Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/6/2019

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Tagen und Wochen wird ja viel über deutsche und europäische Verantwortung diskutiert. Deshalb ist es vielleicht eine gute Gelegenheit, auf eine Region hinzuweisen, in der sowohl die deutsche als auch die europäische Verantwortung gerade jetzt gefordert sind. Ein Gradmesser dabei wird sein, ob es uns als Europäern gelingt, die unmittelbare Nachbarschaft zu stabilisieren und dabei internationale Partner einzubinden, aber auch, dies mit internationalen Organisationen zu koordinieren. Die Region, auf die das zutrifft, ist Nordafrika. Die arabischen Umbrüche von 2011 haben dort vor Ort völlig unterschiedliche Situationen hinterlassen. Wir erleben Tunesien als eine lebendige Demokratie, was die dort gerade erfolgten Wahlen noch einmal unter Beweis gestellt haben. In Libyen haben wir es mit einem zerfallenen Staat zu tun, in Ägypten mit einem außerordentlich straff und autoritär geführten Land. Dennoch muss man sagen: Bei all diesen Unterschieden ist diese Region gerade für uns in Europa außerordentlich wichtig; denn letztlich geht es darum, dass unsere Sicherheit und auch unsere Stabilität in Europa ganz maßgeblich von der Sicherheit und Stabilität unserer südlichen Nachbarn – auch in Nordafrika – abhängen. Tunesien ist ein Erfolgsmodell des Arabischen Frühlings. Das haben die Parlaments- und die Präsidentschaftswahlen jüngst noch einmal bestätigt. Deshalb war es uns wichtig, der erste internationale Gast des neuen Staatspräsidenten Saied vor Ort zu sein und somit auch ein für ihn wichtiges Signal der Unterstützung zu senden. Wir als Deutschland sind der größte bilaterale Partner der jungen tunesischen Demokratie, und wir wollen, dass die Bevölkerung auch die positiven Folgen des demokratischen Wandels, der dort stattfindet, spürt. Deshalb fördern wir – das haben wir bei unserem Besuch dort noch einmal deutlich gemacht – die gute Regierungsführung, den Aufbau und die Weiterentwicklung des Rechtsstaates und auch der Sicherheitskräfte. Wir wollen auch – darüber haben wir ebenfalls gesprochen – Investitionen der deutschen Wirtschaft in Tunesien unterstützen; denn die Wohlstandsentwicklung ist für die Bevölkerung von ganz besonderer Bedeutung. Ganz anders ist die Lage in Libyen. Sie alle wissen, dass der innerlibysche Konflikt längst zu einem Stellvertreterkrieg geworden ist. Nachdem es in der Vergangenheit Waffenstillstände gegeben hat, wird seit April dieses Jahres kein Waffenstillstand mehr akzeptiert. Es sprechen die Waffen. Das macht die Lage vor Ort außerordentlich schwierig. Es wird letztlich darum gehen, eine politische Lösung für diesen Konflikt zu finden. Es gab in der Vergangenheit eine Vielzahl von Libyen-Konferenzen – in Paris, in Palermo, in Abu Dhabi –, keine hat aber auch nur annähernd substanziellen Erfolg gebracht. Deshalb hat man sich auf dem G-7-Gipfel in Biarritz darauf verständigt, eine neue politische Initiative zu starten, und zwar eine, die von Deutschland geführt wird und die etwas anders aufgebaut ist als die, die es bisher gegeben hat. Seitdem haben mehrere Treffen stattgefunden, die das Außenministerium zusammen mit dem Bundeskanzleramt organisiert hat, insbesondere mit den Ländern aus der Region, die an diesem Konflikt beteiligt sind, indem sie zum Beispiel eine der beiden Seiten unterstützen. Die Herangehensweise beruht darauf, dass wir gesagt haben: Wir wollen diese sogenannten Spoiler erst einbinden und so die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Waffenlieferungen unterbunden werden, dass es ein Waffenembargo gibt, damit endlich wieder ein Waffenstillstand verabredet wird und damit die Grundlage geschaffen wird, um den politischen Prozess wieder aufzunehmen. Das Ganze wird mittlerweile als Berliner Prozess bezeichnet. Es ist in Libyen, aber auch in den Nachbarstaaten als ein außerordentlich hoffnungsvolles Zeichen aufgenommen worden, dass sich die internationale Staatengemeinschaft unter der Führung von Deutschland daran beteiligt, endlich Frieden in Libyen herzustellen, dann auch zu gewährleisten und mit einem entsprechenden Friedensprozess zu begleiten. Dieser soll mit einem Friedensvertrag abgeschlossen werden und letztlich unter der Ägide der VN vor Ort langfristig gesichert werden. Dafür ist es notwendig gewesen, auch mit Ägypten zu sprechen, sowohl mit Staatspräsident el-Sisi als auch mit Außenminister Shoukry; denn Ägypten ist als Unterstützer einer Seite in diesem Konflikt dabei außerordentlich wichtig. Als wir in Kairo gewesen sind, haben wir es allerdings nicht unterlassen, auch noch einmal darauf hinzuweisen, dass es eigentlich im ureigenen Interesse der ägyptischen Führung liegen muss, dass die Freiheits- und Bürgerrechte der Ägypterinnen und Ägypter besser gewährleistet werden, als es zurzeit der Fall ist. Alles andere wird nach unserer Einschätzung dazu führen – je nachdem, wie die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land sein wird –, dass es sehr schnell wieder Unzufriedenheit geben wird, die politische Stabilität untergraben wird und wir letztlich einen weiteren Konfliktherd in der Region haben werden, den wir aber nicht brauchen. Insofern ist diese Initiative, der sogenannte Berliner Prozess, darauf ausgerichtet, eine politische Lösung für den Libyen-Konflikt zu finden. Dies wird von Deutschland nicht nur moderiert, sondern auch organisiert. Dafür setzen wir uns mit den Ländern der Region ins Benehmen und führen diesen Prozess in Zusammenarbeit mit dem Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen Salamé seit einigen Wochen durch. Wir hoffen, in absehbarer Zeit einen Gipfel abzuhalten, an dem die beteiligten Staaten teilnehmen und der die Voraussetzung schaffen soll, den Friedensprozess in Libyen endlich wieder aufs Gleis zu bringen. Herzlichen Dank.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Die erste Frage stellt der Kollege Hampel, AfD.

Armin Paulus Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004735, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Außenminister, Sie haben in einem Artikel, der dieser Tage in 29 Ländern veröffentlicht wurde, des Mauerfalls vor 30 Jahren gedacht. In diesem Artikel wird das Geschehen von damals ohne einen wichtigen Partner dargestellt, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika. Ich war damals als Parlamentskorrespondent in Bonn und kann mich gut erinnern, dass es einer der großen amerikanischen Präsidenten war, Ronald Reagan, der in Berlin Gorbatschow aufgefordert hat: „Mr. Gorbachev, tear down this wall!“ Ich kann mich an James Baker, den damaligen amerikanischen Außenminister, erinnern, der maßgeblich mit seinem Plazet zu einem Ja der USA zur deutschen Wiedervereinigung beigetragen hat. Meine Frage: Wie beurteilen Sie persönlich den Anteil der Vereinigten Staaten von Amerika an der deutschen Wiedervereinigung? ({0})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Herr Abgeordneter Hampel, ich befürchte, Sie haben den Artikel nicht ganz zu Ende gelesen. Denn in dem Artikel wird ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass die Wiedervereinigung Deutschlands und der Fall der Berliner Mauer vor allen Dingen auch den westlichen Bündnispartnern zu verdanken sind. Dazu gehören natürlich an allererster Stelle die Vereinigten Staaten. Das ist dort deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Das tun wir im Übrigen im Rahmen der Feierlichkeiten, die jetzt am 9. November stattfinden, auch an vielen anderen Stellen. Das ist in diesem Artikel alles andere als unterschlagen worden. Dieser Artikel hatte allerdings auch den Sinn – deshalb ist er auch in vielen europäischen Staaten veröffentlicht worden –, noch einmal darauf hinzuweisen, dass Staaten wie etwa Ungarn oder unsere Freunde in Prag ganz wesentlich den Weg geebnet haben für den Fall der Mauer und damit auch für die Wiedervereinigung. Insofern sind beide Aspekte in diesem Artikel gewürdigt worden. Ich würde Sie bitten, das zur Kenntnis zu nehmen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage, Herr Kollege Hampel?

Armin Paulus Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004735, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Minister, wenn Sie allgemein den Westen erwähnen, darf ich Sie vielleicht geschichtlich belehren, dass ich mich gut erinnere, dass François Mitterrand von der deutschen Vereinigung nicht gerade begeistert und Margret Thatcher einer der heftigsten Gegner Helmut Kohls beim Wiedervereinigungsprozess war. Meinen Sie in der Tat, es reicht aus, die Amerikaner mal pauschal als „den Westen“ zu bezeichnen und die historische Beteiligung an der deutschen Wiedervereinigung so zu negieren, oder gedenken Sie, demnächst in die USA zu reisen, um wenigstens ein bisschen den Schaden wieder gutzumachen, den Sie angerichtet haben?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Herr Abgeordneter Hampel, ich kann Sie nur erneut darauf hinweisen, dass das in diesem Artikel der Fall gewesen ist und dass es viele andere Verlautbarungen und Veröffentlichungen gibt, in denen darauf auch Bezug genommen wurde. Wir haben gerade ein Deutschlandjahr in den Vereinigten Staaten durchgeführt mit über 1 000 Veranstaltungen in vielen Teilen der Vereinigten Staaten. Dort hat auch das Thema Wiedervereinigung eine große Rolle gespielt. In vielen Veranstaltungen ist unsere Dankbarkeit gegenüber den amerikanischen Freundinnen und Freunden zum Ausdruck gebracht worden. Ja, ich bin fest davon überzeugt, dass die Vereinigten Staaten ein Teil des sogenannten Westens sind und es auch bleiben werden und sich deshalb mit diesen Worten auch unmittelbar angesprochen fühlen dürfen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage stellt die Kollegin Manderla, CDU/CSU.

Gisela Manderla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004348, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Maas, Sie haben geschildert, was in Libyen passiert, was in Ägypten passiert, aber seit einigen Wochen beschäftigen wir uns natürlich mit den traurigen Ereignissen in Nordsyrien. Unsere Verteidigungsministerin hat den Vorschlag einer Sicherheitszone gemacht. Sie haben in einer gemeinsamen Presseerklärung mit Ihrem türkischen Amtskollegen Cavusoglu zu diesem Vorstoß gesagt – ich zitiere –: „Überall wird uns gesagt, das sei kein realistischer Vorschlag“. Die Frage ist: Was meinen Sie mit „überall“, und wer hat es Ihnen gesagt? Können Sie bitte diese Aussage konkretisieren?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Sehr geehrte Frau Kollegin, zunächst einmal will ich darauf hinweisen, dass es keine gemeinsame schriftliche Erklärung des türkischen Außenministers und mir gibt, sondern lediglich eine Pressekonferenz stattgefunden hat anlässlich meines Besuches in Ankara. Dort ist auch der türkische Kollege auf dieses Thema angesprochen worden, und er hat seine Meinung dazu gesagt. Wir haben in der Vergangenheit mit vielen europäischen Partnern, aber auch mit unseren transatlantischen Partnern gesprochen. All diese Gespräche werden fortgesetzt. Wichtig ist für uns der jetzt begonnene politische Prozess in Syrien. Vor wenigen Tagen hat zum ersten Mal das sogenannte Verfassungskomitee getagt. Es ist keine einfache Operation gewesen, erstmalig Vertreter des Assad-Regimes, der Opposition und unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen an einen Tisch zusammenzubringen. In diesem Verfassungskonvent soll eine Verfassungsreform erarbeitet werden. Am Schluss sollen demokratische Wahlen in Syrien stehen. Das sind die Prioritäten, mit denen wir uns im Moment auseinandersetzen. Das halte ich für außerordentlich wichtig, um eine dauerhafte Lösung in Syrien herbeizuführen, die im Übrigen auch die Grundlage dafür schafft, dass die vielen Bürgerkriegsflüchtlinge, nicht nur bei uns, sondern auch im Libanon oder in Jordanien, eine Rückkehrperspektive haben. Damit haben wir uns beschäftigt. Der Hauptteil der Gespräche in Ankara ist insbesondere die Forderung Deutschlands gewesen, ({0}) dass sich die Türkei wieder aus dem 120-Kilometer-Streifen zurückzieht und dass keine Flüchtlinge aus der Türkei gegen ihren Willen dorthin verbracht werden. Das habe ich deutlich gemacht. Das ist der Schwerpunkt des Gespräches gewesen, und das ist so auf der Pressekonferenz auch verlautbart worden.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Vielen Dank, Herr Bundesaußenminister. – Sie haben richtig verstanden: Gelegentlich ist mein Räuspern ein regierungsfreundlicher Hinweis, dass dort oben eine Ampel leuchtet. – Möchten Sie eine Nachfrage stellen, Frau Kollegin Manderla?

Gisela Manderla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004348, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ich versuche es zumindest. – Ihre Ausführungen finde ich durchaus sehr vernünftig und die Ziele erstrebenswert, aber meine Frage nach dem „überall“ und danach, wer Sie darauf angesprochen hat, wer Ihnen das gesagt hat, haben Sie nicht beantwortet, Herr Minister.

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Das sind ganz viele. Das sind in erster Linie natürlich unsere europäischen Partner. Wir haben aber auch mit den amerikanischen Freunden darüber gesprochen, wir haben mit den Franzosen darüber gesprochen, wir haben mit den Briten darüber gesprochen, die alle mehr Informationen darüber wollen. Mit diesen Informationen werden sie vom Verteidigungsministerium auch Stück für Stück versorgt. Allerdings haben auch alle diese Länder noch einmal darauf hingewiesen, dass wir insbesondere nach den Vereinbarungen, die es in Sotschi zwischen der Türkei und Präsident Putin gegeben hat, jetzt den politischen Prozess, der in Syrien begonnen hat, vorantreiben müssen, dass derartige sicherheitspolitische Fragen möglicherweise noch einmal zur Diskussion gestellt werden, es aber im Moment auch anderen in erster Linie darum geht, den politischen Prozess in Syrien abzusichern.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Zum gleichen Thema würde gerne die Kollegin Sommer, Die Linke, eine Frage stellen.

Helin Evrim Sommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004897, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Verehrter Herr Außenminister Maas, ich persönlich begrüße es, dass Sie das militärische Vorgehen der Türkei ganz klar als völkerrechtswidrige Invasion bezeichnet haben. Das entspricht den Tatsachen. Dennoch bleibt die Bundesregierung unter ihren Möglichkeiten, was die diplomatische Unterstützung des politischen Prozesses in Syrien angeht. Deshalb habe ich folgende Frage an Sie: Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand bei dem kürzlich zusammengekommenen Verfassungskomitee für Syrien, und was unternehmen Sie konkret, um die Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der kurdischen demokratischen Selbstverwaltung in Nordostsyrien daran zu unterstützen?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Das sogenannte Verfassungskomitee hat zum ersten Mal am 30. Oktober getagt. Davor gab es monatelange Verhandlungen und Streitereien darüber, wer überhaupt Teil dieses Verfassungskonventes ist. Es sind Listen von den drei von mir genannten Gruppen ausgetauscht worden, die jeweils in gleicher Anzahl vertreten gewesen sind. Deutschland ist einige Monate, nachdem diese Regierung ins Amt gekommen ist, Mitglied der sogenannten Small Group gewesen, in der auch die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Ägypten und Saudi-Arabien sitzen. Wir haben uns im Rahmen unserer Möglichkeiten auf dieser Seite zunächst einmal darum bemüht, eine Einigung über die Liste zustande zu bringen. Das ist, Gott sei Dank, nach langem Hin und Her gelungen. Das Verfassungskomitee hat also erstmalig getagt. Derzeit werden die Gespräche in einer sogenannten kleinen Gruppe fortgesetzt. Das alles ist sehr volatil. Ich kann Ihnen auch keine Erfolgsaussichten benennen oder sagen, wo das enden wird. Wir unterstützen die Gespräche finanziell und auch organisatorisch, indem wir dem Sondergesandten der Vereinten Nationen, Geir Pedersen, unterstützen. Wir werden von ihm darüber informiert, wo es möglicherweise Probleme gibt. Wir sind mit ihm auch im Gespräch darüber, wie es gelingen kann, die Kurdenproblematik in diese Diskussion einzuführen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Nachfrage?

