschenverstand und die Wissenschaft auf unserer Seite wissen. ({4}) Oft frage ich bei Gesprächen über den Klimawandel den Gesprächspartner nach dem CO2-Anteil in der Atemluft. Es kommen abenteuerliche Fehleinschätzungen: 20 Prozent, 30 Prozent. – Nein! CO2 ist ein Spurengas. ({5}) Sein Anteil in der Atmosphäre beträgt 0,038 Prozent. Darüber hinaus ist es ein unbestreitbar lebensnotwendiges Lebensmittel für all unsere Grünpflanzen. ({6}) Wenn die Dekarbonisierung mit aller Konsequenz umgesetzt würde, wenn also alles CO2 aus der Atmosphäre verschwände, dann würde alles pflanzliche Leben und damit alles Leben überhaupt sterben. ({7}) Zur Veranschaulichung des CO2-Anstieges: Stellen Sie sich ein Quadrat mit 100 Millimetern Kantenlänge vor. Dieses Quadrat enthält insgesamt 10 000 kleine Quadrate mit 1 Millimeter Kantenlänge. Diese 10 000 Quadrate sollen für die Atemluft stehen. 7 800 wären Stickstoff, 2 100 kleine Quadrate wären Sauerstoff, 100 Quadrate wären Edelgase ({8}) und sonstige. 4 von 10 000 Quadraten wären CO2. Um 1850, also bei Beginn der Industrialisierung, waren es drei kleine Quadrate. Wir haben also einen Anstieg um ein Quadrat oder um 0,01 Prozent in etwa 170 Jahren. ({9}) Und durch die Industrialisierung haben wir einen weltweiten segensreichen Wohlstandsanstieg und die Möglichkeit, heute 7,7 Milliarden Menschen zu ernähren. Für die AfD stelle ich abschließend drei Forderungen. Erstens: sparsamer Umgang mit Ressourcen. Zweitens: Erforschung neuer Technologien, auch der Kernkraft. ({10}) Drittens: Schluss mit dem Klimawahn. ({11})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort die Kollegin Dr. Anja Weisgerber. ({0})

Dr. Anja Weisgerber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004440, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Intensive und arbeitsreiche Wochen liegen hinter uns, nicht nur hinter den Haushältern, sondern auch hinter den Umwelt- und Klimapolitikern der Union. In der letzten Woche haben wir ein umfassendes Klimapaket verabschiedet. Das Klimapaket besteht erstens aus einem umfassenden Maßnahmenpaket mit über 60 Maßnahmen und Anreizen, auch zur Förderung von Forschung und Innovation. Es sieht zweitens ein Monitoring, einen Kontrollmechanismus, vor, der auch von der Opposition immer wieder gefordert wurde, der uns Fortschritte bringen wird, weil wir in allen Sektoren regelmäßig überprüfen werden, ob wir auf Kurs sind. Das Klimapaket sieht drittens eine CO2-Bepreisung vor. Ja, und ich bin stolz darauf, dass wir diesen Weg in die CO2-Bepreisung gehen. Ich möchte dazu sagen: Schauen Sie sich das Gesetz doch mal genauer an! Nach einer Einstiegsphase bildet sich der Preis am Markt. Der Preis kann auch deutlich ansteigen und dann auch weit über dem Einstiegspreis liegen. Ich möchte in die Richtung der FDP sagen: Wenn Sie fordern, dass von Anfang an ein Deckel vorhanden sein soll und sich der Preis, Frau Skudelny, komplett am Markt bilden soll, dann frage ich mich, wie die FDP es dann politisch aushält, dass zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bürger noch gar nicht die Möglichkeit hatten, durch Anreize unterstützt auf klimafreundliche Technologien umzusteigen, der Preis schon sehr hoch liegt. Ich frage mich, wie die FDP das politisch aushalten würde. Wir machen es anders; ({0}) wir unterstützen die Menschen zunächst dabei, auf diese klimafreundlichen Technologien umzusteigen, ({1}) und dann steigt auch der Preis auf einem glaubwürdigen Anstiegspfad. Noch einmal: Ein solch umfassendes Paket hat es in Deutschland noch nie gegeben – auch nicht unter Rot-Grün. Die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen haben jetzt aber auch eine Verantwortung; denn sie müssen dafür Sorge tragen, dass dieses Paket den Bundesrat passiert, ({2}) dass zum Beispiel die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung durch den Bundesrat geht. Ich muss an dieser Stelle sagen: Ich finde es unglaubwürdig, dass der Bundesrat im Zweifel immer dann wenig Geld hat, wenn es um Klimaschutz geht, und ansonsten aber immer predigt, dass wir etwas tun müssen. Wir tun etwas; jetzt sind Sie am Zug. ({3}) Meine Damen und Herren, ich kann es nicht oft genug sagen: Klimaschutz funktioniert nur mit den Menschen, nicht gegen sie. Deshalb ist es ein Riesenschritt nach vorne, dass der vorliegende Haushaltsentwurf Mittel in Milliardenhöhe für den Klimaschutz enthält. Insgesamt 54 Milliarden Euro werden wir in den nächsten Jahren in den Klimaschutz investieren. Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, treiben wir den Klimaschutz voran – national und auch international. Die Einnahmen aus dem Emissionshandel geben uns die Möglichkeit, Gelder in den Energie- und Klimafonds fließen zu lassen und daraus wieder in Maßnahmen für mehr Klimaschutz zu investieren. ({4}) 7 Milliarden Euro aus dem Energie- und Klimafonds werden eingesetzt für Förderprogramme zur CO2-Minderung, unter anderem für die eben schon angesprochene energetische Gebäudesanierung. In Zukunft können die Bürgerinnen und Bürger neben den bestehenden Zuschussprogrammen, die weitergeführt werden, die attraktiver gemacht werden, auch Steuern sparen, wenn sie ihr Haus energetisch sanieren. Darüber hinaus wird es Austauschprogramme geben bezüglich alter Heizungsanlagen, und es wird zum Beispiel auch der Ausbau der Elektroladesäulen gefördert. Wir machen einiges für die Batterie- und Wasserstoffförderung. Der Einzelplan des BMU enthält hier 24 Millionen Euro für alternative Antriebe, bei Bussen zum Beispiel. Wir fördern Innovation und Technologie für mehr Klimaschutz. Wir stehen zu unseren Klimazielen 2030, und wir haben das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050. Dafür ist ein umfassender Wandel notwendig, vor allem im produzierenden Gewerbe, aber auch in der Industrie. Unsere Industrie kann Wandel. Das hat sie bewiesen. Das beweist sie zum Beispiel auch beim Thema Digitalisierung, und sie wird auch das Thema Klimaschutz positiv meistern; davon bin ich überzeugt. Die Politik muss aber auch die Rahmenbedingungen schaffen, dass die Industrie dabei unterstützt wird. Deswegen bin ich froh, dass ein Dekarbonisierungsprogramm im Bereich der Industrie vorgesehen ist, für das anfangs 70 Millionen Euro bereitgestellt werden. Diese Mittel werden auf über 600 Millionen Euro anwachsen. ({5}) Das ist ein wichtiges Förderprogramm für Investitionen in CO2-arme Industrieprozesse. Ebenso wichtig ist mir das Programm zur Förderung von Wasserstoff; denn das ist eine Riesenchance zur CO2-Vermeidung und zur Nutzung von CO2 in der Rohstoffindustrie. Das sind die Technologien der Zukunft, meine Damen und Herren. ({6}) Deutschland verfügt über exzellentes Ingenieurs-Know-how, um das uns eigentlich die ganze Welt beneidet. Diesen Trumpf, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir noch viel stärker ausspielen; denn Klimaschutz kann auch die Konjunktur beleben. Klimaschutz kann auch riesige Vorteile für die Wirtschaft, für die Arbeitsplätze bringen. Deutschland hat auch international eine Verantwortung. Als großes Industrie- und Wirtschaftsland müssen wir den anderen Ländern in der Welt zeigen, dass im Klimaschutz Chancen stecken, dass man Wachstum und den CO2-Ausstoß entkoppeln kann. Wir müssen die Entwicklungs- und Schwellenländer dabei mitnehmen. Deswegen ist es richtig, dass Entwicklungshilfeminister Müller hier viele wirkungsvolle Projekte auf den Weg gebracht hat, dass wir jetzt 100 Millionen Euro mehr für den internationalen Klimaschutz investieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Ende. Ökonomie und Ökologie sind miteinander vereinbar. Das spiegelt auch der Haushalt wider. ({7}) Wir machen hier einen großen Schritt voran. Eines habe ich mir für das Ende aufgehoben: Mit dem Haushalt 2020 werden wir für den CO2-Ausgleich für die Dienstreisen von Bundestagsabgeordneten 300 000 Euro vorsehen. Sie werden in Maßnahmen zur Aufforstung gesteckt. Darüber sollten sich vor allem die Kolleginnen und Kollegen der Grünen freuen; denn wie kürzlich bekannt wurde, fliegen die grünen Bundestagsabgeordneten auf Dienstreisen pro Kopf am häufigsten. Vielen Dank. ({8})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der letzte Redner zu diesem Einzelplan ist der Kollege Rüdiger Kruse, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind in der Haushaltsdebatte, und wir sind bei jedem Etat gleichzeitig noch in einer anderen Debatte. Die Haushaltsdebatte ist ziemlich klar. Sie geht nach ziemlich logischen Regeln vonstatten. Wir haben einen Gesamthaushalt. Wir haben eine gesetzliche Vorgabe, das ist die Schuldenbremse, und wir haben zusätzlich die Verpflichtung dieser Koalition, dass wir keine neuen Schulden machen, die berühmte schwarze Null. Das steht über allem, und daran muss sich jedes Haus halten. Das heißt, in der Zusammenfassung muss das Ergebnis stimmen. Wenn es noch nicht stimmt, muss es nachjustiert werden. Das ist unter anderem eine Aufgabe des Haushaltsausschusses. Dann gibt es daneben eine fachlich geprägte Debatte in jedem einzelnen Ressort, in der dann auch immer wieder gefragt wird: Welche Auswirkung hat denn zum Beispiel eine Maßnahme im Umweltschutz auf den Bereich Wirtschaft? Im Bereich Wirtschaft kann man genau umgekehrt fragen. Und Dinge, die man bei Umwelt inhaltlich vermisst, sind vielleicht im Bereich Verkehr geregelt. Manchmal wird ja auch das angesprochen, was wir dort machen. Aber dafür haben wir keine klaren Regeln, wir haben keine Möglichkeiten, so etwas festzustellen. Beim Haushalt, beim finanziellen Aufwand haben wir dann auch noch den Bundesrechnungshof, der uns kritisch begleitet. Das heißt, wir haben immer eine Prüfinstanz. Die zweite Debatte betrifft die Nachhaltigkeit. Wirtschaft, Umwelt, Soziales, die verschiedenen Auswirkungen darauf und der Anspruch, Einzelthemen miteinander in Einklang zu bringen, das sind die Nachhaltigkeitsziele. Gibt es dort denn keine feststehenden Regeln, gibt es dort nicht so etwas wie die Schuldenbremse? Doch, natürlich: 2015 – nicht in Deutschland allein, sondern weltweit – wurden sie beschlossen, die 17 Nachhaltigkeitsziele. Das sind keine 17 Ziele, die sich irgendeine NGO ausgedacht hat, wo dann die Opposition eines Landes der Regierung des Landes vorhalten könnte, dass sie diese Ziele verfehlt, und die Regierung sagen kann, dass das nicht ihre Ziele seien. Das sind die Ziele dieser Regierung und auch der zukünftigen Regierungen, das sind die Ziele von allen europäischen Regierungen, das sind die Ziele, auf die man sich weltweit geeinigt hat. Aber wir haben weder eine Debatte dazu, noch haben wir ein Berichtssystem, das eine solche Möglichkeit eröffnet. Ralph Brinkhaus, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, hat es schon postuliert: Wir brauchen ein Berichtssystem, das auch diese Kriterien erfasst. Wir müssen in die Lage versetzt werden, zu sehen, welche Auswirkungen eine Maßnahme, die wir zum Beispiel im Landwirtschaftsbereich machen, wiederum im Umweltbereich hat – um dann zu sehen, ob das im Einklang mit allen 17 Nachhaltigkeitszielen ist. Wir können feststellen, dass sich das Parlament und federführend der Haushaltsausschuss intensiv damit beschäftigt hat. Die Veränderungen, die wir in den einzelnen Haushalten vorgenommen haben, sind alle kongruent mit den 17 Nachhaltigkeitszielen. ({0}) Das ist ein großer Erfolg. Aber das reicht natürlich nicht. Wenn es nur um Zuwächse geht, wird das nicht ausreichen, um einen so großen Tanker umzusteuern. Das heißt, wir müssen uns bemühen, in Zukunft nicht nur eine Haushaltsdebatte, sondern immer auch eine Nachhaltigkeitsdebatte zu führen. Dafür müssen wir ein Berichtssystem entwickeln, Kriterien entwickeln, an die sich die Bundesregierung halten muss, die wir kontrollieren können und wo es dann wiederum eine Prüfinstanz gibt; das könnte auch der Bundesrechnungshof machen. Auf dieser Grundlage müssen wir diese Debatte führen. Andernfalls werden wir uns immer mit singulären Themen beschäftigen, ohne die Auswirkungen auf etwas anderes feststellen oder überprüfen zu können. Natürlich hat niemand die Absicht, die deutsche Automobilindustrie lahmzulegen, noch hat jemand die Absicht – wir, die die Regierung tragen, jedenfalls nicht –, Windenergie aus diesem Land zu vertreiben. Aber natürlich muss man sehen, was man mit einer Regelung, die gut gemeint ist, auf der anderen Seite auch bewirkt. Wir sind hier alle deutsche Staatsbürger; sonst könnten wir nicht Abgeordnete im Parlament sein. Es gibt etwas, was sehr, sehr deutsch ist: Das ist der kategorische Imperativ. Wir sollten uns darauf verständigen, dass zukünftig Nachhaltigkeit zum kategorischen Imperativ der deutschen Politik wird. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. Dirk Spaniel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004899, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch in dem aktuellen Gesetzentwurf zum Haushalt 2020 zeigt sich wieder der ideologische Kampf gegen den motorisierten Individualverkehr. ({0}) Man könnte glauben, die Grünen seien schon an der Regierung. Grob gesagt: Sie planen eine weitere Umschichtung des Budgets vom Straßenbau zur Schiene. ({1}) Ihre Grundannahme, dass Sie durch etwas mehr Angebot im ÖPNV das Auto als Verkehrsmittel ersetzen können, ist völlig illusorisch. ({2}) Über 80 Prozent des Personenverkehrs in diesem Land werden durch Fahrten mit dem Auto abgewickelt, und das hat gute Gründe. Die meisten Menschen in diesem Land wollen möglichst bezahlbar, komfortabel, schnell und sicher von einem Ort zum anderen kommen, und wenn Sie nicht ständig Schikanemaßnahmen wie Fahrradspuren erfinden würden, wäre das auch möglich. ({3}) Ihre jahrelangen Bemühungen insbesondere in den Kommunen, Parkplätze in den Städten abzuschaffen, zeigen Wirkung. Je nach Studie sind circa 20 bis 40 Prozent des innerstädtischen Verkehrs Parkplatzsuchverkehr. Das ist politisch generierter Verkehr, um den Anschein zu erwecken, die Städte wären zu voll. ({4}) – Ja, da können Sie protestieren. – Diese innerstädtischen Staus könnte man durch die Schaffung von mehr Parkraum in den Städten sofort beheben. ({5}) Sie wollen aber gar keine pragmatischen, technisch sinnvollen Lösungen. Sie wollen Umerziehung. ({6}) Übrigens: Fragen Sie doch einmal Frauen, wie sie die Sicherheitslage im ÖPNV subjektiv einschätzen, insbesondere an Bahnhöfen, wo Drogenhandel allgegenwärtig ist und man Angst haben muss, vor den nächsten Zug gestoßen zu werden. Da wundert es doch keinen, dass man Akzeptanzprobleme im Bereich ÖPNV hat. ({7}) Auch wenn Sie hier immer das Gegenteil behaupten: Internationale Studien zeigen den ungebremsten Wunsch nach einem eigenen Auto, gerade auch von Jugendlichen. Wir von der AfD wollen ja einen pragmatischen Ausbau des ÖPNV. ({8}) Der ÖPNV muss sicher und komfortabel sein, aber die Wahl des Verkehrsmittels darf nicht durch Schikanen gegen das Auto verzerrt werden. ({9}) Wer ständig versucht, das Auto niederzureden, zeigt nur, wie sehr er sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen in diesem Land entfernt hat. ({10}) Liebe Kollegen von der CSU, nach der Anbiederung von Herrn Söder an die Grünen sind wir die letzte Interessenvertretung der Autofahrer in diesem Land. ({11}) Die AfD ist die Autofahrerpartei. Werfen wir doch mal einen Blick auf den Luftverkehr. Die Bundeskanzlerin hat angekündigt: Deutschland soll Vorreiter für klimaverträgliches Fliegen werden. ({12}) Resultat: Die Luftverkehrsteuer – über 1,3 Milliarden Euro Einnahmen – soll noch mal um 40 Prozent erhöht werden. – Die Lösung für sogenanntes klimaverträgliches Fliegen liegt wahrscheinlich auch in der Verwendung synthetischer Kraftstoffe. Für die Umstellung und Erforschung dieser Kraftstoffe hat die Bundesregierung aber nur 100 Millionen Euro pro Jahr übrig. Erklären Sie doch mal den Flugreisenden, wo der Rest Ihrer Luftverkehrsteuer bleibt. Die AfD fordert, diese Steuererhöhung bis Ende 2020 auszusetzen. Alle anderen Fraktionen haben sich gegen unseren Antrag ausgesprochen. Wir sind die Einzigen, die die Luftverkehrsteuer wieder abschaffen wollen. ({13}) Schauen wir uns zu guter Letzt doch mal die proklamierte Planungs- und Beschleunigungsinitiative der Union an. Ein solches Gesetz ist mehr als überfällig angesichts der Schikanierungen von Autofahrern, ({14}) die sich durch unzählige und häufig über 10 Kilometer lange Autobahnbaustellen quälen müssen. Außerdem stellen marode Brücken eine Gefahr für die Verkehrsteilnehmer, aber auch für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland dar. Man braucht einen besonderen Sinn für Ironie, um zu verstehen, dass Sie sich jetzt für diese Infrastrukturinitiative feiern. Falls Sie es noch nicht gemerkt haben, liebe Kollegen von der Union: Sie sind seit 14 Jahren an der Regierung, ({15}) und Sie sind verantwortlich für die Infrastruktur in diesem Land, die verrottet und zusammenfällt. ({16}) Die AfD fordert seit Tag eins hier im Bundestag eine grundlegende und echte Modernisierung unserer kompletten Infrastruktur. Unsere Anträge sind dazu ein erster Schritt. Vielen Dank. ({17})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Rüdiger Kruse. ({0})

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind eben dafür kritisiert worden, dass wir nur Dinge für die Schiene tun. Ich denke, andere Redner werden uns heute noch dafür kritisieren, dass wir nur Dinge für das Auto tun. Da weiß ich als Mitglied der Union, wo ich stehe: Wir sind Deutschlands starke Mitte. ({0}) Wenn Sie feststellen, dass wir seit 14 Jahren regieren, dann sage ich: Ja, und das ist auch gut so. Deswegen geht es diesem Land so gut, und wir wollen auch gerne noch 14 weitere Jahre regieren, weil man dieses Land noch besser machen kann. ({1}) Dieser Haushalt dient genau diesem Ziel. Wir haben in der Debatte über den Umwelthaushalt eben auch über Themen gesprochen, die in den Verkehrsbereich gehören. Wenn Sie sich anschauen, was wir tun, dann stellen Sie fest, dass wir in der Tat sehr viel für die Schiene tun. Das ist ja auch konsequent. Die Bahn dient und nutzt jedem Bürger. Bevor man sich selber lobt, schaut man auf seine Kritiker: Wir werden seit Langem von der Allianz pro Schiene kritisch begleitet. Diese hat in einer Presseerklärung nach der Bereinigungssitzung erklärt: Dieser Haushalt ist für die umweltfreundliche Schiene der beste Haushalt seit langer, langer Zeit. ({2}) Nun stellt sich die Frage: Wie kommt man zu so einem Lob? NGOs loben einen normalerweise nicht; ({3}) wenn sie zufrieden sind, dann sind sie ruhig. Wir haben zum Beispiel eine neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auf die Beine gestellt oder auf die Schiene gebracht. Wesentlich ist nicht nur, dass wir wesentlich mehr Geld in diesem Bereich ausgeben, sondern auch, dass wir den Zeitraum verlängert haben. Wir hatten bisher immer Fünfjahreszeiträume, jetzt haben wir Planungssicherheit für zehn Jahre. Das ist nicht in erster Linie für uns wichtig oder für die Beamten des Eisenbahn-Bundesamtes, sondern das ist wichtig für die mittelständische Wirtschaft. Wenn Sie Millionenbeträge in neue Maschinen investieren oder neue Mitarbeiter ausbilden, dann ist das nichts, was sich innerhalb von zwei, drei Jahren rechnet. Das heißt, die Unternehmen brauchen die Sicherheit, dass wir es ernst meinen mit dem Investitionshochlauf. Deswegen sehen wir zehn Jahre vor. Wir müssen diese neuen Kapazitäten schaffen und dürfen nicht in Preiserhöhungen investieren. Ich weiß, dass Wolfgang Schäuble früher immer den kleinen Scherz auf Lager hatte, dem Verkehrsminister zu sagen: Du kannst 1 Milliarde Euro mehr bekommen, musst sie aber dieses Jahr ausgeben. – Das kann man nicht. Aber wenn wir mit diesen Milliarden mehr in den folgenden Jahren planen, dann kann man das sehr wohl, und dann werden wir diese Infrastruktur deutlich nach vorne bringen. Wir investieren aber auch in das geliebte Auto der Deutschen, nämlich in alternative Antriebstechnologien. Wir sind da ergebnisoffen. Das heißt, wir haben unsere Wasserstoffstrategie ausgebaut. Wir wollen mit dem Überschussstrom alternative Kraftstoffe produzieren. Vorhin in der Debatte hat die FDP den Slogan, Wasserstoff sei das neue Öl, für sich reklamiert. Na ja, Google is your friend! Das hatte kurz davor das Blockheizkraftwerk-Infozentrum auch so geschrieben; das ist circa fünf Monate her. Sie finden diesen Slogan auch in einer Ausgabe der „Zeit“ von 2012, und da die Elektrolyse im 19. Jahrhundert erfunden worden ist, könnte ich mir sogar vorstellen, dass man noch weiter – vielleicht bis Jules Verne – zurückgehen kann. Trotzdem haben Sie recht, und wir wollen an dieser Möglichkeit mitarbeiten. Das können Sie auch ganz klar an diesem Haushalt ablesen. Das ist zum Beispiel ein Grund dafür, warum wir im maritimen Sektor auf LNG setzen. Man kann jetzt natürlich sagen: Moment, LNG ist fossil. – Ja, das ist richtig, aber Schiffe, die mit LNG fahren, können morgen auch mit aus Wasserstoff methanisiertem LNG fahren. Das ist die gleiche Technik; Sie brauchen die gleiche Infrastruktur. Wenn wir das auf Pkws ummünzen, synthetische Kraftstoffe produzieren und uns vorstellen, dass dadurch 10 Prozent der Fahrzeuge mit erneuerbaren Energien angetrieben werden, dann hätten wir bei 40 Millionen Fahrzeugen, die wir haben, auf einen Schlag 4 Millionen CO2-neutrale Fahrzeuge. Deswegen lohnt es sich, diese Strategie fortzusetzen, und deswegen investieren wir dort. Natürlich machen wir das auch im Bereich der Schiene. Bisher war es so: Wenn es nicht Diesel sein sollte, dann musste die Strecke elektrifiziert sein, und eine Elektrifizierung bedeutete, dass eine Oberleitung notwendig war. Das ist nicht für jede Strecke kostendeckend möglich, weil das sehr teuer ist. Da, wo es keinen schweren Güterverkehr gibt und wo kein ICE fährt, lohnt sich das eigentlich nicht. Aber muss man deshalb auf eine Elektrifizierung verzichten? Nein, das muss man nicht. Wir sorgen für eine Elektrifizierung beim Zug, indem wir ihn mit Wasserstoff und mit einer Brennstoffzelle fahren lassen. Das haben wir ausprobiert, und wir haben festgestellt, dass das funktioniert. Das wollen wir fortsetzen.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, danke. – Hier sehen wir natürlich eine Berechenbarkeit. Der Vorteil von solchen Zügen ist: Der Anfang- und der Endpunkt sind festgelegt. Das heißt, ich kann mir die Infrastruktur fürs Tanken genau ausdenken. Der Zug verlässt seine Schiene in der Regel nicht. Ähnlich ist es beim Schiffsverkehr. Dort wissen Sie im Großen und Ganzen auch, wie die Strecken verlaufen. Sie können die Bebunkerung ganz gut organisieren. Mit unserer Wasserstoffstrategie verlassen wir den Silo des Verkehrs. Ich habe eben im Umweltbereich ja auch schon gesagt, dass es schwierig ist, wenn man immer nur in diesen Einzelsilos – Wirtschaft, Verkehr, Umwelt etc. – denkt, vielmehr muss man natürlich darüber hinausschauen. Die Wasserstoffstrategie ist eine Industriestrategie. Das bedeutet eben, dass wir damit die Möglichkeit schaffen, unsere Industrielandschaft zu erhalten und umzustellen. Ich darf Sie daran erinnern: Wir haben umweltpolitisch schon mal ein herausforderndes Thema gehabt. Da ging es um den deutschen Wald, sozusagen um unsere Seele. Es wurde ja immer gelästert, dass das Waldsterben an der deutsch-französischen Grenze aufhört. Wir haben eine andere Befindlichkeit dazu – zu Recht. Wir haben das Problem des Waldsterbens damals konkret gelöst, aber nicht, indem wir die Industrie abgeschafft haben, und wir werden auch die Herausforderungen des Klimaschutzes lösen, aber nicht, indem wir die Industrie und unser Wirtschaftswachstum abschaffen. ({0}) Ganz im Gegenteil: Wir werden die Zukunftstechnologien entwickeln; denn das, was damals zum Beispiel mehr Aufwand und mehr Kosten verursacht hat, ist heute State of the Art; das ist die Technik, die die ganze Welt haben will. Wir gehen in diese Richtung, bedenken dabei aber auch immer, dass es bei allem auch Negativseiten gibt. Das gehört im Bereich der Nachhaltigkeit dazu. Es gibt Zumutbarkeiten, die okay sind, und welche, die nicht okay sind. Weil wir hier über Verkehr reden: Wenn wir zum Beispiel den Schienenausbau vorantreiben, dann finden das sehr viele gut. Aber derjenige, der an einer neuen Güterzugtrasse wohnt, der muss das nicht automatisch gut finden. Deswegen haben wir übergesetzlichen Lärmschutz beschlossen. Deswegen machen wir eine Bürgerbeteiligung an vielen Stellen, wo wir sehr konkret und sehr detailliert darüber reden, was wir tun können, um die Akzeptanz zu fördern. Das ist mühsam. Am Ende kostet das Geld. Aber genau das ist der richtige Weg. Sie haben recht: 14 Jahre in der Regierung waren schon gut. Weitere 14 Jahre wären hilfreich. Wir sind dazu bereit. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Christoph Meyer. ({0})