Helin Evrim Sommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004897, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. – Was tun Sie denn konkret, um zu verhindern, dass das NATO-Mitglied Türkei – Sie wissen ja, dass die Türkei den Friedensprozess blockiert – die kurdische demokratische Selbstverwaltung vom Verfassungsprozess einfach ausschließt? Was tun Sie, damit die Türkei das gewissermaßen akzeptiert?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Zunächst einmal hat die Türkei als Mitglied der sogenannten Astana-Gruppe, also Russland, Irak und Türkei, diese Listen irgendwann auch akzeptiert. Ich bin dagegen, den Verfassungskonvent in seiner jetzigen Zusammensetzung infrage zu stellen. Es ist schwierig genug gewesen, die Zusammensetzung überhaupt zustande zu bringen. Der Sondergesandte der Vereinten Nationen, Geir Pedersen, ist zurzeit dabei, in Gesprächen mit denjenigen, die im Verfassungskonvent sind, zu überprüfen, wie man die Kurdenproblematik dort einbringen kann. Die Alternative wäre, die Gespräche, die jetzt begonnen haben, wieder abzubrechen und darauf zu dringen, den Verfassungskonvent neu zusammenzusetzen. Ich glaube, das hat keine Aussicht auf Erfolg; deshalb bin ich dagegen. Ich bin vielmehr dafür, innerhalb des jetzt bestehenden Gremiums, die Kurdenfrage einzuführen. Darüber stehen wir mit dem Sondergesandten der Vereinten Nationen auch in einem engen Austausch.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegt eine Reihe von weiteren Nachfragen zu diesem Thema vor, die ich der Reihe nach aufrufen werde. – Die nächste Nachfrage stellt Graf Lambsdorff.

Alexander Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004798, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben eben das Treffen von Sotschi erwähnt. Es ist richtig: Der Vorschlag von Frau Kramp-Karrenbauer als Bundesministerin der Verteidigung war insofern unglücklich vom Timing her. Aber das Thema ist ja nicht neu. Die Kollegin Brantner und ich haben im April 2018 einen Vorschlag für einen Einsatz von UN-Beobachtern unterbreitet und darum gebeten, dass die Bundesregierung aktiv werden möge. Der Kollege Kiesewetter hat das im Januar 2019 gefordert. Doch aus dem Auswärtigen Amt kam die ganze Zeit überhaupt nichts. Dass also aus den Reihen der Bundesregierung endlich mal ein Vorstoß kam, war für uns ein willkommenes Lebenszeichen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Dieser Vorstoß war nicht gut abgestimmt; das stimmt. Das haben wir hier im Inland kritisiert, was auch unsere Aufgabe als demokratische Opposition ist. Wir waren aber schon sehr erstaunt, dass Sie in einer Pressekonferenz auf türkischem Staatsgebiet an der Seite des türkischen Außenministers den Vorschlag einer Kabinettskollegin der Lächerlichkeit preisgegeben haben. Das ist ein Vorgang, den wir so nicht kennen. Ich habe daher eine zweigeteilte Frage an Sie: Erstens. Ist Ihnen ein solcher Fall bekannt, dass ein deutscher Außenminister einen Vorstoß aus der Bundesregierung im Ausland so kommentiert hat, wie Sie das getan haben? Und meine zweite Frage ist: Bedauern Sie Ihre Äußerungen? Würden Sie die heute noch mal so machen?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Ich bin auf dieser Pressekonferenz von einem Journalisten gefragt worden, ob wir in dem Gespräch, das stattgefunden hat, auch über diesen Vorschlag gesprochen haben. Ich habe wahrheitsgemäß gesagt, dass das nicht der Fall gewesen ist. Meine Anliegen gegenüber der Türkei betrafen vor allen Dingen zwei Punkte. Zum einen wollte ich von dem türkischen Kollegen wissen, ob die Militäraktion in Nordostsyrien so zu verstehen ist, dass die Türkei beabsichtigt, in diesem Streifen von 120 Kilometern Länge und 30 Kilometer tief nach Syrien hinein dauerhaft mit Militär präsent zu bleiben. Wir haben die Auffassung vertreten, dass dies mit dem Völkerrecht nicht vereinbar ist. Der Kollege hat mich darauf hingewiesen, dass das auch nicht das Ansinnen der Türkei sei, sondern dass man beabsichtige, sich auch wieder zurückzuziehen. Auf meine Frage, in welchem Zeitraum das geschehen solle, gab es allerdings keine Antwort. Der zweite Punkt betraf die Frage, wie es sich mit der Ankündigung der Türkei verhält, Flüchtlinge dorthin zu schicken. Uns war wichtig, dass niemand gegen seinen Willen in diesen 120-Kilometer-Streifen gebracht wird. Das ist mir dort auch zugesichert worden. Was davon zu halten sein wird, wird man sehen. Darauf habe ich geantwortet. Ich sehe auch nicht die Problematik, die Sie daraus machen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage? – Graf Lambsdorff.

Alexander Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004798, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie haben ja illustre Amtsvorgänger: Frank-Walter Steinmeier, Hans-Dietrich Genscher. ({0}) Die haben es regelmäßig geschafft, auf Journalistenfragen so zu antworten, dass andere Mitglieder der Bundesregierung nicht in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Sie haben ja an der Reaktion gemerkt, dass das hier ganz anders gelaufen ist. Die Bundesverteidigungsministerin steht international jetzt sozusagen desavouiert da. Meine Frage an Sie: Hätten Sie auf diese Journalistenfrage nicht anders antworten können, etwas sparsamer? Hätten Sie die Kritik an der Kabinettskollegin nicht besser hier im Inland geäußert?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Also, zunächst einmal bin ich nicht der Auffassung, dass die Kollegin desavouiert dasteht. Sie führt zu diesem Thema weitere Gespräche mit Kollegen aus anderen Ländern. Ich kann allerdings außenpolitische Vorstöße im Ausland nur schwer völlig unkommentiert lassen. Ich kommentiere nicht die Innenpolitik, die in Deutschland gemacht wird, aber außenpolitische Vorschläge, zu denen im Ausland Nachfragen gestellt werden, kann ich leider nicht einfach nur mit Schweigen beantworten. Dabei habe ich ja nur darauf hingewiesen, dass die Schwerpunkte dieses Gesprächs in der Türkei andere gewesen sind. Diese habe ich dort noch einmal zum Ausdruck gebracht.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die Kollegin Agnieszka Brugger von Bündnis 90/Die Grünen will zum selben Thema die nächste Frage stellen.

Agnes Malczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004106, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Ihre Ausführungen haben mich etwas irritiert, Herr Außenminister. Wir kommen gerade aus dem Verteidigungsausschuss, wo wir gehört haben – aus Sicht des Verteidigungsministeriums –, wie positiv die anderen Partner alle reagiert hätten und dass man schon über konkrete Beiträge spricht. Ich muss schon sagen, dass Sie gemeinsam mit Ihrer Kabinettskollegin wirklich dazu beigetragen haben – und da würde ich die Verteidigungsministerin nicht so sehr in Schutz nehmen, wie Graf Lambsdorff das gerade tat –, dass Deutschland auf der internationalen Bühne wirklich katastrophal dasteht. Offensichtlich waren sowohl Ihre Äußerungen als auch die Idee der Verteidigungsministerin eher von einer innenpolitischen Profilierung motiviert, aber nicht dazu geeignet, um deutlich zu machen, dass die Bundesregierung in dieser so schwierigen außenpolitischen Frage eine klare und eindeutige Haltung einnimmt. Deswegen möchte ich Sie fragen, wie Sie gedenken, dafür zu sorgen – das würde ich eigentlich auch gerne Ihre Kabinettskollegin Frau Kramp-Karrenbauer fragen –, dass in Zukunft solche Fragen zur Außenpolitik nicht zu einem auf der internationalen und der nationalen Bühne öffentlich ausgetragenen Clinch führen, sondern Sie sich erst einmal am Kabinettstisch auf Vorschläge einigen. ({0})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Zunächst einmal will ich darauf hinweisen, dass es – das ist vollkommen richtig – bei unseren Partnern großes Interesse an diesem Vorschlag gegeben hat und weitere Informationen angefragt worden sind. Diesem Informationsbedürfnis ist die Kollegin gerecht geworden, und sie wird ihm, wenn es weitere Fragen gibt, auch weiterhin gerecht werden. Das halte ich für vollkommen normal. Herr Lambsdorff hat in seinen Einlassungen eben darauf hingewiesen, dass das Konzept der Sicherheitszone oder der Schutzzone kein neues ist. Darüber ist in der Vergangenheit sowohl in Deutschland diskutiert worden als auch in anderen Staaten. Es ist allerdings bisher nie gelungen, eine internationale Verständigung darüber herbeizuführen. Im Übrigen gibt es auch keinen Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Dennoch glaube ich, dass es in dem politischen Prozess, der jetzt in Syrien begonnen hat, weiter darum gehen wird, dass wir auf der einen Seite humanitär und zivil helfen, wir uns aber auf der anderen Seite auch sicherheitspolitisch beteiligen. Die notwendige Voraussetzung dafür ist, dass der politische Prozess, der jetzt erst begonnen hat, wirklich substanziell fortschreitet und man dabei auch zu Ergebnissen kommen wird.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage?

Agnes Malczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004106, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann frage ich Sie noch einmal direkt: Unterstützen Sie als Außenminister – Deutschland ist gerade Mitglied des Sicherheitsrats – diesen Vorschlag, den die Bundesverteidigungsministerin gemacht hat? Und führen Sie auch als Vertreter des Außenministeriums die entsprechenden Gespräche, um hier einen Konsens herbeizuführen? Ist das ein Vorschlag, der von Ihnen und von der ganzen Bundesregierung getragen wird, oder ist das eine Einzelmeinung von Frau Kramp-Karrenbauer?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Ich glaube, dazu ist alles gesagt worden, was dazu zu sagen ist. ({0}) Wir sind in den Gremien, in denen wir uns befinden – sowohl im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als auch in der Small Group, in der Länder sich zusammengefunden haben, um einen Beitrag zum Syrien-Konflikt zu liefern –, im Moment dabei, den politischen Prozess prioritär zu behandeln und auch mit unseren Partnern zu besprechen. Alles, was sich daraus irgendwann sicherheitspolitisch ergeben wird, werden wir genauso intensiv zunächst mit unseren Partnern besprechen und uns dann dazu eine Meinung bilden.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Der Kollege Curio, AfD, stellt die nächste Frage zu diesem Thema.

Dr. Gottfried Curio (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004698, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank. – Ich möchte Sie fragen, ob Sie dem Präsidenten Erdogan insbesondere für seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg mit erheblichen Verlusten unter der Zivilbevölkerung und den de facto im Kampf gegen den IS verbündeten Kurden durch die fehlende Androhung wirksamer Sanktionen effektiv weiterhin quasi einen Freibrief zur Fortsetzung seines Kurses ausstellen wollen. Wie steht es da mit der Wertegemeinschaft? Es entsteht ein neues Krisengebiet. Der IS kann sich neu formieren. Es kommt zu neuen Flüchtlingsströmen. Wo ist da der Druck? Konkret: Warum gibt es eigentlich einerseits Russland-Sanktionen, aber andererseits jetzt hier keine Türkei-Sanktionen, wo doch die Türkei in den besetzten Gebieten de facto sogar ethnische Säuberungen zumindest bewirkt? Im Kanton Afrin etwa lebten 300 000 Kurden. Jetzt sollen dort – anders deklariert natürlich: als Schutzzone – de facto eine Million Araber neu angesiedelt werden. Wenn das auch anders benannt wird, ist das de facto Vertreibung und Neuansiedlung. ({0})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Sie werden sich vielleicht daran erinnern, dass unter der Führung Deutschlands und Frankreichs der Außenrat der Europäischen Union sehr schnell nach der Militäraktion der Türkei in Nordostsyrien beschlossen hat, keine weiteren Waffen in die Türkei zu liefern. Ich will darauf hinweisen, dass das für Deutschland ohnehin schon seit der Militäraktion der Türkei in Afrin gilt; lediglich maritime Güter und Güter zur Minenräumung waren von der Vorgehensweise noch nicht betroffen. Das haben alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mitgetragen. Im Außenrat der Europäischen Union ist auch sehr deutlich gemacht worden: Wenn es keine dauerhafte Waffenruhe gibt, wird sich der Außenrat auch mit der Frage von Wirtschaftssanktionen beschäftigen. Es gibt einen entsprechenden Beschluss des Europäischen Parlaments, das das ganz genauso sieht. Insofern glaube ich nicht, dass die Europäische Union, insbesondere wir zusammen mit Frankreich, nicht ausreichend Druck auf die Türkei ausgeübt haben. Wir haben diese Militärintervention verurteilt. Wir haben darauf hingewiesen, dass sie nicht völkerrechtlich legitimiert ist. Ich habe bei einem Besuch in Ankara, der eben schon angesprochen worden ist, darauf hingewiesen, dass wir die Erwartung haben, dass die Türkei sich dort militärisch zurückzieht, dass keine Flüchtlinge gegen ihren Willen in diese 120-Kilometer-Zone verbracht werden ({0}) und dass es einen freien Zugang für humanitäre Helfer gibt.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage, Herr Kollege?

Dr. Gottfried Curio (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004698, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ja, und vielen Dank fürs Räuspern, Herr Präsident. – Herr Minister, Erdogan hat ja gedroht, Millionen Migranten nach Europa weiterzuschicken, falls weiterhin Kritik an seiner militärischen Invasion in Syrien geübt wird. Er sagte in etwa: Wir werden die Türen öffnen, und 3,6 Millionen Menschen werden zu euch kommen. – Wie bereitet sich die Regierung denn auf so einen Notfall vor? Oder andersherum gefragt: Muss man die Drohung Erdogans, Migrantenströme nach Deutschland zu lenken, womöglich deshalb fürchten – und ist man deshalb so leise in puncto Sanktionen –, weil man versäumt hat, Vorkehrungen für einen effektiven Schutz der deutschen Grenze zu treffen, und auch weiter dazu nicht willens ist?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Ich will noch einmal sagen: Wir haben sehr schnell Maßnahmen ergriffen, und zwar nicht nur wir in Deutschland, sondern auch innerhalb der Europäischen Union. Wer den Außenrat der Europäischen Union kennt, der weiß, dass das kein einfaches Unterfangen ist. Die Waffenruhe ist nach den 150 Stunden zum Glück verlängert worden. Zumindest haben wir im Moment keine Hinweise darauf, dass noch einmal großflächige Militäroffensiven bevorstehen. Wir haben angekündigt, dass wir auch nicht davor zurückschrecken würden, Wirtschaftssanktionen zu ergreifen, wenn die Waffenruhe nicht anhält und sich die Lage in Nordostsyrien weiter so gestalten würde, wie das zu Beginn dieser Invasion der Fall gewesen ist. Deshalb gehen wir davon aus, dass es sich bei diesen Äußerungen des türkischen Präsidenten lediglich um Ankündigungen handelt. Ich will allerdings auch dazu sagen, dass die Türkei mit der Versorgung von über 3 Millionen Flüchtlingen aus Syrien eine nicht unerhebliche Leistung zu erbringen hat. Das ist auch der Grund dafür gewesen, dass die Europäische Union ein Abkommen mit der Türkei geschlossen hat. Ich glaube auch, dass das sinnvoll gewesen ist. Letztlich führt dieses Abkommen dazu, dass den Menschen, die dort sind, geholfen wird und dass Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden, dass sie menschenwürdig untergebracht werden können.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Hunko.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Herr Außenminister, wir wissen ja, dass dieser völkerrechtswidrige Angriff auf Syrien auch mit Leopard-2-Panzern aus Deutschland vollzogen wird. Deswegen sind in diesem Kontext natürlich auch die ganze Debatte um die Rüstungsexporte und auch ein Stopp dieser Rüstungsexporte so wichtig. Gut, die Genehmigung für den Export dieser Leopard-2-Panzer stammt aus 2005; dafür sind Sie nicht verantwortlich. Was ich mich aber schon frage – Sie haben gesagt, dass Sie den Druck erhöhen wollen –, ist: Warum hat das Auswärtige Amt am 13. Oktober 2019 eine Anweisung an den deutschen Vertreter in der Ratsarbeitsgruppe, in der es um die auswärtigen Beziehungen geht, gegeben, durch die die Formulierungen der Resolution, die Sie eben angesprochen haben, so verändert wurden, dass laufende Rüstungsexporte weiterlaufen können? Es geht jetzt ja nur noch um neue Genehmigungen; der deutsche Vertreter hat das so geändert, dass laufende Rüstungsexporte weiterlaufen können. ({0}) Die ursprünglich von Frankreich eingebrachte Resolution wurde entsprechend aufgeweicht. Warum? ({1})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Es ging dabei um die Frage, ob im Außenrat formal ein Waffenembargo beschlossen werden sollte. Dieser Beschluss wäre nicht zustande gekommen, weil es mit Blick auf die Türkei als NATO-Partner – dort sitzen auch noch andere NATO-Partner – viele formale Fragen dazu gegeben hat. Deshalb war es unser größtes Anliegen – im Übrigen auch in Absprache mit anderen europäischen Staaten –, dass wir sehr schnell eine Entscheidung bekommen und diese Entscheidung so lautet, dass keiner der Mitgliedstaaten der Europäischen Union Waffen in die Türkei liefert. Das gilt für Genehmigungen, aber das gilt natürlich auch für bereits in der Vergangenheit erteilte Genehmigungen, die jetzt möglicherweise zu einer Auslieferung führen würden. Das wird für uns in Deutschland bedeuten: Wenn es ältere Genehmigungen gibt, die jetzt virulent werden, werden wir im Einzelfall noch einmal prüfen, ob wir trotz bereits erfolgter Genehmigungen die entsprechenden Rüstungsexporte unterbinden. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Nachfrage? – 30 Sekunden.

Andrej Hunko (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004060, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, ganz kurz. – Der Herr Asselborn zum Beispiel, luxemburgischer Außenminister, denkt auch, ein Waffenembargo wäre möglich. Sie sagen jetzt, das sei politisch nicht durchsetzbar. Wäre denn in Zukunft ein vollständiges Waffenembargo, wenn es jetzt nicht zu einem Rückzug der Türkei kommt, aus Ihrer Sicht eine Option?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Wir haben uns im Außenrat für den Fall, dass die Kämpfe in Nordostsyrien von der türkischen Armee weitergeführt werden, ausdrücklich alles vorbehalten. Das gilt sowohl für Rüstungsexporte als auch für Wirtschaftssanktionen. Dennoch, glaube ich, ist es sinnvoll, darauf zu achten, dass die NATO-Mitgliedschaft der Türkei auch in Zukunft bestehen bleibt, weil ich grundsätzlich der Auffassung bin, dass es strategisch nicht richtig wäre, die Türkei aus der NATO heraus- und damit in die Arme Russlands oder Chinas zu treiben, sodass man sich neue Verbündete suchen müsste. Dennoch: Im Ergebnis haben wir uns für den Fall, dass die Offensive praktisch fortgesetzt wird, was im Moment nicht der Fall ist, vorbehalten, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Welche das dann sein würden, ist der Entscheidung des Außenrates vorbehalten. Wir haben uns dabei aber keine Limits gesetzt.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Immer noch zum selben Thema stellt jetzt der Kollege Thomae eine Frage.

Stephan Thomae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004175, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank für die Worterteilung, Herr Präsident. – Herr Minister, bei der türkischen Offensive im Norden Syriens kamen nach allem, was wir wissen, auch deutsche Staatsangehörige frei, die beim IS gekämpft und sich diesem angeschlossen hatten. Die Türkei hat durch einen Sprecher des Präsidenten erklären lassen, dass sie beabsichtige, etwa 20 deutsche IS-Kämpfer nach Deutschland abzuschieben. Ihr Kabinettskollege, Herr Innenminister Seehofer, hat vor zwei Wochen an der gleichen Stelle erklärt, dass er in diesem Vorgehen keine Gefahr für die Sicherheit in Deutschland sehe. Zugleich hat der BND-Präsident Herr Dr. Kahl in einer öffentlichen Anhörung erklärt, dass sehr wohl Sicherheitsgefahren zu befürchten seien. Ich frage deshalb Sie an dieser Stelle heute: Sehen Sie persönlich in dem Freikommen von IS-Kämpfern mit deutscher Staatsangehörigkeit eine Sicherheitsgefahr für unser Land, und gibt es ein Konzept der Regierung, um dieser Gefahr zu begegnen?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Zunächst einmal will ich deutlich sagen, dass ich das Freikommen von IS-Kämpfern in Nordsyrien grundsätzlich für eine Gefahr halte – auch für eine Gefahr mit Blick darauf, dass der IS wieder erstarkt. Wer die Onlinemedien verfolgt, wird sehen, dass die Entwicklungen dort vom IS bereits als Wiedergeburt des IS gefeiert werden. Das kann uns nicht egal sein, und das ist einer der Punkte, die uns in diesem Zusammenhang außerordentlich besorgt machen. Was die Ankündigung der Türkei angeht, IS-Kämpfer nach Deutschland zu schicken – es soll sich angeblich um 20 Personen handeln –: Nach den Informationen, die wir bis jetzt haben, handelt es sich in erster Linie um Frauen und Kinder. Das sind aber noch keine abgeschlossenen Informationen. Ganz grundsätzlich haben wir uns schon vor Längerem entschieden, Kinder von IS-Angehörigen nach Deutschland zurückzuholen. Es sind bereits vier Kinder zurückgebracht worden. Eine weitere Rückholaktion ist dadurch unterblieben, dass der Einmarsch der Türkei in Nordostsyrien stattgefunden hat und die kurdischen Grenzposten dort abgezogen sind, wo die Übergabe stattfinden sollte. Bei IS-Kämpfern insgesamt geht es uns darum, erst einmal rechtssicher die deutsche Staatsangehörigkeit festzustellen – das ist konsularisch nicht einfach, weil wir dort nicht vertreten sind – und vor allen Dingen Informationen zu sammeln, die dazu beitragen können, dass man ehemalige IS-Kämpfer auch vor deutsche Gerichte stellen kann. Wir haben kein Interesse daran, dass diese nach Deutschland kommen und nach der ersten Haftbeschwerde auf freien Fuß gesetzt werden.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Bundesminister.

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Das ist die Haltung der Bundesregierung.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Eine weitere Nachfrage stellt der Kollege Pasemann, AfD.

Frank Pasemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004847, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Herr Außenminister, ein Großteil Syriens ist befriedet. ({0}) Wir haben uns im letzten Jahr auch selber davon überzeugen können und werden das auch weiterhin beobachten. Es geht an den Wiederaufbau. Die syrische Regierung, die derzeit im Amt ist, mag uns gefallen oder nicht, aber selbst nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit die Regierung sein, die den Friedens- und Konsolidierungsprozess im Land anführen wird. Ihr italienischer Amtskollege, Außenminister Di Maio, ist übrigens der gleichen Meinung, dass man anfangen muss, mit der syrischen Regierung zu reden. Wie ist Ihre Position dazu?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Also, Ihre Einschätzung, dass ein Großteil Syriens befriedet ist, teile ich ganz und gar nicht. ({0}) Ich kann auch überhaupt nicht verstehen, wie man zu dieser Auffassung kommt. Sie widerspricht allem, was internationale Organisationen – auch der UNHCR – dazu sagen. Wir wissen, dass syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in den letzten Monaten nach Syrien zurückgekehrt sind. Wir wissen von vielen Verhaftungen. Wir wissen von Folter durch die Geheimpolizei. Wir wissen, dass diejenigen, die zurückgekehrt sind und keine Repressalien zu erleiden hatten, zum Militärdienst gezwungen werden sollen. Wir wissen, dass aufgrund des Dekrets Nummer 10, das die syrische Regierung erlassen hat, allen Flüchtlingen die Eigentumsrechte an Immobilien entzogen werden, sodass sie, wenn sie zurückkehren, vor dem Nichts stehen. Das ist der Grund, warum es im Moment wenig Bereitschaft gibt, nach Syrien zurückzukehren. Die Lage ist alles andere als sicher. Deshalb kann ich diese Einschätzung überhaupt nicht teilen. Die Haltung der deutschen Bundesregierung ist die unserer Partner in Europa, aber auch darüber hinaus. Wir sind nicht bereit, uns am Wiederaufbau Syriens in der jetzigen Situation zu beteiligen, ohne dass es eine politische Lösung des Syrien-Konfliktes gibt, weil dieser Wiederaufbau lediglich die Macht Assads stabilisieren würde. Dazu werden wir keinen Beitrag leisten.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage, Kollege Pasemann?

Frank Pasemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004847, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ja, sehr gern. – Nun ist es in der Tat so, dass dort inzwischen internationale Baumessen stattfinden, an denen sich auch weltweit agierende Konzerne beteiligen. ({0}) Der Wiederaufbau beginnt; ob Ihnen das gefällt oder nicht, das sei dahingestellt. Urlaub in Latakia kann man inzwischen wieder über das Internet buchen. So viel dazu, dass das kein sicheres Land sein soll. ({1}) Sicherlich gibt es Regionen, auf die das, was Sie sagen, zutrifft, aber das gilt eben nicht für das gesamte Land. Meine Nachfrage dahin gehend: Welche Voraussetzungen müsste die syrische Regierung denn erfüllen, damit die deutsche Bundesregierung anfängt, Verhandlungen zu führen? Ich möchte darauf hinweisen, dass wir bei uns im Land über 600 000 Syrer in unseren sozialen Systemen haben und diese Menschen dort für den Wiederaufbau gebraucht werden.

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Also, die einzigen Syrien-Touristen, die ich kenne, sind die Mitglieder Ihrer Partei. ({0}) Darüber hinaus empfehle ich denjenigen, die eine solche Reise ernsthaft in Erwägung ziehen, die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. ({1}) Ich habe eben bereits darauf hingewiesen, dass ich die Lage in Syrien komplett anders einschätze, als Sie das anscheinend tun, und die deutsche Bundesregierung nicht bereit ist, sich am Wiederaufbau zu beteiligen, bevor es in Syrien eine politische Lösung gibt, und zwar die, die die Vereinten Nationen beschrieben haben. Das betrifft den jetzt einberufenen Verfassungskonvent. Das betrifft eine Verfassungsreform und anschließend die Durchführung demokratischer Wahlen. Vorher wird es keine Wiederaufbauhilfe durch Deutschland geben. Wir unterstützen die Nachbarländer humanitär. Aber wir werden ganz sicher keinen Beitrag dazu leisten, dass Assad noch fester im Sattel sitzt, als das möglicherweise ohnehin schon der Fall ist. Deshalb wird es von uns so lange keine Wiederaufbauhilfe geben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Nils Schmid, SPD. ({0})

Dr. Nils Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004876, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben nach dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien die richtigen Worte gefunden. Die Bundesregierung insgesamt hat das als völkerrechtswidrig kritisiert. Das war eine klare und schnelle Reaktion und sehr angemessen. Ich fand es auch richtig, dass Sie schnell das direkte Gespräch mit dem türkischen Außenminister gesucht haben. In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, inwieweit Sie auf die Frage der humanitären Hilfe in den Kriegsgebieten eingehen konnten. Wir haben aufgrund der militärischen Operation der Türkei über Hunderttausend Vertriebene. Wie sieht es mit der humanitären Hilfe aus? Welche Zusagen der Türkei hat es in dem Gespräch mit Ihnen dazu gegeben?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Ja, das ist einer der Schwerpunkte dieses Gespräches gewesen, weil die Zahl der Flüchtlinge in Nordsyrien permanent ansteigt. Wir gehen nach den Zahlen des UNHCR im Moment davon aus, dass diese Zahl mittlerweile über 200 000 beträgt. Man muss davon ausgehen, dass den Menschen dort jetzt ein harter Winter droht. Deshalb ist es gut gewesen, dass in den letzten Wochen das internationale Rote Kreuz Zugang zu diesen Menschen bekam. Allerdings ist es nicht so, dass dieser Zugang allen humanitären Helfern gewährt wird. Wir haben der Türkei gegenüber noch einmal sehr deutlich gemacht, dass wir diese Erwartung haben. Die Türkei hat bisher das Verfahren, dass die humanitären Helfer vom türkischen Innenministerium erst eine Genehmigung erhalten müssen und deswegen eine politische Prüfung durchgeführt wird, die darüber entscheidet, wen man nach Syrien lässt oder nicht. Wir haben der Türkei gegenüber sehr deutlich gemacht, dass alle humanitären Organisationen, die bei den Vereinten Nationen angesiedelt sind, freien Zugang haben müssen. Eine Prüfung ist uns von der Türkei zugesichert worden. Ich weiß, dass auch der UNHCR selber mit der türkischen Regierung darüber im Gespräch ist. Aber es gibt keine abschließende Antwort aus der Türkei auf die Frage, ob der Zugang wirklich frei ist. Deshalb wird das weiterhin ein Thema mit der Türkei bleiben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Schmid, eine Nachfrage.

Dr. Nils Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004876, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In welcher Weise kann die Bundesregierung helfen, speziell in Nordostsyrien? Wir haben in Syrien und im Irak ja schon beträchtliche humanitäre Hilfe geleistet. Gibt es konkrete Pläne, gegebenenfalls auch im Zuge der anstehenden Haushaltsberatungen die Hilfe noch einmal aufzustocken?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Das sind Dinge, die auf uns zukommen. Ich glaube, dass wir uns dann, wenn der politische Prozess in Syrien insgesamt an Fahrt gewinnt und man Stück für Stück und Schritt für Schritt vorwärtskommt, wirklich ernsthaft Gedanken darüber machen müssen, die humanitäre Hilfe für diesen Bereich im Vergleich zu dem, was wir vorgesehen haben, noch einmal aufzustocken. Das ist auch Gegenstand der Gespräche, die im Haushaltsaufstellungsverfahren im Moment geführt werden. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass wir nicht nur für die Region Nordsyrien, sondern insgesamt mehr humanitäre Hilfe brauchen. Wir sind auch dabei, zu überprüfen, inwieweit mit sogenannten Stabilisierungsmaßnahmen oder ‑projekten dazu beigetragen werden kann, dass die größte Not, die es dort gibt, gelindert wird. Wir sind dazu bereit. Uns stehen finanzielle Mittel zur Verfügung, aber möglicherweise wird mehr gebraucht, als im Moment vorgesehen ist. Deshalb müssen wir auch darüber im Haushaltsplanverfahren noch einmal sprechen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Ich habe jetzt noch drei Nachfragen zu der ursprünglich von Frau Kollegin Manderla gestellten Frage. Diese lasse ich jetzt noch zu. Sie kommen von dem Kollegen Djir-Sarai, Herrn Hebner und Frau Keul. Danach kommen wir zu der nächsten Frage der Kollegin Hänsel.

Bijan Djir-Sarai (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004029, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Sie haben ja auch in der Türkei gesagt, dass Sie sich mit theoretischen Fragen nicht beschäftigen wollen. Deswegen will ich Ihnen eine Frage aus der Praxis stellen. Die türkische Offensive geht weiter. Die sogenannte Debatte um die Nachkriegsordnung in Syrien hat ja längst angefangen. Ich habe gerade gehört, dass Sie gesagt haben, dass Sie sich an der Debatte um die Nachkriegsordnung nicht beteiligen wollen. Aber Fakt ist auch, dass Russland, Iran und die Türkei nicht in der Lage sein werden – das wollen sie auch nicht –, die Nachkriegsordnung oder zumindest den Wiederaufbau Syriens zu organisieren. Können Sie uns bitte sagen, was zumindest Ihre Vorstellungen dazu im Auswärtigen Amt sind?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Also, erst einmal habe ich nicht gesagt, dass wir uns an dieser Debatte nicht beteiligen, sondern ich habe nur gesagt, dass wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Voraussetzungen nicht geschaffen sehen, um uns an einer Wiederaufbauhilfe zu beteiligen. Wir werden von Russland gedrängt, uns am Wiederaufbau Syriens zu beteiligen. Wir haben uns auf der internationalen Ebene und vor allem in der sogenannten Small Group, also unter anderem mit Frankreich, mit Großbritannien und den USA, darauf verständigt, dass eine Wiederaufbauhilfe für uns nur dann in Betracht kommt, wenn der politische Prozess zu Ergebnissen führt. Das ist bis jetzt nicht der Fall. Aber wir unterstützen diesen politischen Prozess. Wir beteiligen uns daran. Wir unterstützen Geir Pedersen logistisch und finanziell bei der Durchführung der Konferenzen in Genf. Wir stehen auch politisch zur Verfügung, um mit einzelnen Partnern aus der sogenannten Astana-Group zu sprechen. Sie wissen: Es gab mal ein Gipfeltreffen von Frau Merkel und Präsident Macron mit Herrn Erdogan und Präsident Putin. Es ist ein Anliegen des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen, beide Gruppen zusammenzuführen. An diesem Prozess und dieser Debatte beteiligen wir uns sehr intensiv. Nur: Zu einer Wiederaufbauhilfe, also einer Zurverfügungstellung von Mitteln für den Wiederaufbau in Syrien, sind wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bereit.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Dann stellt der Kollege Hebner eine Frage zum selben Thema.