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal: Herr Kruse, Ihnen als Hauptberichterstatter ein herzlicher Dank, auch wenn Ihre Rede hier, würde ich sagen, nur zu einem Drittel zum Einzelplan 12 ging und ansonsten eher eine Tour dʼHorizon durch Wirtschaftspolitik, Industriepolitik und Umweltpolitik war. Mein Dank geht auch an meine anderen Kollegen Berichterstatter. Die Politik von Andreas Scheuer erinnert zumindest mich häufiger an den Titel eines heute weniger bekannten Films: „Die Faszination des Grauens“. ({0}) Das war 1996 der erste vielgelobte Langfilm des Regisseurs Alejandro Amenábar. Bei Andreas Scheuer gibt es leider nur Grauen und ganz, ganz wenig Lob. Vielmehr versagt Herr Scheuer bei allem, was er anfasst: Pkw-Maut, Bahn, Bundeseisenbahnvermögen, Mittelabfluss, Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Der Rechnungshofbericht zum Einzelplan 12 liest sich wie ein Tal der Tränen. ({1}) Pkw-Maut: Da lassen Sie filmreif Ihre Aktenordner durch den Bundestag schieben. Aber bei den richtig schmutzigen Themen, bei den heimlichen Absprachen, die jetzt rauskamen, bei den windigen Deals, bei den Beraterkosten, da schalten Sie die Scheinwerfer aus. Da geht es ums Verschleiern. Der Bundesrechnungshof attestiert Ihnen eine Verletzung des Vergaberechts, eine Verletzung des Haushaltsrechts, einen fahrlässigen Umgang mit Steuermitteln. Deswegen ist der Untersuchungsausschuss genau richtig und wird dies aufklären. ({2}) Der Titel zum Bahngrauen müsste eigentlich eingegrenzt werden, fallen doch zu viele Beispiele heraus. Nur mit Buchhaltungs- und Auslegungstricks wird die Verschuldungsgrenze der Deutschen Bahn AG gehalten. Der Verkauf von Arriva wackelt. Das übrige Beteiligungsportfolio vom Fischkutter bis zum umfangreichen Busfuhrpark der Bahn ist offensichtlich vollkommen steuerungslos. Ein Wort zur LuFV III, die hier gelobt wurde: Leider hat die Koalition den Maßgabebeschluss aus dem Jahr 2018 wieder kassiert. Eine aussagefähige Qualitätskennzahl scheint offensichtlich nicht gefunden zu werden. Rückforderungsmöglichkeiten werden doch nicht so ausgebaut, wie es ursprünglich beabsichtigt war. All das ist weniger als der Erkenntnisgewinn, den Ihre Koalition schon mal zum Zustand der Bahn hatte. Auch das ließe sich beliebig verlängern: Der Netzausbau geht nicht weiter. Auch hier hat der Bundesrechnungshof sehr, sehr deutliche Formulierungen gefunden: Bahnpolitische Leitlinien: Fehlanzeige! Ein Vierteljahrhundert nach der letzten großen Bahnreform sollte das Bundeseisenbahnvermögen endlich aufgelöst werden: Fehlanzeige! Wenn jetzt noch die Mittel aus dem Klimapaket dazukommen, dann befürchten wir, dass angesichts des Zustandes, den die Deutsche Bahn momentan nach 14 Jahren Ihrer Regierungsbeteiligung zu beklagen hat, eher die Gefahr besteht, dass die Geldmittel ineffizient ausgegeben werden. ({3}) In der Bereinigungssitzung gab es dann noch 175 Millionen Euro mehr. Der Etat hat jetzt ein Volumen von 30 Milliarden Euro – der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, ist ja hier – bei Ausgaberesten von über 4 Milliarden Euro. Wenn Herr Rehberg zu Beginn dieses Sitzungstages darauf hingewiesen hat, dass die Regionalisierungsmittel nicht abfließen und hier Ausgabereste gebunkert werden, dann ist das eigentlich ein Fingerzeig für Sie und für Ihr Haus: Hier ist das Problem nämlich genau dasselbe. Es ist schon bezeichnend, dass Sie sich anders als zu Beginn der Legislaturperiode, als Sie vollmundig versprachen, sich an dem Mittelabfluss messen lassen zu wollen, nun genau daran nicht mehr messen lassen wollen, weil Sie offensichtlich verstanden haben, dass Sie auch hier nicht vorankommen, dass Sie hier versagen. ({4}) DigitalPakt Schule: Der Alleingang, den Sie hier bei der Stundung der 5G-Veräußerungserlöse zusammen mit dem Finanzministerium gemacht haben, hat nicht nur Ihre Fraktionskollegin Frau Karliczek im Regen stehen lassen, sondern offenbar auch die Schülerinnen und Schüler in unserem Land. Sie haben in der Bereinigungssitzung noch 200 Millionen Euro obendrauf gelegt, weil offensichtlich in der Tat in dem Bereich mehr Mittel für die Schulen und von den Bundesländern abgefragt werden. Auch das ist ein Armutszeugnis für Ihre Politik. Bei dieser Bilanz, Herr Scheuer, kann man eigentlich nur hoffen, dass die Bundeskanzlerin Ihnen endlich ihr vollstes Vertrauen ausspricht, damit wir vielleicht zu einem wirklichen Neustart in der Verkehrspolitik kommen. ({5}) Man sollte auch loben – damit komme ich zum Ende –: Die Laufzeit der Computerspielförderung, die vielleicht nicht ganz sachlogisch in Ihrem Etat angesiedelt ist, wurde jetzt verlängert. Das ist ein kleiner Lichtblick. Ansonsten haben wir Ihnen in den Haushaltsberatungen gezeigt, wie es geht. Wir sind Serviceopposition. ({6}) Sie haben an der einen oder anderen Ecke von uns abgeschrieben. Das ist gut. Schreiben Sie weiter und mehr von uns ab! Dann wird aus dem Horrorstreifen Ihrer Verkehrspolitik vielleicht endlich ein Blockbuster. Ich bin gespannt – bisher ist in jedem Haushaltsjahr noch ein Klopfer draufgekommen –, was im nächsten Jahr passiert. Vielleicht überraschen Sie uns mal positiv. Ich danke Ihnen. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Sören Bartol. ({0})

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Meyer! Dieser Haushalt ist für den Infrastrukturbereich eine große Freude und eine Herausforderung zugleich. Die Mobilitätswende ist ein zentraler Baustein der Klimapolitik der Großen Koalition. Mit diesem Etat schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass der Umbau unseres Verkehrssystems nachhaltig, sozial und ökonomisch gelingt. ({0}) Wir machen es möglich, dass Deutschland bei der Digitalisierung endlich aufholt. Wir modernisieren unsere Infrastruktur für Millionen Menschen, die jeden Tag darauf angewiesen sind, gut und zuverlässig von A nach B zu kommen. Das ist auch gut für den Standort und eine leistungsfähige Wirtschaft. Dieser Etat setzt auf die richtige Mischung aus Investitionen, Innovationen und sozialem Ausgleich. Aber die Arbeit ist noch nicht getan. Denn jetzt geht es ans Umsetzen. Ich erwarte von der Bundesregierung und den Ländern, dass die Investitionen jetzt zügig in Projekte umgesetzt werden, und ich erwarte von den Unternehmen, dass sie die guten Rahmenbedingungen nutzen, um nachhaltig Mobilität wettbewerbsfähig und bezahlbar zu machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir zeigen, dass wir Klimaschutz ökologisch, ökonomisch und sozial zusammendenken. Dafür ist der Verkehrsbereich zentral wichtig. Mobilität bedeutet Teilhabe. Das Auto und die Bahn sind soziale Integrationsmaschinen. ({1}) Sie stehen für Hunderttausende Arbeitsplätze und weltweit exzellentes Know-how. Wir fördern umweltfreundliche Mobilität und modernisieren die Verkehrsträger, die bisher klimaschädlich waren. Das ist aktive Strukturpolitik für eine innovationsstarke Industrie, für Arbeit und gute Einkommen und für eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur. ({2}) Der Strukturwandel im Verkehrsbereich ist nicht nur auf einzelne Verkehrsträger bezogen, er ist eine systemische Herausforderung. Wir wollen nicht weniger Mobilität, sondern eine andere Art von Verkehr. Wir wollen keine Verbote, sondern schaffen Anreize und bauen Alternativen aus. Ich will drei Beispiele dafür nennen. Erstens. Bei der Schiene sorgen wir mit dem größten Investitionspaket aller Zeiten für einen Modernisierungsschub, wie es ihn in der Geschichte der Bahn noch nicht gegeben hat. Die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung über 54 Milliarden Euro gibt Investitions- und Planungssicherheit über zehn Jahre. ({3}) Gleichzeitig stärken wir deutlich und langfristig den Nahverkehr. ({4}) Wir verdoppeln die Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Die Regionalisierungsmittel werden von 2020 bis 2031 um insgesamt über 5 Milliarden Euro erhöht. ({5}) Wir investieren insgesamt rund 300 Millionen Euro in die Attraktivitätssteigerung und Barrierefreiheit der Bahnhöfe, und mit der Senkung der Mehrwertsteuer für Zugreisende im Fernverkehr sowie der Eigenkapitalerhöhung der DB AG um insgesamt 11 Milliarden Euro geben wir einen zusätzlichen Push für die Schiene. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und den Grünen, so viele Investitionen gab es noch nie. Immer noch einfach mehr zu fordern, ist angesichts der Summen in diesem Haushalt schlicht unseriös. Das ist keine Politik mehr, sondern das ist Ratlosigkeit bei Ihnen. ({7}) Machen wir uns ehrlich: Es steht genug Geld zur Verfügung. Die Herausforderung liegt darin, es jetzt vor allem auch zu verbauen. Wir brauchen keine theoretischen Debatten um die schwarze Null. Die Investitionen müssen jetzt umgesetzt werden: in Straßen, Schienen, Waggons und Ladesäulen. Das ist die Herausforderung der kommenden Jahre. Es braucht vor allen Dingen Ruhe bei der DB AG. Ich erwarte, dass der Vorstand der Deutschen Bahn AG seiner Verantwortung nachkommt und jetzt konzentriert umsetzt, was hier in diesem Parlament beschlossen wird. ({8}) Dieser Haushalt zeigt, dass wir, die SPD-Bundestagsfraktion und die Koalition in Gänze, die Schiene als Rückgrat der Mobilitätswende in der Stadt und auf dem Land massiv stärken. Zweitens. Bei der Elektromobilität gilt das Gleiche: Auch hier haben wir am Ende eine dreifache Modernisierungsrendite: klimagerechte, bezahlbare Mobilität, eine wettbewerbsfähige Industrie mit guten Arbeitsplätzen und soziale Teilhabe. Die Förderung von Ladesäulen, die Verlängerung der Anreize für Bezieher mittlerer Einkommen, also gerade für den Massenmarktbereich, zum Kauf von Elektroautos, der Ausbau der Batterieforschung – das sind alles Punkte, die diese Koalition beschlossen hat. Mein letztes Beispiel ist die Digitalisierung. Für ein leistungsfähiges Verkehrssystem und für die Mobilitätswende ist die Digitalisierung entscheidend. Mit der Förderung des Breitbandausbaus und der Mobilfunkstrategie forcieren wir, dass Deutschland seine digitale Infrastruktur endlich auf ein wettbewerbsfähiges Niveau bringt. Zugleich geben wir mehr Geld für die Strategie „automatisiertes und vernetztes Fahren“. Wir fördern die Digitalisierung der Schiene und bauen digitale Testfelder an Häfen, Wasserstraßen und Bahnstrecken auf. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das zeigt unseren Anspruch: Wir wollen eine der modernsten Infrastrukturen in Europa aufbauen, und wir wollen, dass Deutschland als Technologie- und Industriestandort weltweit Spitze bleibt. Dazu gehört, dass der Strukturwandel, in dem wir längst stecken, gerecht vonstattengeht und dass wir den sozialen Frieden wahren. Wir schaffen Alternativen für ein modernes und umweltfreundliches und vor allem bezahlbares Mobilitätsangebot in Stadt und Land. Ich bin zuversichtlich, dass wir so nicht nur die Klimaziele erreichen, sondern dass das auch der richtige Weg ist für einen starken Wirtschafts- und Technologiestandort. ({10}) Wir müssen die Klimaziele erreichen, und wir müssen gleichzeitig darauf achten, wie wir sie erreichen. Dafür ist der Verkehrsbereich ein zentraler Baustein. Ich erwarte auch, dass das zuständige Ministerium diese Haltung verinnerlicht und einen Gang hochschaltet. Manche Debatten der letzten Monate zum Thema Klima hätten wir uns einfach sparen können. ({11}) Am Ende musste sogar die Kanzlerin ein Machtwort sprechen, um die Blockade zu überwinden, die in dem Haus herrschte. Ich erwarte, dass in Zukunft nicht reagiert und abgewartet wird, sondern dass aktiv Ideen und Initiativen kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Modernisierung der Infrastruktur und des Mobilitätsbereiches ist eine der größten Umbauaufgaben der kommenden Jahre. Dieser Haushalt steht dafür. Die Koalition hat ihre Hausaufgaben gemacht, und jetzt geht es gemeinsam ans Umsetzen. Vielen Dank. ({12})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für Die Linke hat das Wort der Kollege Victor Perli. ({0})

Victor Perli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir brauchen ein großes Zukunftsinvestitionsprogramm. Dafür kämpft Die Linke; denn wir wollen deutlich mehr in die Bahn, in den öffentlichen Nahverkehr, in gute Rad- und Fußwege investieren. ({0}) Das ist auch dringend nötig, weil die Politik der letzten 20 Jahre dieses Land kaputtgespart hat. Bei der Schiene gibt es einen Investitionsstau von über 50 Milliarden Euro. Zehntausende marode Brücken und Straßen müssen saniert werden. Das kostet den Bund mindestens 20 Milliarden Euro. Die Wasserstraßen sind jahrzehntelang vernachlässigt worden, und beim Breitbandausbau und der Digitalisierung kommt das Geld überhaupt nicht vor Ort an. Das alles sind Schulden, die diese Regierung der heutigen und vor allem den künftigen Generationen hinterlässt. Die Linke ist damit nicht einverstanden. ({1}) Wie konnte es eigentlich zu diesen Problemen kommen? Eine ganz große Koalition aller Parteien außer der Linken hat die Weichen falsch gestellt. Sie haben die schwarze Null und das Kreditverbot zur heiligen Kuh erklärt. Sie glauben, dass der freie Markt alle Probleme löst. Das Ergebnis sind eine kaputtgesparte Infrastruktur, unzufriedene Bürger, und inzwischen klagt sogar die Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen über die negativen Folgen. Wenn Sie öfter auf Die Linke hören würden, wäre das nicht passiert. ({2}) Drei aktuelle Beispiele: Deutschland ist nicht nur sozial, sondern auch digital gespalten. In ländlichen Regionen haben nur drei von zehn Haushalten schnelles Internet. Über 4 600 Gemeinden in diesem Land haben keine flächendeckende LTE-Versorgung. Woran liegt das? Wenn die Politik keine Regeln aufstellt, dann bauen Netzbetreiber natürlich Breitband- und Handymasten nur dort auf, wo man damit Geld verdienen kann, nämlich in den Ballungsräumen. Auf dem Land gibt es dann nur Festnetztelefon statt 5G. Jetzt gründet die Koalition aus Panik eine staatliche Gesellschaft, die mit viel Steuergeld das machen muss, was die Betreiber längst hätten machen sollen. Das darf doch alles nicht wahr sein. ({3}) Letzte Woche stand nach unserer Anfrage in vielen Zeitungen: Die Steuerzahler müssen jetzt über 3 Milliarden Euro an Mehrkosten blechen, weil die Kosten für fast alle privaten Autobahnprojekte aus dem Ruder laufen. – Die Linke sagt: Schluss mit diesen Experimenten! Straßen, Schienen und Wasserwege gehören uns allen. Sie dürfen nicht privatisiert werden. ({4}) Und nun zur Bahn, die uns allen sehr am Herzen liegt. 6 Millionen Menschen fahren täglich mit ihr, und es sollen noch viel mehr werden. Aber jeder vierte Zug ist verspätet. Über 6 500 Kilometer Schiene sind seit 1994 abgebaut worden. Weil die Bahn an die Börse sollte, wurden viele Regionen abgehängt, und die Tickets sind viel zu teuer. ({5}) Der Güterverkehr könnte das Herzstück einer nachhaltigen Verkehrspolitik sein. ({6}) Ein Güterzug ersetzt 60 Lkw, die uns allen die Straße verstopfen. ({7}) Doch 80 Prozent aller Gleisanschlüsse von Unternehmen sind in den letzten 25 Jahren abgebaut worden. Deshalb gibt es immer mehr statt weniger Laster. Die Koalition feiert sich heute für die Summen, die ins Schienennetz fließen sollen. ({8}) Dabei fehlt immer noch Geld, um das bestehende Netz wieder in Ordnung zu bringen. Ich zitiere die Eisenbahngewerkschaft EVG: Die ... Bundesmittel ... reichen nicht aus, um den riesigen Investitionsrückstau im Schienennetz abzubauen. ... die Probleme der Infrastruktur werden sich stattdessen weiter erhöhen. So die EVG. – Das kann man überall bei den Experten nachlesen. Das schreiben die Ihnen ins Stammbuch. Für Die Linke ist glasklar: Die Bahn muss deutlich ausgebaut und unschlagbar günstig werden. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit und des Klimaschutzes. ({9}) Meine Damen und Herren, zur Pkw-Maut. Verkehrsminister Scheuer hat über eine halbe Milliarde Euro in den Sand gesetzt. Das Parlament wurde getäuscht. Der Bundesrechnungshof hat schwere Verstöße gegen das Vergabe- und Haushaltsrecht festgestellt. Jeder normale Arbeitnehmer wäre schon längst entlassen worden. Die Bürger dieses Landes erwarten jetzt Konsequenzen von Union und SPD. ({10}) Viele Minister sind schon für weit weniger zurückgetreten. Es kann doch nicht sein, dass dieser Skandal folgenlos bleibt, meine Damen und Herren. ({11}) Beachten Sie deswegen zwei Dinge: Erstens. 73 Prozent der Bürgerinnen und Bürger wollen laut Umfragen, dass Herr Scheuer zurücktritt. Zweitens. Damit hier Schwung reinkommt, haben Fabio De Masi und ich Strafanzeige gegen den Minister erstattet. Das muss jetzt ein Fall für die Justiz werden; das kann so nicht weitergehen. Vielen Dank. ({12})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster spricht der Kollege Stephan Kühn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Stephan Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004085, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verkehrsbereich hat die größte Bringschuld beim Klimaschutz. Der CO2-Ausstoß muss bis 2030 um mindestens 40 Prozent reduziert werden. Das ist eine gewaltige, aber zugleich machbare Herausforderung. Mit diesem Haushalt kommen wir dem Thema aber nicht näher. ({0}) Union und SPD vermitteln den Eindruck, wir könnten im Wesentlichen so weitermachen wie bisher, nur müssten wir hier und da etwas mehr Geld in die Hand nehmen. Das, meine Damen und Herren, ist ein Trugschluss. ({1}) Ihnen fehlt der Mut, klimaschädliche Subventionen abzubauen. Im Gegenteil: Sie schaffen sogar neue. Jetzt soll Regionalflughäfen ein Teil der Flugsicherungsgebühren erlassen werden. Das ist nichts anderes als ein indirektes Förderprogramm für Billigairlines. Das ist doch unglaublich. ({2}) Die jährlichen milliardenschweren Subventionen für Dieselkraftstoffe liegen unverändert ein Vielfaches über den Geldern für die Förderung alternativer Antriebe mit erneuerbaren Energien. Wie sollen sich alternative und klimafreundliche Technologien durchsetzen, wenn Diesel weiter mit Steuerrabatten bezuschusst wird? ({3}) Sie ändern nichts an den Strukturen. Die Abgaben- und Steuerlast für die umweltfreundliche Eisenbahn ist trotz Mehrwertsteuersenkung im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln extrem hoch. Der Stromsteuersatz ist der zweithöchste in ganz Europa. Deshalb, meine Damen und Herren, muss der Stromsteuersatz auf das europäische Minimum von 0,1 Cent gesenkt werden. Das würde die Bahn stärken. ({4}) Denn die Bahn ist das ökologische Rückgrat für die Verkehrswende. Doch der Verkehrsminister baut lieber Straßen, als ob es keine Klimakrise gäbe, als ob Digitalisierung und Automatisierung keine Alternativen zum Zubetonieren von Landschaften wären. In den letzten zwei Jahren ist der Straßenbauetat um 1 Milliarde Euro gestiegen. Ebenfalls ausgeweitet wurden die für die Steuerzahler teuren ÖPP-Projekte. Man stärkt aber nicht die umweltfreundliche Schiene, indem man neue Straßen baut. ({5}) Viele Straßenaus- und ‑neubauprojekte gehören auf den Prüfstand. Der Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan spricht eine klare Sprache: Sollten alle Projekte, die dort aufgeführt sind, umgesetzt werden, steigt der CO2-Ausstoß. Das ist das Gegenteil von dem, was wir hier politisch verabredet haben. Deshalb brauchen wir ein klimapolitisches Straßenbaumoratorium. ({6}) Ein richtiges Ziel ist es – ich glaube, das eint uns hier –, bis 2030 die Fahrgastzahlen der Bahn zu verdoppeln. Doch dafür müssten endlich die Investitionen in Aus- und Neubau verdoppelt werden, sonst funktioniert das nicht. 3 Milliarden Euro bräuchten wir jährlich, um die im Bundesverkehrswegeplan beschlossenen Projekte umzusetzen, ({7}) aber nur die Hälfte, nämlich 1,5 Milliarden Euro, steht im Haushalt zur Verfügung. So wird es nichts mit der Umsetzung des Deutschland-Takts, und so wird es auch nichts mit der Verdopplung der Fahrgastzahlen. ({8}) Die Mittel wurden im Vergleich zum Haushaltsentwurf sogar gekürzt, etwa bei den Investitionen in Lärmsanierung an Schienenwegen. Für die Elektrifizierung regionaler Bahnstrecken stehen im nächsten Jahr nur 10 Millionen Euro zur Verfügung, ({9}) für die Sanierung kleiner Bahnhöfe 35 Millionen Euro, und das bei einem Gesamtetat von 30 Milliarden Euro. Das ist keine Investitionsoffensive für die Verkehrswende, das ist reine Kosmetik. ({10}) Die Bahn braucht mehr Geld, aber nicht ohne eine grundlegende Strukturreform des Konzerns und eine Fokussierung auf das Kerngeschäft. Wir wissen bis heute nicht, was eigentlich die Bedingungen für die jährliche Kapitalerhöhung in Höhe von 1 Milliarde Euro bei der Bahn sind. Stattdessen erleben wir einen öffentlich ausgetragenen Machtkampf in der Chefetage der Bahn und einen Verkehrsminister, der eine öffentlichkeitswirksame Brieffreundschaft mit dem Bahnchef pflegt. Das alles löst keine Probleme, das ist reine Showpolitik. ({11}) Wir müssen den Investitionsstau – das ist schon gesagt worden – bei der Bahn endlich abbauen. Das System der Verkehrsfinanzierung muss deshalb geändert werden. Derzeit gilt die Regel „Straße finanziert Straße“. Steigende Einnahmen aus der Erhöhung und Ausweitung der Lkw-Maut führen zu zusätzlichen Investitionen in Straßenneubau. Wir brauchen aber eine Abkehr von diesem Prinzip. Notwendig sind zusätzliche Investitionen in die Schiene, beispielsweise auch in die Reaktivierung von Bahnstrecken. Deshalb muss künftig gelten: Verkehr finanziert Verkehrswende. ({12}) Meine Damen und Herren, wirksamer Klimaschutz braucht mutige Entscheidungen. Dieser Haushalt dokumentiert den fehlenden Willen und das Versagen der Großen Koalition in der Klimaschutzpolitik. ({13})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster hat das Wort der Bundesminister Andreas Scheuer. ({0})

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jeden Tag in Deutschland nehmen Menschen das Auto, die Bahn, den Bus, das Rad oder das Flugzeug. Deutschland ist mobil und digital in Stadt und Land. Das Ziel dieser Großen Koalition ist die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, und das erreichen wir mit dem Haushalt 2020 weiterhin. ({0}) Die Bürger telefonieren mobil, schreiben SMS, surfen im Internet. Jeden Tag werden Einkäufe getätigt, Bestellungen aufgegeben und Pakete zugestellt. ({1}) Millionen Bürger arbeiten in den Verkehrsbetrieben, in der Logistik, in der Automobilbranche, in den Häfen oder in den Behörden, die sich jeden Tag mit Mobilität beschäftigen. Dafür, dass vieles funktioniert und vieles klappt, brauchen wir uns nicht zu entschuldigen; denn das ist die Basis unseres Wohlstands in Deutschland. ({2}) Diese Große Koalition nimmt die mit diesem Haushalt verbundenen Herausforderungen an, etwa dass sich die Zeiten des Wohlstands nicht automatisch verlängern und wir vielmehr einen riesigen Umbau unserer Volkswirtschaft brauchen. Die Infrastruktur ist dafür die Basis. Dafür ist dieser Haushalt eine wirklich ausgezeichnete Basis, und deswegen möchte ich mich sehr herzlich bei den Berichterstattern im Haushaltsausschuss, bei den Fachpolitikern im Verkehrsausschuss, bei den Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung und besonders beim Bundesfinanzministerium für diesen Haushalt bedanken; denn dieser Haushalt ist Beweis dafür, dass das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit einem Etat von 19,5 Milliarden Euro ein wahres Investitionsministerium ist. ({3}) Wir sind das Mobilitätsministerium. Wir sind 30 Jahre nach dem Mauerfall – das sage ich ganz bewusst – ein Wiedervereinigungsministerium; denn von den 17 Projekten aus dem Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ ist ein Teil abgeschlossen, wenige befinden sich vor dem Abschluss. Wir sind das Ministerium für die digitale Infrastruktur. Wir sind ein Technologieministerium. Und wir sind ein Serviceministerium für die Abgeordneten und die Anliegen der Regionen. ({4}) Und wir investieren kräftig. Wir reformieren kräftig. Wir fördern, und wir beschleunigen. ({5}) Und wir machen einen Riesenumbau für den Fortschritt. Meine Damen und Herren, wenn ich mir die Reden anschaue, stelle ich fest, dass dieses Haus wirklich ganz breit aufgestellt ist, ({6}) vor allem in der Opposition. Die einen kritisieren, dass wir nicht genug für die Straße machen, was wir aber tun. ({7}) Und die anderen kritisieren, dass wir für die Bahn zu wenig machen. Da möchte ich den Mut des Kollegen von den Grünen im Haushaltsausschuss hervorheben. Herr Kollege Kindler, Sie haben der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, dem größten Modernisierungsprogramm für die Bahn, das ich im Haushaltsausschuss vorgelegt habe, zugestimmt. Herzlichen Dank dafür. ({8}) Sie führen die Rede des Kollegen Kühn ad absurdum; er hat sich im Verkehrsausschuss enthalten – nicht einmal dagegengestimmt, sondern enthalten. Von daher: Für diese Unterstützung der Grünen für eine gute Bahnpolitik dieses Verkehrsministeriums meinen herzlichen Dank. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Herr Scheuer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kindler?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Nein. ({0}) Er kann gleich eine Kurzintervention machen. Dazu lade ich Sie herzlich ein. ({1}) Herr Kollege Meyer, wenn Sie bemängeln, dass die Infrastruktur so schlecht ist, dann freue ich mich auf die Rückmeldungen des Ministers Wissing aus Rheinland-Pfalz, der mit mir zusammen an der Fertigstellung der Hochmoselbrücke gearbeitet hat, einem großen Infrastrukturprojekt der Region. ({2}) Da muss ich sagen: Ich bekomme Dank von den Ministern. Da fließt wirklich Geld. Einen Gruß an den Kollegen Wissing in Rheinland-Pfalz. ({3}) Im Übrigen – damit man sich erinnert; auch die, die jeden Tag Bericht erstatten –: Am 9. September 2010 hat die damalige Fraktionschefin Künast von der Grünen-Bundestagsfraktion den Stopp des Projekts Hochmoselübergang gefordert. ({4}) Am 17. November 2019 lauten Zitate aus den Überschriften: „Tausende Bürger feiern Fertigstellung der Hochmoselbrücke“, „Party in 160 Meter Höhe“, „Jobmotor an der Mosel“. Das ist Infrastrukturpolitik: nicht dagegen sein, sondern Projekte umsetzen. Und das ist die Politik dieser Großen Koalition. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin, die Sie gerade angesprochen haben?