Martin Hebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004740, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Minister Maas, Sie hatten gerade über Maßnahmen gegen die Türkei wegen des Einmarsches in Syrien gesprochen. Die Frage ist: Warum überlegen Sie sich diese eigentlich erst jetzt? Denn dieser Einmarsch kommt überhaupt nicht überraschend. Ich möchte erinnern: Anfang September dieses Jahres war der stellvertretende türkische Außenminister hier in Berlin und hat – bei der Diskussion waren auch Mitglieder der Koalition dabei – beim Thema Flüchtlingsdeal ganz klar vier Forderungen gestellt: erstens freie Hand im Kurdengebiet in Syrien, zweitens freie Hand bei der Rohstoffförderung vor Zypern, drittens die Aufnahme der türkischen Bevölkerung Nordzyperns in die EU und viertens – ganz platt – mehr Geld. Warum wurden dort – diese Forderungen waren bekannt – nicht Maßnahmen ergriffen? Oder wurden sie damals schon ergriffen und hatten keine Wirkung? Falls sie keine Wirkung hatten: Glauben Sie, dass solche Maßnahmen jetzt noch Wirkung entfalten könnten? Plus: Was machen Sie mit den weiteren Forderungen, die der stellvertretende türkische Außenminister aufgestellt hat?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Wir können ja keine Maßnahmen gegen eine völkerrechtswidrige Militäroffensive ergreifen, wenn sie noch nicht stattgefunden hat. Wir haben der Türkei gegenüber immer sehr deutlich gemacht – und nicht nur Deutschland –, dass, wenn dies der Fall wäre, wir uns innerhalb der Europäischen Union dafür verwenden würden, dass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden; so ist es auch geschehen. Vorher ist der Türkei sehr deutlich gemacht worden, dass, wenn sie eine solche Militäroperation beginnt, sie mit diesen Maßnahmen zu rechnen hat.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage, Herr Kollege Hebner?

Martin Hebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004740, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Maas, aber wenn irgendwo jemand eine Maßnahme ankündigt, die völkerrechtswidrig ist – ich vergleiche das mal mit dem Verhalten der Polizei –, dann informiert man denjenigen, der hier entsprechend tätig wird, und zwar bevor ein Fait accompli erfolgt. Warum haben Sie bitte schön damals nichts unternommen? Können Sie uns das schildern? Denn Ihnen war in dem Fall die Haltung der Türkei ganz klar bekannt; sie wurde ganz klar kommuniziert. Sie wussten in dem Fall vom Vorgehen und auch von den Zielsetzungen. Weshalb erfolgten die Maßnahmen nicht? Und: Wie glauben Sie dann, bitte schön, weiter regieren zu wollen?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Die Maßnahmen sind, unmittelbar nachdem die militärischen Aktivitäten der Türkei in Nordostsyrien begonnen haben, ergriffen worden, und zwar von der Europäischen Union. Die Tatsache, dass sie so schnell ergriffen worden sind – zumindest was die Entscheidungsprozesse innerhalb der Europäischen Union angeht –, hat natürlich etwas damit zu tun, dass wir darauf vorbereitet gewesen sind; das ist der türkischen Regierung auch immer gesagt worden. Es ist aber so wie in allen anderen Fällen auch: Internationale Maßnahmen und Sanktionen können erst ergriffen werden, wenn entsprechende Verstöße gegen das Völkerrecht vorliegen. Dass man demjenigen, dem man unterstellt, das Völkerrecht zu brechen, mit entsprechenden Maßnahmen begegnet, ist der Türkei vorher sehr deutlich gemacht worden. Dass die Maßnahmen dann ergriffen worden sind, zeigt ja auch, dass es sich um keine leere Drohung gehandelt hat.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen, stellt die letzte Frage zu diesem Thema.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Herr Maas, auf die Maßnahmen, die Sie eben angekündigt haben, warten wir noch heute. Aber ich will nachfragen, weil Sie es schaffen, doch immer wieder Verwirrung zu stiften. Ich dachte, wir wären uns einig, dass der Einmarsch der Türkei in Syrien völkerrechtswidrig ist. Wenn ich Ihnen vorhin gut zugehört habe, dann haben Sie Ihr Gespräch mit dem türkischen Außenminister so geschildert, dass Sie gefragt hätten, wie lange die Türkei denn vorhätte, zu bleiben, und Sie gesagt hätten, dass, wenn sie dort dauerhaft bleiben wolle, dies dann völkerrechtswidrig sei. Deswegen meine Fragen: Sind wir uns einig, dass bereits der Einmarsch der Türkei nach Syrien völkerrechtswidrig ist und dass die Präsenz der Türkei sofort beendet werden muss? ({0}) Welche Initiativen haben Sie im Sicherheitsrat ergriffen, um eine entsprechende Resolution zur Verurteilung der Türkei auf den Weg zu bringen? ({1})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Frau Keul, Sie haben mich wie üblich bewusst falsch verstanden. ({0}) In der Sache stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Natürlich sind die Militäroffensive und das Überschreiten der syrischen Grenze völkerrechtlich nicht legitimiert gewesen, und damit ist auch der Einmarsch als solcher völkerrechtswidrig. Deshalb besteht die Forderung, die wir und die Europäische Union gegenüber der Türkei erheben, sich unmittelbar und sofort zurückzuziehen. Die Frage, die ich dem türkischen Kollegen gestellt habe, ist, ob er denn beabsichtige, sich überhaupt zurückzuziehen, völlig unabhängig davon, dass schon die Invasion völkerrechtswidrig gewesen ist. Das hat er dort bejaht, ohne mir einen Zeitrahmen zu nennen, in welchem dies dann auch stattfinden wird.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage?

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es bliebe zwar noch die Frage nach der Sicherheitsratsresolution, aber ich möchte meine Nachfrage zu etwas anderem nutzen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Na ja, die Frage sollte schon eine Nachfrage sein.

Katja Keul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004067, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Genau, ich frage dazu. – Sie haben vorhin angekündigt, dass Sie aus diesem Grunde die Genehmigungsentscheidungen für die Rüstungsexporte prüfen. Sie haben, glaube ich, gesagt, „die Ausfuhr unterbinden“. Deswegen frage ich jetzt: Was meinten Sie denn damit? Werden Sie diese Genehmigungen rechtsförmlich widerrufen?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Erst einmal sind wir dabei, zu überprüfen, ob Rüstungsgüter zur Auslieferung anstehen. Dort werden wir im Einzelfall entscheiden, ob das zu einem Widerruf der Genehmigung oder zu einer Ruhensanordnung führt. Dafür stehen unterschiedliche rechtliche Instrumente zur Verfügung. Aber wir sind uns innerhalb der Bundesregierung einig, dass wir diese ergreifen wollen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt stellt die nächste Frage die Kollegin Heike Hänsel, Die Linke.

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, Herr Präsident. – Herr Minister Maas, kommen wir zum Irak. Die Nachrichten sind ja sehr schockierend. UN-Generalsekretär Guterres hat das Vorgehen der irakischen Armee gegen Protestierende scharf verurteilt. Seit 1. Oktober 2019 gibt es mindestens 270 getötete Protestierende. Die Armee schießt mit scharfen Waffen, mit Gasgranaten in die Demonstranten; Köpfe werden zerfetzt. Das sind grausige Bilder, die uns aus dem Irak erreichen. Die Bundeswehr ist im Irak vor Ort und bildet die irakische Armee aus. Welche Konsequenzen ziehen Sie denn aus diesen Entwicklungen im Irak? Wenn Sie hier untätig bleiben, machen Sie sich zu Komplizen dieses Vorgehens der Regierung. ({0})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Das sehe ich komplett anders. Zunächst einmal würde ich sagen, dass die Geschehnisse, die es gegeben hat, und die Gewalt gegenüber Demonstranten, die zum Tod vieler Menschen geführt hat, von uns verurteilt werden. Das ist der irakischen Regierung auch in aller Deutlichkeit mitgeteilt worden. Ob die Konsequenz daraus ist, sich aus der Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte zurückzuziehen: Das kann man so sehen; man kann es aber auch genau umgekehrt sehen. Wir befinden uns zurzeit mit den irakischen Behörden im Gespräch darüber, wie es dazu kommen konnte und wer daran beteiligt gewesen ist. Wir werden dann eine Entscheidung darüber treffen müssen, was das für uns bedeutet. Aber grundsätzlich ist das Ziel der Ausbildung, die dort stattfindet – und nicht nur dort, sondern auch bei anderen internationalen Missionen, an denen die Bundeswehr beteiligt ist –, darauf hinzuwirken, dass die Defizite, die es bei den Sicherheitskräften gibt, beseitigt werden und dass insbesondere die Berücksichtigung von Menschenrechten Stück für Stück realisiert wird. Wir können nicht ausschließen, dass im Irak das Militär in einer Art und Weise auf Demonstranten geschossen hat, die in keiner Weise zu akzeptieren ist. ({0}) Wir würden uns gerne ein Bild darüber machen, wie es dazu kam und ob die Vermutung, die Sie geäußert haben, stimmt, dass deutsche Ausbildung dabei eine Rolle gespielt hat. Diese Information haben wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Man kann auch zum gegenteiligen Ergebnis kommen und sagen: Ausbildung soll genau das verhindern, was dort geschehen ist.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Eine Nachfrage, Frau Hänsel?

Heike Hänsel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003763, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich muss sagen, ich finde diese Haltung der Bundesregierung skandalös. ({0}) Man kann nicht verantworten, dass Sie die Bundeswehr dort im Einsatz haben für eine Ausbildungsmission von Sicherheitskräften, die auf Protestierende schießen. ({1}) Als Assad in Syrien auf Protestierende hat schießen lassen, was wir schärfstens verurteilen, haben Sie gesagt: Wir machen jetzt Regime Change; Assad muss weg. – Und hier sagen Sie: Wir müssen erst mal schauen. – Sie zögern; aber es braucht hier eine klare Haltung. Sie sprechen doch immer von Werteunion, von Ihren Werten. Ich möchte Sie fragen: Welche Werte werden denn verteidigt, wenn Sie sich an einer Mission beteiligen und Soldaten ausbilden, die auf friedliche Demonstranten schießen? ({2})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, dass ich dazu eine andere Haltung habe. Die Ausbildung von Sicherheitskräften international soll dazu beitragen, dass Menschenrechte von den Sicherheitskräften berücksichtigt werden. Wir wissen, dass es dort Defizite gibt. Wenn es dort keine Defizite gäbe, bräuchte man die Ausbildungshilfe der Bundeswehr nicht. Deshalb ist unser Konzept, dafür zu sorgen, dass Menschenrechte eingehalten werden. Wir sind dabei, die Fälle, die es im Irak gegeben hat, mit den dortigen Verantwortlichen zu besprechen und zu analysieren; dann werden wir auch Entscheidungen treffen. Aber ganz grundsätzlich soll die Ausbildung die Defizite, die es gibt, abstellen. Ich glaube, das ist der richtige Weg. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Die Kollegin Zaklin Nastic, Die Linke, möchte dazu eine Nachfrage stellen.

Zaklin Nastic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004837, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Außenminister, da Sie die Menschenrechte so hervorheben, möchte ich Sie als menschenrechtspolitische Sprecherin fragen. Ich bin vor drei Wochen mit einer Delegation im Irak gewesen. Gleichzeitig gab es dort die Unruhen und den Beginn der türkischen Invasion in den Norden Syriens. Es war ein großes Problem, sich überhaupt fortbewegen zu können, wegen massiver Restriktionen sowie der Bewaffnung und Patrouillen der irakischen Sicherheitsbehörden. Zunächst wurde uns der Zugang zum großen Flüchtlingscamp in Machmur verwehrt. Es bedurfte vieler intensiver Gespräche, damit meine Begleiter und ich – unter anderem Ärzte – dorthin gelangen konnten. Wie sind Sie dort im Gespräch? Machmur, in dem 13 000 Menschen leben – wir haben dort auch übernachtet –, wird regelmäßig von türkischen Bombern bombardiert; regelmäßig kommen dort Menschen ums Leben. Seit 2014 bekommt Machmur, obwohl es ein von den Vereinten Nationen anerkanntes Flüchtlingscamp ist, überhaupt keine humanitäre Hilfe und internationale Unterstützung. Wenn Ihnen die Menschenrechte so wichtig sind, ({0}) bitte ich Sie um eine Antwort auf die Frage, inwieweit Sie dort auch bei der irakischen Regierung aktiv sind; ({1}) denn von internationaler Seite und vonseiten Deutschlands passiert da nichts. ({2})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Ich weiß nicht richtig, was die Frage gewesen ist, ({0}) aber ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, dass dort, wo deutsches – –

Zaklin Nastic (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004837, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ganz deutlich: Was tun Sie für die Geflüchteten und die Menschenrechte in Machmur?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Er antwortet jetzt auf Ihre Frage. Das war aber jetzt die Nachfrage, Frau Nastic.

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Wir unterstützen den Irak, und wir unterstützen vor allen Dingen auch Projekte der humanitären Hilfe. Aber ich kann Ihnen noch einmal sagen: Dort, wo deutsches Militär oder deutsche Polizei an Ausbildungsmissionen beteiligt sind, werden wir immer darauf achten, zu welchen Ergebnissen das führt. Natürlich werden wir die Ereignisse im Irak auch mit den Behörden dort zu besprechen haben. Aber das Maß an Unterstützung, das gerade im Irak durch deutsche humanitäre Hilfe, durch Stabilisierungsmaßnahmen und Wiederaufbaumaßnahmen geleistet wird, ist, glaube ich, so umfangreich, wie es zurzeit von keinem anderen Staat dort geleistet wird, und deshalb werden wir das auch fortsetzen. Wir sind permanent dabei, uns mit neuen Problemen auseinanderzusetzen, und zwar auch im Benehmen mit der irakischen Regierung, aber die Unterstützung der irakischen Regierung halte ich nach wie vor für richtig. Wir erleben im Moment im Irak eine Entwicklung, die ja auch schon zu Konsequenzen in der Regierung geführt hat und die sicherlich auch die politische Landschaft im Irak noch einmal verändern wird. Aber das kann nicht dazu führen, dass wir unser Engagement dort zurückfahren.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Jetzt stellt der Kollege Omid Nouripour, Bündnis 90/Die Grünen, die nächste Frage.

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Außenminister, es ist ja bekannt, dass das Erdgasprojekt Nord Stream 2 innerhalb der Europäischen Union hoch umstritten ist. Es gibt ja jetzt eine Änderung der EU-Gasrichtlinie, und die Bundesrepublik Deutschland hat versprochen, diese Richtlinie eins zu eins umzusetzen, wie sie beschlossen worden ist. Jetzt gibt es aber Änderungswünsche. Wie passt das zusammen mit der Verlässlichkeit und dem Versprechen? Was ist mit dem spalterischen Charakter des Projekts, und auf welche Art und Weise versucht Deutschland, genau diese Spaltung zu verhindern?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Zunächst einmal muss man darauf hinweisen, dass die letzten ausstehenden Genehmigungen für Nord Stream 2, nämlich die von der dänischen Regierung, in den letzten Tagen erteilt worden sind. Insofern schreitet das Projekt voran. Wir haben in der Europäischen Union eine lange Diskussion über die Gasrichtlinie gehabt. Wir haben im Moment eine intensive Diskussion mit der Ukraine, um das sogenannte Unbundling zuzulassen, wo es auch um den zukünftigen Gastransit aus Russland durch die Ukraine geht. Das ist ein Paket. Ich kann den Diskussionen, die es dort gibt, nicht vorgreifen; aber grundsätzlich werden wir im Ergebnis großen Wert darauf legen, dass die Einheit innerhalb der Europäischen Union, zumindest was das Thema Gasrichtlinie angeht, nicht Stück für Stück aufgeweicht wird. Es gibt auch von anderen Änderungswünsche; aber ich glaube nicht, dass das, was als Kompromiss gefunden worden ist, im Ergebnis grundsätzlich noch einmal aufgeweicht wird. Vielmehr handelt es sich lediglich um rudimentäre Änderungen. Wir sind sehr froh darüber, dass wir innerhalb der Europäischen Union Einigkeit bei einem zugegebenermaßen politisch sehr umstrittenen Projekt erzielt haben, und die werden wir im Ergebnis nicht gefährden.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nachfrage, Herr Kollege Nouripour?