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Die kann auch eine Kurzintervention machen. ({0}) Im August 2017 – bei Herrn Perli und Herrn Kühn hat das Thema ÖPP eine Rolle gespielt – hat Toni Hofreiter in der „Berliner Morgenpost“ zu dem Thema gesagt: Die Pleite der A1-Betreiber ist eine kräftige Watsche für Minister Dobrindt … Dobrindt und die A1 zeigen: So drohen zusätzliche Belastungen für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Heute, am 26. November 2019, ist die Millionenklage vom Autobahnbetreiber A1 mobil abgewiesen worden, und wir haben in allen Punkten recht bekommen – damals und heute. ({1}) Wo ist eigentlich der Kollege Krischer? Der ist normal immer da, aber heute ist er nicht da. Trotzdem hat er der „Berliner Morgenpost“ ein Interview gegeben, in dem er mich scharf angreift: Der Verkehrspolitiker – Krischer - warf Scheuer vor, zu viel Geld für Straßen und Autobahnen auszugeben, „während die Schiene unterfinanziert bleibt ({2}) – im Haushaltsausschuss zugestimmt - und Radwege bestenfalls ein Nischendasein genießen“. Meine Damen und Herren, wir stellen bis 2023 für den Radverkehr so viel Geld wie nie zuvor zur Verfügung: 1,45 Milliarden Euro. Und wir werden ein Fahrradland Deutschland organisieren. ({3}) Denn Fahrradfahren hat Zukunft und ist hochmodern und klimafreundlich. ({4}) Meine Damen und Herren, ich darf nur einen Überblick geben. Wir haben im Verkehrsministerium eine Blockchain-Strategie, eine Klimaanpassungsstrategie für den Rhein, einen Masterplan Binnenschifffahrt, Zukunftsbündnis Schiene, Innovationsprogramm Logistik 2030, Gesamtstrategie Mobilfunk, Masterplan Ladeinfrastruktur, eine KI-Strategie, 5G-Förderung, Wasserstoffstrategie, Planungsbeschleunigung, Deutschland-Takt, Nationale Plattform „Zukunft der Mobilität“, Bündnis für moderne Mobilität, Klimapaket und die größte Reform in der Geschichte der Autobahnen mit 15 000 Beschäftigten, die wir auf den Weg bringen. Das sind die Großprojekte, die diese Koalition anschiebt und nichts anderes, meine Damen und Herren. ({5}) Zu funktionieren, ist in Deutschland selbstverständlich geworden. Die Bürger haben einen hohen Anspruch, zu Recht. Es gibt viel Mobilität jeden Tag, und ja, es gibt täglich auch viel Verärgerung über Mobilität. Dessen bin ich mir bewusst. Wir müssen eine Mobilität nachzeichnen, bei der völlig klar ist: Wenn eine Pendlerin auf das Rad steigt, dann braucht sie einen durchgängig gesicherten Radweg. Dafür haben wir Mittel in Rekordhöhe zur Verfügung gestellt. Sie braucht eine moderne Abstellanlage am Bahnhof; das wird vom Bund gefördert. Sie braucht einen barrierefreien Bahnhof; das wird vom Bund gefördert. Sie braucht eine gute Mobilfunkinfrastruktur. Ich sehe, wie viel Widerstand es in den entsprechenden Regionen gibt, vor allem von Parteien, die hier im Deutschen Bundestag sitzen. Das lassen wir nicht mehr zu. Hier eine gute Schiene fordern und draußen dann dagegen sein; hier flächendeckenden Mobilfunk fordern und draußen gegen den Bau von Sendeanlagen sein; hier große Projekte für eine gute Infrastruktur fordern und draußen dagegen sein. Meine Damen und Herren, wir brauchen einen nationalen Kraftakt, vor allem bei der Bahn. Ich biete Ihnen an, und ich lade Sie dazu ein, dass wir der Bahn im nächsten Jahr Grundsatzfragen stellen, dass wir uns als Politiker zusammensetzen und fragen, wie wir die Bahn in Auftrag, Ziel, Struktur und Organisation zukunftsfähig aufstellen, ohne Denkverbote. Denn ich glaube, dass in Zeiten von Klimaschutz und Klimazielen jede Fraktion dafür kämpfen will, dass die Bahn ein gutes Angebot ist. Wir stellen so viel Geld wie nie zuvor für die Bahn zur Verfügung. Ich lasse auch nicht zu, dass aufgrund eigener Interessen von allen Seiten an unserem Konzern gezerrt und gezurrt wird zum Schaden der 320 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zum Schaden unserer Bahn. Deswegen müssen wir das System Schiene besser machen. Ich lade Sie ein, diese Grundsatzfragen gemeinsam zu beantworten. ({6}) Denn die Bürger wollen eines: schnelle Züge, bessere Umstiege, mehr Pünktlichkeit und vor allem eine bessere Preisstruktur. ({7}) Lassen Sie uns daran arbeiten, neben den Organisations- und Strukturthemen. Dazu lade ich Sie ein. Ich bedanke mich für die guten Beratungen für den Haushalt 2020. Wir können stolz sein; denn wir können den Bürgerinnen und Bürgern sagen: Wir reinvestieren ihr Steuergeld in die Regionen, damit auch die Mobilität von morgen sichergestellt ist. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Bevor wir in der Rednerliste fortfahren, erteile ich dem Kollegen Kindler das Wort für eine Kurzintervention.

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! – Herr Minister Scheuer, ich finde es sehr schade, dass Sie meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, obwohl Sie mich direkt angesprochen haben und hier leider falsch behauptet haben, dass ich und meine Fraktion im Haushaltsausschuss der Leistungsfinanzierungsvereinbarung III zugestimmt hätten. Ihre Erinnerung aus dem Ausschuss ist anscheinend falsch. Ich bedaure, dass Sie das falsch in Erinnerung haben. Wir haben uns bei der Leistungsfinanzierungsvereinbarung III im Haushaltsausschuss wie im Verkehrsausschuss enthalten. Wir haben gesagt: Die Systematik und auch das Finanzvolumen sind nicht ausreichend, um die Schiene für die nächsten zehn Jahre fit zu machen. So haben wir uns im Haushaltsausschuss verhalten. Aber anscheinend ist es ja eine Methode von Ihnen, hier im Bundestag falsche Behauptungen aufzustellen, damit Stimmung zu machen. Wir haben bei der Maut erlebt, wie Sie mit falschen Behauptungen den Bundestag getäuscht haben. Ich bitte Sie also, hier nicht weiter solche Fake News zu verbreiten, sondern Ihre Aussage zurückzunehmen und zur Wahrheit zurückzukehren. Vielen Dank. ({0})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Herr Scheuer.

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Also, Herr Kollege Kindler, ich habe mich beim Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss während dieser Sitzung vergewissert, ob Sie bei der Zustimmung die Hand oben gehabt haben. Ihre Hand war oben. ({0}) Ich saß neben dem Mitarbeiter, der protokolliert hat. Wenn Sie das im Nachhinein korrigiert haben, ist das auch okay. ({1}) Herr Kollege Kindler, was mich stört – davon waren Sie nicht betroffen, aber die Kollegen Fachpolitiker im Verkehrsausschuss – ist, im Plenarsaal hier Sonntagsreden über die Bahn zu halten und draußen, wenn es um konkrete Projekte geht, dagegen zu sein. ({2}) Erst beantragen die Grünen in der letzten Sitzungswoche für freitagfrüh, um 8 Uhr, eine Sondersitzung, und dann ist neben dem Vorsitzenden Cem Özdemir ein Abgeordneter der Grünen da. Die anderen Fraktionen waren komplett anwesend. Das ist die Wahrheit. ({3}) Das sollen die Bürgerinnen und Bürger draußen wissen. ({4}) Sie als Grüne können zum Beispiel auch dem ganzen Paket der Mehrwertsteuerreduzierung für die Fernverkehrsverbindungen der Bahn im Bundesrat in allen Punkten zustimmen. Da stehen Sie momentan auf der Bremse. Da blockieren Sie momentan, dass es günstigere Preise für die Bahn gibt. Das ist die Wahrheit, und die sollen die Bürger schon erfahren. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächste erhält die Kollegin Renate Künast das Wort für eine Kurzintervention.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. – Herr Scheuer, ich wundere mich schon, warum Sie an dieser Stelle nicht über Bayern geredet haben. Ich glaube, in Bayern gibt es die meisten Bürgerinitiativen, auch mit CSU-lern, die gegen Netzausbau und andere Aktivitäten sind, oder? ({0}) Zur Moselbrücke: Sie haben ja so schön gesagt, dass Tausende Menschen die Moselbrücke gefeiert haben. Ich will Sie auf eines hinweisen: Es gab mal in Koalitionsverhandlungen – da waren Sie natürlich nicht dabei – eine Debatte darüber, die Mosel- oder die Rheinbrücke zu bauen. Das Ergebnis damals war, dass nicht die Rheinbrücke, aber die Moselbrücke gebaut werden sollte. Ich fürchte, die Rheinbrücke wäre sinnvoller gewesen. ({1}) – Wie immer ihr es seht. Ich weiß, du warst dafür; ich war nicht dafür. – Sie feiern jetzt Tausende Leute, die gefeiert haben. Ich frage Sie aber, weil Sie diese Infrastruktur so loben: Haben Sie sich eigentlich mal Gedanken über die Winzerinnen und Winzer gemacht, die dieses Projekt zum großen Teil ablehnen, die zum Teil Sorge um ihre Hänge an dieser Stelle haben? Haben Sie mal festgestellt und können sagen, wie viele Arbeitsplätze diese Moselbrücke denn eigentlich so bringt? Damit meine ich nicht die Arbeitsplätze im Baugewerbe während des Baus des Ganzen. Haben Sie sich mal gefragt, wohin man da auf dieser Moselbrücke eigentlich fährt? Sie können zum Beispiel – es ist ja der Wahnsinn solcher Infrastrukturprojekte, dass Sie sie nicht in ein logisches Konzept für infrastrukturelle, für wirtschaftlich-regionale Entwicklung unter Berücksichtigung des CO2-Ausstoßes mit einbinden – zum Nürburgring fahren. Das ist eine CO2-Schleuder. Man kann zu einem Vergnügungspark fahren, dessen Hotellerie am Ende die mittelständische Hotellerie kaputtmacht. Man kann zum Flughafen Frankfurt-Hahn fahren. Wir wissen alle, dass diese kleinen regionalen Flughäfen hoch subventioniert sind, Herr Scheuer. ({2})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Jetzt müssen Sie zum Schluss kommen.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

– Ja. – Das wissen Sie vielleicht nicht: Dieser Flughafen und die Arbeitsplätze dort gehören zu den höchst subventionierten Arbeitsplätzen in der ganzen Republik. Ich muss wirklich sagen: Wer so eine Moselbrücke lobt, hat seine Infrastrukturvorstellungen irgendwie nicht, zumindest nicht im 21. Jahrhundert, sortiert. ({0})

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Kollegin Künast, ich bin sehr erfreut, dass Sie jetzt zur Verkehrsexpertin der Grünenfraktion werden. Sie haben gerade ein paar Projekte angesprochen, die in Rheinland-Pfalz verortet sind. Da sind Sie mit in der Koalition. Der Nürburgring ist nicht Sache des Bundes. Zur Hochmoselbrücke: Ich sage Danke an die 25 000 Menschen, die beim Bürgerfest an der Hochmoselbrücke waren und sich ein ganzes Wochenende lang ein Ingenieursbauwerk angesehen haben und sehr froh sind, dass es diese Infrastruktur gibt. ({0}) Anders als Sie waren die Bürgerinnen und Bürger da. Anders als Sie war der Kollege Peter Bleser da und hat mit den Leuten geredet, und anders als Sie waren wir vom BMVI da und haben mit den Bürgern gesprochen. Eines ist ganz klar: Ich mache seit 15 Jahren Verkehrspolitik. Ich weiß, dass es viel Kritik an der Hochmoselbrücke gegeben hat. Aber es ist schön, dass selbst die Gegner zu mir gekommen sind und gesagt haben: Könnten wir denn an dieser Hochmoselbrücke nicht noch ein Tourist-Informationscenter einrichten; denn das ist wirklich ein Infrastrukturupgrade, ein Vitaminstoß für den Aufschwung der Region. – Das ist Ausbau von Infrastruktur, Frau Künast, und nicht das, was Sie angesprochen haben, Stichwort „Sendeanlagen“ und „Klimaanpassung“. Ich lade Sie, Frau Künast, und Ihre Parteifreunde ein, dass Sie jetzt Ja sagen zu flächendeckendem Mobilfunk in Deutschland ohne Protest gegen Sendeanlagen, zu flächendeckender Infrastruktur mit Klimaanpassung am Rhein usw. Sie stehen auf der Bremse. Wir gestalten. Das ist der Unterschied. ({1})

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Rund um das Brandenburger Tor, direkt hier vor dem Haus, demonstrieren heute Tausende Landwirte. ({0}) Sie fühlen sich als Prügelknaben einer Politik, die mit dem moralischen Zeigefinger und mit immer neuen Vorschriften die Welt verbessern will und dabei die Wirklichkeit aus dem Blick verliert. ({1}) Machen wir uns nichts vor: Die Autofahrer werden die Nächsten sein, die auf die Straße gehen; denn mit ihnen wird ganz genauso umgegangen. ({2}) Sie werden nur dann auf die Bahn umsteigen, wenn diese eine wirklich gute Alternative ist. Bei der Bahn wurde aber in den letzten Jahrzehnten viel versäumt, kaputtgespart und auch für den gewollten Börsengang kaputtsaniert. Da haben wir jetzt gewaltigen Nachholbedarf. Die Wirklichkeit ist aber auch – und das werden wir von der AfD immer im Auge behalten –: Die Bahn ist kein Allheilmittel. Sie ist stark beim Nahverkehr in großen Städten, bei schnellen Fernverbindungen und bei großen Gütermengen. Aber sie wird niemals zu jeder Ortschaft auf dem Land fahren und jedes Haus beliefern. Deshalb dürfen wir den Straßenverkehr mit Auto und Lkw nicht verteufeln. ({3}) Es ist richtig, dass jetzt mehr Geld für die Schiene eingesetzt wird. Engpässe müssen beseitigt werden, Mängel ausgebessert. Die Bahn muss ins elektronische Zeitalter gebracht werden. So wird sie wieder zuverlässig und attraktiv. ({4}) Die Deutsche Bahn soll jetzt jedes Jahr 1 Milliarde Euro Zuschuss als Kapitalerhöhung bekommen. Auch für die Instandhaltung des Netzes gibt es in den nächsten zehn Jahren viele zusätzliche Milliarden. Wenn so viel Geld ausgegeben wird, dann sind Klarheit und Transparenz das oberste Gebot. Das beginnt damit, dass die Kapitalerhöhung wirklich komplett in die Infrastruktur fließen muss. An der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für die Instandhaltung der Bahnstrecken hat der Rechnungshof scharfe Kritik geäußert. Es ist unklar, ob die Regulierung wirklich funktioniert, aber das Ganze wird jetzt für zehn Jahre festgeschrieben. Die kleine Nachbesserung, die im letzten Moment im Haushaltsausschuss beschlossen wurde, löst das Problem in unseren Augen nicht. Für die AfD-Fraktion ist es deshalb Zeit, an einer mutigen Gesamtlösung zu arbeiten, an einem Bahninfrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild. ({5}) Geld aus allen Quellen wird dort gesammelt, Geld für alle Projekte dort entnommen, egal ob für die Staatsbahnen oder für andere. Es liegt aber nicht nur an der Finanzierung, wenn der Ausbau der Infrastruktur stockt. Unendlich lange Planungsverfahren sind ein anderes Problem, und oft sind es die Grünen und ihre Freunde, die hier im Bundestag am lautesten den Bahnausbau fordern und vor Ort am lautesten dagegen protestieren. ({6}) Jetzt soll ein Gesetz für beschleunigte Planungen kommen. Und Sie von der Regierungsbank haben das gleich wieder gebremst und Riesenenttäuschungen vor Ort produziert. Ich fordere die Bundesregierung an dieser Stelle auf, insbesondere die Marschbahn nach Sylt wieder in die Liste der Pilotprojekte aufzunehmen. ({7}) Riesenenttäuschungen erleben auch viele Bürger, denen die Telekom ihre ISDN-Leitung auf neue Technik umstellt. Manche haben nämlich danach kein Internet mehr. Das kann in einem hoch technisierten Land wie Deutschland einfach nicht sein. Die schlechte Mobilfunkversorgung auf dem Land macht das dann noch viel schlimmer. Viele können nicht auf LTE ausweichen, weil es dort auf allen Kanälen nur Funklöcher gibt. Bevor die Regierung also großspurig den 5G-Ausbau verkündet – und das vielleicht auch noch mit Technik eines chinesischen Staatskonzerns in den Netzknoten –, sollte sie erst einmal dafür sorgen, dass alle LTE haben. ({8}) Jetzt soll auch der Staat Funkmasten aufstellen, dort, wo es sonst mangels Umsatz nicht passiert. Das ist richtig, aber um Jahre zu spät. Offensichtlich hat die Regierung es einfach verschlafen. Ein leistungsfähiger Internetzugang gehört heute zur Grundversorgung. ({9}) Meine Damen und Herren, werfen Sie also den ideologischen Ballast der sogenannten Verkehrswende ab, ({10}) und kümmern Sie sich um die Dinge, die für die Bürger wirklich gut und wichtig sind. ({11})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der SPD der Kollege Thomas Jurk. ({0})

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Während der Haushaltsplanberatungen zum Einzelplan des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur haben wir über 80 Änderungen im Haushaltsplan vorgenommen. Wenn ich mich recht erinnere, waren viele dieser Änderungen auch begleitet von der Zustimmung der Opposition. Das wirft, glaube ich, ein anderes Licht auf das, was wir heute an Debatten hier gehört haben. ({0}) Es ist sicher besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir einen Rekordwert beschlossen haben, nämlich Ausgaben in Höhe von rund 31 Milliarden Euro, und selbst das sind 175 Millionen Euro mehr, als noch in der Ergänzungsvorlage des Herbstes vorgesehen waren. ({1}) Bei all diesen Änderungen wird eines klar: Der Schienenverkehr bleibt der Gewinner im Einzelplan 12. ({2}) Bereits mit der Ergänzungsvorlage wurde die Deutsche Bahn mit rund 1 Milliarde Euro Eigenkapital ausgestattet. Fortsetzung folgt, nämlich jährlich 1 Milliarde Euro bis 2030. Außerdem wurden zusätzliche Mittel in Höhe von 114 Millionen Euro für den Schienengüterverkehr bereitgestellt. In den Haushaltsplanberatungen haben wir außerdem für die Förderinitiative zur Attraktivitätssteigerung und Barrierefreiheit von Bahnhöfen weitere Mittel im Umfang von 300 Millionen Euro veranschlagt. Damit kann die vollständige Umsetzung der zweiten Säule dieses Programmes und die fast vollständige Finanzierung der dritten Säule vorgenommen werden. Darüber hinaus ist das so wichtige Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung mit zusätzlich knapp 60 Millionen Euro finanziell deutlich besser ausgestattet worden. Bei dem im letzten Jahr geschaffenen Titel zur Förderung alternativer Antriebe im Schienenverkehr wurden Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 60 Millionen Euro bereitgestellt. Was mir besonders wichtig ist: Auch im Personalhaushalt des Bundesverkehrsministeriums ist die Schiene der Gewinner. So erhält das Eisenbahn-Bundesamt im kommenden Jahr zusätzlich 109 Planstellen. Warum erhält es diese Planstellen? Damit werden die Umsetzung des Planungsbeschleunigungsgesetzes abgesichert, die Erhöhung der Investitionen bei den Schienenwegen personell untersetzt und auch die Schienenverkehrsforschung verstärkt. ({3}) Nicht zuletzt hat der Haushaltsauschuss in seiner Bereinigungssitzung der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Bahn zur Erhaltung der Schienenwege, der bekannten LuFV III, zugestimmt. Immerhin reden wir über ein Gesamtvolumen von 86 Millionen Euro. Der Bundesanteil aus dem Haushalt liegt ja bekanntermaßen bei über 50 Milliarden Euro, von denen allerdings 5 Milliarden Euro in den Jahren 2025 bis 2029 qualifiziert gesperrt werden. Wir haben in einem Maßgabebeschluss festgelegt, welche Hausaufgaben Verkehrsministerium und Bahn zu erledigen haben, damit der Restbetrag entsperrt werden kann. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte es für eine kluge Lösung, auf der einen Seite die Planungssicherheit bei den Geldern bis zum Jahre 2029 nicht zu gefährden, auf der anderen Seite aber auch deutlich zu machen, dass wir als Politiker genau hinschauen wollen, wofür dieses Geld eingesetzt wird. Deshalb war der Maßgabebeschluss, glaube ich, sehr richtig. ({4}) Im Übrigen, Herr Kollege von der FDP, will ich darauf hinweisen: Ich hatte auch den Eindruck, dass der Bundesrechnungshof darüber nicht unbedingt unzufrieden war, sondern gesagt hat, dass wir weite Teile seiner Kritik aufgreifen. Deshalb ist dieser Maßgabebeschluss, finde ich, genau die richtige Dosis, um sicherzustellen, dass die LuFV III ihre Zwecke erfüllt. ({5}) Im Zusammenhang mit der Bahn möchte ich noch einmal daran erinnern, dass wir die Mittel für das Bundesprogramm nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz wie geplant 2020 auf über 665 Millionen Euro verdoppeln, ab 2021 auf 1 Milliarde Euro verdreifachen, und ab 2025 werden dann 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Bereits erwähnt wurde auch die Erhöhung der Regionalisierungsmittel, die ja an die Bundesländer gehen. Wir sind gemeinsam daran interessiert, dass keine Bugwelle entsteht, sondern dass diese Mittel zweckentsprechend eingesetzt werden. Aber es ist auch unsere klare Ansage: Wir unterstützen Länder und Kommunen bei der Ausweitung der Schienenverkehrsangebote. ({6}) Da die Zeit rinnt, will ich noch auf zwei Punkte aufmerksam machen: Erstens. Mit der Bereinigungsvorlage hat Bundesminister Olaf Scholz 50 Millionen Euro zur Förderung der Entwicklung hochwertiger digitaler Spiele zur Verfügung gestellt. Dazu gibt es auch Verpflichtungsermächtigungen. Damit wird auch der Entwicklerstandort für diesen Bereich in Deutschland gestärkt und international wettbewerbsfähig gemacht. Zweitens – was mir auch besonders wichtig ist-: Für den Radverkehr wurden mit dem Ergänzungshaushalt in diesem Einzelplan bereits 125 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. ({7}) – Nicht zu zeitig klatschen, es kommt doch noch, Ulli. – Der Haushaltsausschuss hat jetzt für das Sonderprogramm „Stadt und Land“ noch einmal 637 Millionen Euro draufgelegt. Damit stehen allein im Etat des BMVI mehr als 760 Millionen Euro zusätzlich für die Förderung des Radverkehrs bereit. Das ist doch wohl ein wirksamer Beitrag, ({8}) um klimaschonende Mobilität in Deutschland voranzubringen. Ich glaube schon: Die haushaltspolitischen Weichenstellungen sind erfolgt. Nun gilt es, die Mittel zügig in unsere Infrastruktur zu investieren. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Jung für die Fraktion der FDP. ({0})

Dr. Christian Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004769, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Haushalt versucht die Bundesregierung, die wahren Probleme im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zu verschleiern. ({0}) In der Realität ist die Substanz der Infrastruktur auf dem absteigenden Ast, genauso wie Sie, Herr Minister Scheuer. ({1}) Wir haben einen Finanzierungshochlauf, aber die Brücken auf unseren Autobahnen, Bundesstraßen und bei der Bahn werden dennoch im Schnitt immer schlechter. Das aktuelle Beispiel der Hochstraße in Ludwigshafen am Rhein sollte uns ein allerletzter Warnschuss für unsere marode Infrastruktur insgesamt sein. ({2}) Infrastruktur darf kein Alptraum sein. Da müssen wir aufpassen. Der Abruf der Straßenbaumittel hat sich ebenso verschlechtert. Das Geld kommt nur zum Teil auf die Straße. Im nächsten Jahr gibt es rund 92 Millionen Euro weniger für die Bundesfernstraßen. Die einseitige Förderung der Elektromobilität und die Ideologie gegen die individuelle Mobilität und den Verbrennungsmotor werden schon im Frühjahr zu Kurzarbeit und zur Streichung von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie und vor allem bei den Zulieferern führen. ({3}) Herr Minister Scheuer, Sie schütten unterdessen die Deutsche Bahn teilweise unkontrolliert mit Milliarden zu, und es kommt dennoch nichts Besseres heraus als ein für die Bahn unwürdiger Intrigenstadel um die Vorstandsmacht mit Ronald Pofalla, Dr. Richard Lutz und Andreas Scheuer als Hauptdarsteller. ({4}) Die Affäre um die illegalen Beraterverträge bei der Bahn ist nicht aufgeklärt, wenn man nur an den bedeutenden Bahnexperten Jürgen Rüttgers denkt. Selbst dem seriösen und zum Glück völlig unabhängigen Bundesrechnungshof wurde es nun zu bunt. Der Rechnungshof kritisiert Sie besorgniserregend präzise am laufenden Band. Herr Minister Scheuer, überall werde ich auf Ihre schlechte Performance angesprochen. ({5}) – Ja, selbstverständlich. Sprechen Sie mal mit den Leuten in Ihren Wahlkreisen! Wenn die Bundesregierung inklusive der CSU nicht so angeschlagen wäre, wären Sie schon längst nicht mehr im Amt. Das wissen vor allem Markus Söder und Angela Merkel. Das geben auch Ihre Kolleginnen und Kollegen unter vier Augen zu. ({6}) Sie ermöglichen nun 11 Milliarden Euro Eigenkapitalerhöhung bei der Bahn bis 2030. Das bedeutet zunächst einmal eine unglaubliche Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Privatbahnen. Sie wollen erst bis 2040 flächendeckend das Zugleitsystem ETCS einbauen und schaffen es noch nicht einmal, bei den neuen Zuleitungsstrecken für Stuttgart 21 ETCS sofort einzubauen. Die Bahn beweist unterdessen ihren Kunden permanent, jeden Tag, mit Verspätungen und Qualitätsmängeln, dass langjährige operative Erfahrungen nicht durch Sonntagsreden und Versprechungen ersetzt werden können. Die Zeit ist auch deshalb reif für eine Trennung von Netz und Betrieb. ({7}) Über die größte Geldverschwendung namens Pkw-Mautdebakel werden wir im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit Ihnen und ohne Sie noch viel zu sprechen haben. Aber hier vorab: Es ist zu befürchten, dass dem deutschen Steuerzahler fahrlässig Schaden zugefügt wurde. ({8}) Kümmern Sie sich deshalb lieber mit uns gemeinsam um die wichtigen Dinge, zum Beispiel die Planbeschleunigung für bedeutende Infrastrukturprojekte, ({9}) schnellere Bauarbeiten auf Autobahnen, eine präzise und unaufgeregte Förderung des Radverkehrs ohne Sonntagsreden, eine unideologische Förderung des Luftverkehrs, auch von kleinen Flughäfen wie Baden-Baden/Rastatt in meinem Wahlkreis, ({10}) gezieltere und mehr Fördermaßnahmen für Sicherheitssysteme beim Lkw und eine durchgängige Rheinvertiefung sowie funktionierende und elektrifizierte Ausweichstrecken für die Bahn, um ein Desaster wie die Tunnelhavarie 2017 in Rastatt nicht zu wiederholen. Das Bundesministerium hat einen Haushalt vorgelegt, der eine vermeintlich tolle Außenwirkung verspricht, der in der Substanz aber nicht viel bringt. Wir als Freie Demokraten lehnen deshalb diesen Haushalt ab. ({11})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion Die Linke der Kollege Jörg Cezanne. ({0})

Jörg Cezanne (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004693, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dann genügte ein Blick in den Einzelplan des Verkehrsministeriums: Mit Andreas Scheuer als Verkehrsminister ist eine klimaneutrale und ressourcenschonende Verkehrswende nicht zu machen. ({0}) Damit wir nicht aneinander vorbeireden: Herr Kruse von der CDU hat gesagt, das sei der beste Haushalt seit Langem für die Bahn. Da liegt die Latte allerdings nach 25 Jahren verfehlter Bahnpolitik nicht sehr hoch. ({1}) Aber die Kritik ist doch nicht, Herr Donth, dass wir irgendwie noch ein bisschen mehr Geld ausgeben wollen. Die Kritik ist doch, dass wir mit dem, was Herr Scheuer jetzt aufwendet und was in der LuFV III bereitgestellt wird, gerade einmal den Rückstand bei den Erhaltungsinvestitionen bei der Bahn ausgleichen können. ({2}) Mit dem, was in diesem Haushalt und in der LuFV III bereitgestellt wird, kann von einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen, die Ihr eigenes Ziel ist, gar nicht die Rede sein. Der angestrebte Deutschland-Takt 2030 ist damit noch nicht gesichert. Das Institut der deutschen Wirtschaft und das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung haben ausgerechnet, dass in den nächsten zehn Jahren 60 Milliarden Euro zusätzlich notwendig sind, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Da müssen Sie ansetzen. ({3}) Dabei lassen Sie mit dem, was Sie jetzt vorlegen, die Schere zwischen den notwendigen Investitionen in einen klimaneutralen öffentlichen Verkehr und den Mitteln für den Straßenbau immer weiter auseinandergehen. Die wird ja gar nicht geschlossen. Der irrsinnige Finanzierungskreislauf Straße sorgt dafür, dass mit immer weiter steigendem Straßenverkehr auch noch immer mehr Geld für den Ausbau von Straßen zur Verfügung gestellt wird. 8 Milliarden Euro jährliche Einnahmen aus der Lkw-Maut dürfen ausschließlich für Straßen verwendet werden. Das ist kompletter Unfug. ({4}) Sie setzen damit eine 70-jährige, völlig einseitige Orientierung auf die Straße und den Automobilverkehr fort, anstatt dafür zu sorgen, dass auch Menschen im ländlichen Raum ohne ein Auto mobil sein können. Der Finanzierungskreislauf Straße muss aufgebrochen werden. ({5}) Ich komme zu einem anderen Problem. Der Streik der Busfahrer bei privaten Busunternehmen in Hessen offenbart ja noch eine andere Seite einer verfehlten Verkehrspolitik: Die Kolleginnen und Kollegen müssen allen Ernstes dafür streiken, dass ihnen vorgeschriebene Pausen auch bezahlt werden und dass sie einen Basisstundenlohn von mehr als 13,50 Euro erhalten. Auch im Zuge der Vergabe an private Verkehrsunternehmen muss dafür gesorgt werden, dass branchenübliche Löhne gezahlt werden, bei den öffentlichen sowieso. ({6}) Gute Arbeit ist eine wesentliche Voraussetzung, um die für die Verkehrswende dringend benötigten Busfahrerinnen, Lokomotivführer und dergleichen überhaupt gewinnen zu können. Verkehrsminister Scheuer ist offensichtlich taub und blind für die Zeichen der Zeit. Unter dieser Regierung kann eine fortschrittliche Verkehrspolitik im Interesse der großen Mehrheit nur gegen den Verkehrsminister durchgesetzt werden. Danke sehr. ({7})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächste spricht die Kollegin Daniela Wagner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Daniela Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004184, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Verkehrspolitik des Andreas Scheuer und der Bundesregierung wird von ganz alten Grundsätzen geleitet, und das in einer Zeit, in der ein Aufbruch sofort angegangen werden müsste. Der Haushalt strotzt vor liebgewonnenen Privilegien und Subventionen. Der Löwenanteil des Verkehrshaushalts fließt wie gewohnt in die Straße, und der Diesel wird wie immer mit Milliarden subventioniert. Eine grundsätzliche Neubewertung, Herr Minister, und ein entschiedenes Umsteuern in Richtung Verkehrswende sehen wahrlich anders aus. ({0}) Das Gleiche gilt für die viel zu ängstlichen fiskalischen Maßnahmen im Klimapaket. Die Erhöhung der Luftverkehrsteuer wird in diesen Tagen in der öffentlichen Debatte als Highlight des Klimapakets gehandelt. Das allein sagt schon viel über den Rest des Klimapakets aus. ({1}) Da möchte ich einiges zurechtrücken: Der Luftverkehr lebt bis heute von Privilegien, die aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts stammen, und dort gehören sie auch hin. ({2}) Ein erheblicher Teil der umweltschädlichen Subventionen in unserem Bundeshaushalt entfällt nach wie vor auf den Luftverkehr. Das kann man nicht oft genug sagen. Das Umweltbundesamt hat gerade die neuesten Zahlen veröffentlicht. Die Kerosinsteuer auf alle Flüge würde bedeuten: 8 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen für die Verkehrswende. Mehrwertsteuer auf alle internationale Flüge würde bedeuten: Noch einmal 4 Milliarden Euro Steuereinnahmen zusätzlich. Das macht insgesamt 12 Milliarden Euro im Jahr, auf die Sie verzichten, und das, obwohl Fliegen die klimaschädlichste Art ist, sich fortzubewegen. Der Luftverkehr ist zusammen mit der internationalen Seeschifffahrt am weitesten vom Weg zur Klimaneutralität entfernt. Inzwischen haben viele Menschen verstanden, dass Klimaschutz so nicht funktioniert. ({3}) Der Druck ist mittlerweile groß geworden, sodass Sie Ihre schützende Hand nicht mehr ganz so intensiv über den Luftverkehr legen; sie haben sie ein bisschen weggezogen. Aber ich sage es, wie es ist: Die umweltschädlichen Subventionen von mehr als 12 Milliarden Euro stehen einer Luftverkehrsteuer gegenüber, die gerade mal 1,75 Milliarden Euro bringt, statt früher 1 Milliarde Euro. Das ist längst nicht ausreichend. ({4}) Der Luftverkehr muss endlich die Steuern zahlen, die alle anderen Verkehrsteilnehmer auch zu entrichten haben. Kostenwahrheit muss dringend auch beim Fliegen herrschen. ({5}) Hören Sie endlich auf, Herr Minister, immer auf andere Staaten zu zeigen, die noch weniger tun als Sie selbst. Wenn Sie es ernst meinen, dann gehen Sie die ersten möglichen Schritte, und versuchen Sie, die anderen Länder mitzuziehen, anknüpfend an die Länder, die heute schon bereit sind, mehr zu tun. ({6}) Aber es ist das Gegenteil passiert. Im Haushaltsausschuss haben Sie beschlossen, dass es weitere indirekte Finanzspritzen für die chronisch defizitären Regionalflughäfen über das Vehikel DFS gibt, erst 20 Millionen Euro, dann 50 Millionen Euro. Das fördert die Billigfliegerei, von der Sie alle behaupten, Sie wollten das endlich abstellen. ({7}) Ja, diese Subventionen braucht kein Mensch. Die EU wollte den Unsinn längst beenden. Sie unterlaufen das jetzt ganz geschickt, indem Sie die Flugsicherung als Vehikel benutzen. Anstatt auf Umwegen die hochdefizitären Regionalflughäfen in diesem Land künstlich am Leben zu halten, wäre es besser, Sie würden den Teil der Mehreinnahmen aus der Luftverkehrsteuer für die Förderung von Antriebsalternativen wie Power-to-Liquid-Treibstoffen verwenden. ({8}) Eine Verkehrs- und Antriebswende ist in diesem Einzelplan nicht im Entferntesten zu erkennen. Noch etwas, Herr Minister: Über Ihre wunderbare Hochmoselbrücke, auf der Sie ein schönes Bürgerfest gefeiert haben, kann man nicht mal mit dem Fahrrad auf die andere Moselseite fahren. Das ist doch absurd. So was ist doch völlig aus der Zeit gefallen. ({9}) Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung machen. Ihr Umgang mit der Wahrheit ist irgendwie auch ein bisschen defizitär. Inzwischen wurde beim Ausschusssekretariat angerufen; unsere Leute haben sich im Haushaltsausschuss enthalten. Hören Sie bitte auf, hier permanent, wieder und wieder, die Unwahrheit zu sagen. ({10})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Reinhold Sendker. ({0})

Reinhold Sendker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004153, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition hält Kurs bei der Modernisierung unserer Verkehrsanlagen und einer aktiven Klimaschutzpolitik: mit dem größten Investitionsblock im Bundeshaushalt und mit neuerlichen Rekordinvestitionen, mit deutlich mehr Personal im Eisenbahn-Bundesamt und in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sowie mit dem größten Schienenmodernisierungsprogramm, das Deutschland je erlebt hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind die richtigen Schwerpunkte; denn das bedeutet deutlich mehr Mobilität für alle in unserem Land. ({0}) In diesem Zusammenhang danke ich Ihnen, Frau Kollegin Lühmann, und den verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen für eine sehr konstruktive Zusammenarbeit in den Haushaltsplanberatungen. Damit sind und bleiben wir erfolgreich. Vielen Dank dafür! ({1}) Unsere Verkehrsanlagen sind die Lebensadern unseres Landes und das Fundament für Wachstum und Wohlstand. Natürlich wären wir gerne schon weiter bei der Ertüchtigung und beim Erhalt, beim Ausbau und bei der Verlagerung der Verkehre von der Straße auf die Schiene und vor allem bei der flächendeckenden Versorgung mit Glasfaser und 5G. Aber seitdem das Delta der Unterfinanzierung im Verkehrsbereich weitgehend aufgehoben ist und die Haushaltsmittel für den Verkehrsbereich fast verdoppelt werden konnten, kommen wir erheblich voran. Genau das bestätigen uns trotz ihrer Kritik sozusagen alle Fachverbände im Verkehrsbereich. Meine Damen und Herren, diesen erfolgreichen Weg werden wir mit dem Verkehrshaushalt 2020 konsequent fortsetzen. ({2}) Die Politik der GroKo stärkt vor allem die Schienenverkehre. Damit das nicht vergessen wird, weise ich noch einmal auf die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III hin: 86 Milliarden Euro, so viel Geld wie noch nie für die Schieneninfrastruktur. Dieses Geld ist, wie das immer gesagt wird, nicht ausschließlich für Investitionen im Jahr 2020 vorgesehen, sondern das ist für die nächsten zehn Jahre eine verlässliche Investitionsbasis. ({3}) Ferner steigen die Mittel des Bundes für den öffentlichen Personennahverkehr sukzessive an. Bis zum Jahr 2031 kommen – darauf ist eben vom Kollegen Bartol hingewiesen worden – weitere 5 Milliarden Euro dazu. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind 5 Milliarden Euro für eine klimafreundliche Verkehrspolitik. Das muss hier mal sehr deutlich gesagt werden. ({4}) 316 Millionen Euro sind in den nächsten Jahren zusätzlich für Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität von Bahnhöfen und für einen barrierefreien Zugang vorgesehen. Davon profitieren vor allen Dingen viele kleinere Bahnhöfe im ländlichen Raum. Diese zusätzlichen Investitionsmittel sind dringend erforderlich. Dafür danke ich auch im Namen meiner Fraktion unseren Haushältern sehr herzlich und ausdrücklich. ({5}) Ich weise auch auf das Programm zur Förderung von Batterie-, Brennstoffzellen- und Hybridfahrzeugen im Schienenverkehr hin, das mit 12,6 Millionen Euro ausgestattet ist und mit weiteren 60 Millionen Euro für die nächsten Haushaltsjahre. Der Ansatz für die Schienenverkehrsforschung wird verdoppelt, und die Verpflichtungsermächtigungen für andere Schienenprogramme werden deutlich erhöht. Von ganz hoher Bedeutung für uns ist die personelle Ausstattung des Eisenbahn-Bundesamtes, auch mit Blick auf seine zusätzlichen Aufgaben. Wer die Schiene stärken will, muss dem EBA mehr Personal geben. Eben wurde bereits festgestellt, dass das Ergebnis der Beratungen lautet: 109 Stellen zusätzlich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein sehr eindrucksvoller Erfolg unserer Politik. ({6}) Meine Damen und Herren, die Politik der GroKo stärkt nicht nur den Schienenverkehr, sondern auch den Erhalt und den Ausbau unserer Wasserwege; denn die Warenverkehre, die weder über die Schiene noch über die Wasserwege geführt werden, laufen folglich über die Straße. In Nordrhein-Westfalen verkehren täglich 30 Prozent der Güterverkehre über die Wasserstraßen. Hieran wird deutlich, dass dieser Verkehrsträger schon jetzt eine unverzichtbare Verlagerungsoption darstellt und deshalb zukünftig noch stärker gefördert werden muss. Die gute Botschaft: 165 Stellen mehr für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung! ({7}) Das ist eine Aussage und klare Ansage unserer Politik für die Ausrichtung des Wasser- und Schifffahrtsbereiches. ({8}) Es muss nicht länger auf Verschleiß gefahren werden. Die baufälligen, überalterten Schleusen, Wehre und Düker können endlich saniert werden, und vor allen Dingen die Ausbauvorhaben nach dem Bundesverkehrswegeplan 2030 können in Angriff genommen werden – darunter auch das westdeutsche Kanalnetz, wo eine hohe volkswirtschaftliche Wertschöpfung stattfindet. Alles in allem: eine sehr gute Entscheidung für unsere Flüsse und Kanäle und für die Entlastung unserer Straßen, vor allem aber ein starkes Signal für eine zukunftsfähige und klimafreundliche Verkehrspolitik. Meine Damen und Herren, noch vor wenigen Wochen haben wir auf einer Delegationsreise nicht nur erfahren, dass in unseren Nachbarländern Niederlande und Belgien – apropos Fahrradrepublik Deutschland – das Fahrradfahren eine lange Tradition hat, sondern hier wurde uns auch eine bemerkenswerte Fahrradinfrastruktur vorgestellt. Diese zeigt Wege auf, wie in den Städten in größerem Umfang Verkehre verlagert werden können. Auch ich komme nicht umhin, die hohen Investitionen, die angezeigt werden – auch für die Folgejahre –, ausdrücklich zu loben und zu sagen, dass die zum Teil erfreulich hohen Verpflichtungsermächtigungen in den nächsten Jahren neue Perspektiven für diesen Bereich eröffnen. ({9}) Aber: Im ländlichen Raum reicht das Fahrrad allein nicht aus, und da widerspreche ich Ihnen. Ohne Auto hieße es für viele schlicht und einfach: zu Hause bleiben. ({10}) Deshalb gilt für uns: Verkehrsverlagerung auf Schiene und Wasserwege, so weit wie möglich, ausdrücklich ja, aber keine Einschränkung beim Verkehrsträger Straße dort, wo die Menschen darauf angewiesen sind! ({11}) Wer bei der Straße 2 Milliarden Euro einsparen will, der erteilt besseren Verkehrsverhältnissen eine Absage, und genau das lehnen wir entschieden ab. Schlussendlich: Wir haben in dieser Haushaltsplandebatte für die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland weiß Gott viel erreicht, vor allem mehr Geld für Investitionen in 2020 und auch in den Folgejahren und schließlich erheblich mehr Fachpersonal für die Schienen- und Wasserwege. Damit stärken wir die Mobilität und die nachhaltige Entwicklung unseres Landes. Wir befinden uns auf einem guten Weg und wollen ihn fortsetzen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({12})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Andreas Mrosek für die Fraktion der AfD. ({0})

Andreas Mrosek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004827, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kollegen auf den Weltmeeren! Liebe Kollegen Binnenschiffer, Lotsen und Kanalsteurer auf den Revieren! Hier spricht heute jemand von eurem Berufsstand, und ich bin stolz, ebenfalls zu euch zu gehören. ({0}) Wir dürfen die Seeschifffahrt nicht vergessen. Diese kommt mir im Einzelplan 12, Herr Scheuer, etwas zu kurz; sie kommt nämlich nur auf zwei DIN-A4-Seiten vor. Gerade im Gütertransport ist das moderne Binnenschiff immer noch die preiswerteste und umweltfreundlichste Transportvariante. Nach der Unfallstatistik ist die Zahl der Unfälle gering; sie ist niedriger als bei der Bahn oder auf der Straße. Für die Lärmemissionen und die Luftschadstoffe gilt das ebenso. Zur Erinnerung – wir nannten hier CO2-Schleudern –: Der Lkw verursacht 164 Gramm CO2 pro Tonnenkilometer, die Bahn verursacht 48 Gramm CO2 pro Tonnenkilometer, das moderne Binnenschiff verursacht 33,4 Gramm CO2 pro Tonnenkilometer. Dabei ersetzt ein Binnenschiff mit einer Tragfähigkeit von 2 000 Tonnen 100 Lkws auf der Straße, und das ist gut so. ({1}) Wir brauchen also eine funktionierende Infrastruktur der Bundeswasserstraßen, angefangen bei der Abladeoptimierung am Mittelrhein hinter St. Goar bis hin zu funktionierenden Schleusen und Schiffshebewerken im ganzen Bundesgebiet. Ich erwähnte gerade die Abladeoptimierung. Von 20 Zentimeter mehr Wasser auf dem Mittelrhein sind ganze Industriezweige abhängig. Ich spreche hier zum Beispiel auch von thyssenkrupp in Duisburg. Wir brauchen dringend die Umsetzung des Gesamtkonzeptes Elbe als Bundeswasserstraße. Hinzu kommt, dass viele Schleusen im Bundesgebiet marode sind und es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann sie ausfallen. Seit Jahrzehnten gibt es halbherzige Flickschusterei. Die Kollegen Lotsen auf dem NOK wissen darüber Bescheid, auch die Kanalsteuer. Wir brauchen Wasserbauingenieure. Wir brauchen dringend Personal auf den Schleusen, und wir brauchen an der Küste eine funktionierende Havarieleitung, ({2}) eine Küstenwachleitung, der die Küstenwachschiffe sofort unterstellt werden, also Zoll, Fischereiaufsicht, Bundespolizei. Was wir nicht brauchen, ({3}) sind 15 Prozent Kürzungen im Haushalt für die Seeschifffahrt und Binnenschifffahrt. – Und die AfD ist wichtig; denn die deckt das auf. Danke. ({4})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Kollege Gustav Herzog. ({0})

Gustav Herzog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich im letzten Jahr – die Koalition war erst wenige Monate an der Arbeit – hier gesprochen habe, habe ich sehr häufig – ich habe es nachgelesen – gesagt: „Wir werden …“ Heute kann ich sagen: „Wir machen …“ Wir sind die Macher in der digitalen Infrastruktur. ({0}) In diesem Jahr sind wir vom Beschleunigungsstreifen auf die Überholspur gewechselt. Alles, was ich Ihnen nachher aufzählen werde, ist in diesem Haushalt für das nächste Jahr abgebildet. Ich bin unseren Haushältern dafür sehr dankbar, insbesondere meinem Kollegen Thomas Jurk für die tolle Zusammenarbeit in der Frage der Digitalisierung und der digitalen Infrastruktur. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben die Frequenzen versteigert. Über 6 Milliarden Euro werden in den Digitalfonds fließen und in der Branche bleiben. Sie verschwinden nicht irgendwo im Steuersäckel. Wir werden die Glasfaser noch weiter ausbauen und auch in Bildung investieren, indem die Schulen entsprechend angebunden werden. Die nächste Förderkulisse ist unterwegs. Wir haben mit dem Mobilfunkgipfel und einer vertraglichen Bindung der Unternehmen erreicht, dass nicht 98, sondern 99 Prozent der Haushalte versorgt werden. In der Mobilfunkstrategie ist eine klare Kaskade abgezeichnet: dass wir mit Versorgungsauflagen, mit der Förderung, aber auch mit eigenem Engagement des Bundes dafür sorgen werden, dass Funklöcher der Vergangenheit angehören. ({2}) Wir haben auch erreicht, dass die Mobilfunker zusammenarbeiten, dass die Infrastruktur gemeinsam genutzt wird: Einer baut die Funkmasten auf, die anderen nutzen sie mit. Das ist vernünftige Politik. Das haben wir so angelegt. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einen kurzen Werbeblock für die Bundesnetzagentur bzw. ihre Funkloch-App und die Breitbandmessung machen. Wir brauchen gute Daten, um den Mobilfunkern zum Ende des Jahres/Anfang nächsten Jahres sagen zu können, wo sie ihren Versorgungsauflagen eben nicht nachgekommen sind, und um dort entsprechende Sanktionen greifen zu lassen. Deswegen: Schauen Sie einmal nach. Weisen Sie Ihre Bürgerinnen und Bürger auf die entsprechende App hin. Aber wir sind auch im Bereich 5G kräftig unterwegs. Die 5G-Förderung in sechs Regionen läuft. Ich finde es bedauerlich, dass die FDP im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur den Antrag gestellt hat, die 20-Millionen-Euro-Förderung zu streichen. Industriepolitik geht anders, liebe FDP. Wir brauchen hier einen Anschub in diesen Regionen. Deswegen war es gut, dass wir Ihren Antrag abgelehnt haben. ({4}) Es läuft die Ausschreibung für den Innovationswettbewerb. Wie ich gehört habe, haben sich über 100 Kommunen für die Konzeptförderung beworben. Herr Bundesminister, es ist bald Weihnachten. Ich glaube, 50 Kommunen würden sich freuen, wenn sie von Ihnen die Botschaft bekommen: Ihr seid dabei; ihr macht beim Innovationswettbewerb mit. – Schauen Sie noch einmal in Ihrem Haus nach! Der 23. Dezember wäre ein gutes Datum für das Vorliegen solcher Bescheide. Vielen Dank! ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt auch die Gebührenordnung unter Dach und Fach. Die Campusnetze können in Auftrag gegeben werden, und viele Unternehmen werden hier tätig. Mit 5G werden wir die Industrie 4.0 in einen neuen Status bringen. Ich glaube, das ist die Politik der Zukunft, die wir brauchen. Für nächstes Jahr haben wir die große TKG-Novelle geplant. Vieles liegt vor uns. Wir müssen Regelungen für Investitionen, Wettbewerb, Verbraucherschutz, aber auch Sicherheit schaffen. Das alles werden wir, denke ich, in guter Zusammenarbeit hinbekommen. Lassen Sie mich zum Schluss eine kleine Geschichte erzählen. Sie alle haben vielleicht den SWR-„Tatort“ gesehen, der von meiner Heimat, der Pfalz, ein irgendwie schräges Bild gezeichnet hat. Ich sage Ihnen, wie dort die Wirklichkeit ist, am Samstag letzter Woche in der Lokalzeitung nachzulesen: Vor einem Jahr beantragt ein Mobilfunker einen Standort. Der Bürgermeister und der Gemeinderat melden einen besseren Standort. Ein Jahr lang passiert nichts. Dann kommt der Mobilfunker wieder und sagt: Wir würden ja gerne bauen, aber wir haben kein Unternehmen und keine Leitung, und man kann nicht mit dem Lastwagen dorthin fahren. – Was macht der Bürgermeister? Er organisiert ein Bauunternehmen und den Stromanschluss, und er sorgt dafür, dass ein Traktor da ist, der den Funkmast an den Standort fährt. So ist die Nordpfalz. So schaffen wir den Mobilfunkausbau. Wir sind die Macher, gut in Beton und in Bytes. Vielen Dank. ({6})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Ulrich Lange. ({0})