Omid Nouripour (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003881, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn ich es richtig sehe, wird ja morgen Abend hier über das Energiewirtschaftsgesetz abschließend beraten und abgestimmt. Dort soll ja genau das verändert werden, von dem durchgehend zugesagt war, dass es nicht verändert werden soll. Das heißt, die EU-Gasrichtlinie wird nicht eins zu eins umgesetzt. Warum?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Das, was es an Veränderungen gibt, ist mit den europäischen Partnern abgestimmt. Mir ist bisher nicht bekannt, dass es dazu Kritik gibt oder dass das den Kompromiss gänzlich infrage stellen würde.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Ich kann jetzt noch eine Frage zulassen. Nach den Notizen, die ich habe, ist der in der Reihenfolge Nächste der Kollege Dr. Kraft von der AfD. Möchten Sie eine Frage stellen?

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ja, herzlich gerne. – Herr Minister, Sie waren bei der UNO und haben sinngemäß gesagt: Die Erde brennt, und der Klimawandel ist nicht nur eine Herausforderung für die Menschheit, sondern er ist auch eine Frage von Krieg und Frieden. – Ich frage Sie jetzt ganz explizit: Welche Kriege der Vergangenheit haben ihre Ursachen im Klimawandel? Welche aktuellen Kriege und Konflikte haben ihre Ursachen im Klimawandel? Und welche Konflikte und Kriege, die uns direkt bevorstehen, werden ihre Ursachen im Klimawandel haben?

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

Die kann ich Ihnen nicht namentlich benennen. Es ist aber allgemein bekannt, dass der Klimawandel eine Vielzahl von Folgen nach sich ziehen wird. Er wird durch das Steigen des Meeresspiegels dazu führen, dass es weniger Land geben wird. Er wird Migration, Konflikte und Instabilität auslösen. In Afrika erleben wir das jetzt schon: Der Konflikt in Mali hat auch etwas mit dem Klima zu tun, mit Wasserknappheit. Es ist unsere Befürchtung, dass etwa in den pazifischen Regionen, aber auch in Afrika der Klimawandel in Zukunft eine wirtschaftliche Prosperität immer schwieriger werden lässt, dass daraus Konflikte entstehen, Migration stattfindet und letztlich zu Instabilität ganzer Regionen führen kann, sodass auch der Klimawandel als eine Ursache für die Kriege der Zukunft zu sehen ist.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Kraft, Sie haben noch eine Nachfrage?

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ja, habe ich selbstverständlich. – Herr Minister, darf ich Ihre Antwort so zusammenfassen, dass der Konflikt in Mali also etwas mit dem Klimawandel zu tun hat und nicht mit dem Einmarsch von irgendwelchen islamistischen Milizen und dass uns Kriege im pazifischen Raum direkt bevorstehen, weil die Erhöhung des Meeresspiegels die pazifischen Staaten dazu bringen wird, sich kriegerisch auseinanderzusetzen? Ist Ihre Antwort so richtig zusammengefasst? ({0})

Heiko Maas (Minister:in)

Politiker ID: 11004809

In Mali ist der Klimawandel keine Ursache, sondern ein Problem, das es uns im Moment erschwert, dafür zu sorgen, die Auseinandersetzungen, die es dort gibt, zu befrieden. Das hat etwas damit zu tun, dass die Menschen dort ganz einfach Überlebensprobleme haben, die auch etwas mit dem Klima zu tun haben, und damit auch die Anfälligkeit für extremistische Strömungen steigt. Dort gibt es nach wie vor viele Terroristen; sie haben vor kurzem noch einmal schreckliche Anschläge verübt. Insofern: Die Gründe für den Konflikt in Mali sind andere, aber die klimatischen Verhältnisse und die sich weiter verschärfenden Klimabedingungen dort helfen uns nicht bei der Bewältigung dieses Konflikts und insbesondere auch nicht bei der Umsetzung der zivilen Maßnahmen: Infrastrukturaufbau, Bildungssystem, Krankenhäuser. Insofern ist der Klimawandel einer der Punkte, die von Terroristen ganz gezielt genutzt werden; denn es gibt schon eine wirtschaftlich schwierige Situation und menschenunwürdige Verhältnisse, und das kommt noch dazu. Der Klimawandel ist nicht die Ursache für den Konflikt in Mali, aber er wird es in Zukunft in vielen anderen Regionen sein. Das ist nicht nur unsere Auffassung, das ist auch die Auffassung, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geteilt wird. Wir hatten das Thema schon im Januar dieses Jahres im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf die Tagesordnung gesetzt, und es gab Einigkeit darüber – was nicht ganz so häufig der Fall ist –, dass sich die Vereinten Nationen viel präventiver mit dem Thema „Klimawandel als Konfliktursache“ auseinandersetzen werden müssen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Danke sehr. – Damit beende ich die Regierungsbefragung und bedanke mich beim Herrn Bundesminister des Auswärtigen mit dem Ratschlag an alle Mitglieder der Bundesregierung, bei der Befragung immer auch die Ampel zur Einhaltung der Redezeit strenger zu beachten.

Martin Erwin Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004862, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr verehrte Frau Präsident! Sehr verehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Liebe Zuschauer! Natürlich gibt es kein explizit sogenanntes Neutralitätsgebot, aber es gibt das journalistische Ethos: die Forderung nach Ausgewogenheit, nach parteipolitischer Neutralität, die Trennung von Nachricht und Meinung. Das gilt für alle Medien und ganz besonders auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mittels der Medien findet öffentliche Meinungsbildung statt. Sie sollen die Informationsfreiheit gewährleisten. Aber leisten sie das heutzutage noch? Heute agieren die Medien und leider auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk häufig übergriffig und indoktrinierend, auch gegenüber Kindern – Kindern, die aufgrund ihrer Unmündigkeit unter einem besonderen Schutz stehen. Wenn aber eine Nachrichtensendung für Kinder ausgesprochen parteipolitisch agiert, dann kann man das nur noch „Propaganda“ nennen, ({0}) zum Beispiel, wenn in einer KiKA-Sendung des ZDF gesagt wird, dass es eine Partei gebe, die Menschen mit anderer Hautfarbe und anderen Religionen hassen würde. ({1}) Mit einer solchen Sendung wird ein freiheitliches, demokratisches Tabu gebrochen. ({2}) Hier wird eine Grenze überschritten, die nicht überschritten werden durfte. ({3}) – Schreien Sie nicht so! Schon lange erkennt man folgendes Stereotyp: Je länger Ihre aktuelle, falsch angelegte Politik betrieben wird, umso größer wird der berechtigte Zorn des Bürgers; ({4}) aber umso ärger der berechtigte Zorn des Bürgers wird, umso größer die Hemmungslosigkeit, mit der Sie, die Sie hier sitzen, unsere Gesellschaft spalten, unsere Nation zerstören und unserer Demokratie unzumutbare Schäden zufügen, ({5}) und das – leider – im Zusammenwirken mit den Medien. Ihre aktuelle Politik stellt nur noch eine irrwitzige, irrationale ({6}) und für den gesunden Menschenverstand nicht mehr nachvollziehbare Ideologie dar, Ihre international-sozialistische, kulturmarxistische, etatistische, die im Duktus des hypermoralisierenden Weltenretters daherkommt, ({7}) weniger weil diese multikulturellen Erlösungsprediger das Fremde so sehr lieben, mehr weil sie das Eigene so sehr hassen. ({8}) Genau das ist Ihre Botschaft, die Sie hier mit Ihren medialen Helfershelfern ebenso konstant wie hysterisch in allen politischen Feldern rausposaunen – ununterbrochen. Vielfaltswahn, Toleranz bis hin zur Selbstaufgabe, Gender-Gaga, Klimahysterie, Dieselirrsinn; alles zusammen ein Irrsinn, gegenüber dem der Bürger sich nicht mehr wehren darf, dessen Kosten er aber tragen soll. ({9}) Wenn aber eine permanent propagierte Ideologie die Redaktionsstuben erobert, dann wird es heikel. Wenn offensichtlich linksideologisch motivierte Journalisten zunehmend für sogenannten Haltungsjournalismus plädieren und diesen praktizieren, dann wird es gefährlich. Umfragen bestätigen, dass annähernd 75 Prozent aller deutschen Journalisten sich selbst dem politisch sehr linken und links-grünen Spektrum zuordnen. ({10}) Der vom Verfassungsgericht geforderte Binnenpluralismus der öffentlich-rechtlichen Medien wird so unterlaufen und ausgehebelt. Staatsfern soll er sein und somit frei jeder staatlichen Korrekturmöglichkeit. ({11}) Das Instrument – die Korrekturmöglichkeit, die Freiheit von der Korrektur – ist richtig, aber es ist nicht mehr geeicht, meine Damen und Herren. Und die Rundfunkräte, die ja auch aus den parlamentarischen Reihen kommen, haben kein Interesse, das Kontrollinstrument der Aufsicht neu zu eichen. ({12}) Das schadet der Demokratie, das schadet der Meinungs- und Informationsfreiheit. Das fördert die gewünschte Meinung und bestraft die kritische, falsche Meinung. Die gar nicht mehr so unabhängigen Haltungsjournalisten dienen nicht mehr dem Bürger und kontrollieren nicht mehr die Regierenden, sondern umgekehrt: Die Haltungsjournalisten kontrollieren den Bürger und dienen den Regierenden. – Meinungsfreiheit war gestern. ({13}) Die Politiker und ihre Mediengenossen haben ein Klima der Meinungsangst in unserem Land geschaffen. ({14}) Wir hatten letzten Sonntag, am Abend, in Leipzig den Fall, dass Linksterroristen eine junge Frau zu Hause überfallen haben und diese brutal ins Gesicht geschlagen haben, nur weil sie für ein kapitalistisches Bauunternehmen gearbeitet hat oder arbeitet. Ich habe mein ganzes Berufsleben auch im Medienbereich verbracht. Deshalb ende ich mit einem Zitat von Joseph Pulitzer. Sie kennen ihn alle. Er hat den Pulitzerpreis für Journalisten ausgelobt. Er sagte einst: Eine zynische, käufliche, demagogische Presse wird mit der Zeit ein Volk erzeugen, das genauso niederträchtig ist wie sie selbst. Das angesprochene Vorkommnis in Leipzig bestätigt genau dieses Zitat. Danke schön. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Johannes Selle für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Johannes Selle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002798, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegen! Die Welt und Deutschland stehen vor gewaltigen Herausforderungen, und die AfD hat eine Kindersendung gewählt, um den Deutschen Bundestag zu beschäftigen. ({0}) Diese Freiheit haben Sie, und niemand gedenkt, Ihnen diese Freiheit zu nehmen. ({1}) In diesem Beitrag heißt es, dass die AfD findet: Es kommen zu viele Menschen nach Deutschland, und das ist schlecht für Deutschland. – Das ist genau Ihr zentrales Thema. Wir erleben in den Debatten hier im Plenum und in den Ausschüssen, dass genau zu dieser Aussage allerlei politische Themen genutzt werden, auch wenn nicht selten krampfartige Verrenkungen notwendig sind, um dieses Thema unterzubringen. ({2}) Sie hätten heute Gelegenheit gehabt, das Gegenteil zu behaupten. Das haben Sie nicht getan. Sie haben die Gelegenheit genutzt, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk infrage zu stellen. Das ist nicht neu. So steht es auch in Ihrem Grundsatzprogramm. Das ist der wahre Kern. Dafür nutzen Sie Ihr Recht, das Thema dieser Aktuellen Stunde vorzugeben. Dabei ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner Vielgestaltigkeit eine erfolgreiche Mediengeschichte. Wirtschaftlich unabhängig sollen dem Bürger alle Argumente und wissenschaftlichen Erkenntnisse zugänglich gemacht werden, damit er sich sein eigenes Urteil bilden kann. ({3}) Diese Rundfunkfreiheit ist sogar im Grundgesetz verankert und mehrfach durch Urteile des Verfassungsgerichts bestätigt worden. ({4}) Zwei Drittel der Bevölkerung vertrauen der Berichterstattung nach einer Langzeitstudie der Uni Mainz. ({5}) Damit die Qualität in einer demokratischen Gesellschaft gesichert werden kann, gibt es Gremien, die sich aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammensetzen. Beim ZDF sind das der Fernsehrat und der Verwaltungsrat. ({6}) Zusätzlich gibt es den Beschwerdeausschuss. Jeder kann sich beschweren, wenn er dazu einen Grund sieht. Es ist ein mehrstufiges Verfahren eingerichtet worden, um die Rechte des Beschwerdeführers zu wahren. ({7}) Als Allererstes erreicht die Beschwerde den Intendanten. ({8}) Dann geht es zum Fernsehrat. Dann geht es zum Programmausschuss. Und zum Schluss wird der Beschwerdeausschuss damit befasst. Nebenbei bemerkt: Die AfD hat im letzten Jahr einen Gesetzentwurf zur Deutschen Welle vorgelegt und dabei die Zahl der Bundestagsmitglieder im Rundfunkrat von zwei auf drei erhöhen wollen, wahrscheinlich um selbst einen Platz einzunehmen. ({9}) Sie schwanken zwischen Abschaffen und Mitmachen. Sie schwanken zwischen „Höcke rausschmeißen“ und „Er gehört zur Mitte der Partei“. Sie haben einfach bei sich selbst noch viel zu klären. Zu den vorbildlichen Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört KiKA. Es war richtig, das Recht auf Informationsfreiheit auf die Kinder auszudehnen. ({10}) Wir können froh sein über das tolle gewalt- und werbefreie Angebot für Kinder. ({11}) Klar wünscht man sich vielfach mehr Berücksichtigung der eigenen politischen Überzeugungen: Wir fühlen uns zu kurz gekommen und möchten breiteren Raum zur Darstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben. – Und weil ich die Freiheit lebe, die wir haben, drücke ich meine Erwartungen auch aus. ({12}) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat aus meiner Sicht die Aufgabe, Demokratie und ihre Vertreter zu unterstützen. Das Ansehen der Demokratie in Deutschland und ihrer Vertreter hängt wesentlich von der Berichterstattung ab. Da wünsche ich mir mehr Mutmachen und Hinweise auf das Funktionieren der Institutionen. Deutschland ist wirtschaftlich stark und international angesehen. Egal vor welchen Herausforderungen wir stehen, wir sind besser vorbereitet als viele andere. Diese Zuversicht in Bezug auf unsere eigene mögliche Zukunft verdient öffentlich-rechtliche Unterstützung. Vielen Dank. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich nutze die nicht ausgenutzte Redezeit für einen Hinweis, sowohl an die Besucherinnen und Besucher als auch an die Parlamentarier: Wir sind im Moment in dem Format der Aktuellen Stunde. Das heißt, jede Rednerin und jeder Redner hat exakt fünf Minuten Redezeit, um seine Position darzustellen, und es gibt keine Zwischenfragen, Kurzinterventionen oder anderes. Dazu kann ich also auch nicht das Wort erteilen. ({0}) Wir fahren fort in dieser Debatte. Das Wort hat der Abgeordnete Thomas Hacker für die FDP-Fraktion. ({1})