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist ein wirklich sehr erfolgreicher Haushalt, den wir heute hier verabschieden können, die Fortsetzung eines Investitionshochlaufs, den wir vor zehn Jahren begonnen haben, als die Union das Bundesverkehrsministerium übernahm, zunächst mit dem IBP I und IBP II, dann Tempo aufgenommen unter Alexander Dobrindt und jetzt konstant weiter. Zehn Jahre exzellente Verkehrspolitik. ({0}) Lieber Kollege Perli, von Kaputtsparen kann man bei diesem Haushalt wirklich nicht reden. Wir haben vor 30 Jahren eine kaputte Infrastruktur mit sozialistischen Infrastrukturideen übernommen. Nehmen Sie sich an dieser Stelle ein Beispiel an dem, was wir die letzten zehn Jahre mit diesem Haushalt gemacht haben! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen für Mobilität in Stadt und Land, für Mobilität und Klimaschutz. Das ist nämlich kein Widerspruch. Das beweist dieser Haushalt einmal mehr ganz deutlich. Wir haben alles im Blick, und wir wollen etwas anderes, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, nicht allein Ordnungsrecht, Regulieren, Verbieten. Wir setzen auf einen Mix aus Maßnahmen, auf Anreize, die wir finanzieren und für die wir Geld zur Verfügung stellen. ({1}) – Genau, lieber Kollege Gastel: Mehr Straßen gehören auch dazu. – Wir wollen anders als Sie nicht ab 2025 keinen Bundesstraßenbau mehr. Wir wollen Bundesstraßen, weil wir für die Menschen in Stadt und Land da sind, ({2}) weil wir für Verkehrssicherheit sind. Dazu gehört auch der Straßenausbau. Es wird immer Menschen geben, die auf den Pkw angewiesen sind. Auch diese Menschen haben ein Recht auf Mobilität und auf eine ordnungsgemäß ausgebaute Straße und auf eine sanierte Brücke. Genau das tun wir auch mit diesem Haushalt. ({3}) Wenn wir dann bei Ihrem Lieblingsthema, der Schiene, sind: Ja, dieser Haushalt ist ein Bahnhaushalt, ein Schienenhaushalt. Aber legen Sie bitte diese Doppelmoral vor Ort ab. Dann lassen Sie den Ausbau von Schieneninfrastruktur vor Ort auch zu, und dann kommen Sie auch geschlossen in eine Ausschusssitzung; dann darf es nicht so sein, wie der Minister Scheuer gerade erzählt hat. Es war beschämend für Sie! Wenn die Schiene für Sie wichtig ist, dann kommen Sie, und spielen Sie nicht nur auf der Klaviatur der Öffentlichkeit! ({4}) Wir geben Geld für die LuFV. Wir steigern die Attraktivität von Bahnhöfen. Wir geben Geld für Barrierefreiheit nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Wir geben so viel Geld für die Schiene wie nie. Aber dazu gehört am Ende des Tages – das sage ich mit aller Deutlichkeit –, dass sich vielleicht auch im DB Tower das ein oder andere noch ändert. ({5}) Es kann nicht jede kleine Maßnahme Jahre oder ein Jahrzehnt dauern, bis zwei Bahnsteige saniert und gerichtet sind. Das ist auch nicht nur Planungsrecht. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gehört auch der Luftverkehr dazu. Auch der Luftverkehr ist Teil der Mobilität. Gerade Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, sind ja so große Anhänger des Luftverkehrs. Ich habe gerade noch einmal nachgeschaut: Keine Fraktion fliegt so viel pro Kopf wie die Fraktion der Grünen. ({7}) Also auch hier wieder diese Doppelmoral. Wir fliegen auch nicht nach Grönland, um zu sehen, wie die Polkappen schmelzen, wie Ihr Fraktionsvorsitzender. Er hätte ja auch segeln können. Das machen einige gerade vor. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, wir wollen Ihnen helfen. Reiselust mit Flugscham, dafür stellen wir 200 Millionen Euro zur Verfügung, insbesondere für moderne Kraftstoffe, damit auch Sie in Zukunft ohne Scham weiter am meisten fliegen können. ({8}) Beim Glasfaserausbau kommen noch einmal 780 Millionen Euro dazu. Beim Mobilfunk kommen wir einen großen Schritt weiter, indem wir zunächst mit strengen Versorgungsauflagen die weißen Flecken angehen, die wir tatsächlich noch haben. Das Schließen von weißen Flecken ist eine Frage gleichwertiger Lebensverhältnisse, und das steht bei uns ganz oben. 1,1 Milliarden Euro werden wir dafür aufwenden. Aber – das sage ich auch ganz deutlich –: Eine Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft ist eine große Chance – eine Chance vor Ort, technische und organisatorische Hürden zu nehmen. Aber wir brauchen vor Ort auch die Bereitschaft der Menschen, sich nicht nur über das Funkloch zu beklagen, sondern auch beim Aufbau der Masten mitzuwirken, und das geht insbesondere an die Kommunalpolitik. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP – auch das musste ich mir noch einmal anschauen –: Sie waren ja diejenigen, insbesondere 2009 bis 2013, die bei den Versorgungsauflagen uns erklärt haben, der Markt werde die weißen Flecken schließen und den Mobilfunkausbau gewährleisten. Wenn wir heute eines gelernt haben: Der Markt führt auf dem Land ins Funkloch; er führt nicht zur Mobilfunkinfrastruktur. Hier braucht es den Staat, hier braucht es eine Gesellschaft, und hier greifen wir jetzt an. Zehn Jahre Infrastrukturpolitik der Union sind eine Erfolgsgeschichte, sind ein Investitionshochlauf, sind ein Zeichen gegen marode Brücken, sind ein Zeichen für die Straße, sind ein Zeichen für die Schiene und sind ein Zeichen dafür, dass wir auch die Herausforderungen der Digitalisierung annehmen. Danke schön. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Arno Klare. ({0})

Arno Klare (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004329, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mittlerweile – ich bin der letzte Redner in dieser Debatte – habe ich meine Stichworte, glaube ich, siebenmal geändert. Ein Hinweis, weil das Stichwort „Luftverkehr“ von Herrn Lange gerade schon einmal angesprochen worden ist: Der Luftverkehr in Deutschland im Inventarbericht der Bundesregierung schlägt mit jährlich 2,173 Millionen Tonnen CO2 zu Buche – 2,173 Millionen Tonnen! –, die Mitverbrennung von Schmierstoffen in Zweitaktmotoren mit 6,386 Millionen Tonnen. Vielleicht sollten wir einmal über die Mitverbrennung von Schmierstoffen in Zweitaktmotoren reden. Das ist das Dreifache des Luftverkehrs. Von daher: Bitte nie mehr die Mär, der Luftverkehr ruiniere alles. Das ist einfach nicht wahr. Trotzdem jetzt noch etwas Versöhnliches. Ich werde Ihnen drei Sätze vorlesen – mal schauen, wie weit die Zustimmung in diesem Hause reicht –: Um das ... Ziel des CO2-neutralen Fliegens zu erreichen, ist der Einsatz von alternativen nachhaltigen Kraftstoffen – insbesondere synthetischen Power-to-Liquid-(PtL)-Kraftstoffen – erforderlich. Wir wollen die marktfähige Entwicklung von PtL-Kraftstoffen fördern. Hierzu müssen Energiewirtschaft, Anlagenbauer, Luftfahrtindustrie, Luftverkehrsunternehmen, Bund und Länder eine PtL-Roadmap definieren und gemeinsam umsetzen. ({0}) Wir werden eine entsprechende industriepolitische Initiative der Europäischen Union initiieren. Jetzt die Frage an die Linken: Stimmen Sie dem zu? ({1}) Ja. – Die SPD stimmt zu; das weiß ich. ({2}) Die Grünen? – Die wissen es noch nicht so genau. Ich glaube, den Rest des Hauses brauche ich jetzt nicht mehr fragen. Das ist aus dem „Leipziger Statement für die Zukunft der Luftfahrt“, unterschrieben unter anderem von Tarek Al-Wazir und Kristina Vogt, Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa in Bremen und damals Vorsitzende der Wirtschaftsministerkonferenz, also einer Linken. Das heißt, die Linken haben zugestimmt, die Grünen haben zugestimmt, die SPD hat zugestimmt, zwei veritable Minister – beide sind da – haben auch zugestimmt. Genau das müssen wir tun. ({3}) Herr Lange hat es gerade schon erwähnt: Im EKF steht: zweimal 100 Millionen Euro für den Markthochlauf, nicht mehr für Forschung; denn wie man das herstellt, wissen wir. Das muss man nicht mehr beforschen; man muss es nur noch im industriellen Maßstab hochskalieren. Noch ein Satz dazu: Es ist kein Incentive für die Luftverkehrswirtschaft; es ist der Startschuss für ein wirklich großes Projekt, für eine große industriepolitische Perspektive – Stichwort: Wasserstofftechnologie –, die damit angestoßen wird. Synthetische Kraftstoffe sind Kraftstoffe der Zukunft, mit denen nicht nur Flugzeuge klimaneutral fliegen werden, sondern auch Fahrzeuge fahren werden. Insofern bin ich dankbar, dass das da drinsteht. Ich bin einigen Leuten im Besonderen dankbar: Unser Haushälter Thomas Jurk hat dafür gesorgt, dass es passiert ist. Ich bin natürlich auch ein paar Mitstreitern dankbar. Ich fange einmal bei der Union an: Der Kollege Simon und der Kollege Ploß haben auch beide daran gearbeitet, dass das im Haushalt steht. Aus meiner Fraktion sind auch ein paar Leute zu nennen: Bernd Westphal, Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Andreas Rimkus und noch ein paar andere, die ebenfalls dafür gearbeitet haben, dass das ein Weg ist, den wir gehen müssen. Das ist ein guter Haushalt, unter anderem, weil das da drinsteht. Danke. ({4})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Volker Münz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004835, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Altmaier! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland schrammte mit einem mageren Wirtschaftswachstum von lediglich 0,1 Prozent im letzten Quartal nur knapp an einer Rezession vorbei. Negative Anzeichen wie Auftragsrückgänge und Entlassungsanzeigen verdichten sich, werden aber erst zeitverzögert in voller Härte durchschlagen. Wir befinden uns nicht nur am Beginn eines konjunkturellen Abschwungs, sondern in einer Strukturkrise, und diese ist zum großen Teil durch eine falsche Wirtschafts- und Energiepolitik verursacht, meine Damen und Herren. ({0}) Stark betroffen ist die Automobil- und Zuliefererindustrie, die mit dem von der Bundesregierung forcierten Übergang zur Elektromobilität in die Enge getrieben wird. Zurzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine neue Hiobsbotschaft aus der Wirtschaft kommt. Gerade heute Nachmittag kam die Meldung, dass Audi 9 500 Stellen in Deutschland abbauen wird. Experten rechnen für die Automobilbranche mit einem Nettoverlust an Arbeitsplätzen von bis zu 20 Prozent in den nächsten zehn Jahren. Es muss jetzt darum gehen, meine Damen und Herren, unsere wichtigste Branche und mehr als 1,5 Millionen direkt und indirekt betroffene Arbeitsplätze zu schützen. Stattdessen aber setzt die Bundesregierung die Automobilindustrie weiter unter Druck. Was Ressourcenschonung angeht, handelt die Bundesregierung kontraproduktiv, wie die Ablehnung des sogenannten Care-Diesels vor einigen Wochen gezeigt hat. Ein aus Altöl und Abfall hergestellter Dieselkraftstoff könnte in jedem Diesel-Pkw eingesetzt werden, Deutschland aber verhindert die Zulassung. Das Umweltbundesamt begründet das damit, dass mit der Elektromobilität bereits Alternativen für Dieselfahrzeuge zur Verfügung stünden. ({1}) Der mit heißer Nadel gestrickte Energie- und Klimafonds, der für die Haushaltsberatungen noch nicht einmal rechtzeitig vorgelegt wurde, sieht nun Fördermittel für die Entwicklung synthetischer und regenerativer Kraftstoffe vor. ({2}) Gleichzeitig wird die Markteinführung bereits entwickelter Kraftstoffe verhindert und über Zuschüsse einseitig die Elektromobilität gefördert. Wie passt das zusammen? ({3}) Die jetzt mit dem Klimapaket vorgesehene CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel, auf Heizöl und auf Flugreisen ist falsch, meine Damen und Herren. ({4}) Angesichts der wirtschaftlichen Lage kann es doch nicht richtig sein, am Beginn eines Abschwungs noch die Abgaben zu erhöhen, mit einer stärkeren Belastung für Bürger und Unternehmen. Meine Fraktion erteilt diesen Plänen eine klare Absage, meine Damen und Herren. ({5}) Die Einnahmen sollten dem Energie- und Klimafonds zufließen. Bereits heute umfasst das Sondervermögen mit etwa 8 Milliarden Euro das Volumen eines ganzen Bundesministeriums. Meine Fraktion schließt sich der Forderung des Bundesrechnungshofs an, den Energie- und Klimafonds aufzulösen und die betreffenden Haushaltstitel in die jeweilige Ressortzuständigkeit zu überführen. Überdies lehnen wir sämtliche Maßnahmen ab, die auf die Transformation der Wirtschaft und der Gesellschaft in Richtung einer angeblichen Klimaneutralität abzielen. Wir lehnen – übrigens im Einklang mit vielen Wissenschaftlern – die These ab, dass das menschengemachte Kohlendioxid das Klima maßgeblich beeinflusst. CO2 macht nur 0,038 Prozent der Luft aus. ({6}) Davon sind nur 5 Prozent durch den Menschen verursacht, davon wiederum nur 2 Prozent durch Deutschland. ({7}) – Jetzt hören Sie mal gut zu! ({8}) Ottmar Edenhofer, einer der Verfechter der These vom menschengemachten Kohlendioxid als Verursacher einer Klimakatastrophe, sagte 2010 in einem Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ zu den Zielen der Klimapolitik: Man muss sich von der Illusion freimachen, dass internationale Klimapolitik Umweltpolitik ist. Und: Wir verteilen durch die Klimapolitik de facto das Weltvermögen um. Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen! Lassen wir uns nicht in die Irre führen: Umverteilung – nicht Klima- oder Naturschutz – ist das wahre Ziel, meine Damen und Herren. ({9}) Wie die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernenergie, den Ausstieg aus der Kohleverstromung und gleichzeitig die Umstellung des Verkehrs auf strombetriebene Fahrzeuge bewerkstelligen will, ist bis heute nicht annähernd überzeugend geklärt worden. Diese Politik hat schon heute zu den höchsten Strompreisen in ganz Europa geführt. Zu einer verantwortlichen Energiepolitik gehören neben der Bezahlbarkeit für die Verbraucher auch die Wettbewerbsfähigkeit für die Wirtschaft im internationalen Vergleich und die Versorgungssicherheit bei der Stromproduktion. Die enorme Vernichtung von Volksvermögen und die horrenden Kosten werden einen Effekt von 0,0 Grad auf die Durchschnittstemperatur haben, meine Damen und Herren. ({10}) Die betriebene Energiewende ist ökologisch kontraproduktiv, ökonomisch gesehen Harakiri und sozial ungerecht, meine Damen und Herren. ({11}) Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, lieber Abgeordnete, opfern Sie unsere Schlüsselbranche Automobil und die Stromversorgungssicherheit nicht auf dem Altar der Klimahysterie. Lassen Sie Vernunft walten! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({12})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Andreas Mattfeldt. ({0})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die sich – ich glaube, das merken wir alle in diesen Tagen – beruhigende Wirtschaft werden die zukünftigen finanziellen Spielräume naturgemäß enger ausfallen; das wissen wir alle. Das bedeutet aber, dass wir die Ausgaben, die wir hier im Haushalt tätigen, noch zielgerichteter werden ausrichten müssen, als wir das bisher getan hatten. Gerade dies haben wir schon in Ihrem Einzelplan, Herr Minister Altmaier, der in diesem Jahr 9 Milliarden Euro umfasst, und ganz bewusst im Energie- und Klimafonds, den Sie ja zu einem Großteil bewirtschaften, in zahlreichen Beratungen in den letzten Wochen hier im Haus getan. Herr Minister Altmaier, ich darf Danke sagen, Danke sagen für die gute Zusammenarbeit mit Ihnen persönlich, aber auch Danke sagen an Ihre Staatssekretärin, Frau Dörr-Voß, und das gesamte Haushaltsreferat. Ich glaube, das war eine gute Zusammenarbeit. Es war aber auch eine gute Zusammenarbeit mit meinen Mitberichterstattern für den Haushalt 2020 – das sage ich ganz bewusst – aus allen Fraktionen. Meine Damen und Herren, das Thema Klima hat in den Haushaltsberatungen – wen mag es wundern – nicht nur bei uns im Einzelplan 09 einen besonderen Platz eingenommen, sondern, glaube ich, auch in allen anderen Einzelplänen. Zusätzlich zu den Energieausgaben, die wir im Wirtschaftsministerium tätigen, haben wir mit dem Energie- und Klimafonds das Klimaschutzgesetz mit einem Ausgabevolumen von fast 7 Milliarden Euro in 2020 untermauert. Bis zum Jahr 2023 wird der Energie- und Klimafonds dann sage und schreibe 11 Milliarden Euro umfassen. Ich meine, das ist eine immense Summe. Ich darf aber auch sagen: Das ist zugleich eine immense Verantwortung. Ich bin aber nun nicht nur Politiker, ich bin auch Unternehmer. Ich weiß, dass wir eben nur dann – das geht häufig an die Adresse der Grünen – für Klimapolitik Geld ausgeben können, wenn wir dieses Geld vorher verdient haben. Sie als Grüne und als Linke können verbal und – das stellen wir leider auch fest – in der Folge realwirtschaftlich in Deutschland vieles zerschlagen. Ich sage aber: Wenn Sie verbal zerschlagen, zerschlagen Sie damit auch die Zukunft der jungen Generation. Wir als Union werden Ihnen das nicht durchgehen lassen. Nein, ich sage ganz deutlich: Wir werden das nicht zulassen, meine Damen und Herren. Für mich als Haushaltspolitiker geht es neben dem Klima auch um das finanzielle und um das wirtschaftliche Erbe, das wir unseren Kindern mit den Entscheidungen, die wir heute in diesen Haushaltsberatungen zur Energiepolitik treffen, hinterlassen. Wir haben den Einzelplan des Ministeriums und den Energie- und Klimafonds, Herr Kollege Münz, ganz bewusst technologieoffen gestaltet. Ja, wir haben auch nicht unerhebliche Veränderungen – weg von der Forschung hin zur Umsetzung – vorgenommen. Wir werden auch zukünftig noch dort forschen, wo wir es weiterhin für notwendig halten. Wir wollen aber nun vor allem das Erforschte in einer besonderen Geschwindigkeit in die reale Praxis umsetzen. Und, meine Damen und Herren, wir wollen im Gegensatz zu den Grünen gerade nicht mit der Verbotskeule agieren. Wir wollen durch Anreize die Bürger überzeugen, dass es klug sein kann, CO2 einzusparen. Wir haben in der Koalition in den letzten Wochen noch einiges am Haushalt des EKF und des Wirtschaftsministeriums verändert. So haben wir zusätzlich weitere 47 Millionen Euro für die Entwicklung moderner Energien für kleine und mittelständische Unternehmen bereitgestellt. Wir haben es für notwendig erachtet, dass wir endlich in das hybridelektrische Fliegen einsteigen; das wollen wir mit 75 Millionen Euro unterstützen. Außerdem stellen wir insgesamt 445 Millionen Euro für den Einsatz von Wasserstoff in der Industrieproduktion bereit. Ich glaube, das ist enorm. Nicht vergessen möchte ich die rund 1,5 Milliarden Euro für die industrielle Fertigung von Energiespeichern. Und auch – das ist das Kind und die Idee unseres Wirtschaftsministers – bei den sich in der Umsetzung befindlichen Reallaboren der Energiewende, mit denen wir zukünftige Energietechnologien unter ganz praktischen Bedingungen im industriellen Maßstab einsetzen und erproben wollen, haben wir aufgesattelt. Das Programm umfasst jetzt 262 Millionen Euro. Meine Damen und Herren, das sind beeindruckende Zahlen; doch ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir nicht vergessen, dass wir neben dem Klima noch andere Themen in Deutschland haben, die von besonderer Bedeutung sind, auch wirtschaftliche Themen. So, meine ich, ist es erforderlich, dass wir Innovationen, dass wir Firmengründungen weiter vorantreiben. Hierfür haben wir das Existenzgründerprogramm EXIST vor einigen Jahren ins Leben gerufen. Das ist ein überaus erfolgreiches Programm, das gerade junge Gründer bei ihrem Weg in die Selbstständigkeit unterstützt. Ich habe bereits in der ersten Lesung angekündigt, dass wir das EXIST-Programm stärken wollen. Wir Koalitionäre haben in den vergangenen Wochen noch einmal 23 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt, sodass dieses Programm nun mit 155 Millionen Euro, wie ich meine, ganz anständig ausgestattet ist. ({0}) Wenn wir von Innovationen reden, dann müssen wir auch über die Luft- und Raumfahrtindustrie reden, die in diesem Jahr im Haushalt des Ministeriums fast 1,9 Milliarden Euro erhält. Zur Erinnerung: 2013 waren es übrigens noch 1,4 Milliarden Euro. Ich glaube, das ist ein anständiger Aufwuchs. Ich sage das deshalb ganz deutlich, weil der BDI derzeit in Deutschland mit falschen Zahlen agiert. Die Luft- und Raumfahrt hat kontinuierlich, auch in diesem Jahr, einen Aufwuchs erfahren. Ich halte das auch für richtig und vernünftig; denn wir könnten zum Beispiel die Auswirkungen des Klimawandels ohne Erdbeobachtung durch Satelliten nur schwer verstehen. Auch zahlreiche neue Therapieansätze für Krankheiten haben wir der Raumfahrt zu verdanken. Raumfahrtanwendungen – das darf ich auch sagen – können gerade für die Zukunft der Menschheit von ganz zentraler Bedeutung sein. Das ist nicht Science-Fiction. Nein, hierzu zählt auch, dass wir heute, wo wir die Technologie haben, in die Asteroidenabwehr einsteigen wollen und dies mit unseren europäischen Freunden und der NASA nach der nächsten ESA-Ministerkonferenz tun werden. Meine Damen und Herren, schade, dass ich jetzt nicht mehr über die neue, zukunftsweisende Afrika-Politik sprechen kann, die erhebliche zusätzliche Mittel erhält. Meine Redezeit ist langsam zu Ende. Deshalb darf ich als Hauptberichterstatter für den EKF und für den Einzelplan 09 sagen: Wir haben wieder einen verantwortungsbewussten, einen zukunftsweisenden Haushaltsplan aufgestellt, dem, glaube ich, wirklich jeder in diesem Hause seine Zustimmung geben könnte, wenn er das Ganze nicht allein durch die Parteibrille betrachten würde. Herzlichen Dank. ({1})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der FDP der Kollege Michael Theurer. ({0})

Michael Theurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004914, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Altmaier, Sie haben am Sonntag öffentlich die Vereinigten Staaten von Amerika, immerhin einen demokratischen Rechtsstaat, mit einem kommunistischen Einparteienstaat, einer Diktatur, mit der Volksrepublik China, gleichgesetzt. ({0}) Das ist unerhört, und ich fordere von dieser Stelle eine öffentliche Entschuldigung. ({1}) Wer das transatlantische Verhältnis an dieser Stelle schlechtredet, der erweist uns einen Bärendienst. ({2}) Ich erwarte, dass wir in Deutschland für dieses transatlantische Verhältnis werben; denn die Zustimmungsraten in Deutschland sind gesunken. Wer in der Frage des Freihandels etwas bewegen will, der sollte die Amerikaner nicht einseitig in die falsche Ecke rücken, sondern die Gesprächskontakte intensivieren. ({3}) Wir jedenfalls kämpfen dafür, dass TTIP aus dem Eisschrank geholt wird. ({4}) An dieser Stelle kann man die linke Seite des Hauses daran erinnern, dass es völlig falsch war, dieses Freihandelsabkommen infrage zu stellen.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Herr Theurer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst?

Michael Theurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004914, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Heute nicht. Ich will meinen Gedanken zu Ende bringen. Sie können dann ja eine Kurzintervention machen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Die Bundesregierung hat ihre Wachstumsprognose in diesem Jahr immer wieder gesenkt, von 2,1 Prozent auf 2,0 Prozent, auf 1,0 Prozent und jetzt auf 0,5 Prozent. Im dritten Quartal gab es ein Minimalwachstum von 0,1 Prozent. Willkommen in der Wirklichkeit. Wir haben an dieser Stelle seit Monaten vor dieser negativen Entwicklung gewarnt, aber Sie, Herr Minister Altmaier, haben versäumt, das Dach zu reparieren, als die Sonne schien. ({0}) Und jetzt ist die Bundesregierung mit ihrer falschen Wirtschaftspolitik selbst ein Haushaltsrisiko geworden. Wer die Wirtschaft links liegen lässt, braucht sich über das Erstarken auf der rechten Seite nicht zu wundern. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Freie Demokraten fordern an dieser Stelle ein Sieben-Punkte-Zukunftsprogramm für eine starke deutsche Wirtschaft. Erstens. Wir brauchen die steuerliche Entlastung für den Mittelstand, das Handwerk und die Industrie sowie Selbstständige, damit diese ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten können. ({1}) Wir fordern die vollständige Abschaffung des Soli. Das Peter-Prinzip hat ja eine neue Ausformung: Ankündigen, aber nicht liefern. Sie sprechen davon, Herr Minister Altmaier. Wann wird das aber endlich Politik der Bundesregierung? ({2}) Wir brauchen eine Körperschaftsteuerreform. China, die USA, die Briten, die Franzosen und die Italiener senken die Steuern für ihre Unternehmen. Was tun wir? Nichts. Diese Große Koalition liefert nicht. Wir brauchen Entlastung. Wir brauchen, zweitens, Entlastung auch durch Bürokratieabbau. Wir brauchen eine Investition in die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft durch eine Verkürzung der Aufbewahrungsfristen bei den Steuerunterlagen, die digitalen Register und die Vereinfachung der Ausschreibungsverfahren für öffentliche Aufträge – um nur drei Beispiele zu nennen. Wir brauchen, drittens, die Vereinfachung und Verbesserung für Start-ups, für Gründer, damit eben wieder mehr als 1 Prozent der Erwerbstätigen ein Unternehmen gründen. Wir brauchen ein Venture-Capital-Gesetz, einen Zukunftsfonds für Risikokapital, Mitarbeiterbeteiligung und einen Eigenkapitalturbo. Wir brauchen, viertens, meine Damen und Herren, eine marktwirtschaftliche und technologieoffene Energie- und Klimapolitik. ({3}) Wir brauchen eine Ausweitung des Emissionshandels auf alle Sektoren; denn wo der Emissionshandel wirkt, dort werden die CO2-Minderungsziele erreicht. Warum nicht mehr Marktwirtschaft in einem ökologischen Ordnungsrahmen wagen und dafür dirigistische Einzeleingriffe und Verbote im Einzelfall abschaffen? ({4}) Wir brauchen, fünftens, einen Belastungsstopp, ein Belastungsmoratorium, für die deutsche Wirtschaft, solange das Wirtschaftswachstum nicht wieder bei 2 Prozent liegt. Das bedeutet: keine neuen Steuererhöhungen, keine zusätzliche Bürokratie, keine neuen Umverteilungsprogramme, keine zusätzlichen Programme für konsumtive Zwecke und keine weiteren Eingriffe in die unternehmerische Freiheit. ({5}) Sechstens. Meine Damen und Herren, eine der größten Wachstumsbremsen ist nach wie vor der Fachkräftemangel. Wir brauchen eine zielgenaue Einwanderungspolitik, ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz und endlich auch den Spurwechsel. ({6}) Niemand akzeptiert, dass Menschen, die hier Deutsch lernen und in den Arbeitsmarkt integriert sind, nach Hause geschickt werden, während straffällig Gewordene nicht zurückgeschickt werden. Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren. ({7}) Siebtens und letztens braucht Deutschland eine echte digitale Investitionsoffensive, ein Investitionssofortprogramm, das die degressive Abschreibung für Wirtschaftsgüter grundsätzlich fördert und eine Sonderabschreibung für Digitales zusätzlich einführt. Wir brauchen einen Zukunftsfonds für Wagniskapital und ein Update im Wettbewerbsrecht. ({8}) Dafür stehen wir; dafür kämpfen wir. Wir sind es nicht nur unserem Kollegen Jimmy Schulz schuldig, sondern auch den Menschen, dass wir in der Digitalisierung endlich den Anschluss finden und, wie es für Deutschland eigentlich notwendig ist, wieder in eine Poleposition kommen. Wir müssen fit werden für die Zukunft. Wir brauchen mehr Tempo bei Reformen. Das erwarten wir von Ihnen, Herr Minister Altmaier. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der SPD der Kollege Johann Saathoff. – Halt, Sekunde. Ich habe eine Kurzintervention des Kollegen Klaus Ernst vergessen. So lange muss Herr Saathoff noch warten. – Herr Ernst, Sie haben das Wort. ({0})

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Theurer, Sie haben ja jetzt eben dem Wirtschaftsminister vorgeworfen, er hätte die USA mit China verglichen. Ich habe die Sendung gesehen. Ich konnte das so nicht erkennen. Ich konnte aber durchaus Herrn Altmaier verstehen, der gesagt hat, dass natürlich auch in den USA Abhörmaßnahmen stattfinden. Ich möchte daran erinnern, dass es die USA waren, die unsere Kanzlerin abgehört haben, und nicht Huawei. Wenn es um die Frage der Sicherheit geht, sind die USA offensichtlich überhaupt nicht zimperlich. Ich habe auch noch keine echte Entschuldigung der USA gehört dafür, dass sie die Kanzlerin und andere im Deutschen Bundestag überwachen und entsprechend Spionage betreiben. Würden Sie mir zustimmen, dass das, was die USA in Fragen der Sicherheit und der Spionage machen, in diesem Punkt offensichtlich durchaus vergleichbar ist mit dem, was die Chinesen machen?

Michael Theurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004914, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Ernst, ich stelle fest, dass die Vereinigten Staaten offensichtlich alle Gespräche ihres Präsidenten, also des US-amerikanischen Präsidenten, abhören. Das kann man ja jetzt gerade in den Anhörungen des Kongresses sehen, dass das auch eine sehr wichtige Funktion hat, was Checks and Balances angeht. Aber die interessante Frage ist doch: Kann die Bundesrepublik Deutschland ihre eigene Sicherheit, können wir unsere eigene Sicherheit sicherstellen? Jeder, der sich einmal eine Sekunde überlegt, dass die Headquarters der U.S. Army in Stuttgart, EUCOM und AFRICOM, stationiert sind, jeder, der sich mit der NATO auseinandersetzt, der kann erkennen, dass die Bundesrepublik Deutschland überhaupt nicht in der Lage ist, ihre eigene Sicherheit ohne die Einbindung in das Nordatlantische Bündnis sicherzustellen. ({0}) Deshalb stellt sich an dieser Stelle die Frage: Wenn Sie die US-amerikanischen Überwachungsmaßnahmen zur Antiterrorbekämpfung auf eine Ebene stellen mit denen von China, ({1}) stellen Sie dann auch das politische System des demokratischen Rechtsstaats der Vereinigten Staaten auf eine Ebene mit dem Überwachungsregime in China? Wir sagen an dieser Stelle ganz klar: Die Bundesrepublik Deutschland sollte sich nicht gegen die NATO entscheiden, um sich dann in Sicherheitsfragen praktisch den Chinesen auszuliefern. ({2}) Wir haben den Eindruck, dass die Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers außerordentlich missverständlich waren. Sie wurden in Washington sehr wohl wahrgenommen. Sie schaden deutschen Sicherheitsinteressen und den Wirtschaftsinteressen im Freihandel. Deshalb fordern wir den Bundeswirtschaftsminister an dieser Stelle auf, die Missverständnisse auszuräumen und klipp und klar zu erklären, dass die Vereinigten Staaten ein demokratischer Rechtsstaat sind, während die Chinesen ein Einparteiensystem haben, das einer Diktatur gleichkommt. ({3})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nunmehr aber endgültig Johann Saathoff für die Fraktion der SPD. ({0})

Johann Saathoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004393, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Wirtschaftspolitik spielt die Energiepolitik derzeit eine große, ja, ich würde sagen, eine dominierende Rolle. Mit dem Kohleausstiegsgesetz und mit dem Strukturstärkungsgesetz haben wir gerade zwei zentrale Gesetze vor der Brust, über die wir, wenn die interministerielle Abstimmung erfolgt ist, im Parlament sicher auch miteinander streiten werden, was die Zukunft der Wirtschafts- und Energiepolitik angeht. Ich habe die Energiepolitik immer als Kombination aus Klima- und Industriepolitik gesehen. Der erste Antrieb innerhalb der Koalition mag ja vielleicht unterschiedlich sein, aber unser gemeinsames Verständnis in der Koalition müsste sein: Klimapolitik ist Industriepolitik. ({0}) Die Situation bei der Windindustrie ist insbesondere im Moment sehr dramatisch. 3 000 Menschen bei Enercon in Aurich und in Magdeburg bangen nicht um ihren Arbeitsplatz, sie verlieren ihn sicher. ({1}) Viele Familien wissen nicht, wie es weitergehen soll. Industriepolitisch sehen wir gerade dabei zu, wie die Produktionskapazitäten für Windenergie das Land verlassen. Das wollen wir nicht. ({2}) Es ist schon eine besondere Lage, wenn die Verbände von DGB bis BDI gemeinsam auf die notwendigen Maßnahmen in der Energiepolitik für den Ausbau der erneuerbaren Energien drängen. Die Wirtschaft hat zu Recht, Herr Minister, immer verlässliche Rahmenbedingungen eingefordert. Der vorliegende Entwurf des Gesetzes, das die Rahmenbedingungen regeln soll, damit wir das Ziel der 65 Prozent in 2030 erreichen, mit anderen Worten: die darin enthaltene 1000-Meter-Regelung zu fünf Häusern, ist leider genau das Gegenteil von verlässlichen Rahmenbedingungen. ({3}) Wenn das so käme – davor steht zum Glück das Parlament –, dann hätten wir bis Mitte der 20er-Jahre keine Windindustrie mehr in Deutschland und der für 2030 erforderliche Zubau müsste importiert werden, wenn das Ziel nicht sogar aufgegeben werden müsste. Das ist nicht das sozialdemokratische Verständnis von einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik. ({4}) Wir wollen in die Zukunft investieren und die Chancen nutzen: in der Energiewende mit ihren vielen Perspektiven, in der Wasserstoffindustrie, die in Zukunft eine führende Rolle spielen wird, und in der Digitalisierung. Aber: Nix, wat sük to hebben lohnt, fallt di in’t Schkoot. Was brauchen wir, damit das auch gelingen kann? Wir brauchen Forschung und Entwicklung: bei Speichertechnik, bei Übertragungstechnik, aber auch bei Grundlagenforschung im Zusammenhang mit Energie. Wir brauchen Bildung und Qualifizierung, um die Menschen fit zu machen und mitzunehmen bei den Veränderungen, die auf sie zukommen. Wir brauchen ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz; der Name erklärt sich ja von selbst. Und wir brauchen gelebte Sozialpartnerschaft. Das, muss man zugeben, ist bei den erneuerbaren Energien bisher eher ein Problem gewesen als eine Chance. Wir brauchen aber Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung und feste, gute Tariflöhne. ({5}) Und wir müssen die Schlüsselindustrien stärken in Deutschland, wir müssen sie schützen – auch um Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen und zu sichern. ({6}) Dazu gehört zum Beispiel die Luft- und Raumfahrtindustrie. Wir haben uns in der letzten Woche darüber unterhalten – und das auch beschlossen –, dass die europäische Präferenz kommen soll. Besten Dank an Thomas Jurk für die ganz tolle Unterstützung in dieser Sache. ({7}) Zu den Schlüsseltechnologien gehört auch noch der Schiffbau, Überwasserschiffbau und Unterwasserschiffbau. Auf die aktuelle Gesetzgebung bezogen und bei Betrachtung der besorgniserregenden Entwicklung in der Windindustrie ist nachhaltige Industriepolitik jetzt, in dieser Stunde, gefragt. ({8}) Jetzt müssen wir die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Windindustrie zu halten – wir würden sie sonst in ein paar Jahren bitter vermissen. Wir müssen das Planungsrecht vereinfachen, und zwar sofort. Wir müssen das Repowering beschleunigen. Wir müssen kleine Windparks auch ohne Ausschreibung zulassen können; die EU lässt das zu. Und wir müssen das Problem der Flugbefeuerung endlich lösen. Es versteht kein Mensch, dass wir das nicht endlich umgesetzt haben. ({9}) Ich habe am Anfang meiner Rede über Schlüsseltechnologien gesprochen. Ja, auch die erneuerbaren Energien sind Schlüsseltechnologien, die wir im Land halten müssen, genauso wie Schiffbau, genauso wie Luft- und Raumfahrt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, Klimapolitik ist Industriepolitik. ({10})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster für die Fraktion Die Linke. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt so einige Punkte, die mich mit Blick auf die Politik des Ministeriums für Wirtschaft und Energie immer noch in Erstaunen versetzen können. Erstens hatten Sie, Herr Minister, offenbar Glück, dass Ihr Etatentwurf durch die Ausschüttung des sogenannten Klimakabinetts noch richtig nachgebessert werden konnte und jetzt, wie Herr Mattfeldt bereits gesagt hat, circa 9 Milliarden Euro beträgt. Zweitens blieb Ihre Schwerpunktsetzung auf Digitalisierung und künstliche Intelligenz weiterhin positiv in der öffentlichen Debatte, obwohl die veranschlagten Haushaltspositionen deutlich hinter den Anforderungen der Wirtschaft zurückbleiben. Drittens war es dem Wirtschaftsministerium gelungen, die Begleitung der Regierungskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ so zu kommunizieren, als würde wirklich etwas für die strukturschwachen Regionen, die ländlichen Räume und den Osten getan werden. Das Gegenteil ist allerdings der Fall, und das will ich heute in meinem Redebeitrag noch einmal besprechen. Wie wir wissen, gibt es in Ihrem Hause, Herr Minister, einen Beauftragten für die neuen Bundesländer, der ja im 30. Jahr der deutschen Einheit nicht mehr so neu ist und bei dem sich viele Menschen mittlerweile fragen: Was macht der eigentlich den ganzen Tag? Das frage ich mich auch. Dieser Beauftragte, Herr Hirte, wurde am 25. September 2019 auf „Spiegel Online“ mit der Überschrift zitiert: „Der Zustand im Osten ist viel besser, als wir uns das alle vorgestellt hätten.“ ({0}) Ich lasse an dieser Stelle einmal beiseite, wer „wir“ sein soll und was „wir“ uns alle vorgestellt haben sollen. Man kann natürlich auch weiterhin Kollektivbeschimpfung betreiben. Herr Hirte sagt nämlich in diesem Artikel weiter, die – von ihm offenbar lediglich gefühlte – Benachteiligung des Ostens liege daran, „dass die Ostdeutschen das Pech hatten, 40 Jahre auf der falschen Seite der Geschichte gestanden zu haben“. Das soll heißen: Nun meckert nicht so viel im Osten, wir geben uns Mühe, und gerade jetzt, wo wir ab 2021 den Soli streichen wollen, erst recht. Schauen wir einmal auf Tatsachen. Wem gehört der Osten? Ich sage: Der Osten gehört dem Westen. Es begann Anfang der 90er-Jahre mit der verheerenden Lösung: „Rückgabe vor Entschädigung“. Bis heute wird der Ausverkauf des Ostens als angeblich selbstgemachte Strukturschwäche kleingeredet. Die Privatisierung kommunaler Aufgaben, wie Krankenhäuser, Wasser- und Abwasserbetriebe, tat ihr Übriges. Natürlich gehören diese Bereiche heute oft Westkonzernen oder internationalen Fonds. Wohnungen mussten privatisiert werden, um Altschuldenhilfe zu bekommen oder kommunale Haushalte zu sanieren. Da hat nur selten ein Ostdeutscher zuschlagen können. ({1}) Mindestens 300 sich im Regionalmarkt Ost selbst tragende Firmen haben ihren Stammsitz im Westen. Die Bodenspekulation westdeutscher und internationaler Investmentfonds auf ostdeutschem Grund und Boden blüht weiterhin ungebrochen. Im „manager magazin“, und zwar sinnigerweise in der Onlineausgabe vom 3. Oktober 2019, wird aufgezählt, dass unter den 25 größten Unternehmen in Ostdeutschland ganze zwei mit ostdeutschem kommunalen Versorgungsauftrag als originär ostdeutsch angesehen werden können, der Rest aber von Konzernzentralen in Westdeutschland oder aus dem Ausland gelenkt wird. „Woran es in den neuen Ländern mangelt, sind große Unternehmen mit strategischen Unternehmensfunktionen, also vor allem mit Forschung und Entwicklung“, heißt es in einer Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Solche Funktionen seien zumeist in Konzernzentralen angesiedelt – „es gibt aber in Ostdeutschland kaum Konzernzentralen“. Beispiele dafür sind die Jenoptik AG, Rotkäppchen-Mumm oder die Lintec AG. Tatsächlich finden sich – so das Blatt weiter - im Ranking ... über die 500 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands ohne Berlin nur 16 aus den fünf Ost-Ländern. ... Sachsen kommt auf acht Einträge. Zum Vergleich: Baden-Württemberg ist ganze 70-mal vertreten. Vor der deutschen Teilung waren beide Länder … gleich stark. Die Linke fordert in ihrer Wirtschaftspolitik seit Langem: ernsthafte Strukturanpassung durch Schaffung von Rahmenbedingungen für eine sich selbst tragende Wertschöpfung, ({2}) Gleichstellung der Löhne, Tarifabschlüsse und Renten, Wiederherstellung einer eigenständigen funktionierenden kommunalen Infrastruktur und vor allem die Gleichbehandlung von Ost und West in der Besetzung von Führungspositionen. ({3}) Stattdessen gehen wieder zwei neu zu gründende Institute nach Geesthacht und Oldenburg, angeblich weil es dafür im Osten keine Basis gibt – sie ist wegrationalisiert worden. ({4}) Die Fraktion Die Linke muss feststellen, dass der Haushalt des Wirtschaftsministeriums bezüglich der Strukturpolitik in den strukturschwachen Regionen enttäuschend ist. Daher werden wir unsere Zustimmung heute nicht geben können. Danke schön. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, Begrifflichkeiten hin und her: Die Diskussion, ob wir von einer Rezession reden sollten oder müssten, will ich gar nicht führen. Aber es ist festzustellen: Die wirtschaftliche Dynamik in unserem Land hat sich abgekühlt. ({0}) Das ist ein Punkt, auf den wir reagieren müssen, den wir zumindest vor Augen haben müssen. Aber das ist nicht die einzige Herausforderung. Die Klimakrise, die marode öffentliche Infrastruktur, schlechte digitale Infrastruktur – das ist alles ein bisschen auf dem Stand von vorgestern. Auf einer solchen Basis wird eine abgekühlte Konjunktur, wird die Wirtschaft nur schwer wieder an Dynamik gewinnen. Deswegen ist es kein Wunder, dass viele Wirtschaftsvertreter – ich zitiere hier den BDI-Chef Dieter Kempf – sagen: Es geht nicht in erster Linie darum, möglicherweise Symptome einer Rezession zu bekämpfen, sondern wir müssen an die Ursachen einer Wachstumsschwäche heran. ({1}) Obwohl Wissenschaft und Wirtschaft, Gewerkschafter oder auch Arbeitgeberverbände an die Regierung ganz klar die Erwartung richten, jetzt endlich auch ihren Beitrag zu leisten, auch mehr zu investieren, stemmen sie sich gemeinsam gegen diese Erkenntnis. Im Rahmen der Beratung Ihres Etats, Herr Altmaier, komme ich auf genau diesen Punkt zurück: Wir brauchen mehr öffentliche Investitionen. Wir Grüne – das will ich hier einmal deutlich sagen – erkennen an, dass die Schuldenbremse in den letzten Jahren viel Vertrauen geschaffen hat. Das soll auch so bleiben; damit Sie uns nicht missverstehen. Aber – man muss ja mal „aber“ als Differenz sagen können –: ({2}) Wenn wir aktuell fragen, ob wir nicht doch Kredite aufnehmen können bzw. sollten, werden wir uns ganz harte Konditionen auferlegen. Das tun wir Grüne auch, indem wir sagen: Wir haben den Schuldenstand von 80 auf 60 Prozent gesenkt. Das ist eine Bedingung, wenn wir im Rahmen der Schuldenbremse Kredite aufnehmen wollen und damit die Chance haben – dazu möchte ich Sie auffordern, Herr Altmaier –, uns für einen überjährigen, mehrjährigen Bundesinvestitionsfonds einzusetzen, der endlich verlässlich in öffentliche Infrastruktur investiert. Das wäre für die wirtschaftliche Belebung unseres Landes wichtig. ({3}) Aber es geht nicht nur ums Geld; es geht übergeordnet auch um Verlässlichkeit. Ein besonders wichtiger Bereich, in dem dies gerade scheitert – das sage ich in Richtung von Herrn Saathoff –, ist aus meiner Sicht die Energiewende. Wir werden in Zukunft mehr Strom brauchen, wenn wir in Deutschland CO2-neutral industriell und wirtschaftlich erfolgreich sein wollen, ob im Bereich Stahl oder Chemie. Wir werden viel Strom brauchen. Das heißt, wir werden viel erneuerbaren Strom brauchen. ({4}) Aber – das sollte uns eine Mahnung sein – die Solarindustrie ist in unserem Land kaputtgegangen. Als dies passierte, waren Sie, Herr Altmaier, schon in ministerieller Verantwortung; das haben Sie erlebt. ({5}) Schauen wir einmal auf die aktuelle Lage der Windkraft: Wir haben einen Einbruch von 80 Prozent beim Ausbau der Windkraft innerhalb von zwei Jahren erlebt. ({6}) Jetzt droht pauschal eine 1 000-Meter-Abstandsregel, die den Ausbau der Windkraft weiter beeinträchtigen wird. ({7}) Damit Sie mich nicht missverstehen: Das ist nicht der einzige Grund, warum die Windkraft Probleme bekommen hat. ({8}) Was die langwierigen Genehmigungsverfahren angeht, sehen wir uns auch selber in der Pflicht. ({9}) Ja, wir sind fähig zur Selbstkritik und fähig, zu überlegen, wo wir was tun können. Jetzt lade ich Sie einmal ein, dasselbe auch zu tun. Das ist aber leider immer eine Enttäuschung. ({10}) Was haben Sie denn jetzt für eine Aufgabe? Da kann ich nur sagen: Es ist verrückt, dass Sie Ansätze für ein beschleunigtes Planungs- und Genehmigungsrecht haben ({11}) und gleichzeitig eine Windausbaubremse mit dieser Abstandsregelung installieren. ({12}) Ich habe die Hoffnung, dass die SPD das verhindert. ({13}) Sie von der SPD haben sich so geäußert. Sie müssen das verhindern. Das wäre für die Windkraft und für die erneuerbaren Energien wichtig. ({14}) Es ist eigentlich ein ganz schlechter Witz, dass Sie im Kohleausstiegsgesetz, bei dem es darum geht, mit Blick auf den Strukturwandel nicht einfach hinzunehmen, dass Arbeitsplätze abgebaut werden, genau diese Abstandsregel unterbringen. ({15}) Da muss man ja die Frage stellen: Sind Ihnen die Arbeitsplätze in der Windenergie nicht genauso wichtig wie die Arbeitsplätze, die in der Kohleregion verloren gehen? ({16}) Wir wollen die Menschen nicht gegeneinander ausspielen. ({17}) Sorgen Sie dafür, dass man nicht denken muss, dass Sie das tun. ({18}) Herr Altmaier hat, was die erneuerbaren Energien angeht, auch eine Verantwortung für diese Industrie. In diesem Sinne kann ich Sie nur an die Verantwortung, die Sie haben, erinnern. Tun Sie etwas gegen den Arbeitsplatzverlust! Das können Sie nicht nur auf die Kohleregion beziehen, sondern das muss sich auch auf eine moderne Energiepolitik beziehen. Wir werden Sie daran messen, und wir werden auch die SPD daran messen, ob die Erneuerbaren eine Zukunft haben. Herzlichen Dank. ({19})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist unser Wirtschaftsminister Peter Altmaier. ({0})

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Ihnen auf dem Tisch liegt ein Haushaltsentwurf, der von allen Haushaltsentwürfen, die ich in meiner Amtszeit und in meiner Zeit als Abgeordneter mit verabschieden durfte, am meisten für Gründungen, Innovationen, Strukturstärkung, für die Wirtschaft, für das Klima und für die Umwelt leistet. Ich möchte mich dafür ganz herzlich bei allen Berichterstattern dieses Parlamentes bedanken, vorneweg natürlich bei Andreas Mattfeldt und bei Thomas Jurk, aber auch bei allen anderen, die dafür gesorgt haben, dass wir Akzente für Gründerinnen und Gründer, für Innovationen, aber auch für den Strukturwandel in den neuen Ländern und im Rheinischen Revier setzen konnten. ({0}) Sehr geehrter Herr Münz, lieber Kollege Theurer, ich habe mir angehört, wie Sie über die Konjunkturlage in Deutschland gesprochen haben. Mit dieser Konjunkturlage ist niemand zufrieden, ganz bestimmt nicht der Bundeswirtschaftsminister. Ich würde mir ein stärkeres Wachstum wünschen, selbstverständlich. Wenn man Ihnen zuhört, hat man das Gefühl, dass Sie es bedauern, dass es durch den Einsatz von vielen kleinen und mittelständischen Unternehmern, von Handwerkerinnen und Handwerkern, von Beschäftigten, von Betriebsräten und vielen anderen möglich war, eine Rezession zu vermeiden – wir haben nicht einmal eine technische Rezession –, weil Sie die Regierung so gerne kritisiert hätten. Sie sollten sich freuen, wenn der Aufschwung in Deutschland weitergeht und Deutschland international gut dasteht. Wer soll denn über Deutschland gut reden, wenn wir es nicht tun, hier auf allen Seiten dieses Hauses. ({1}) Liebe Kollegin Hajduk, ich habe Ihnen gerne zugehört; denn Sie haben gesagt: Wir brauchen mehr Wachstum. – Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie in diesem Punkt für Ihre komplette grüne Bundestagsfraktion reden könnten. Ich habe als Bundeswirtschaftsminister und schon in der Zeit davor sehr viele Podiumsdiskussionen bestreiten müssen, auf denen die Grünenvertreter sagten, Nullwachstum sei besser für das Klima und für die Zukunft des Planeten, und man brauche nicht unbedingt Wachstum. ({2}) Ich würde mir wünschen, dass die gesamte grüne Bundestagsfraktion klarstellt, für alle zusammen, dass auch Sie ein kontinuierliches, ein nachhaltiges und ein deutliches Wachstum in Deutschland in Zukunft für möglich halten. ({3}) Das ist jedenfalls unsere Position als CDU/CSU und als SPD, und dafür werden wir auch in Zukunft arbeiten. ({4}) Sehr geehrter Herr Theurer, ich war schon ein bisschen enttäuscht. Ich verstehe ja, dass die Opposition versucht, Punkte zu machen. Ich bin als Minister geländegängig, und Sie können mir schon mal das eine oder andere an den Kopf werfen. Sie haben behauptet, ich hätte die politischen Systeme der USA und China auf eine Stufe gestellt. Sie können sich das entsprechende Video anschauen. Sie werden dann feststellen: Das habe ich in keiner Weise getan. – Ich habe in den letzten Jahren als Wirtschaftsminister bestimmt 20-mal, auch öffentlich nachvollziehbar, gesagt: Europa und die USA sind eine Wertegemeinschaft; ({5}) bei aller Kritik am Protektionismus. – Als gestern Abend einzelne Zeitungen anderes berichtet haben, habe ich öffentlich klargestellt, dass ich China und die USA, was die politischen Systeme angeht, nicht verglichen habe. Das hätten Sie zur Kenntnis nehmen können. Sie hätten den Bundeswirtschaftsminister – nicht in meinem Interesse, aber im Interesse der transatlantischen Beziehungen – in Schutz nehmen können. So haben Sie versucht, eine falsche Information noch zu verstärken. Das finde ich nicht in Ordnung. Ich hoffe, dass wir das nicht mehr erleben werden. ({6}) Meine Damen und Herren, dass sich die Wirtschaft trotz der Handelskrisen, trotz Protektionismus, trotz der ungelösten Brexit-Probleme und trotz der Abkühlung der Weltkonjunktur in einer starken Verfassung befindet, das verdanken wir auch den Strukturreformen der letzten 20 Jahre. Wenn wir wollen, dass diese Entwicklung weitergeht, dass dieses Erfolgsmodell weitergeht, müssen wir auch heute über Reformen für die Zukunft reden. Wir haben in der Koalition einiges erreicht, zum Beispiel die steuerliche Forschungsförderung, ({7}) gerade für kleine und mittelständische Unternehmen. Wir haben uns zum Klimaschutz auf die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung verständigt. Wir haben uns darauf verständigt, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung deutlich zu senken, und wir haben es bereits getan. Wir setzen jetzt noch einen drauf, um deutlich zu machen: Wir wollen, dass die Sozialversicherungsabgaben unter 40 Prozent bleiben. – Ich habe eine Mittelstandsstrategie vorgelegt. Ich habe mit der Industriestrategie eine Diskussion ausgelöst, weil mir ganz wichtig ist, dass Industriepolitik und Mittelstandspolitik keine Gegensätze sind. Die soziale Marktwirtschaft erfordert, dass wir auf die Bedürfnisse aller Teilnehmer am Wirtschaftsleben, auf die der Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichermaßen, Rücksicht nehmen, damit Marktwirtschaft funktionieren kann. Ich fordere Sie auf, sich an der Debatte zu beteiligen. Auch Ihr Vorsitzender ist doch für Klimaschutz. Die Frage lautet: Wie können wir es erreichen, dass wir unsere ehrgeizigen Klimaziele einhalten, ohne dass wir unsere wirtschaftliche Entwicklung beschädigen und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes reduzieren? ({8}) Das ist doch unser gemeinsames Ziel. Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Wir haben für die Erforschung synthetischer Kraftstoffe, die es möglich machen, Verbrennungsmotoren klimaneutral zu betreiben, weil kein fossiler Treibstoff verbraucht wird, und für die Umrüstung von Flugzeugen auf hybrid-elektrisches Fliegen mit synthetischen Kraftstoffen zum ersten Mal Gelder bereitgestellt. Wir investieren in Forschung. Ich würde mir wünschen, dass Sie das anerkennen. Und von meinen Grünen ({9}) – ich war ja mal Mitglied der schwarz-grünen Pizza-Connection; deshalb dachte ich, ich dürfte das sagen –, von Ihren Grünen würde ich mir wünschen, dass Sie endlich mal den Mut haben, zu sagen: Es geht nicht darum, das Fliegen als solches zu verteufeln, es geht nicht darum, das Autofahren als solches zu verteufeln, es geht nicht einmal darum, den Verbrennungsmotor als solchen zu verteufeln; es geht darum, dass wir Mobilität CO2-frei und klimaneutral möglich machen. – Das verdient unsere Unterstützung und nicht die Ideologie, die von manchen von Ihnen verbreitet wird. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist kein Gegensatz: Wir machen eine Nationale Wasserstoffstrategie, und wir werden dafür sorgen, dass klimaneutraler, grüner Wasserstoff mit deutscher Technologie möglich wird. Aber wir setzen natürlich auch auf Elektromobilität. Herr Theurer, Sie verschweigen in jeder Ihrer Reden – auch Herr Kotré, der sich immer für die Automobilindustrie einsetzt, sagt das nicht –, dass die deutsche Automobilindustrie von Daimler bis VW, von Ford bis Audi und von Opel bis BMW sagt: Es wird nicht möglich sein, die Klimaziele der Europäischen Union in den nächsten Jahren einzuhalten, wenn wir nicht einen bedeutenden Anteil von Fahrzeugen mit Elektroantrieben als alternative Antriebe auf die Straße bringen. – Was spricht denn dagegen, dass wir den Plug-in-Hybrid fördern? ({11}) Was spricht denn dagegen, dass wir die vorhandenen 45 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor ergänzen um neu zugelassene Autos mit Elektroantrieb, damit der Automobilstandort Deutschland auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt? ({12}) Frau Präsidentin, ich glaube, Herr Theurer will eine Zwischenfrage stellen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Dazu ist es inzwischen zu spät, da Sie die Redezeit schon überzogen haben.