Thomas Hacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004734, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man macht sich ja so seine Gedanken, wenn wir am Mittwochnachmittag zu einer Aktuellen Stunde zusammengerufen werden: Was hat die Kolleginnen und Kollegen von der AfD denn diesmal so aufgeregt? ({0}) Vieles haben wir uns vorstellen können. Aber dass ein 60-sekündiger Clip im Kinderkanal dafür gesorgt hat, dass wir heute schon wieder über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskutieren, hat mich persönlich besonders überrascht. Aber es ist gut, dass wir noch einmal über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reden; vor drei Wochen haben wir an dieser Stelle ja bereits einmal darüber gesprochen. Damals haben wir über die Anträge von den Kolleginnen und Kollegen der Grünen und von den Freien Demokraten gesprochen. Die AfD hatte inhaltlich wenig dazu beizutragen. Die eigene inhaltliche Leere ist wohl aufgefallen, sodass wir uns jetzt erneut damit auseinandersetzen dürfen. ({1}) Ganz in der Manier von Verschwörungstheoretikern bezweifeln Sie die Neutralität der Berichtserstattung, und Sie nutzen rechte Rhetorik wie „Gesinnungsjournalismus“, um schon gleich im Antrag zur Aktuellen Stunde – später wurde das Wort „Gesinnungsjournalismus“ gestrichen – deutlich zu machen, wo Sie stehen. Die große politische Mehrheit in diesem Haus verschließt sich diesen Diskussionen nicht, führt sie aber sachlich und mit Inhalt. Die Diskussion um Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen wir führen, und wir Freien Demokraten wollen sie führen. Woran wir aber nicht rütteln lassen, ist die im Grundgesetz verankerte Presse- und Meinungsfreiheit. ({2}) Ja, wir stehen zu den Grundpfeilern unserer Verfassung, und wir werden sie gegen jeden Angriff aus Ihren Reihen verteidigen. ({3}) Nicht jeder Bericht, nicht jede Diskussion und nicht jedes Programm in den Medien – ob öffentlich-rechtlich oder privat – mag mir persönlich gefallen, mag meine eigene Meinung widerspiegeln. Aber genau das ist doch die notwendige Pluralität, der Pluralismus in der Diskussion, den wir brauchen. Hier jedes Mal bei einer abweichenden Meinung die Neutralität der Medien anzuzweifeln oder gar von Gesinnungsjournalismus zu sprechen, ist schlichtweg Quatsch. ({4}) Was hat sich denn seit unserer letzten Diskussion geändert? Die von Ihnen, von der AfD, versuchte Instrumentalisierung der Studie des Reuters Institute von der Universität Oxford kann es nicht gewesen sein; die kam ja schon im September raus. Diese Studie belegt so ziemlich alles, aber keine Verletzung des Neutralitätsgebotes und auch keinen Gesinnungsjournalismus. ({5}) Das Informationsangebot – auch das des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – wird von den Bürgerinnen und Bürgern seit Jahren konstant hoch bewertet. Auch im Bereich der Glaubwürdigkeit lassen die Zahlen keinen fortschreitenden Vertrauensverlust herleiten, wie Sie es gerne hätten. Allein bei den Menschen, die sich selbst an den Rändern des politischen Spektrums – ob rechts oder links – verorten, ist ein Vertrauensverlust gegenüber den Medien messbar. Dort haben Sie sicherlich die beste Expertise, und das beweist, dass unsere Aktuelle Stunde heute wieder nur einem dient: der Bedienung Ihrer Kunden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, die Medienwelt verändert sich. Ganze Generationen nutzen Medien nicht mehr linear daheim vom Fernseher aus, sondern greifen von überall und zu jeder Tageszeit auf Inhalte zur Information oder zur Unterhaltung zu. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht hier vor notwendigen Veränderungen. Diese betreffen eben die Struktur, die Sendemöglichkeiten und sicherlich auch den konkreten Auftragszuschnitt, aber nicht die Qualität. Gerade dass Ihnen die Berichterstattung der Presse über Sie nicht gefällt, ist doch auch Ausdruck der Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. ({6}) Faschisten dürfen als Faschisten bezeichnet werden. Dass das bei Ihnen so ist, ist nicht das Problem von ARD und ZDF, sondern das Problem Ihrer Partei, die solche Menschen bei sich duldet. ({7}) Reden wir zum Abschluss über die Kinder, deren Schutz Ihnen ja so wichtig ist! Die 3- bis 13-Jährigen schauen noch fast ausschließlich lineares Fernsehen. Der Kinderkanal ist der mit Abstand beliebteste Sender. Bei den über 13-Jährigen beginnt bereits die Abwanderung ins Netz. Wenn Sie auf den Schutz dieser Personengruppe abzielen, dann ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk wohl nicht der richtige Adressat. Die Gefahr geht hier eher von den Internetseiten aus, die Hass und Hetze, Pornografie und Gewalt verherrlichen. ({8}) Meine Damen und Herren, der Schutz unserer Kinder wird durch das Jugendschutzgesetz und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sichergestellt. Die bestehenden Regeln brauchen dringend eine Anpassung an das heutige Medienverhalten und den Medienkonsum; denn der Staat regiert eben nicht in das Wohnzimmer und das Kinderzimmer hinein, und das ist auch gut so. Es ist vielmehr ein Zusammenspiel von staatlichen Leitplanken, Elternverantwortung sowie Selbstbestimmung und Eigenverantwortung – auch des Kindes –, und dazu wollen wir die Medienkompetenz aller Generationen stärken. Bei der Diskussion heute geht es um die Grundfeste unserer demokratischen Werteordnung. Es geht um Glaubwürdigkeit, und es geht um Wahrheit. Es geht um die Meinungsfreiheit und um Pressefreiheit, und die werden wir immer mit ganzer Kraft verteidigen. Danke. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Martin Rabanus für die SPD-Fraktion. ({0})

Martin Rabanus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004381, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Der Titel dieser Aktuellen Stunde lautet: „Neutralitätsgebot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bewahren – Kinder schützen“. Dazu stelle ich fest: Erstens. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist parteipolitisch neutral. Zweitens. Kinder brauchen ganz sicher keinen Schutz vor dem KiKA. ({0}) Es ist schon ärgerlich, dass Sie uns hier mal wieder die Zeit stehlen, ({1}) in einer Situation, in der der Bundestag wirklich Besseres zu tun hätte. ({2}) Wir haben alleine für morgen 20 Stunden Sitzungszeit angesetzt, und Sie schaffen es mal wieder, eine Aktuelle Stunde anzusetzen, um nicht etwa über die wirklich entscheidenden Fragen der Medienpolitik, sondern über Ihre Befindlichkeiten zu sprechen. Das ist – Entschuldigung – jämmerlich, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({3}) Aber um das auch gleich von vornherein zu sagen: Das ist Ihr gutes parlamentarisches Recht. Das will Ihnen hier auch niemand abschneiden. Sie können das machen. Sie können hier im Rahmen der parlamentarischen Ordnung auch alles sagen, was immer Sie mögen – egal wie unsinnig das sein mag. ({4}) Sie sind auch in den Medien präsent; Sie sind in Talkshows – manchmal inflationär – präsent. ({5}) Das alles können Sie gerne machen. Sie sind weder der Stachel im Fleisch noch das Opfer eines Systems, das irgendwie böse ist. Sie sind – Entschuldigung – Heulsusen, ({6}) Sie sind Schaumschläger, Sie sind Wichtigtuer, und Sie gehen mir, ehrlich gesagt, ziemlich auf die Nerven. ({7}) Aber schauen wir doch mal ein bisschen genauer hin, was eigentlich der streitgegenständliche Beitrag an Inhalt hatte. Da wird gesagt – Zitat –: Die Partei AfD wird von allen anderen Parteien abgelehnt. Ein Grund dafür: Die AfD setzt sich für Dinge ein, mit denen andere Parteien nicht einverstanden sind. Zum Beispiel findet die AfD, dass zu viele Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland einwandern und dass das schlecht für Deutschland ist. Es ist der Sache nach richtig, dass die AfD genau so denkt. Insofern weiß ich gar nicht, worüber Sie sich eigentlich aufregen. ({8}) Gehen wir mal weiter. Da heißt es dann – Zitat –: Außerdem setzt sich die AfD auf besondere Art für ihre Ziele ein: Sie versuchen, den Menschen zum Beispiel absichtlich Angst vor Flüchtlingen zu machen. Andere Parteien finden das nicht in Ordnung. Ja, sehr richtig. Ich stelle für die SPD fest: Wir finden das, was Sie machen, nicht in Ordnung. ({9}) Wenn ein Björn Höcke ausführt, ({10}) dass durch den „Geburtenrückgang“ sowie die „Masseneinwanderung“ – das ist Zitat Björn Höcke - ({11}) Deutschland erstmals in seiner Existenz elementar bedroht sei, ({12}) dann sind das Aussagen von jemandem, den man öffentlich „Faschist“ nennen darf, der das – man hat das am Wahlabend in Thüringen gesehen – auch nur mit einem lächelnden Nicken kommentiert. Das ist die Situation, in der wir sind. ({13}) Wie geht es dann weiter in dem Beitrag? Es geht dann in der Tat mit einer Einlassung weiter, dass es in der AfD eben auch Menschen gebe, die rechtsextrem denken. Zitat: Sie finden zum Beispiel, dass Menschen, die aus anderen Ländern stammen, in Deutschland nichts zu suchen haben, und hassen Menschen mit anderen Hautfarben oder Religionen. ({14}) Dass Rassisten so denken, ist ausgeführt. Die anderen Parteien finden solche Ansichten falsch. Damit sie – die anderen Parteien - damit auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden, wollen sie mit der AfD auf keinen Fall zusammenarbeiten. Da stelle ich für die SPD wieder fest: Richtig, wir wollen auf keinen Fall mit solchem Gedankengut in Verbindung gebracht werden, und deswegen gibt es keine Zusammenarbeit mit Ihnen. ({15}) Das war im Juli sogar dem AfD-Bundesvorstand klar, der in einem Brandbrief von einer möglichen Unterwanderung der AfD durch Rechtsextremisten geschrieben hat. Was ist denn mit dieser Erkenntnis aus dem Juli dieses Jahres? Wo ist das denn geblieben? Insofern verstehe ich natürlich, dass Sie wieder versuchen, einen Popanz aufzubauen, aber es ist ganz einfach, in Zukunft solche Diskussionen zu vermeiden – Sie haben den Schlüssel in der Hand –: Sorgen Sie dafür, dass Rechtsextreme aus Ihren Reihen in Partei und Fraktionen einfach verschwinden! Schmeißen Sie die raus! ({16}) Dann ist das Problem gelöst. ({17}) Hören Sie auf, uns hier die Zeit zu stehlen, sondern machen Sie Ordnung in Ihrem eigenen Laden! Herzlichen Dank. ({18})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Hilse, ich verzichte darauf, mir jetzt den Vorabdruck dieser Debatte bringen zu lassen, fordere Sie aber auf, sich im weiteren Fortgang einer parlamentarischen Ausdrucksweise zu befleißigen, und bitte insgesamt alle, genau zu prüfen, wie sie sich in die Debatte einmischen. Natürlich fahren wir jetzt in der Aktuellen Stunde, beantragt von der AfD, fort. Das Wort hat die Kollegin Doris Achelwilm für die Fraktion Die Linke. ({0})

Doris Achelwilm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004651, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer von Phoenix und KiKA! Wofür das Bundestagsplenum alles herhalten muss, ist schon bemerkenswert: Wir sehen das heute an dieser Aktuellen Stunde. Was ist passiert? Die AfD-Fraktion hat den Kinderkanal des ZDF im Visier und ist dort – nicht zum ersten Mal – über einen Beitrag des Nachrichtenformats „logo!“ gestolpert. „logo!“ macht seit über 30 Jahren erfolgreich kinder- und jugendgerechte Nachrichten. ({0}) In der Sendung vom 27. Oktober 2019 gab es nun einen Bericht darüber, warum niemand mit der AfD zusammenarbeiten will. Inzwischen muss man dazu leider sagen: abgesehen von einigen Thüringer CDU-Männern. – Aber dieser Irrsinn war am Tag der Thüringen-Wahl so noch nicht absehbar. Warum in der Politik kaum jemand mit der AfD zusammenarbeiten will, wurde in 1:12 Minuten klar und nachvollziehbar erklärt, zum Beispiel damit, dass die AfD eine bunte Gesellschaft ablehnt und Rechtsradikale in ihren Reihen und höchsten Ämtern hat. ({1}) Das entspricht vollständig den Tatsachen, auch wenn die AfD selbst diese nicht im Fernsehen haben will und mit aller Kraft leugnet und verdreht. ({2}) Schuld sind immer die anderen, besonders gerne die vermeintlich staatsgelenkten oder durchweg linken Medien; wir haben es gehört. ({3}) Dieser „logo!“-Bericht für Kinder hat die AfD schwer beschäftigt und aufgebracht. Das Theater gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk war dann wieder groß. Und weil sich das Opfergetue von rechts auf der Bühne des Parlaments besonders gewichtig präsentieren lässt, wurde gestern schnell ein Fax an die Bundestagsverwaltung geschickt, um uns mit dieser Aktuellen Stunde zu behelligen, als hätten wir nichts anderes zu tun. Ich will mir gar nicht genau vorstellen, wie es in den Köpfen von Herrn Gauland, von Herrn Baumann und von Frau Weidel wegen der KiKA-Sendung wieder geraucht und gerumpelt hat. Frau Weidel war dermaßen empört, dass sie das Video bei Facebook teilte und damit seine Reichweite noch hochtrieb. ({4}) Was in den Kommentaren folgte – na klar! –, waren allerhand Wutbekundungen aus der AfD-Hate-Speech-Filterblase – so weit, so erwartbar. Mit AfD-Schlagworten wie „Gesinnungsjournalismus“ hat so eine Sendung, wie sie vom Öffentlich-Rechtlichen erwartet werden kann, sehr wenig zu tun. Es geht um zivilisatorische Grundhaltungen, die praktiziert und verteidigt gehören. ({5}) Der Öffentlich-Rechtliche ist nicht dazu verpflichtet, wertneutral zu sein und Protagonisten rassistischer Politik einfach so mit ihren Aussagen im Raum stehen zu lassen. ({6}) In diesem Sinne wünschen wir uns tatsächlich häufiger geschichtsbewusste Einordnungen, keine Verharmlosungen der AfD als bürgerlich, mehr Schutz von Journalistinnen und Journalisten, die von rechts angegriffen werden. ({7}) Wir brauchen jeden Qualitätsbeitrag, der nicht Äpfel mit Birnen vergleicht, der nicht mit der Diskursverschiebung nach rechts mitgeht, der nicht Antidemokraten unkommentiert reden lässt, sondern im Sinne von Demokratie und Kulturauftrag seine aufklärerische, informative und unabhängige Arbeit macht. Dazu gehört natürlich auch, eine Partei mit Faschisten wie Höcke in höchsten Ämtern sachgemäß abzubilden und zu konfrontieren. ({8}) Hochwertige Nachrichtenformate für junge Menschen und Medienbilder für Kinder tun wirklich not. Sie sind zentrale Bausteine dafür, dass Menschen später gegen mediale Parallelgesellschaften von Rechtsradikalen, von Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern und Co gewappnet sind. „logo!“ und auch KiKA, die Linksfraktion und ich möchten sie für ihre Arbeit ausdrücklich loben. Weiter so! Es ist wirklich sehr beachtlich, was sie machen. ({9}) Es dürfen auf keinen Fall irgendwelche Einschüchterungen durch Aktuelle Stunden wie hier passieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Wahrheit gehört wohl auch, dass der Nachrichtenbeitrag des Kinderkanals nur ein Platzhalter ist. Das Ziel der heutigen Übung soll sein, den Öffentlich-Rechtlichen grundsätzlich anzugreifen, so wie das bei der AfD eben üblich ist: durch systematische Abschaffungsforderungen gegenüber Rundfunkstaatsverträgen und auch gegenüber kritischen Sendungen, durch eine Journalistenhetze, die die Hemmschwelle für Medienangriffe bei rechten Demonstrationen ganz augenscheinlich senkt. Die AfD will Medienvertreterinnen und ‑vertreter einschüchtern und gleichzeitig Einfluss auf die Sender und Verlage nehmen. Am liebsten wäre ihnen die direkte Kontrolle über das, was gesendet und geschrieben werden darf. ({10}) Wer die AfD als das zeigt, was sie ist, soll aus ihrer Sicht endgültig von der Bildfläche verschwinden. Aber keine Sorge: Das lassen wir nicht zu! Angriffe auf die Pressefreiheit sind neben Feldzügen gegen Zuwanderung, Gleichstellung, universelle Grundrechte, Gender- oder Klimathemen ihre Obsession. Die AfD wird politische Aufgaben nie im Sinne des sozialen Ausgleichs und Zusammenhalts lösen, sondern legt alles darauf an, zu spalten, von Problemen zu profitieren und Privilegien nur für sich und ihresgleichen einzustreichen. Parteien, die etwas Besseres wollen, haben Besseres zu tun. Wir weisen deshalb die Absicht Ihrer Aktuellen Stunde als ein grottenschlechtes Opferritual zurück. ({11})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Tabea Rößner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie in der Rechtsdatenbank von beck-online nach dem Wort „Neutralitätsgebot“ suchen, werden Begriffe wie „Bundesregierung“, „öffentlicher Dienst“ oder „Bürgermeister“ aufgelistet. Dies sind staatliche Organe, und für die gilt das Neutralitätsgebot. Unter den Treffern findet sich aber nicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Auch in den zwölf Rundfunkentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wird auf das Neutralitätsgebot beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht ein einziges Mal verwiesen. Daher habe ich eine Verständnisfrage: Warum bringen Sie hier das Neutralitätsgebot und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einen Zusammenhang? Die haben nämlich nichts miteinander zu tun. Ist es nicht eher so, dass Sie damit die Menschen einmal wieder bewusst in die Irre führen wollen? ({0}) – Das habe ich getan. – Die Diskussion über das Neutralitätsgebot ist hier also völlig fehl am Platz; denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist kein staatliches Organ. Das wäre nämlich verfassungswidrig. Der Staat darf keinen Rundfunk betreiben. ({1}) Das hat auch das Bundesverfassungsgericht immer und immer wieder bekräftigt. ({2}) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist aufgrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus staatsfern organisiert. Deshalb wird er direkt von den Bürgerinnen und Bürgern finanziert, und so ist er auch nicht von den Launen eines Finanzministers abhängig. Das ist gut und richtig so, und das soll bitte auch so bleiben. ({3}) Die Öffentlich-Rechtlichen sind staatsfern und unabhängig. Sie sind eine prüfende und einordnende Instanz im Wirrwarr aus Informationen und Meinungen. Sie haben den Auftrag, als Medium und Faktor freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken. Dazu gehören Information und Bildung, und zwar für alle Altersgruppen. Damit bin ich nun beim Stein des Anstoßes dieser Debatte. Die ZDF-Kindernachrichtensendung „logo!“ erklärt im Nachgang der Thüringen-Wahl, wieso keine Partei mit der AfD zusammenarbeiten will. ({4}) Und es ist schon ungeheuerlich, dass die AfD-Fraktion deshalb hier so einen Aufriss macht – mit dem Vorwand, dass Kinder geschützt werden sollen. Aber wovor sollen denn die Kinder geschützt werden? ({5}) Kinder haben ebenfalls ein Recht auf Information, und genau diese Information liefert das „Erklärstück“. ({6}) Ich habe mir den Beitrag mehrfach angeschaut. Ich kann nicht erkennen, was an dem Beitrag unwahr ist. Er folgt den Grundsätzen der Objektivität und Unparteilichkeit. Es ist doch richtig, dass keine andere Partei mit der AfD zusammenarbeiten möchte. Oder hat sich daran zwischenzeitlich irgendetwas geändert? ({7}) Ich kann auch nicht erkennen, dass der Beitrag Unwahrheiten über die AfD verbreitet. Ganz im Gegenteil: Die Fakten sprechen für sich. In der AfD gibt es nicht nur einige Menschen, die rechtsextreme Ansichten haben, wie es in diesem Beitrag heißt. Nein, es gibt ja sogar Faschisten in ihren Reihen. Das hat im Fall Höcke erst kürzlich das Verwaltungsgericht Meiningen klargestellt, und zwar auf Grundlage von überprüfbaren Tatsachen. Das können Sie nachlesen, dort ist alles aufgelistet. ({8}) Aber anstatt sich von einem Faschisten zu distanzieren, betont Herr Gauland nach der Thüringen-Wahl, er sehe den Faschisten Höcke in der „Mitte der Partei“. Das ist doch der eigentliche Skandal. ({9}) Ich frage also noch einmal: Vor was will die AfD die Kinder schützen? ({10}) Vor der Wahrheit? Will die AfD womöglich gar nicht, dass die Fakten auf den Tisch kommen? Genau das ist aber die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Sachverhalte wahrheitsgemäß darzustellen und in ihrem Gesamtprogramm ausgewogen zu berichten. Was die AfD aber eigentlich will, ist ein Rundfunk, der in ihrem Sinne berichtet. ({11}) Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk parteiisch wird, das gilt es zu verhindern. ({12}) Zur Ausgewogenheit gehören nun einmal alle Facetten. Glauben Sie mir: Auch mir gefällt nicht alles, was ich im öffentlich-rechtlichen Programm sehe oder höre. ({13}) Aber so ist das nun einmal mit der Meinungsvielfalt und der Demokratie. Wenn Sie also das nächste Mal den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angreifen wollen, dann setzen Sie sich wenigstens mit den richtigen Begrifflichkeiten auseinander. Dies sind Staatsferne, Objektivität, Vielfalt und Ausgewogenheit. ({14}) Mit Einhaltung dieser Regeln leistet der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen wesentlichen Beitrag für unsere freiheitliche Demokratie. Deshalb müssen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verteidigen. Dazu fordere ich alle Demokratinnen und Demokraten auf. Vielen Dank. ({15})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Elisabeth Motschmann. ({0})