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Mein Gott! Liebe Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Präsidentin, ich entschuldige mich ganz nachdrücklich dafür. ({0}) Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Die Unternehmensteuerreform ist angesprochen worden, der Soli ist angesprochen worden. Ich habe diese Vorschläge gemacht. Wenn Sie vielleicht einmal bereit wären, den Bundeswirtschaftsminister dabei zu unterstützen, ({1}) statt denjenigen, der versucht, Entlastungen für die Wirtschaft voranzubringen, immer nur zu kritisieren, dann könnten wir vielleicht das eine oder andere in den nächsten Jahren erreichen. Ich habe Vorschläge für eine souveräne europäische Dateninfrastruktur gemacht. Wir sind dabei, dafür zu sorgen, dass mehr Unternehmensgründungen in Deutschland möglich sind. Das alles zeigt: Man muss den Mut haben, an diesen Standort zu glauben, und man muss Umweltpolitik und Klimaschutz mit Wirtschaftspolitik versöhnen und vereinbaren. ({2}) So können wir dafür sorgen, dass der Aufschwung in Deutschland noch eine ganze Zeit lang weitergeht. Vielen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Enrico Komning für die AfD-Fraktion. ({0})

Enrico Komning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004787, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Schon ein einziger Zahlenvergleich kennzeichnet die Unzulänglichkeit des Teilhaushalts: Die Investitionen sinken, immerhin um 2 Prozent. Dies zeigt den mangelnden Willen der Bundesregierung, sich den aufziehenden schwierigen Zeiten entgegenzustellen. Dass der Wirtschaftshaushalt bei einem Gesamtetat von knapp 360 Milliarden Euro ganze 9 Milliarden Euro ausmacht, ist an sich schon dieses Landes nicht würdig. ({0}) Der Anteil der Investitionen beträgt nicht mal 1 Prozent des Gesamthaushalts. Meine Damen und Herren, der zwischen den USA und China ausgetragene Handelskonflikt darf nicht als Ausrede für die deutsche Wirtschaftsschwäche missbraucht werden. Die eigentlichen Probleme sind nämlich hausgemacht. Für den Mobilfunkausbau tingeln Frau Merkel und Herr Altmaier durch die Lande und durch manches Fernsehstudio, und sie versuchen ahnungs- und konzeptlos, der Nation die vermeintliche Notwendigkeit des Einsatzes von Huawei-Technologie zu erklären. Wir als AfD lehnen Huawei in jeglicher kritischer Infrastruktur in Deutschland entschieden ab. ({1}) – Nein. – Wir brauchen hier eigene Technologien, in diesem Fall auch gerne europäische. Im Wirtschaftshaushalt findet sich hierzu – wie im Übrigen auch schon in der Vergangenheit – nur herzlich wenig. Förderprogramme dienen weiterhin fast ausschließlich dem Fass ohne Boden, das sich „Energiewende“ nennt. Auch in den Mittelstand, das Herz unserer Wirtschaft, wird viel zu wenig investiert. Die gerade erst veröffentlichte sogenannte Mittelstandsstrategie Herrn Altmaiers verspricht zwar viel, gehalten wird ausweislich dieses Haushaltes aber wohl kaum etwas. Der auf den Mittelstand ausgerichtete Weltmarktführerindex von Rödl & Partner zeichnet für den deutschen Mittelstand ein düsteres Bild. Geschäftsführer Professor Christian Rödl bringt es auf den Punkt, wenn er sagt – ich zitiere –: Seit einigen Jahren flößt die Politik der einst starken deutschen Wirtschaft einen Giftcocktail aus künstlich überteuerten Energiepreisen, Bürokratieaufbau und überhöhten Steuern in ihren Blutkreislauf. Wie zutreffend! ({2}) Sie von der Bundesregierung lassen unsere Mittelständler nicht nur im Regen stehen; Sie legen ihnen auch fast jeden Stein in den Weg, den Sie am politischen Wegesrand finden können. Sie wollen fast 152 Millionen Euro für sogenannte Reallabore der Energiewende ausgeben – und das, obwohl ganz Deutschland durch Ihr chaotisches Vorgehen ohnehin bereits ein einziges Reallabor geworden ist. ({3}) Dass diese Geldausgabe hoffnungslos, nutzlos, vollkommen an der Realität vorbei ist, ist für jeden ersichtlich. Sie wissen das, und trotzdem machen Sie das, und zwar in der vergeblichen Hoffnung auf Liebesbezeugungen dekadent großstädtischer Wohlstands-Ökos. Ich sage Ihnen was, liebe Kollegen von der Union: Die Klimasektierer werden sich dem Original, den grünen Hohepriestern, zuwenden; die vernünftigen, rational denkenden Menschen werden den Weg zu uns, zur AfD, finden. ({4}) Sie dagegen, liebe Kollegen von der CDU, werden den Weg der Marginalisierung gehen, genau wie Ihr Koalitionspartner, die SPD. Der Mittelstand bleibt dabei jedoch nachhaltig auf der Strecke. Das ist im Übrigen das Einzige, was an Ihrer Politik tatsächlich nachhaltig ist. ({5}) Wir fordern Sie auf, die für die Energiewende versenkten Haushaltsmittel für die Erforschung und Entwicklung neuer Kernspaltungstechnologien aufzuwenden. ({6}) Schon jetzt werden weltweit neue Kernreaktortypen, wie die der sogenannten Generation IV oder die noch weiterführenden Konzepte der Flüssigkernreaktoren, erforscht und sogar gebaut. ({7}) Das ist eine echte Chance für eine emissionsarme und gefahrlose Grundlastversorgung im gesamten Energiebedarfsspektrum. Aber auch hier drohen wir durch Ihre Politik hoffnungslos zurückzufallen. ({8}) Wir fordern Sie auf, das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand deutlich aufzustocken. Nicht einmal 300 Millionen Euro will die Bundesregierung in diesem für Deutschland geradezu existenziellen Bereich lockermachen. Zum Vergleich: Allein für die berufsbezogene Deutschsprachförderung durch das Bundesamt für Migration gibt die Bundesregierung 365 Millionen Euro aus. ({9}) Das, Herr Minister, sind völlig falsche Prioritäten. ({10}) Meine Damen und Herren, dieser Bundeshaushalt ist der Spiegel einer abgewirtschafteten Bundesregierung. Er verwaltet; er gestaltet nicht. Ideen? Totale Fehlanzeige! Nicht einmal die Korrektur erkannter Fehlentwicklungen der Vergangenheit wird angegangen. So wird Deutschland sicher nicht fit für die Zukunft gemacht. Deswegen lehnen wir den Haushalt ab. ({11}) Vielen Dank. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Thomas Jurk das Wort. ({0})

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein Haushalt bleibt so, wie er eingebracht wurde. Wir haben also zum Einzelplan 09 über 50 Änderungsanträge von der Koalition beraten und beschlossen. Das führt am Ende dazu, dass das Volumen des Haushaltes um 220 Millionen Euro gegenüber dem Entwurf der Ergänzungsvorlage aufgewachsen ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns natürlich den Zukunftsthemen gewidmet. Ich stelle das Thema Digitalisierung ganz nach vorne. Damit Deutschland eben ein wettbewerbsfähiger Industrie- und Produktionsstandort bleibt, werden wir die Digitalisierung in der Wirtschaft weiter vorantreiben. In den Haushaltsberatungen haben wir deshalb zusätzliche Mittel zur Förderung der künstlichen Intelligenz vorgesehen: insgesamt 130 Millionen Euro, die Sie hauptsächlich in der Titelgruppe „Digitale Agenda“ finden können. Aber auch die Verkehrs- und Luftfahrtforschung profitiert von den zusätzlichen Mitteln. Außerdem haben wir für die Umsetzung des Projektes einer europäischen Dateninfrastruktur der nächsten Generation, besser bekannt als „Gaia-X“, mehr als 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Sehr verehrter Herr Bundesminister, jawohl, es ist eine richtige Entscheidung, eine eigenständige europäische Cloud auf den Weg zu bringen, um uns von den Angeboten der Wettbewerber unabhängig zu machen. ({0}) Notwendige Schwerpunkte haben wir erneut auch im Bereich der Raumfahrt gesetzt, indem wir das Nationale Weltraumprogramm mit 11 Millionen Euro zusätzlich ausgestattet haben. ({1}) Mit Blick auf die morgen in Sevilla beginnende ESA-Ministerratskonferenz will ich noch hinzufügen, dass in diesem Bereich sicher auch noch weitere Ausgaben anstehen. Sie wissen, es liegt ja in der Natur solcher Verhandlungen, wenn es um europäische Projekte geht, dass da möglicherweise weitere finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um die entsprechenden Zeichnungen zu gewährleisten. ({2}) Besonders wichtig erscheint mir etwas, was in der Debatte bereits eine kleine Rolle gespielt hat. Um die geplanten Klimaschutzmaßnahmen zu administrieren, also umsetzen zu können, wurden aus dem Energie- und Klimafonds rund 40 MillionenEuro in den Einzelplan des BMWi umgeschichtet. Zur Umsetzung der neuen Aufgabe werden dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, auch bekannt unter „BAFA“, zudem 150 neue Stellen bewilligt. Das BAFA wird nun eine neue Abteilung in der sächsischen Lausitz, sprich: in Weißwasser in der Oberlausitz, errichten. ({3}) Dies wäre nach dem Forschungs- und Entwicklungszentrum der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, das bekanntermaßen in Cottbus Einzug halten soll, der zweite Behördenstandort des BMWi in diesem Haushaltsplan für die Lausitz. Das, glaube ich, ist das richtige Signal an unsere Bergbauregionen, die im Strukturwandel stehen. ({4}) Der Haushaltsausschuss hat in seiner Bereinigungssitzung aber auch einen wichtigen Beschluss zur künftigen Ausgestaltung des gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen gefasst. Es geht dabei darum, wirksame Maßnahmen zur Unterstützung von Mittelstand und Handwerk in den betroffenen Regionen zu ergreifen. Der Beschluss sieht nämlich vor, dass ab dem Jahr 2020 die Förderpräferenzen zugunsten strukturschwacher Regionen im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand – Sie kennen es alle als „ZIM“ – und im neuen Investitionszuschussprogramm Digitaler Mittelstand von 5 auf 10 Prozent verdoppelt werden. Dabei handelt es sich um die beiden bedeutendsten Förderprogramme des Wirtschaftsministeriums, bei denen regional unterschiedliche Fördersätze angewendet werden. Außerdem wurde für das Förderprogramm EXIST festgelegt, dass künftig 45 Prozent der Mittel in strukturschwache Regionen fließen. Damit liegt die Förderintensität hier rund 30 Prozent über der Förderintensität anderer Regionen. Dieses Verhältnis soll zudem dauerhaft beibehalten werden. ({5}) Die Mittel für EXIST wurden übrigens während der Haushaltsplanberatungen von 80 auf 105 Millionen Euro angehoben. Das heißt, es soll eben keine Verlierer in den Regionen geben, die künftig nicht in der Höhe gefördert werden wie zukünftig die Regionen, die aufgrund ihrer Strukturschwäche besonders privilegiert werden sollen. ({6}) Der Beschluss sieht zudem vor, nach Prüfung weitere geeignete Förderprogramme des Bundes mit wirksamen Förderpräferenzen auszustatten bzw. einen überproportionalen Mitteleinsatz zugunsten strukturschwacher Regionen sicherzustellen. Zudem – das ist mir auch wichtig – soll die Verteilungswirkung der neuen steuerlichen Forschungsförderung untersucht werden, um daraus Schlüsse für die weitere Ausgestaltung des gesamtdeutschen Fördersystems zu ziehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Beschluss des Haushaltsausschusses geht damit deutlich über die Vorschläge der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ und die Entscheidung des Bundeskabinetts dazu hinaus. Er ist deshalb in meinen Augen ein Meilenstein für die wirtschaftliche Förderung strukturschwacher Regionen, der Maßstäbe setzt. Nach dieser Debatte sage ich Ihnen ganz ehrlich: Dabei geht es mir auch darum, die Debatte nicht auf das Klein-Klein einer Ost-West-Diskussion zu reduzieren, sondern deutlich zu machen: Wir haben in ganz Deutschland strukturschwache Räume, die es verdient haben, durch unsere Unterstützung nach vorne zu kommen. ({7}) Da hilft es nicht, nach irgendwelchen Himmelsrichtungen zu diskutieren, sondern wir müssen die Bedürftigkeiten in den Blick nehmen. Das ist, glaube ich, der richtige Ansatz von Politik. Herzlichen Dank an alle, die mitgewirkt haben: Andreas Mattfeldt, Eckhardt Rehberg und Johannes Kahrs. Das war eine gute Entscheidung. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Karsten Klein für die FDP-Fraktion. ({0})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, auch ich will mit einem Dank an Ihr Haus für die Unterstützung bei den Haushaltsberatungen, bei der Beantwortung von Fragen und bei der Kommunikation beginnen. Ich möchte mich natürlich auch bei dem Hauptberichterstatter bedanken. Lieber Andreas Mattfeldt, vielen Dank für deine gute Organisation! ({0}) – Endlich klatscht die Union auch mal bei einem FDP-Abgeordneten. ({1}) Ich bedanke mich natürlich auch bei den Kolleginnen und Kollegen Mitberichterstattern. ({2}) Aber, lieber Kollege Mattfeldt, ich muss gleich an einer Stelle die Hoffnung einschränken: Wir werden dem Einzelplan natürlich nicht zustimmen. ({3}) Wenn ich die Brille absetzen würde, lieber Herr Kollege, dann wäre mein Blick unscharf, und dann könnte das vielleicht passieren. Deshalb lasse ich die Brille lieber auf. ({4}) Ich muss auch sagen: Der Haushalt, der von der Regierung eingebracht worden ist, ist im Haushaltsverfahren nicht besser geworden. ({5}) Denn von den Steigerungen, die der Kollege Jurk angesprochen hat, sind allein 200 Millionen Euro für Risikoabschätzung bei der Ausfuhrkontrolle. Ich glaube nicht, dass das eine Zukunftsbeschreibung für die Bundesrepublik Deutschland ist. ({6}) Sehr geehrter Herr Minister, das Weltwirtschaftsforum hat festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland bei der Wettbewerbsfähigkeit von Platz drei auf Platz sieben abgestürzt ist. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist mehr als schwierig, und die Industrie befindet sich in der Rezession. Sehr geehrter Herr Altmaier, das ist nicht die Beschreibung der FDP-Fraktion, sondern der Wirtschaftsweisen. Ich empfehle Ihnen nicht nur an dieser Stelle, sondern wie schon des Öfteren die Lektüre der Expertise dieser Personen. ({7}) Es ist auch mitnichten so, dass wir uns über diese Entwicklung freuen. Vielmehr mahnen wir endlich mal Handeln von Ihnen an. Da reicht es auch nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie auf einem Bundesparteitag zum zigsten Mal die Abschaffung des Solidaritätszuschlages einfordern. Herr Minister, Sie hätten eines tun können: Ihre Fraktion davon zu überzeugen, den Änderungsanträgen der Freien Demokraten zuzustimmen. Denn wir haben die Soliabschaffung gegenfinanziert. ({8}) Während Sie immer über Handeln reden, handeln wir. Wir reden nicht, sondern wir stellen die entsprechenden Anträge. Aber wie sieht es denn in Deutschland aus? Wir haben immer noch die höchsten Belastungen weltweit und vor allem in Europa, und Sie bringen es nicht mal fertig, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, was verfassungsmäßig und wegen der politischen Glaubwürdigkeit geboten ist. ({9}) Sie bringen es nicht mal fertig, diese kleine Abschaffung auf den Weg zu bringen. Aber noch schlimmer: In den letzten Wochen haben Sie in der Koalition einen Beschluss auf den Weg gebracht zur Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. ({10}) Ich möchte daran erinnern: Die Union hat versprochen, dass es die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung nicht geben wird. ({11}) Aber jetzt belasten Sie die Bürgerinnen und Bürger mit bis zu 1,5 Milliarden Euro. Wieder Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger! Auch beim Klimapaket belasten Sie über die CO2-Steuer die Bürgerinnen und Bürger: in Höhe von 13 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren. Ich möchte an der Stelle noch mal festhalten: Bei all dem, was Sie reden – Ihr Handeln führt nicht zu mehr Wettbewerbsfähigkeit in diesem Land, Herr Minister, sondern dazu, dass das Wohlstandsversprechen der sozialen Marktwirtschaft immer weniger eingehalten werden kann. ({12}) Man muss auch mal darüber sprechen, wie sich diese Bundesregierung zu den Leitplanken der sozialen Marktwirtschaft verhält. Da lohnt ein Blick auf Ihr Strukturgesetz. Wie sieht es denn da mit der Bedürftigkeitsprüfung aus? Sie haben dort eine Evaluation eingebaut, die überhaupt nicht bei dem Begriff der Bedürftigkeit ansetzt. Sie verstoßen auch noch gegen einen zweiten Begriff der sozialen Marktwirtschaft, nämlich gegen den der Bedarfsabdeckung. Erst haben Sie nur 500 Millionen Euro im Haushalt eingeplant – den Antrag haben Sie schnell wieder kassiert –; dann haben Sie 1 Milliarde Euro veranschlagt. Aber das ist ja nicht mal die Hälfte von dem, Herr Minister, was Sie im Eckpunktepapier zu Ihrem Strukturgesetz den Bürgerinnen und Bürgern versprochen haben. Da fehlt ja über 1 Milliarde Euro in jedem Haushalt. Dann möchte ich darauf hinweisen, dass Sie zwar den Strukturwandel bei der Braunkohle adressieren, dass Sie ihn aber in anderen Bereichen wie der Automobilindustrie vernachlässigen: bei Conti Stellenstreichungen, bei Bosch Umstrukturierungen. Audi hat heute mitgeteilt, dass man über 9 000 Stellen streichen will. Wir werden die Standortfragen auch im Hinblick auf neue Stellen nur dann positiv beantworten, wenn wir wieder aktive Standortpolitik betreiben. ({13}) Deshalb darf ich Sie noch mal auffordern: Werden Sie endlich im Bereich der Digitalisierung aktiv! Ich darf an dieser Stelle noch mal darauf hinweisen: Noch vor wenigen Wochen hat hier ein Kollege von Ihnen gesagt, das Thema Digitalisierungsministerium sei ein Thema mit langem Bart. Aber dieses Land kann nicht ständig darauf warten, dass ein Thema einen langen Bart hat, damit Sie endlich einen Beschluss zu diesem Thema fassen. ({14}) Bringen Sie Digitalisierung nach vorne! Senken Sie die Strompreise! Die Unternehmensteuerreform hat der Kollege Theurer angesprochen. Aber sorgen Sie vor allem dafür, dass sich wieder die besten Lösungen auf dem Markt durchsetzen können, und da sind Sie mit Ihrer Industriestrategie einfach auf dem Holzweg. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gäbe noch sehr viel zu sagen. Dafür bräuchte ich sehr viel Zeit, weil – –

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Klein, diese Zeit bleibt Ihnen jetzt aber nicht mehr.

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das weiß ich; deshalb bin ich ja schon am Landen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie müssen jetzt einen Punkt setzen.

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Zeit reicht nicht aus, um jeden Punkt dieses Haushaltes wirklich kritisch zu beleuchten. Aber ich glaube, der kleine Eindruck, den ich vermittelt habe, hat schon gezeigt, Herr Minister, dass Sie an der sozialen Marktwirtschaft vorbeisegeln. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Thomas Lutze das Wort. ({0})

Thomas Lutze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004103, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Wirtschaftsminister Altmaier, da draußen haben nicht nur die Beschäftigten der Landwirtschaft Angst um ihre Zukunft; auch in der klassischen Industrie sind offenbar die goldenen Zeiten vorbei. Immer mehr Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie, bei Eisen und Stahl, aber gerade auch in der Automobilbranche bauen Arbeitsplätze ab. In der Regel sind dies keine prekären Beschäftigungsverhältnisse oder Jobs im Niedriglohnbereich; es sind tarifgebundene Arbeitsplätze. Ich kann nicht erkennen, dass die Bundesregierung alles in ihrer Macht Stehende unternimmt, um gleichzeitig diese Jobs zu erhalten und die dringend notwendigen klimapolitischen Ziele umzusetzen. Beides geht aber nur gemeinsam, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Seit Jahren halten Sie an der sogenannten schwarzen Null fest. Der Wille, keine neuen Schulden zu machen, lässt Sie volkswirtschaftlich komplett erblinden. Heute ist das Zinsniveau im Null-Komma-Bereich. Jeder normale Politiker würde jetzt billiges Geld ausleihen und es in die Wirtschaft, in die Bildung und in die Infrastruktur investieren. Wenn Sie schon nicht auf uns hören, dann hören Sie wenigstens auf den BDI, auf den Bundesverband der Deutschen Industrie, der 450 Milliarden Euro für Investitionen einfordert – vollkommen zu Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Lieber Kollege Altmaier, ich hatte vor drei, vier Wochen die Gelegenheit, eines unserer saarländischen Kohlekraftwerke, das in Fürstenhausen, zu besuchen. Die Leute von der STEAG wollen dort etwas aufbauen, was sich „Energie aus Wasserstoff“ nennt. Damit können sie aber zurzeit noch kein Geld verdienen. Sie stellen Anträge in Ihrem Haus, und sie werden auch gut beraten – zweifellos. Aber Grundlagenforschung und der Markteintritt sowie der Aufbau der Infrastruktur bringen selten Gewinne und müssen daher unter Umständen zu 100 Prozent förderfähig sein. Warum passiert das, ganz anders als in China, in Südkorea, in den USA oder in Japan, nicht bei uns, liebe Kolleginnen und Kollegen? ({2}) Anstatt zum Beispiel den Kauf von Batterieautos mit bis zu 6 000 Euro zu bezuschussen, müssten diese finanziellen Mittel – andere natürlich auch – in zwei Bereiche gehen: erstens konsequent in Forschung und Entwicklung und zweitens in Beschäftigungsgarantien für die Industriearbeiter. ({3}) Für jeden Arbeitsplatz, der beispielsweise in der Automobilbranche in Gefahr ist, muss ein neuer Arbeitsplatz entstehen. Fördermittel müssen an konkrete Beschäftigungszusagen gebunden werden. Konkrete Weiterbildungs- und Schulungsangebote müssen den Beschäftigten eine nahtlose Weiterbeschäftigung ermöglichen. Eines muss aber auch festgehalten werden: Es gibt auch zahlreiche Unternehmen und einige große Konzerne, die die aktuelle Klimadebatte benutzen, um vorhandene Arbeitsplätze ganz nebenbei wegzurationalisieren. Nicht selten sind es Unternehmen und Konzerne, die ordentliche Gewinne machen und gleichzeitig Stellen abbauen. Audi hat gerade heute die Nachricht verbreitet: 7 500 Stellen gehen flöten. – Dieses Trittbrettfahren zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat mit sozialer Marktwirtschaft gar nichts mehr zu tun. ({4}) Nur leider höre ich von Ihnen, lieber Wirtschaftsminister Peter Altmaier, kein einziges Wort dazu, geschweige denn ein richtiges Machtwort. Und weil es heute auch in die Haushaltsdebatte gehört: Dass ausgerechnet die VVN – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e. V. die Gemeinnützigkeit entzogen bekommt, ist einer der größten politischen Fehltritte seit 1945. Vielen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr. Julia Verlinden für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Letzte Sitzungswoche hat die GroKo ihr Klimaschutzgesetz verabschiedet, und Sie haben uns versprochen, dass Sie damit sicherstellen, die Ziele einzuhalten. Jetzt zeigt sich, wie wenig ernst Sie es damit eigentlich meinen. Um überhaupt auch nur den Hauch einer Chance zu haben, die Klimaziele im Jahr 2030 zu schaffen, kommt es auf den Gebäudesektor an; das wissen wir alle. Und um dort die langen Investitionszyklen rechtzeitig in Richtung Klimaschutz zu orientieren, müssen jetzt die richtigen Weichen gestellt werden. Ein Steuerbonus für Gebäudesanierung ist ja grundsätzlich ein gutes Instrument. ({0}) Aber warum sorgen Sie dann nicht dafür, dass wirklich jeder Euro steuerliche Förderung auch konsequent in Klimaschutz und echte Zukunftstechnologien fließt? Die Bundesregierung lässt mit ihrem Vorschlag für den Steuerbonus die bewährte Qualitätssicherung durch zertifizierte Energieberaterinnen unter den Tisch fallen. Diese ist nicht nur entscheidend für die Klimawirksamkeit der Maßnahmen; sie schützt auch die Verbraucher. Denn nur mit dieser Qualitätssicherung ist sichergestellt, dass Hausbesitzerinnen auch das bekommen, wofür sie bezahlt haben. ({1}) Die Bundesregierung sagt, das sei ihr völlig egal; sie achte nicht darauf, ob eine energetische Maßnahme auch wirklich zum Gebäude passt. Gefördert wird trotzdem. Auch beim Umstieg auf erneuerbare Wärme bleiben Sie auf halber Strecke stehen. Sie wollen weiter Gasheizungen fördern, sofern sie „Renewable Ready“ sind, das heißt, dass innerhalb von zwei Jahren ein Anteil erneuerbarer Energien nachgerüstet werden soll. Das wiederum haben dann die Steuerbehörden zu überprüfen. Jetzt mal im Ernst: Es ist richtig und wichtig, erneuerbare Energien im Wärmesektor zu fördern; denn sie sind zukunftsfähig. Aber eine fossile Technik, die seit zig Jahren dieselbe ist, braucht doch nun wirklich keine Subventionen mehr. ({2}) Nur mit grüner Wärme erreichen wir einen klimaneutralen Gebäudebestand. Aber Sie fördern – auch über die KfW – weiter munter Klimakiller mit Steuergeldern. ({3}) Machen Sie endlich Schluss mit dieser desaströsen Haushaltspolitik, und beenden Sie endlich alle Subventionen für Kohle, Öl und Erdgas! ({4}) Kurzfristig den größten Beitrag für den Klimaschutz kann und sollte der Stromsektor bringen. Auch dazu müsste die Bundesregierung endlich mal Kohlekraftwerke abschalten. ({5}) Seit einem Dreivierteljahr liegen jetzt die Vorschläge der Kohlekommission auf dem Tisch; aber wann das erste Kraftwerk vom Netz geht, steht in den Sternen. Was Wirtschaftsminister Altmaier der Bevölkerung nun präsentiert, das übersteigt echt alles. Erstens. Sie machen den Kohlekonzernen nur ein freundliches Angebot, ihre Kraftwerke in die Ausschreibung für Stilllegungsprämien zu schicken. Und falls das nicht klappt, falls zu wenig Angebote gemacht werden, was passiert dann? Nichts! Jegliches Ordnungsrecht fehlt. So wollen Sie den Kohleausstieg bis weit in die nächste Wahlperiode verschieben. Das ist einfach nur verantwortungslos. ({6}) Zweitens. Und wenn dann doch mal ein Kohlekraftwerk vom Netz gehen sollte, dann bringt das nicht mal notwendigerweise etwas für den Klimaschutz. Denn Sie stellen überhaupt nicht sicher, dass die CO2-Zertifikate für stillgelegte Kraftwerke aus dem Emissionshandel herausgenommen werden. Damit kann dann dieselbe Menge CO2 munter an anderer Stelle in die Luft geblasen werden. Eine echte Luftnummer, Ihr Gesetz! ({7}) Drittens. Da Sie weiter mit beiden Beinen fest in der fossilen Vergangenheit stehen, planen Sie auch noch üppige Prämien und Förderungen für neue Erdgaskraftwerke. Nicht nur, dass Sie den Kohleausstieg verschleppen, nicht nur, dass er für die Treibhausgasminderung womöglich unwirksam sein wird, Sie treten gleichzeitig den erneuerbaren Energien die Beine weg mit Ihrer 1-Kilometer-Sperrzone für Windenergie. Das, was Sie planen, ist kein Kohleausstiegsgesetz, das ist ein Windenergieausstiegsgesetz. Nur um einige Anti-Energiewende-Abgeordnete in der Unionsfraktion ruhigzustellen, liefern Sie eine Zukunftsbranche mit 135 000 Arbeitsplätzen ans Messer, Herr Altmaier. ({8}) Anstatt den Standort für Zukunftstechnologien in Deutschland zu riskieren, klären Sie in Ihrer CDU doch lieber mal ganz konkret die Position zum Ziel von 65 Prozent Erneuerbaren; denn was gewisse Kollegen – Herr Pfeiffer, Herr Koeppen usw. – hier veranstalten, ist ein fataler industriepolitischer Fehler. ({9}) Sie haben es ja inzwischen sogar schwarz auf weiß vom BDI, vom BDEW, vom VKU und vom VDMA: Diese Abstandsregelungen bringen nichts für die Energiewende. ({10}) Sie sind ein Fetisch für einen kleinen Teil der Union. Sofern Ihnen, Herr Altmaier, und Ihnen bei der SPD noch irgendetwas an Ihrem eigenen Ziel liegt, -