Elisabeth Motschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004357, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen! Die AfD sorgt sich allen Ernstes um die Neutralität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - ({0}) ich nicht. ({1}) Sie wollen unsere Kinder schützen - ({2}) ich auch; aber ich will sie schützen vor Ihnen, Ihren schrecklichen Parolen und Ihrer schrecklichen Politik. ({3}) Sie liefern uns doch fast täglich unverantwortliche Positionen. ({4}) Wer, liebe Frau Weidel, von „Kopftuchmädchen ... und sonstigen Taugenichtsen“ spricht, provoziert harten Widerstand. Wer das Dritte Reich, Herr Gauland, als „Fliegenschiss der Geschichte“ bezeichnet ({5}) - „Vogelschiss“; „Vogelschiss“ ist genauso schlimm –, blamiert sich selbst, seine Partei, leider auch unser Land. Wer wie Björn Höcke so häufig antisemitische oder rassistische Anspielungen in seinen Reden macht, vergiftet das geistige Klima in unserem Land. Heute Mittag haben wir in der außenpolitischen Debatte doch allen Ernstes empfohlen bekommen, dass wir in Syrien Urlaub machen sollen, weil das Land halbwegs befriedet ist. Was fällt Ihnen eigentlich täglich alles an unglaublichen Positionen ein? ({6}) Und dann jammern Sie hier herum, dass das Kinderfernsehen Sie nicht gut behandelt. Behandeln Sie erst einmal unser Land, unsere Politik und unsere Gesellschaft gut, dann können Sie wieder kommen. ({7}) Wie schwach ist eigentlich Ihr Selbstbewusstsein? ({8}) Mir kommen die Tränen. ({9}) – Das überlassen Sie mal uns. ({10}) Übrigens, falls Sie es noch nicht wissen: Die Rundfunk- und Fernsehräte – das haben die Kollegen hier gesagt – sind der richtige Adressat für Ihre Klage, nicht der Bundestag. Die Rundfunkräte überwachen die Einhaltung des gesetzlichen Sendeauftrags und beraten die Programmgestaltung mit den Intendantinnen und Intendanten. Wenn Sie allen Ernstes meinen, ARD, ZDF oder KiKA verderben Kinder und Jugendliche, ({11}) dann sage ich Ihnen: Nein, die AfD verdirbt den politischen Diskurs in unserer Gesellschaft. ({12}) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk tut das ganz bestimmt nicht. Nicht umsonst hält noch immer – auch darauf ist hingewiesen worden – eine überwältigende Mehrheit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für sehr vertrauenswürdig, übrigens genauso wie sie die regionalen Zeitungen für vertrauenswürdig hält. ({13}) Also: Belästigen Sie uns doch bitte nicht mit Ihren jämmerlichen Befindlichkeiten! ({14}) – Hören Sie doch mal zu! Es ist eine ganz gute Tugend, wenn man hier im Parlament in Ruhe zuhört. ({15}) Unsere Medien, ob öffentlich-rechtlich oder privat, sind nicht dazu da, Hofberichterstattung für wen auch immer zu liefern. Das hatten wir in zwei Diktaturen, auch davor in den Printmedien. Es gehört zum Auftrag der Medien, Finger in die Wunden der Politik und Gesellschaft zu legen, und genau das tun sie. Das trifft mal den einen, mal den anderen; davon können wir alle ein Lied singen. Aber deshalb hier so ein Jammerlied zu singen, ist völlig daneben. Die Kindersendung „logo!“ ist beliebt – das weiß ich auch von den vielen Kindern in meiner Familie – bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen; denn sie erklärt anschaulich komplizierte Sachverhalte. ({16}) Dafür sage ich ganz ausdrücklich dem Sender herzlichen Dank. Wenn Sie meinen, Sie hätten ein höheres Ethos als die Medien, dann sage ich: ({17}) Sie müssen noch viel lernen, und Sie müssen sehen, dass Sie einmal realitätsbewusster werden. ({18}) Das sind Sie nicht; das müssen Sie aber werden. Vielen Dank. ({19})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der AfD der Kollege Thomas Ehrhorn.

Thomas Ehrhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004707, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Ja, es ist tatsächlich schon wieder 30 Jahre und länger her; dennoch kommt es vielen von uns vor, als sei es gerade gestern gewesen: Da saßen wir am Fernsehgerät und schalteten eigentlich nur aus Langeweile den DDR-Fernsehkanal ein. Erst die „Aktuelle Kamera“ mit dem fast schon bemitleidenswerten Versuch, irgendwie den Eindruck einer objektiven Berichterstattung zu erwecken, ({0}) anschließend „Der schwarze Kanal“ mit Karl-Eduard von Schnitzler: Hetztiraden gegen die Gegner des Sozialismus, Staatspropaganda mit dem Versuch, aus schwarz weiß zu machen. Aus Sicht westlicher Medien damals: einfach nur peinlich, Lichtjahre entfernt von dem, was man jedenfalls in dieser Zeit unter journalistischem Ethos verstand. Ja, damals machte man sich lustig über diese abstoßende Mischung aus Fake News und Indoktrinationsversuchen. Ja was haben wir gelacht über „Sudel-Ede“! Heute lachen wir nicht mehr, heute schalten wir das öffentlich-rechtliche Fernsehen ein und erleben ein Déjà-vu. ({1}) Nur, „Sudel-Ede“ heißt heute Georg Restle vom Westdeutschen Rundfunk. ({2}) Und der neue „Sudel-Georg“ hetzt auch wieder gegen die Gegner des Sozialismus. So ein Hasskommentar gegen eine demokratisch gewählte bürgerliche Rechtsstaatspartei ({3}) ist scheinbar wieder Normalität in Zeiten des Gesinnungsjournalismus. ({4}) Wer die ZDF-Nachrichten bevorzugt, dem präsentiert man eine Kundin im Biomarkt, die es völlig richtig findet, dass Hirseprodukte ausgelistet – also boykottiert – werden, weil der Hersteller das falsche Parteibuch hat. „Kauft nicht bei AfDlern!“: Hatten wir so ähnlich doch auch schon einmal, oder? ({5}) Wie sich später herausstellt, ist die Kundin rein zufällig Frau Monika Lazar – wo sitzt sie denn hier? –, ({6}) Mitglied des Deutschen Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen. Na so was! Wenn es den Begriff „Fake News“ nicht schon gäbe, dann müsste er genau für diese Art von Berichterstattung neu erfunden werden, meine Damen und Herren. ({7}) Wem das alles zu blöd ist, der schaltet dann vielleicht einmal auf den Kinderkanal, KiKA. In der Sendung „logo!“ erfahren dort die lieben Kleinen, dass AfD-Mitglieder böse sind, ({8}) weil sie versuchen, den Menschen absichtlich Angst zu machen vor Flüchtlingen, ({9}) und angeblich Menschen mit anderen Hautfarben hassen. Interessant, was man da so alles über sich selber hört; habe ich vorher gar nicht gewusst. ({10}) Da schalten wir dann doch lieber einmal zu einer der vier großen Talksendungen im Abendprogramm: ({11}) Oh, schon wieder Robert Habeck! Mehr als viermal so viele Auftritte wie alle Politiker der größten Oppositionspartei zusammen. Das ist dann wohl die konsequente Umsetzung der Forderung von Herrn Restle, einer Partei, die nicht links genug ist, keinen Raum, keine Bühne und keine Stimme zu geben. ({12}) Das ist dann also geblieben von § 11 Absatz 2 Rundfunkstaatsvertrag, von der Ausgewogenheit, der Meinungsvielfalt und der überparteilichen Berichterstattung, welche dieser fordert. Aber offensichtlich sind diese Worte heute das Papier nicht mehr wert, auf dem sie geschrieben stehen. Deshalb sollten Sie, die selbsternannten „demokratischen Parteien“, sich lieber beeilen mit Ihrem erbärmlichen Versuch, nun auch noch den Verfassungsschutz zu instrumentalisieren; denn wenn wir erst in Regierungsverantwortung sein werden, ({13}) dann werden wir aus diesem Rundfunkstaatsvertrag aussteigen, und wir werden die GEZ-Gebühren ebenfalls abschaffen. ({14}) Die Zeit des linken Haltungsjournalismus wird an genau diesem Tag zu Ende gehen, genau wie die Zeit, in der die Menschen in diesem Land sich nicht mehr trauen, das zu sagen, was sie eigentlich denken. ({15}) Demokratie lebt nämlich von These und Antithese, die Sie nicht zulassen wollen. ({16}) Demokratie lebt vom ergebnisoffenen Diskurs, den Sie nicht führen wollen. Und Demokratie lebt von Meinungsfreiheit, die Sie abschaffen wollen. ({17}) Heute mögen einige glauben, dass die einseitige Vereinnahmung der öffentlich-rechtlichen Medien den eigenen Zielen nützen würde. ({18}) Morgen werden Sie dann aber feststellen, dass sich unser Land auf dem Weg in eine totalitäre Gesinnungsdiktatur befindet. „Sudel-Ede“ würde sich darüber freuen. ({19})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Ute Vogt für die Fraktion der SPD. ({0})

Ute Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002823, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Offenbar hat der Kollege ein bisschen viel bei „Sudel-Ede“ zugeschaut. ({0}) Ich bin schon erstaunt, dass wir von einer Debatte über eine Sendung im Kinderkanal zu der Drohung kommen, dass der Bund auch noch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen will. Das, Herr Kollege, behaupten Sie leider Gottes ohne die banalste Grundkenntnis unseres Rechtssystems. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk – lassen Sie sich das gesagt sein – ist ein Rundfunkstaatsvertrag der Länder; der Bund könnte ihn gar nicht abschaffen. ({1}) Aber ich will Ihnen mit einem Blick in die deutsche Geschichte ein bisschen helfen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zu Recht und mit gutem Grund nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und aufgebaut worden, gerade weil man einen unabhängigen Rundfunk und unabhängige Medienberichterstattung wollte, gerade weil die junge Demokratie Stärkung gebraucht hat. Es ist interessant – das wurde schon ein paarmal von vielen Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen angesprochen –: Natürlich hat sich jeder hier im Hause schon über Berichterstattungen geärgert. ({2}) Wie oft haben wir uns gewünscht, dass unsere Fraktion oder unsere Partei vielleicht mehr vorkommt. Aber keiner Fraktion wäre es eingefallen, dies hier zum politischen Thema zu machen ({3}) und sich auch noch auszuweinen, weil die eigene Partei mal kritisiert oder kritisch dargestellt wird. Das ist schon sehr einzigartig und zeigt mir, dass Sie nicht verstanden haben, was die Grundfesten unserer Demokratie sind, ({4}) nämlich Meinungsfreiheit und damit auch Presse- und Medienfreiheit, dass es eine freie Berichterstattung gibt und dass man es, wenn man im Parlament kämpft und streitet, eben auch aushalten muss, dass andere Meinungen zum Tragen kommen und dieser Meinungsstreit auch ausgetragen werden muss. Dafür haben wir eine gute Berichterstattung, ({5}) die allen Seiten gerecht wird und über die sich alle Seiten auch regelmäßig ärgern dürfen und vielleicht auch müssen. ({6}) Wenn Sie so ein unbedingtes Interesse daran haben, dass Ihre Partei in anderer Form dargestellt wird, dann haben Sie das ganz alleine in der Hand. ({7}) Die Darstellung Ihrer Partei hängt davon ab, wie Sie sich benehmen, ({8}) ob Sie mit Anstand demokratische Spielregeln einhalten oder ob Sie sich so gebärden wie sonst in diesem Parlament, nämlich gegen jede Spielregel, ohne Anstand und oftmals auch völlig herzlos und kalt. ({9}) Wenn Sie erreichen wollen, dass man anders über Sie redet und vielleicht auch anders mit Ihnen redet, dann werfen Sie die Rechtsextremisten und Faschisten aus Ihrer Partei, distanzieren Sie sich von diesen Leuten, und schauen Sie auf Ihre Reden! Halten Sie andere Reden, reden Sie anständig, ({10}) reden Sie menschlich, haben Sie vor allem auch ein Herz für andere Menschen, und verlassen Sie Ihre ideologische Blase! ({11}) Dann – sage ich Ihnen – gibt es auch eine andere Berichterstattung. ({12})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Dr. Astrid Mannes. ({0})