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin Verlinden, achten Sie bitte auf die Zeit.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

– die Kapazitäten der Erneuerbaren zu erhöhen statt zu senken, dann gehören diese pauschalen Windverbotszonen komplett aus dem Gesetz gestrichen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte heute ist ja ganz interessant. Keine der Fraktionen, nicht mal die Opposition, hat sich heute Abend beklagt, dass zu wenig Geld im Einzelplan 09 des Bundeshaushaltes stehe. Das ist auch kein Wunder; denn mit 362 Milliarden Euro verabschieden wir in dieser Woche den größten jemals veranschlagten Haushalt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren. ({0}) Die Einnahmen des Staates kommen ja fast ausschließlich aus Steuern. Dass wir so viel Geld ausgeben können, hängt also immer direkt und indirekt mit der Wirtschaft zusammen; ({1}) denn Steuern werden nur durch erfolgreiche Unternehmen generiert und durch Arbeitnehmer, die an diesem Erfolg teilhaben und sich so etwas kaufen können, zum Beispiel Sekt kaufen können, ein Auto kaufen können, dann Auto fahren und tanken. Es ist eindeutig: Die gute Wirtschaftslage ermöglicht uns, hier einen solchen Haushalt zu verabschieden. Meine Damen und Herren, die Aufgabe der Politik ist es auf der einen Seite, das Geld auszugeben, auf der anderen Seite aber vor allem, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Unternehmen ihr Unternehmertun auch wirklich leben können. Ich glaube, hier bietet sich neben dem Geldausgeben ein wichtiges Feld für weitere Aktivitäten. Wir brauchen eben Bürokratieentlastungsgesetze jedes Jahr. Wir brauchen das vierte Bürokratieentlastungsgesetz in diesem Jahr, das fünfte nächstes Jahr, das sechste, siebte, achte, neunte, zehnte in den folgenden Jahren; denn die Bürokratie – das besagen alle Umfragen bei Unternehmen – ist das, was die Unternehmen in unserem Lande als die größte Hürde empfinden. ({2}) Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat ja seine Mittelstandsstrategie vorgelegt. Diese Mittelstandsstrategie umfasst eigentlich fast alles, was der Mittelstand heute so braucht. Herr Minister, wir müssen diese Mittelstandsstrategie jetzt Stück für Stück, Punkt für Punkt abarbeiten. Meine Damen und Herren, der Einzelplan 09, den wir heute beschließen wollen, setzt genau die Impulse, die wir brauchen. Er setzt nämlich auf der einen Seite auf Investitionen und auf der anderen Seite auf Unterstützung von Forschung und Technologie. Stichwort „Investitionen“ – das ist noch einmal ganz interessant –: In diesem Bundeshaushalt stehen staatliche Investitionen in Höhe von 43 Milliarden Euro. Staatliche Investitionen, also öffentliche Aufträge, leisten ja auch wieder einen Beitrag zur weiteren Entwicklung der Wirtschaft. Im Prinzip wirkt dieser Haushalt also doppelt positiv für die Entwicklung in unserem Land. Meine Damen und Herren, es sind nur 2,54 Prozent der Gesamtausgaben, die der Einzelplan 09 ausmacht. Das ist eigentlich relativ wenig. Wenn man aber sieht, was wir mit dem wenigen Geld – im Vergleich zum Beispiel zu den Ausgaben im Sozialbereich –, schultern, ist das schon sehr effizient, was im Wirtschaftsministerium gemacht wird. Auf einen Punkt möchte ich noch zu sprechen kommen, weil hier eine Menge Märchen erzählt worden sind. Er betrifft das Thema „Strukturwandel und Klimapolitik“. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und auch von der SPD, es ist ja ein Witz der Geschichte, dass Sie sich hier hinstellen und die 1 000-Meter-Abstandsregel kritisieren. Erst im zuletzt geschlossenen Koalitionsvertrag in Brandenburg haben beide, die SPD und die Grünen, die Einführung von 1 000-Meter-Abstandsflächen für die Windenergie unterschrieben, meine Damen und Herren. ({3}) Dann können Sie sich doch nicht hier hinstellen und sagen: Das ist des Teufels. – Man muss doch noch mal ganz klar sagen, ({4}) dass Sie hier völlig unredlich Dinge verdrehen und falsch darstellen. Meine Damen und Herren, um noch mal zurückzukommen auf den Einzelplan 09. Das Thema „Strukturwandel/Strukturpolitik“, wurde ja mehrfach angesprochen. Ich möchte hier auch noch mal klar sagen, Frau Verlinden, weil Sie gesagt haben, kein Kohlekraftwerk werde abgeschaltet: Sie kennen doch den Spruch des Ministers und auch der Bundeskanzlerin: erst Strukturwandel, dann abschalten. ({5}) Und Sie kennen doch den Bericht der sogenannten Kohlekommission. Da ist das Abschalten von Kraftwerken bis 2038 festgelegt, und keinen Tag eher. ({6}) Genau das werden wir so umsetzen. Der Einzelplan 09 setzt, bevor das Strukturstärkungsgesetz überhaupt da ist, schon erste Zeichen. Zum Ersten sind die Soforthilfen im Haushalt veranschlagt, in verschiedenen Einzelhaushalten weitere Hilfen. Zum Zweiten sind die Strukturhilfen nun auf ein Maß erhöht worden – auf 1 Milliarde Euro –, dass man jetzt wirklich anfangen kann. Trotzdem – das muss ich hier noch mal deutlich sagen – befriedigt uns die ganze Veranschlagung der Ergebnisse der Kohlekommission noch nicht. Hieran müssen wir in den nächsten Jahren ganz klar weiterarbeiten. Ich nenne nur mal das Thema Sondervermögen. Was beim Klimafonds geht, muss auch beim Strukturstärkungsgesetz, beim Kohleausstieg gehen, meine Damen und Herren. Wir brauchen also diese Sondervermögen, um die Lasten des Strukturwandels zu schultern. Unsere Parteivorsitzende hat ja in Leipzig auf unserem erfolgreichen Parteitag gesagt: ({7}) Was bei dem Steinkohleausstieg im Westen galt, das muss jetzt auch beim Braunkohleausstieg im Osten gelten. – Genau das sind die Prämissen, die wir auch in den nächsten Jahren bei den Haushaltsverhandlungen einfordern werden. Herzlichen Dank fürs Zuhören. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Falko Mohrs für die SPD-Fraktion. ({0})

Falko Mohrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004824, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielleicht noch mal ein paar Dinge zu meinen Vorrednerinnen und Vorrednern. Denn wenn man so manchem zuhört, bekommt man ja den Eindruck, als ob hier ein Haushalt vorgelegt worden wäre, der völlig rückwärtsgewandt ist. ({0}) Jetzt werden Sie sagen: Na klar, das wollten wir damit ja auch sagen. Nehmen Sie vielleicht einfach mal zur Kenntnis, Herr Klein – ich erinnere Sie gleich an noch etwas –, dass wir einen Haushalt vorgelegt haben, der mit 42,9 Milliarden Euro die höchsten Investitionen vorsieht, die jemals ein Bundeshaushalt vorgesehen hat. ({1}) Damit schrauben wir die Investitionsquote auf über 11 Prozent – auf fast 12 Prozent – nach oben. Das, meine Damen und Herren, ist wirklich zukunftsgerichtete Investitionspolitik, weil wir auch langfristig sicherstellen, dass die Kapazitäten beispielsweise im Baugewerbe dank entsprechender Verlässlichkeit aufgebaut und auch entsprechend umgesetzt werden können. Und Herr Klein, Herr Kollege von der FDP, was mich dann doch ein bisschen wundert, ist: Sie kritisieren die Bedürftigkeitsprüfung, die bei der Grundrente ja zum Glück nicht kommt, hier so hart und sagen, dass das Geld überhaupt nicht zur Verfügung stünde – wir reden dabei über 1,5 bis 2 Milliarden Euro –, wollen aber gleichzeitig den Soli komplett abschaffen, und zwar offensichtlich ohne Bedürftigkeitsprüfung; ({2}) denn da ist es Ihnen völlig egal, dass wir gesagt haben: ({3}) Die oberen 10 Prozent sollen anteilig oder komplett den Soli weiterzahlen. – Darauf sagen Sie: Die 10 Milliarden Euro hätten wir. – Das, meine Damen und Herren, ist die falsche Prioritätensetzung bei der Bedürftigkeitsprüfung. ({4}) Der Haushalt, der hier im Wirtschaftsbereich vorgelegt wurde, setzt aus unserer Sicht noch einen richtigen und wichtigen Schwerpunkt, nämlich bei der Frage des Strukturwandels. Ich sage das als jemand, der aus einer Region kommt – Landkreis Helmstedt, ehemaliges Zonenrandgebiet, Kohleausstieg –, in der wir wirklich in einem harten Strukturwandel stecken. Es ist gut, dass wir durch das Strukturstärkungsgesetz erkämpft haben, dass wir 90 Millionen Euro zur Bewältigung des Strukturwandels für diesen Landkreis bekommen. Das ist nämlich die Grundlage, um am Ende eine konsequente und erfolgreiche Energiewende zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort umzusetzen. Und das, meine Damen und Herren, ist eine richtige Schwerpunktsetzung. ({5}) Genauso ist es richtig – mein Kollege Thomas Jurk hat es deutlich gemacht –, dass wir in der Förderung von Innovationen im Mittelstand und bei der regionalen Wirtschaftsförderung ganz explizit den Schwerpunkt auf strukturschwache Regionen legen. Ich wiederhole das gerne noch einmal, weil es hier ganz offensichtlich von einigen Vorrednerinnen und Vorrednern ignoriert wurde: Wir haben den Anteil im Bereich des Förderprogramms EXIST, also für Existenzgründer, insbesondere aus der Hochschule, für strukturschwache Regionen ganz deutlich erhöht. Wir haben die GRW-Mittel auf 600 Millionen Euro pro Jahr angehoben. Eine kleine Erinnerung an die Kolleginnen und Kollegen der FDP: In der Debatte zum letzten Haushalt wollten Sie diese noch drastisch kürzen. Ich sage, das wäre die völlig falsche Methode gewesen. Es ist wichtig, dass wir in dem jetzigen Haushalt diese 600 Millionen Euro für die regionale Wirtschaftsförderung zur Verfügung stellen. ({6}) Meine Damen und Herren, wir haben eine weitere wichtige Aufgabe vor uns: die Transformation in der Automobilindustrie. Gerade heute, wo uns von Audi noch einmal vor Augen geführt wurde, unter welchem Stresstest die Autoindustrie eigentlich steht, ist es richtig und wichtig, dass wir beispielsweise im Rahmen des Energie- und Klimafonds 454 Millionen Euro in die Hand nehmen, um den Strukturwandel durch einen Infrastrukturausbau in der Elektromobilität zu stärken. Kollegen von der AfD, ich erinnere Sie daran, dass Sie im Wirtschaftsausschuss Anträge vorgelegt haben und diese Fördermittel in Höhe von 454 Millionen Euro, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dringend brauchen, streichen wollten. Das haben Sie beantragt. ({7}) Ich glaube, das muss man hier in aller Deutlichkeit auch sagen: Sie lassen die Kolleginnen und Kollegen in der Automobilindustrie völlig im Stich. ({8}) Eine weitere wichtige Aufgabe, die vor uns liegt, ist der Infrastrukturausbau im Digitalbereich; darüber haben wir bei den Beratungen zum letzten Haushalt sehr ausführlich gesprochen. Herr Lämmel, es liegt mir fern, Ihren Parteitag in der Summe zu bewerten, ({9}) mir liegt es auch fern, irgendwelche Beschlüsse Ihres Parteitags zu interpretieren oder zwischen Herrn Röttgen oder Herrn Altmaier zu vermitteln. Ich sage aber sehr deutlich, dass beim Infrastrukturausbau von 5G alleine der Versuch, technische Sicherheiten einzubauen, nicht ausreichen wird. Dabei geht es nicht um einzelne Länder oder Hersteller, sondern es geht darum, dass wichtige zukünftige digitale Infrastruktur in Deutschland auf Vertrauen gebaut sein muss. Das, meine Damen und Herren, ist uns als SPD wichtig. Hierfür werden wir, Herr Altmaier – ich hoffe, wir haben Sie da an unserer Seite –, gemeinsam kämpfen. In diesem Sinne: Alles Gute und Glück auf! ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Paul Lehrieder das Wort. ({0})

Paul Lehrieder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir kommen nun gegen Ende der Debatte über den Etat des Wirtschaftsministeriums zu einem der Höhepunkte, nämlich zur Beratung der Titel im Tourismusbereich. ({0}) Ich freue mich, dass die Touristiker aus unserer Fraktion vollzählig anwesend sind, vom Koalitionspartner sehe ich auch zwei Kollegen, sogar von der FDP ist der Kollege Klinge da. Die Tourismuswirtschaft in Deutschland ist ein oft unterschätzter Wirtschaftsfaktor und eine langfristige Wachstumsbranche. Wir verzeichnen in Deutschland seit Jahren Rekorde bei den Gästeübernachtungen; 2018 waren es 477 Millionen. Weltweit steht Deutschland als Reiseziel auf Platz 8. In der deutschen Tourismuswirtschaft – deshalb führen wir das auch mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein aus – arbeiten fast 3 Millionen Beschäftigte, was einem Anteil von 6,8 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland entspricht. Diese Arbeitsplätze sind an den Standort Deutschland gebunden und nicht exportierbar. Als personalintensive Dienstleistungsbranche bietet der Tourismus große Chancen für die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie gute Einstiegs- und Aufstiegschancen auch für geringqualifizierte Arbeitskräfte. Damit leistet die Branche auch einen wichtigen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen und Migranten, die hier, besonders im Gastgewerbe, bereits vielfach Ausbildungs- und Arbeitsplätze gefunden haben. Vor allem für ländliche Räume ist der Tourismus oft ein Motor der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der erhebliche zusätzliche Kaufkraft in Dörfer und Gemeinden bringt. Tourismus trägt zur Sicherung der kommunalen und regionalen Infrastruktur bei und hat große positive Effekte in nachgelagerten Bereichen wie Verkehr, Einzelhandel, Handwerk, Gesundheit und Kultur. ({1}) Der Tourismus gibt darüber hinaus wichtige wirtschaftliche Impulse auch für Schwellen- und Entwicklungsländer; auch darauf sollte man hinweisen. Mit jährlich mehr als 11 Millionen Reisen in Entwicklungs- und Schwellenländer sorgen deutsche Touristen im Ausland für 740 000 Arbeitsplätze und damit eben auch für Bleibeeffekte bei Arbeitskräften in diesen Regionen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will im Rahmen der gegenwärtigen Erarbeitung der nationalen Tourismusstrategie die Chancen der Branche noch besser ausschöpfen und die positiven Effekte weiter stärken. Hier gebührt unser Dank insbesondere Herrn Thomas Bareiß, dem Tourismusbeauftragten der Bundesregierung. ({2}) – Herr Kollege Klinge, stellen Sie eine Frage, dann habe ich mehr Zeit. Im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums haben wir es in den letzten Jahren geschafft, die Mittel zur Förderung der deutschen Tourismuswirtschaft kontinuierlich anzuheben. Auch 2020 ist eine nochmalige Steigerung vorgesehen. Herzlichen Dank, Herr Kollege Mattfeldt, für die Unterstützung unserer Belange in diesem Bereich. ({3}) – Und Herrn Jurk, es geht natürlich auch ein Dank an Sie. ({4}) Dabei geht es noch nicht einmal um vergleichsweise besonders hohe Summen. Der Schwerpunkt liegt auf der Unterstützung der Auslandsvermarktung Deutschlands als Tourismusstandort durch die Deutsche Zentrale für Tourismus, kurz DZT. Diese wichtige Aufgabe fördert der Bund pro Jahr mit 34,5 Millionen Euro. Materielle Unterstützung ist das eine, aber auch ideell wollen wir als Tourismusland natürlich weltoffen, tolerant und gastfreundlich sein. Das geht als Appell insbesondere an den rechten Flügel dieses Hauses. Aus eigener Kraft würde die mittelständisch geprägte Tourismuswirtschaft es sonst kaum schaffen, sich gegenüber der weltweiten Konkurrenz langfristig zu behaupten. Wir sind überzeugt: Diese Steuermittel sind gut investiert. Sie bewirken ein Vielfaches an Umsätzen in der Wirtschaft und Steuereinnahmen in den öffentlichen Kassen. Die DZT leistet hervorragende Arbeit, sowohl bei der touristischen Vermarktung als auch bei der Beratung der Tourismuswirtschaft und der Mittelstandsförderung. ({5}) Der Zuwachs an Übernachtungen ausländischer Gäste hält seit vielen Jahren an. 2018 lag die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland bei 88 Millionen. Die Tourismuswerbung im Ausland trägt außerdem dazu bei, ein positives und weltoffenes Deutschlandbild zu vermitteln. Damit wird das weltweite Ansehen Deutschlands als attraktiver Standort insgesamt gestärkt, wovon auch andere Wirtschaftsbereiche profitieren. Angesichts der zunehmenden internationalen Konkurrenz wollen wir diese Förderung fortsetzen. Dabei sollen möglichst auch neue Auslandsmärkte erschlossen werden. Unsere ausländischen Wettbewerber investieren oft erheblich höhere Summen, um ihr Land international bekannter zu machen. ({6}) Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass wir diesen wichtigen Wirtschaftsbereich auch weiter angemessen fördern und auch mit der nationalen Tourismusstrategie die Tourismuswirtschaft weiter stärken, entlasten und noch wettbewerbsfähiger machen. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herzlichen Dank. – Das Wort hat die Kollegin Gabriele Katzmarek für die SPD-Fraktion. ({0})

Gabriele Katzmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004325, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Johann Saathoff hat bereits etwas zum Thema „Klimaschutz und Energiewende“ gesagt. Ein zentraler Punkt nicht nur für die Menschen in Deutschland. Was die meisten Menschen in diesem Land bewegt, ist: Unter welchen Umweltbedingungen werden wir, werden unsere Kinder in der Zukunft leben, leben müssen? Diese Frage stelle ich mir als Politikerin, aber auch als Mutter zweier Kinder und als Oma eines kleinen Enkelkindes. Ich glaube, es geht vielen Menschen in diesem Land auch so, dass sie sich diese Frage stellen. Mit den Investitionen zum Klimapaket gehen wir einen guten Schritt in die richtige Richtung, um diese Frage zu beantworten und Ängste zu nehmen. ({0}) Neben den Fragen zur Klimapolitik müssen wir weitere Fragen beantworten und unser Handeln danach ausrichten. Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus? Kommen diejenigen, die jetzt in Arbeit sind, bei den anstehenden Veränderungen noch mit? Gibt es in der Zukunft noch genug Arbeitsplätze, und können die Menschen davon leben? Ich bin fest davon überzeugt, dass uns die Arbeit nicht ausgeht, wie einige Studien behaupten. Ich bin davon überzeugt, dass wir auch in der Zukunft gut aufgestellt sein können. Das gelingt uns jedoch nicht, wie einige in diesem Haus behaupten, indem wir nationalstaatliches Getümmel vorantreiben, indem wir Grenzen schließen, indem wir die Klimaprobleme leugnen und am besten glauben, wir lassen alles bei dem, wie es jetzt ist. Auch diejenigen in diesem Hause, die immer die Position vertreten, der Markt wird es schon richten, liegen falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Eine aktive Wirtschaftspolitik des Staates ist in Zeiten des Umbruchs mehr denn je gefordert. Es geht nicht darum, dass der Staat ein besserer Unternehmer ist. Nein, es geht uns als Sozialdemokraten darum, einzugreifen, mitzugestalten, Rahmenbedingungen zu setzen, um die Interessen der Menschen in diesem Lande zu vertreten; denn bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt. ({2}) Investitionen in Zukunftstechnologien sind deshalb von zentraler Bedeutung; auch darüber haben wir heute schon öfter diskutiert. Dabei geht es nicht, wie manche immer glauben, um ein deutsches Facebook. Nein, wir müssen dort fördern und stärken, wo wir stark sind. Auch wenn von der Automobilindustrie zurzeit Nachrichten auf den Tisch kommen, die uns bei Weitem nicht freundlich stimmen, glaube ich sehr stark, dass, wenn wir dort investieren, wir eine gute Chance haben, auch in Zukunft in der Automobilindustrie führend zu sein. ({3}) Im Maschinenbau, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der mittelständischen Industrie, dort sind wir noch Marktführer. Deshalb müssen wir diesen Bereich stärken, und das tun wir mit den Investitionen im Haushalt. Zu guter Letzt gilt das auch für den Bereich der Gesundheitswirtschaft, wo Forschung und Entwicklung, digitale Anwendungen in der Forschung helfen, Krankheiten zu erkennen, zu bekämpfen und zu vermeiden, also Bereiche, die den Menschen nutzen, auch den Arbeitsplätzen in dieser Branche. Dort liegt unsere Chance, und das bildet der Haushalt ab. Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns jetzt gemeinsam daran arbeiten, diese Fragen auch umzusetzen. Dann sind wir auf dem richtigen Weg. Herzlichen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Jan Metzler für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Jan Metzler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004352, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Ende dieser Debatte noch einmal auf den Haushalt im Allgemeinen, im Speziellen aber natürlich auch noch einmal auf den Einzelplan 09 und insbesondere zwei konkrete Punkte kommen. Zunächst auf den Haushalt geblickt – der Kollege Andreas Lämmel hat es angesprochen –: In dieser Woche verabschieden wir vom Volumen her den größten Haushalt, den es bisher in der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat. Mit Blick im Speziellen auf den Einzelplan 09 möchte ich sagen, dass wir jetzt bei 9,2 Milliarden Euro Gesamtvolumen angekommen sind gegenüber, wenn man das Jahr 2013 als Basis nimmt, damals 6,1 Milliarden Euro. In dem Zusammenhang möchte ich sagen: Dieses Mehr an Mitteln setzen wir zielgerichtet ein – und das eben auf Rekordniveau –, in den Bereichen Technologie, digitale Agenda, für den Mittelstand, für Energie und Nachhaltigkeit. Falko Mohrs hat es angesprochen: Wir sind mit Blick auf den gesamten Haushalt auf Rekordniveau unterwegs, wenn es um Investitionen geht. Da sind wir ja bei 42,9 Milliarden Euro wirklich in einem rekordverdächtigen Bereich unterwegs. Ich komme nun zu zwei Dingen im Speziellen, und zwar erstens zur Innovationsförderung und zweitens zur regionalen Wirtschaftsförderung. Allein 3,4 Milliarden Euro, also ein Drittel des Gesamthaushaltes, fließen in die Bereiche Innovation, Technologie und neue Mobilität. Ein Schwerpunkt hierbei ist technologieoffene Förderung im Mittelstand. Der nächste große Teilbereich ist mit der Überschrift gekennzeichnet: Mittelstand – gründen, wachsen, investieren. Hier investieren wir 950 Millionen Euro, fast 1 Milliarde. Es geht um künstliche Intelligenz, es geht um den Ausbau der Digitalisierung, es geht um die Förderung von Sprunginnovationen. Es geht in der Gesamtheit darum, unsere Wirtschaft fit zu machen für die Zukunft. Deswegen hat dieser Haushalt einen Zukunftsanspruch, und dem wird er auch gerecht, und zwar auf Rekordniveau. ({0}) Es gilt, das zum Abschluss noch einmal hervorzuheben. Zweifelsohne, im Soll-Ist-Vergleich stellen wir mit Blick auf die Unternehmenslandschaft in Deutschland fest, dass wir einen Rückgang im Bereich der Innovatorenquote haben, also der Unternehmen, die mit neuen Ideen an den Markt gehen. Aber auch hier erfüllen wir unsere Hausaufgaben und arbeiten unser Pflichtenheft ab. Denn im Frühjahr 2019 ist eine Initiative gestartet worden, um die Förderung in einem großen Rahmen zu bündeln, und zwar von der Idee zum Markterfolg, mit passgenauen Fördermaßnahmen, die alle Einzelbereiche gesamtheitlich integrieren, also von der Gründung bis hin zur marktnahen Forschung und Entwicklung. Der Kollege Mattfeldt hat zu Recht – weil es wirklich ein herausragendes Erfolgskonzept ist – das Programm EXIST angesprochen; darauf möchte ich noch einmal speziell eingehen. In den letzten drei bis fünf Jahren sind immer noch 75 Prozent der Unternehmensgründungen am Markt geblieben. Seit Programmbeginn haben wir mit diesem Programm 12 000 hochqualifizierte Arbeitsplätze in Deutschland entstehen lassen können. ({1}) Das Ganze mündet, wenn es um die vorwettbewerbliche Forschung geht, in das Programm WIPANO. Alles baut logisch aufeinander auf und setzt phasengenau, punktgenau an. Lassen Sie mich einen zweiten Punkt ansprechen, und zwar die regionale Wirtschaftsförderung. Das tue ich sehr gerne, weil ich auch Mitglied des Unterausschusses für regionale Wirtschaftsförderung bin. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal zum Ausdruck bringen, dass wir insgesamt 950 Millionen Euro, fast 1 Milliarde Euro, in diesen Gesamtbereich investieren, 600 Millionen Euro speziell für die GRW zur Verfügung stellen. Wenn man das Ganze mit der Kofinanzierung der Länder in Einklang bringt, stehen 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung. In die Zukunft blickend möchte ich sagen: Wir wollen in Zukunft nicht mehr nach Himmelsrichtungen, sondern nach Bedarf fördern. Wir wollen, dass bundesweit eine Möglichkeit der Bündelung der Investitionsinstrumente vorhanden ist, um strukturschwache Regionen gesamtheitlich fördern zu können. Einige Programme wollen wir in dem Zusammenhang auch neu entstehen lassen. Deswegen sage ich eines: Wir allesamt, die aktiv am Erfolg dieses Haushalts mitgewirkt haben, sind im besten Sinne des Wortes Zukunftslobbyistinnen und Zukunftslobbyisten – Lobbyisten für die Zukunft der Wirtschaft in diesem Land. Deswegen ist das ein guter Haushalt, der Optimismus auch einmal in einem Moment trägt, in dem einige sehr stark damit beschäftigt sind, nur noch Schatten und Dunkelheit über die Gesamtheit der Gesellschaft zu entleeren. Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit. ({2})