Dr. Astrid Mannes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004814, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle stolpern immer wieder über Berichterstattungen, die wir als einseitig oder falsch empfinden; manchmal sind sie das objektiv vielleicht auch. Die Medien haben jedoch die Aufgabe, zu informieren, aber auch zu kommentieren. Das geht nicht ohne Wertung, zumal Nachrichten und Kommentare von Menschen gemacht werden. Unabhängige Berichterstattung und Medien- und Meinungsvielfalt sind aber für die Demokratie unabdingbar. Sie machen das Wesen der Demokratie aus. Freiheit und Pluralität der Medien sind Errungenschaften, um die uns viele in dieser Welt beneiden. ({0}) Auch wir kennen Zensur und fehlende Meinungsfreiheit aus der Geschichte, aus zwei deutschen Diktaturen. ({1}) Vor diesem Erbe müssen wir die Pluralität wertschätzen und schützen. Die freie Presse ist die wirksamste Waffe gegen Manipulation und garantiert uns eine offene Gesellschaft und eine lebendige Demokratie. ({2}) Die Medien bewegen sich aber nicht im rechtsfreien Raum. Die Rundfunkräte der Landesrundfunkanstalten kontrollieren die Einhaltung der staatsvertraglich verankerten Programmgrundsätze. So steht es jedem in unserem Land frei, eine Beschwerde gegen eine Sendung beim zuständigen Rundfunkrat einzureichen; der Kollege Selle hat zu den Abläufen schon ausgeführt. Die Zusammensetzung dieser Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten richtet sich am Gebot der Vielfaltsicherung aus. Das Bundesverfassungsgericht hat 2014 sogar vorgegeben, dass Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen seien. ({3}) Als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung müsse die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dem Gebot der Staatsferne genügen und der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent auf höchstens ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder der jeweiligen Gremien begrenzt sein. Frau Kollegin Dr. Weidel, wenn Sie beim Rundfunkrat nicht erfolgreich waren mit Ihrer Beschwerde, dann reflektieren Sie doch einmal, warum denn so viele und nun auch die Verantwortlichen der Kindersendung „logo!“ die AfD zumindest in Teilen als rechtsextrem empfinden. ({4}) Vielleicht sollten Sie sich klarer von verbalen Entgleisungen, die von AfD-Funktionären immer wieder vorgebracht werden, distanzieren. Wenn Sie sich als normale demokratische Partei verstanden wissen wollen, dann sollten Sie die Prämissen unseres Rechtsstaates nicht laufend infrage stellen. ({5}) Räumen Sie im eigenen Stall auf; da kann ich mich dem Kollegen Rabanus nur anschließen. Manchmal habe ich das Gefühl, Sie sind ständig auf der Suche nach Belegen dafür, dass Sie von Staats wegen verfemt seien. Auch jetzt werde ich das Gefühl nicht los, Sie haben diese Aktuelle Stunde gar nicht beantragt, weil Sie sich um das Kindeswohl sorgen. Bereits am 25. Oktober hat Herr Martin Renner als Vertreter der AfD gesagt, „die gesamte Medienpolitik und hier insbesondere die Struktur, die Funktion und der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ gehörten „dringend auf den Prüfstand“, es bedürfe „einer grundlegenden, ja radikalen Reform“. Sie haben also ein grundlegendes Problem mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und mit der Meinungsvielfalt in der Presse. Zum Glück haben wir die Pluralität, ({6}) sodass jeder auswählen kann, ob er lieber „Die Welt“ oder die „taz“ liest. Ebenso können Eltern auswählen, welche Sendungen ihre Kinder schauen. Herzlichen Dank. ({7})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Kollege Helge Lindh. ({0})

Helge Lindh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004802, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, auch oben auf den Tribünen! Für mich ist die Botschaft des Tages dank dieser Aktuellen Stunde: Kinder an die Macht! ({0}) Das macht mich ganz glücklich in diesem eigentlich traurigen Moment, angesichts Ihres Vortrages. ({1}) Sie haben – in dem Titel liest man es nicht – den Beisatz: Kinder schützen. Da kam mir sofort die Frage: Wer schützt die Kinder Deutschlands vor der AfD? ({2}) Mir wurde in diesem Moment kurz mulmig. Dann aber habe ich mir gedacht: Das ist die falsche Frage; denn dass Sie heute diese Aktuelle Stunde beantragt haben, gibt schon die Antwort, und die gibt mir Mut. Denn die, sagen wir, meistens 8- bis 12- oder 13-Jährigen, die „logo!“, „logo! erklärt“ gucken, die werden spätestens, wenn sie erwachsen sind, ({3}) in ihrer Buntheit, in ihrer Vielheit, in ihrer Vielfalt, in ihrer Differenziertheit und in ihrer Freude, zu streiten für die Demokratie, die werden Sie als politische Macht in diesem Land schlicht hinwegfegen. ({4}) Deshalb ist die Botschaft: Kinder an die Macht! Es ist doch bezeichnend, wie Sie hier agieren. Wie groß muss Ihr Kleinmut sein ({5}) und wie groß muss Ihre Angst sein und wie klein machen Sie sich, dass Sie so einen Popanz entwickeln wegen einer Informationssendung für die Kleinen und Kleinsten dieses Landes! Es ist unverständlich. Und nicht nur das: Wie viel Angst vor aufgeklärten, gut informierten, nachdenklichen 8- bis 13-Jährigen muss man haben, um solch eine Aktuelle Stunde zu beantragen! ({6}) Mein Fazit ist: Wer so viel Angst vor „logo!“ und dem Kinderkanal hat, wer folglich – und das ist nichts anderes – Angst vor der Wahrheit hat, ({7}) wer so viel Angst vor 8- bis 13-Jährigen hat, die selber denken können, dem darf man niemals auch nur eine Sekunde Regierungsverantwortung oder Ähnliches in diesem Land übertragen ({8}) und mit dem darf man selbstverständlich auch niemals ergebnisoffen sondieren. ({9}) Im Übrigen bieten Sie auch eine wunderbare Beweisführung für das, was ich jetzt ausgeführt habe. Frau Weidel und andere schreiben ja in ihren Posts, „logo!“ behaupte, die AfD sei rechtsextrem. Auch das ist schon einmal falsch. ({10}) Insofern haben wir es hier nicht mit einem Fall von Lügenpresse oder Lügenmedien zu tun, aber mit einem klassischen Fall von Lügenpartei. Denn da steht – und es steht sehr gemäßigt dort –, es gebe in der AfD einige Menschen, die rechtsextreme Ansichten haben. Vorsichtiger kann man es ja gar nicht formulieren. Und im Anschluss wird in verständlicher Sprache für Jugendliche und Kinder Rechtsextremismus erklärt. Ergo ist Ihre Behauptung falsch – Lügenpartei –, abgewickelt. ({11}) Nächster Punkt. Sie argumentieren – das ist eigentlich das Beste an dem Ganzen –, das sei Indoktrination ({12}) und Propaganda. Jetzt kommt aber der Witz: Diese Sendung ist sehr sachlich, sehr nüchtern und stellt nur das dar, was ist, ({13}) nämlich Sie in Ihrer ganzen Unpracht. Folglich ärgern Sie sich mit dieser Aktuellen Stunde über niemanden sonst als über sich selbst. Denn was da dargestellt wurde, ist die Realität. Ihre Darstellung von Realität, von Wirklichkeit, ist nichts anderes als Indoktrination und Propaganda. ({14}) Sie haben mit dieser Aktuellen Stunde eine Aktuelle Stunde gegen sich selbst beantragt. ({15}) Sie haben wahrscheinlich mit dieser Sendung einmal in den Spiegel geblickt, sich selbst gesehen und erschraken ob dessen, was Sie da sahen, ({16}) und das war das Ergebnis. ({17}) Deshalb brauchen wir nicht weniger, wir brauchen mehr „logo!“, wir müssen mehr „logo!“ wagen. Wer bisher noch kein Fan von „logo!“ war, wer bisher noch kein Fan des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war, der muss es spätestens vom heutigen Tage an sein. Noch etwas; da appelliere ich an alle, die hier sitzen, und deren Freunde, die Menschen auf den Tribünen: Teilt das, was wir hier sagen, was ich hier sage, sehr rege, viel reger als die AfD-Leute überall in den sozialen Medien, teilt in den sozialen Medien diese Form der Aufklärung über die AfD und macht noch etwas: Nehmt ein Hashtag – ich nenne es einmal #logo!erklärtrichtig - ({18}) und sammelt da die gesamten Beispiele, warum wir demokratische Parteien diese AfD nicht mögen können, die Beispiele für Rechtsextremismus, Menschenfeindlichkeit, die Litanei von Beispielen aus Debatten hier, aus den Kommunen und aus den Städten, sammelt das unter dem Hashtag #logo!erklärtrichtig; dann tun wir alle diesem Land einen guten Dienst. Vielen Dank. ({19})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Letzte Rednerin in der heutigen Aktuellen Stunde ist die Kollegin Bettina Margarethe Wiesmann von der CDU/CSU. ({0})

Bettina Margarethe Wiesmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004934, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns in dieser Debatte bisher mit dem Verständnis der AfD von Überparteilichkeit oder Neutralität von Bildungsangeboten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auseinandergesetzt. Als Familien- und Jugendpolitikerin möchte ich noch einen Punkt hinzufügen, nämlich die Frage: Was ist eigentlich das Verständnis der AfD von Kinderschutz und Erziehung zur Mündigkeit? ({0}) Die AfD war selbst Thema der Nachrichtensendung „logo!“ des Kinderkanals. Über Einordnung des Beitrags und Bewertung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben wir uns ausgetauscht. Aber Sie setzen noch eines drauf: „Kinder schützen“ überschreiben Sie die Aktuelle Stunde. Schutz ist die Antwort auf Gefahr. Kinderschutz ist geboten, wenn Kinder oder ihr Wohl gefährdet sind. Das ist in der Tat ein wichtiges Thema, das uns von der Union – aber auch vielen anderen – außerordentlich am Herzen liegt und auf das wir viel Mühe verwenden; siehe unsere Arbeit in dieser und früheren Bundesregierungen, siehe aber auch zum Beispiel die Empfehlungen der Kinderkommission unter meinem Vorsitz zur kindgerechten Justiz und zum Kindeswohl in der digitalisierten Welt, und weitere Themen werden auch bearbeitet. Sie haben dem übrigens zugestimmt; das nur am Rande. Tatsächlich gibt es einiges zu tun im Kinder- und Jugendschutz, auch in den Medien. Da geht es um weit mehr als um eine Sendung, die jemandem nicht passt. Wir brauchen – der Kollege von der FDP hat es angesprochen – endlich eine effektive Regulierung von Plattformen, Spielen, interaktiven Internetangeboten. Wir brauchen einen wirksamen technischen Schutz vor Kostenfallen und Angriffen auf die persönliche Integrität von Kindern und Jugendlichen. Wir brauchen eine wirksame Durchsetzung unserer Schutzregeln für Anbieter inner- und außerhalb von Deutschland und der EU. Und wir brauchen ein vernünftiges Konzept zur Medienbildung, unter Einschluss der Eltern. An all dem arbeiten wir intensiv in dieser Koalition. Für Sie aber, liebe Kollegen von der AfD, ist das alles kein Thema, in der heutigen Debatte nicht und auch nicht sonst; denn weder in Ihrem Wahlprogramm noch in dem Familienflyer vom letzten Jahr sahen Sie hier irgendeinen Handlungsbedarf. Zu allem Überfluss wollen Sie jetzt anscheinend auch noch die Elternrolle schmälern und in das Rundfunkprogramm eingreifen. Bisher hatte ich eher den Eindruck, Sie wollten die Rolle der Eltern stärken – offenbar ein Missverständnis. Erziehung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist aber zuvörderst eine Frage der Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Medienkonsum, auch Rundfunksendungen für Kinder, sogar „logo!“, sollten und müssten von Eltern begleitet werden; das gilt allemal für die Zielgruppe von „logo!“, die Acht- bis Zwölfjährigen, und das empfehlen übrigens auch Medienpädagogen. Das Gespräch über das Gesehene ist das Entscheidende für die Erziehung, wohingegen Sie von der AfD offenbar unterstellen, die Kinder säßen da und würden per Nürnberger Trichter mit einer Weltsicht abgefüllt. ({1}) Erst durch den Austausch über das Gesehene werden die Kinder an Medienmündigkeit herangeführt, die wir alle wünschen – oder wünschen sollten. Das ist das Kerngeschäft von Erziehung. ({2}) Zur Medienmündigkeit gehört dabei gerade auch die Auseinandersetzung mit der Vielfalt von Erscheinungen und Meinungen in unserer Gesellschaft. Denn nur dadurch kann sich die eigene Persönlichkeit eines Kindes, eines Heranwachsenden und sogar eines Erwachsenen bilden. Eben deshalb brauchen wir nicht farblose, nicht einförmige Sendungen, sondern vielfältige, auch mal anerkennende und hin und wieder sogar provozierende, ehrliche und offene Sendungen, ({3}) immer nach dem Beutelsbacher Konsens von 1976: Überwältigung ist nicht erlaubt, und kontroverse Positionen müssen beachtet werden. Ausgewogenheit in diesem Sinne gilt für das Gesamtprogramm – auch das ist schon gesagt worden –, und da habe ich überhaupt keine Sorgen. ({4}) Wenn KiKA bei seinem Programm etwas verbessern sollte, dann könnte das vielleicht die Einrichtung eines Kinderbeirats sein, der an der Programmentwicklung beteiligt wird. Ein Kinderbeirat steht in der Tat einem öffentlich-rechtlichen Programm gut zu Gesicht. Denn Kinder spüren sehr genau, wenn sie einseitig informiert oder für bestimmte Positionen vereinnahmt werden sollen. ({5}) Ich fasse zusammen: Sie von der AfD benutzen eine nüchterne Darstellung Ihrer Positionen bei „logo!“, um sich hier wieder einmal selbst zum Opfer zu stilisieren. Um die Sache selber – die Zukunft des Rundfunks in Zeiten des Internets und einer sich fragmentierenden öffentlichen Meinung bzw. die Belastbarkeit überhaupt der liberalen Demokratie unter diesen Bedingungen – geht es Ihnen genauso wenig wie um einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren der modernen Welt. Stattdessen sind es Ihr politischer Stil, Ihre Rhetorik, Ihre Wortwahl und Ihre Sprachbilder, die das Klima in diesem Hause wie auf den realen und virtuellen Marktplätzen der Republik belasten. ({6}) Sie vergiften jeden Tag ein wenig mehr die Quellen von Toleranz, Respekt und Kompromissbereitschaft in diesem wunderbaren Land, das seine höllische Vergangenheit von zwei Diktaturen so bravourös überwunden hat, und zwar so, dass der Glücksatlas zu der persönlichen Zufriedenheit der Deutschen, erst gestern veröffentlicht, einen neuen Höchststand ausweist. ({7}) – Ja. – Angesichts Ihrer tatsächlichen Performance im realen Leben kann ich den Machern von „logo!“ zu ihrer sachlichen Darstellung nur gratulieren, genauso übrigens auch den Machern der Lichtschau zu der Geschichte des Reichstagsgebäudes und der Demokratie in Deutschland, in deren jüngstem Kapitel Ihre Protagonisten ganz selbst verständlich auftauchen. Man kann sie hier vor der Tür besichtigen, wenn es dunkel ist. Meine Damen und Herren von der AfD, es ist an Ihnen, umzukehren. In Ihren Reihen muss aufgeräumt werden. Sie müssen in Sache und Stil zu einer Politik finden, die den wirklichen Herausforderungen dieses Landes gerecht wird. Dann wird Ihnen auch zum Thema „Kinder schützen“ mehr einfallen als das Hirngespinst dieser heutigen Aktuellen Stunde. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit auch am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 7. November 2019, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 16.42 Uhr)